Home Forum neu Forum alt Begriffserklärungen Syngrammata Lehre auf Youtube Neben der Schrift Fakten zur Bibel
Vorwort
der Herausgeber
Das Bible Knowledge Commentary ist eine Bibelauslegung, die ausschließlich von
Mitgliedern des Dallas Theological Seminary verfaßt und herausgegeben wurde.Es
richtet sich an Gemeindepfarrer, Laien, Bibellehrer, Bibelschüler und alle
Bibelleser, die eine umfassende kurze, zuverlässige und kommentierende Auslegung
zur ganzen Bibel wollen. Nun könnte man fragen, warum dieses Werk überhaupt
geschrieben wurde, wenn es schon so viele andere auf dem Buchmarkt gibt? Mehrere
Gründe lassen sich anführen, die das Bible Knowledge Commentary zu einem
außergewöhnlichem Hilfsmittel des Bibelstudiums machen.
So wurde es, wie gesagt, ausschließlich von den Mitgliedern eines einzigen
theologischen Seminars, nämlich des Dallas Theological Seminary , geschrieben.
Es legt zudem die Schrift einheitlich nach der grammatisch-historischen Methode
und der prätibulationalistischen und prämilleniaristischen Sichtweise aus, für
die das Dallas Theological Seminary bekannt ist. Die folgende im Deutschen wenig
gebräuchliche Begriffe besagen, daß die Entrückung vor der großen
Trübsal(prätripulationalistische Sichtweise) und die Wiederkunft Jesu Christi
vor dem 1000jährigen Reich ( prämilleniaristische Sichtweise ) stattfindet.
Insgesamt spricht man vom Dispensationalismus. Gleichzeitig stellen die Autoren
die verschiedenen Textauslegungen fundamentalistischer Bibelausleger
nebeneinander.
Das Bible Knowledge Commentary hat Vorteile, die nur wenige ähnliche Werke
aufweisen. So diskutieren die Autoren in ihren Bibeltextauslegungen, auf was die
einzelnen Bibeltexte abheben möchten, wie einzelne Teile mit dem ganzen
zusammenhängen, was inhaltlich voranging und was folgen wird. Problematische
Abschnitte, verwirrende Bräuche und scheinbar Widersprüche werden sorgfältig
untersucht. Dabei sind die neuesten Erkenntnisse fundamentalistischer
Bibelwissenschaftler in das Werk miteinbezogen worden. Zahlreiche hebräische,
aramäische und griechische Worte, die das Verständnis einzelner Abschnitte
erleichtern, werden besprochen. Dies dient besonders dem Leser der in dieser
Sprache nicht bewandert ist, obwohl auch diejenigen davon profitieren werden,
die diese Sprache kennen. Das Werk enthält darüber hinaus Karten, Tabellen und
Diagramme, die gewöhnlich dem jeweiligen Bibelabschnitt zugeordnet sind.
Zahlreiche Querverweise zu Parallelstellen finden sich zudem in vielen
Abschnitten. Jedes biblische Buch wurde wie folgt gegliedert: Einleitung,
worunter Themen wie die Verfasserfrage, die Datierung, Absicht, Einheit, Stil
und einmalige Merkmale fallen , danach Gliederung, Auslegung und Bibliographie.
Im Auslegungsteil werden spezielle Textabschnitte zusammengefaßt, gefolgt von
detaillierten Erläuterungen der jeweiligen Verse oder Versteile. Obwohl nicht
alle bibliographischen Angaben für weiterführende Studien nach Meinung der
Autoren und Herausgeber absolut notwendig sind, wurden diese dennoch erwähnt,
weil sie dem einen oder anderen Leser nützlich sein können.
Die Doktoren L. Barker und Eugene H. Merrill für das Alte Testament sowie
Stanley D. Toussaint für das neue Testament haben als beratende Herausgeber das
Niveau des Werkes beträchtlich erhöht. Danken möchten wir ebenso Lloyd Cory und
Barbara Williams, die mit ihrer sorgfältigen Redigierarbeit die Qualität des
Werkes steigert. Unser Dank gilt ferner der Produktionskoordinatorin Myrna Jean
Hasse, Jan Arroyo und anderen in der Buchherstellung von Scripture Press, die
sehr viele Stunden damit zubrachten, den Text zu erfassen und satzfertige Seiten
herzustellen. Ein Herzliches Dankeschön auch an Mitarbeiter am Dallas
Theological Seminary , die die Typokripte weiter bearbeiteten.
Das Bible Knowledge Commentary basiert auf einer sorgfältigen Exegese der Bibel.
Primär ist es aber keine erbauliche Auslegung und kein theologisches Werk, das
lexikalische Details, Grammatik und Syntax sowie ausführliche Diskussionen über
kritische Passagen in Bezug auf Text- und Hintergrundsdaten liefern möchte. Das
Bible Knowledge Commentary soll helfen, den Durchblick in die Heilige Schrift zu
vertiefen, für all diejenigen, die, geleitet vom Heiligen Geist, danach suchen,
"erleuchtete Augen des Herzens" ( Eph 1,18 ) zu erlangen. Das Bible Knowledge
Commentary möchte Verständnis und Wertschätzung für die ganze Heilige Schrift
wecken, als einem von Gott selbst inspiriertem, unfehlbarem Wort.
Die Herausgeber der englischen Originalausgabe
John F. Walvoord und Roy B. Zuck
Geleitwort
zur deutschen Ausgabe
Die besondere Stärke der vorliegenden fünfbändigen Studienausgabe zum Alten und
Neuen Testament ist ihre äußere und innere Geschlossenheit. Eines bedingt dabei
das andere: die äußere und innere Geschlossenheit zeigt sich darin, daß
sämtliche Mitarbeiter demselben Lehrkörper angehören, nämlich dem des
Theologischen Seminars in Dallas, USA. Dies wirkt sich dann aus in einer
eindrucksvollen inneren Konformität mit ihrer dem biblischen Wortlaut
verpflichteten - wenn man so will: ihrer fundamentalistischen Auslegung der
Heiligen Schrift. Trotz mancher unterschiedlicher Auffassungen in der
Bibelauslegung auch bei fundamentalistischen Exegeten, die dann offen dargelegt
werden, spürt man dem Gesamtwerk ab, wie sehr hier mit dem Werkzeug der
grammatisch-historischen Exegese alles wie aus einem Guß wirkt.
Daß dies nicht nur eine formale Methode ist, mit der die Biblischen Texte
gewissenhaft abgegangen werden, sondern sich gleichzeitig als eine durchgehende
heilsgeschichtliche Linie der Schriftauslegung auswirkt, wird dem Benutzer der
Studienausgabe rasch erkennbar. Unbeschadet der Sorgfalt in der Einzelexegese
wird hier nie aus dem Auge verloren, daß durch die gesamten Zeugnisse der Bücher
der Heiligen Schrift ein Plan Gottes erkennbar wird, der mit der Erschaffung der
Welt beginnt, im ersten Kommen und im Erlösungswerk Jesu Christi seine Mitte hat
und über die Wiederkunft Christi in der neuen, ewigen Welt Gottes seine
Vollendung findet. Diese geistliche Erkenntnis ist in der Kirche Jesu Christi
unstrittig; sie ist keine Besonderheit der vorliegenden Studienausgabe.
Eine Besonderheit ist aber, und dies muß der Benutzer wissen und gegebenenfalls
in Kauf nehmen, e3ine ganz bestimmte Sichtweise in der Setzung der Schwerpunkte,
was den Welt- und Heilsplan Gottes angeht. Die sich daraus ergebende
durchgehende Linie - und sie wird allenthalben durch gehalten und deutlich
ausgezogen - geht auf den Engländer John Nelson Darby (1800-1882) zurück, dessen
Anhänger sich zur "Christlichen Versammlung" in England, Deutschland, den USA
und anderswo zusammengeschlossen haben und nach ihrem Gründer "Darbysten"
genannt werden. Als darbystische theologische Ausbildungsstätte sie eben jenes
"Dallas Theological Seminary" genannt, aus dem das "Bible Knowledge Commentary",
die englische Originalausgabe der deutschen fünfbändigen Studienausgabe zum
Alten und Neuen Testament, hervorgegangen ist.
Es würde der exegetischen Qualität und dem hier dokumentierten Reichtum an
biblischem Wissen keinen Abbruch tun, wenn der Benutzer aus biblischen Gründen
sich der darbystischen Hauptlehre vom "Dispensationalismus" (zu deutsch etwa die
Lehre von der Führung oder Lenkung, nämlich der Welt durch Gottes Plan)gerade in
ihren beiden Hauptpunkten, dem "Prätribulationalismus" und dem
"Prämilleniarismus" nicht anschließen kann. Der "Prätribulationalismus" ist die
Lehre von der Entrückung der "wahren" Gemeinde Christi aus den Heiden vor den
großen "Tribulationen", vor den in der Heiligen Schrift geweissagten
apokalyptischen Drangsalen der Endzeit. Der klassische "Prämilleniarismus"
besagt, daß die Wiederkunft Christi bereits vor Anbruch des tausendjährigen
Reichs ( Offb 20,1-6 ) stattfindet. Wer dieser Ansicht des Heilsplanes Gottes in
dieser alles beherrschenden doppelten Leitlinie auf Grund seiner Exegese der
Heiligen Schrift so nicht zu folgen vermag, und wer zudem das Selbstverständnis
der "Versammlung", wie die Darbysten sich schlicht nennen, als der eigentlichen
und wahren Gemeinde Jesu Christi nicht zu teilen vermag, der wird dennoch
reichen Gewinn aus dieser Studienausgabe ziehen können.
Das konsequente hermeneutische Verständnis der Bibel als der von Gottes Geist
eingegebenen Heiligen Schrift macht diese fünfbändige Studienausgabe zum Alten
und Neuen Testament zu einer bedeutsamen Bereicherung bereits veröffentlichter
Bibelkommentare. Die sorgfältige Wiedergabe biblischer Aussagen ist besonders
hervorzuheben, wobei das Illustrations- und Kartenmaterial dazu sehr hilfreich
ist.
Hervorzuheben ist im Blick auf andere Auslegungen der biblischer Bücher die
Intention der Verfasser, der Auseinandersetzung mit anderen Exegeten, nicht
zuletzt auch denen der historisch-kritischen Methode, nicht aus dem Wege zu
gehen.
Eine große Bereicherung wäre es aber gerade im Hinblick auf Folgeauflagen, wenn
die bibliographischen Angaben am Schluß der einzelnen biblischen Bücher sich
eben nicht nur auf Werke uns nahezu unbekannter amerikanischer weithin
darbystischer Autoren beschränken würde, sondern wenn dann auch die
Publikationen europäischer, vor allem deutscher Bibelausleger mit einbezogen
würden. Dies wäre besonders für diejenigen Bücher gerade auch deutscher Exegeten
unerläßlich, mit denen sich die hier vorgelegte Studienausgabe kritisch
auseinandersetzt.
Ernsthaften Bibellesern wird mit dieser Studienausgabe gewiß eine große Hilfe
zum selbständigen "Suchen in der Schrift " ( Joh 5,39 ) in die Hand gegeben.
Kurt Hennig
Dekan i.R.
Herausgeber
John F. Walvoord , A.B., Th.M., Th.D., D.D.
Präsident
Professor für Systematische Theologie
Dallas Theological Seminary
Herausgeber von Bibliotheca Sacra
(Zeitschrift des Dallas Theological Seminary)
Roy B. Zuck , A.B., Th.M., Th.D.
Akademischer Dekan
Professor für Bibelexegese
Dallas Theological Seminary
Herausgeber von Bibliotheca Sacra
(Zeitschrift des Dallas Theological Seminary)
Beratende Herausgeber
Altes Testament
Kenneth L. Barker , A.B., Th.M., Ph.D.
Geschäftsführender Sekretär des Bibelübersetzungskomitees der New International
Version
Internationale Bibelgesellschaft
(1968-1981 Direktor und Professor für semitische Sprachen und Altes Testament,
Dallas Theological Seminary)
Eugene H. Merrill , A.B., M.A., M.Phil., Ph.D.
Assistenzprofessor für semitische Sprachen und Altes Testament
Dallas Theological Seminary
Neues Testament
Stanley D. Toussaint , A.B., Th.M., Th.D.
Direktor und Professor für Bibelexegese
Dallas Theological Seminary
Autoren*
Walter L. Baker, A.B., Th.M.
Assistenzprofessor für Weltmission
Obadja
Craig A. Blaising, B.S., Th.M., Th.D. Assistenzprofessor für Systematische
Theologie
Maleachi
J. Ronald Blue, A.B., Th.M. Direktor und Assistenzprofessor für Weltmission
Habakuk
Sid S. Buzzell, B.S.,Th.M., Ph.D.
Gastdozent für Religionspädagogik
Pastor der Westlake Bible Church,
Austin, Texas
Sprüche
Donald K. Campell, A.B., Th.M., Th.D.
Geschäftsführender Vizepräsident
Professor für Bibelexegese
Josua
Robert B. Chisholm, Jr.,A.B., M.Div., Th.M.,Th.D.
Assistenzprofessor für semitische Sprachen und Altes Testament
Hosea, Joel
Thomas L. Constable, A.B., Th.M.,Th.D.
Direktor des Doctor of Ministry Programmes
Assistenzprofessor für Bibelexegese
1. und 2. Könige
Jack S. Deere, A.B., Th.M., Th.D.
Assistenzprofessor für semitische Sprachen und Altes Testament
5. Mose, Hoheslied
Charles H. Dyer, A.B., Th.M.
Vizepräsident
Assistenzprofessor
Washington Bible College/Capital Bible Seminary
Lanham; Maryland
Jeremia, Klagelieder, Hesekiel
Gene A. Getz, A.B.,M.A., Ph.D.
Gastdozent für Pastoraltheologie
Pastor der Fellowship Bible Church
North Plano, Texas
Nehemia
John D. Hannah, B.S., Th.M., Th.D.
Direktor und Professor für Theologiegeschichte
2. Mose, Jona, Zefanja
Elliot E. Johnson, B.S., Th.M., Th.D.
Assistenzprofessor für Bibelexegese
Nahum
F. Duane Lindsey, A.B., B.D., Th.M., Th.D.
Registrar und Assistenzprofessor für Systematische Theologie
3. Mose, Richter, Haggai, Sacharja
John A. Martin, A.B., Th.M., Th.D.
Assistent des Akademischen Dekan
Direktor der Sommerbibelschule
Assistenzprofessor für Bibelexegese
Esra, Ester, Jesaja, Micha
Eugene H. Merrill, A.B., M.A., M.Phil.,Ph.D.
Assistenzprofessor für semitische Sprachen und Altes Testament
4. Mose, 1. und 2. Samuel, 1. und 2. Chronik
J. Dwight Pentecost, A.B., Th.M., Th.D.
Professor für Bibelexegese
Daniel
John W. Reed, A.B., M.A., M.Div.,Ph.D.
Direktor und Professor für Pastoraltheologie
Rut
Allen R. Ross, A.B., Th.M., Th.D., Ph.D.
Direktor und Professor für semitische Sprachen und Altes Testament
1. Mose, Psalmen
Donald R. Sunukjian, A.B., Th.M., Th.D., Ph.D.
Assistenzprofessor für Pastoraltheologie
Amos
Roy B. Zuck, A.B., Th.M., Th.D.
Akademischer Dekan
Professor für Bibelexegese
Schriftleiter Bibliotheca Sacra
Hiob
*Alle Autoren waren oder sind Fakultätsmitglieder des Dallas Theological
Seminary. Titel beziehen sich, falls nicht anders vermerkt, auf das Dallas
Theological Seminary.
Abkürzungen
akt. Aktiv, aktive Form Apok. Apokryphen Aram. Aramäisch AT Altes Testament Bd.
Band ca. circa ebd. ebenda fem. Femininum, weibliche Form Griech. Griechisch
Hebr. Hebräisch Hrsg. herausgegeben, Herausgeber Impera. Imperativ, Befehlsform
Imperf. Imperfekt, Vergangenheit Kap. Kapitel Lat. Lateinisch, Latein LXX
Septuaginta(griech. Übers. des AT) mask. Maskulinum männliche Form Ms, Mss
Manuskript(e) MT Masoretischer Text (überlieferte Texte des hebr. AT) neutr.
Neutrum, sächliche Form Nr. Nummer NT Neues Testament o.J. ohne Jahr, kein
Erscheinungsjahr o.O. ohne Ort, kein Erscheinungsort Part. Partizip Pass.
Passiv, passive Form Perf. Perfekt, vollendete Vergangenheit Pl. Plural,
Mehrzahl Präs. Präsenz, Gegenwart S. Seite s. siehe Sem. Semitisch Sing.
Singular, Einzahl s.o. siehe oben (im Text) s.u. siehe unten (im Text) s.v. sub
verbo, siehe unter dem Stichwort u.a. und andere Übers. Übersetzung, Übersetzer,
übersetzt V. Vers vgl. vergleiche Vul. Vulgata (lat. Übers. der Bibel) wörtl.
wörtlich z.B. zum Beispiel
Biblische Maße und Gewichte
Binlische Einheit Heutige Entsprechung Gewicht
Talent 60 Pfund 34 kg Pfund/Mine 50 Lot 0,6 kg Lot/Schekel 2 Bekas 11,6 g Pim
2/3 Lot 7,6 g Beka 10 Gramm 6 g Gramm/Gera 0,6 g Länge
Rute 6 Ellen 2 m Elle 2 Spannen 0,5 m Spanne 3 Handbreiten 23 cm Handbreite 4
Fingerbreiten 7 cm Fingerbreite 2 cm Hohlmaße für trockene Dinge
Sack/Homer 10 Scheffel 220 l Letech 5 Scheffel 110 l Scheffel/Efa 3 Maß/10 Gomer
22 l Maß 1/3 Scheffel 7,3 l Krug 1/10 Scheffel 2,2 l Handvoll 1/18 Scheffel 0,3
l Hohlmaße für Flüssigkeiten
Faß wie Sack 220 l Eimer 1 Schefel 22 l Kanne 1/6 Eimer 4 l Becher 1/72 Eimer
0,3 l Die Angaben sind Annäherungswerte. Grundlage der Umrechnung ist die
Festsetzung 1 Lot = 11,5 g; 1 Elle = 0,5 m; 1 Scheffel = 22 l (andere
Berechnungen:1 Scheffel = 39 l).
Transliteration (Umschift)
Translite
Die alttestamentliche Geschichte im Überblick
Das erste Buch Mose (Allen P. Ross)
EINFÜHRUNG
Das 1. Buch Mose, auch Genesis genannt, ist das Buch der Anfänge. Es enthält die
weltbewegenden Berichte von der Entstehung des Universums und der Menschheit,
des Einbruchs der Sünde in die Welt, der katastrophalen Folgen des Fluches als
Strafe für die Sünde und der Anfänge des Planes Gottes, durch sein Volk alle
Völker der Erde zu segnen.
Die meisten Bücher der Bibel beziehen sich in irgendeiner Form auf das 1.Buch
Mose. Darüberhinaus hat der Gegenstand von 1.Mose seit Jahrhunderten das
Interesse der Ausleger auf sich gefunden.
Was für die biblischen Wahrheiten allgemein gilt, gilt auch für 1.Mose. Es wurde
zum Stein des Anstoßes für viele, die es voreingenommen oder rationalistisch
lesen wollten. Für diejenigen aber, die es als das Wort Gottes anerkennen, dem
sie dienen, ist 1.Mose eine Quelle der Erbauung und Ermunterung. Sie gehen
anders an die Fragen und Schwierigkeiten des Buches heran.
Das erste Buch Mose
Der Titel des Buches
Das erste Wort des hebräischen Textes b+rE?SIT ist zugleich der hebräische Titel
des Buches und bedeutet »am Anfang«. Der griechische und lateinische Titel
»Genesis« leitet sich von der griechischen Übersetzung des wichtigen Wortes in
1.Mose TNl+DNT ab und bedeutet »Entstehung« oder »Entstehungsgeschichte«. In 1Mo
2,4 a findet sich in der Septuaginta das Wort geneseOs : »Dies ist das Buch der
Entstehungsgeschichte von Himmel und Erde«. Im Deutschen wird entweder der Titel
»Genesis« verwendet oder das Buch als erstes der fünf Bücher Moses bezeichnet
(vgl. zur Verfasserfrage im folgenden).
Das erste Buch Mose
Verfasserfrage
Sowohl andere biblische Bücher als auch die jüdische Tradition schreiben den
Pentateuch (1.Mose - 5.Mose, penta = fünf) Mose zu. Dies reichte für die meisten
Leute in den Synagogen und Kirchen durch Jahrhunderte aus, um 1.Mose mit
Sicherheit Mose zuzuschreiben.
Tatsächlich hätte auch niemand eine bessere Qualifikation zum Schreiben des
Buches gehabt. Da Mose »in aller Weisheit der Ägypter gelehrt« wurde ( Apg 7,22
), mußte ihn sein literarisches Können dazu befähigen, die Traditionen und
Berichte Israels zu sammeln und daraus ein Buch zusammenzustellen. Seine
Gemeinschaft mit Gott am Horeb und während seines ganzen Lebens konnte ihm
Hinweise für diese Aufgabe geben. 1.Mose stellt die theologischen und
historischen Grundlagen für den Auszug (Exodus) und den Bund am Sinai dar.
Die mosaische Autorschaft der Genesis und des ganzen Pentateuch wird jedoch von
kritischen Forschern verneint. Das ist kein moderner Standpunkt, denn schon in
der frühesten Zeit des Christentums konnten sich einige Theologen nicht zwischen
Mose und Esra als Autor entscheiden. Aber die moderne Ansicht, daß der
Pentateuch aus verschiedenen Quellen zusammengestellt wurde, scheint ein
Ergebnis des rationalistischen Skeptizismus zu sein. Benedikt Spinoza
(1632-1677) glaubte, daß der Pentateuch von Esra geschrieben wurde, der eine
Vielzahl von Traditionen, einschließlich einiger auf Mose zurückgehender
Überlieferungen, benutzte.
Der erste Versuch einer Dokumentenhypothese der Entstehung von 1.Mose wurde 1753
von dem Arzt Jean Astruc (1684-1766) unternommen. Er verbreitete die Idee, daß
1.Mose aus zwei Hauptquellen und mehreren kleineren Quellen zusammengestellt
wurde. Die nächsten 124 Jahre debattierten und entwickelten Forscher diese Idee,
bis schließlich Julius Wellhausen (1844-1918) den Ansatz der Dokumentenhypothese
umfassend und gründlich neu formulierte.
Wellhausen unterteilte den Pentateuch in vier literarische Quellen, dargestellt
durch die Buchstaben J, E, D, P. Das »J«-Material, so genannt, weil in ihm der
Name Jahwe vorgezogen wird, entstand für ihn um 850 v.Chr. Es war persönlich und
biographisch ausgerichtet, hatte eine anthropomorphe Sprache und schloß eine
prophetenähnliche Ethik und theologische Reflektionen ein. Das »E«-Material, so
genannt, weil in ihm der Name Elohim (Gott) vorgezogen wird, wurde im Nordreich
um 750 v.Chr. geschrieben. Es war objektiver, beschäftigte sich weniger mit
ethischen und theologischen Reflektionen und bot mehr konkrete Einzelheiten.
Entsprechend dieser Sicht, wie sie von nachfolgenden Forschern weitergebildet
wurde, wurden diese beiden Quellen um 650 v.Chr. von einem unbekannten Redaktor
oder Herausgeber kombiniert. Das Ergebnis war »JE«.
Die Komposition wurde dann durch Material aus den Quellen »D«
(deuteronomistische Quelle, von Deuteronomium = 5.Mose) und »P«
(Priester-Quelle, von Priestern verfaßt) ergänzt. »D« wurde demnach angeblich
unter Hiskia um 621 v.Chr. als Teil der damaligen Reformation abgefaßt, also
nicht, wie das AT selbst es darstellt, nur wiederentdeckt. Die
deuteronomistische Schule bearbeitete nicht nur 5.Mose, sondern auch die Bücher
von Josua bis 2.Könige. »P« (Esra und das Heiligkeitsgesetz »H«) soll zwischen
570 und 445 v.Chr. entstanden sein und sich vor allem mit dem Ursprung und den
Bestandteilen der Theokratie, der Familiengeschichten, der Opfer und der
religiösen Handlungen beschäftigt haben.
Die Berechtigung zu einer solcher 'Quellenscheidung' zogen bibelkritische
Forscher aus der Verwendung verschiedener Gottesnamen, aus unterschiedlichen
Parallelberichten, aus sprachlichen Besonderheiten und aus der Betonung
unterschiedlicher theologischer Grundgedanken.
Die Kritik an der Quellenscheidung ( 'Dokumentenhypothese' ) muß bei ihren
weltanschaulichen Voraussetzungen beginnen. Ein übernatürliches Handeln Gottes
wurde ausgeschlossen, die Bibel wie jedes andere menschliche Buch behandelt. Die
Evolutionstheorie wurde auf die Geschichte Israels übertragen, indem sich der
Monotheismus angeblich allmählich aus dem Polytheismus mehrerer Stämme
entwickelte. Die Hegelsche Dialektik führte zu der Auffassung, daß die
endgültige Form der Wahrheit sich aus sich widersprechenden Lehren entwickelt
haben müsse.
Aber auch unabhängig von den überholten und unchristlichen Voraussetzungen, die
jede göttliche Offenbarung untergraben, wirft die Quellenscheidung
schwerwiegende Probleme auf. So besteht keinerlei Einigkeit über den Umfang der
einzelnen Quellen J, E, P, D, da jeder Gelehrte die einzelnen Verse anders
zuordnet, wobei offensichtlich auch rein subjektive Empfindungen eine Rolle
spielen. Häufig wird dabei auch im Kreis argumentiert. Ein Zirkelschluß liegt
zum Beispiel vor, wenn man einen Text J zuordnet, weil er häufig das hebräische
Wort für gebären yAlaD verwendet, und zugleich yAlaD nur in J vorfindet und dies
besonders herausstellt. Außerdem wird zu oft der Text umgestellt, verändert und
hinterfragt, wenn er so wie er vorliegt, nicht in das System paßt.
Archäologische Entdeckungen haben viel Material zutage gefördert, das nicht nur
die Kriterien der Quellenscheidungshypothesen in Frage stellt, sondern zugleich
Licht auf die frühe Umwelt von 1.Mose wirft. Die ugaritische Literatur in Kanaan
(ca. 1400 v.Chr.) beweist die frühe Verwendung von kultischer Sprache (oft P
zugeschrieben und als jung angesehen), poetischen Formen, seltenen Worten (die
man für junge »Aramäismen« hielt), die Vielfalt von Gottesnamen und anderen
Namen im selben Text und die Wiederholung als Mittel der Betonung. Neuere
Entdeckungen in Ebla bieten weitere Dokumente für die Verwendung von Namen,
Orten und Vorstellungen zur Zeit von 1.Mose (vgl. Giovanni Pettinato, The
Archives of Ebla , Garden City, N.Y.: Doubleday&Co., 1981).
Die weiter östlich in versunkenen Archiven in Nuzi 1925 und in Mari 1933
gefundenen Täfelchen bieten viele Parallelen zu Gebräuchen und Gesetzen aus der
Zeit der Patriarchen, wie sie uns in 1.Mose überliefert sind.
Auch wenn solche Beiträge der Archäologie die Existenz der Patriarchen oder das
hohe Alter der Erzählungen nicht 'beweisen' können, fügen sie sich doch
ausgezeichnet in den Inhalt und den Stil der Erzählungen in 1.Mose ein. Aufgrund
der immer noch zunehmenden archäologischen Funde wird ein junges Alter von
1.Mose immer unwahrscheinlicher.
Die sogenannte »Formkritik«, die Hermann Gunkel erstmals auf das Alte Testament
angewandt hat, geht von einem hohen Alter der zugrundeliegenden Überlieferungen
aus. 1Mo 1-11 wird mit sumerisch-akkadischen Texten des 3. und 2. Jahrtausend
v.Chr. verglichen, während die Patriarchen nicht in die spätere Welt der Assyrer
der ersten Hälfte des 1. Jahrtausend v.Chr. passen. Die Formkritik will die
Gattung, Struktur, Umwelt und Absicht der literarischen Einheiten hinter dem
vorliegenden Text erforschen, um die ursprüngliche Verwendung des Textes in
ihrer Beziehung zu Israel zu erkennen.
Diese Methode isoliert die einzelnen literarischen Einheiten dann meist an Hand
der Quellen JEDP. Anschließend werden Gattung und einzelne Einheiten (z.B.
Segensformel, Eid, Lied, Legende) festgelegt und gemeinsame Motive, Begriffe und
Strukturen miteinander verglichen. Dann wird versucht, den »Sitz im Leben« der
Texteinheit im Alltag des antiken Israels festzustellen, um die ursprüngliche
Absicht zu erfahren. Dazu muß die Formkritik oft beurteilen, wie die jeweilige
Einheit im einzelnen überliefert wurde.
Gunkel nennt sechs Arten von Sagen und Erzählungen in 1.Mose, die die
ursprünglich, mündlich überlieferte Dichtung darstellen: a) ätiologische Sagen
(z.B. die Erklärung, warum der Mensch sündigt), b) ethnologische Sagen (z.B. die
Erklärung, warum Kanaan versklavt wurde), c) ethymologische Sagen (z.B. die
Erklärung des Namens von Babel), d) zeremonielle Sagen (z.B. die Erklärung für
die Entstehung des Sabbat), e) geologische Sagen (z.B. die Erklärung für die
Entstehung des Salzes bei Sodom), f) unklassifizierbare Sagen.
Allgemein geht die Formkritik etwas wohlwollender mit dem vorliegenden Text um
als die eigentliche Quellenscheidungskritik und berücksichtigt auch den
vorhandenen Text in den Untersuchungen. Trotzdem teilt sie weitgehend die
Schwächen der Quellenscheidungshypothesen. Sie geht zunächst einmal von einer
natürlichen und allmählichen Entwicklung des Textes aus und schließt ein
übernatürliches Reden und Eingreifen Gottes aus. Der Monotheismus Israels
entwickelte sich aus dem Glauben an viele Götter, die berichteten Wunder sind
lediglich nachträgliche Erklärungsversuche, die frühe Ereignisse, die nicht oder
jedenfalls nicht so passiert sind, zur Erklärung für Fakten der Gegenwart
(religiöse Zeremonien, theologische Fakten oder historische Gegebenheiten)
erzählen.
Außerdem dürfte es schwer sein, zu beweisen, daß die Sagen als eigenständige
Einheiten, die mündlich überliefert wurden, je existiert haben. Erschwert wird
der Beweis dadurch, daß die Formkritik davon ausgeht, daß die Sagen bei ihrer
Aufnahme in ein schriftliches Werk stark verändert wurden. Das ist jedoch reine
Vermutung, die aber Formkritiker dazu führt, oft sehr subjektiv und spekulativ
die uns vorliegenden Überlieferungen mit Hinsicht auf ihre Vorgeschichte stark
abzuändern und umzuinterpretieren. Der Schwerpunkt wird von dem sicheren, für
alle eine gemeinsame Basis bildenden vorliegenden Text auf die jeweils von
einzelnen Forschern vertretene angenommene Vorstufe der Texte verlagert.
Aus der Formkritik heraus haben sich verschiedene neue Richtungen entwickelt.
Vor allem die traditionsgeschichtliche Schule kritisiert die strenge
Quellenscheidung in JEDP und will einen umfassenderen analytischen Ansatz
vorbereiten, der mündliche Überlieferung, vergleichende Mythologie,
psychologische Analyse und weitere Prozesse zusammenführt, um die Entstehung und
Überlieferung der Tradition Israels zu erarbeiten.
Die Subjektivität dieser Schule ist durch die unterschiedlichen Schwerpunkte
bedingt und hat zu einer nicht zu übersehenden Vielfalt von Forschermeinungen
geführt. Allen gemeinsam sind im wesentlichen folgende Elemente: Die Geschichten
wurden in einem frühen Stadium mündlich überliefert, die Erzählung aus dem
Gedächtnis wurde von eigenen Erklärungen begleitet, diese Überlieferungen durch
verschiedene Kräfte umgeformt (z.B. durch kanaanäische Sagen, das Erlösungsmotiv
in der Königszeit), schließlich in Zyklen zusammengefaßt, die ein schöpferischer
Redaktor endlich zu einer literarischen Einheit zusammenfügte, die dann in der
nachexilischen Zeit normativen Charakter erhielt. Die beiden großen Zyklen
werden P und D genannt und umfassen 1.Mose-4.Mose (P) mit dem Schwerpunkt auf
dem Passafest und 5.Mose- 2.Kön (D). Obwohl die Quellenscheidung im Prinzip
zurückgewiesen wird, kommt man also doch zu ähnlichen Ergebnissen. Die
Geschichte der Überlieferung interessiert dabei meist mehr als der uns bis heute
überlieferte Text selbst.
Die Kritiker der traditionsgeschichtlichen Schule weisen zunächst darauf hin,
daß ihre Vertreter der mündlichen Überlieferung ohne Beweis einen so großen
Stellenwert einräumen. Die Archäologie hat inzwischen viele Belege dafür
zusammengetragen, daß im Nahen Osten viele Dokumente sorgfältig auf
schriftlichem Wege überliefert wurden und viele mündliche Überlieferungen
zugleich auch schriftlich weitergegeben wurden.
Der Vergleich mit anderen Mythologien setzt voraus, daß die Religion Israels
überhaupt mit heidnischen Religionen zu vergleichen und aus ihnen heraus zu
erklären ist. Dabei werden die großen Unterschiede zum hebräischen Monotheismus
leicht übersehen. Am Ende bleibt die Frage offen, wie der einzigartige Glaube
des AT überhaupt je entstehen konnte. Die Möglichkeit, daß Gott einem Volk, das
im Ungehorsam gegen ihn manches von den umliegenden Völkern übernahm, seinen
gänzlich neuen Willen offenbarte, wird von vornherein nicht in Betracht gezogen.
Alle Versuche, hinter den Text des AT zurückzugehen und seine Entstehung in
verschiedenen Schichten herauszuarbeiten, führen zu Spekulation und
Subjektivität, da keine konkreten Anhaltspunkte und Beweise vorliegen. Dort, wo
das AT selbst gelegentlich etwas über seine eigene Vorgeschichte sagt (z.B. im
Buch Jeremia), werden diese Angaben nicht ernstgenommen, sondern grundsätzlich
verworfen. Doch selbst wenn wir genau wüßten, welche Geschichte die einzelnen
Texte hinter sich haben, wäre damit immer noch nicht die Frage beantwortet,
warum wir die Texte in der heute vorliegenden Form vor uns haben und was sie
eigentlich sagen wollen.
In neuerer Zeit wird daher immer häufiger von dem vorliegenden hebräischen Text
ausgegangen. Stilunterschiede, Wiederholungen und Variationen erscheinen dann
plötzlich als typisch altorientalisch und werden zu Argumenten für die Einheit
der Texte.
Die traditionelle Sicht des 1.Buch Mose und des Pentateuch überhaupt geht von
der sinnvollen Einheit des Textes aus, die auf Mose zurückgeht und bis heute
erhalten geblieben ist. Alle Belege weisen auf ein hohes Alter der endgültigen
Texte hin. Das schließt nicht aus, daß vom Geist Gottes inspirierte Herausgeber
die Texte zusammengestellt haben. Die Annahme tiefgreifender Umarbeitungen und
Umdeutungen ist jedoch überflüssig. Der Text will tatsächlich passierte
Ereignisse (oft mit Datum, Ort, Zeugen und Beteuerungsformeln) berichten und
diese im Lichte der Offenbarung Gottes deuten.
Der literarische Aufbau von 1.Mose
1.Mose bildet eine literarische Einheit, die die Traditon nach den »Berichten« (
TNl+DNT ) ordnet und an Hand des Motivs von Segen und Fluch entwickelt.
Anschließend berichtet es von den historischen Voraussetzungen für die Erwählung
und die Bundesverheißungen an Abraham und seine Nachkommen.
1. Die Absicht von 1.Mose 1.Mose enthält die geschichtlichen Grundlagen des
Bundes Gottes mit seinem Volk. Es bildet die Einleitung zu dem Drama des Exodus
(= Auszug, der lateinische Name für 2.Mose) des seit Abraham auserwählten Volkes
Israel. Die ersten 11 Kapitel berichten von der Erschaffung der Welt, dem
Sündenfall und der Geschichte der Menschheit bis zur Zeit Abrahams. Diese ersten
Kapitel legen die Grundlage für alles weitere. Die Welt wird von zwei Faktoren
bestimmt. Sie ist einerseits gesegnete Schöpfung Gottes ( 1Mo 1-2 ),
andererseits steht sie seit dem Ungehorsam des Menschen unter dem Fluch der
Sünde ( 1Mo 3 ff). Bewahrendes und richtendes Handeln Gottes stehen daher
nebeneinander. Demzufolge beherrscht das Motiv von Segen und Fluch 1Mo und von
dort ausgehend die gesamte Bibel.
Was für die ganze Menschheit gilt, gilt auch für die mit der Berufung Abrahams
einsetzende Erwählung Israels. Daß alle Völker der Welt durch Abrahams
Nachkommen gesegnet werden sollen ( 1Mo 12,1-3 ), ist ohne Kapitel 1-11 nicht zu
verstehen. Gott erwählt ein Volk, um die ganze Welt zu segnen, stellt dieses
Volk jedoch zugleich vor die Wahl zwischen dem Segen, wenn sie zu seinem Bund
gehören wollen und dem Fluch, wenn sie sich von ihm abwenden.
3. Der Aufbau von 1.Mose Der Aufbau von 1.Mose wird durch 11 Abschnitte mit
einer Einleitung, die jeweils mit der gliedernden Formel TNl+DNT (»Dies ist die
Geschichte von...«) beginnt, vorgezeichnet. Die Formel ist ein fem. Nomen, das
sich von der Kausativform des Verbes yAlaD (»gebären«, »hervorbringen«)
ableitet. Es wird oft mit »Generationen«, »Stammbaum« oder »Geschichte«
wiedergegeben.
Die Formel wurde traditionell als Überschrift der jeweiligen Abschnitte
verstanden. Demnach ist das Buch folgendermaßen einzuteilen:
1.Die Schöpfung ( 1Mo 1,1-2,3 )
2. TNl+DNT von Himmel und Erde ( 1Mo 2,4-4,26 )
3. TNl+DNT von Adam ( 1Mo 5,1-6,8 )
4. TNl+DNT von Noah ( 1Mo 6,9-9,29 )
5. TNl+DNT von Sem, Ham und Jafet ( 1Mo 10,1-11,9 )
6. TNl+DNT von Sem ( 1Mo 11,10-26 )
7. TNl+DNT von Terach ( 1Mo 11,27-25,11 )
8. TNl+DNT von Ismael ( 1Mo 25,12-18 )
9. TNl+DNT von Isaak ( 1Mo 25,19-35,29 )
10. TNl+DNT von Esau ( 1Mo 36,1-8 )
11. TNl+DNT von Esau, Vater der Edomiter ( 1Mo 36,9-37,1 )
12. TNl+DNT von Jakob ( 1Mo 37,2-50,26 ).
Die Ansichten über diese Gliederung weichen voneinander ab. Speiser sieht
TNl+DNT als Überschrift an allen Stellen außer 1Mo 2,4; 25,19 und 1Mo 37,2 .An
diesen Stellen geht er von der Bedeutung »Bericht«, »Geschichte« aus, die sich
auf den vorhergehenden, nicht auf den folgenden Text bezieht ( Genesis , a.a.O.,
S.XXIV). Skinner zweifelt überhaupt daran, ob sich das Wort auf den Text davor
beziehen kann und sieht es als reine Überschrift an ( Genesis , a.a.O., S.39-
40).
TNl+DNT leitet sich von yAlaD (»gebären«, »hervorbringen«) ab. Es bedeutet »das
Hervorgebrachte« und markiert den Anfangspunkt, von dem aus sich etwas
entwickelt hat. Mit Hilfe einer Kombination von Stammbaum und Erzählung
schreitet die Komposition von einem Punkt ( TNl+DNT ) zum nächsten Einschnitt
(dem nächsten TNl+DNT ). Am Ende steht jeweils das Ergebnis einer von einem
bestimmten Punkt ausgehenden Entwicklung.
Einige Ausleger stimmen mit der traditionellen Ansicht, daß TNl+DNT eine
Überschrift ist, nicht überein. P. J. Wiseman und R. K. Harrison nehmen an, daß
TNl+DNT ähnlich wie auf Keilschrifttontafeln verwendet wird und sich auf das
vorhergehende Material bezieht (Wiseman, Die Entstehung der Genesis , Wuppertal:
Brockhaus Verlag, 1965; Harrison, Introduction to the Old Testament , a.a.O.,
S.548). Sie gehen davon aus, daß die Berichte in 1.Mose zunächst auf Tontafeln
überliefert und schließlich in der vorliegenden Form gesammelt wurden.
Wiseman verweist darauf, daß die Formel TNl+DNT in 1.Mose den babylonischen
Kolophonen entspricht, die Titel, Datum der Abfassung, Nummerierung und den
Hinweis auf die Vollendung einer Serie (beim letzten Kolophon), sowie den Namen
des Autors oder Besitzers enthalten ( Creation Revealed in Six Days , London:
Marshall, Morgan&Scott, 1949, S.46).
Diese Ansicht kann jedoch nicht überzeugen. Die babylonischen Kolophone
entsprechen der Formel TNl+DNT in 1.Mose gerade nicht (vgl. Alexander Heidel,
The Baylonian Genesis , 2. Auflage, Chicago: University of Chicago Press, 1963,
S.25+30; A. L. Oppenheim, Ancient Mesopotamia , Chicago: University of Chicago
Press, 1964, S.240-241). Auf den Keilschrifttafeln ist der Titel eine
Wiederholung der ersten Zeile der Tafel. Der genannte Besitzer scheint der
gegenwärtige, nicht der ursprüngliche Besitzer oder Autor zu sein. Die
akkadische Entsprechung zu TNl+DNT wird dabei gar nicht verwendet.
Wenn TNl+DNT in 1.Mose sich wirklich auf den vorangehenden Text beziehen würde,
dürfte es nicht erst nach dem hinzugefügten Material 1Mo 4,17-26 in 1Mo 5,1
stehen, sondern müßte sich direkt im Anschluß an die Geschichte von Adam in 1Mo
4,16 finden. Auch in 1Mo 10,1 wäre das TNl+DNT Noahs als Abschluß nach Sintflut
und Verfluchung am falschen Ort, vor allem wenn in 1Mo 10,32 die nächste Formel
folgt. Neben diesen Einzelproblemen steht die Schwierigkeit, daß dann die
Geschichte von Abraham von Ismael niedergeschrieben wurde, die Geschichte
Ismaels von Isaak, die Geschichte Isaaks von Esau und die Geschichte Jakobs von
Josef.
Nirgends im AT bezieht sich TNl+DNT eindeutig auf den vorangehenden Text. Es
kann sich jedoch immer auf den folgenden Text beziehen, oft ist dies sogar
zwingend, etwa in Rt 4,18 ,wo es sich auf den folgenden Stammbaum des Perez
bezieht, oder in 4Mo 3,1 ,wo sich das TNl+DNT von Aaron und Mose nicht auf die
Zählung in 4Mo 1-2 beziehen kann. Bezieht man TNl+DNT jeweils auf den folgenden
Text, ergeben sich in 1.Mose keinerlei Schwierigkeiten.
Auch 1Mo 2,4 enthält eine Überschrift. Selbst Wiseman gibt zu, daß 1Mo 2,1-3
einen natürlichen Schluß für den Schöpfungsbericht bildet. 1Mo 2,4 a wäre dann
die Überschrift und 1Mo 2,4 b der Beginn des abhängigen Satzes (wie der Beginn
des Enuma Elisch ). Dieser Aufbau entspricht 1Mo 5,1 ,wie ein Vergleich der
beiden Verse zeigt:
»Dies sind die TNl+DNT der Himmel und der Erde, als sie erschaffen worden waren,
als Jahwe-Gott Himmel und Erde gemacht hatte...« ( 1Mo 2,4 ).
»Dies ist das Buch TNl+DNT von Adam. Als Gott den Menschen geschaffen hatte...«
( 1Mo 5,1 ).
Auch der Umstand, daß in 1Mo 2,4-3,24 der Ausdruck »Jahwe-Gott« (»Jahwe-Elohim«)
verwendet wird, spricht dafür, daß 1Mo 2,4 ,das denselben Ausdruck enthält, die
Überschrift bildet. (Übrigens ist der Ausdruck »Jahwe-Elohim« eines der
gewichtigsten Argumente gegen eine Quellenscheidung des Schöpfungsberichtes in
eine jahwistische und eine elohistische Quelle, die angeblich jeweils einen
Gottesnamen bevorzugen sollen.)
(Die Ablehnung des Ausdrucks TNl+DNT als Kolophon, also als überleitende
Unterschrift, und die Argumente gegen die Theorie von Wiseman, soll jedoch nicht
darüber hinwegtäuschen, daß es andere Ausdrücke als TNl+DNT in 1.Mose gibt, die
ein Kolophon darstellen, z.B. 1Mo 10,5.20.31-32; 25,16 schließt 1Mo 25,12-16 ab,
1Mo 36,19 schließt 1Mo 36,1-19 ab, 1Mo 36,30 b schließt 1Mo 36,20-30 ab und 1Mo
36,43 schließt 1Mo 36 ab.)
Die TNl+DNT -Überschrift leitet den Bericht über die historische Entwicklung von
einem Vorfahren ausgehend ein und könnte übertragen wiedergegeben werden mit:
»Dies ist, was aus... wurde« oder »Dies ist, was mit... begann« (vgl. M. H.
Woudstra, »The Toledot of the Book of Genesis and Their Redemptive-Historical
Significance«, Calvin Theological Journal 5, 1970: 187). In 1Mo 2,4 leitet das
TNl+DNT demnach die historischen Folgen der Erschaffung des Kosmos ein, so daß
1Mo 2,4-4,26 berichtet, was aus Himmel und Erde wurde. Dieser Bericht umfaßt den
Sündenfall, die Ermordung Abels und die Entwicklung der Sünde innerhalb der
Zivilisation. Der Bericht liefert keinen zweiten Schöpfungsbericht, sondern
setzt den Bericht von der Schöpfung ausgehend fort bis hin zum Sündenfall. Dies
ist eben, »was aus Himmel und Erde wurde«.
Schaut man alle entscheidenden Beispiele im AT an, scheint diese Definition von
TNl+DNT die beste zu sein. Jedenfalls kann man die Formel nicht auf die
Bedeutung »Genealogie«, »Stammbaum« einschränken, weil der Zusammenhang meist
viel weitreichender dargestellt wird. Es geht auch nicht einfach um Biographien
oder Geschichten, wie der fehlende biographische Faden beweist. Stattdessen geht
es darum, was aus einer bestimmten Person wurde bzw. wie es mit ihr begann,
wobei jeweils das ausgewählt wird, was für die Absicht von 1.Mose von Bedeutung
ist. Das TNl+DNT Terachs berichtet folglich nicht über Terach, sondern über
Abraham und seine Nachkommen, weil es darum geht, was aus Terach wurde. Das
TNl+DNT Isaaks behandelt Jakob und nebenbei auch Esau. Das TNl+DNT Jakobs führt
die Familiengeschichte von Jakob durch das Leben Josefs hindurch fort. Die im
Zusammenhang mit dem TNl+DNT genannte Person ist normalerweise der
Ausgangspunkt, nicht die Hauptperson, des folgenden Berichtes.
Zwei weitere Beobachtungen können über den einem TNl+DNT folgenden Text gemacht
werden. Die eine ist, daß die Entwicklung der einzelnen Linien jeweils eine
Einengung darstellt. Nach den Neuanfängen nach der Sintflut wird das TNl+DNT von
Sem, Ham und Jafet überliefert. Doch direkt darauf schließt sich das TNl+DNT von
Sem an. Das nächste TNl+DNT von Terach berichtet über das Leben Abrahams. Dann
wird zunächst das TNl+DNT Ismaels überliefert, dann erst das TNl+DNT Isaaks.
Ismael war nicht nur der ältere Bruder, sondern auch kein Glied der Segenslinie.
Die Linie verengt sich auf Isaak. Dieselbe Reihenfolge finden wir beim TNl+DNT
Esaus, das vor dem TNl+DNT Jakobs steht.
Die zweite Beobachtung ist, daß jeder einzelne Abschnitt unter der Überschrift
des TNl+DNT eine kleine Widerspiegelung der Entwicklung des ganzen 1. Buches
Mose ist, wobei das Motiv von Fluch und Segen eine vorherrschende Rolle spielt.
In den ersten Abschnitten findet sich der den Fluch auslösende Niedergang. Erst
in 1Mo 12,1-3 wird die Verheißung des Segens wieder zum Thema. Von nun an gibt
es einen unausgesetzten Kampf um die Fortsetzung dieses Segens. Zugleich beginnt
jedoch auch wieder der Niedergang, da Isaak und Jakob nicht den geistlichen Weg
Abrahams einschlagen. Folgerichtig befindet sich die auserwählte Familie am Ende
von 1.Mose nicht im verheißenen Land des Segens, sondern im Land der
Knechtschaft, Ägypten. Derek Kidner drückt dies so aus: »Der Mensch legte einen
weiten Weg vom Garten Eden in einen Sarg zurück (Sintflut), die auserwählte
Familie einen weiten Weg von Kanaan nach Ägypten « ( Genesis , S.224).
Die Entwicklung der Botschaft in 1.Mose
Die TNl+DNT -Überschriften sind die Säulen, auf denen 1.Mose ruht (vgl.
Woudstra, »The Toledot of the Book of Genesis«, S.188-189). Jedes TNl+DNT
erklärt, was aus einer Linie wurde und zeigt sowohl die Verengung der
Segenslinie als auch den Niedergang zum Fluch auf.
1. Schöpfung Der erste Abschnitt ( 1Mo 1,1-2,3 ) hat keine TNl+DNT -Überschrift,
weil es um den Anfang geht, so daß die Frage, was aus der Schöpfung wurde, noch
nicht gestellt werden kann. Die Überschrift in 1Mo 1,1 gibt aber den Inhalt des
Abschnittes an. Die Bedeutung des Abschnittes liegt darin, daß Gott seine Arbeit
nach einem göttlichen Plan ausführt und sein Segen in der Vollendung dieses
Planes liegt. Tierisches Leben (V. 22-25 ), menschliches Leben (V. 27 ) und der
siebte Tag ( 1Mo 2,3 ) wurden besonders gesegnet. Diese Dreifachheit ist
wichtig: Der Mensch, der im Bilde Gottes geschaffen ist, erfreut sich der
Herrschaft über alle anderen Geschöpfe auf der Erde und begann seine Herrschaft
ausgehend von der Sabbatruhe Gottes im Segen.
2. Das TNl+DNT der Himmel und der Erde Dieser Abschnitt ( 1Mo 2,4-4,26 )
berichtet, was aus dem Kosmos wurde. Der Abschnitt beginnt mit einem
spezielleren Bericht der Erschaffung von Adam und Eva, fährt dann mit der Sünde
der beiden und mit Gottes Fluch über diese Sünde fort. Die Sünde breitet sich
unter den Nachkommen aus. Der Mensch findet keine Ruhe mehr, sondern ist auf der
Flucht, lebt in Furcht, versucht seine eigene Welt zu bauen und entwickelt die
Zivilisation. Wie eine Antwort auf die dreifache Segnung der Schöpfung findet
sich in diesem Abschnitt eine dreifache Verfluchung, nämlich des Satans ( 1Mo
3,14 ), des Erdbodens wegen der Schuld des Menschen ( 1Mo 3,17 ) und von Kain (
1Mo 4,11 ).
In all diesem Niedergang des Lebens findet sich das Gnadengeschenk Gottes ( 1Mo
4,15 ) und ein Hoffnungsschimmer (der Mensch beginnt Jahwe anzurufen).
3. Das TNl+DNT des Buches Adams In diesem zentralen Stammbaum von Adam bis Noah
wird der menschliche Niedergang ebenfalls deutlich ( 1Mo 5,1-6,8 ). Dieser
Abschnitt beginnt mit einem erneuten Hinweis auf die Schöpfung ( 1Mo 5,1 ) und
endet mit Gottes Zorn über die Menschen. 1Mo 5,1-2 beschreibt die Schöpfung mit
dem Wort bArak (»segnen«), 1Mo 5,29 berichtet, daß die Geburt Noahs ein
ermunterndes Gnadengeschenk angesichts des Fluches ( ?Arar , »verfluchen«) war.
Dem Segen, der anfänglich auf dem ganzen menschlichen Geschlecht lag, steht der
Hinweis gegenüber, daß alle Nachkommen starben. Eine Ausnahme von dem Fluch des
Todes, Henoch, läßt die Hoffnung aufkommen, daß der Fluch nicht endgültig ist.
4. Das TNl+DNT Noahs Dieser Abschnitt ( 1Mo 6,9-9,29 ) behandelt das Gericht
Gottes (Fluch) und daran anschließend den Segen Gottes, da Gott verheißt, die
Erde nie wieder so zu verfluchen ( 1Mo 8,21 ). Gleichzeitig beginnt die
Geschichte mit dem Segen, daß Noah Gnade vor Gottes Augen findet und endet mit
der Verfluchung Kanaans.
In diesem Abschnitt findet sich der Neubeginn einer Welt, die aus dem Wasser
kommt. Dabei gibt es einige Parallelen zu Kapitel 1 . Auch hier beginnt eine
Welt aus dem Chaos heraus und erscheint das trockene Land als Zeichen der Gnade
Gottes. Der Bund mit Noah entspricht dem Segen, den Adam empfing.
5. Das TNl+DNT der Söhne Noahs Noah prophezeite seinen Söhnen eine weltweite
Ausbreitung. Damit wendet sich der Text den Nationen zu. Der Autor entwickelt
die Botschaft, daß der Mensch sich immer wieder zum Chaos abwärts entwickelt. Er
beginnt mit der Fruchtbarkeit der Nachkommen von Sem, Ham und Jafet und endet
mit der Erklärung der Entstehung der Völkervielfalt durch die Zerstreuung in
Babel ( 1Mo 10,1-11,9 ). Es ist ein literarisches Ereignis, daß dieser Bericht
den Höhepunkt am Ende des Abschnittes bildet, obwohl er chronologisch weiter
nach vorne gehören würde. So ist der Leser gespannt, wie denn Gottes Antwort auf
den ständigen Niedergang der Menschen aussieht und wie Gott den verheißenen
Segen vorbereitet.
6. Das TNl+DNT Sems Dieser Abschnitt ( 1Mo 11,10-26 ) verengt den Blick von
allen Völkern über die Linie Sems hin zu Abraham. Der Stammbaum führt die
Segenslinie von Noah über Sem zu Abraham, wie Kapitel 5 die Linie von Adam zu
Noah überliefert. Gott ließ die weitverstreuten und geteilten Völker nicht
hoffnungslos unter dem Fluch, sondern erwählte einen Mann und erschuf ein Volk,
um durch sie alle Völker auf Erden zu segnen. Der Abschnitt verbindet das
Gericht von Babel mit dem Segen, der nun über Abraham kommen sollte.
7. Das TNl+DNT Terachs Während Kapitel 1-11 von der weltweiten Rebellion des
Menschen berichten, behandeln Kapitel 12-50 Gottes Handeln, um die Menschen zum
Ort des Segens zu bringen. Dieser Abschnitt ( 1Mo 11,27-25,11 ) berichtet, was
aus Terach, dem letzten Mann der Liste ( 1Mo 11,32 ), wurde. Er berichtet von
dem Leben seines Sohnes Abrahams und ist der Schlüssel zu 1.Mose, zum ganzen AT
mit dem göttlichen Segensplan und zur Bibel überhaupt. Gott verhieß Abraham, den
er wie niemanden sonst segnete, ein Volk, ein Land und einen Namen. Der Bericht
beschreibt die Entwicklung des Glaubensgehorsams Abrahams.
8. Das TNl+DNT Ismaels Dieser Abschnitt ( 1Mo 25,12-18 ) erklärt, was aus Ismael
wurde, da dieser nicht zu der von Gott auserwählten Segenslinie gehörte. Erst
anschließend kehrt der Autor zur Segenslinie zurück.
9. Das TNl+DNT Isaaks Dieser Abschnitt ( 1Mo 25,19-35,29 ) berichtet, was aus
dem Sohn der Verheißung, Isaak, wurde und erzählt die Lebensgeschichte Jakobs,
seines Sohnes, die Streitigkeiten innerhalb seiner Familie und die Entstehung
des Volkes Israel. Die Verheißung von 1Mo 12,2 beginnt sich zu entfalten. Der
Abrahamssegen wird ausschließlich auf Jakob übertragen ( 1Mo 27 ). Jakob wächst
im Glauben, wird dabei aber zum Krüppel. Er war nicht mit seinem Großvater
Abraham zu vergleichen und dennoch wuchs »Israel« heran.
10. Das TNl+DNT Esaus Noch einmal beginnt 1.Mose mit dem Ausgangspunkt Isaak.
Doch bevor das TNl+DNT des Sohnes der Segenslinie folgt, berichtet dieser
Abschnitt ( 1Mo 36,1-8 ) von Esau, dem Jakob das Erstgeburtsrecht abkaufte. Das
Volk, das von Jakob abstammte, sollte noch oft mit seinen Verwandten, den
Edomitern (Esau = Edom), in Kontakt treten. Der Abschnitt berichtet von drei der
Frauen Esaus und seinen fünf Söhnen.
11. Das TNl+DNT Esaus, des Vaters der Edomiter Ein zweiter Bericht ( 1Mo
36,9-37,1 ), der bei Esau beginnt, wird wegen der großen Bedeutung der in ihm
erwähnten Häupter der Edomiter, Amalekiter und Horiter aufgelistet.
12. Das TNl+DNT Jakobs Was wurde aus Jakob? Seine Söhne wurden die Stammväter
der Stämme Israels( 1Mo 37,2-50,26 ). Dieser Bericht beschäftigt sich vorwiegend
mit dem Leben Josefs und dem Umzug der Großfamilie Jakobs nach Ägypten. Er
erklärt, weshalb Gottes Volk in Ägypten zu finden ist und wie sich das zu dem
verheißenen Segen Gottes verhält. In Kanaan erlebte die Familie einen Niedergang
und war kurz davor, sich mit den Kanaanitern völlig zu vermischen. Um die
Segenslinie zu erhalten, führte Gott in seiner Gnade sein Volk mit Hilfe der
bösen Absichten der Brüder Josefs unter die Herrschaft der Ägypter. Als das
verheißene Land durch eine Hungersnot verflucht wurde, hielt Gott seinen Segen
durch die Weisheit und Macht Josefs bereit. Das Buch endet jedoch an einem Punkt
(vgl. 2Mo 1 ), der nur die Vorbereitung für eine größere Ausschüttung des Segens
Gottes sein kann, wozu Gott erneut einen Mann, Mose, erwählt ( 2Mo 2 ff).
Schluß: Weil 1.Mose das Fundament des Pentateuch bildet, beginnt 2.Mose damit,
daß Gott sich an seinen Bund mit Abraham erinnert: »Und Gott erhörte ihr
Wehklagen und gedachte seines Bundes mit Abraham, Isaak und Jakob. Und Gott sah
auf die Israeliten und nahm sich ihrer an« ( 2Mo 2,24-25 ). Die letzten
Ereignisse und die letzten Worte in 1.Mose nehmen 2.Mose vorweg: »Gott wird euch
gnädig heimsuchen und aus diesem Land führen in das Land, das er Abraham, Isaak
und Jakob zu geben geschworen hat« ( 1Mo 50,24 ). Diese Worte wurden von Mose
wiederholt, als er die Gebeine der Patriarchen aus Ägypten mitnahm ( 2Mo 13,19
).
1.Mose liefert also die theologische und geschichtliche Grundlage für Israels
Erwählung. Israel konnte seine Abstammung auf Abraham zurückführen, den Gott aus
den umherlebenden Völkern ausgewählt und dem Gott die große Bundesverheißung des
Landes und des Wachstums gegeben hatte.
Wegen der großen Bedeutung der direkten Abstammung und des Erstgeburtssegens
widmet 1.Mose den Familien der Patriarchen großen Raum und berichtet von ihren
Frauen, Söhnen, Erben, von Erstgeburtsrechten und Segnungen durch die Väter.
1.Mose überbrückt im Anschluß an die Weissagungen Jakobs ( 1Mo 49 ) 400 Jahre.
Dadurch wird das Geburtsrecht der Stämme Israels in ihrer Zeit in Ägypten
begründet, das schließlich dazu führte, daß diese gerufen wurden, Ägypten zu
verlassen.
Israel sollte erkennen, daß es tatsächlich gemäß der Verheißung an Abraham zu
einem großen Volk geworden war. Dementsprechend lag seine Zukunft nicht in
Ägypten, Sodom oder Babylon, sondern allein in dem Schwur Gottes, ihnen das Land
zu geben.
1.Mose sollte Israel überzeugen, daß Gott Israel nicht nur eine solche Zukunft
geschworen hatte, sondern auch in der Lage war, seine Verheißungen wahrzumachen.
Immer wieder berichtet 1.Mose vom übernatürlichen Eingreifen Gottes im Leben der
Patriarchen, um Israel soweit zu bringen. Sicher würde Gott, der ein gutes Werk
begonnen hatte, dieses Werk auch vollenden (vgl. Phil 1,6 ). Das Volk sollte
durch die Erkenntnis, daß seine Existenz auf die Erwählung und Segnung durch
Gott zurückging, zum Gehorsam geführt werden. Daher ist 1.Mose eine
ausgezeichnete Vorausetzung für den Auftrag Moses, Israel aus Ägypten zu führen.
Das erste Buch Mose
Die Theologie von 1.Mose
1.Mose geht von der Voraussetzung aus, daß Gott existiert und daß er sich in
Wort und Tat den Stammvätern Israels offenbart hat. Das Buch bietet keine
Beweise für die Existenz Gottes, sondern geht stillschweigend davon aus, daß
alles, was existiert, seine Ursache in Gott hat.
Das Hauptthema der Theologie von 1.Mose ist Gottes Handeln, um Israel als
Werkzeug zur Segnung aller Völker vorzubereiten. 1.Mose bildet Grundlage und
Einführung des Hauptthemas des ganzen Pentateuchs, der Theokratie, der
Herrschaft Gottes über die ganze Schöpfung. Es stellt die Ursprünge dar, die
hinter der Theokratie liegen, nämlich die Verheißung, daß Abrahams Nachkommen
das Land ererben und ein Segen für alle Völker werden.
Das 2. Buch Mose berichtet von der Erlösung des Volkes aus der Knechtschaft und
von dem Bund, den Gott mit ihm schloß. Das 3. Buch Mose enthält die Ordnungen,
die die Voraussetzungen dafür schufen, daß der heilige Gott unter seinem Volk
wohnen konnte, indem er sie heiligte. Das 4. Buch Mose berichtet von den
militärischen Auseinandersetzungen und Volkszählungen der Stämme in der Wüste
und zeigt dabei, wie Gott seine Verheißungen gegenüber allen inneren und äußeren
Feinden verteidigt. Das 5. Buch Mose beschreibt die Erneuerung des Bundes.
Innerhalb der Entfaltung dieses göttlichen Panoramas führt 1.Mose den Leser in
das Wesen Gottes als souveräner Herr über das ganze Universum ein. Gott bewegt
Himmel und Erde, um seinen Willen auszuführen. Er will die Menschheit segnen,
duldet aber zugleich keinerlei Ungehorsam und Unglauben. Dadurch lernt der
Leser, daß es »ohne Glauben unmöglich« ist, »Gott zu gefallen« ( Hebr 11,6 ).
GLIEDERUNG
I. Die Urgeschichte ( 1,1-11,26 )
A. Die Schöpfung ( 1,1-2,3 )
B. Die Geschichte seit der Erschaffung von Himmel und Erde ( 2,4-4,26 )
1. Die Erschaffung von Mann und Frau ( 2,4-25 )
2. Die Versuchung und der Sündefall ( Kap. 3 )
3. Das Fortschreiten der Sünde durch Kains Mord an Abel ( 4,1-16 )
4. Die Ausbreitung der gottlosen Zivilisation ( 4,17-26 )
C. Die Geschichte seit Adam ( 5,1-6,8 )
1. Die Geschlechterfolge von Adam bis Noah ( Kap. 5 )
2. Der Niedergang des menschlichen Geschlechts ( 6,1-8 )
D. Die Geschichte seit Noah ( 6,9-9,29 )
1. Das Strafgericht durch die Sintflut ( 6,9-8,22 )
2. Der Bund mit Noah ( 9,1-17 )
3. Die Verfluchung Kanaans ( 9,18-29 )
E. Die Geschichte seit den Söhnen Noahs ( 10,1-11,9 )
1. Die Völkertafer ( Kap. 10 )
2. Die babylonische Zerstreuung ( 11,1-9 )
F. Die Geschichte seit Sem ( 11,10-26 )
II. Die Erzvätererzählung ( 11,27-50,26 )
A. Die Geschichte seit Terach ( 11,27-25,11 )
1. Gottes Bund mit Abraham ( 11,27-15,21 )
2. Gott schafft Abraham die verheißene Nachkommenschaft. Abrahams
Glaube wächst durch Prüfungen ( 16,1-22,19 )
3. Durch Abrahams Glaubenstreue gehen die Verheßungen Gottes auf Isaak
über ( 22,20-25,11 )
B. Die Nachkommen Ismaels ( 25,12-18 )
C. Die Nachkommen Isaaks ( 25,19-35,29 )
1. Jakob erhält anstelle von Esau den verheißenen Segen ( 25,19-28,22
)
2. Die Segnung Jakobs in der Fremde ( Kap. 29-32 )
3. Die Rückkehr Jakobs und die Gefahr des Abfalles im Land ( Kap.
33-35 )
D. Die Nachkommen Esaus ( 36,1-8 )
E. Die Nachkommen Esaus, des Vaters der Edomiter ( 36,9-37,1 )
F. Die Nachkommen Jakobs ( 37,2-50,26 )
1. Josef wird nach Ägypten verkauft ( 37,2-36 )
2. Der Niedergang der Familie Judas und die Bestätigung der Wahl
Gottes ( Kap. 38 )
3. Der Aufstieg Josefs in Ägypten ( Kap. 39-41 )
4. Der Umzug nach Ägypten ( 42,1-47,27 )
5. Vorsorge für das Andauern der verheißenen Segnungen ( 47,28-50,26 )
AUSLEGUNG
I. Die Urgeschichte
( 1,1-11,26 )
A. Die Schöpfung
( 1,1-2,3 )
Der Bericht über die Schöpfung ist der logische Anfangspunkt des 1.Buches Mose
(Genesis), weil damit der Beginn des Universums erklärt wird. Ihm wurde im
Zusammenhang mit den Naturwissenschaften viel Aufmerksamkeit zuteil, was auch zu
erwarten war. Dennoch ist der Abschnitt in gleicher Weise eine theologische
Abhandlung, da er das Fundament für die übrigen Bücher Mose (Pentateuch) legt.
Als Mose diesen Bericht für Israel niederschrieb, wollte er Gott als den
Begründer und Schöpfer allen Lebens darstellen. Der Bericht zeigt, daß der Gott,
der Israel erschaffen hat, auch der Gott ist, der die Welt ins Leben rief und
alles, was darin ist. Deshalb ist die Gottesherrschaft in Israel auf den
allmächtigen Gott der Schöpfung gegründet. Die Nation, ihr Gesetz, ihre Sitten
und ihr Glaube geht auf das Wesen Gottes zurück. Israel sollte daran lernen, von
was für einem Gott es zu einer Nation gemacht wurde.
Die sich hieraus ergebenden Folgen sind gewaltig. Erstens bedeutet es, daß
alles, was existiert, unter Gottes Kontrolle stehen muß. Die Schöpfung muß dem
Schöpfer unterworfen sein. Die Gewalten der Natur, die Feinde und alle Geschöpfe
und Gegenstände, die zu heidnischen Gottheiten wurden, konnten den Dienern des
lebendigen Gottes zur Bedrohung werden.
Zweitens offenbart der Bericht die Grundlage des Gesetzes. Wenn Gott wirklich
vor allem anderen gewesen war und alles erschaffen hatte, wie töricht würde es
dann sein, andere Götter zu haben, die angeblich schon vor ihm waren. Wenn Gott
wirklich den Menschen in seinem Bild geschaffen hatte, um ihn zu repräsentieren,
wie töricht würde es dann sein, sich ein Bildnis von Gott zu machen. Wenn Gott
wirklich einen Tag bestimmt hatte, um von seinem Werk auszuruhen, sollte dann
nicht der Mensch, der seinen Weg mit Gott geht, es ihm gleichtun? Hier findet
sich das Grundprinzip aller Gebote.
Drittens enthüllt der Bericht, daß Gott ein Gott der Erlösung ist. Er stellt
dar, wie Gott den Kosmos aus dem Chaos herausführt, Licht statt Finsternis
schafft, die beiden voneinander scheidet, Fluch in Segen und das Böse und die
Finsternis in das Heilige verwandelt. Ähnliches geschieht im Handeln Gottes beim
Auszug aus Ägypten in 2.Mose. Die Erlösung Israels geschieht hier durch die
Zerstörung der ägyptischen Streitkräfte, die für das Chaos stehen. Die Propheten
und die Apostel sahen hierin ein Musterbeispiel für Gottes erlösendes Handeln.
Und schließlich läßt der, der bei der Erschaffung der Welt das Licht aus der
Finsternis leuchten ließ, auch das Licht in den Herzen der Gläubigen aufleuchten
( 2Kor 4,6 ), so daß sie zu neuen Schöpfungen werden ( 2Kor 5,17 ).
1Mo 1,1-2
Diese Verse sind traditionell als Hinweis auf den tatsächlichen Beginn der
Materie verstanden und daher als Teil des ersten Tages angesehen worden. Aber
das Vokabular und die Grammatik dieses Abschnitts erfordern eine eingehendere
Untersuchung. Die Motive und die Struktur des Schöpfungsberichtes werden in den
ersten zwei Versen vorgestellt. Daß das Universum Gottes schöpferisches Werk
ist, wird durch die Feststellung Gott schuf Himmel und Erde in vollkommener
Weise ausgedrückt. Der Begriff bara�Ԥ (»erschaffen«) kann die
Schöpfung aus dem Nichts heraus bedeuten, kann aber mit Sicherheit nicht darauf
eingeschränkt werden (vgl. 1Mo 2,7 ). Vielmehr betont dieser Ausdruck, daß das,
was gebildet wurde, neu und vollkommen war. Dieser Begriff wird überall in der
Bibel nur in Verbindung mit Gott als dem Handelnden gebraucht.
1Mo 1,2 beschreibt jedoch ein Chaos: die Erde war wüst und leer und Finsternis
war über der Tiefe . Die Satzteile in Vers 2 gehören anscheinend als Bedingung
zu Vers 3 , indem sie den Zustand der Welt schildern, als Gott sie zu erneuern
begann. Es war ein wüstes Chaos der Leere und der Finsternis. Solche
Verhältnisse können nicht das Ergebnis von Gottes schöpferischem Werk ( bArA? )
sein, vielmehr sind sie in der Bibel Anzeichen für Sünde und dem Gericht
zugeordnet. Darüberhinaus beginnt Gottes Reden, das die Schöpfung ins Leben
rief, erst in Vers 3 , und die Elemente, die wir in Vers 2 finden, werden in der
Schöpfung ersetzt, indem das Licht die Finsternis vertreibt. Der Ausdruck »wüst
und leer« ( TOhV wABOhU ) gibt offensichtlich ebenfalls den Aufbau von Kapitel 1
wieder, indem zunächst das Gestalten Gottes statt der Wüste und dann das Füllen
der leeren Erde beschrieben wird.
Einige Ausleger haben hier eine Zwischenstufe der Schöpfung sehen wollen, d.h.,
daß das Werk der Schöpfung in Vers 2 schon begonnen hatte, aber noch nicht
abgeschlossen war, sondern später in den gegenwärtigen Zustand umgestaltet wurde
(V. 3-25 ). Aber diese These wird weder durch die Syntax noch durch die Wortwahl
gestützt.
Andere sehen eine »Kluft« zwischen den ersten beiden Versen. Dazwischen lag für
sie der Fall Satans und der Eintritt der Sünde in die Welt, durch die das Chaos
verursacht wurde. Es ist jedoch wahrscheinlicher, daß sich Vers 1 auf einen
relativen Beginn und nicht auf den absoluten Beginn bezieht (Merrill F. Unger,
Ungers's Commentary on the Old Testament , 2 Bd., Chicago: Moody Press, 1981,
Bd. 1, S.5). Das restliche Kapitel würde in diesem Fall von der Schöpfung des
Universums berichten, wie der Mensch sie versteht, nicht den eigentlichen Beginn
aller Dinge im Plan Gottes. Vers 1-2 würden dann die Einleitung dazu bilden. Der
Fall Satans und der Eintritt der Sünde in Gottes ursprüngliche Schöpfung müßte
dann vorher stattgefunden haben.
Es geschah durch den Geist, daß Gott alles Existierende in souveräner Weise
erschuf (V. 2 b). Aber schon in der Finsternis des Chaos setzte der Geist Gottes
die Dinge in Bewegung, um das Schöpfungswerk Gottes vorzubereiten.
1Mo 1,3-5
Das Modell für jeden der Schöpfungstage wird hier deutlich: (a) das erschaffende
Wort, (b) der Bericht über dessen Wirkung, (c) Gottes Bewertung des Erschaffenen
als »gut«, (d) gelegentlich die souveräne Namensgebung und (e) die Zählung eines
jeden Tages. Zum Begriff Tag ( yOm ) gibt es zahlreiche Interpretationen: (1)
Die Schöpfungstage beziehen sich auf ausgedehnte geologische Zeitalter vor dem
Dasein des Menschen auf der Erde; (2) die Tage sind 24-Stunden-Tage, in denen
Gott seine schöpferischen Taten offenbarte, die schon vorher geschehen waren;
(3) die Tage sind wörtlich zu nehmende 24-Stunden-Tage des göttlichen Handelns.
Zugunsten der dritten Sichtweise spricht die Tatsache, daß der Begriff yOm
zusammen mit einem Ordnungszahladjektiv (erster, zweiter usw.) einen
24-Stunden-Tag bezeichnet, wo immer sich diese Konstruktion im AT findet. Auch
das vierte Gebot( 2Mo 20,11 ) legt diese Auslegung nahe.
Gottes erstes Schöpferwort erzeugte Licht . Die Schönheit und Majestät der
Schöpfung durch Gottes Anordnung steht in erhabenem Gegensatz zu den bizzaren
Schöpfungsgeschichten der heidnischen Völker. Hier wird die Macht des Wortes
Gottes demonstriert. Es war eben dieses Wort, das Israel motivierte, Gott zu
vertrauen und zu gehorchen.
Das Licht war natürliches, also physikalisches Licht. Seine Erschaffung war ein
unmittelbarer Sieg, weil das Licht die Finsternis vertrieb. Licht und Finsternis
sind in der Bibel auch Symbole für Gut und Böse. Hier nahm Gottes Werk seinen
Anfang, das im kommenden Zeitalter seinen Höhepunkt erreicht, wenn es keine
Finsternis mehr geben wird ( Offb 22,5 ). Israel sollte erkennen, daß Gott das
Licht ist und daß die Wahrheit und der Weg bei ihm allein zu finden sind. In der
Finsternis Ägyptens ( 2Mo 10,21-24 ) hatten sie das Licht und bei der Befreiung
aus Ägypten folgten sie seinem Licht ( 2Mo 13,21 ).
1Mo 1,6-8
Am zweiten Tag schied Gott durch eine gewölbte Ausdehnung, nämlich dem Himmel,
die Wasser der Atmosphäre von den Wassern der Erde. Dies weist darauf hin, daß
zuvor eine intensive Feuchtigkeit die Erde einhüllte. Gottes Wort bewirkte hier
Trennung und Unterscheidung.
1Mo 1,9-13
Das trockene Land mit seiner Vegetation ( Pflanzenwelt ) wurde am dritten Tag
gebildet. Die Vegetation ist ein Teil des geordneten Universums des wahren
Gottes. Es gibt in der Bibel keinen zyklischen, jahreszeitlichen Mythos, um das
pflanzliche Leben zu erklären, wie dies in anderen Religionen der Fall ist. Gott
setzte alles ein für alle Mal in Bewegung. Während die Heiden an Götter aus der
Tiefe glauben, zeigt dieser Bericht, daß Gott die Grenzen der Meere unter seiner
Kontrolle hat (vgl. Hi 38,8-11 ).
1Mo 1,14-19
Der vierte Tag schließt die Erschaffung der Sonne zum Regieren (V. 16 ) des
Tages und die Erschaffung des Mondes und der Sterne zum Regieren der Nacht mit
ein. Entweder wurden sie mit einem scheinbaren Alter geschaffen oder sie waren
schon vorher erschaffen worden und wurden erst am zweiten Tag auf der Erde
sichtbar, als Gott das Licht von der Finsternis schied und die Wasser oberhalb
und unterhalb der Wölbung voneinander trennte.
Die Himmelskörper sollten als Zeichen für Jahreszeiten, Tage und Jahre dienen
(V. 14 ). Diese Ausdrücke sind ebenso wie der Ausdruck »Tag und Nacht« in Vers 5
ohne die Existenz der Sonne und der Planetenrotation bedeutungslos.
In der Astrologie benutzen Ungläubige Sterne und Planeten als Wegweiser, aber
die Bibel lehrt, daß sie nur die Schöpferkraft und Allmacht Gottes offenbaren (
Ps 19,2 ). Was ist es doch für eine Torheit, den astrologischen Karten der
Babylonier zu folgen oder den Sonnengott der Ägypten zu verehren. Man sollte
vielmehr dem einen vertrauen, der diese Objekte am Himmel erschaffen hat.
Dennoch lehnen Menschen immer wieder den Schöpfer ab, um stattdessen die
Schöpfung zu verehren ( Röm 1,25 ).
1Mo 1,20-23
Die großen Ungeheuer in der Luft und im Meer wurden am fünften Tag erschaffen .
In diesem Abschnitt wird in Vers 21 zum zweiten Mal das Wort bArA (»geschaffen«;
vgl. V. 1 ) verwendet. Große Tiere (Kreaturen) der Tiefe, die als Drachen und
Monster in der alten Welt verehrt wurden, waren nichts weiter als große
Geschöpfe des allmächtigen Gottes. Ferner kommt die Fruchtbarkeit des Lebens aus
den Segnungen des einen wahren Gottes (V. 22 ) und nicht aus irgendeinem
Fruchtbarkeitszauber.
1Mo 1,24-31
Der sechste Tag war der Höhepunkt der Schöpfung, da er die Erschaffung des
Menschen einschloß. Obwohl der Mensch das letzte in dem Bericht erwähnte
Geschöpf ist, entwickelte er sich nicht, sondern wurde eigens erschaffen .
Das Leben des Menschen wurde nach dem Bilde Gottes (wörtlich »zum«, d.h. »im
Wesen/Geist«) geschaffen (V. 27 ). Diese Ebenbildlichkeit Gottes wurde nur dem
Menschen verliehen ( 1Mo 2,7 ). »Bild« ( Qelem ) wird hier im übertragenen Sinn
gebraucht, weil Gott keine menschliche Gestalt hat. Nach dem Bilde Gottes
geschaffen zu sein, bedeutet, daß die Menschen, wenn auch unvollkommen und
begrenzt, an Gottes Wesen, d.h. an bestimmten Eigenschaften Gottes wie Leben,
Persönlichkeit, Wahrheit, Weisheit, Liebe, Heiligkeit, Gerechtigkeit teilhaben
und dadurch die Fähigkeit zur geistlichen Gemeinschaft mit ihm besitzen.
Gottes Absicht bei der Erschaffung des menschlichen Lebens nach seinem Bild war
zielgerichtet. Der Mensch sollte regieren , also die Herrschaft über die Erde
ausüben ( 1Mo 1,26.28 ). Gottes Herrschaft wurde durch einen »Repräsentanten«
ausgeübt. (Die ägyptischen Könige taten später im Götzendienst etwas ähnliches:
sie stellten ihre Regierung oder Herrschaft durch Symbolstatuen ihrer selbst
dar.) Heute stehen infolge der Sünde nicht mehr alle Dinge unter der Herrschaft
des Menschen ( Hebr 2,8 ). Aber Jesus Christus wird bei seinem zweiten Kommen
seine Herrschaft über die ganze Erde ( Hebr 2,5-8 ) aufrichten.
Gott sprach seinen Segen über den Mann und die Frau. Sie sollten fruchtbar sein
und sich vermehren . In 1.Mose bedeutete gesegnet zu sein immer auch reich und
fruchtbar zu sein. Diese erstaunlichen Befehle waren für Israel von
entscheidender Bedeutung, da es selbst ja Gottes Stellvertreter auf Erden sein
sollte.
1Mo 2,1-3
Der siebte Tag war der Tag der Ruhe, der Sabbat. Die Struktur der Sätze in Vers
2-3 ist im Hebräischen mit der parallelen Betonung des Adjektives »der
siebte...« wohl geordnet. Die Zahl »sieben« stellt oft einen Bundesschluß dar.
(Das Verb »schwören« ist etymologisch mit ihr verbunden). So ist es kein Wunder,
daß der Sabbat das Zeichen für Gottes Bund am Sinai wurde ( 2Mo 31,13.17 ).
Gott segnete den siebten Tag und heiligte ihn (sprach ihn heilig), weil er eine
Erinnerung an die Vollendung seines schöpferischen Werkes war. Gottes Sabbatruhe
wurde ein wichtiges Leitmotiv der Bibel. Vor dem Sündenfall verkörperte sie die
vollkommene Schöpfung, geheiligt und in Ruhe. Seit dem Sündenfall kann diese
Ruhe nur ein Ziel sein, das erst erstrebt werden muß. Die Einsetzung einer
theokratischen Ruhe im Land verlangte unter Mose und bei Josua Glauben und
Gehorsam. Heute treten die Gläubigen in diese Sabbatruhe geistlich ein ( Hebr
4,8-10 ). Sie werden mit Sicherheit an seiner völligen Wiederherstellung
teilhaben.
Der Schöpfungsbericht hatte in den Augen des neuen Volkes Israel zur Zeit Moses
große geistliche und theologische Bedeutung. Aus dem Chaos und der Finsternis
der heidnischen Welt brachte Gott sein Volk heraus, lehrte es die Wahrheit,
sicherte ihm den Sieg über alle Mächte des Himmels und der Erde, bevollmächtigte
es als seine Vertreter und verhieß ihm die theokratische Ruhe Gottes.
B. Die Geschichte seit der Erschaffung von Himmel und Erde
( 2,4-4,26 )
1. Die Erschaffung von Mann und Frau
( 2,4-25 )
Der Abschnitt Vers 4-25 enthält den Bericht von (das, was wurde aus) den Himmeln
und der Erde, als ( b+yNm , wörtl. »an dem Tag«, ein Ausdruck für »als«) sie
geschaffen wurden ( 1Mo 2,4 a). Was wurde also aus der Schöpfung? Die Schöpfung
wurde durch den Eintritt der Sünde zerstört.
1Mo 2,4-7
Bei der Erschaffung Adams ist der Gegensatz auffallend: Obwohl es kein Leben
gab, kein Wachstum, keinen Regen und niemanden, um den Boden zu bestellen,
formte Gott den Menschen sehr sorgfältig. Die Anordnung in diesen Versen
schließt einen Titel (V. 4 ), drei Bedingungssätze, die im Hebräischen mit »als«
( »als« noch kein Strauch/Gesträuch ... auf der Erde war, »als« es noch keinen
Menschen gab, den Erdboden zu bebauen, »als« keine Ströme ... den Erdboden ...
bewässerten ) eingeleitet werden und das Verb, das eine Erzählung einleitet (
und [Er] formte ) ein. Hierin spiegelt sich Kapitel 1 wider (Titel/Überschrift:
1Mo 1,1; Bedingungssätze: 1Mo 1,2 und das erste erzählende Verb: 1Mo 1,3 ).
Die wiederholte Betonung von »Gott, der Herr« ist bedeutsam ( 1Mo
2,4-5.7-9.15-16.18-19.21-22 ). Der allmächtige Schöpfer (»Gott«) des ersten
Kapitels ist zugleich auch der Jahwe (Herr), der einen Bund mit den Menschen
schließt. Auf diese Weise sollte Israel erkennen, daß ihr Herr alles erschaffen
und daß er den Menschen nach einem besonderen Plan gebildet hatte.
Die Erschaffung des Menschen schloß sowohl die Gestaltung aus dem Staub als auch
das Einhauchen des Lebensodems ein. Der Begriff bildete (von yAQar ) beschreibt
das Werk eines Künstlers. Wie ein Töpfer ein irdenes Gefäß aus Ton bildet, so
bildete Gott den Menschen aus dem Staub des Erdbodens. Der Mensch wurde aufgrund
eines göttlichen Planes gemacht, aber er wurde andererseits aus der Erde
geschaffen. Er ist »irdisch«, »von der Erde« und das trotz aller späterer
Träume, wie Gott sein zu können ( 1Mo 3,5 ). Das hebräische Wort für Mensch (
?ADAm , also »Adam«, 1Mo 3,8 ) ist verwandt mit dem Wort für Acker ( ?XDAmCh ,
vgl. 1Mo 3,17 ).
Gottes Einhauchen des Lebensodems verwandelte die äußere Gestalt des Menschen in
ein lebendiges Wesen (wörtl. in »eine lebendige Seele«). Dieses Einhauchen
machte den Menschen zu einem geistlichen Wesen mit der Fähigkeit, Gott zu dienen
und nachzufolgen. Im Hinblick auf diese besondere Erschaffung des Menschen
konnte der Leser erst die Bedeutung des Sündenfalls ermessen. Seit dem
Sündenfall ist die Wiedergeburt durch die »Einhauchung« des Heiligen Geistes von
entscheidender Bedeutung, wenn Menschen die Gemeinschaft mit Gott erleben
wollen.
1Mo 2,8-10
Der Mensch wurde in eine vollkommene Umgebung gebracht. Der Garten lieferte den
Schauplatz für die Gehorsamsprüfung des Menschen. Die Beschreibung des
überreichen Gartens (V. 8 ), der Bäume (V. 9 ) und der Ströme in ihm (V. 10 )
leitet zu dem Gebot Gottes über. Der Mensch durfte alles genießen, aber nicht
von dem einen verbotenen Baum essen (V. 17 ).
Während Gott möglicherweise anfänglich Bäume mit einem scheinbaren Alter schuf,
waren die Bäume in diesem Garten erst später gewachsen ( 1Mo 2,9 ). Unter den
Bäumen im Garten war einer, der Leben bewirkte ( der Baum des Lebens ) und ein
anderer, der Erkenntnis verschaffte ( der Baum der Erkenntnis von Gut und Böse
), wenn man von ihren Früchten aß. Diese »Erkenntnis« war erfahrbar. Der
Ausdruck »Gut und Böse« bringt die Dinge, die das Leben schützen und zerstören,
auf eine kurze Formel. Auch sie würden durch das Essen der verbotenen Frucht
erfahrbar sein (V. 17 ). Die Möglichkeit der Katastrophe war groß, wenn der
Mensch in selbstbewußtem Stolz (Hybris) seine Grenzen überschreiten und den
Versuch unternehmen würde, das Leben zu manipulieren. Der Baum des Lebens war
andererseits ein Weg für Adam und Eva, ihren glückseligen Zustand zu bewahren
und zu fördern. Beide Bäume befanden sich in der Mitte des Gartens ,
offensichtlich nahe beieinander. Sie schufen die Grundlage für die kommende
Prüfung.
Die Bäume (V. 9 ), die Flüsse (V. 10 ) und wertvolles Gold und Edelsteine (V.
11-12 ) des Gartens werden auch auf der neuen Erde in ihrem ewigen Zustand
vorhanden sein. Die neue Schöpfung wird mit all diesen Bestandteilen
ausgestattet sein ( Offb 21,10-11.21; 22,1-2 ), was zeigt, daß mit ihr das
Paradies auf der neuen Erde wiederhergestellt wird.
1Mo 2,11-14
Diese Verse bilden einen längeren Einschub in den Text und beschreiben den
Reichtum der damals bekannten Welt. Der Garten befand sich möglicherweise im
Gebiet des Persischen Golfes, wenn man von den Ortsnamen dieser Verse her
urteilt. Wenn die geographischen Verhältnisse dieses Gebietes nach der Sintflut
dieselben waren wie vorher, können der Tigris (wörtl. Hiddeqel ) und der Euphrat
, also der dritte und der vierte Strom , identifiziert werden. Der erste der
vier Flüsse, der Pischon , floß dann in Hawila im Norden Zentralarabiens,
östlich von Palästina. Der zweite Fluß, der Gihon , floß im Lande Kusch , wobei
Kusch wahrscheinlich nicht das heutige Äthiopien, sondern das Land der Kassiden
(im Akkadischen kaSSu ) in den Bergen östlich von Mesopotamien bezeichnet.
1Mo 2,15-17
Der Sinn des Lebens für den Menschen ist der geistliche Dienst, wie die
sorgfältig gewählten Worte in Vers 15 andeuten: er wurde in den Garten gesetzt (
nUaH , »zur Ruhe einsetzen«), um ihn zu bebauen ( ZABaD , »dienen«) und zu
bewahren . Welche Arbeit er auch immer tun mochte, sie wurde als Dienst für Gott
beschrieben.
In Vers 16 wird zum ersten Mal im AT das Wort QAwCh , das wichtigste Verb für
»gebieten« (»Gebot«), verwendet. Gottes erstes Gebot an den Menschen betraf
Leben und Tod, Gut und Böse. So wie bei allen fogenden Geboten Gottes gehörten
auch zu diesem ersten Gebot positive Segnungen und negative Warnungen. Alle
irdischen Güter und Freuden standen dem Menschen zur Verfügung. Ausgenommen war
nur dieser eine verbotene Baum. Die hebräischen Worte in Vers 16-17 beschreiben
das Gebot mit strengen Worten: der Mensch konnte völlig frei von all den anderen
Früchten essen, aber wenn er von dem verbotenen Baum äße, würde er sicher
sterben .
Auch diese erste Lektion muß mit dem Volk Gottes unter Mose in Verbindung
gebracht werden. Gott erschuf die Menschen nach einem besonderen Plan und gab
ihnen die Fähigkeit zur moralischen Verantwortlichkeit. Er setzte sie in den
Garten, damit sie seine gehorsamen Diener sein sollten, warnte sie aber, daß vor
ihnen Leben oder Tod läge, was davon abhinge, ob sie dem Gebot Gehorsam leisten
würden. 5Mo 30,11-20 macht Israel alle Gebote parallel zu den Motiven in 1Mo
2,8-17 bekannt: Gehorsam gegen Gottes Gebote hat Leben und Segen zur Folge, der
Ungehorsam das Elend und den Tod.
1Mo 2,18-25
Dieser Abschnitt berichtet von der Erschaffung der ersten Frau und der
Einsetzung der Ehe und war deswegen für die Gesellschaft des Volkes Israel von
großer Bedeutung. Es war Gottes Absicht, daß (Ehe)mann und (Ehe)frau eine
geistliche und funktionierende Einheit sein sollten, indem sie in
Rechtschaffenheit wandeln, Gott dienen und zusammen seine Gebote halten würden.
Wenn diese Harmonie Wirklichkeit ist, gedeiht eine Gesellschaft unter Gottes
Führung.
Adam war allein und das war nicht gut , obwohl alles andere in der Schöpfung gut
war (vgl. 1Mo 1,4.10.12.18.21.25 ). Als der Mensch als Gottes Stellvertreter zu
handeln begann, indem er den Tieren Namen gab, was sein Herrschaftsrecht bewies
( 1Mo 2,19-20 ), wurde er sich seiner Einsamkeit bewußt ( 1Mo 2,20 ). Gott ließ
deshalb einen Schlaf (V. 21 ) auf ihn fallen und schuf Eva aus seinem Fleisch
und Bein (Gebein) (V. 21-23 ).
Gott beschloß, eine Hilfe für den Mann zu schaffen (wörtl. »eine Hilfe, ihm
entsprechend«, »ein helfendes Gegenüber« oder »eine ihm entsprechende Hilfe«)
(V. 18 ). »Hilfe« ist kein erniedrigender Ausdruck. Er wird in der Bibel oft
gebraucht, um Gott, den Allmächtigen, zu beschreiben (z.B. Ps 33,20;70,6;115,9
). Die Beschreibung der Frau als »ihm entsprechend« bedeutet im Grunde, daß das,
was über den Mann in 1Mo 2,7 gesagt wird, auch für sie gilt. Sie hatten beide
dasselbe Wesen im Bilde Gottes. Die Frau füllt aber das aus, was dem Mann
fehlte, weil er allein war. Sie ergänzt, was ihm fehlt, und er ergänzt, was sie
entbehrt. Der Höhepunkt ist die Tatsache, daß beide ein Fleisch (V. 24 ) werden,
womit die völlige Einheit von Mann und Frau in der Ehe beschrieben wird. Da Adam
und Eva eine geistliche Einheit waren und ohne Sünde in Rechtschaffenheit
lebten, war keine Anweisung erforderlich, wer die Führung zu übernehmen habe.
Paulus diskutiert diese Frage später in Verbindung mit der Schöpfungsordnung und
dem Sündenfall ( 1Kor 11,3; 1Tim 2,13 ).
Der Ausdruck Zal-kEn ( deshalb oder darum , 1Mo 2,24 ) wird in 1.Mose häufig
verwendet. Wenn er und der ganze Satz in Vers 24 direkt von Gott an Adam
gerichtet ist, muß das Verb »verlassen« im Futur mit wird verlassen übersetzt
werden. Wenn aber, was vom Sinn her auch möglich ist, Gott diese Worte durch
Mose an die Leser richtet, sollten sie im Präsens übersetzt werden: »darum
verläßt ein Mann...«. Jedenfalls ist es die Folge der Erschaffung der Frau, daß
die Ehe Mann und Frau zu »einem Fleisch« macht. Ihre Nacktheit (V. 25 ) läßt
annehmen, daß sie ungezwungen, ohne Angst vor dem Ausgenutztwerden oder der
Möglichkeit der Sünde, miteinander umgingen. Diese Gemeinschaft wurde später
beim Sündenfall zerstört und wird seitdem nur bis zu einem gewissen Grad in der
Ehe wiedererlangt, wenn ein Paar ungezwungen miteinander umzugehen beginnt. Hier
deutet die Nacktheit, trotz des wörtlich zu nehmenden Bezugs, auch auf die
Sündlosigkeit hin.
2. Die Versuchung und der Sündenfall
( 1Mo 3 )
1Mo 3,1-7
Diese Verse enthalten sowohl den Bericht des historischen Sündenfalls des
Menschen als auch das typische Muster der Versuchung schlechthin. Sie stellen
eine ideale Fallstudie für die Versuchung dar, weil hier für die Sünde weder die
Umwelt noch die Veranlagung verantwortlich gemacht werden können.
1Mo 1-2 berichtet, was Gott gesagt hatte; nun spricht die Schlange (also nach
Offb 20,2 der Teufel). Das Wort des Herrn brachte Leben und Ordnung; das Wort
der Schlange brachte Chaos und Tod. Die Wahrheit ist älter als die Lüge; Gottes
Wort erging noch vor den Lügen Satans an den Menschen.
1Mo 3,1 steht durch ein hebräisches Wortspiel mit 1Mo 2,25 in Verbindung: Adam
und Eva waren »nackt« ( ZXUmmIm ), und die Schlange war listiger ( ZArU ,
»schlau« oder »scharfsinnig«) als alle anderen Tiere. Die Nacktheit der Menschen
ist ein Zeichen dafür, daß sie dem Teufel gegenüber blind waren und nicht
wußten, wo die Fallen lagen, wohingegen der Satan in seiner List ihre
Unbescholtenheit ausnutzte. Die Eigenschaft der Schlauheit oder Listigkeit ist
nicht schon an sich teuflisch. In der Bibel wird der Mensch immer wieder dazu
aufgefordert. So wird das Wort ZArmAh in Spr 1,4 mit Klugheit übersetzt, die
jeder Mensch erlangen soll. Aber hier wurde diese Eigenschaft für teuflische
Zwecke benutzt.
Der Versucher war eine Schlange (Satan in Gestalt einer Schlange), was zeigt,
daß die Versuchung unter einer Tarnung eingeflüstert wird, unerwartet kommt und
häufig von jemandem ausgeht, der einem eigentlich untergeordnet ist (also
jemand, über den man die Herrschaft ausüben sollte; vgl. 1Mo 1,28 ). Es kann
sich hier allerdings auch um ein polemisches Element handeln, da die Schlange
von den Heiden angebetet wurde. Das heidnische Lebenssymbol war in Wirklichkeit
die Ursache des Todes. Die Göttlichkeit wird eben nicht durch das Nachahmen des
heidnischen Glaubens und der heidnischen Symbole erlangt (vgl. das Versprechen
des Satans in 1Mo 3,5 ). Die Schlange weist den Weg zum Tod, nicht zum Leben.
Entweder kannte Eva Gottes Gebote nicht wirklich gut oder wollte sich nicht an
sie erinnern. Im Gegensatz dazu erlangte Christus den Sieg über Satan durch
seine präzise Kenntnis des Wortes Gottes ( Mt 4,4.7.10 ). (Vgl. die Übersicht
»Die Versuchung von Eva und Jesus« zu Mt 4,3-11 ). Eva schmälerte in ihrer
Antwort ihre Vorrechte, indem sie verschwieg, daß sie von allen Bäumen essen
durfte, fügte den Verboten einige eigene hinzu, indem sie selbst das Berühren
der Früchte unter Strafe stellte und schwächte die Strafe ab. Damit stellte sie
Gottes ursprünglichen Geboten ( 1Mo 2,16-17 ) ihre eigenen Worte gegenüber ( 1Mo
3,3 ). Nachdem Satan dies gehört hatte, leugnete er frech die Todesstrafe, die
Gott angekündigt hatte ( 1Mo 3,4 ). Satan ist der Lügner von Anfang an ( Joh
8,44 ), und dies ist seine Lüge: der Mensch kann sündigen und dennoch ungestraft
davonkommen. Aber der Tod ist die Strafe der Sünde ( 1Mo 2,17 ).
Der Versucher wirft darüberhinaus Zweifel über Gottes Charakter auf, indem er
behauptet, daß Gott eifersüchtig ist und die Menschen von ihrer Bestimmung
fernhält ( 1Mo 3,5 ). Stattdessen verspricht er ihnen, daß sie wie Gott sein
würden, wenn sie die verbotenen Früchte äßen, was Gott angeblich genauso wüßte.
Hiermit war das Werk Satans vollendet. Die Frau wurde daraufhin ihren
natürlichen Bedürfnissen und physischen Trieben überlassen. Der Begriff für
begehrenswert ( neHmAD , V. 6 ) steht in Verbindung mit dem später verwendeten
Wort in dem Gebot »Du sollst nicht begehren...« ( TaHmOD , 2Mo 20,17 ). Die
physische Verwendbarkeit ( gut zur Speise ), ästhetische Schönheit ( eine Lust
für die Augen ) und die Möglichkeit, Erkenntnis zu erlangen (wörtlich »im Wissen
zu sein« ), bringen den Menschen über die Schwelle der Versuchung, wenn er erst
einmal die Strafe nicht mehr ernst nimmt.
Die Ergebnisse widersprachen dem natürlich völlig. Das Versprechen göttlicher
Erleuchtung wurde nicht eingelöst. Sie hatten beide gegessen und gesehen, aber
waren dadurch nur verdorben worden. Sie fühlten sich unbehaglich gegeneinander
(Mißtrauen und Entfremdung) und sie fühlten sich unbehaglich Gott gegenüber
(Angst und Verstecken vor ihm). Satans Versprechungen bewahrheiten sich nie.
Erkenntnis kann nie durch eine Nichtbeachtung des Wortes Gottes erlangt werden.
Stattdessen ist die Furcht des Herrn der Weisheit Anfang ( Spr 1,7 ).
1Mo 3,8-13
Der Rest dieses Kapitels zerfällt in drei Abschnitte: (a) die Gegenüberstellung
mit dem Herrn, wobei die beiden Sünder, die ihn hörten, sich fürchteten und
unter den Bäumen versteckten (V. 8-13 ); (b) die Verfluchungen und Verheißungen
des Herrn, durch die die Schlange, die Frau und der Mann neue Maßstäbe erhielten
(V. 14-19 ); und (c) die Bekleidung der Menschen durch den Herrn als eine
Vorkehrung für eine neue Ordnung (V. 20-24 ).
Die Wirkungen der Sünde sind Bestrafungen und Strafbestimmungen. Während doch
Mann und Frau nach dem Versprechen des Teufels Leben haben sollten, erhielten
sie nun den Tod; während sie Freude haben sollten, erhielten sie Schmerzen;
während sie Fülle haben sollten, erlangten sie eine bloße Existenzmöglichkeit
durch harte Arbeit; während sie vollkommene Gemeinschaft hätten haben sollen,
mußten sie nun in Entfremdung und Streit leben.
Die Motive in Kapitel 3 - Tod, Mühsal, Schweiß, Dornen, der Baum, der Kampf und
der Samen - führen uns später alle zu Christus. Er ist der zweite Adam, der zum
Fluch wurde, der große Blutstropfen bitteren Todeskampfes schwitzte, der eine
Dornenkrone trug, der an das Holz gehängt wurde bis er starb, und der in den
Staub des Todes gelegt wurde.
1Mo 3,14-19
Gott sprach mit der Schlange (V. 14-15 ), mit Eva (V. 16 ) und mit Adam (V.
17-19 ). Gottes Worte an die Schlange beinhalteten (a) die Ankündigung, daß die
Schlange auf dem Bauch kriechen und Staub fressen sollte und dadurch eine
fortwährende Mahnung an die Versuchung und den Sündenfall für den Menschen sei;
(b) eine Weissagung bezüglich der hinter der Schlange stehenden Macht. Gott
weissagte, daß es eine fortwährende Feindschaft zwischen den satanischen Mächten
und dem Menschen geben werde, zwischen Satan und der Frau bzw. ihrer jeweiligen
Nachkommenschaft (wörtl. »Samen«). Die »Nachkommenschaft« der Frau war zunächst
Kain, dann die gesamte Menschheit und schließlich Christus und alle, die »in
Christus« sind. Die »Nachkommenschaft« der Schlange schließt die Dämonen und
alle, die Satans Reich der Finsternis dienen, ein, also letztlich auch
diejenigen, deren »Vater« der Satan ist ( Joh 8,44 ). Satan würde den Menschen
lähmen ( du wirst ihm die Ferse zermalmen ), aber der Samen, Christus, sollte
sie von dem tödlichen Schlag erlösen ( er wird dir den Kopf zermalmen ).
Dann sagte Gott zur Frau, daß sie in Zukunft Mühsal bei der Geburt haben würde.
Sie würde zudem von ihrem Mann beherrscht werden, den sie zur Sünde verführt
hatte. (Die Worte Dein Verlangen wird nach deinem Mann sein bedeuten
möglicherweise, daß die Frau ihren Mann zur Sünde zu verführen sucht; vgl. den
Kommentar zu 1Mo 4,6-7 ).
Zu Adam sagte Gott, daß er große Mühe haben werde, seinen Lebensunterhalt zu
erarbeiten ( 1Mo 3,17-19 ). (Für Mühsal steht dasselbe Wort, das bereits in Vers
16 für die Mühen der Frau gebraucht wurde. Dieses Wort kommt nur dreimal im AT
vor, hier in Vers 16-17 und in 1Mo 5,29 .) Der Tod wird das Ende des Menschen
sein. Der Mensch wird zur Erde zurückkehren ( ?ADAmCh ), eine gnädige
Bestimmung, wenn man an die Länge der Leiden denkt. Er wird wieder zum Staub
zurückkehren und wieder das Opfer der Schlange werden (vgl. 1Mo 3,14 ). Was für
eine harte Strafe für die Begierde, Gott gleich sein zu wollen! Der Mensch mag
versuchen, so wie Gott zu sein, aber er ist nur Staub der Erde.
Diese Bestrafungen stellen die vergeltende Gerechtigkeit Gottes dar. Adam und
Eva sündigten, indem sie aßen; nun mußten sie leiden, um essen zu können. Die
Frau verführte ihren Mann; nun wird sie von ihrem Mann beherrscht. Die Schlange
zerstörte das menschliche Geschlecht; nun wird sie selbst zerstört werden.
Gott gab auch gnädige Bestimmungen. Der Mensch wird sterben und nicht in diesem
chaotischen Zustand ewig leben. Es werden ihm Kinder geboren werden (V. 16 ), so
daß das menschliche Geschlecht fortdauern kann. Der letzte Sieg wird durch
Christus, den Samen ( Gal 3,16 ) der Frau, geschehen (vgl. Gal 4,4 : »von einer
Frau geboren«).
Es spielt keine Rolle, wie sehr sich die Menschen bemühen, die Herrschaft des
Mannes, die quälende Arbeit, die mühevolle Geburt und den Tod abzuschütteln:
diese Übel werden aufgrund der nun einmal vorhandenen Sünde fortdauern. Sie sind
die Frucht der Sünde.
1Mo 3,20-24
Der Glaube Adams und Gottes Handeln werden in diesen Versen festgehalten. Gott
rettete die Menschen und sorgte dafür, daß sie in diesem Zustand nicht ewig
leben würden. Adams Glaube wird in der Namensgebung für seine Frau Eva (wörtl.
»lebendig«) deutlich. Demzufolge blickte Adam in die Zukunft und nicht in erster
Linie auf den Tod. Evas Glaube wird später sichtbar, als sie ihren Erstgeborenen
Kain nannte, da er vom Herrn kam ( 1Mo 4,1 ).
Alles Handeln Gottes mit den Sündern kann auf diesen Akt des Ungehorsams durch
Adam und Eva zurückgeführt werden. Gott ist ein rettender Gott. Die Tatsache,
daß er Adam und Eva bekleidete, bezeugt das. Ein Tier wurde geopfert, um den
Menschen Kleidungsstücke aus Fell zu verschaffen. Später wurden alle
israelitischen Tieropfer Bestandteil von Gottes Verordnungen, um den Fluch
wegzunehmen: ein Leben für ein anderes Leben. Der Sünder muß sterben ( Hes
18,20; Röm 6,23 ). Dennoch wird er leben, wenn er sein Vertrauen auf den HERRN
setzt, der einen Ersatz geschaffen hat. Das Fell, mit dem Gott Adam und Eva
bekleidete, erinnerte sie ständig an Gottes Gebote. In gleicher Weise nahm Gott,
als die Zeit erfüllt war, das Opfer Jesu Christi an, und auf der Grundlage
dieses Sühneopfers Christi bekleidet er die Gläubigen mit Gerechtigkeit ( Röm
3,21-26 ).
3. Das Fortschreiten der Sünde durch Kains Mord an Abel
( 4,1-16 )
Das Thema von Kapitel 4 ist die Ausbreitung einer gottlosen Gesellschaft. Der
Mensch lebt nun in Rebellion gegen Gott. Es war der Mensch, der nicht gehorcht,
der den göttlichen Plan zerstört und seine Verantwortlichkeit und Strafe dafür
geleugnet hatte. Die Ungläubigen sind hier als in der Welt Lebende dargestellt
(mit einem schützenden Zeichen der Gnade; vgl. den Kommentar zu V. 15 ), die
jedoch nicht gerettet werden. Ihr Schuldempfinden ließ während ihrer kulturellen
Entwicklung und ihrer geographischen Ausbreitung nach.
Unter der Führung Moses sollte Israel sich in einer Welt mit verschiedenen
Kulturen bewegen. Zivilisationen mit Musik, Kunst, Gewerbe und Unternehmen
würden überall anzutreffen sein. Sie standen Israel feindlich gegenüber und
konnten Gottes Volk dazu verführen, die Opfer zurückzuweisen und als verfluchtes
Volk zu leben. Israel hatte es nötig, vor solchen Gegnern gewarnt zu werden.
In der Geschichte von Kain und Abel trifft der Samen der Frau auf den Samen der
Schlange ( 1Mo 3,15 ). Kain fiel dem lauernden Teufel zum Opfer und zog
schließlich aus, um eine gottlose Gesellschaft zu bilden und verwarf dabei den
Weg Gottes. Der »Weg Kains« ( Jud 1,11 ) bedeutet einen Mangel an Glauben, der
im Neid auf Gottes gerechte Behandlung, in mörderischen Taten, in der Leugnung
der Verantwortlichkeit und in der Weigerung, Gottes Bestrafung anzunehmen, zum
Ausdruck kommt.
1Mo 4,1-5
Kain und Abel werden hier gegeneinander ausgespielt. Abwechselnd wird zunächst
Kain, dann Abel etc. genannt. Diese Gegenüberstellung zieht sich durch das ganze
Kapitel. Kain wird dabei in den Versen 1-16 13 Mal, Abel siebenmal erwähnt, und
an drei weiteren Stellen wird sein Name durch »Bruder« ersetzt. Der Apostel
Johannes betrachtet Mord dementsprechend als eine Sünde gegen den »Bruder« (
1Joh 3,12.15 ).
Das Wesen des rebellischen Menschen entfaltet sich in der Person Kains , der als
Kind der Hoffnung doch so einen verheißungsvollen Anfang genommen hatte. Aber
die Erzählung stellt ihn in eine Linie mit dem Fluch nach dem Sündenfall. Er war
ein Ackermann (wörtl. »er bearbeitete den Erdboden«, ?XAmAh , 1Mo 4,2 ,vgl. 1Mo
3,17 ). Abel scheint jedoch mit der ursprünglichen Aufgabe des Menschen, nämlich
über das Leben zu herrschen, in eine Linie gestellt zu werden (vgl. 1Mo 1,28 ),
denn er war ein Schafhirte . Diese Beschreibungen werden durch die Handlungen
bei der Anbetung noch gesteigert. Abel hatte Glauben an Gott ( Hebr 11,6 ),
während Kain nur seine Pflicht erfüllte. Abels Handlungen waren gerecht,
wohingegen Kains Taten böse waren ( 1Joh 3,12 ). Diese zwei Typen von Menschen
sind noch heute gegenwärtig.
Kains Mangel an Vertrauen auf Gott wird in seiner Antwort auf Gottes Ablehnung
seines Feldopfers deutlich ( 1Mo 4,5 ). Anstatt darum bemüht zu sein, dieser
Situation abzuhelfen und Gott zu gefallen, wurde er sehr zornig .
1Mo 4,6-7
Kain war so zornig, daß er nicht auf seine Sünde angesprochen werden konnte,
noch nicht einmal von Gott. Eva mußte ihre Sünde vom Satan eingeredet bekommen;
aber Kain »stammte von dem Bösen« ( 1Joh 3,12 ). Es scheint, als ob er nicht
abwarten konnte, seinen Bruder zu töten. Dies scheint die natürliche Lösung des
Menschen für seine eigenen Vergehen zu sein.
Gott teilte Kain mit, daß, wenn er Gott gefallen würde, indem er täte, was recht
ist, alles in Ordnung kommen könne. Aber wenn er nicht rechtschaffen leben
wolle, lauere die Sünde vor seiner Tür ( rOBEQ , »lauern«, »kauern« »lagern«
hier im Bild eines kriechenden Tieres verwendet), bereit, ihn zu überwinden. Die
Sünde begehrt, Kain zu besitzen (diese Verwendung macht Gottes Verständnis des
Wortes »Verlangen« in 1Mo 3,16 deutlich), aber Kain sollte über sie herrschen.
Hier wird der immerwährende Kampf zwischen Gut und Böse deutlich. Jeder, der mit
Neid und Hader angefüllt ist, wird zur Beute des Bösen.
1Mo 4,8-16
Nachdem Kain seinen Bruder ermordet hatte (V. 8 ), lehnte er die Verantwortung
dafür ab (V. 9 ) und behauptete, Gottes Bestrafung (keinen Ackerertrag mehr und
unstete Wanderung, V. 10-12 ) sei zu hart (V. 13 ). Gott schützte Kain
gnädigerweise durch ein Zeichen, das zur Abschreckung von Rächern dienen sollte
(V. 15 ). Nirgends wird erklärt, um was für ein »Zeichen« es sich gehandelt hat.
Gott verdammte ihn aber auch zu einem endlosen Wanderleben (V. 12 ). Von Gottes
Angesicht vertrieben zu sein war sein Fluch (V. 14 ). Aber Kain wollte sich
diesem Fluch widersetzen, indem er sich in einer Stadt in dem Land Nod (wörtl.:
»Wanderung«) niederließ, das östlich von Eden lag (V. 16 ).
Etliche mosaische Leitmotive werden hier begründet: (1) Opfer sollten Gott mit
einem Herzen des Glaubens dargebracht werden und sollten das Beste aus dem
Viehbestand darstellen, nämlich das Erstgeborene (V. 4 ). (2) Die Israeliten
trugen für ihre Brüder Verantwortung, sie waren füreinander als Hüter eingesetzt
und durften sich nicht gegenseitig töten. (3) Mordblut verunreinigte das Land
und schrie nach Vergeltung; vergossenes Blut erhob seine Stimme zur Anklage (V.
10 ). (4) Die Blutrache wurde von Gott durch schützende Vorsorge abgewandt, so
wie später die Flucht in eine Zufluchtsstadt einen Rächer abwenden konnte. (5)
Bestrafung für Schuld war das Fundament für Israels Theokratie. (6) Leben ohne
Gott ist ein gefährliches Leben ohne Schutz. (7) In manchen Fällen wurde der
ältere Sohn zugunsten des jüngeren zurückgestellt, wobei die normative
gesellschaftliche Sitte umgekehrt wurde.
4. Die Ausbreitung der gottlosen Zivilisation
( 4,17-26 )
Der Bericht erzählt nun die Ausbreitung der Nachkommen Kains. Was wird aus einer
Gesellschaft, die sich gegen Gott erhebt und das Land der Segnung in zorniger
Mißachtung seiner Gebote und Opfer verläßt? Im Falle der Nachkommen Kains gedieh
die Gesellschaft zunächst. Doch auch in einer solchen Situation soll der
Gerechte weder den Bösen beneiden noch seiner Lebensweise folgen ( Ps 49;73 ).
Gott erlaubt bisweilen den Sündern, in ihrer irdischen Art und Weise zu
gedeihen. Die Nachkommen Kains brachten Musik hervor, Waffen, Ackergeräte und
die Kulturen der großen Städte. Das war ihre einzige Zuflucht in einer rauhen,
verfluchten Welt.
Anders stand es um die Gerechten. Diejenigen, die ihre Erblinie auf Set, den
Ersatz für Abel, zurückführten, begannen, den Namen des Herrn zu verkündigen.
Diese Gerechten, unter ihnen Noah und Abram, predigten ihrer Generation die
Wahrheit. Einige Menschen - auch wenn sie nur einen Überrest darstellten -
ließen sich nicht durch ein wohlhabendes, »gutes Leben« verführen, sondern waren
auf geistliche Dinge ausgerichtet. Israel sollte seine Ahnenreihe sowohl im
Geist als auch biologisch auf Enosch zurückführen ( 1Mo 4,26 ).
1Mo 4,17-18
Kains Familie begann im Land Nod (V. 16 ). Der Name »Nod« ( nND ) hängt mit den
Worten für »rastloser Wanderer« ( nAZwAnAD , V. 14 ) zusammen. Dies war das Land
für die vor Gott Geflüchteten. Hier zeugte Kain ein Kind, Henoch und benannte
eine Stadt nach ihm. (Ohne Zweifel war die Frau Kains eine Tochter Adams, vgl.
1Mo 5,4 )
1Mo 4,19-24
In der siebten Generation nach Adam lebte Kains Nachkomme Lamech (möglicherweise
ein Zeitgenosse des gerechten Henoch, der ebenfalls in der siebten Generation
von Adam gerechnet lebte, 1Mo 5,3-21 ). Lamech veränderte den Plan Gottes und
heiratete zwei Frauen. Seine Familie schuf Musikinstrumente ( Zither und Flöte )
und Werkzeuge ( Werkzeuge aus Erz und Eisen ), um das Leben annehmbar zu
gestalten.
Aber trotz dieses erfolgreichen guten Lebens breitete sich das Böse
verhängnisvoll aus. Lamech erschlug einen jungen Krieger, der ihn verwundet
hatte und forderte noch größere Rache, als sie Kain gewährt worden war ( 1Mo
4,24 ). Lamech prahlte mit dem Mord (das Wort für tötete in Vers 23 ist hArag ,
wörtl. »schlagen, schlachten«, also dasselbe Wort, das für Kains Mord an Abel
gebraucht wurde, Verse 8.25 ). So wird hier das Bild einer wohlhabenden
Gesellschaft entworfen, die sich Gott und seinen Gesetzen widersetzt und dabei
nach Vergnügen und hemmungsloser Genußsucht strebt. In diese Welt sollte Israel
(und später die Gemeinde) als ein königliches Priestertum gehen, um Gottes
Gerechtigkeit zu verkünden.
1Mo 4,25-26
Die Gerechten lebten in völligem Gegensatz zu dieser gottlosen Gesellschaft. In
der Linie von Set herrschte Vertrauen auf Gott. Die Geburt von Set selbst war
eine Verheißung Gottes, was Eva im Glauben festhielt. In den Tagen Enoschs , des
Sohnes Sets, begannen die Menschen, den Namen des HERRN (Jahwe) anzurufen
(besser: »zu verkündigen«).
C. Die Geschichte seit Adam
( 5,1-6,8 )
Hier beginnt ein neues TNl+DNT , das die zweifache Absicht hat, die Geschichte
der Menschen der ersten Zeit mit der Geschichte Noahs zu verbinden und das
Ergebnis der Sünde aufzuzeigen. Tatsächlich wird dadurch ein Problem
beantwortet, das im vorhergehenden Abschnitt aufkommen mußte. Statt der Sünde
findet sich Fortschritt, Zivilisation und Gedeihen. Was ist nun mit der
Verfluchung? Die Antwort ist einfach: ungeachtet der Bestrebungen der Menschen
müssen sie sterben.
1. Die Geschlechterfolge von Adam bis Noah
( 1Mo 5 )
Die Genealogie dieses Kapitels ist eine »vertikale« Auflistung, die die
Nachkommenschaft von Adam über Set bis Noah zeigt. Die Genealogie in Kapitel 4
verzeichnete 7 Generationen (von Kain bis Jubal); diese Genealogie enthält 10
Generationen (von Adam bis Noah). Beide Listen enden mit drei Söhnen, die aus
der letzten Generation der Auflistung hervorgehen (Jabal, Jubal, Tubal-Kain, 1Mo
4,20-22 und Sem, Ham und Jafet, 1Mo 5,32 ). In jeder Auflistung spricht nur ein
Mann: Lamech als Nachkomme Kains ( 1Mo 4,23-24 ) und ein anderer Lamech als
Nachkomme Sets ( 1Mo 5,29 ). Der kainitische Lamech verhöhnte den Fluch ( 1Mo
4,24 ), wohingegen der setitische Lamech unter dem Fluch litt und nach dem Trost
durch seinem Sohn Noah suchte ( 1Mo 5,29 ).
Sowohl der biblische Bericht als auch die sumerische Königsliste aus
Mesopotamien belegen die Langlebigkeit der ersten Menschen. Anscheinend
versetzte die vorsintflutliche Umwelt die Menschen in die Lage, länger zu leben.
Sicher hätte diese Langlebigkeit auch Teil von Gottes Plan sein können, die Erde
zu füllen (vgl. 1Mo 1,28 ).
1Mo 5,1-2
Dieses Kapitel beginnt mit einer Wiederholung der Erschaffung des Menschen im
(oder »nach dem«) Bildnis (»Abbildung«, ein Synonym für »Bild«; vgl. 1Mo 1,26-27
) Gottes. Man kann kaum die Betonung der Segnung des Bildes ( Er segnete sie )
bei der Erschaffung des Menschen übersehen. Aber das Kapitel wendet sich dem zu,
was daraus geworden ist: Sünde und Tod.
1Mo 5,3-32
Gottes Bild in Adam wurde dann in Set, Adams Sohn, wiedererschaffen. Die
Fähigkeiten und Eigenschaften eines Elternteils werden auf sein Kind durch
natürliche Fortpflanzung weitergegeben.
Außer der Darstellung der Zeit zwischen Adam und Noah enthält dieses Kapitel ein
Leitmotiv, das nicht ausgelassen werden kann, nämlich die Formel: dann starb er
(V. 5.8.11.14.17.20.27.31 ). Wenn sich jemand im Zweifel befände, ob der Lohn
der Sünde der Tod sei ( Röm 6,23 ), müßte er nur einen Blick in die menschliche
Geschichte werfen.
Im Falle Henochs wird diese Feststellung nicht getroffen. Von ihm heißt es
nicht, daß er nach einer Reihe von Jahren starb. Stattdessen wandelte er mit
Gott ( 1Mo 5,22.24 ). »Wandeln« ist der biblische Ausdruck für Nachfolge und
Gehorsam, der die göttliche Zuwendung zur Folge hat. Henochs Wandel dauerte 300
Jahre. Sicher ist, daß er seinen gerechten Wandel fortgesetzt hätte, aber Gott
nahm ihn hinweg (V. 24 ), d.h., er wurde entrückt. Solch ein Wandel wurde Israel
und der Gemeinde als Vorbild gegeben ( 3Mo 26,3.12 ).
1Mo 5 enthält die Etymologie (Herkunft der Wortbedeutung) des Namens Noah (V. 29
), dessen Leben die vorherrschende Rolle in den folgenden Abschnitten spielen
wird. Lamech nannte seinen Sohn Noah , weil er hoffte, daß er ihnen Trost über
die Verfluchung spenden würde (V. 29 ; vgl. »Mühsal« und die Verfluchung des
Ackerbodens in 1Mo 3,17 ). »Noah« hat nicht die Bedeutung von »Trost«, aber die
Worte klingen gleich. Lamech hatte keine Vorstellung davon, wie Gott diese Worte
umkehren und seinen Wunsch in seiner eigenen Art und Weise erfüllen würde (vgl.
die Auslegung zu 1Mo 6,5-8 ), aber er setzte große Hoffnungen auf seinen Sohn.
So kommt hier in diesem Kapitel des Todes ein zweiter Hoffnungsschimmer auf.
Henoch entkam dem Fluch des Todes, und Noah hatte die Aufgabe, die Menschen
unter dem Fluch zu trösten.
2. Der Niedergang des menschlichen Geschlechts
( 6,1-8 )
Die Einzelheiten dieses Abschnittes waren bereits Gegenstand endloser
Erörterungen, wobei häufig das, was wirklich dasteht, unbeachtet blieb. Es muß
daran erinnert werden, daß dieser Abschnitt ein Teil des TNl+DNT ist, das in 1Mo
5,1 beginnt. Welche Sicht man auch immer bezüglich der Einzelheiten haben mag,
so ist doch deutlich, daß diese Verse die Schlechtigkeit der menschlichen Rasse
zeigen und den Tod als fortwährende Bestrafung vor Augen führen.
1Mo 6,1-4
Viele Ausleger meinen, daß der Ausdruck »die Söhne Gottes« die gerechte Linie
Sets und der Ausdruck »die Töcher der Menschen« die Kainiten meint. Aber diese
Deutung wird den Worten und dem Zusammenhang nicht gerecht. Andere Ausleger
sehen die »Söhne Gottes« als Engel (so wie in Hi 1,6 ) an, die zu den Frauen auf
der Erde eingingen. Diese Deutung gerät jedoch in Konflikt mit Mt 22,30 .
Es geht auf jeden Fall um die Hybris des Menschen. Die Stolzen überschritten
ihre Grenzen. Die »Söhne Gottes« waren dann eine tatkräftige, mächtige
Gesellschaftsgruppe, die nach Ruhm und Reichtum strebte. Möglicherweise waren
sie mächtige Herrscher, die von gefallenen Engeln unter Kontrolle gehalten
wurden. Es kann auch zutreffen, daß gefallene Engel ihre Wohnstatt verlassen
hatten und in den Körpern von menschlichen Tyrannen, Kriegern und Mächtigen der
Erde Wohnung genommen hatten.
Aus Hes 28,11-19 und Dan 10,13 ist bekannt, daß hinter großen Königen der Erde
»Fürsten« stehen können, die aus dem Hintergrund regieren. Ihre Macht ist also
dämonischer Art. Es kann nicht überraschen, daß in der ugaritischen Literatur
(wie auch in der Literatur anderer Völker) Könige als göttlich oder halbgöttlich
beschrieben werden. Die Heiden verehrten diese starken Führer. Zahlreiche
mythologische Überlieferungen beschreiben sie als die Nachkommen der Götter
selbst. Tatsächlich wird bn?lm (»Söhne« der Götter) im Ugaritischen für die
Mitglieder des Pantheons ebenso wie für die großen Könige der Erde gebraucht. In
der ugaritischen Legende des Sonnenaufgangs verführt der Hauptgott des Pantheons
El zwei Frauen der Menschen. Aus dieser Verbindung eines Gottes mit einer Frau
der Menschen gingen SHr (»Sonnenaufgang«) und Slm (»Sonnenuntergang«) hervor,
die Göttinnen geworden zu sein scheinen, welche die Venus repräsentieren. So
haben für Heiden die Götter ihren Ursprung im Verkehr zwischen Göttern und
Menschen. Jedes übermenschliche Individuum im Mythos oder jeder mythologische
oder tatsächliche Riese würde den Heiden einen göttlichen Ursprung nahelegen.
1Mo 6,1-4 beschreibt dann, wie verdorben die Welt geworden war, als die
Gesetzesübertretung überhand nahm. Das ist auch ein polemischer Angriff auf den
heidnischen Glauben, daß Riesen (Nefilim ; vgl. 4Mo 13,32-33 ) und berühmte
Menschen ( 1Mo 6,4 ) von Göttern abstammen und daß man Unsterblichkeit durch ein
unmoralisches Leben erlangen kann. Der kanaanitische Kult und die meisten der
Kulte des Alten Orients schlossen Fruchtbarkeitsriten ein, zu denen der
Sympathiezauber gehörte, der auf der Annahme beruht, daß Menschen auf
übernatürliche Weise durch einen Gegenstand, der ihnen gehört, beeinflußt werden
können. Israel wurde vor diesem verderblichen Unsinn gewarnt. Dieser Abschnitt
widerlegt den heidnischen Glaubensgrundsatz durch die Erklärung der Wahrheit.
Die Söhne Gottes waren nicht von göttlicher Natur; sie standen unter der
Herrschaft der Dämonen. Die Heirat mit so vielen Frauen, wie sie es wünschten
(vielleicht liegt hier der Ursprung der Harems), geschah, um ihre niederen
Instinkte zu befriedigen. Sie waren eben nur eine andere niedere Art von
Geschöpfen, auch wenn sie mächtig und von Dämonen beeinflußt waren. Die Kinder
aus diesen Ehen waren, entgegen der heidnischen Vorstellung, keine
Götter-Könige. Obwohl sie Helden und »berühmte Männer« waren, waren sie
»Fleisch«; und sie starben gemäß des Fluches, wie alle Angehörigen der
menschlichen Rasse. Wenn Gott die Welt richtet - und er stand gerade im Begriff,
dies zu tun - kann kein Riese, keine Gottheit und kein menschliches Wesen ihm
irgendwelche Macht entgegenhalten. Gott bestimmt souverän die Tage jedes
Einzelnen, wie sie 'gezählt' sind.
1Mo 6,5-8
In Gottes Worten, die die menschliche Rasse betreffen, liegt ein gewisser
Pathos. Die Bosheit des Menschen war groß und alles Sinnen (besser alle
»Vorhaben«, yEQer ) seines Herzens war nur böse den ganzen Tag (vgl. 1Mo 8,21 :
»das Trachten des menschlichen Herzens ist böse von Jugend auf«). Gott hatte den
Menschen aufgrund seines »Vorhabens« ( yAQar , 1Mo 2,7 ) geschaffen, aber der
Mensch hatte sich der ihm verliehenen Fähigkeit zu planen bemächtigt und nur das
Böse hervorgebracht. Es gibt in der Bibel kaum eine deutlichere Aussage über die
Sünde der Menschheit. Dieser Abschnitt vermittelt das Verständnis der Aussage
Jesu, daß vor der Sintflut die Menschen aßen und tranken, freiten und sich
freien ließen ( Mt 24,38 ). Dies ist scheinbar eine harmlose Feststellung,
solange man nicht den geschichtlichen Hintergrund beachtet. Schon vor der
Sintflut hatte Gott festgestellt, daß der Mensch »verderbt« und »voller Frevel«
( 1Mo 6,11.13 ) war.
Die Wortspiele in den Versen 5-8 sind auffallend. Gott »reute« es, daß er den
Menschen gemacht hatte, weil die Sünde der Menschheit ihn mit Schmerzen erfüllte
. Die Worte »reuen«, »Schmerzen« und »machen« gehen auf Kapitel 3,5 zurück.
Lamech sehnte sich nach Trost ( nAHam ) für die schmerzliche Arbeit unter dem
Fluch ( 1Mo 5,29 ). Nun »reute« es Gott ( nAHam , wörtl. er wurde bekümmert ),
daß er den Menschen gemacht hatte , weil die Sünde des Menschen ihm Schmerzen
bereitete ( 1Mo 6,6 ). Dies ist der Grund, warum der Schmerz in die Welt kam.
Gott war durch die Sünde bekümmert.
Gott beschloß die Vernichtung der gesamten Menschheit. Daß Gott etwas »reute«
(wörtl. »schmerzt«, »bekümmert«) meint nicht, daß Gott sich anders besonnen
hätte, da er unwandelbar ist ( Mal 3,6 ). Stattdessen bedeutet es, daß Gott
traurig war.
Obwohl das Gericht rasch hereinbrechen sollte, weil Gottes Geist den Menschen
nicht auf immer beschützen würde ( dUn ; »beschützen« ist besser als »im
Menschen walten«, 1Mo 6,3 ), wurde dennoch das Gericht um 120 Jahre aufgeschoben
(V. 3 ). Während dieser Zeit war Noah ein »Prediger der Gerechtigkeit« ( 2Pet
2,5 ).
Noah empfing die Gnade Gottes und wurde deshalb im Gegensatz zu denen, die nach
Unsterblichkeit gestrebt hatten, vom Gericht verschont. In der Zeit Moses sollte
Israel erkennen, daß es von Gott auserwählt war und in Gerechtigkeit wandeln
sollte. Beim Einzug ins verheißene Land stießen die Israeliten auf die Nefilim
(die Anakiter, 4Mo 13,33 ) und auf die Emiter ( 5Mo 2,11; 3,13; Jos 12,4 ). Aber
Israel sollte sich nicht vor ihnen fürchten, als ob sie Halbgötter wären.
Gott wollte die verdorbene Welt wegen ihres Götzendienstes und Ehebruches
richten. Ebenso werden in den letzten Tag die Bösen plötzlich durch das Gericht
hinweggetan werden, wenn Gott sein theokratisches Königreich des Segens
aufrichten wird.
D. Die Geschichte seit Noah
( 6,9-9,29 )
1. Das Strafgericht durch die Sintflut
( 6,9-8,22 )
Gott richtete die Bösen durch ein strenges und katastrophales Gericht, um das
Leben erneut mit einem Bund der Anbetung zu beginnen. Inmitten der Flut, in der
der allmächtige Herr der Schöpfung die Welt zerstörte, segelte Noah, der Diener
Gottes und Empfänger göttlicher Gnade, auf dem Weg zu einer »neuen Schöpfung«
und betete Gott an.
Warum schickte Gott solch eine Flut? Dafür gibt es mehrere Gründe: 1) Gott
herrscht allmächtig über alle Kreatur und benutzt die Natur häufig, um die
Menschheit zu richten. 2) Die Sintflut war die wirkungsvollste Art und Weise, um
die Welt zu reinigen. Sie wusch sie sauber, so daß noch nicht einmal eine Spur
des Bösen gefunden werden konnte. Die Taube konnte keinen Ruheplatz für »ihren
Fuß« finden ( 1Mo 8,6-9 ). 3) Die Sintflut wurde von Gott benutzt, um »eine neue
Schöpfung« zu beginnen. Die erste Schöpfung mit Adam wird hier mit der zweiten
mit Noah parallel gesetzt. So wie dort das trockene Land unter den
zurückfließenden Wassern zum Vorschein kam ( 1Mo 1,9 ), so nahmen die Wasser
hier ab, bis sich die Arche auf dem Ararat niederließ ( 1Mo 8,4 ). Als Noah die
Arche nicht mehr benötigte, beauftragte ihn Gott ebenfalls, fruchtbar zu sein
und sich zu mehren ( 1Mo 9,1 ) und über die Erde zu herrschen ( 1Mo 9,2 ), so
wie er es Adam befohlen hatte ( 1Mo 1,26.28 ). Noah pflanzte einen Weinberg (
1Mo 9,20 ), wohingegen Gott einen Garten für Adam und Eva gepflanzt hatte ( 1Mo
2,8 ). Adam und Noah werden aber nicht nur nebeneinander, sondern auch einander
gegenübergestellt: Während Adams Nacktheit ein Zeichen seiner Gerechtigkeit war
( 1Mo 2,25 ), ist Noahs Blöße ein Zeichen seiner Entwürdigung( 1Mo 9,21 ) und er
verflucht schließlich seinen Enkel Kanaan ( 1Mo 9,25-27 ).
Die in 1Mo 6,9-8,22 genannten Beweggründe für die Sintflut sind bezeichnend.
Erstens ist Gott als der Richter der ganzen Erde zu erkennen. Mit einem Wort
macht er den Unterschied zwischen dem Gerechten und dem Ungerechten, dem Reinen
und dem Unreinen deutlich. Das Reine war allein für Gott bestimmt.
Ein zweiter Beweggrund ist, daß Gott für die Empfänger seiner Gnade Verheißungen
gegeben hatte. Dies war zugleich eine Warnung an die, die als Empfänger der
Gnade mit Gott in Gerechtigkeit wandeln und von den Sündern getrennt leben
sollten.
Der dritte Beweggrund hatte für Israel Bedeutung. So wie Gott die Welt in den
Tagen Noahs richtete und Noah durch die Flut hindurchgebracht wurde, so richtete
er die bösen Ägypter und brachte Israel durch die Wasser des Roten Meeres, damit
sie ihn anbeten und ihm dienen sollten. Die Anweisungen für diese Anbetung
finden sich in 3Mo Es kann uns daher nicht überraschen, daß zahlreiche
Ausdrücke, die hier verwendet werden ( 1Mo 6,9-8,22 ) in 3.Mose wiederkehren.
Daß eine ganze Generation von Sündern starb, sollte andere Generationen vor dem
kommenden Zorn Gottes warnen. Trotz des Gerichtes entkam Noah in ein neues
Zeitalter. Die Katastrophe unterbrach Gottes Programm nicht.
Der Sintflutbericht unterstreicht Gottes Macht und freie Verfügung über seine
Schöpfung. Die Flut zeigt Gottes gewaltigen Unmut über die Sünde. Sie macht
deutlich, daß Gottes gnädige Errettung erst angesichts des Gerichtes Bedeutung
erhält und daß seine Gnade nicht auf die leichte Schulter genommen werden darf.
Die Ursache für Gottes Gericht wird hervorgehoben, nämlich die gewaltigen
Verbrechen der Sünde. Darin unterscheidet sich die Sintflut in 1.Mose von den
heidnischen Darstellungen (z.B. Atrahasis und Gilgamesch ). Das babylonische
Gilgameschepos behauptet zum Beispiel, daß die Götter die Flut wegen des von
Menschen verursachten Lärmes herbeigeführt hätten.
So beantworten die Kapitel 6-9 grundsätzlich die Frage: Was ist das Ende des
Menschen? Kann er ungestraft entkommen und sein Leben auf den Kurs der Unmoral
bringen und dabei unbekümmert die Vergnügungen dieser Welt genießen? Ist dieses
Leben gut zu Ende gebracht oder gut auf das Ende vorbereitet? Gottes Gericht
macht die Antwort deutlich. Dennoch scheint der Aufwand sehr groß und das
Gericht hart zu sein. Kein Wort des Entsetzens über die Verlorenen wird erwähnt,
obwohl Noah sich wohl entsprechend gefühlt hat. Die Sintflut macht deutlich, was
Gott zu unternehmen bereit ist, um Heiligkeit und Frieden auf die Erde zu
bringen. Hier finden die Gerechten Ermutigung in Gottes Plan, daß das Gute
letztlich über das Böse triumphieren wird. Nur noch ein anderes Ereignis zeigt
noch deutlicher, daß Heiligkeit unter den Menschen eine Sache ist, für die Gott
alles andere opfert: die Kreuzigung seines Sohnes.
Der Bericht ist in drei Teile untergliedert: der Befehl an Noah, die Arche zu
bauen und das Leben zu bewahren ( 1Mo 6,9-7,5 ), die Vernichtung allen Fleisches
außerhalb der Arche durch das Wasser ( 1Mo 7,6-24 ) und die Anbetung Noahs durch
das Opfer nach der Flut ( 1Mo 8 ).
a. Der Auftrag an Noah
( 6,9-7,5 )
1Mo 6,9-13 : Im Gegensatz zu der Begründung für die Flut in dem babylonischen
Bericht (die Laune der Götter aufgrund des Lärms der Menschen) stellt der
biblische Bericht die Flut ausdrücklich als Gericht über die moralische
Verdorbenheit hin. Die menschliche Rasse war verdorben (V. 11-12 ) und voller
Frevel (V. 11.13 ), so daß Gottes Zorn alles Fleisch vernichtete , ausgenommen
Noah, der mit Gott wandelte (V. 9 ) und seine Familie (V. 18 ).
1Mo 6,14-18
Die Errettung geschah durch das Mittel Arche , ein flachbödiges , rechteckiges
Wasserfahrzeug, 300 Ellen lang, 50 Ellen breit und 30 Ellen hoch mit einer
Wasserverdrängung von ungefähr 43300 Tonnen (Merrill F. Unger, Archaelogy and
the Old Testament , Grand Rapids: Zondervan Publishing House, 1954, S.59-60) und
drei Stockwerken . (Die Skizze ist der Entwurf eines Künstlers, nach der
Vorstellung, wie die Arche ausgesehen haben könnte.) Das Schiff in der
babylonischen Tradition war würfelförmig konstruiert und fünfmal so groß wie
Noahs Arche. Nur 1.Mose hat die Beschreibung eines seetüchtigen Gefährts
erhalten.
1Mo 6,19-7,5
In diese Arche sollte Noah alle Arten der Tiere mitnehmen, um das Leben auf der
Erde zu bewahren. Es wurde sehr früh eine klare Unterscheidung zwischen reinen
und unreinen Tieren gemacht. Um das Leben zu erhalten, mußte Noah zwei von jeder
Art der Tiere an Bord nehmen, aber um für Nahrung und für Opfer zu sorgen, mußte
er sieben Paare jeder Art der reinen Tiere hineinbringen ( 1Mo 7,2 ). Die
Unterscheidung zwischen reinen und unreinen Tieren wurde zu einem Hauptpunkt im
levitischen Gesetz ( 3Mo 11,2-23 ).
b. Die Zerstörung allen Fleisches ausserhalb der Arche
( 7,6-24 )
1Mo 7,6-20
Nachdem alle Vorkehrungen getroffen waren, kam die Flut. 40 Tage und Nächte
strömte der Regen wolkenbruchartig herab (V. 11-12 ). Gleichzeitig gab es
gewaltige Aufbrüche und Verschiebungen der Erdkruste, die die Meeresgründe zum
Ansteigen und Aufbrechen ihrer Reservoirs an unterirdischem Wasser brachten (V.
11 ; vgl. Unger, Archaeology , S.61). Als Ergebnis davon war die gesamte Erde
während der Katastrophe überflutet (V. 19 ). Es besteht kein Zweifel daran, daß
die Erdoberfläche, das Leben und die Länge des Lebens durch diese Katastrophe
verändert wurden.
1Mo 7,21-24
Alles... Lebendige auf der Erde (außerhalb der Arche) wurde zerstört. Nur das
Leben im Wasser überlebte. Die Sünde vergiftete alle Lebensbereiche. So war nur
ein völliger Neubeginn ausreichend. So wird es ebenfalls am Ende der Tage sein (
Mt 24,37-39 ).
Das erste Buch Mose
c. Noahs Opfer
( 1Mo 8 )
1Mo 8,1-3
Die schweren Regenfälle dauerten 40 Tage ( 1Mo 7,4.12 ), aber die Wasser blieben
noch weitere 110 Tage stehen (vgl. 1Mo 7,24 : »die Wasser wuchsen gewaltig auf
Erden hundertfünfzig Tage«). Die 40 Tage waren Bestandteil der 150 Tage, in
denen der Regen weniger stark fiel (oder die Aufbrüche der unterirdischen Wasser
weitere 110 Tage anhielten (vgl. die Übersicht »Chronologie der Sintflut«).
1Mo 8,4-19
Die Arche ließ sich 150 Tage nach dem Beginn der Regenfälle auf dem Gebirge
Ararat nieder. Assyrische Berichte verlegen den Berg nach Armenien in der
östlichen Türkei, aber der genaue Ort ist unbekannt. Nachdem sich herausgestellt
hatte, daß die Erde bewohnbar war, verließen die acht Menschen und alle Tiere
die Arche. Dies geschah 377 Tage nachdem sie in die Arche gegangen waren (vgl.
1Mo 7,11 mit 1Mo 8,13-14 ). Das »Niederlassen« bzw. »Ausruhen« taucht in der
ganzen Erzählung häufiger auf. Die Arche »ließ sich nieder« (V. 4 ); zuerst
konnte die Taube keinen Ort finden, um ihren Fuß niederzusetzen (V. 9 , wörtl.:
»wo ihr Fuß ruhen konnte«). Als sich die Arche auf dem Berg Ararat niederließ,
war dies mehr als eine physikalische Landung auf trockenem Boden. Es war ein
Neuanfang: Die Erde war rein und ruhte sich aus.
1Mo 8,20-22
Nachdem Noah die Arche verlassen hatte, brachte er Gott ein Opfer dar, das
diesem ein lieblicher Geruch war. Das Volk Gottes ist ein opferndes Volk (wie
Israel das später lernen sollte). Das Opfer bedeutete, Gott eines der besten der
Dinge zurückzugeben, die ihm gehörten. Die Erlösten des Herrn opfern Gott das
Lob ihrer Lippen ( Hebr 13,15 ) mit dem besten, was sie haben ( Spr 3,9 ) und
mit der Bereitschaft und Demut ihres Geistes. Noah wurde der Gnade Gottes
teilhaftig, wandelte mit diesem in Gehorsam und Gerechtigkeit, wurde vor dem
Gericht bewahrt, kam in ein neues Zeitalter, in welchem die Bosheit der Menschen
für eine Zeit beseitigt worden war und antwortete Gott mit Anbetung und Opfer.
Nachdem Noah geopfert hatte, versprach Gott, nie wieder die Erde so zu
verfluchen . Der Ablauf der Jahreszeiten ist das Zeichen für die Geduld Gottes
mit dem Menschen.
2. Der Bund mit Noah
( 9,1-17 )
1Mo 9,1-4 : Gott wies Noah an, fruchtbar zu sein, sich zu mehren und die Erde zu
füllen (V. 1.7 ), so wie er es Adam bereits befohlen hatte ( 1Mo 1,28 ). Noah
sollte wie Adam über die Tiere herrschen ( 1Mo 9,2 ,vgl. 1Mo 1,26.28 ). Beiden
wurde Nahrung zum Verzehr gegeben ( 1Mo 9,3; vgl. 1Mo 1,29; 2,16 ), jedoch
jeweils mit einer Ausnahme ( 1Mo 9,5-6; vgl. 1Mo 2,17 ).
1Mo 9,5-7
Mit dem Neubeginn für Noah entstand ein neuer Bund. Es war nun nötig geworden,
einen Bund mit Verpflichtungen für die Menschheit und einem Versprechen von Gott
zu schließen. Wegen der Zerstörung des Lebens durch die Sintflut konnten die
Menschen meinen, daß Gott das Leben wenig wert und die Zerstörung keine große
Sache sei. Dieser Bund zeigt nun, daß das Leben heilig ist und daß der Mensch
den Menschen nicht zerstören soll, der nach dem Bilde Gottes geschaffen ist .
Von seinem Charakter her sollte der Bund die Stabilität der Natur festigen. Er
sicherte die Ordnung der Welt. Die Menschen sollten darüberhinaus lernen, daß
Gesetze für den Menschen für die Beständigkeit des Lebens nötig sind und daß
sich Bosheit nicht weiter ungehindert ausbreiten darf. So wurde der Staat
begründet.
1Mo 9,8-17
Der neue Bund (V. 9.11-13.15-17 ) erstreckt sich auf den gesamten Kosmos ( jedes
lebendige Wesen , V. 10 ; V. 12 ; alle lebenden Wesen , V. 15-16 ; alles Leben ,
V. 11.15.17 ). Dies wird durch den Regenbogen deutlich, den Gott als Zeichen
gegeben hat (V. 12-13.17 ). Wenn er sich nach einem Regen über den Horizont
wölbt, ist dies ein alles umfasssendes Zeichen für Gottes Treue gegenüber seinem
Werk der Gnade. Die Zeichen erinnern die Teilhaber eines Bundes daran, die
Bedingungen einzuhalten. Durch den Regenbogen erinnert der allwissende Gott sich
ständig daran (wiederholt in V. 15-16 ), niemals wieder die ganze Erde zu
überfluten (V. 11.15 ). Weil vor der Flut kein Regen fiel ( 1Mo 2,5 ), war kein
Regenbogen nötig gewesen. Wenn sich nun die Wolken aufklären, wird durch
Lichtbrechungen dieses wunderbare Schauspiel sichtbar. Der Regenbogen wölbt sich
wie ein Bogen des Kampfes, der an die Wolken gehängt wurde (Das hebr. Wort für
Regenbogen, qeSeT , ist dasselbe Wort wie für »Kampfbogen«). Wo immer im AT Gott
sich auf Stürme des Gerichtes bezieht, werden die Begriffe für Pfeil und Bogen
verwendet.
Der Bogen ist nun »hinweggetan«, hängt an seinem Platz in den Wolken mit dem
Hinweis, daß »Kampf« und Sturm vorüber sind. So spricht der Regenbogen vom
Frieden. Im Nahen Osten wurden in alten Zeiten Bünde bzw. Verträge nach Kriegen
als ein Schritt zum Beginn des Friedens hin geschlossen. In gleicher Weise
machte Gott, nachdem er das Gericht über die Sünde verhängt hatte, einen Bund
des Friedens. Israel sollte durch den Anblick des Regenbogens im Himmel immer
wieder Gottes Zeichen erkennen, daß er seine Verheißung der Gnade auch erfüllt.
Aber sicher erinnerte er auch die Gläubigen in Israel daran, daß das Gericht
Gottes für dieses Zeitalter erfüllt war. Das Gericht wird am Ende der Zeiten
wieder kommen ( Sach 14,1-3; Offb 19,15 ), bevor der völlige 1000jährige Friede
einkehren kann ( Offb 20,6 ). Auf diese Weise läßt 1Mo 9,8-17 vorausempfinden,
daß am Ende Israel seine Schwerter in Pflugscharen umschmieden wird ( Jes 2,4;
Mi 4,3 ). In der Zwischenzeit geht das Leben nach einer neuen Ordnung weiter;
Gott hat Geduld und die »allgültige Gnade« ist bis zum Ende wirksam.
3. Die Verfluchung Kanaans
( 9,18-29 )
Dieser Abschnitt ist nicht leicht auszulegen und hat bereits viele Ausleger
beschäftigt. Es ist wichtig, sich an die Absicht dieses Buches zu erinnern, da
sich dieser Abschnitt direkt auf das Wesen und das Schicksal der Kanaaniter, der
Widersacher Israels, bezieht.
1Mo 9,18-23
Diejenigen, die aus der Arche gekommen waren, werden mit dem speziellen Hinweis
identifiziert, daß Ham der Vater Kanaans war . Alle Menschen der Erde sind
Nachkommen der drei Söhne Noahs. Die Nachkommen Sems sind die Semiten, aus denen
Abraham hervorging (vgl. 1Mo 10,21-31; 11,10-26 ).
Noah, »der Mensch der Erde« (so übersetzten die Rabbiner die Worte ein Mann des
Erdbodens ), begann, einen Weinberg zu pflanzen . Obwohl der Wein das Herz
erfreut ( Ri 9,13; Ps 104,15 ) und das Leid des Fluches mildert ( Spr 31,6 ) ist
doch ebenso klar, daß er auch zerstören kann. Hier lag Noah betrunken und nackt
in seinem Zelt. Trunkenheit und sexuell lockeres Verhalten sind Kennzeichen der
Heiden. Beides wird auf dieses Ereignis in Noahs Leben zurückgeführt. Der Mensch
hat sich nicht verändert. Trotz der Möglichkeit, eine »neue Schöpfung« zu
beginnen, handelte Noah wie ein Heide (vgl. 1Mo 6,5; 8,21 ).
Die grundlegende Frage zielt auf das, was Ham, der jüngste Sohn Noahs, getan hat
( 1Mo 9,22.24 ) und auf das Warum der Verfluchung von Hams »Sohn« Kanaan durch
Noah (V. 25-27 ). Bezüglich dieser Frage sind schon zahlreiche Ideen geäußert
worden. Die Rabbiner vertraten die Ansicht, daß Ham Noah kastrierte, was dann
auch erklärt hätte, daß Noah keine weiteren Söhne hatte. Andere sind der
Ansicht, daß Ham mit seiner Mutter Geschlechtsverkehr hatte und so die Blöße
seines Vaters aufdeckte und daß Kanaan die Nachkommenschaft dieser Verbindung
war. Andere behaupteten, daß Ham sich an seinem Vater homosexuell verging. Aber
der hebräische Ausdruck bedeutet einfach das, was er aussagt: Ham ... sah die
Nacktheit seines Vaters (V. 22 ). Er nahm keine sexuellen Beziehungen zu Noah
auf. In diesem Fall hätte das Hebräische lauten müssen: »er deckte die Blöße
seines Vaters auf« (kausative Form von gAlAh ). Stattdessen hatte sich Noah
selbst entblößt ( wayyiTgal , reflexive Form, V. 21 ) und Ham sah ihn entblößt.
In der Antike und im AT bedeutete es eine Verletzung der Ethik innerhalb der
Familie, seinen Vater nackt zu sehen. Die Heiligkeit der Familie war zerstört,
und die Stärke des Vaters war lächerlich gemacht worden. Ham stolperte
gewissermaßen in diese Situation, ging jedoch hinaus und berichtete seinen
beiden Brüdern triumphierend davon, als ob er einen Triumph über seinen Vater
gewonnen hätte.
So wurde der scheinbar unbedeutende Vorfall zu einem wichtigen Ereignis. Noahs
Vorhersage (V. 25-27 ) zeigt, daß sich das Wesen seiner drei Söhne in ihren drei
Nachkommen fortsetzen würde.
In allen Versen in 3Mo 18,6-19 außer einem findet sich die kausative Form des
Verbes gAlAh , um auf die »Entblößung« anderer Menschen (als »sexuelle
Beziehungen« auszulegen) durch die Kanaaniter hinzuweisen. Dieser Euphemismus
weist auf das ausschweifende und abstoßende unmoralische Verhalten der
Nachkommen Hams hin (vgl. 3Mo 18,3 ). Hams Neigung zur Preisgabe moralischer
Grundsätze hatte die Unmoral seiner Nachkommen, der Kanaaniter, zur Folge.
1Mo 9,24-29
Wegen dieses Ereignisses sprach Noah eine Prophezeiung über die Nachkommen
seiner Söhne aus. Er begann unmittelbar: Fluch über Kanaan ! Trotzdem hat Noah
nicht den Sohn Hams für etwas bestraft, was Ham getan hatte. Tatsächlich zielten
die Worte Noahs auf die kanaanitische Nation hin, die in Ham durch Kanaan ihren
Ursprung haben sollte. Hams Hybris konnte nicht ohne Auswirkungen bleiben. Eine
Erniedrigung gleichen Ausmaßes war nach den Vergeltungsgesetzen erforderlich.
Ham hat einen irreparablen Bruch in der Familie seines Vaters herbeigeführt;
also wurde ein Fluch über der Familie seines Sohnes ausgesprochen. So wie sich
Ham als Sohn falsch verhielt, muß er nun unter dem falschen Verhalten seines
Sohnes leiden. Man hat vermutet, daß Ham versucht hat, seine Brüder zu
beherrschen, um seine eigenen Ziele durchzusetzen. Das würde anderen
Überlieferungen entsprechen, in denen ein Sohn die Stellung seines Vaters
übernimmt. Aber falls Ham dies wirklich tat, schlug sein Versuch fehl, und seine
Linie seit Kanaan wurde nicht zur Führung anderer Sippen eingesetzt, sondern
diesen untergeordnet (V. 25 ).
Noahs Weissagung prophezeite, daß die Kanaaniter Diener der Semiten und
Jafetiten werden würden (V. 26-27 ). Aber das war geschehen, weil die Kanaaniter
ein entwürdigendes Leben führten, wie Ham es getan hatte, und nicht infolge der
Tat Hams. Trunkenheit und Ausschweifung versklaven letztlich auch eine ganze
Nation. Darum waren die Kanaaniter im Plan Gottes, der den Segen Israels vorsah,
verdammt. Sie mußten von Gott durch die Landnahme gerichtet werden, weil ihr
Handeln in denselben Bahnen verlief wie das ihres Vorfahren Ham.
Die Versklavung der Kanaaniter wird in der alttestamentlichen Geschichte
mehrfach deutlich. Das erste Beispiel ließ nicht lange auf sich warten: die
Kanaaniter wurden besiegt und von den Königen des Ostens versklavt ( 1Mo 14 ).
Ein anderes Beispiel sind die Gibeoniter, die später unter Josua Holzfäller und
Wasserträger für Israels Stiftshütte wurden ( Jos 9,27 ). Wenn man die
Unterwerfung Kanaans unter die jafetische Linie im strengen Sinne des Wortes
ZeBeD ( Sklave ; 1Mo 9,26-27 ) versteht, reicht die Weissagung bis zum Kampf um
Karthago (146 n.Chr.), in dem die Phönizier, die Kanaaniter waren, endgültig
besiegt wurden. Aber die Worte Noahs scheinen eher eine allgemeine als eine
spezielle Prophezeiung gewesen zu sein, nämlich, daß die Linie Sems gesegnet und
die Linie Hams in Kanaan verflucht werden sollte.
Dieses Motiv der Segnung und Verfluchung ist in 1.Mose von entscheidender
Bedeutung. Die Kanaaniter sollten aus ihren Wohnstätten von Israel unter Josua
vertrieben werden, um die Gnade Sem zuteil werden zu lassen (V. 26 ) und die
Jafetiten in den Zelten Sems wohnen zu lassen (V. 27 ). Das bedeutete, daß die
Jafetiten friedlich mit den Semiten zusammenleben würden und nicht, daß die
Jafetiten die Semiten von ihrem Gebiet vertreiben sollten. Verse 24-29 legten
also die Grundlage für die Außenpolitik Israels im Land ( 5Mo 20,16-18 ).
E. Die Geschichte seit den Söhnen Noahs
( 10,1-11,9 )
1. Die Völkertafel
( 1Mo 10 )
1Mo 10,1
Die Völkertafel gibt einen Überblick über die Nachkommen der drei Söhne Noahs.
Gott hatte ihnen befohlen, die Erde zu füllen ( 1Mo 9,1 ). Später jedoch war die
Auswanderung ihrer Nachkommen und das Füllen der Erde ( 1Mo 11,1-9 ) ein
göttliches Gericht über ein rebellisches Volk.
Diese Völkertafel scheint die bekannten Völker der Erde zu nennen. 70 Nachkommen
der Söhne Noahs werden aufgelistet, und zwar 14 Nachkommen Jafets, 30 von Ham
und 26 von Sem. Diese Völker sind sinnvoll in Gruppen geordnet worden.
Der Rahmen der Tafel ist das Motiv der b+nL (»die Söhne«). (Das hebr. b+nL
erscheint zwölfmal in V. 2-4.6-7.20-23.29.31-32 .) An anderer Stelle in Kapitel
10 wird yAlaD (»er zeugte«) gebraucht, was darauf hinzuweisen scheint, wie man
den Ausdruck b+nL auszulegen hat. Die Abschnitte mit yAlaD (die in V. 8.13.15.26
beginnen) weisen im Zusammenhang mit dem Aufbau der TNl+DNT auf die wichtigen
Entwicklungen der Personen innerhalb der Struktur der Tafel hin. (Eine
Bibelübersetzung gibt das Verb yAlaD in V. 8.13.15.26 mit »war der Vater von«,
in V. 21 mit »war der Vorfahr von« und in V. 25 mit »war ihm geboren« wieder.)
Von besonderem Interesse sind Vers 15-19 , in denen die Nachkommen Kanaans
genannt (V. 15-18 ) und sogar die Grenzen des verheißenen Landes festgelegt
werden (V. 19 ). Der Schreiber benutzte offensichtlich eine alte Tafel, um zu
erklären, welche der Nachkommen Noahs Segen ererben und welche verflucht werden
sollten. Der größte Teil der yAlaD (»er zeugte«)-Abteilungen beziehen sich auf
die Kanaaniter oder Hamiten, die Völker in der Nähe Israels. Um zu sehen, welche
ihrer Nachbarn gesegnet oder verflucht wurden, hätte Israel nur diese Tafel
beachten müssen.
Die Völkertafel ist eher eine »horizontale« Genealogie als eine »vertikale« (wie
in 1Mo 5,11 ). Der Zweck der Tafel ist nicht in erster Linie der, die Vorfahren
festzustellen. Man erkennt vielmehr politische, geographische und ethnische
Verbindungen zwischen den Völkern aus ganz verschiedenen Gründen, ganz besonders
wegen des Heiligen Krieges. Die Völker, die miteinander »verwandt« waren,
sollten sich miteinander verbinden. Daher bringt diese Tafel die mächtigen
Völker in und um das Israel verheißene Land in eine Reihenfolge. Die Namen
schließen die Väter der Völker, die Sippen, die Städte und die Gebiete ein.
Die Tafel verdeutlicht, welche Völker in der früheren Welt unter dem Segen bzw.
dem Fluch standen. Sie erörtert auch die Ausbreitung und Ausfüllung der Erde,
auch wenn dies nicht aus Gehorsam geschah. Sie stammen alle von einem Menschen
ab, von Noah, und waren deshalb ein Volk. Einige Völker jedoch waren enger
verwandt, andere weniger. Die Tafel erläutert die Lage der menschlichen Rasse,
die über die Erdoberfläche verstreut und nach kultureller und sprachlicher
Zugehörigkeit getrennt lebt.
1Mo 10,2-5
Die 14 Nachkommen Jafets werden zuerst genannt. Sie waren weit entfernt von
Israel im Norden angesiedelt. Gomer repräsentierte die Kimbern. Man nimmt an,
daß sie der gleichen Abstammung sind wie die Skythen. Magog war das Land Gogs
zwischen Armenien und Kappadozien ( Hes 38,2; 39,6; vgl. die Karte »Die Welt
Jeremias und Hesekiels« in der Einführung zu Jer). Der Name steht für die
skythischen Horden südwestlich des Schwarzen Meeres. Madai steht für die Meder
östlich von Assyrien und südwestlich des Kaspischen Meeres. Jawan war die
allgemeine Bezeichnung für die hellenische Rasse, die Ionier des westlichen
Teils Kleinasiens. Tubal und Meschech waren kämpferische Staaten im Norden.
Möglicherweise lagen sie in Pontus und dem Armenischen Gebirge. Tiras könnte auf
die seefahrenden Pelagianer der Ägäischen Küste hinweisen.
Von diesen sieben Völkern stammen weitere sieben Völker ab. Drei Völker im
Norden stammen von Gomer ab: Aschkenas (verwandt mit den Skythen); Rifat und
Togarma (weiter entferntere Völker im Norden).
Die Nachkommen Jawans , zwei geographische Bezeichnungen und zwei Völkernamen,
waren alle mit den Griechen verwandt. Elischa entspricht Alaschia oder Zypern.
Tarsis war eine weit entfernte Küste in Kleinasien. Die Kittäer siedelten
ebenfalls auf Zypern. Mit den Rodanitern ist die Insel Rhodos gemeint (vgl. 1Chr
1,7 ). (»Dodanim« ist eine Textvariante zu »Rodanim« [Rhodos] und könnte die
Bewohner von Dodona in Griechenland meinen.)
Diese im Norden ansässigen Stämme formten nicht in erster Linie die Geschichte
Israels, tauchen aber häufig in den Propheten auf (z.B. Hes 27;37-39 ).
1Mo 10,6-7
Die Nachkommenschaft Hams (V. 6-20 ) bildete die im Osten und Süden ansässigen
Völker Mesopotamiens.
Die Kuschiten (Nachkommen von Kusch ) siedelten sich im Süden Arabiens an. Heute
siedeln sie im südlichen Ägypten, im Sudan und in Nordäthiopien. Sie haben sich
mit den semitischen Stämmen vermischt, die in derselben Region siedelten; daher
werden einige der Namen der anderen Linien wiederholt. Seba lag in Oberägypten.
Hawila (»Sand-Land«) könnte sich auf Nord- und Ostarabien am Persischen Golf
oder auf die äthiopische Küste beziehen. Sabta , das antike Hadramaut, lag an
der westlichen Küste des Persischen Golfes. Ragma und Sabtecha lagen im
südlichen Arabien.
Saba lag im Südwesten Arabiens (vgl. die Königin von Saba, 1Kö 10,1-13 ) und
Dedan in Nordarabien. Einige Völker dieser alten Königreiche führten ihre
Abstammung auf Joktan, den Nachkommen Sems, zurück ( 1Mo 10,29 ). Bei der
Besiedelung ergaben sich also Vermischungen.
1Mo 10,8-12
In die Völkertafel ist die Geschichte Nimrods eingefügt. Dies ist der erste
Abschnitt, der mit dem Ausdruck »zeugte« ( yAlaD ; vgl. den Kommentar zu V. 1 )
beginnt. Er bildet eine wichtige stilistische Unterbrechung der Völkernamen, die
der Erzählung vorausgehen. Die Versuche, Nimrod zu identifizieren oder zeitlich
zu bestimmen, haben sich als wenig erfolgreich erwiesen. Da der Name Nimrod
scheinbar mit dem Verb »rebellieren, sich auflehnen« ( mAraD ) zusammenhängt,
hat die Überlieferung ihn mit einer Tyrannenherrschaft gleichgesetzt. Er war der
Begründer der frühesten Macht eines Weltreiches in Babylon und Assyrien . Die
Tafel stellt ihn einfach als gewaltigen Jäger vor; ein häufiges Merkmal
assyrischer Könige. Er war der Gründer mehrerer mächtiger Städte. Die Zentren,
die er gründete, wurden später zu den mächtigsten Feinden Israels.
Das erste Buch Mose
1Mo 10,13-14
Ein weiterer »Sohn« Hams war Mizrajim oder »Ägypten«. Mizrajim teilte sich in
verschiedene Stämme ( yAlaD ), die sich von Nordafrika bis nach Kreta
erstreckten. Die Erwähnung der Philister in diesem Zusammenhang weist auf
Wanderungen hin (ähnlich wie bei Israel, das »aus« Ägypten kam). Die Philister
wanderten aus ihren ägäischen Heimatländern über Kaftor in das Delta Ägyptens
ein und kamen schließlich nach Palästina. Hier bezieht sich der Text jedoch
offensichtlich auf eine frühere Gruppe der Pelago-Philister, also auf Völker,
die nicht mit den gleichnamigen Völkern des 13. Jh. n.Chr. zu tun haben.
1Mo 10,15-20
Die letzte hamitische Linie, die Bedeutung für Israel hatte, waren die
Kanaaniter . Noch einmal spricht die Auflistung von »zeugte« ( yAlaD ), um die
Städte und Völker, die im verheißenen Land lebten, aufzuzählen. Sidon war die
vorwiegend phönizische Stadt gleichen Namens. Über die Hetiter ( HET , » Heth «)
kann nichts Genaues gesagt werden. Der Name könnte sich auf die wenigen Hetiter
aus den frühen Völkerwanderungen beziehen. Die Jebusiter siedelten in Jerusalem.
Amoriter war eine allgemeine Bezeichnung für im Westen lebende Semiten. Hier
geht es jedoch um eine kleinere ethnische Gruppe in der gemischten Bevölkerung
Kanaans. Die anderen sieben kanaanitschen Völkernamen sind weniger
problematisch. Es handelt sich um Völker, die im Libanon, Hamat am Fluß Orontes
und überall im Land siedelten. Aufgrund des Abschnittes, in dem der Fluch über
Kanaan verhängt wird ( 1Mo 9,25-27 ) ist ihre Erwähnung hier von Bedeutung.
1Mo 10,21-31
Die Nachkommen Sems werden zuletzt aufgeführt. Die Elamiten, Nachkommen des
ersten Sohnes Sems, Elam , siedelten im Hochland östlich von Babylon. Assur war
der Name der Region und des Volks von Assyrien, wo Nimrod, ein Hamit, mehrere
Städte gegründet hatte (V. 11 ). Arpachschad siedelte nordöstlich von Ninive.
Lud war der Ludbu der Assyrer. Vielleicht ist Lud eine Kurzform für Ludda,
möglicherweise ein anderer Name für Lydien (heute die Westtürkei). Aram war der
Vorfahre der armenischen Völker in den Steppen von Mesopotamien. Seine
Nachkommen (V. 23 ) sind kaum bekannt.
Die Genealogie führt dann von Arpachschad zu Eber und seinen Söhnen. Dieser
Exkurs wird durch den Ausdruck »wurden... geboren« eingeleitet.
Die Bemerkung über Ebers Sohn Peleg - in seiner Zeit wurde die Erde zerteilt -
scheint den Turmbau von Babel ( 1Mo 11,1-9 ) zeitlich genau festzulegen. Das
Verb pAlag wird im AT gebraucht, um die Spaltungen in verschiedene Sprachen zu
beschreiben. Der Turmbau von Babel fand demnach fünf Generationen nach der Flut
statt.
Die Völkertafel führt nun die Völker von Pelegs Bruder ... Joktan auf ( 1Mo
10,26-29 ), von denen die meisten auf der Arabischen Halbinsel lebten. Israel
sollte eine alte Blutsverwandtschaft zu diesen 13 Völkern der Joktaniter in der
Wüste feststellen.
1Mo 10,32
Hier endet ein Kolophon-Typ, eine Schrifttafel, und erinnert den Leser daran,
daß alle Familien von Noah abstammen, daß aber einige für das Volk Israel von
besonderem Interesse sind.
2. Die babylonische Zerstreuung
( 11,1-9 )
Dieser Abschnitt erklärt, wie die Völker über die Fläche der alten Welt
verstreut wurden. Es ist eine Gerichtsbotschaft. Das, womit sich die Völker
brüsteten, wurde zu ihrem eigenen Niedergang. Was sie am meisten fürchteten,
betraf sie dann auch (vgl. Spr 10,24 a).
Der Bericht ist durch antithetische Parallelismen und Chiasmen strukturiert.
Alles, was die Menschheit in der ersten Hälfte plant ( 1Mo 11,3-4 ), wird in der
zweiten Hälfte über den Haufen geworfen (V. 5-9 ), was ein Rückgängigmachen oder
Umstoßen ihres Handelns bedeutet hätte, sogar bis hin zu den parallelen
Ausdrücken. Die Erzählung hängt an der zentralen Aussage, daß »der Herr
herniederfuhr« (V. 5 ).
Eines der Probleme dieses Abschnittes ist seine Verbindung zu Kapitel 10 . Am
Beginn von Kapitel 11 besitzt die Welt »eine Sprache« und einen Wortschatz. Aber
in Kapitel 10 sind die Menschen bereits nach Völkern und Sprachen getrennt. Die
Ausdrücke »Länder«, »Geschlechter«, »Völker« und »Sprachen« tauchen dreimal auf,
allerdings nicht immer in derselben Anordnung ( 1Mo 10,5.20.31 ). Möglicherweise
erklärt 1Mo 11,1-9 ,wie die Anordnung in Kapitel 10 zustande gekommen ist.
1.Mose verläßt zur thematischen Anordnung des Materials häufig den
chronologischen Rahmen. Auf die genaue Chronologie weist nur der Ausspruch über
Peleg hin: »Zu seiner Zeit wurde die Erde zerteilt« ( 1Mo 10,25 ).
1Mo 11,1-4
Die Sünde der Schinariter (Bewohner der Ebene in Schinar ) scheint der
übermäßige Stolz gewesen zu sein. Sie sprachen: Kommt, laßt uns eine Stadt bauen
mit einem Turm, dessen Spitze bis an den Himmel reicht, damit wir uns einen
Namen machen . Das war offene Rebellion gegen Gott und der Wunsch nach
Unabhängigkeit von Gott. Demut wird häufig mit Vertrauen und Gehorsam
gleichgesetzt. Im Gegensatz dazu ist Stolz mit Unabhängigkeit und Ungehorsam
verbunden. Hier kamen die Menschen zusammen, um sich selbst zu stärken und um
sich selbst in ihrem Stolz einen Namen zu schaffen, damit sie nicht über die
Oberfläche der ganzen Erde zerstreut würden . Das stand im direkten Gegensatz zu
Gottes Gebot, sich über die ganze Erde zu zerstreuen und sie zu füllen ( 1Mo 9,1
).
1Mo 11,5-9
Der Wunsch, ihre Einheit zu steigern und zu stärken, gab dem Gedanken zur
schlimmsten Tat Raum. So beurteilte es jedenfalls der Herr: Wenn ... sie dies zu
tun begonnen haben, wird ihnen nichts mehr, was sie sich vorgenommen haben,
unmöglich sein . Also brachte Gott das, was sie nicht im Gehorsam tun wollten,
(d.h. sich über die Erde verstreuen, V. 4 ) als Gericht über sie (V. 8 ).
Zweifellos weist Schinar (V. 2 ) auf die Gegend Babylons hin. Der Abschnitt
gipfelt nämlich (V. 9 ) in einem Wortspiel: Babel ( bABel ) klingt dem Verb
verwirren ( bAlal ) ähnlich. Schriftliche babylonische Berichte über den Bau der
Stadt Babel bezeichnen die Erbauung bis zum Himmel durch die Götter als
himmlische Stadt als Ausdruck des Stolzes ( Enuma Elish VI, Zeile 55-64). Diese
Berichte sprechen davon, daß der Turm mit demselben Vorgang des Ziegelbrennens,
der in Vers 3 beschrieben wird, gebaut wurde. Auf jeden Ziegel wurde der Name
des babylonischen Gottes Merodach geschrieben. Auch die erste Zikkurat, ein
stufenförmiger Turm, wurde offensichtlich in Babylon errichtet. Seine Spitze
soll bis in den Himmel gereicht haben (vgl. V. 4 ). Dieser künstliche Berg mit
einem kleinen Tempel auf der Spitze des Turmes wurde das Zentrum der Anbetung in
der Stadt. Die Babylonier waren auf ihren Bau sehr stolz. Sie rühmten sich ihrer
Stadt, die nicht nur als unbezwingbar galt, sondern zudem als göttliche Stadt (
bAbili , »das Tor Gottes«) bezeichnet wurde.
Der Bericht in 1.Mose sieht diese Stadt als die führende Macht der Welt, die
Konzentration gottloser Mächte, mit einem Wort als »Anti-Königtum« an. So ist
der Bericht in den Versen 1-9 also darin durchaus als polemisch anzusehen, daß
er Gottes absolute Macht in einem schnellen Gericht deutlich macht. Die Einheit,
die die Menschen als ihre größte Stärke betrachteten, zerstörte Gott sehr
schnell, indem er ihre Sprache verwirrte (V. 7 ; vgl. V. 9 ). Wovor sie sich am
meisten fürchteten, nämlich der Zerstreuung (V. 4 ), betraf sie dann ( Der Herr
zerstreute sie ... über die ganze Erde , V. 8 ; vgl. V. 9 ). Was sie sich am
meisten gewünscht hatten, nämlich sich selbst einen Namen zu machen (V. 4 ),
wurde ironischerweise Wirklichkeit, weil sie als »Babel« bekannt wurden. Dann
hörten sie auf, die Stadt zu bauen und wurden weit zerstreut.
Diese Erzählung liefert einen passenden Schluß für die Ereignisse der
Frühgeschichte. Sie beschreibt, wie die Familien der Erde hoffnungslos in der
damals bekannten Welt zerstreut wurden. Für sie gab es kein Zeichen der
Flüchtigen wie bei Kain (vgl. 1Mo 4,15 ), keinen Regenbogen in den Wolken ( 1Mo
9,13 ), keinen Hoffnungsstrahl und kein Zeichen der Gnade. Das läßt den Leser
nach einer Lösung der Situation suchen. Nach einer den Zusammenhang
herstellenden Genealogie ( 1Mo 11,10-26 ) wird die Lösung angesprochen: Aus den
zerstreuten Nationen bildete Gott eine Nation, die sein Kanal der Gnade wurde.
Gott war also mit dem menschlichen Geschlecht noch nicht am Ende. Kapitel 11
bereitet den Leser lediglich auf Gottes Werk vor.
Ganz sicher geht es hier um mehr als nur um einen bloßen Bericht, um die
Völkertafel zu erklären ( 1Mo 10 ). Wenn Mose einfach die Entwicklung des Planes
Gottes zurückverfolgen wollte, hätte er es auf direktem Wege tun können. Aber
die Wortspiele, Wiederholungen, Charakterisierungen und moralischen Lehren -
alle auf der Grundlage des ethischen Standards des Gesetzes ( tNrCh ) -
vermitteln eine wichtige Lektion.
Israel wurde aus Ägypten gerufen, um Gottes Theokratie zu werden. Israel sollte
als von Gott geeintes Volk in der ganzen Welt bekannt werden. Die einzige,
einfache Forderung war, daß das Volk gehorchen sollte. Wenn sie das täten,
wollte Gott sie auf festen Grund stellen. Aber wenn sie ihre Häupter im Stolz
erheben und gegen Gott rebellieren würden, sollten sie über die Erdoberfläche
zerstreut werden. Als es dann soweit war, ging Israel denselben verderblichen
Weg wie die Babylonier.
Das Thema, um das es hier geht, der Stolz, ist von entscheidender Bedeutung.
Gott demütigt die, die sich selbst in Stolz erheben. Zerstreuung (mit seinen
Kriegen und Konflikten) ist besser, als vereinte Abtrünnigkeit. Gottes Plan wird
erfüllt werden, wenn nicht mit dem Gehorsam des Menschen, dann doch trotz des
Ungehorsams des Menschen.
Das Verderben von Babel wird von Zefania gut erklärt, dessen Ausdrücke sicher
auf dieses Ereignis zurückzuführen sind. Er weissagt die große Vereinigung im
Tausendjährigen Reich, wenn jeder eine reine Sprache sprechen und auf Gottes
heiligem Berge anbeten wird und wenn alle Nationen dorthin versammelt werden,
von wo aus sie zerstreut wurden ( Zeph 3,9-11 ). Das Wunder an Pfingsten ( Apg
2,6-11 ) war ein Vorbote dieses noch zukünftigen Ereignisses.
F. Die Geschichte seit Sem
( 11,10-26 )
1Mo 11,10-26
Der genealogische Bericht führt die Linie von Noahs Sohn Sem bis zu Abram fort.
Vorher hatte Mose die Linien der Familien der Erde dargestellt, die von Noahs
drei Söhnen herkamen ( 1Mo 10 ), indem er erklärte, warum sie auf der Erde
zerstreut wurden ( 1Mo 11,1-9 ). Hier lenkt er unsere Aufmerksamkeit wieder auf
die Semiten.
Die Genealogie Sems ist eine »vertikale« Genealogie, um die legitimen Vorfahren
zu benennen. Diese Art des Stammbaums wurde in der Antike häufig benutzt, um die
Legitimität eines Königs oder einer Dynastie darzulegen. Die Liste in den Versen
10-26 zeigt die direkte Linie von Sem, der gesegnet war, hin zu Abram auf. So
wird deutlich, daß der Segen Gottes auf Abram überging.
Man hat behauptet, daß die Namen in den genealogischen Listen in den Kap. 5; 11
einfach zusammengestellt sind, wobei Namen ausgewählt wurden (aus anderen Namen,
die nicht aufgelistet wurden und aus längeren Listen), um eine Symmetrie zu
erreichen (z.B. endet jede Liste mit einem Hinweis auf drei Söhne: 1Mo 5,32;
11,26 ). Diese Sicht kann durch logische Exegese nicht begründet werden. Um
»Lücken« in der Genealogie aufzuzeigen, muß man Auslassungen postulieren: »X
lebte so viele Jahre und zeugte (die Linie, die ihren Höhepunkt fand in) Y.«
Solche Auslassungen sind nur sehr schwer zu beweisen. Darüberhinaus sind Lükken
an zwei Stellen der Liste schwer möglich (Sem war der Sohn Noahs, und Abram war
der Sohn Terachs). Also gehen wir davon aus, daß Vers 10-26 eine geschlossene
Chronologie ergeben.
Der wichtigste Beitrag dieses Abschnitts ist die Verbindung Abrams mit der Linie
Sems. Hier findet sich die Herkunft Israels. Interessantes archäologisches
Material hat gezeigt, daß viele dieser Namen in Ortsnamen um Haran erhalten
geblieben sind.
Anders als die Genealogie in Kapitel 5 nennt die Liste in 1Mo 11,10-26 die
Gesamtzahl der Jahre jeder Person und schließt nicht jeden Abschnitt mit den
Worten »und er starb« ab. 1Mo 5,1-6,8 hebt den Tod vor der Sintflut hervor; 1Mo
11,10-26 betont das Leben und seine Ausbreitung, obwohl die Länge des Lebens
abnahm. Die Stimmung von Kapitel 11 ist eine andere als diejenige der früheren
Genealogie. Dies ist der Fall, weil Vers 10-26 den Stammbaum Abrams, der
gesegnet werden sollte bis zu Sem, der durch Gott gesegnet wurde ( 1Mo 9,26 ),
zurückverfolgt.
II. Die Erzvätererzählungen
( 11,27-50,26 )
A. Die Geschichte seit Terach
( 11,27-25,11 )
Die Geschichte Abrahams, die hier ihren Anfang nimmt, steht unter der
Überschrift des Namens Terach. Wie wir oben gesehen haben (vgl. die Einführung
»3. Die Struktur der Genesis«), folgen dem TNl+DNT die »Einzelheiten« über die
Familie Terachs, also das, was aus Terach in seinem Sohn Abram wurde. Es begann
mit der Wanderung Terachs nach Haran und setzte sich mit Abrams Zug nach Kanaan
fort, der der Empfänger der Verheißung war. Die Geschichte Terachs endete damit,
daß Abram endlich einen Sohn bekam, der die Linie und den Segen weitertragen
sollte.
1. Gottes Bund mit Abraham
( 11,27-15,21 )
a. Die Reise Terachs
( 11,27-32 )
1Mo 11,27-32
Dieser kurze Abschnitt berichtet von den drei Söhnen Terachs und ihren Ehen
(vgl. die Übersicht »Terachs Nachkommen«). Er berichtet ebenfalls von Lot,
Abrams Neffen, der in den Erzählungen über Abram eine wichtige Rolle spielt.
Terach war ein Götzendiener, der andere Götter verehrte ( Jos 24,2 ). Vielleicht
war die ursprüngliche Heimat Terachs Haran , denn viele der Namen der Vorfahren
Terachs sind den Ortsnamen des Landes Aram ähnlich, in dem die Stadt Haran lag.
Wenn dies der Fall ist, war die Familie ca. 1000 km nach Südosten nach Ur
gezogen, der Hauptstadt Sumeriens, wo der jüngste Sohn Terachs, Haran, geboren
wurde ( 1Mo 11,28 ) und starb. Gottes Berufung erreichte Abram ( 1Mo 12,1 ) in
Ur. Die Familie zog anschließend nach Haran zurück und wohnte dort ( 1Mo 11,31
), wo Terach starb (V. 32 ). Weil dies nicht das verheißene Land war, zog Abram
weiter nach Kanaan, wo ihm Gott erschien und den Ort bestätigte.
b. Abrams Berufung
( 12,1-9 )
In diesem Bericht ändert sich die Ausrichtung des Buches. Dieser Abschnitt
berichtet, wie Gott Abram aus einer heidnischen Welt herausrief und ihm
ungeheure Verheißungen gab; Verheißungen, die später Teil des formalen
Abrahamsbundes wurden.
Der Abschnitt stellt darüberhinaus den Glauben Abrams heraus und lehrt uns, daß
der Glaube Gott gehorcht. Abram war im mittleren Alter, wohlhabend, hatte sich
fest niedergelassen und war ein Heide durch und durch. Das Wort des Herrn
geschah zu ihm, auch wenn wir nicht genau wissen, wie es geschah, und er
antwortete im Glauben und verließ im Gehorsam alles, um Gottes Plan zu befolgen.
Deshalb ist er in der ganzen Bibel der Vater des Glaubens (vgl. Röm 4,1-3.16-24;
Gal 3,6-9; Hebr 11,8-19; Jak 2,21-23 ).
Der historische und theologische Angelpunkt des Abschnitts ist sicher die
Berufung Abrams, um ein neues Volk zu begründen. Israel sollte dadurch lernen,
daß ihre eigentliche Existenz Gottes Werk war, und mit einem Mann begann, der im
Glauben geantwortet hatte und seine Heimat mit Richtung auf Kanaan verließ.
Diese Botschaft sollte Israel von seiner göttlichen Berufung überzeugen und die
Notwendigkeit des Glaubens betonen, wenn sie aus Ägypten nach Kanaan ausziehen
wollten.
1Mo 12,1-3
Vers 1-3 berichten Abrams Berufung durch Gott, Vers 4-9 von Abrams Gehorsam. Die
Berufung enthält zwei Imperative (Befehle), denen jeweils Verheißungen folgen.
Der erste Imperativ betrifft das Ausziehen ( geh aus deinem Vaterland ... und
geh in ein Land , V. 1 ). Der zweite Imperativ in Vers 2 wird allerdings in
vielen Übersetzungen nicht wörtlich wiedergegeben, sondern als Voraussage »du
wirst ein Segen sein« übersetzt. Aber wörtlich heißt es hier: Sei ein Segen .
Der Auszug Abrams zog eine ganze Kette von Ereignissen nach sich. Wenn Abram aus
Ur ausziehen würde, würde Gott drei Dinge für ihn tun, damit er ein Segen im
Land sein könnte (der zweite Imperativ). Zugleich sollte er ein Segen sein,
damit Gott drei weitere Dinge für ihn tun würde. Diese Symmetrie sollte nicht
übersehen werden, da dadurch die Bedeutung des Abschnittes unterstrichen wird.
Abrams Berufung hatte ein Ziel: Sein Gehorsam sollte großen Segen bringen.
Drei Verheißungen waren an die Berufung Abrams und das Aufgeben der Heimat
gekoppelt: (a) eine große Nation , (b) ein Segen für Abram und (c) ein großer
Name (V. 2 ). Diese Verheißungen machen es möglich, daß Abram selbst wieder »zum
Segen wird« (der zweite Imperativ in V. 2 ). Gegründet auf diesen Gehorsam
ergingen Gottes drei Verheißungen: (a) es sollten die gesegnet werden, die ihn
segneten, (b) die verflucht werden, die ihn schlecht behandelten und (c) die
Geschlechter der Erde durch ihn gesegnet werden (V. 3 ). Abram zu segnen oder zu
verfluchen bedeutete, den Gott Abrams zu segnen oder zu verfluchen. Leider mußte
Gott häufig andere Nationen benutzen, um sein Volk zu disziplinieren, weil sie
weit entfernt davon waren, für die Welt ein Segen zu sein, und die meiste Zeit
im Ungehorsam lebten. Die dritte Verheißung findet die größte Erfüllung in der
Tatsache, daß Jesus Christus zum Werkzeug des Segens für die ganze Welt wurde (
Gal 3,8.16; vgl. Röm 9,5 ).
Der Glaube wird in diesen Abschnitten beleuchtet. Abram wurde befohlen, mehreres
zu verlassen: sein »Vaterland«, seine Verwandtschaft und seines Vaters Haus (
1Mo 12,1 ). Aber ihm wurde nichts bezüglich des Landes gesagt, in das er ziehen
sollte. Sein Auszug war eine beispiellose Glaubenstat.
Das Thema von Segen und Fluch erreicht hier seinen Höhepunkt. Tatsächlich ist
dies die zentrale Stelle von 1.Mose. Hier beginnt der Teil der Heilsgeschichte,
der nach den Kap. 1-11 so dringend nötig geworden ist. Kapitel 1-11 machen die
Notwendigkeit des Segens Gottes deutlich. Dies war die Berufung; Abram
antwortete darauf im Glauben. Die nachfolgenden Verheißungen wurden später im
Rahmen des Bundes formuliert ( 1Mo 15,8-21 ).
1Mo 12,4-9
Die Erzählung berichtet einfach, daß Abram gehorchte. Von seinem Gehorsam wird
analog zu den zwei Imperativen in Vers 2 auf zweierlei Weise berichtet. Er
verließ (V. 4 ), und er war ein Segen (V. 5-9 ). In Haran hatten Abram und seine
Familie Leute gewonnen (wörtl. »Seelen«) (V. 5 ). Dieses »Seelengewinnen« könnte
sich auf Proselytismus beziehen, d.h., daß Abram einige Haraniten dazu bewegt
hatte, Jahwe nachzufolgen. Im Lande Kanaans errichtete er Altäre in Sichem (V. 6
) und östlich von Bethel (V. 8 ). An diesem zweiten Ort rief er den Namen des
Herrn an , d.h. er rief Jahwe bei seinem Namen an (vgl. 1Mo 21,33; 26,25 ).
Luther hat dieses Verb mit »predigen« übersetzt und hatte sich damit nicht weit
von der eigentlichen Bedeutung entfernt. Gott hatte also inmitten der
Kanaaniter, die zu der Zeit im Lande wohnten , einen Zeugen. In der Tat ist die
Erwähnung des großen Baumes More (wörtl. »der Lehrer«) im Zusammenhang mit
folgendem bedeutsam. Die Kanaaniter besaßen Schreine in Eichenhainen. More
könnte eines ihrer Kultzentren gewesen sein.
In Sichem erschien Jahwe Abram , um seine Verheißung zu bestätigen und Abrams
Glauben zu belohnen: Deinen Nachkommen will ich dieses Land geben ( 1Mo 12,7 ).
Abram kam in das Land, und Gott zeigte es ihm. Es wurde aber seinen Nachkommen,
nicht ihm selbst, gegeben. In der Tat, als Abram starb, war sein einziger
wirklicher Besitz eine Höhle, die er für die Begräbnisse seiner Familie gekauft
hatte ( 1Mo 23,17 ). Nachdem Gott seine Verheißung bestätigt und erneuert hatte,
blieb Abram in dem Land und wartete auf die Erfüllung der Verheißung. Aber die
Kanaaniter besaßen das ganze gute, fruchtbare Land. Abram mußte sich
etappenweise in Richtung der großen, furchtbaren Wüste Negev (»Südland«) ( 1Mo
12,9 ) aufmachen, die öde und unfruchtbar südlich von Kanaan liegt.
Für Israel machte die Berufung ihres großen Patriarchen deutlich, daß die ihnen
gegebenen Verheißungen von Gott gekommen waren, die Verheißung einer großen
Nation, eines Landes, des Segens Gottes und des souveränen Schutzes. Jahwes
Erscheinen und seine Bestätigung (V. 7 ) stellten unter Beweis, daß Kanaan das
für Israel vorgesehene Land war. Aber Gott forderte eine Antwort im Glauben,
wenn diese Generation die verheißenen Segnungen empfangen wollte. Der Glaube
nimmt Gott bei seinem Wort und gehorcht ihm.
c. Abram und Sarai in Ägypten
( 12,10-20 )
Dieser Bericht über den Aufenthalt in Ägypten ist weit mehr als nur eine
Ermahnung zur Aufrichtigkeit, obwohl die Erzählung sicherlich auch vor der
Torheit des Betrugs warnen will. Die Behauptung »sie ist meine Schwester« taucht
dreimal in den Erzählungen von den Patriarchen auf (V. 13 ; 1Mo 20,2; 26,7 ).
Von bibelkritischer Seite behauptet man, daß diese Erwähnungen auf ein und
dasselbe Ereignis anspielen. Aber beim zweiten Mal erklärt Abram, daß dieses
Vorgehen überall seine Taktik war, wo er hinkam ( 1Mo 20,13 ). Demzufolge
überrascht es nicht, daß er seine Lüge wiederholt und sein Sohn sie übernimmt.
Die absichtliche Parallele zwischen dem Aufenthalt Abrams in Ägypten und der
späteren Gefangenschaft des Volkes Israels in Ägypten kann dem Leser nicht
entgehen. Die Motive sind bemerkenswert ähnlich: die Hungersnot im Land ( 1Mo
12,10;47,13 ), das Hinaufziehen nach Ägypten, um dort zu wohnen ( 1Mo 12,10;
47,27 ), der Versuch, Männer (bzw. männliche Kinder) zu töten, aber Frauen (bzw.
weibliche Kinder) am Leben zu lassen ( 1Mo 12,12; 2Mo 1,22 ), die Plagen in
Ägypten ( 1Mo 12,17; 2Mo 7,14-11,10 ), der Ruin Ägyptens ( 1Mo 12,16; 2Mo
12,35-36 ), die Errettung ( 1Mo 12,19; 2Mo 15 ) und das Herabziehen zum Negev (
1Mo 13,1; 4Mo 13,17.22 ). Die große Erlösung aus der Gefangenschaft, die Israel
erfuhr, war also bereits in ihrem Vorfahren erfüllt worden und wurde für sie
möglicherweise zu einer Quelle des Trostes und der Ermutigung. Gott hatte mehr
getan, als nur die Errettung für eine zukünftige Nation zu verheißen. Es war,
als ob er in Abram ihre Errettung im voraus ausgeführt hätte.
In bezug auf die Botschaft des Buches wurde 1Mo 12,10-20 bezeichnenderweise
direkt hinter die Berufung Abrams und seinen Gehorsamsschritt plaziert. In
diesem Bericht wandelte Abram nicht so wie zu Beginn im Glauben, aber Gott hatte
ihm Verheißungen gegeben und würde sie auch erfüllen. Abram war nicht der
einzige Patriarch, der auf recht unrühmliche Weise aus solchen Schwierigkeiten
gerettet werden mußte.
1Mo 12,10-13
Abrams Plan, der aus seiner Angst heraus geboren wurde, kehrte sich gegen ihn.
Gottes Verheißung an ihn wurde gefährdet. Nur Gott konnte seine Frau retten,
damit die Verheißung an Abram erfüllt werden konnte. Abram, der sich einer
Hungersnot ausgesetzt sah, faßte den Entschluß, nach Ägypten zu ziehen, um dort
zu wohnen und sich eine Zeitlang aufzuhalten , ohne die Absicht zu haben, sich
dort anzusiedeln. Weitere Hungersnöte in Palästina werden in 1Mo 26,1; 41,56
erwähnt. Abram kann für diesen Umzug nicht getadelt werden, auch wenn nirgends
gesagt wird, daß er im Glauben gehandelt habe. Der typische Plan eines Beduinen,
den Abram sich erdacht hatte, bestand darin, mit einer Halbwahrheit von seiner
Schwester-Frau zu sprechen. Das war ein listiger Weg, sein eigenes Gewissen zu
beschwichtigen. Sarai war in der Tat seine Schwester (d.h. eine Halbschwester;
vgl. 1Mo 20,12 ). Abram übermittelte den Ägyptern nur das, was er sie wissen
lassen wollte. Sein Motiv lag unzweifelhaft in den Gesetzen der
frateriarchischen Gesellschaft (vgl. Laban, 24,29-61) begründet. Im feindlichen
Gebiet konnte ein Ehemann wegen seiner Frau getötet werden. Wenn aber Abram als
ihr Bruder bekannt würde und jemand, der sie zur Frau haben wollte, bei ihm um
ihre Hand anhielte, könnte ihm das möglicherweise Zeit geben, die Situation nach
seinen eigenen Wünschen zu bewältigen.
1Mo 12,14-16
Ihre ironische Wendung erhält die Geschichte dadurch, daß jemand Sarai zur Frau
haben wollte; und zwar jemand, der es nicht nötig hatte, um sie zu handeln,
nämlich der Pharao selbst. Genau die eigenen Worte Abrams (»auf daß mir?s
wohlgehe«, V. 13 ) kamen auf ihn selbst wieder zurück. Der Pharao tat Abram
Gutes aufgrund der Schönheit Sarais und Abram wurde sehr reich (vgl. später die
gute Behandlung des Urenkels Abrahams, Josef, durch den Pharao, 1Mo 41,41-43 und
des Enkels Abrahams, Jakob, 1Mo 45,16-20 ). Aber dieses Handeln kettete Abram an
eine Verpflichtung, von der er sich selbst nicht mehr lösen konnte. Durch sein
Vorgehen verlor er fast seine Frau, und ohne Sarai wäre die verheißene Segnung
verloren gewesen.
1Mo 12,17-20
Aber der Herr schlug die Bewohner des ägyptischen Palastes mit großen Plagen .
Nur durch das Eingreifen Gottes konnte Sarai vor dem Harem des Pharaos
unversehrt bewahrt werden. Mit der Rettung ging eine königliche Rüge (V. 18-19 )
und die Vertreibung aus dem Land (V. 20 ) einher. Die Ägypter waren ein
abergläubisches Volk, so daß solche Plagen ihnen unheilvoll erscheinen mußten.
Der Befehl des Pharaos an Abram, fortzuziehen ( nimm sie und zieh fort! ) steht
parallel zu den Worten von Abrams Berufung durch Gott (»Verlaß dein
Vaterland...und geh!; V. 1 ). Pharaos Worte wurden jedoch in Schmach gesprochen.
Man kann sicher in diesem Bericht erkennen, wie Gott die Familie des Patriarchen
durch Plagen aus der Hand der Ägypter rettete und wie dadurch der noch in der
Zukunft liegende Auszug sein Vorbild erhielt. Aber diese erste Errettung war
aufgrund von Abrams betrügerischer Täuschung nötig geworden. Trotz der
Schwierigkeiten, die Abram für seine eigene Person verursachte, hielt sich Gott
treu an sein Wort und ließ nicht zu, daß sein Plan durch die Torheit dieses
Mannes gefährdet wurde. Vielleicht spürte Abram, daß der leichteste Weg aus der
Gefahr heraus der sei, den Pharao über den wahren Sachverhalt hinwegzutäuschen.
Aber dieses Vorgehen brachte ihn erst in Gefahr und setzte die Verheißung Gottes
aufs Spiel. Gottes Diener müssen Gott völlig vertrauen und nicht zu
selbsterdachten Plänen Zuflucht nehmen.
Zunächst ging es Abram als Folge seines Betrugs sehr gut. Er wurde reich, aber
diese Reichtümer hätten ihn davon abbringen können, Sarai zurückzuerhalten und
damit den Menschen, der zur Erfüllung der Verheißung notwendig war.
Darüberhinaus nimmt man allgemein an, daß Abram Hagar während seines
Aufenthaltes in Ägypten erworben hatte. Indem er seine Frau Sarai »weggegeben«
hatte, konnte Abram Hagar, die später seine Magd und Nebenfrau wurde, erwerben (
1Mo 16,1-2 ).
Mose wollte, daß seine Leser lernen, wie Gott seinen Plan durch göttliches
Eingreifen und Errettung gnädig zur Ausführung brachte. Er wollte auch deutlich
machen, wie töricht es ist, wenn Menschen sich selbst durch Betrug und Täuschung
aus heiklen Situationen zu retten versuchen.
d. Die Trennung von Lot
( 1Mo 13 )
Aufgrund des Problems des Überlebens, das sich dadurch steigerte, daß Abram und
Lot so große Besitztümer hatten (V. 6 ), gerieten die Knechte schnell
miteinander in Streit (V. 7 ), so daß sich ihre Anführer Abram und Lot
voneinander trennen mußten. Sie gingen getrennte Wege. Man hätte erwarten
können, daß Abram, der die göttliche Verheißung empfangen hatte, seine Rechte
wahrnähme und als erster wählte. Aber großherzig bat er Lot, zuerst zu wählen.
Lot traf seine Wahl einzig auf der menschlichen Ebene und sättigte sich mit dem
guten Teil des Landes. Abrams Entscheidung, Lot zuerst wählen zu lassen, war
unzweifelhaft eine Glaubensentscheidung, indem Abram nicht auf das Zeitliche
schaute, sondern auf das Geistliche, d.h. auf Gottes Verheißung.
Kapitel 13 macht deutlich, wie der Glaube Streitigkeiten löst. Man könnte
vielleicht sagen, daß Großzügigkeit ein Zeichen des Vertrauens in Gottes
Verheißungen ist. Der Glaube verlangt nicht selbstsüchtig nach der Erfüllung der
eigenen Wünsche. Er ist vielmehr großzügig, großherzig und verleugnet sich
selbst.
1Mo 13,1-7
Vers 1-4 geben der Erzählung ihren Rahmen, wobei der Rahmen selbst eine eigene
Begebenheit darstellt. Inmitten von Gottes Segnungen entsteht ein Konflikt. Die
ersten Verse heben die Rückkehr Abrams an den Ort hervor, an dem er am Anfang
gewesen war. Hier muß die Betonung auf früher und zuerst (»vormals«) bei der
Beschreibung seiner Rückkehr in das Land (V. 3-4 ) auffallen. Ins Land
zurückgekehrt, erneuerte Abram die Verehrung und Anrufung des Herrn ( Jahwe ) an
einem Altar (vgl. 1Mo 12,8 ).
Recht bedeutsam in diesem Abschnitt ist der Hinweis auf den Reichtum Abrams (
1Mo 13,2 , sehr reich an Vieh und an Silber und an Gold ) und auf den Reichtum
Lots, der mit ihm gezogen war (V. 5 Schafe und Rinder und Zelte ). Sie waren
beide sehr reich geworden. Bei Lot wird besonders hervorgehoben, daß er Zelte
besaß, worauf später näher eingegangen wird.
Aber als sie sich wieder mitten im Land befanden und um sie herum Kanaaniter und
Perisiter wohnten, brachen Streitigkeiten zwischen ihnen aus (V. 7 ). (Die
Perisiter waren einer der in Palästina lebenden Stämme, die häufig zusammen mit
den Kanaanitern genannt werden; vgl. 1Mo 34,30; 5Mo 7,1; Ri 1,4; 3,5 .) Das Land
konnte es nicht ertragen , daß Abram und Lot beieinander wohnten, weil die
Kanaaniter die besten Teile des Landes bewohnten. Die Knechte Abrams und Lots
mußten sich im verbliebenen Teil über Wasser und Nahrung auseinandersetzen. In
dieser schwierigen Situation brach Streit ( rIB ) aus. (Dieser hebr. Begriff
wurde später zur Bezeichnung einer legalen Auseinandersetzung in Israel
benutzt.)
1Mo 13,8-13
Die Lösung Abrams in diesem Streit war das großherzige Angebot, Lot zuerst
seinen Landstrich wählen zu lassen. Es ist fast Ironie, denn man hätte erwarten
können, daß Abram an dem ihm verheißenen Gut festgehalten und Lot angewiesen
hätte, sich sein Land selbst zu suchen.
Abrams Warnung: Laß doch keinen Streit sein zwischen mir und dir ( m+rIBCh ,
verwandt mit dem Wort rIB ) muß die Herzen der Israeliten angerührt haben, als
sie diese Begebenheit später im Zusammenhang mit den Ereignissen in Meriba lasen
( 2Mo 17,1-7 ). In der dortigen Wildnis gab es kein Wasser, und das Volk murrte
gegen Jahwe, so daß Mose an den Felsen schlug. Daraufhin wurden Massa
(»Versuchung«) und Meriba (»Murren«) zu unheilvollen Begriffen, weil das Volk
Jahwe erzürnt hatte und zur Wanderschaft in die Wildnis hinausgeschickt wurde,
bis es starb ( Ps 95,10 ). Ihre Selbstsucht bewies ihren Unglauben ( Ps 95,10 ),
so daß sie nicht in das Land kamen ( Ps 95,11 ). Auch hier war die Wahl Lots
ganz und gar selbstsüchtig. Er verließ Abram und brach nach Sodom auf ( 1Mo
13,12 ). Gottes warnende Ankündigung ( Ps 95,8-11 ) war Abrams Warnung ( 1Mo
13,8 ) sehr ähnlich.
Der Beweggrund für eine solche Trennung ist nicht schwer zu finden - sie waren
Brüder, d.h. Verwandte (V. 8 ). Ihre gemeinsame Verbindung, die sie so lange
vereint hatte, wollte Abram nicht zerstört sehen. Um sie zu erhalten, schien die
Trennung die einzige Möglichkeit zu sein.
Wieder tritt das Land hervor. Abram bot Lot die Wahl über das ganze Land an, das
rechtmäßig Abram gehörte. Lot sah auf (wörtl. »hob [ nARA ] seine Augen auf«)
und sah ( rA?Ch ); vgl. V. 14 ) die ganze Ebene (Gebiet) des Jordan-Tales.
Dieses Tal war saftig, fruchtbar und wasserreich wie der Garten Gottes . (Zoar
war eine kleine Stadt in der Ebene, in die Lot und seine Familie flohen, 1Mo
19,18-22 .Vordem wurde sie Bela genannt, 1Mo 14,2.8 .) Es mag dies eine ernste
Erinnerung an den ersten Blick in heftigem Begehren in ein solches
paradiesisches Gartenland sein ( 1Mo 3,6 ). Sicher ist der im Temporalsatz
gegebene Hinweis unheilverkündend - bevor der Herr Sodom und Gomorra zerstört
hatte - als wenn das bedeuten sollte, daß das, was Lot sich erwählt hatte, nur
kurz bestehen sollte. Ohne auf Abram Rücksicht zu nehmen, traf Lot seine Wahl
und beging damit den größten Fehler seines Lebens.
Er schlug seine Zelte bei Sodom auf, wo die Menschen böse waren und sehr vor dem
Herrn sündigten . Kapitel 19 offenbart später ihre Verdorbenheit.
1Mo 13,14-18
Dieser dritte Abschnitt in diesem Kapitel vermittelt Trost: Jahwe bestätigt
seine Verheißung. Die Unterbrechung in der Erzählung wird durch (wörtl.) »Und
der Herr...« gekennzeichnet. Vers 14-17 erläutern, warum Abram Lot die Wahl über
das ganze Land überlassen konnte: Er hatte die sichere Verheißung Gottes
empfangen. Er hatte begriffen, daß er in Gott alles im Überfluß besaß. Weil
Abram wußte, daß die Verheißung Gottes wahr war, kam es ihm nicht mehr darauf
an, welchen Teil Lot für sich wählen würde. Wer die Verheißung Gottes für seine
Versorgung besitzt, muß sein Herz nicht an Vergängliches hängen.
In Vers 14-17 unterscheidet sich Abram erheblich von Lot. Lot hatte gehandelt
und das für sich genommen, was er für das beste gehalten hatte. Nun formulierte
Jahwe seine Gedanken noch einmal neu und gab Abram mit Geboten seine
Anweisungen. Abram sollte seine Augen aufheben ( nARA? ) und schauen ( rA?Ch ,
V. 14 ; vgl. V. 10 ) und damit das tun, was Lot schon autonom getan hatte. Abram
wartete auf Gott, damit dieser ihm das Land geben solle, Lot nahm es sich
selbst. Gott versicherte erneut, daß er das Land Abram als seinen Besitz geben
werde. Wieviel besser ist es, wenn Gott gibt, als wenn es sich ein Mensch
selbständig aneignet. Gott verhieß Abram auch, daß seine Nachkommen so zahlreich
sein würden wie der Staub der Erde (vgl. 1Mo 22,17; 28,14 ). Dann bat ihn Gott,
das Land zu durchziehen und seinen Besitz zu betrachten. Kapitel 13 schließt
ebenso, wie es begonnen hat: Abram ließ sich nieder und zwar jetzt nahe den
großen Bäumen von Mamre (vgl. 1Mo 14,13; bei Hebron , ca. 40 km südlich von
Jerusalem) und errichtete Jahwe einen Altar.
Kaum ein anderes Kapitel der Bibel beschreibt so wunderbar, was Glauben ist.
Hier war der Patriarch wahrhaftig gläubig und verehrte Jahwe, auch wenn dieser
Glaube einen Konflikt heraufbeschwor. Lot, der nach dem Anschein ging, wählte
das, was ihm gefiel. Seine Wahl war selbstsüchtig und selbstgefällig. Aber diese
Entscheidung wurde gefährlich und kurzlebig, weil nicht alles tatsächlich so
schön war, wie es an seiner Oberfläche erschien. Abram auf der anderen Seite,
der im Glauben stand, ließ großzügig Lot zuerst wählen. Er handelte selbstlos
und vertraute Gott. Er hatte erfahren, daß er weder mit seinen eigenen Plänen in
den Besitz des Landes gelangen würde noch durch eifersüchtiges Bewachen seines
Territoriums. Er handelte gerecht und großherzig. Wer darauf vertraut, daß Gott
versprochen hat, für ihn zu sorgen, kann nicht gierig auf seinen eigenen Gewinn
bedacht oder habsüchtig sein.
e. Der Sieg über die Könige des Ostens
( 14,1-16 )
Der Bericht von der Schlacht der vier gegen die fünf Könige ist besonders
interessant, weil Gott auch damit seine Verheißung erfüllt hat. Gott hatte
versprochen, Abram groß zu machen, die zu segnen, die ihn segnen und die zu
verfluchen, die ihn verfluchen ( 1Mo 12,3 ). Kapitel 14 beschreibt ein typisches
»internationales« Kampfgefecht in der Alten Welt, in der mächtige Nationen sich
verbündet hatten, um zu plündern und die Gebiete nahe der Landesgrenze, die
Abram von Gott versprochen waren, zu unterwerfen.
1Mo 14,1-12
In dem Bemühen, eine Rebellion niederzuwerfen (V. 4 ) fielen vier mächtige
Könige aus dem Osten in das Jordantal nahe dem Salzmeer , d.h. dem Toten Meer
(V. 3 ), ein. Sie schlugen die Kämpfer dieser Region nieder (V. 5-7 ), raubten
die fünf jordanischen Könige aus (V. 8-11 ) und nahmen Lot gefangen (V. 12 ).
Die Archäologie leistet uns große Dienste, um den Hintergrund dieses Kapitels zu
verstehen. Die Namen der Könige sind aus keinem außerbiblischen Fund bekannt,
aber ihre Bezeichnungen fügen sich problemlos in diese Epoche im Nahen Osten
ein, und zwar in ganz besonderer Weise in die Welt der mesopotamischen Könige.
(Der Name Arriyuk, Arjoch sehr ähnlich, wurde in Mari aufgefunden; Kedor-Laomer
paßt auf den Namen Kudur und Tudhalia, was an Tidal erinnert, findet sich in der
frühen hetitischen Literatur.) Darüberhinaus war der Zusammenschluß von
Stadtstaaten (»Völkern«) im Militärdienst durchaus üblich.
Inzwischen ist auch von vielen Gebieten und Städten bekannt, wo sie sich im
einzelnen befanden. Schinar (vgl. 1Mo 10,10 ) ist ein anderer Name für
Babylonien. Elam (vgl. 1Mo 10,22 ) befand sich östlich von Schinar. Ellasar und
Gojim konnten nicht lokalisiert werden. Sodom, Gomorra , Adma , Zebojim und Bela
(d.h. Zoar; vgl. 1Mo 19,22 ) - die Städte der fünf Könige, die gegen
Kedor-Laomer rebelliert hatten - lagen beim Salz- (Toten)meer. Aschterot und
Karnajim ( 1Mo 14,5 ) befanden sich in Hauran, dem alten Baschan, östlich vom
See Kinneret (im NT: See Gennesaret). Ham lag im Osten Gileads südlich von
Baschan. Schawe Kirjatajim befand sich östlich des Toten Meeres und das Bergland
von Se´r südostlich des Toten Meeres in der später als Edom bekannten Region.
El-Paran heißt heute Elat und liegt am Golf von Akaba. Kadesch und Hazezon-Tamar
befanden sich südwestlich des Toten Meeres. Die Route der Eroberer war in der
Antike wohlbekannt und wurde als die »Königsstraße« bezeichnet ( 4Mo 20,17;
21,22 ). Die vier Könige Kedor-Laomer, Tidal, Amrafel und Arjoch ( 1Mo 14,9 )
zogen den Jordan am östlichen Ufer hinab, kehrten in Araba um (dem
Senkungsgraben südlich des Toten Meeres), zogen nach Kadesch, dann nach
Hazezon-Tamar und schließlich in die Region Sodoms und Gomorras im Tal Siddim
(V. 8.10 ). Die fünf Städte der Ebene lagen offensichtlich im südlichen Ende des
Tales nahe beieinander (Unger, Archaeology and the Old Testament , S.114-118).
Die vier Könige plünderten Sodom und Gomorra aus und nahmen Lot gefangen.
1Mo 14,13-16
Als Abram von dem Einfall und der Gefangennahme Lots hörte, versammelte er seine
318 ausgebildeten Männer, und zusammen mit seinen Verbündeten (V. 13 ) verfolgte
und besiegte er die Invasoren in einem Nachtangriff. Er jagte ihnen den ganzen
Weg bis nach Dan nach, der zukünftigen nördlichen Grenze des verheißenen Landes
(240 km von Abrams Heimat in Hebron entfernt). Dan wurde später Leschem ( Jos
19,47 ) oder Lajisch ( Ri 18,29 ) genannt. In der Nacht verfolgte Abram sie bis
nach Hoba , das weitere 170 km nördlich von Dan liegt, brachte Lot und alle
seine Habe zurück und ebenso dessen Familie und andere Gefangene. Das war ein
eindrucksvoller Sieg für den Patriarchen über vier führende Könige, die vorher
einen so großen Teil Transjordaniens und der Gebiete südlich des Toten Meeres
erobert hatten.
Abram, der Hebräer ( ZiBrI , 1Mo 14,13 ), wurde nun als Stammesführer anerkannt.
Hier taucht zum ersten Mal in der Bibel das Wort »Hebräer« auf. Obwohl man den
Begriff »Hebräer« nicht mit einer später auftretenden Gruppe plündernder
Soldaten, die als die »Habiru« bekannt waren, gleichsetzen darf, könnten beide
Begriffe etymologisch miteinander verwandt sein. In der Tat zeigt das
militärische Handeln Abrams in diesem Kapitel, daß diese bedeutungsvolle
Bezeichnung dazu paßt. So war Abram zu einer Macht geworden, mit der die Völker
zu rechnen hatten.
Durch die Ansiedlung Lots in Sodom wurde Abram in den Konflikt hineingezogen.
Abram wohnte in Hebron ( 1Mo 13,18 ), hatte aber mit Mamre, dem Amoriter und
seinen Brüdern Eschkol und Aner einen Bund geschlossen ( 1Mo 14,13; vgl. V. 24
). Hier hat der Bund für Abraham zum Guten ausgeschlagen, denn die Amoriter, die
ihm erlaubt hatten, bei ihnen zu wohnen, mußten auch mit ihm kämpfen. Wenn der
Begriff »Amoriter« alleine benutzt wird, bezieht er sich auf westliche
semitische Völker, die in den transjordanischen Königreichen und den Gebirgen
Palästinas lebten. Diese Amoriter waren eine kleine ethnische Gruppe. Es
handelte sich dabei nicht um das große Volk der Amoriter, das in das alte Sumer
und den Westen einströmte.
Abram war der Befehlshaber der Schlacht gewesen, und so wurde ihm der Sieg
zugeschrieben (V. 17 ). Allerdings erklärt das den Triumph nicht vollständig.
Später hat Melchisedek den Sieg Gott selbst als Teil der Segnungen Gottes an dem
Patriarchen zugeschrieben (V. 20 ). Gott hat durch das Leben Abrams in
Übereinstimmung mit seiner Verheißung gewirkt. Als die Invasoren das Land
plünderten und seinen Verwandten, der ihm aber bereits Schwierigkeiten bereitet
hatte, entführten, griff Abram sofort ins Geschehen ein.
Israel sollte daran lernen, daß Gott seinem auserwählten Volk über die Feinde,
die das verheißene Land plündern, Sieg gibt. Das muß für Gottes Volk in der Zeit
der Richter und späterer Invasionen eine Ermutigung gewesen sein. Natürlich
waren der Glaube und der Gehorsam Voraussetzungen für den Sieg.
Im AT wurde vielfach Krieg geführt. Er war aber auch in geistlicher Hinsicht in
Beziehung auf den Glauben von großer Bedeutung. Das NT lehrt, daß der Kampf und
die Waffen eines Christen geistlicher Natur und die Verheißungen Gottes ewig
sind. Paulus stellt den Tod Christi als einen Sieg dar ( Eph 4,8 ) und gebraucht
dafür militärische Ausdrücke. In diesem Sieg bezwang er die Sünde und den Tod.
Christi Gaben sind geistliche Gaben für seine Knechte, um sie in seinem Dienst
zu gebrauchen. Mit diesen geistlichen Gaben und ausgerüstet mit geistlichen
Waffen, sollen Christen für Recht, Wahrheit und Gerechtigkeit ( Eph 6,10-19 )
kämpfen. Gott verleiht seinem Volk Sieg über die Welt in Übereinstimmung mit
seinen Verheißungen, zu segnen und zu verfluchen. Er gebraucht seine Diener, die
seine göttliche Berufung kennen und die die Waffen der geistlichen Kriegsführung
mit Geschick gebrauchen.
f. Die Segnung durch Melchisedek
( 14,17-24 )
1Mo 14,17-21
Hier finden wir eine der faszinierendsten Begegnungen im AT. Zwei Könige treffen
bei seiner Rückkehr vom Kampf auf Abram. Viel unterschiedlicher hätten sie nicht
sein können. Im Gegensatz zu der verderbten Stadt Sodom und ihrem Herrscher Bera
(V. 2 ), der ebenfalls ohne Zweifel ein schlechter, gottloser Mensch war, stand
Melchisedek, der König von Salem (d.h. von Jerusalem, Ps 76,3 ), ein Priester
Gottes des Höchsten ( 1Mo 14,18 ). Der Name Melchisedek bedeutet »König der
Gerechtigkeit« und weist auf einen gerechten Herrscher als Stellvertreter Gottes
hin. (Einige Ausleger halten Melchisedek für eine Gotteserscheinung, eine
Erscheinung des noch nicht fleischgewordenen Jesu Christi.)
Melchisedek war der einzige, den Abram als geistlich über ihm stehend
betrachtete. Abram nahm seine Segnung an (V. 19 ) und bezahlte ihm ein Zehntel
(den Zehnten) von allem, was er hatte (V. 20 ). Abram tat das im vollen
Bewußtsein seines Handelns. Es wird klar, wie gottesfürchtig und demütig Abram
sogar noch nach seinem Sieg war. Er erkannte, daß die Offenbarung Gottes nicht
auf seine Person beschränkt war. Während sich die Aufmerksamkeit des Lesers
ungeteilt auf Abram richtet, der die geistliche Hoffnung der ganzen Welt in sich
trägt, taucht aus einem unbedeutenden Tal Kanaans ein Mann auf, der Gott noch
näher steht als Abram und der Abram segnete. Das Tal war das Tal Schawe (V. 17
), vielleicht das Tal Kidron bei Jerusalem (vgl. 2Sam 18,18 ).
Die Gegenüberstellung Abrams mit den Königen ist chiastisch (über Kreuz)
aufgebaut: (a) der König von Sodom traf auf Abram ( 1Mo 14,17 ), (b) der König
von Salem traf auf Abram (V. 18 ), ( b? ) der König von Salem segnete Abram (V.
19-20 ), ( a? ) der König von Sodom bot Abram einen Handel an (V. 21 ). Die
Tatsache, daß das Angebot des Königs von Sodom nach der Segnung Melchisedeks
erfolgte, half Abram, die Dinge aus der richtigen Perspektive zu sehen.
1Mo 14,22-24
Abram schwor vor dem Herrn, dem höchsten Gott, dem Schöpfer des Himmels und der
Erde (vgl. V. 19 ), daß er nichts von dem Besitz Sodoms nehmen würde, damit sich
es der König von Sodom nicht als Verdienst anrechnete, Abram reich gemacht zu
haben .
Das Ereignis war eine Prüfung für Abrams Glauben nach einem großen Sieg. Bera,
der König von Sodom, bot Abram ein reizvolles Geschäft an. Aber Abram, der wohl
wußte, was er dem König von Sodom angetan hatte, erkannte, daß die Annahme der
Kriegsbeute von Sodom, die er erbeutet hatte, ihn von Bera abhängig machen
würde. Er erstrebte etwas weitaus Dauerhafteres als Besitz und Reichtum. Er
wünschte sich die Erfüllung von Gottes wunderbarer und ewig gültiger Verheißung.
Der Glaube blickt über die Reichtümer dieser Welt hinaus zu den weitaus
großartigeren Vorhaben Gottes.
Abram wußte, daß er viel wohlhabender werden würde, und er wußte, wer ihn
segnete. Er wollte alles von Gott empfangen und auch nicht einen Faden von Sodom
annehmen. Gehorsame Gläubige gestalten ihr Leben so, daß sie in allem Erfolg,
aller Freude, allem Wohlergehen und allem Wohlstand von Gott abhängig sind. Ihr
Glaube ist wie Abrams Glaube tief verwurzelt und wird beständig stärker statt
kurzlebig und schwach zu sein. Der König von Sodom war ganz offensichtlich ein
verdorbener Mensch, der über ein verdorbenes Reich regierte. Abram erkannte, daß
ein Handel mit ihm gefährlich sein könnte. Er hätte folgern können, daß Gott ihn
durch dieses Angebot segnen wollte. Aber er konnte die Segnungen Gottes nicht
mit dem Besten, was Sodom zu bieten hatte, gleichsetzen.
Melchisedek ist in der Bibel eine wichtige Figur. Er ging Abram voran und war
kein levitischer Priester. Als David, der erste König Israels, auf Melchisedeks
Thron saß, prophezeite er, daß sein großer Nachkomme, der Messias, ein ewiger
Priester nach der Ordnung Melchisedeks sein werde ( Ps 110,4 ).
David sah über die levitische Priesterschaft hinaus, die dann hinweggetan sein
würde. Der Hebräerbrief zeigt auf, wie Jesus Christus in seinem Tod die
levitische Ordnung erfüllte und den Beginn für ein besseres Hohepriestertum
legte. Der Schreiber des Hebräerbriefs machte sich die Anonymität Melchisedeks
zunutze, indem er auf Melchisedek als dem vollkommenen Bild Christi Bezug nahm.
In 1.Mose, das viele Genealogien und Berichte über biblische Vorfahren enthält,
taucht dieser Mann ohne einen einzigen Hinweis auf seine Verwandten auf ( Hebr
7,3 ). Man erinnert sich an Melchisedek als an einen Hohepriester. Weil Abram
den Zehnten an Melchisedek gab, ist die Ordnung Melchisedeks höher als Levis,
der Abrams Nachkomme war ( Hebr 7,4-10 ).
g. Gott schliesst einen Bund mit Abram
( 1Mo 15 )
Nachdem Abram Lot gerettet und die Segnung Melchisedeks empfangen hatte, machte
der Herr förmlich einen Bund mit Abram und bestätigte darin die Verheißung, die
er ihm vorher bereits gegeben hatte ( 1Mo 12,2-3 ). Gott kündigte aber auch eine
lange Zeit der Sklaverei an ( 1Mo 15,13 ).
1Mo 15,1-3
Bevor Gott den Bund mit Abram schloß, beseitigte er dessen Angst und Zweifel
durch ein Wort der Ermutigung: Fürchte dich nicht. Ich bin dein Schild. Als der
Herr Abram verhieß, daß sein Lohn sehr groß sein würde, fragte der Patriarch
sofort, was er von Gott empfangen werde, denn er war kinderlos . Das zeigt
seinen Glauben. Seine geistliche Sicht war nicht durch das Angebot Beras getrübt
worden ( 1Mo 14,22-24 ). Abram hatte weiterhin nur eine Hoffnung, nämlich die
Verheißung, die Gott ihm zu Anfang gegeben hatte ( 1Mo 12,2-3 ). Abram brachte
sein Anliegen durch ein Wortspiel, bezogen auf die Herkunft seines Knechtes
EliÙser, vor: EliÙser von Damaskus ( D ammeReq ) ist der Erbe ( Ben MeSeq ,
wörtl. »Sohn des Besitzes«) meines Besitzes ( 1Mo 15,2 ). Es scheint fast so,
als wollte Abram Gott gegenüber betonen: »Nomen est omen«. Nur ein Knecht würde
sein Erbe werden.
1Mo 15,4-6
Aber der Herr antwortete in aller Deutlichkeit: Dieser Mann (er gebrauchte
EliÙsers Namen nicht) wird nicht dein Erbe sein. Ein Sohn, der von Abrams
eigenem Leib kommen würde, soll sein Erbe sein. Dann zeigte Gott Abram die
Sterne und verhieß ihm, daß seine Nachkommen so zahlreich wie die Sterne sein
würden (vgl. 1Mo 22,17; 26,4 ). Das mächtige Wort Gottes, das die Sterne
erschaffen hatte, konnte auch Abram Nachkommen schaffen.
Abram glaubte (wörtl. »glaubte daran«) dem Herrn und das wurde ihm zur
Gerechtigkeit gerechnet . Diese grundlegende Wahrheit wird dreimal im NT
wiederholt ( Röm 4,3; Gal 3,6; Jak 2,23 ), um deutlich zu machen, daß
Gerechtigkeit vor Gott durch Glauben erlangt wird.
1Mo 15,6 enthält eine wichtige Bemerkung, beschreibt aber eigentlich nicht die
Umkehr Abrams. Diese war viele Jahre vorher geschehen, als er Ur verließ. (Die
hebr. Form »glaubte« zeigt, daß sein Glaube nicht nach den in den Versen 1-5
geschilderten Ereignissen begann.) Abrams Glaube wird hier erwähnt, weil er die
unbedingte Grundlage für den Bund mit Gott darstellte. Der abramitische Bund
verschaffte Abram keine Erlösung. Es war ein Bund, der mit Abram geschlossen
wurde, der bereits geglaubt hatte und dem bereits Gerechtigkeit zugerechnet
wurde. Die Bibel lehrt ganz klar, daß in allen Zeitaltern Gerechtigkeit (d.h.
Errettung) nur auf den Glauben zurückgeführt werden kann.
1Mo 15,7-10
In dem feierlichen Geschehen, bei dem der Herr mit Abram einen verbindlichen
Bund schloß, versicherte ihn Gott der schließlichen Erfüllung seiner
Verheißungen (V. 7.18-21 ). Gott kündigte fernerhin eine 400 Jahre dauernde
Knechtschaft für die Nachkommen Abrams an (V. 13-16 ).
Abram befolgte die Anweisungen Gottes und zerteilte (V. 10 ) drei Tiere - eine
Kuh, eine Ziege und einen Widder (V. 9 ) - und brachte außerdem eine Turteltaube
und eine andere Taube dar.
1Mo 15,11-16
Dann überkam Abram plötzlich ein großer Schrecken, weil unreine Raubvögel auf
die geopferten Tiere niederstießen, was zweifellos ein böses Omen war. Die
Ankündigung Gottes über die Gefangenschaft Israels (V. 13-14 ) wirft Licht auf
die Bedeutung der angreifenden Vögel. Das Wort unterdrücken ( ZAnCh , V. 13 ;
vgl. 1Mo 16,6 ) ist derselbe Begriff, der in 2Mo 1,11-12 zur Beschreibung der
Unterdrückung Israels in Ägypten gebraucht wird. Ägypten war, wie die Raubvögel,
ein Feind des Bundes Gottes, der aber doch letztendlich erfüllt wird. Als die
Israeliten in den Tagen Moses in Ägypten waren, konnten sie die Jahre nicht
zählen und erkennen, daß 400 Jahre vergangen waren (von dem Jahr an, d.h. dem
Jahr 1876 V.Chr., in dem Jakob nach Ägypten gekommen war; vgl. die Übersicht
»Chronologie der Patriarchen« zu 1Mo 47,28-31 ) und die Zeit ihrer Erlösung aus
der Sklaverei gekommen war ( sie werden ausziehen ). 2Mo 12,40 und Gal 3,17
berichten von 430 Jahren ägyptischer Sklaverei (von 1876 bis 1446).
Offensichtlich werden in 1Mo 15,13 und Apg 7,6 mit der Angabe von 400 Jahren
gerundete Zahlen genannt (vgl. den Kommentar zu Apg 7,6 und Gal 3,17 ).
Gott ist gerecht und wollte zulassen, daß die Sünde der Amoriter erst voll
werden sollte, bevor er sie richtete ( 1Mo 15,16 ). (Vgl. den Kommentar zu den
Amoritern in 1Mo 14,13-16 .) Gott duldete ihre Sünden, bis Israel und Josua
Palästina einnahmen. So schloß die Erfüllung der Verheißungen Abrams ein
Vergeltungsgericht an den Bewohnern des Landes Kanaans mit ein. Abrams Samen
würde eines Tages das Land besitzen, aber nicht eine Stunde bevor es die
absolute Gerechtigkeit erforderlich machte. Gott mußte vieles tun, bevor er
seine Verheißung erfüllen konnte. Das schloß auch mit ein, sein Volk zu
erziehen, um es darauf vorzubereiten, die Verheißung zu empfangen. Es war ebenso
schrecklich für Abram, dies alles im voraus zu erkennen, wie die Raubvögel zu
sehen.
1Mo 15,17-21
Nach Sonnenuntergang offenbarte sich Gott selbst in Verbindung mit dem Bild
eines Ofens ( rauchender Feuerofen ) und einer Feuerflamme, zwei Elementen, die
mit dem Opferritual im Alten Orient in Zusammenhang standen. Diese Bilder waren
Teil des Motivs des »Brennens«, das Gottes Eifersucht und Gericht in der Welt
beschreibt. Feuer steht sowohl für die verzehrende, reinigende Eifersucht Jahwes
als auch für seine unnahbare Heiligkeit, die miteinander zusammenhängen (vgl.
Jes 6,3-7 ). In der Dunkelheit ( 1Mo 15,17 ) erkannte Abram nichts in dem
Erscheinungsbild außer den brennenden Elementen, die zwischen die Stücke der
geschlachteten Tiere hineinfuhren. Der heilige Gott strebte danach, die Völker
zu richten und die Verheißung seines Bundes an Israel zu erfüllen. Er fuhr herab
und schloß (wörtl. »schnitt«) einen förmlichen Vertrag ( einen Bund ) mit Abram
(den Abramsbund). Weil Gott bei keinem größeren »schwören« (den Bund
bekräftigen) konnte, »schwor er bei sich selbst« ( Hebr 6,13 ). Oder anders
gesagt, war dies ein einseitiger Bund. Deswegen waren seine Zusicherungen auch
absolut sicher.
Gott bezeichnete die geographischen Grenzen des Landes Israel noch näher - von
dem Strom Ägyptens (Wadi el-Arisch, nicht der Nilfluß) bis an den großen Strom,
den Euphrat . Israel hat nie dieses Land in seiner Ganzheit besessen. Es wird es
aber besitzen, wenn Christus wiederkommt, um als Messias zu regieren. Die
aufgeführten kanaanitischen Stämme ( 1Mo 15,19-21 ) wurden später bei der
Eroberung vertrieben.
Für Abram war die Botschaft Gottes deutlich: trotz der Aussicht auf Leiden und
Tod (Sklaverei in Gefangenschaft) sollten seine Nachkommen die Verheißungen
empfangen, weil Gott sie zugesichert hatte. Dadurch würde Israel bei seinem
Auszug Ermutigung erfahren, so wie auch in folgenden Zeiten des Kummers und
Elends und sogar während der babylonischen Gefangenschaft. Gottes feierlicher
Bund versicherte dem auserwählten Volk die schließliche Erfüllung seiner
Verheißungen trotz der Zeiten von Leiden und Tod.
Israel würde auch der Parallele bei Beginn der Erzählung Aufmerksamkeit
schenken. Vgl. »Ich bin der Herr [ Jahwe ], der dich aus Ur in Chaldäa geführt
hat«, V. 7 , mit 2Mo 20,2 : »Ich bin der Herr [ Jahwe ], dein Gott, der dich aus
Ägyptenland... geführt hat.« Das gab Israel die Zusicherung, daß trotz
Widerstand und Gefangenschaft Gott ihre Unterdrücker richten und seine
Verheißungen erfüllen würde.
Diese Stelle ermutigt auch die neutestamentlichen Gläubigen. Gott versichert
feierlich, daß er seine Verheißungen über Errettung und all die Segnungen, die
dieses Leben betreffen (vgl. 2Pet 1,3-4 ), erfüllen wird; trotz Widerstand,
Leiden und sogar Tod. Er hält, was er verspricht.
Das erste Buch Mose
2. Gott schafft Abraham die verheißene Nachkommenschaft. Abrahams Glaube wächst
durch Prüfungen
( 16,1-22,19 )
Dieser Erzählzyklus berichtet von dem Kampf, den der Erzvater Abram
durchzustehen hatte, während er auf die Erfüllung der Verheißungen Gottes
wartete. Er strauchelte bisweilen, aber sein Glaube zeigte sich schließlich
deutlich.
a. Der Mangel an Glauben und die Geburt Ismaels
( 1Mo 16 )
Obgleich der Glaube Abrams sich zeigte und geprüft wurde, erfüllten sich die
Verheißungen Gottes doch nur zögernd. In schwachen Momenten weicht man auf
andere Pläne aus, Pläne, die nicht vom Glauben gekennzeichnet sind. Die
menschlichen Bemühungen, bei der Erfüllung der göttlichen Verheißungen
mitzuhelfen, machen die Sache schwieriger. Später sollte Israel erfahren, daß
die ohne Gott ausgeführten Dinge die Lage nur schwieriger machten.
1Mo 16,1-6
Sarai war unfruchtbar, und nach aller menschlichen Kalkulation konnte der Erbe
der Verheißung gar nicht von ihr geboren werden. Diese Tatsache brachte das
fragwürdige Handeln von Abram und Sarai in Bewegung. Abram lernte jedoch, daß
Gottes Verheißung nicht auf diesem Wege erfüllt werden würde.
Nach den Gesetzesbräuchen jener Tage konnte eine unfruchtbare Frau ihre Magd
ihrem Ehemann als Ehefrau geben, und das aus dieser Verbindung hervorgehende
Kind wurde als das erstgeborene Kind der Ehefrau betrachtet. Wenn der Mann zu
dem Sohn seiner Ehefrau-Magd sprach: »Du bist mein Sohn«, wurde er Adoptivkind
und Erbe. Also war Sarais Vorschlag nach den Gebräuchen jener Zeit einwandfrei.
Aber Gott verwirft häufig die Gebräuche einer Gesellschaft.
Der Plan Sarais, mit Abrams Billigung durchgeführt, nahm jedoch eine bittere
Wendung, als die ägyptische Sklavin Hagar schwanger wurde . Hagar begann, Sarai
zu verachten. Beide Frauen mögen sich gefragt haben, was aus Abrams Nachkommen
werden würde. Würde Hagar ihn bekommen? Infolge des Konfliktes zwischen den
Frauen klagte Sarai Abram für die Schwierigkeiten an. Er wies sie an, so zu
handeln, wie sie wollte. Sarai demütigte ( ZAnCh ; vgl. den Kommentar zu diesem
Wort zu 1Mo 15,13 ) Hagar, so daß diese floh ( 1Mo 16,6 ).
Nun war Abram, der wie Adam dem falschen Rat seiner Frau gefolgt war ( 1Mo 3,17
), mitten in der Sache gefangen.
1Mo 16,7-16
Die Geschichte hat sowohl eine schlechte Seite (Sarai hatte ihre Magd
gedemütigt) als auch eine gute ( der Engel des Herrn sprach zu Hagar in der
Wüste ).
Es ist unschwer zu erkennen, was an dieser Geschichte nicht in Ordnung war. Als
der Weg des Glaubens (der das geduldige Warten miteinschließt) einmal verlassen
und der Weg der menschlichen Kalkulation eingeschlagen worden war, wurde Abram
in eine Kette von Ursache und Wirkung gefangen, die ihm in den kommenden Jahren
viele Schwierigkeiten bereiten sollte. (Ismael wurde der Vorfahre der Araber,
die bis heute die Feinde der Juden sind.)
Der Engel des Herrn fand die Magd in der Wüste bei einer Wasserquelle am Weg
nach Schur (vgl. 1Mo 25,18 ) auf dem Weg in ihre Heimat, Ägypten. Dies ist einer
der vielen Hinweise im AT auf den »Engel des Herrn« (wörtl. »der Engel Jahwes«).
Dieser Engel wird in 1Mo 16,13 mit Jahwe gleichgesetzt, ebenso in 1Mo 22,11-12;
31,11.13; 48,16; Ri 6,11.16.22; 13,21-23; Sach 3,1-2 .Dennoch unterscheidet sich
der Engel des Herrn von Jahwe ( 1Mo 24,7; 2Sam 24,16; Sach 1,12 ). Der »Engel
des Herrn« könnte sich also auf eine Gotteserscheinung des noch nicht
fleischgewordenen Christus beziehen (vgl. 1Mo 18,1-2; 19,1; 4Mo 22,22; Ri 2,1-4;
5,23; Sach 12,8 ).
Nachdem der Engel Hagar zwei Fragen gestellt hatte ( Wo bist du hergekommen, und
wo willst du hin? ), gab Gott ihr zwei sichere Antworten: Eine war eine
Ermahnung - kehre um und demütige dich ( 1Mo 16,9 ) -, und eine war ein
Versprechen - sie sollte einen Sohn gebären (V. 10-12 ). Sie nannte Gott einen,
der mich sieht (V. 13 ), und zum Gedenken an das Ereignis nannte sie den Brunnen
an diesem (uns nicht bekannten) Ort Beer Lahai Roi (»Brunnen des Lebendigen, der
mich sieht«; vgl. 1Mo 24,62; 25,11 ).
In 1.Mose enthalten häufig die allgemein bekannten Ethymologien
(Herkunftsbedeutungen) bereits eine Botschaft. Es handelt sich um rhetorische
Kunstgriffe, die aus einem Ereignis die Erklärung eines Namens ableiten. So war
der Name eine Gedächtnishilfe, um Ereignisse und ihre Bedeutung in Erinnerung zu
rufen. In diesem Abschnitt bilden zwei allgemein bekannte Herleitungen nicht nur
den Höhepunkt, sondern die Spitze der ganzen Erzählung. Gott selbst nannte den
Knaben Ismael und erklärte dies anschließend: denn der HERR hat dein Elend
erhört ( 1Mo 16,11 ). Natürlich bezog er das in erster Linie auf Hagar, aber es
traf ebenso auf Abram und Sarai zu.
Die andere Namensgebung war der von Hagar verwendete Gottesname »der, der (nach
mir) sieht«, d.h., der, der nach ihr ausschaut. So findet man in diesen zwei
Namen eine Welt der Theologie: Gott hört und Gott sieht. Der Ort wurde später zu
einem heiligen Ort, an dem Gott gefunden werden konnte, an dem er für sein Volk
sorgte und die Schreie seines Volkes hörte.
Die Namen enthalten eine Botschaft. Gott sprach in unmittelbarer Offenbarung,
und Hagar antwortete im Glauben. Gott sieht den Kummer und das Elend, und er
hört . Sarai sollte das gewußt haben. Weil Gott wußte, daß Sarai unfruchtbar
war, hätte Sarai zum Herrn schreien sollen. Stattdessen mußte sie auf schwerem
Weg ihre Lektion lernen - und zwar aus der Erfahrung mit einer verachteten
Sklaven-Frau, die ironischerweise mit einer Glaubenserfahrung zurückkehrte. Wie
sehr mußte Abram sich gerügt sehen, als Hagar erzählte, Gott habe sie geheißen,
ihren Sohn Ismael, »Gott hört« , zu nennen.
In großem Kummer (hier die Unfruchtbarkeit Sarais) muß sich der Mensch zum Herrn
kehren, weil er die Bekümmerten hört, sie in ihrer Not sieht und auf wunderbare
Weise seine Verheißungen erfüllen wird. Durch menschliches Eingreifen können sie
nicht herbeigezwungen werden. Einer unfruchtbaren Frau Kinder zu bescheren ist
das Werk Gottes ( Ps 113,9 ). Auch Lea hat später erfahren, daß Gott ihren
Kummer gehört hat. Deshalb nannte sie ihre Söhne Ruben und Simeon ( 1Mo 29,32-33
). Sarai stand noch immer der Weg offen, nach ihrem Glauben zu handeln.
So sorgte Gott für die schwangere Frau, die in die Wüste hinausgestoßen worden
war. Gott verhieß, daß Hagar eine Stammutter werden würde. Ihr Sohn sollte der
Vater eines großen Stammes der wilden, feindseligen Menschen werden (vgl. 1Mo
25,18 ), die in der Arabischen Wüste lebten ( 1Mo 25,12-18 ). Aber sie waren
nicht die verheißenen Nachkommen, sie komplizierten die Dinge lediglich. Sarais
Sünde verursachte die Entstehung der Ismaeliten, eine Ernte, die noch immer
eingefahren wird. Tatsächlich wurde später der Urenkel Sarais, Josef, von
Ismaeliten nach Ägypten verschleppt ( 1Mo 37,28 ).
Die Lehre für Sarai, Abram, Hagar, Israel und alle Gläubigen ist deutlich: Die
Diener Gottes sollen seinen Worten vertrauen und auf ihre Erfüllung warten,
indem sie geduldig bis zum Ende ausharren. Es wird in 1.Mose immer klarer, daß
jeder Mensch und jedes Volk, das seine Existenz der Erwählung Gottes verdankt,
im Glauben leben soll. Menschliche Anstrengungen werden keine Hilfe bringen.
Aber die gute Botschaft für Gottes Volk ist, daß der lebendige Gott sieht und
hört.
b. Die Verheissung eines Nachkommen wird durch einen Namen und ein Zeichen
bestätigt
( 1Mo 17 )
Dieses Kapitel berichtet (a) von Gottes Zusicherung seiner Verheißungen, indem
die Namen Abrams (V. 1-8 ) und Sarais (V. 15-18 ) abgewandelt werden, (b) von
Gottes Einsetzung der Beschneidung als ein Zeichen des Bundes (V. 9-14 ), (c)
von Gottes verläßlichem Wort hinsichtlich der Erfüllung der Verheißungen durch
Sara (V. 19-22 ) und (d) von Abrahams Gehorsam (V. 23-27 ).
In den ersten drei Abschnitten dominiert Gott als Handelnder: Er verheißt Abram
einen Sohn und nennt ihn Isaak. Er gibt Abram und Sarai neue Namen, um darin die
Verheißung widerzuspiegeln, und er setzt das Zeichen ein.
1Mo 17,1-8
Gottes Verheißungen an Abram wurden immer großartiger. Er ist Gott, der
Allmächtige, und ist vollkommen imstande, alle seine Verheißungen zu erfüllen.
(Hier taucht zum ersten Mal im AT der Titel »Gott, der Allmächtige« auf [ ?El
Sadday ], der in 1.Mose mehrfach gebraucht wird, 1Mo 17,1; 28,3; 35,11; 43,14;
48,3; vgl. 1Mo 49,25 ). Wissenschaftler haben angenommen, daß Sadday mit der
Akkusativform von SadU verwandt ist, das Brust, Berg oder auch beides bedeuten
kann. (Manche Wörter, die Körperteile beschreiben, wurden auch für geographische
Gegebenheiten benutzt; so z.B. »Mund/Mündung« eines Flusses, »Fuß« eines
Berges.) Sadday bezieht sich, wenn Gott es gebraucht, entweder auf seine
Fähigkeit, reichlich zu versorgen (»der Überströmende«) oder auf seine
majestätische Stärke (»der Allmächtige«). Gott sprach, du wirst der Vater vieler
Völker sein ( 1Mo 17,4; vgl. »ein großes Volk«, 1Mo 12,2 ), und Könige werden
von dir kommen ( 1Mo 17,6; vgl. V. 16 ). Gott sagte: Der Bund wird für ewig
bestehen (V. 7 ). Auch das Land Kanaan, das Abram besitzen sollte ( 1Mo 15,7 ),
sollte ein ewiger Besitz der Nachkommen Abrams sein.
Die Veränderung des Namens des Patriarchen war von großer Bedeutung. Abram ( 1Mo
17,5 ) bedeutete »erhabener Vater«, ging auf Terach zurück ( 1Mo 11,27 ) und
deutete an, daß Abram aus königlichem Geschlecht stammte. Aber im Hebräischen
klingt der Name Abraham ( ?aBrAhCm ) ähnlich wie » Vater vieler ( ?aB hXmNn )
Völker ( 1Mo 17,4-5 ). Sein neuer Name impliziert die Vorausschau auf seine
Nachkommen.
Man kann sich gut vorstellen, daß Abram von dem unterdrückten Lächeln auf den
Gesichtern seiner Männer verletzt war, als er ihnen mitteilte, sie sollten ihn
von nun an Abraham nennen, was Vater vieler Völker bedeutete. Immerhin war er
bereits 99 Jahre alt (V. 1.24 ). Dennoch wußte Abraham, daß Gott ihn nicht
irregeführt hatte. Sein neuer Name und der neue Name seiner Frau waren die
ständige Erinnerung an Gottes gewisses Wort. Immer wenn ihn jemand ansprach,
konnte er sich Gottes Verheißung ins Gedächtnis rufen, bis schließlich Isaak,
das Kind der Verheißung, ihn »abba« (Vater) nennen würde.
1Mo 17,9-14
Das andere den Bund bekräftigende Zeichen war die Beschneidung.
Dieses eine Zeichen galt für alle Männer, die an der Verheißung teilhatten. Im
Nahen Osten wurde die Beschneidung früher auch an anderen Orten praktiziert,
aber hier erhielt sie eine neue Bedeutung. Sie erinnerte Abraham und seine
Nachkommen an den ewigen Bund (V. 13 ; vgl. V. 7.19 ). Durch dieses Symbol
prägte Gott ihnen die Unreinheit der Natur und die Abhängigkeit von Gott bei der
Hervorbringung neuen Lebens in das Gedächtnis. Sie sollten erkennen und sich
daran erinnern: (a) die angeborene Unreinheit muß abgelegt werden, ganz
besonders in der Ehe, und (b) die menschliche Natur ist nicht in der Lage, den
verheißenen Samen hervorzubringen. Sie sollten ihrer Familie treu sein. Jeder
Israelit, der sich weigerte, so beschnitten zu werden, sollte wegen seines
Ungehorsams Gottes Geboten gegenüber ausgerottet werden aus seinem Volk (V. 14
).
Auch an anderen Stellen bezieht sich die Heilige Schrift auf die Beschneidung
als Symbol der Trennung, Reinheit und Treue zum Bund Gottes. Mose sagte, daß
Gott die Herzen seines Volkes beschneiden werde, so daß sie ihn lieben werden (
5Mo 30,6 ). Paulus schrieb, daß die »Beschneidung des Herzens« (z.B., indem man
innerlich »durch den Geist« geheiligt ist) die Errettung und die Gemeinschaft
mit Gott bezeugt ( Röm 2,28-29; vgl. Röm 4,11 ). Der Mensch muß im Vertrauen zu
Gott und zu seinen Verheißungen umkehren und seine natürliche Stärke ablegen.
Unglaube wird als »ein unbeschnittenes Herz haben« beschrieben ( Jer 9,25; Hes
44,7-9 ).
1Mo 17,15-18
Gott kündigte an, daß Sarai Sara genannt werden sollte. Dieser neue Name, obwohl
er nur eine kleine Veränderung darstellt und »Prinzessin« bedeutet, paßte auf
jemanden, dessen Same Könige (V. 16 ; vgl. V. 6 ) hervorbringen sollte. Als er
dies hörte, lachte Abraham , weil es ihm unglaublich schien, daß eine
unfruchtbare 90jährige Frau einen Sohn gebären sollte. Abraham hatte angenommen,
daß seine Nachkommen aus Ismael hervorgehen würden.
1Mo 17,19-22
Dennoch gab ihm Gott die Zusicherung, daß Sara einen Sohn gebären würde, den man
Isaak nennen sollte, was »er lacht« bedeutet (V. 19 ). Dieser Name sollte eine
ständige Erinnerung daran sein, daß man über ein Wort von Gott gelacht hatte.
Ismael war dennoch nicht in Vergessenheit geraten, denn Gott hatte gesagt, daß
auch er viele Nachkommen haben würde. Sogar die Zahl der Söhne Ismaels - 12 -
wurde vorhergesagt. Ihre Namen werden in 1Mo 25,13-15 genannt.
1Mo 17,23-27
Dennoch gehorchte Abraham, der das Wort Gottes bezüglich Isaak empfangen hatte,
sofort dem Gebot der Beschneidung und brachte damit seinen Glauben an Gottes
Wort zum Ausdruck. Abraham wurde im Alter von 99 Jahren beschnitten , Ismael mit
13 Jahren und alles männliche in der Sippe des Patriarchen, und alles männliche,
sei es, daß es dort geboren oder aus der Fremde hergebracht worden war, wurde
auch beschnitten .
c. Die Verheissung des Nachkommens wird durch einen Besuch bestätigt
( 18,1-15 )
1Mo 18,1-8
Drei Männer suchten Abraham nahe den großen Bäumen von Mamre bei Hebron auf
(vgl. 1Mo 13,18; 14,13 ), um zu bestätigen, daß die Zeit der Erfüllung der
Verheißung herangekommen war. Diese drei Männer waren der HERR ( 1Mo 18,1.10.13;
vgl. den Kommentar zum »Engel des Herrn« zu 1Mo 16,7 ) und zwei Engel. Obwohl
man sicher rechtfertigen könnte, hierin eine Lehre zum Thema Gastfreundschaft zu
sehen, suchten die Engel mit Sicherheit Abraham nicht auf, um ihm diese
beizubringen. Warum näherte sich der Engel des Herrn Abraham in dieser Weise?
Warum gebrauchte Gott nicht ein Orakel, eine Vision oder eine Stimme? Vielleicht
sollte es eine Prüfung für Abraham und die Sodomiter sein. Der moralische
Zustand von Abraham und Sodom wurde vielleicht durch ihre unterschiedliche
Behandlung der Fremden angedeutet. Der friedliche, ruhige Besuch Abrahams stand
in krassem Gegensatz zu Sodoms Ausbrüchen von Brutalität und Unmenschlichkeit
(vgl. die 1Mo 18-19 ).
Es ist jedoch wahrscheinlicher, daß die Besucher Abrahams die Botschaft der
engen Gemeinschaft mit Gott überbringen sollten. Das gemeinsame Essen war für
Gemeinschaft, Friedensangebote und Verträge wichtig. Als der Herr die Erfüllung
seiner Bundesverheißung näher bestimmen wollte, kam er selbst und aß in Abrahams
Zelt. Nichts hätte ihre enge Beziehung zueinander bezeichnender herausstellen
können.
Abraham eilte ihnen entgegen ( 1Mo 18,2 ), eilte zurück zum Zelt (V. 6 ), rannte
zu der Herde (V. 7 ), und seine Knechte beeilten sich (V. 7 ) ebenfalls. Abraham
verneigte sich vor den Engeln (V. 2 ), ließ Wasser bringen, ihre Füße zu waschen
(V. 4 ), servierte ihnen frisch gebackenes Brot (V. 6 ), ein zartes Kalb (V. 7
), Butter und Milch (V. 8 ), und stand vor ihnen, während sie aßen (V. 8 ; vgl.
V. 1-2 ). All das weist darauf hin, daß Abraham begriffen hatte, wer seine
Besucher waren.
Das erste Buch Mose
1Mo 18,9-15
Nach der Mahlzeit kündete einer der Engel an, daß Sara in einem Jahr einen Sohn
gebären werde. Dieser Engel des Herrn war zweifellos der Herr selbst (vgl. 1Mo
16,7 ). Der Gedanke daran schien Sara lächerlich zu sein, und sie lachte in
ihrem Herzen. Die Antwort des Herrn tadelte Sara: Sollte irgend etwas dem HERRN
unmöglich (besser: zu »wunderbar«) sein ?
Grundsätzlich ist dieser Bericht ein Aufruf, zu glauben, daß Gott das Unmögliche
tun kann. Gott bestätigte seine Verheißung durch einen persönlichen Besuch - er
aß mit ihnen -, um anzukündigen, daß die Zeit greifbar nahe war. Es war die
Ankündigung einer menschlich gesprochen unmöglichen Geburt. Wenn etwas so
Unglaubliches verkündet wird, ist die Reaktion des Menschen oft dementsprechend:
wie Sara nehmen sich die Menschen nicht mehr in acht, lachen und leugnen dann
aus Angst, daß sie gelacht haben ( 1Mo 18,15 ). Aber Gott kennt das Herz des
Menschen und weiß auch, daß Christen häufig unsicher werden, ob Gott auch das
tun kann, was er angekündigt hat.
Ist ein Kind aus einem erstorbenen Leib zu wunderbar für den, der alle Dinge
geschaffen hat? Da gibt es nichts zu lachen. Er kann es tun. Nichts ist
unglaublich für die, die in der Gemeinschaft des Bundes mit dem Herrn leben,
weil nichts für ihn zu schwer ist.
d. Abrahams Fürbitte für die Menschen in Sodom
( 18,16-33 )
Das vorherrschende Thema dieser Erzählung, das aus den vorhergehenden Versen
erwächst (V. 9-15 ), ist die Gerechtigkeit. Sicher ist Gott in der Lage, das zu
tun, was er tun möchte, aber wird das gerecht sein? Die Antwort liegt auf der
Hand und wird durch die Antworten Gottes auf Abrahams Bitten deutlich.
1Mo 18,16-21
Dieser Abschnitt enthält das Selbstgespräch des Herrn über sein Gericht über die
Städte der Ebene, deren Hauptstadt Sodom war. Interessanterweise hatte Gott zwei
Beweggründe dafür, seinen Plan offenzulegen: (1) Alle Völker sollten durch
Abraham gesegnet werden. Deshalb teilte Gott ihm mit, daß eine Stadt (Sodom)
weggeschafft werden sollte, bevor sie überhaupt durch ihn gesegnet werden
konnte. (2) Abraham sollte seine Nachkommen Geradheit und Gerechtigkeit lehren (
was recht und gut ist , V. 19 ), so daß sie sich an Gottes Segnungen erfreuen
könnten.
Weil die Schreie der Menschen gegen die schlimmen Sünden von Sodom und Gomorra
so groß waren , ging der Herr selbst, um zu sehen, ob es so schlimm sei.
(Natürlich kannte er in seiner Allwissenheit die Sünden von Sodom und Gomorra,
aber er wollte ihnen seine Gerechtigkeit offenbar machen.) Wenn die Sünde dieser
Menschen »voll« wäre, sollten sie gerichtet werden.
1Mo 18,22-23
Sollte Gott den Gerechten mit dem Ungerechten auslöschen? Abraham war überzeugt,
daß es in Sodom Gerechte gab - er bat nicht nur für Lot - und bat deshalb für
Sodom aufgrund der Gerechtigkeit Gottes.
Durch diese Fürbitte wird der großartige Charakter Abrahams offensichtlich. Er
bat, daß alle in den Städten - die Gottlosen wie auch die Gerechten - wegen der
Gerechten verschont würden (V. 23 ). Vorher hatte er persönlich diese Menschen
im Krieg gerettet ( 1Mo 14,16 ). Nun setzte er sich mit derselben Kühnheit,
Beharrlichkeit und Großherzigkeit für sie ein, mit der er auch für sie gekämpft
hatte. Abrahams »Handel« mit Gott verwirrt manche Leser. Aber Abrahams Bitten
wurden, obwohl sie kühn waren, mit echter Demut und tiefer Ehrerbietung
vorgetragen. Um der Gerechtigkeit willen setzte er sich für sie ein: Errettung
für Sodom, wenn es dort 50...45...40...30 ...20 oder nur 10 Gerechte gäbe ( 1Mo
18,24-32 ). Abraham versuchte nicht, Gott zu etwas zu bewegen, was gegen dessen
Willen gewesen wäre. (Dennoch war das Gebet Lots für Zoar ein echter Gegensatz;
1Mo 19,18-23 ).
Das Thema Gerechtigkeit herrscht hier also vor: die, die sich an Gottes
Segnungen erfreuen werden, sollen (a) Gerechtigkeit lehren ( 1Mo 18,19 ); (b)
sie dürfen für ein gerechtes Gericht eintreten, um die Gerechten zu bewahren;
und (c) wissen, daß Gott die Gottlosen um der Gerechten willen bewahren kann.
Bestimmt lernte Israel hierdurch, daß Gott ein gerechter Richter ist, daß
Gerechtigkeit ein Volk erhöht (vgl. Spr 14,34 ) und daß die Gerechten die
Gesellschaft erhalten helfen (vgl. Mt 5,13 ). Diese Wahrheiten sollten für
Israel von ebenso großer Bedeutung sein wie für Abraham , der sie in
mitleidsvoller Fürbitte angewendet hatte.
e. Das Gericht über die Städte der Ebene
( 1Mo 19 )
Dieses Kapitel berichtet von dem Gericht Gottes über eine moralisch bankrotte
kanaanitische Zivilisation, enthält aber auch eine ernste Warnung für andere,
nicht genauso wie diese zu werden: es war schwierig, Lot aus Sodom und Sodom aus
Lots Familie herauszubekommen.
Lot war ein rechtschaffener Bürger, gastfreundlich und großzügig (V. 2-3 ) und
ein Führer der Gemeinschaft. In der Tat war er ein Richter, denn er »saß unter
dem Tor der Stadt« (V. 1 ; vgl. V. 9 ). Die Richter saßen gewöhnlich an den
Stadttoren, öffentlichen Toren ( Hi 29,7.12-17 ), wo rechtliche Angelegenheiten
und geschäftliche Transaktionen endgültig beschlossen wurden (vgl. 1Mo 23,18 ).
Als Richter versuchte Lot, die Gottlosigkeit der Stadtbevölkerung zu beseitigen
und Ratschläge für einen guten Lebenswandel zu geben. Er kannte Wahrheit und
Gerechtigkeit, Geradheit und das Böse. Er war ein »Gerechter« ( 2Pet 2,7-8 ).
Trotz der öffentlichen Verurteilung ihrer Lebensweise mochte Lot dennoch das
angenehme Leben der Gesellschaft Sodoms. Er zog es vor, sein Geld mit den
Bewohnern der Stadt zu machen, anstatt in den Bergen zu wohnen (vgl. 1Mo
13,10-11 ), wo es kein schmutziges Leben, aber auch kein »gutes Leben« gab.
Die Stunde der Wahrheit kam mit dem Besuch aus der Höhe. Lot war scheinbar
gottesfürchtig und rein, aber er war ein Heuchler. Man nahm dort seine Worte
nicht ernst ( 1Mo 19,14 ). Der »Heilige« schlug zuerst sein Zelt nahe bei Sodom
auf, aber später übte Sodom Kontrolle über sein Leben aus. Er war ein
moralischer Mann, weil er Sodomie und Homosexualität ablehnte; er erlebte viel
Böses, wenn er es sah. Aber ironischerweise war er bereit, die Jungfernschaft
seiner Töchter zu opfern, um die Lasterhaftigkeit der Männer Sodoms abzuwehren
(V. 8 ). Er entging dem Gericht durch die Gnade Gottes, aber sein Herz war in
Sodom. Seine Frau war der Stadt zu sehr zugetan, um dem Ruf der Gnade zu folgen,
und seine Töchter hatten keine Bedenken, mit ihrem betrunkenen und nackten Vater
sexuellen Verkehr zu haben (V. 30-35 ).
Solange der Herr Lot alleine ließ, wollte er versuchen, den Glauben zu bekennen,
während er zur selben Zeit in Sodom lebte. Letzten Endes konnte er nicht beides
haben. Sodom hätte ihn zerstört, wenn der Herr nicht Sodom zerstört hätte.
1Mo 19,1-14
Die zwei Engel (vgl. 1Mo 18,2.22 ) waren widerstrebende Gäste bei Lot . Trotz
der Gastfreundschaft Lots, wollten sie lieber im Freien übernachten. Aber als
die Engel in Lots Haus waren, umringten alle Männer der Stadt das Haus. Sie
wollten sexuellen Verkehr mit Lots Besuchern haben (wörtl. sie [sexuell]
»erkennen«). Sie wollten eine homosexuelle Beziehung mit den beiden, die sie für
Männer hielten. Als Engel hatten sie sicher eine stattliche Gestalt. Die
Schändlichkeit der Männer paßte überraschenderweise zu der Heuchelei Lots, denn
er war bereit, ihnen seine jungfräulichen Töchter zu geben ( 1Mo 19,8 ). Seinen
Gast zu schützen war Bestandteil der Gastfreundschaft, aber das ging doch zu
weit! Lots Einsatz für das Gute (V.7) war nun verschwendet, als die Sodomiter
eine andere Seite ihres Richters erkannten (V. 9 ). Er könnte ebensogut
gespottet haben. Die Engel zogen Lot zurück ins Haus, schlugen die Männer vor
der Tür mit Blindheit und befahlen Lot, hinauszugehen , weil sie die Stadt
zerstören wollten. Als Lot das den Verlobten seiner beiden Töchter mitteilte,
glaubten sie ihm nicht.
1Mo 19,23-29
Brennenden Schwefel ließ der Herr in einer großen Vernichtung auf die
verdorbenen Städte und die ganze Ebene regnen (V. 24-25 ). Manche Ausleger
nahmen an, daß Schwefellager in der Erde ausbrachen (vgl. die »Erdharzgruben« in
1Mo 14,10 ) und dann vom Himmel in Feuerflammen herabregneten (vgl. Lk 17,29 ).
Lots Frau sah absichtlich zurück und wurde in eine Salzsäule verwandelt, ein
Denkmal ihres Ungehorsams. Der dichte Rauch ( 1Mo 19,28 ), den Abraham sah,
wurde von dem brennenden Schwefel hervorgerufen (V. 24 ). Obwohl Gott die Sünder
in den Städten der Ebene richtete, gedachte er Abrahams, erinnerte sich also der
Bitte Abrahams ( 1Mo 18,23-32 ) und rettete Lot aus der Katastrophe.
1Mo 19,30-38
Dieser abschließende Abschnitt berichtet von dem Handeln der beiden Töchter Lots
in einer Berghöhle. Lot hatte Angst gehabt, in die Berge zu fliehen (V. 19 ), so
daß er sich stattdessen nach Zoar wandte (V. 22 ). Aber nun verließ er
ironischerweise Zoar, um in den Bergen in einer Höhle zu leben (V. 30 ). Was für
ein Gegensatz zu der »fortschrittlichen Zivilisation« ( Lk 17,28 ) der Stadt
Sodoms, die er verlassen hatte.
Die beiden Töchter, die ihre Heiratschancen nunmehr als sehr gering betrachteten
( 1Mo 19,31 ) und deren Verlobte in der Katastrophe bei Sodom umgekommen waren,
machten ihren Vater betrunken und hatten sexuellen Verkehr mit ihm (V. 32-35 ).
Ihr Inzest macht den Einfluß Sodoms auf sie deutlich. Sie brachten zwei Knaben,
Moab und Ben-Ammi zur Welt, deren Nachfahren die Moabiter und Ammoniter wurden
(V. 36-38 ), beständige Feinde Israels. »Moab« klingt wie »vom Vater« und
»Ben-Ammi« bedeutet »Sohn meines Blutsverwandten«. Diese Wortableitungen ließen
für Israel den schändlichen Ursprung ihrer bösen Feinde ständig fortbestehen.
Vier Hauptmotive befinden sich in diesem Kapitel: Gottes schnelles Gericht über
die schändlichen Kanaaniter, Lots enge Bindung an die verdorbene Gesellschaft,
Gottes gnädiges Verschonen Lots vom Verderben und die »Neugeburt von Sodom« in
der Höhle.
Durch diese Begebenheiten konnte Israel erkennen, daß, wenn Gott ein Volk hart
richtet, er gerecht ist, weil er ihre große Sünde bestraft.
Israel konnte auch aus der Torheit lernen, der Verdorbenheit Kanaans nicht so
sehr zugetan zu sein.
Wie sollte man denn leben, wenn man weiß, wie Gott mit den Kanaanitern verfuhr?
Die Lehre liegt auf der Hand: »Habt nicht die Welt lieb noch was in der Welt
ist... [denn] die Welt vergeht mit ihrer Lust...« ( 1Joh 2,15.17 ) unter dem
Gericht Gottes. Es ist gefährlich und töricht, dem gegenwärtigen, verdorbenen
Weltgefüge anzuhängen, da es der raschen und plötzlichen Vernichtung durch Gott
entgegengeht.
Jesus nahm Bezug auf 1Mo 19,26 ,um vor der kommenden Vernichtung des ungläubigen
Israel zu warnen: »Denkt an Lots Frau!« ( Lk 17,32 ) Wenn Christus wiederkommt,
sollen die Menschen nicht zurückschauen, wie es die Frau Lots getan hatte ( Lk
17,30-31 ). Wenn ein Ungläubiger sich nach dem Besten dieser Welt sehnt, wird er
beides verlieren, diese Welt (weil sie vergeht) und das Leben in der zukünftigen
Welt ( Lk 17,33-37 ).
Jesus sagte auch, daß, wenn er die Wunder, die er in Kapernaum getan hatte, in
Sodom vollbracht hätte, die Sodomiter umgekehrt wären ( Mt 11,23 ). »Es wird dem
Land der Sodomer erträglicher ergehen am Tag des Gerichts als dir« ( Mt 11,24 ).
Das bedeutet, daß Gott gemäß dem Wissen und der Verantwortung des Menschen
richtet und daß die Sünder ein größeres Gericht erwartet als nur ihre physische
Vernichtung.
f. Der Betrug Abrahams vor Abimelech
( 1Mo 20 )
Diese Geschichte berichtet von Gottes gnädiger Bewahrung seines Volkes. Die
Betonung liegt aber auf der Reinheit, besonders auf der Bewahrung der Reinheit
Saras. Für die Erfüllung der Verheißung ist die Ehe wichtig: Die Teilhabe an den
verheißenen Segnungen Gottes fordert die Trennung von der Verderbtheit der Welt.
Sündhaftigkeit und Glaubensschwäche führten zu einer Bedrohung der verheißenen
Segnung. Es ist ein trauriger Kommentar hinsichtlich des Mangels an Glauben,
wenn Gott den Menschen immer wieder von seiner eigenen Sünde erretten muß.
1Mo 20,1-7
Früher hatte Gott Abram durch Plagen aus Ägypten errettet, als er die Lüge von
Sarai als seiner Schwester vorgebracht hatte ( 1Mo 12 ). Hier erzählte Abraham
aus Angst ( 1Mo 20,11 ) Abimelech, dem König von Gerar , wieder dieselbe Lüge
über Sara ( 1Mo 20,2 ). Später hat Isaak genau dasselbe bei einem anderen
Abimelech getan ( 1Mo 26,1-11 )! Gerar lag nahe der Küste, etwa 20 km südlich
von Gaza und etwa 85 km südlich von Hebron, im Land der Philister ( 1Mo 21,34 ).
Als Abimelech Sara zu sich genommen hatte, warnte ihn Gott durch einen Traum (
1Mo 20,3 ) und durch die Unfruchtbarkeit seiner Frau und Sklavinnen (V. 17-18 ),
daß diese Frau verheiratet war.
Wir finden hier ein passendes Wortspiel. Abraham hatte gebetet, daß der Gerechte
nicht umkommen solle mit dem Gottlosen ( 1Mo 18,23-32 ). Die Worte Abimelechs
wiederholen dasselbe Anliegen: Herr, wirst du ein unschuldiges Volk vernichten?
Der Tadel in diesem Ausdruck muß für Abraham eindrucksvoll gewesen sein.
Als Abimelech Gott seines reinen Gewissens in dieser Sache versicherte, befahl
ihm Gott, Sara zurückzubringen und Abraham, den Propheten ( nABI? ; dieses Wort
taucht hier zum ersten Mal im AT auf), den Sprecher Gottes, aufzufordern, für
Abimelech zu beten. Einzig das Gebet des Patriarchen rettete das Leben des
Königs.
Gott tadelte Abimelech nicht, aber mit Sicherheit machte er ihm die
Ernsthaftigkeit der Warnung klar: er sollte keinen Ehebruch begehen, weil das
ein schweres Vergehen war ( 1Mo 20,7 ). Die Wortwahl nimmt offensichtlich das
entsprechende Gebot des Dekalogs vorweg ( 2Mo 20,14 ). Gott hatte Abraham und
Sara zusammengefügt, so daß sie gemeinsam einen von Gott gekommenen Nachkommen
hervorbringen sollten. Das war grundlegend für den Bund.
Beide Errettungen des Patriarchen bewahrten Saras Reinheit und ließen die
Verheißung unangetastet. Der erste Vorfall ( 1Mo 12 ) geschah allerdings
außerhalb des verheißenen Landes und spiegelte deutlicher den Kampf des Volkes
um Leben und Tod in Ägypten wider, so wie es Gott später auch aus Ägypten
erretten und erlösen würde. Das zweite Ereignis ( 1Mo 20 ) geschah innerhalb des
Landes und stellte ein Ereignis dar, in welchem Gott Saras Ehe und dadurch seine
Verheißung schützte. Gott ist der Herr über die Geburt; er greift wunderbar ein;
er öffnet und verschließt den Leib (V. 17-18 ). Kein bloßer menschlicher
Machthaber kann den Plan Gottes durchkreuzen.
1Mo 20,8-18
Obwohl Gott Abimelech nicht getadelt hatte, erteilte Abimelech Abraham einen
Verweis. Der König sprach von großer Schuld, die das Handeln Abrahams über ihn
gebracht habe (V. 9 ) und er sprach zu Sara von seiner (Abimelechs) Übertretung
ihr gegenüber (V. 16 ).
Er sah ein, daß sein Vorhaben, Sara in seinen Harem aufzunehmen, falsch gewesen
war. So ließ er davon ab und gab dem Patriarchen Vieh ( Schafe und Rinder ; vgl.
1Mo 21,27 ) und Sklaven ( 1Mo 20,14 ) und gestattete ihm, in seinem Land zu
leben (V. 15 ). Er gab Abraham (den er Saras Bruder genannt hatte!) tausend
Schekel Silber (V. 16 ).
Die Tatsache, daß Gott die Zerstörung der Ehe Abrahams durch Ehebruch verhindert
hatte, unterstrich die Tatsache, daß die Israeliten ihre Ehen nicht zugrunde
richten sollten. Hier lag die Betonung auch auf der Bewahrung vor einer Mischehe
mit einem Heiden. Die Frau eines anderen Mannes nehmen ist eine Sache auf Leben
und Tod. Gott bestraft eine solche Sünde.
So war also die Botschaft ganz deutlich: Gott wollte nicht die Mischehe mit
Heiden - und zwar ganz besonders, wenn Ehebruch oder Scheidung mit im Spiel
waren. Israel hat sich nur selten daran erinnert (vgl. Mal 2,10-17 ).
g. Die Geburt Isaaks und die Austreibung Ismaels
( 21,1-21 )
1Mo 21,1-7
Gott gab das Kind der Verheißung Abraham und Sara ... zu der Zeit, zu der es
Gott versprochen hatte (vgl. 1Mo 18,10 ). Sie antworteten darauf im Glauben,
indem sie (a) es Isaak nannten ( 1Mo 21,3 ), (b) es gemäß des Bundes (V. 4 ;
vgl. 1Mo 17,9-14 ) beschnitten und (c) Gott für die unbegreifliche Erfüllung
priesen ( 1Mo 21,6-7 ).
Der Name Isaak (»er lacht«) wird in diesem Abschnitt geschickt erklärt. Sara
sagte, daß Gott ihr ein Lachen , also Freude, gegeben habe (V. 6 ). Ihr Lachen
des Unglaubens ( 1Mo 18,12 ) war nun verwandelt worden in die Freude über ihren
Sohn. Jeder, der davon hörte, würde darüber lachen, d.h. sich mit ihr freuen.
Aber Ismael kehrte ihr Lachen in beißenden Spott (vgl. den Kommentar zu 1Mo 21,9
) über das Werk Gottes.
1Mo 21,8-13
Gott benutzte diesen Vorfall, daß Ismael sich über Isaak lustig gemacht hatte,
um das Kind Ismael und Hagar (V. 10 ) zu vertreiben, da sie für den verheißenen
Nachkommen eine Bedrohung sein würden. Das Wort »scherzen« ist im Hebr. m+QaH
(»lachen« oder »scherzen«), von dem »Isaak« ( yiQHAq ) herkommt. Vorher hatte
Sara Hagar gedemütigt ( 1Mo 16,6 ), nun demütigte der Sohn Hagars den Sohn
Saras. Vorher war Sara die Ursache dafür, daß die schwangere Hagar fliehen mußte
( 1Mo 16,6 ); nun brachte sie Hagar und ihren 16 oder 17 Jahre alten Sohn dahin,
zu fliehen. (Abraham war 86 als Ismael geboren ( 1Mo 16,16 ) und 100 Jahre als
Isaak geboren wurde ( 1Mo 21,5 ). Isaak wurde möglicherweise im Alter von zwei
oder drei Jahren entwöhnt (V. 8 ).) Als Abraham wegen Saras Forderung, Hagar und
Ismael zu vertreiben, bekümmert wurde, versicherte Gott Abraham, daß Ismael auch
eine Zukunft haben werden, weil er auch der Nachkomme Abrahams war (V. 11-13 ).
Die zwei Schwerpunkte (V. 1-13 ) des Textes sind also folgende: die Geburt
Isaaks (wobei der Name die Erfüllung der Verheißung in Erinnerung ruft und die
Beschneidung den Bund bestätigt) und die Vertreibung Ismaels als Beseitigung der
Bedrohung. Nachdem das verheißene Kind einmal da war, mußten Abraham und Sara,
die über Gottes wunderbares Handeln frohlockten, jede mögliche Bedrohung des
Erbens Isaak vermeiden. Weil Gott einen Sohn erwählt hatte, mußte seine Wahl
unter Schutz gestellt werden. Abraham und Sara mußten Ismael vertreiben.
1Mo 21,14-21
Der Engel des Herrn fand Hagar wie schon einmal ( 1Mo 16,7 ) in der Wüste (V.
17-18 ) und verschaffte ihr wie damals ( 1Mo 16,14 ) Wasser aus einem Brunnen (
1Mo 21,19 ). Gott sagte Hagar so, wie er es schon Abraham gesagt hatte, daß aus
Ismael ein großes Volk hervorgehen werde ( 1Mo 21,18; vgl. V. 13 ). Ismael lebte
in der Wüste ... wurde ein Bogenschütze (V. 20 ; vgl. 1Mo 16,12 ) und heiratete
eine Ägypterin ( 1Mo 21,21 ). Die Wüste Paran ist der nördlichste Teil der
Sinaihalbinsel.
Paulus benutzt diesen Bericht auf ganz wunderbare Weise ( Gal 4,21-31; vgl. den
Kommentar dort). Ismael war im Fleisch durch »die Magd« ( Gal 4,29-30 ) geboren
worden. Isaak war durch die Verheißung geboren worden und war der Erbe. Der eine
stellte die Knechtschaft am Sinai dar, der andere die Freiheit, als die
Verheißung endlich eintraf. Als Christus, der Same, kam, war das Alte
hinweggetan. Nun, da die Verheißung gekommen ist, sind die Gläubigen Mit-Erben
mit dem verheißenen Samen durch Adoption aufgrund der Gnade Gottes. Unter das
Gesetz zurückkehren hieße, die Erfüllung von Gottes Verheißung zunichte zu
machen. Diejenigen, die von »dem Samen« angenommen sind, werden selbst zu Samen
und sind von der Knechtschaft des Gesetzes befreit ( Gal 5,1 ). So wie Ismael
und Isaak miteinander in Gegensatz gerieten ( Gal 4,29 ), so harmonieren auch
Fleisch und Geist nicht miteinander. Das Fleisch kämpft gegen den Geist und
verspottet ihn häufig ( Gal 5,16-18 ). Deshalb müssen Gläubige »von der Magd und
ihrem Sohn freiwerden« ( Gal 4,30 ), d.h. die Gefahr des Fleisches meiden und
»im Geist leben« ( Gal 5,16 ).
h. Der Bund bei Beerscheba
( 21,22-34 )
Eine bemerkenswerte Besonderheit in diesem Abschnitt ist die Namenserklärung von
Beerscheba, des Wohnortes Abrahams. Dieser Name wird immer auf den Bund
hindeuten, den der Patriarch mit den Bewohnern des Landes geschlossen hatte, die
ihm ermöglichten, hier in Frieden und Wohlstand zu wohnen.
1Mo 21,22-34
Das Wort SABaZ (»schwören« oder »einen Eid leisten«) kommt dreimal in diesem
Abschnitt vor (V. 23-24 schwören , 31 geschworen ). Das numerische Adjektiv
SebaZ ( sieben ) taucht ebenso dreimal auf (V. 28-30 ); der Name b+?Er SABaZ
(»Brunnen der Sieben« oder »Brunnen des Eides«) kommt ebenfalls dreimal vor (V.
31-33 ). Mit Sicherheit liegt die Betonung auf der Bedeutung des Eides (V. 31 )
zwischen Abraham und Abimelech, ein Umstand, der durch die Namensgebung
Beerscheba in Erinnerung gerufen wird. SABaZ ist ganz sicher der Schlüssel zum
Verständnis des Abschnittes. Später sollte Israel den Ernst von Schwüren und
Verträgen erfahren.
Die Erzählung paßt gut in den Kontext, der den Zusammenhang für das Opfer von
Isaak in Kapitel 22 herstellt. Die Geburt von Isaak war deutlich vorhergesagt (
1Mo 18,1-15 ). Mit dem Betrug Abrahams ( 1Mo 20 ) erfuhr Abimelech, daß die Hand
Gottes auf diesem Mann war (vgl. 1Mo 21,22 ). Dann wurde der verheißene
Nachkomme geboren und der Rivale vertrieben (V. 1-18 ). Nun (V. 22-34 ) wurde
ein Bund geschlossen, der Abraham gestattete, in diesem Land in Frieden zu
wohnen und Abimelech, an dieser Segnung teilhaben zu lassen. All das wird bis
zur Prüfung in Kapitel 22 aufgebaut, wobei jedes Kapitel die Vollendung der
verschiedenen Abschnitte der Verheißungen zeigt.
Die Geschichte in Kapitel 21,22-34 spiegelt wider, daß der Patriarch von Gott
gesegnet worden war und daß Heiden Gottes Segnungen erkannten. Das Motiv der
Quelle taucht hier wieder auf (vgl. 1Mo 16,14; 21,19 ). Gott sorgte für Wasser -
ein Symbol des Segens - mitten aus der Wildnis heraus, aus dem unfruchtbaren
Land, aus dem Felsen heraus. Abimelech erkannte das, und nach der
Auseinandersetzung mit der Inbeschlagnahme der Quelle durch seine Knechte (V. 25
) schlossen die beiden Männer einen Pakt, so daß der heidnische König an der
Segnung teilhaben konnte (vgl. 1Mo 12,1-3 ).
Mit dem Abschluß des Vertrages (Bundes) gab Abraham Abimelech sowohl Schafe und
Rinder ( 1Mo 21,27; vgl. das Umgekehrte in 1Mo 20,14 ), einschließlich sieben
Lämmern ( 1Mo 21,29-30 ). Diese schützten das gesetzliche Recht Abrahams, in dem
Land in Frieden zu wohnen und zwangen Abimelech, gesetzlich anzuerkennen, daß
dieser Brunnen bei Beerscheba Abraham gehörte (V. 30-31 ). Der Patriarch
sicherte durch den Vertrag sein Recht auf den Brunnen, d.h. die Bereitstellung
der Segnung Gottes.
Wichtig ist der Umstand, daß Abraham dort einen Baum pflanzte und sich dort
viele Tage aufhielt (V. 33-34 ), was auf seinen Glauben und seine Sicherheit
hindeutet. Einen Baum in Beerscheba zu pflanzen, setzte die fortwährende
Versorgung mit Wasser voraus und zeigte die Bestimmung an, in dieser Region
bleiben zu wollen. Gott würde mit Brunnenwasser segnen, und Abraham würde als
Siedler im Land bleiben. Unter dem Baum eines anderen verweilen war ein Zeichen
von friedevoller Sicherheit ( Sach 3,10 ).
Der Abschnitt nimmt mit Sicherheit die zukünftige friedliche Koexistenz Israels
im Land zusammen mit anderen Stämmen voraus, die für die Botschaft des Friedens
und des Verlangens, an der Segnung teilzuhaben, empfänglich sein würden.
Man findet dennoch in der Erzählung einen unterschwelligen Tadel (vgl. den Tadel
Abimelechs in 1Mo 20,9-10 ). Abimelech drängte auf den Pakt, damit Abraham nicht
untreu an ihm handeln sollte ( 1Mo 21,23 ). Alles, was Abimelech von diesem Mann
wußte, war, (a) daß Gott ihn gesegnet hatte (V. 22 ) und (b) daß er betrogen
hatte (V. 23 ). Dieser tragische Widerspruch verlangte einen bindenden Vertrag.
In gleicher Weise sollte Israel seine Eide halten und von der Falschheit
abstehen. Der wahrhaftige und treue Umgang, der friedliche Beziehungen bewahrt,
verherrlicht das Werk Gottes.
Die Philister ( 1Mo 21,32 ) siedelten sich in großen Zahlen um 1200 v.Chr. in
Palästina an. Aber etliche Seehändler siedelten sich an der Küste von Palästina
auch zur Zeit Abrahams an, der von 2166-1991 v.Chr. lebte; vgl. die Übersicht
»Chronologie der Patriarchen« zu 1Mo 47,28-31 .
i. Die Versuchung von Abrahams Glauben
( 22,1-19 )
1Mo 22,1-2
Die größte Prüfung im Leben Abrahams ( Gott versuchte ihn ) kam, nachdem er den
verheißenen Nachkommen nach einer langen Wartezeit empfangen hatte. Die
Versuchung war sehr real: Er sollte Isaak Gott zurückgeben. Als eine Versuchung
war sie dazu bestimmt, den Glauben zu beweisen. Damit es eine wirkliche Prüfung
sein sollte, mußte es der Logik widersprechen. Es mußte etwas sein, gegen das
sich Abraham sträuben würde.
Gott hatte dem Patriarchen befohlen, Ismael wegzuschicken ( 1Mo 21,12-13 ), und
nun befahl er Abraham, Isaak zu opfern. Abraham hatte Ismael bereitwillig
weggeschickt, aber er wollte Isaak nicht töten.
Es ist eine Sache, zu fordern, daß man Gottes Wort gehorchen muß, wenn man auf
etwas wartet. Es ist aber etwas ganz anderes, seinem Wort zu vertrauen und zu
gehorchen, wenn man es empfangen hat. Dies war eine Prüfung dafür, inwiefern
Abraham dem Wort Gottes gehorchen würde. Würde er sich an den Jungen klammern,
nun, da er ihn hatte oder würde er noch immer gehorchen und ihn dem Herrn
zurückgeben? Oder anders gesagt: Wie weit würde Abrahams Gehorsam gehen? Glaubte
er wirklich, daß Gott noch immer sein Wort halten und den Samen der Verheißung
aufrichten würde?
Es bestehen offensichtliche Verbindungen zu den Worten, die Gott früher zu
Abraham gesprochen hatte, nämlich auszuziehen und in das Land zu gehen, das Gott
ihm zeigen würde ( 1Mo 12,1-3 ). Aber diese feine Erinnerung des ursprünglichen
Rufes Gottes erinnerte ihn auch an die Erfüllung, die die Prüfung so schwer
machte: Nimm deinen Sohn, deinen einzigen Sohn Isaak (»Lachen«), den du liebst (
1Mo 22,2 ). Der Befehl, seinen eigenen Sohn als ein Brandopfer zu opfern würde
ohne Zweifel völlig unvernünftig erscheinen (auch wenn in Kanaan Kinderopfer
bekannt waren). Wie hätte Gott denn die Verheißung erfüllen können, die er
vorher gegeben hatte ( 1Mo 12,1-3 ), von dem gefühlsmäßigen Verlust seines
einzigen Sohnes gar nicht zu sprechen, der ihm so spät im Leben geboren worden
war?
1Mo 22,3-8
Die Antwort Abrahams war beeindruckend. Er gehorchte augenblicklich und ohne zu
fragen. Er brach sogar sehr früh auf! Dennoch verlief die Dreitagesreise wohl
still und mühsam. Die Entfernung von Beerscheba zum Berg Morija betrug etwa 85
km (vgl. die Karte »Abrahams und Isaaks Reise zum Berg Morija«).
Als er in der Gegend von Morija den Ort sah (V. 2 ; später der Tempelberg; 2Chr
3,1 ), nahm er nur Isaak und ließ die zwei Knechte zurück. Seine Erklärung, wir
wollen anbeten und dann werden wir zurückkehren ( 1Mo 22,5 ), ist erstaunlich.
Alles, was Abraham wußte, war (a), daß Gott die Zukunft im Umfeld Isaaks plante
und (b), daß Gott wollte, daß er Isaak opferte. Er konnte nicht beides
miteinander in Einklang bringen, aber er würde in jedem Fall gehorchen. Das ist
Glaube. Als Antwort auf die Frage Isaaks: Wo ist das Schaf? , offenbarte Abraham
wieder seinen Glauben: Gott selbst wird dafür sorgen (V. 8 ; vgl. V. 14 ). Isaak
war zweimal »von den Toten« hergebracht worden - einmal aus dem toten Schoß
Saras und dann wieder von einem Hochalter (vgl. Hebr 11,17-19 ).
1Mo 22,9-14
Gottes dramatisches und belehrendes Eingreifen macht deutlich, daß er niemals
beabsichtigt hatte, daß Abraham das Opfer auch darbringen sollte (es gab keine
Kinderopfer in Israel), aber es war wirklich eine Prüfung. Der Engel des HERRN
(vgl. den Kommentar zu 1Mo 16,7 ) hielt Abraham zurück, gerade als der Patriarch
das Messer in seine Hand nahm, um Isaak zu schlachten. Nun wußte Gott, daß
Abraham nichts zurückhalten würde und daß er in der Tat Gott fürchtete. Gott zu
fürchten bedeutet, vor ihm als dem Souveränen Ehrfurcht zu haben, ihm
bedingungslos zu vertrauen und ihm ohne Fragen zu gehorchen.
Wer Gott wahrhaftig anbetet, hält nichts vor Gott zurück, sondern gibt ihm
gehorsam, was er fordert und vertraut, daß er für alles sorgen wird. Der
Schlüsselgedanke der gesamten Passage wird in dem Namen zusammengefaßt, den
Abraham dem Ort gab: Yahweh Y ir?eh , der Herr wird sorgen (oder »sehen«; V. 14
). Die Erklärung lautet: Auf dem Berg des HERRN wird versorgt werden (oder
»gesehen«, yErA?eh , V. 14 ; vgl. V. 8 ). Dies ist das Fundament für eine im
Alten Testament häufig wiederholte Wahrheit: Der Herr sollte auf seinem heiligen
Berg von seinem Volk angebetet werden. Dreimal im Jahr sollen alle Männer
(Israels) vor dem Herrn, dem Herrscher, erscheinen ( yErA?eh , 'gesehen werden'
), um ihn anzubeten und ihm ihre Gaben und Opfer darzubringen ( 2Mo 23,17; vgl.
5Mo 16,16 ). Der Herr wird die Bedürfnisse jener sehen ( rA?Ch ), die vor ihn
kommen und ihren Mangel ausfüllen. So wird er »gesehen«, wenn er sie versorgt.
Indem Abraham dem Ort einen Namen gab, rief er sich selbstverständlich seine
eigene Erfahrung des Opfers für den Herrn in Erinnerung. Aber ein Tier, ein
Widder - kein Schaf; vgl. 1Mo 22,8- ,der mit seinen Hörnern in einem Dornenbusch
hing, wurde durch Gottes Gnade als Ersatz für den Jungen dargebracht (V. 13 ).
Später sollte Israel dem Herrn Tiere opfern. Die Anbetung schloß die Anerkennung
von Gottes Ersatz für das Opfer ein. Im NT setzte Gott natürlich seinen einzigen
Sohn an Stelle der Tiere, und das vollkommene Opfer wurde dargebracht. Johannes
hatte dies sicher im Sinn, als er Jesus als »Gottes Lamm, das der Welt Sünde
trägt« ( Joh 1,29 ) bezeichnete.
Dennoch ist der wesentliche Punkt von 1Mo 22,9-14 nicht die Lehre von der Sühne.
Es wird hier ein gehorsamer Knecht dargestellt, der Gott im Glauben anbetet,
obwohl ihn das sehr viel kostet und der dafür schließlich die Versorgung Gottes
erfährt. Abraham hielt seinen Sohn nicht zurück. In ähnlicher Weise schreibt
Paulus, daß Gott seinen eigenen Sohn nicht verschonte ( epheisato ), sondern ihn
für uns alle hingegeben (übergeben) hat ( Röm 8,32 ). Eine Form desselben
griechischen Wortes wird in der Septuaginta für Abraham gebraucht: »Du hast
deinen geliebten Sohn nicht verschont« ( epheisO ) ( 1Mo 22,12 ).
Dieses Handeln spiegelt die Größe von Abrahams Glauben wieder; er war bereit,
Gott zu gehorchen, indem er seinen Sohn opferte. Auch die Glaubensgröße von
Isaak in der Unterwerfung wird deutlich. Er hatte alles in der Welt, um leben zu
können, aber folgte bereitwillig den Worten seines Vaters und glaubte, daß Gott
für ein Schaf sorgen würde.
1Mo 22,15-19
Gott bestätigte wieder seinen Bund mit Abraham (vgl. 1Mo 15,5.18-21; 17,3-8 ).
Seine Nachkommen sollten zahlreich wie die Sterne sein (vgl. 1Mo 15,5; 26,4 ),
wie der Sand am Ufer des Meeres (vgl. 1Mo 32,13 ) und »wie der Staub auf Erden«
(vgl. 1Mo 13,16; 28,14 ). Gott fügte dann noch ein anderes Element hinzu: Die
Nachkommen Abrahams sollten über die Städte ihrer kanaanitischen Feinde siegen.
Das geschah später bei der Landnahme durch Josua.
Die Belehrungen über die wahre Verehrung Gottes sind zeitlos gültig: (1) Der
Glaube gehorcht völlig dem Wort Gottes. (2) Der Glaube übergibt das Beste Gott
und hält nichts zurück. (3) Der Glaube wartet auf den Herrn zur Erfüllung aller
seiner Bedürfnisse. Gott sorgt nicht, bevor nicht auch persönliche Opfer
gebracht werden. Wahre Verehrung Gottes kostet viel. Das galt zu jeder Zeit für
Israel, wenn sie ihre Opfer darbrachten. Jene Gaben sollten im Glauben
dargebracht werden und Gott stillte alle Bedürfnisse eines jeden, der
bereitwillig Gott anbetete.
3. Durch Abrahams Glaubenstreue gehen die Verheißungen Gottes auf Isaak über
( 22,20-25,11 )
Von da an war es die Aufgabe Abrahams, sich auf das Empfangen zukünftiger
Segnungen durch Isaak vorzubereiten.
a. Der Bericht von der Familie Nahors
( 22,20-24 )
1Mo 22,20-24
Aus dem Osten war die Nachricht gekommen, daß die Familie Nahors, des Bruders
Abrahams (vgl. 1Mo 11,27-29 ) sich erweitert hatte. Unter den Neugeborenen war
Rebekka , die zukünftige Frau Isaaks (vgl. 1Mo 24,15.67 ). Sie war eine Tochter
BetuÙls , des jüngsten von Nahors acht Söhnen von Milka (Nahors Nichte). (Vgl.
die Übersicht »Terachs Nachkommen« zu 1Mo 11,27-32 .) Der Bericht ist hier
eingefügt, obwohl man ihn eher bei Kapitel 24 erwarten würde. Er dient jedoch
als Verbindung zu Kapitel 23 , das von Saras Tod und Begräbnis berichtet. Mit
ihrem Begräbnis handelte Abraham nicht nach der Sitte seiner Vorfahren, denn er
ging dazu nicht nach Paddan Aram zurück.
b. Der Erwerb der Höhle in Machpela im Land
( 1Mo 23 )
1Mo 23,1-4
Abrahams Erwerb einer Höhle zum Begräbnis »bei Mamre« (V. 19 ; vgl. 1Mo 13,18;
14,13; 18,1 ) wurde durch den Tod Saras verursacht, die 127 Jahre alt geworden
war . (Isaak war zu dieser Zeit 37; 1Mo 17,17 .) Das war das erste Anzeichen
dafür, daß ein Übergang im Kommen war. Nachdem Abraham um seine Frau in Hebron
getrauert hatte ( 1Mo 23,2 ), erwarb er sich ein Stück Land mit einer
Begräbnisstätte.
Dieser Vorfall beinhaltet viele Ähnlichkeiten mit den kanaanitischen und
hetitischen Gesetzen. (Vgl. James B. Pritchard (Hg.), Ancient Near Eastern Texts
Relating to the Old Testament . Princeton, N.J.: Princeton University Press,
1955, S.188-96, Par. 46 über Lehensverpflichtungen für ein ganzes Feld, Par. 47
über Geschenke, die Lehensverpflichtungen aufheben, so wie auch Par. 48 und
169.) Andere Gesetze aus dem Ugaritischen (in Syrien) sind für dieses Ereignis
ebenfalls von Bedeutung. Die Besitzer des Feldes waren Hetiter (V.
3.5.7.10.16.18.20 ). Obwohl das große hetitische Reich ( Jos 1,4 ) sich niemals
so weit nach unten ausgedehnt hatte, konnten sich hier Enklaven von Hetitern
angesiedelt und ihre Gebräuche beibehalten haben, obwohl ihre Sprache semitisch
war. Und obwohl die geschriebenen hetitischen Gesetze erst nach diesen
Ereignissen datiert werden, können sie mündlich überliefert worden sein, bevor
man sie niederschrieb.
1Mo 23,5-20
Abraham genoß bei dem Volk um ihn herum große Achtung: Du bist ein mächtiger
Fürst unter uns (vgl. 1Mo 20,6-11 ).
Mit diesem Rechtsgeschäft wollte Abraham nur die Höhle, die Efron gehörte ( 1Mo
23,9 ), erwerben, aber Efron wollte das ganze Feld verkaufen. Als Efron gesagt
hatte, daß er Abraham das Feld und die Höhle schenken wollte (zweimal in V. 11
), wollte er damit nicht sagen, daß sie umsonst sei. Es war vielmehr die
Handelsweise der Beduinen - geben, um zu bekommen. Obwohl Abraham nicht das
ganze Feld haben wollte, war er doch bereit, es zu einem hohen Preis zu nehmen
(V. 12-13 ) ( 400 Schekel Silber ), um die Höhle zu bekommen (V. 15-16 ). Das
Geschäft wurde dann in Gegenwart aller Hetiter am Tor der Stadt, dem Ort
rechtmäßigen und geschäftlichen Handelns (vgl. 1Mo 19,1 ), abgeschlossen.
In dieser Höhle wurde nicht nur Sara, sondern auch Abraham ( 1Mo 25,9 ), Isaak,
seine Frau Rebekka, Jakob und Lea begraben ( 1Mo 49,29-31; 50,13 ).
Das Besondere dieses Ereignisses lag in der Versicherung, daß die Höhle und das
Feld Abrahams Besitz waren. Er war nicht dreist gewesen. Im Glauben kaufte er
das Land und nahm nichts von diesen Leuten an (vgl. 1Mo 14,21-24 ). Damals war
es von Bedeutung, wo man seine Toten begrub; das Begräbnis hatte in ihrer Heimat
stattzufinden. Nun gab es kein Zurück mehr. Obwohl Abraham ein Fremder und
Beisasse unter dem Volk war ( 1Mo 23,4 ), lag seine Hoffnung in diesem Land.
Mit dem Kauf dieser Höhle sagte er sich von Paddan Aram los, d.h. von
Nordwestmesopotamien (vgl. 1Mo 25,20 ). Dieser Ort war gerade erst indirekt beim
Leser eingeführt worden ( 1Mo 22,20-24 ), als die Verwandten Abrahams erwähnt
wurden, die in Mesopotamien geblieben waren (vgl. 1Mo 11,27-31 ).
Kanaan war nun die neue Heimat Abrahams geworden. Den einzigen Teil des
verheißenen Landes, den Abraham jemals empfangen hatte, erwarb er
interessanterweise durch Kauf, und es handelte sich um eine Begräbnishöhle.
Dieser erste Besitz der Patriarchen - eine Höhle - band sie an das verheißene
Land. Das war eine wirkliche »Besetzung« des Landes. Es würde nie mehr eine
Rückkehr nach Mesopotamien geben. Später wurden die Patriarchen nach ihrem Tod
bei ihren Vorfahren in Kanaan begraben.
Abraham wußte, daß er die Verheißung Gottes nicht ausschöpfen konnte. Also
machte er Pläne für die Zukunft. Indem er das Land für seine tote Frau gekauft
hatte, mußte er erkennen, daß die Verheißungen Gottes nicht mit diesem Leben zu
Ende gehen. Gott wird noch viel mehr tun als das, was er in diesem Leben getan
hat; das ist die Hoffnung aller, die im Glauben sterben.
Die Verheißung des Landes ist eines der Hauptthemen in 1.Mose. Dasselbe gilt für
den Tod. Der Tod kam durch die Sünde und richtete die Menschen zugrunde. Der Tod
der Patriarchen und Heiligen ist eine bittere Erinnerung daran, daß der Mensch
ein Sünder ist. Der Tod ruft Trauer hervor. Aber in diesem Abschnitt ist der Tod
auch ein Fundament für die Hoffnung. Im Leben waren die Patriarchen Gäste, im
Tod waren sie Erben der Verheißung und »nahmen das Land ein«.
Die Patriarchen und andere sind gestorben und haben die Verheißung nicht
empfangen. Dennoch sind sie im Glauben gestorben ( Hebr 11,39-40 ). Es war nicht
der Plan Gottes, ihnen den verheißenen Rest ohne die Teilhabe der
neutestamentlichen Gläubigen zu geben. Eine Sabbatruhe ist noch übrig; aber
dennoch treten schon jetzt die in sie ein, die glauben, und sie werden es in der
Zukunft in vollendeter Weise tun ( Hebr 4,8-10 ). Gottes Verheißungen für die,
die aus Glauben leben, erschöpfen sich nicht in diesem Leben. Wie Abraham in
Hoffnung eine Begräbnisstätte im Land erwarb, so haben die Gläubigen heute eine
Hoffnung über dieses Leben hinaus. Die Zeit des Todes - wenn der natürliche Weg
die Trauer ist, so wie die Welt trauert - sollte eine Zeit sein, in der ein
Gläubiger den größten Beweis seines Glaubens liefert, weil der Empfänger der
Verheißungen Gottes eine Hoffnung über das Grab hinaus hat. Jesus selbst bezog
sich auf Abraham, als er die Auferstehung mit den Sadduzäern erörterte ( Mt
22,31-32 ). Gottes Verheißungen verlangen die Auferstehung!
c. Der Erwerb einer Frau für Isaak
( 1Mo 24 )
Diese Geschichte betont das gnädige Wirken Gottes in den Lebensumständen seiner
gläubigen Knechte. Der Schlüsselgedanke des Abschnittes ist das Wort HeseD ,
»treue Liebe« oder »Bundestreue« - sowohl aus der Perspektive Gottes als auch
aus der des Menschen.
Der Herr versicherte gnädig die Erfüllung seiner Verheißung, indem er den Knecht
Abrahams darin führte, für Isaak eine Braut zu erlangen. Das Kapitel teilt sich
in vier Abschnitte:
(1) Der Auftrag 1Mo 24,1-9 : Abraham, der der Verheißung des Herrn vertraute,
ließ seinen ältesten Knecht einen Eid schwören , eine Frau für Isaak aus der
Heimat Abrahams, 800 km entfernt, zu suchen. EliÙser legte seine Hand unter die
Hüfte des Patriarchen (vgl. 1Mo 47,29 ). Das war ein feierliches Zeichen dafür,
daß, wenn der Eid nicht ausgeführt werden sollte, die Kinder, die Abraham
geboren werden sollten, die Treulosigkeit des Knechtes rächen würden.
(2) Das Vertrauen 1Mo 24,10-27 : EliÙser ( 1Mo 15,2 ) vertraute dem Herrn, daß
er ihm eine besondere Führung gewährte. Er betete, daß die zukünftige Braut
Isaaks ihm und seinen Kamelen Wasser zu trinken geben sollte. Zehn durstige
Kamele zu tränken bedeutete sehr viel Arbeit, weil Kamele ungeheure Mengen
Wasser saufen. In der Stadt Nahor in Aram Naharajim (in Nordwestmesopotamien,
1Mo 24,10; 25,20 ) erhielt er eine klare Antwort auf sein Gebet. In Dankbarkeit
gab er dem Mädchen kostbaren Schmuck: einen goldenen Stirnreif, der ein Beka wog
(einen halben Schekel, d.h. ein Fünftel einer Unze) und zwei goldene Armreifen
mit einem Gewicht von 10 Schekeln (4 Unzen). Er fragte, ob es in ihres Vaters
Haus Raum gäbe, in dem er die Nacht verbringen könnte. Wieder offenbarte sie
ihre Freundlichkeit, als sie ihm nicht nur einen Platz zum Bleiben anbot,
sondern auch Nahrung für die Kamele.
(3) Das Gelingen 1Mo 24,28-59 : Laban lud EliÙser und seine Männer ein. EliÙser
berichtete dann noch einmal von seiner Mission und von Gottes Vorsehung und
erhielt ihre Erlaubnis und ihren Segen, Rebekka zu Isaak mitzunehmen. In jener
Gesellschaft übergab der Bruder seine Schwester für die Heirat. Das erklärt,
warum Laban, der Bruder Rebekkas, der Unterhändler in diesem Ehevertrag war.
(4) Die Vollendung 1Mo 24,60-67 : Rebekka kehrte mit EliÙser zu Isaak im Negev
(Südland) zurück und wurde Isaaks Frau, als Isaak 40 Jahre alt war ( 1Mo 25,20;
Abraham war damals 140 Jahre alt).
In diesen vier Abschnitten handelten vier Personen in HeseD : Abraham, indem er
für die Zukunft sorgte, EliÙser, indem er das Beschlossene ausführte, Gott,
indem er es vollbrachte und Rebekka, indem sie darauf einging.
In der Fürsorge Gottes und seiner HeseD (»treuen Liebe«) wirkte er souverän
durch die Umstände jener, die im Glauben lebten. Dieser verborgene Zusammenhang
Gottes wird in Kapitel 24 auf drei Arten hervorgehoben:
1. Gott war ganz allein die Ursache für all die Ereignisse in der Geschichte.
Die Worte EliÙsers »Der Herr hat mich... geführt« (V. 27 ; vgl. V. 48 ) sind der
Wahlspruch. Dies ist die Wahrheit durch die ganze Bibel hindurch. Sogar Laban,
der Bruder Rebekkas (V. 29 ) erkannte, daß dies das Tun des Herrn war (V. 50-51
).
2. Gott war überlegen im Hintergrund und lenkte die Handlungen. Dieses Ereignis
im Leben Abrahams war der Erfahrung Ruts ähnlich (Ronald M. Hals, The Theology
of the Book of Ruth . Philadelphia, Fortress Press, 1969). Die Erzählung in 1Mo
24 berichtet kein Wort von Gott, kein Wunder, kein prophetisches Orakel, es
wiederholt noch nicht einmal den Abrahamsbund. Dieses Ereignis ist in 1.Mose
eigenartig und dennoch für Gläubige heute wirklichkeitsnah. Die vorausgreifende
Rolle des Glaubens, die sich im persönlichen Gebet ausdrückt, schaut nach
äußerlichen Zeugnissen des Wirkens Gottes und herrscht vor, weil Gott nicht
sichtbar handelt.
3. Die Geschichte enthüllt mehr als die Vorsorge Gottes in diesem Geschehen. Sie
ist auch Teil der Entwicklung seines Planes, die Menschheit zu segnen. Viele
mögliche Pannen wurden vermieden: Der Knecht hätte das »Zeichen« verfehlen
können (V. 5-8 ), Laban hätte ablehnen können (V. 49-51 ) oder Rebekka hätte
nicht bereit sein können (V. 54-58 ). Gott lenkte durch all die möglichen
Gefahren hindurch und fügte dann alle Teile zusammen.
Während man zu Recht über die Vorsorge Gottes in diesem Ereignis staunt, ist
doch auch die Verantwortung des Menschen offensichtlich. Der Knecht führte
seinen Auftrag treu aus. (1) Er verhielt sich loyal gegenüber seiner heiligen
Aufgabe, Gottes Plan voranzutreiben, die Menschheit zu segnen. (2) Er vertraute
Gott unbedingt und schaute im Gebet auf Gottes Führung. (3) Bundestreue war
seine vorherrschende Motivation (V. 9.12.27.49 ). (4) Er pries Gott sogar schon,
bevor seine Arbeit völlig vollendet war (V. 27.48-49 ). Dieses Lob ist ein
wichtiger Teil der Geschichte. Viele Ausleger gehen darüber als Wiederholung
hinweg. Aber hierauf kommt es an: Es handelt sich um eine solch wunderbare
Geschichte, daß das Lob wiederholt werden muß.
So lag die Wahl der Braut für Isaak bei Gott. Das Zeichen gab die Bestätigung.
Laban erkannte das. Rebekka kam der Aufforderung nach. Wer den Willen Gottes in
Gebet und Gehorsam tut, wird von Gott geführt ( Spr 3,5-6 ).
d. Der Tod Abrahams
( 25,1-11 )
Mit diesem Bericht kam das Leben Abrahams zu seinem Ende, und die Segnung Gottes
wurde an Isaak, seinen »einzigen« Sohn ( 1Mo 22,2 ), weitergegeben.
Dieser Abschnitt enthält vier Unterteilungen: (a) die Geburt der anderen Söhne
Abrahams ( 1Mo 25,1-4 ), (b) die Sicherung des Erbteils Isaaks (V. 5-6 ), (c)
der Tod und das Begräbnis Abrahams (V. 7-10 ) und (d) die Segnung Isaaks (V. 11
).
1Mo 25,1-4
Wann Abraham Ketura heiratete, ist unbekannt, aber das Verb nahm und das
Adjektiv eine andere weisen darauf hin, daß es nach dem Tod Saras war.
(Eigentlich war Ketura eine Konkubine, 1Chr 1,32 .) Das würde bedeuten, daß für
die Geburten der sechs Söhne Keturas höchstens 37 Jahre blieben. (Abraham war
138 als Sara starb, und er starb mit 175.) Stämme in Saba und Dedan in Arabien (
1Mo 25,3 ) sowie die Midianiter (V. 4 ) stammen von Abraham ab. Das geschah in
Erfüllung der Verheißungen Gottes an Abraham, daß er groß werden sollte ( 1Mo
12,2 ), weil »so viele Völker« auf ihn als ihren Vorfahren blickten ( 1Mo 17,4
).
1Mo 25,5-6
Abraham liebte alle diese Jungen und gab ihnen Geschenke. Aber sie und ihre
Nachfahren konnten möglicherweise für Isaak eine Bedrohung darstellen. So
schickte sie Abraham fort, so wie er es mit Ismael getan hatte ( 1Mo 21,8-14 ).
Er schickte sie ins Land des Ostens und bewahrte so die Vorrangstellung Isaaks
und sein Recht als Erbe Abrahams.
1Mo 25,7-11
Während Isaak und Ismael gemeinsam ihren Vater in der Höhle begruben (der 175
Jahre gelebt hatte), in der Sara begraben worden war (vgl. 1Mo 23,19 ), konnte
Ismaels Gegenwart möglicherweise nun, da ihr Vater tot war, für die Rechte
Isaaks eine Bedrohung darstellen. Aber die Segnung Gottes blieb auf Isaak.
Isaak lebte danach in Beer Lahai Roi . Das war ein Ort, von dem man wußte, daß
Gott dort Antwort gab. Gott hatte dort Hagar erhört und sie gerettet ( 1Mo 16,14
). Isaak betete hier, als er auf seine zukünftige Frau wartete ( 1Mo 24,63 ). So
lebte Isaak an einem ganz besonderen Ort, an dem Gott Gebet erhört hatte.
Als Abraham alle seine anderen Söhne im Glauben weggeschickt hatte, sorgte er
dafür, daß sein Segen auf Isaak überging, der auf den Herrn wartete. Abraham
würde sterben, der Plan Gottes aber fortbestehen. Kein Führer des Bundes ist
unersetzlich, weil das Vorhaben Gottes, die Welt zu segnen, von Generation zu
Generation weiter wachsen und sich ausdehnen wird. Jeder Diener Gottes muß alles
tun, was er kann, um das Weitergehen des Wirkens Gottes zu sichern. Das Werk ist
jedoch größer als jeder einzelne Mensch.
B. Die Nachkommen Ismaels
( 25,12-18 )
1Mo 25,12-18
Ismael war ein Sohn Abrahams. Deshalb teilte Gott mit, was aus ihm und seiner
Linie wurde ( der Bericht ( TNl+DNT ) von Ismael ), bevor er zu der erwählten
Linie zurückkehrte, nämlich der Nachkommen Isaaks. Ismael hatte zwölf Söhne, wie
Gott es vorausgesagt hatte ( 1Mo 17,20 ) und starb im Alter von 137 Jahren.
Seine Söhne lebten auf der Arabischen Halbinsel von Hawila (in
Nordzentralarabien) bis nach Schur (zwischen Beerscheba und Ägypten). Die
Ismaeliten lebten in Feindschaft mit ihren Brüdern , was eine Erfüllung des
Wortes Gottes an Hagar war ( 1Mo 16,12 ).
C. Die Nachkommen Isaaks
( 25,19-35,29 )
Nachdem die Linie Ismaels kurz erwähnt wurde ( 1Mo 25,12-18 ), wendet sich die
Erzählung wieder der auserwählten Linie und damit Isaak zu. Dies ist der Bericht
( TNl+DNT ) von Isaak, 1Mo 25,19 .Der erste Abschnitt ( 1Mo 25,10-28,22 )
berichtet von dem Wohlstand Isaaks und dem Kampf Jakobs um sein Recht darauf -
sogar im Land der Verheißung. Kapitel 29-32 berichten über die Segnung Jakobs an
seinem Aufenthaltsort außerhalb des Landes der Verheißung und Kapitel 33-35 über
seine Rückkehr in das Land und über die Verdorbenheit des Landes.
1. Jakob erhält anstelle von Esau den verheißenen Segen
( 25,19-28,22 )
a. Das Zeichen bei der Geburt der Zwillinge
( 25,19-26 )
Der Bericht über die Geburt von Esau und Jakob ist eine passende Einleitung zu
den folgenden Kapiteln, denn ihr Kampf um die Vorrangstellung wurde sogar schon
vor ihrer Geburt offenbar (vgl. Hos 12,3 ).
1Mo 25,19-20
Rebekka, die Frau Isaaks, war auch seine Kusine (vgl. 1Mo 24,15 ). In ähnlicher
Weise hatte Nahor seine Nichte geheiratet ( 1Mo 11,29 ). (Vgl. die Übersicht
»Die Nachkommen Terachs« zu 1Mo 11,27-32 .) Die Heirat Isaaks mit Rebekka
verband ihn also mit dem Heimatland Abrahams und mit den Aramäern in
Nordwestmesopotamien (vgl. 1Mo 24,10 ), das später unter dem Namen Syrien
bekannt wurde.
1Mo 25,21-23
Gott gab Isaak auf übernatürliche Weise einen Sohn. Wie Sara war auch Rebekka
unfruchtbar (V. 21 ), obwohl Gott doch verheißen hatte, daß Völker von Abraham
abstammen sollten! Im Gegensatz zu Abraham betete Isaak ( 1Mo 16,1-4 ), und Gott
antwortete. Das zeigt, daß eine Geburt manchmal ein übernatürliches Ereignis
war. Die Frau Jakobs, Rahel, war später auch für einige Zeit unfruchtbar ( 1Mo
29,31 ).
Aber es ergab sich ein Streit im Leib Rebekkas ( 1Mo 25,22 ). Als sie ging, um
den HERRN darüber zu befragen , machte er ihr eine Voraussage: Zwei Völker ,
d.h. Zwillings-Vorfahren zweier Völker, kämpften miteinander in ihrem Leib, und
der jüngere siegte (V. 23 ). In der Tat kämpften die Israeliten (die Nachkommen
Jakobs) und die Edomiter (die Nachkommen Esaus) beständig miteinander. Gottes
Erwählung Jakobs, des Jüngeren, statt Esaus, des Älteren, ging gegen die
natürliche Ordnung.
1Mo 25,24-26
Die Eltern beobachteten die merkwürdige Situation und gaben, das Wunderzeichen
Gottes im Blick, den Kindern passende Namen.
Der erste der Zwillinge war rot und haarig wie ein kleines Tier, so daß sie ihn
Esau nannten . Die Erwähnung von »rot« sagt die zukünftige rauhe Natur Esaus
voraus (V. 27-34 ).
Fesselnde Wortspiele werden benutzt, um den ersten Zwilling zu beschreiben. Der
Name Esau ( ZERAw ) steht in loser Verbindung zu dem Wort »Se´r« ( RE?Ir ), dem
früheren Namen für Edom zum Südosten des Toten Meeres hin, wo Esau später lebte
( 1Mo 32,4; 6,8 ). Das hebräische Wort »rot« ( ?aDmNnI ) ist mit dem Wort »Edom«
( ?MDNm ; vgl. 1Mo 25,30 ) verwandt; und »haarig« ( REZAr ) ist »Se´r« ähnlich.
Diese Worte wurden sorgfältig gewählt, um den Jungen in der Natur Edoms, ein
späterer Erzfeind Israels, darzustellen.
Der zweite Zwilling faßte bei seiner Geburt Esaus Ferse (V. 26 ). Im Hinblick
auf das Wunderzeichen, das die Eltern erhalten hatten (V. 23 ), schien es
angemessen, diesem Kind einen Namen zu geben, das die Erinnerung an dieses
Ereignis wachhielt. Der Name Jakob ( yaZXqOB , mit der Bedeutung »Er [Gott] sei
Beschützer«) wurde wegen seiner Verbindung in Laut und Sinn zu dem Substantiv
»Ferse« ( ZAqEB ) ausgewählt. Das Verb » ZAqaB « bedeutet »von hinten sehen«.
Aber wie bei Esau sollte der Name Jakobs später im Leben einen anderen Sinn
erhalten, als sein trügerisches Wesen offensichtlich wurde. Sein Name bedeutete
auch »einer, der nach der Ferse greift« oder »einer, der jemand zu Fall bringt«.
Also hatte die Geburt der Zwillinge für die späteren Ereignisse in ihrem Leben
große Bedeutung.
Gottes Erfüllung seiner Verheißung an Abraham war durch seine Erwählung Jakobs
(später der Nation Israels) geschehen. Gleichzeitig war auf der menschlichen
Seite Gebet nötig (V. 21 ). Gottes Verheißung wird nicht ohne den Glauben an
sein übernatürliches Wirken Wirklichkeit. Später gab Gott Israel, seinem
auserwählten Volk, die Verheißung. Aber ohne das Ringen Israels sollte sie nicht
Wirklichkeit werden.
Gleich von Anfang an wurde die Geburt des Volkes Israel auf übernatürliche Weise
überwacht. Paulus vermerkte, daß vor der Geburt der Zwillinge der jüngere vor
dem älteren auserwählt worden war ( Röm 9,11-12 ). Gott kehrt häufig die
natürliche menschliche Ordnung um, denn seine Wege sind nicht unsere Wege.
b. Der Kauf des Erstgeburtsrechtes von Esau
( 25,27-34 )
Es ist traurig, daß häufig Dinge von großem geistlichem Wert weltlich oder
verschlagen gehandhabt werden. Manch einer behandelt geistliche und ewige Dinge
mit Geringschätzung, weil er sie als wertlos betrachtet. Andere, obwohl sie
solche Dinge hoch achten, machen sich die höheren Dinge durch List und
Manipulation zu Dienern. Esau und Jakob sind Beispiele für beide Seiten.
1Mo 25,27-34
Jakob und Esau entwickelten sich gemäß ihrer ursprünglichen Eigenschaften. Esau,
»der rote Mann«, wurde von seinem physischen Appetit für »rote Linsen« (V. 30 )
überwältigt und verkaufte sein Erstgeburtsrecht. Jakob, »der nach der Ferse
gefaßt hatte«, überholte klug seinen Bruder und erlangte das Erstgeburtsrecht .
Obwohl Jakob nicht gerecht gewesen war, war er in diesem Fall nicht
betrügerisch. Er war klar und offen, wenn auch skrupellos. Man muß anerkennen,
daß er wußte, was Wert besaß und was später geschehen würde. Esau hingegen war
vollkommen »gottlos« (weltlich, Hebr 12,16 ).
Auch dieser Abschnitt enthält einige wichtige Wortspiele. Esau war ein
geschickter Jäger (wörtl., »ein Mann, der das Jagdspiel kannte«, [ QayiD ], ein
Mann des offenen Feldes ( 1Mo 25,27 ), aber er konnte dieses Mal kein Wild
finden (V. 29 ). Sein Vater liebte ihn wegen seines eigenen Gefallens an der
wilden Jagd ( QayiD , V. 28 ). So wurden das Wesen und die Beschäftigung Esaus
von Isaak wegen der Befriedigung seines Gaumens bevorzugt. Sowohl Isaak als auch
Esau trafen ihre Wahl aufgrund ihres Appetites.
Jakob wurde von Rebekka geliebt (V. 28 ), teilweise aufgrund des Wunderzeichens
(V. 23 ), das sie möglicherweise häufig erwähnt hat. Er war ein gesitteter Mann,
der bei den Zelten blieb (V. 27 ). Ironischerweise war jedoch Jakob der
listigere Jäger, der seine Falle für das hungrige »Tier« stellte. Eines Tages
bereitete er (wörtl. »kochte« wayyAzeD ) ein Gericht (»Gemüsesuppe«, nAzID , V.
29 ) aus Linsen. Diese Worte spiegeln durch den Klang den Begriff für »Jagd« (
QayiD , V. 27-28 ) wider. Aber auch das Verb zID (»kochen«) spricht von der
Einstellung Jakobs, denn es bedeutet »begeistert sein« oder »dreist sein«. So
stellt die kochende Suppe bildhaft einen Mann dar, der sich über seine Grenzen
hinauslehnt.
Als der Erstgeborene hatte Esau das Erstgeburtsrecht, und Jakob hatte das
Linsengericht. Aber im Austausch erhielt Esau das Linsengericht und Jakob das
Erstgeburtsrecht. Esau verachtete sein Erstgeburtsrecht (V. 34 ), denn was hätte
es ihm helfen können, wenn er vor Hunger stürbe (V. 32 )?
Jakob, der Zweitgeborene, besaß nun das Erstgeburtsrecht. Der berechnende,
gesittete Mann, der den geistlichen Wert in dem Erstgeburtsrecht erkannte,
manipulierte seinen weltlich gesinnten Bruder dahingehend, daß er dieses aufgab.
Vielleicht hatte er in Kenntnis des Wunderzeichens (V. 23 ) auf diese
Gelegenheit gewartet. Dennoch brachte Gott später Jakob ins Bewußtsein, daß
seine Verheißungen nicht auf diesem Weg erlangt werden können (vgl. die
Manipulation seines Großvaters Abraham in 1Mo 16,1-4 ).
Mit Sicherheit stellte das weltlich gesinnte Wesen Esaus für Israel eine Warnung
dar. Es ist unrecht, geistliche Gaben zur Stillung des physischen Hungers zu
opfern. Es ist eine Frage der Prioritäten. Esau sah nur das Essen und tat alles,
was erforderlich war, um das zu bekommen, was er wollte (vgl. Eva und die Frucht
des Baumes, 1Mo 3,6 ).
Esau wird als emotionaler Mensch gezeichnet: er war matt und keuchte (
verschmachtete , 1Mo 25,29 ), verschlang das Essen (darauf wird im Hebräerbrief
hingedeutet, V. 34 ) und verachtete dann sein Erstgeburtsrecht (V. 34 ). In
diesem Fall war er kein geschickter Jäger; er war eher wie ein Tier, das man mit
einem Köder fängt. Auf diesem niederen Niveau zu leben und seinen Hunger zu
stillen führt unvermeidlich zur Verachtung geistlicher Dinge.
Jakob war, obwohl er sich zu Hause aufhielt, ein besserer Jäger als Esau. Er
sehnte sich auch nach etwas - aber nach etwas, das es auch wert war. Damals
hatte er nach der Ferse gegriffen; nun forcierte er die Sache ganz anders. Aber
es liegt auch eine Gefahr in solchem geistlichen Streben. Gläubige sollten nach
Dingen von geistlichem Wert streben, aber sie sollten die Einfälle des Fleisches
vermeiden. Nachdem Jakob später von seinen menschlichen Erwägungen gereinigt
war, wurde er aber ein tüchtiger Diener, weil seine Prioritäten richtig waren.
c. Isaak erfreut sich an dem Reichtum des Segens Abrahams
( 26,1-33 )
1Mo 26,1-5
Manche Ausleger haben angenommen, daß diese Erzählung von Isaak in Gerar bei
Abimelech in der Überlieferung mit den Berichten, in denen sich Abraham in
Ägypten ( 1Mo 12,10-20 ) und bei Abimelech in Gerar ( 1Mo 20 ) aufhielt,
durcheinandergeraten sind. Aber die Wiederholung der Motive geschieht bewußt:
Sie zeigt, daß die Segnung auf die Nachkommen Abrahams übergegangen war. Die
Parallelen Isaaks zu Abraham sind zahlreich; (a) eine Hungersnot (vgl. 1Mo 12,10
); (b) der Plan, nach Ägypten zu ziehen (vgl. 1Mo 12,11 ); (c) der Aufenthalt in
Gerar (vgl. 1Mo 20,1 ); (d) die Bezeichnung der Ehefrau als »Schwester« aus
Angst (vgl. 1Mo 12,12-13; 20,2.11 ); (e) die Schönheit der Frau ( 1Mo 12,11.14
); (f) Abimelechs Sorge, Ehebruch zu begehen ( 1Mo 20,4-7 ); und (g) der Tadel
des Abimelech ( 1Mo 20,9-10 ). Der Abimelech in 1Mo 26,1 ist möglicherweise
nicht derselbe Abimelech wie in Kapitel 20 , da die Ereignisse etwa 90 Jahre
auseinander lagen. Es ist nicht unmöglich, daß Abimelech ein Titel (wie Pharao
oder Cäsar) war, denn Achisch ( 1Sam 21,11 ) war ebenfalls als Abimelech bekannt
(vgl. die Überschrift zu Ps 34 ). In ähnlicher Weise könnte Pichol ( 1Mo 26,26 )
ein Titel sein, obwohl es dafür keinen Beweis gibt. Oder Pichol könnte auch
einfach ein Namensvetter des früheren Pichol sein ( 1Mo 21,22.32 ).
Abraham war gestorben. Was würde nun mit der Verheißung Gottes an ihn geschehen?
Ganz einfach, die Verheißung würde sich nach Abrahams Tod in gerader Linie
fortsetzen. Kapitel 26 betont durch rhetorische Kunstgriffe, daß die Verheißung
in Isaak ihren Fortgang fand.
Der grundlegende Gedanke in 1Mo 26,1-11 war, daß die Nachkommen des gehorsamen
Knechtes Abraham seinetwegen gesegnet werden sollten. Aber auch sie mußten den
Glauben praktizieren, um sich an den verheißenen Segnungen erfreuen zu können.
Aufrichtiger Glaube an die Verheißungen Gottes hat ein furchtloses Wandeln mit
ihm zur Folge; aber sich in Angst ducken gefährdet die Segnung und macht den
Glauben zum Gegenstand des Spottes.
Der Gehorsam eines Mannes brachte seinen Nachkommen Segen. Der Herr gab die
Abrahamsverheißungen an Isaak (Gottes Gegenwart, seine Segnung, der Besitz des
Landes und Nachkommenschaft, so zahlreich wie die Sterne ; vgl. 1Mo 12,2-3;
15,5-8; 17,3-8; 22,15-18; 28,13-14 ). All das geschah, so sagte Gott, weil
Abraham mir gehorsam war (wörtl. »meiner Stimme gehorchte«) und meine
Forderungen, meine Gebote, meine Verordnungen und meine Gesetze gehalten hat .
Das sind Standardbegriffe in den Gesetzesbüchern des AT. Israel erkannte sofort
die Terminologie der Thora (des Gesetzes) in dem Bericht über Abraham und wurde
veranlaßt, das Gesetz zu halten. Abraham lernte, daß wahrer Glaube dem Wort
Gottes gehorcht.
1Mo 26,6-11
Isaak täuschte wie sein Vater in Gerar Abimelech und wurde von dem heidnischen
König getadelt, der wußte, daß die Strafe für Ehebruch der Tod war (V. 10-11 ).
Auch diese Erwähnung der gesetzlichen Vorschriften sollte Israel daran erinnern,
wie wichtig es für die Zukunft seines Volkes war, die Ehe beizubehalten. Wenn
diese Hauptstütze wegfällt, zerfällt eine Gesellschaft. (Wenn die Ehe Isaaks zu
Ende gegangen wäre, hätte es keine israelitische Gesellschaft gegeben.)
Interessant ist das Wortspiel mit dem Namen Isaaks. Nachdem er Abimelech
dahingehend getäuscht hatte, daß Rebekka seine Schwester sei, wurde Isaak
gesehen, wie er sie liebkoste ( m+QaHEq , V. 8 ). Dieses Partizip spielt auf den
Namen Isaaks ( yiQHAq ) an, aber es erinnert auch an den Spott Ismaels ( m+QaHEq
, 1Mo 21,9 ). Die Wortwahl ist interessant. Es ist, als ob Mose schreibt, daß
Isaaks Abweichen vom Glauben - indem er nach Gerar ging und seine Frau als seine
Schwester ausgab - aus der großen Verheißung, die in seinem Namen verkörpert
war, einen Spott machte. In der Tat spottete Isaak dem Abimelech durch die
Täuschung. Indem er seine Frau liebkoste, spottete er Abimelech, den er zu
täuschen versucht hatte. Isaak hätte die gerade gegebenen Bundesverheißungen
ernster nehmen müssen.
So empfing Isaak gleich Abraham Gottes große Verheißung, täuschte aber ängstlich
Abimelech und machte die verheißene Segnung zum Gespött. Die Angst verhöhnt den
Glauben; der Glaube lacht kühn im Triumph. Aber wer aufrichtig den Verheißungen
Gottes glaubt, gehorcht seinen Satzungen, Lehren und Geboten.
1Mo 26,12-22
Isaak hielt sich in dem Land auf, erfreute sich des von Gott gegebenen
Wohlstandes ( seine Ernten gediehen und er wurde reich ). Aber die Philister ,
die ihn um seinen Reichtum beneideten, verstopften Isaaks Brunnen mit Erde.
Wieder liefern die Brunnen ein vorherrschendes Motiv: sie sind der greifbare
Beweis göttlichen Segens (vgl. den Streit Abrahams mit den Philistern über einen
Brunnen, 1Mo 21,25.30 ). Wo immer Isaak grub und wie oft die Philister die
Brunnen auch verstopften, grub er die alten mit Erde gefüllten Brunnen wieder
aus ( 1Mo 26,18 ). Die Segnung Gottes an Isaak konnte nicht verhindert werden.
Von den Philistern vertrieben, lagerte sich Isaak im Tal von Gerar und setzte
dort seine Suche nach Wasser fort. Er sah sich auch dort einer
Auseinandersetzung gegenüber. Die Gerariter behaupteten, daß das Wasser von zwei
der drei Brunnen, die Isaak ausgegraben hatte, ihnen gehörte. Die Namen, die er
den drei Brunnen gab, spiegeln nicht nur seinen Streit, sondern auch seinen
Triumph wider: Esek (»Zank«) und Sitna (»Streit«) spiegeln die
Auseinandersetzung über die beiden Brunnen wieder, und Rehobot (»Weiter Raum«)
steht für den Raum, den der Herr gemacht hatte. Isaak lehnte ab, wieder zu
kämpfen. Er fuhr fort, einen Brunnen nach dem anderen preiszugeben, bis die
Philister ihn enttäuscht alleine ließen.
1Mo 26,23-25
Nachdem Isaak nach Beerscheba gezogen war, erschien ihm Gott und bestätigte
wieder den Abrahamsbund (V. 23-24 ). Isaak antwortete so wie sein Vater und
baute einen Altar und rief den Namen Jahwes an (vgl. 1Mo 12,7-8; 21,33 ).
Schließlich wurde die Auseinandersetzung über die Brunnen beigelegt. Abimelech
bat Isaak um einen Bund. So wie ein früherer Abimelech anerkannt hatte, daß Gott
mit Abraham war ( 1Mo 21,22 ), so erkannte dieser Abimelech an, daß Gott mit
Isaak war. Isaak nannte den Brunnen dort Schiba (»Schwur« oder »sieben«), weil
sie mit einem Eid einen Bund schlossen ( 1Mo 26,28-31.33 ). Er war dem Abkommen
ähnlich, das Abraham schloß, als er die Stadt Beerscheba benannte ( 1Mo
21,23-24.31 ). Notwendigerweise wurde der Bund mit Isaak erneuert. Gottes
Segnung lag auf dem Samen Abrahams; Isaak war der rechtmäßige Erbe.
Durch wieviel Widerstand auch die Sache vereitelt werden sollte: Der Segen
sollte doch gedeihen. Andere Völker sollten erkennen, daß die Hand Gottes über
dem Nachkommen Abrahams war, und sie sollten mit Israel nach Frieden trachten,
wenn sie an dem Segen teilhaben wollten.
d. Der Fehltritt Esaus
( 26,34-35 )
1Mo 26,34-35
Die Heirat Esaus mit zwei hetitischen Frauen ( Jehudit und Basemat ) war für
seine Eltern ein Kummer. Diese Bemerkung veranschaulicht, wie unpassend Esau für
die Segnung Gottes und wie töricht der spätere Versuch Isaaks, Esau zu segnen (
1Mo 27,39-40 ), war. Später heiratete Esau noch eine dritte Frau, Mahalat ( 1Mo
28,9 ).
e. Die Täuschung Jakobs um des Segens willen
( 27,1-40 )
Gott erwartet von seinen Dienern, daß sie ihre geistliche Verantwortung durch
den Glauben wahrnehmen. Unglücklicherweise ist der Glaube nicht zu jeder Zeit
vorhanden, und dann werden die Dinge kompliziert. Dieses Kapitel stellt dar, wie
eine ganze Familie versucht, ihre geistliche Verantwortung mit ihren physischen
Sinnen ohne den Glauben wahrzunehmen. Es ist die bekannte Geschichte, wie Jakob
den Segen von seinem Vater Isaak durch Täuschung erhält. Es ist eine Geschichte
des Zerbruchs einer Familie über geistliche Dinge!
Alle Teilnehmer irrten sich. Isaak kannte das Wunderzeichen Gottes an Rebekka (
1Mo 25,23 ), nämlich, daß der ältere dem jüngeren dienen würde; dennoch begann
er, dem durch die Segnung Esaus entgegenzuarbeiten! Esau, der mit dem Vorhaben
einverstanden war, brach den Eid, den er Jakob abgelegt hatte ( 1Mo 25,33 ).
Rebekka und Jakob versuchten beide, zwar in einer gerechten Sache, doch durch
Betrug, ohne Glauben oder Liebe den Segen Gottes zu erlangen. Ihnen sollte der
Sieg gehören, aber sie ernteten Haß und Trennung, denn Rebekka sah Jakob niemals
wieder! So wurde der Konflikt zwischen Jakob und Esau durch Jakobs Betreiben
noch viel größer - er wollte das, was dem Erstgeborenen gehörte, den Segen. Aber
die Geschichte handelt nicht nur von Jakob. Er alleine zerstörte die Familie
nicht; vielmehr war es die Bevorzugung der Kinder durch die beiden Eltern.
1Mo 27,1-4
SZENE 1 ( Isaak und Esau ): Isaak erklärte sich bereit, Esau zu segnen. Es
werden hier wichtige Bemerkungen hinsichtlich der schwachen Augen und dem hohen
Alter Isaaks gemacht. Darüberhinaus wird seine Liebe zum Wildbret und zum
wohlschmeckenden Essen betont (vgl. 1Mo 25,28.34 ). Sein Gaumen regierte sein
Herz. Aber der springende Punkt bei Isaak war, daß er vorhatte, Esau seinen
Segen zu geben . Es entstand für Rebekka eine Zwickmühle, die sie zum Handeln
herausforderte.
1Mo 27,5-17
SZENE 2 ( Rebekka und Jakob ): Rebekka brachte Jakob zum Handeln, um Isaak an
seinem Vorhaben zu hindern. Sie schien sich sicher zu sein, daß sie den
Fleischgeschmack des Wildbretes mit Ziegenfleisch nachmachen konnte (V. 9 ).
Aber Jakob war sich nicht so sicher, daß er seinen Vater täuschen konnte.
Schließlich sagte Jakob, wenn Isaak ihn betastete, würde er den Unterschied
zwischen der behaarten Haut Esaus und der glatten Haut Jakobs erkennen. Jakob
hatte keine Schuldgefühle - nur Angst - im Hinblick auf das Vorhaben. Aber der
Segen stand auf dem Spiel, und alles mußte riskiert werden, sogar einschließ-
lich der Möglichkeit eines Fluches über Rebekka (V. 12-13 ). Also tat Jakob das,
was ihm seine Mutter befohlen hatte. Rebekka steckte Jakob sogar in Esaus beste
Kleider.
1Mo 27,18-29
SZENE 3 ( Jakob und Isaak ): Jakob betrog seinen Vater und erhielt den Segen.
Von seiner Mutter angestachelt, log Jakob seinen Vater zweimal an; erstens über
seine Identität ( Ich bin Esau , V. 19 ), und zweitens, daß Gott ihm (bei der
Jagd, V. 20 ) Erfolg verliehen hatte. Dreimal äußerte der alte Mann seinen
Argwohn (V. 20.22.24 ). Aber indem er von seinem Tastsinn (V. 16.23 ) und
Geruchsinn (V. 27 ) getäuscht worden war, segnete er Jakob in dem Glauben, daß
es Esau sei (V. 27-29 ). Der Segen schloß das Gedeihen der Ernten (V. 28 ), die
Herrschaft über andere Völker und seine Brüder (vgl. V. 37 ), Fluch über jene,
die ihm fluchten, und Segen über jene, die ihn segneten (V. 29 ), ein.
1Mo 27,30-40
SZENE 4 ( Esau und Isaak ): Bald danach kam Esau nach Hause und bat seinen Vater
um seinen Segen. Als Esau das Essen hineinbrachte, wurden die Gefühle
aufgepeitscht. Isaak bebte heftig über das, was geschehen war, und Esau war sehr
bitter und böse (V. 34 ). Isaak wußte, daß er sich in Gottes Plan hineingemischt
hatte und überwältigt worden war; da gab es nun kein Zurück mehr. Esau begann,
das wahre Wesen Jakobs zu erkennen. Zweimal hatte Jakob Esau »überlistet« oder
betrogen, indem er ihm sein Erstgeburtsrecht ( 1Mo 25,29-34 ) nahm und nun,
indem er ihm den Segen stahl. Alles, was blieb, war ein Segen für einen
weltlichen Menschen ( 1Mo 27,39-40 ). Esau würde weder die Reichtümer der Erde
noch den Tau des Himmels genießen (vgl. V. 28 ). Die Edomiter, die Nachkommen
Esaus, würden in einem weniger fruchtbaren Land als Palästina leben. Auch Esau
würde unter dem Vorzeichen der Gewalt leben, Jakob dienstbar und ruhelos sein
(vgl. Ismael, 1Mo 16,12 ).
So siegten Rebekka und Jakob auf der einen Seite, obwohl sie nichts erlangten,
was Gott ihnen nicht sowieso gegeben hätte; aber sie verloren auf der anderen
Seite viel.
Dennoch wirkte Gott durch ihr Handeln. Ihre Taten folgten nur dem nach, was das
Wunderzeichen Gottes prophezeit hatte. Der Plan Gottes wird den Sieg
davontragen, häufig sogar trotz des Handelns der Menschen.
Die Geschichte handelt von elterlicher Begünstigung, die die Familie völlig
zerriß. Die Geschichte ist auch ein Bericht geistlicher Unempfänglichkeit. Alle
natürlichen Sinne haben auffallenden Anteil - insbesondere der Geschmacksinn,
mit dem Isaak sich selbst brüstete, der ihm aber die falsche Antwort gab. Sich
auf die eigenen Sinne für die Unterscheidung geistlicher Dinge zu verlassen,
erweist sich nicht nur als fehlbar, sondern beschwert das Leben übermäßig.
Am wichtigsten ist jedoch, daß die Geschichte vom Betrug handelt. Das einzige
Zögern Jakobs lag in seiner Angst begründet, daß er, anstatt gesegnet zu werden,
verflucht werden könnte ( 1Mo 27,12 ). Er erkannte wenigstens, daß ein solches
Handeln die Verheißung Gottes gefährden würde. Jakob lernte später, daß Segen
von Gott gegeben und nicht durch Betrug erlangt wird.
f. Die Flucht Jakobs
( 27,41-28,9 )
1Mo 27,41-46
Dieser Abschnitt bildet den Übergang zu den Geschichten über Laban und Jakob.
Aufgrund seines Betruges mußte Jakob von zu Hause fliehen. Aber der Anlaß
eröffnete den Beweggrund dafür, von seinen Verwandten im Osten eine Frau zu
nehmen. Während Isaak im Land geblieben war, während der Knecht Abrahams
losgezogen war, um seine Frau zu finden und herbeizubringen ( 1Mo 24 ), war die
Reise Jakobs durch die drohende Gefahr, von seinem zornigen Bruder getötet zu
werden ( 1Mo 27,41-42 ), zwingend notwendig geworden. Darüber hinaus handelte
Gott mit Jakob ernstlich unter der Hand Labans, seines Onkels. In der Tat steht
der Aufenthalt außerhalb des Landes auf mehrere Weisen zu dem späteren
Aufenthalt der Familie Jakobs in Ägypten parallel.
Rebekka berichtete Jakob von dem Zorn Esaus und drängte ihn, sofort zu ihrem
Bruder Laban in Haran zu ziehen. Indem sie wiederum ihren Mann um ihres Sohnes
willen täuschte, drückte sie Mißfallen an ihren beiden hetitischen
Schwiegertöchtern, Jehudit und Basemat (V. 46 ; 1Mo 26,34-35 ), aus und drängte
Isaak, Jakob eine Frau aus ihrem eigenen Volk zu geben. Auf diese Weise konnte
Jakob mit dem Segen Isaaks fliehen (vgl. 1Mo 28,1 ).
1Mo 28,1-5
Wieder segnete Isaak Jakob und befahl ihm: Nimm keine kanaanitische Frau . Das
kanaanitische Volk war eine gemischte Rasse und vereinigte Dutzende von Gruppen
und Stämmen durch Bünde und Eheschließungen in seiner Gesellschaft. Die Familie
Abrahams sollte einer solchen Vermischung Widerstand leisten (vgl. die Weigerung
Abrahams, Isaak eine kanaanitische Frau zu geben, 1Mo 24,3 ). Der Grund für die
Heirat innerhalb der Sippe war der Wunsch, in der Linie Reinheit zu bewahren und
sich der eigenen Familie gegenüber loyal zu verhalten. Der sicherste Weg, die
Unterscheidung zwischen den Stämmen zu verlieren, war, in ein Volk mit
verschiedenen Elementen hineinzuheiraten. Sicher war Moses immer wieder
ausgesprochene Aussage an die Israeliten, daß ihre Vorfahren der Heirat mit den
Kanaanitern widerstanden hatten, auch eine Warnung. Kanaaniter zu heiraten würde
mit Sicherheit der Reinheit der Linie ein Ende setzen, aber was noch wichtiger
war, es würde die Reinheit des israelitischen Glaubens zerstören.
Bevor Jakob wegzog, gab ihm Isaak den bloßen, rechtmäßigen Segen. Es gab nun
kein Zurückhalten mehr. Isaak hatte den Segen, den Gott sowohl Abraham als auch
Isaak gegeben hatte, an Jakob weitergegeben. Isaak wiederholte den Segen von
Gott, dem Allmächtigen ( ?El Sadday ; vgl. den Kommentar zu 1Mo 17,1 ), das
Gedeihen und das Land betreffend ( 1Mo 28,3-4; vgl. 1Mo 15,5.18-20 ) und drängte
seinen Sohn, nach Mesopotamien zu ziehen. Diejenigen, die Erben der Segnung des
Abrahamsbundes sind, durften diese Segnungen nicht durch Eheschließungen mit den
Kanaanitern gefährden. Die geistliche Reinheit sollte in allen Generationen
bewahrt werden.
1Mo 28,6-9
Im Gegensatz dazu heiratete Esau, der seinem Vater gefallen wollte, zusätzlich
zu den beiden hetitischen Frauen einen Nachkommen Abrahams durch Ismael.
Mahalat, eine Tochter Ismaels , war also eine Kusine Esaus. Ironischerweise
heiratete der nichterwählte Sohn Isaaks in die nichterwählte Linie Ismaels
hinein! So versuchte Esau, seinen Ruf als Ehemann zu verbessern, indem er eine
dritte Frau heiratete (vgl. 1Mo 26,34 ). Esau hatte für den Abrahamsbund und
seine Reinheit kein Verständnis. Er lebte noch immer auf der menschlichen Ebene.
g. Die Verheissungen des Bundes werden in Bethel bestätigt
( 28,10-22 )
Die Vision Jakobs in Bethel war auf die bloße Gnade Gottes gegründet. Gott
erschien Jakob, um ihn seiner Verheißung des Segens und Schutzes zu versichern
und brachte damit Jakob dazu, eine wunderbare, anbetende Antwort zu geben, in
der er Treue gelobte. Dieser Abschnitt beantwortet (a) die Frage, ob der Herr
auch der Gott Jakobs war, und zeigt (b), wie Jakobs Aussichten sich auf
dramatische Weise änderten.
1Mo 28,10-15
Jakob, der für die Nacht auf seinem Weg zu seinem aramäischen Onkel Laban in
Haran in Mesopotamien (vgl. 1Mo 25,20; 28,2 ) angehalten hatte, träumte von
Engeln auf einer Leiter, die bis zum Himmel reichte . Der entscheidende Zug der
Geschichte ist der, daß Gott mit Jakob war, wohin er auch ging. Dies wurde durch
die »Leiter« symbolisiert, die durch die Worte Gottes erklärt (V. 13-15 ) und im
Glauben von Jakob erkannt wurde (V. 20-22 ). Gott wiederholte Jakob den Bund,
den er mit Abraham und Isaak geschlossen hatte und verhieß ihm das Land,
Nachkommen so zahlreich wie der Staub (vgl. 1Mo 13,16; 22,17 ) und einen
allgemeinen Segen durch ihn (vgl. 1Mo 12,2-3; 15,5.18; 17,3-8; 22,15-18;
35,11-12 ). Gott verhieß auch, Jakob zu beschützen und mit ihm zu sein, während
er außerhalb des Landes war und darauf zu sehen, daß er zurückkehren würde.
1Mo 28,16-22
Jakobs anbetende Antwort schloß ein, daß er (a) vor dem Herrn Furcht hatte, daß
er (b) einen Gedenkstein aufrichtete, daß er (c) den Stein weihte, indem er auf
die Spitze Öl goß, daß er (d) den Ort Bethel (»Haus Gottes«) nannte, um das
Ereignis in Erinnerung zu rufen, daß er (e) ein Gelübde ablegte, indem er zum
ersten Mal seinen Glauben an den Herrn ausdrückte ( der HERR wird mein Gott sein
), und daß er (f) den Zehnten versprach (V. 22 ). All diese Dinge unterstrichen
den zentralen Gedanken von Gottes beschützender Gegenwart.
Mehrere spätere Gebräuche liegen in diesem Geschehen begründet. Der
bemerkenswerteste ist das Denkmal in Bethel. Später hielten die Israeliten
diesen Ort für einen heiligen Platz, wo Gott »geschaut« werden konnte.
Ein anderes Motiv ist das Geben des Zehnten (so wie bei Abram in 1Mo 14,20 ).
Den Zehnten zu geben, war eine Handlung, durch die ein Mensch anerkannte, daß
alles, was er besaß, Gott gehörte. Der Glaube erkennt diese Tatsache äußerlich
in Form eines Geschenkes an.
Auch das Gelübde Jakobs war ein wichtiges Element bei diesem Ereignis. Er
gelobte, daß, wenn Gott ihn beschützte, für ihn sorgte und ihn in seine Heimat
zurückbrächte, dieser Ort dann ein Zentrum der Anbetung für ihn werden würde.
Später waren Gelübde für Israel sehr wichtig.
Darüberhinaus erhielten aufgerichtete Steine von diesem Zeitpunkt an große
Bedeutung. Sie unterschieden sich von Altären. Denkmäler wurden aufgerichtet, um
sich das Erscheinen Gottes ins Gedächtnis zu rufen, so daß andere bei der Frage:
»Was bedeuten euch diese Steine?« ( Jos 4,6 ) etwas über Gott erfahren konnten.
Die Gegenwart dieser wichtigen religiösen Motive betonen die Tatsache, daß ein
unbekannter »Ort« für Israel ein wichtiger Ort der Anbetung wurde. Die parallele
Struktur beider Abschnitte ( 1Mo 28,10-13; 28,16-19 ) zeigt, daß die Anbetung
eine Antwort auf das Gesicht war. Z.B. wird das Wort »Haupt« oder Kopf
wiederholt; zuerst für das Haupt Jakobs auf dem Stein (V. 11 ), dann für die
Spitze (wörtl. »Kopf«) der Leiter (V. 12 ) und dann für die Spitze des
Steinmales (V. 18 ). Ein weiteres Wortspiel hängt mit dem Wort »steht« zusammen.
Zuerst stand der Herr auf der Spitze der Leiter (V. 13 ), und dann wurde der
Stein als ein Denkmal aufgerichtet (wörtl. »stand auf«) (V. 18 ). Diese
Parallelen machen deutlich, daß der kleine Altar Jakobs das Gesicht verkörperte.
Gottes Verheißung, mit seinem Volk zu sein, ist ein Thema, das in der Heiligen
Schrift ständig wiederholt wird. (Z.B. sagte Gott zu Isaak: »Fürchte dich nicht,
denn ich bin mit dir«, 1Mo 26,24 .) Die Versicherung der Gegenwart Gottes sollte
in jedem Gläubigen dieselbe Antwort, die Jakob antrieb, hervorbringen, nämlich
Anbetung und Vertrauen. Das ist die Botschaft von Anfang an: Gott sucht in Gnade
sein Volk auf und verheißt ihm Bewahrung und Versorgung, so daß es für andere
ein Segen sein kann. Es muß im Gegenzug im Glauben antworten, indem es den Herrn
fürchtet, ihn verehrt, ihm opfert, sich ihm weiht und zukünftigen Anbetern an
solchen Orten Denkmäler für die Zukunft setzt.
Das Ereignis in Bethel war also ein Archetyp der Verehrung Israels, die nach
ihrem Patriarchen Jakob gestaltet - und auch tatsächlich nach ihm benannt wurde.
2. Die Segnung Jakobs in der Fremde
( 1Mo 29-32 )
Diese Kapitel zeigen, wie Gott zu seiner Verheißung stand und Jakob reichlich
segnete. Sie zeigen auch, wie Gott den Patriarchen züchtigte.
a. Das Treffen mit Rahel und der Betrug Labans
( 29,1-30 )
1Mo 29,1-6 : Der Aufbau und der Inhalt dieses Abschnittes spiegeln die Bedeutung
der Erfahrung in Bethel wider. Jakob war vor Esau geflohen. Nun suchte er sich
eine Braut. Dieser Umschwung in seiner Absicht geschah aufgrund der Verheißung
Gottes, die ihm in Bethel gegeben worden war. Seine Suche war die Erfüllung
eines Teiles der Verheißung, nämlich, daß er Nachkommen bekommen sollte, während
er sich außerhalb des Landes aufhielt. Darüberhinaus war der Geist Jakobs nun
großmütig und selbstlos. Er hatte eine neue Zielsetzung.
Bezeichnenderweise steht Jakobs Treffen mit Rahel parallel zu dem Treffen seines
Vaters mit Rebekka ( 1Mo 24 ). Mit Sicherheit erinnerte sich Laban, der Bruder
Rebekkas, daran, wie Gott EliÙser geführt hatte. Dennoch betont diese Erzählung
im Gegensatz zu Kapitel 24 nicht die göttliche Leitung, sie wird aber
angedeutet. Hier war ein Mensch, der eine wunderbare Schau erhielt. Er kannte
den Plan Gottes, ihn zu segnen und zu führen. So beeilte sich Jakob mit seinem
Plan ( er setzte seine Reise fort heißt wörtl. »er nahm seine Beine in die
Hand«). Er kam »zufällig« an einen Ort, wo ein Brunnen lag; es war »zufällig«
bei Haran, wo Laban wohnte ( 1Mo 29,5 ), und Labans Tochter Rahel kam gerade
»zufällig« zu dem Brunnen (V. 6 ). Diese zeitliche Abstimmung war das Wirken des
liebenden allmächtigen Gottes, der den ganzen Weg geführt hatte (vgl. 1Mo 24,27
). Die Tatsache, daß das Zusammentreffen am Brunnen stattfand, ist bedeutsam,
weil ein Brunnen häufig mit dem Segen Gottes in Verbindung gebracht wurde (vgl.
1Mo 16,13-14; 21,19; 26,19-25.33 ).
1Mo 29,7-14
Als Jakob die Herden Labans tränkte, gab eine Bemerkung eine Vorahnung wieder:
die folgenden Kapitel 30-31 stellen dar, wie Laban und seine Herden in der
Gegenwart Jakobs gediehen (vgl. 1Mo 12,2-3 ). Im Gegensatz zu Labans faulen
Hirten ( 1Mo 29,7-8 ) war Jakob großherzig, eifrig und fleißig (V. 10 ). Er
hatte eine Sendung, ein Streben. Dieses brennende Ziel, eingeprägt durch frühere
Erfahrung, führte ihn dazu, sein Ziel zu erreichen.
Das Küssen von Verwandten (V. 11.13 ) war eine angemessene Begrüßung. Indem
Laban Jakob sein eigenes Fleisch und Blut nannte (V. 14 ), erkannte er Jakob,
seinen Neffen, möglicherweise sogar als einen Sohn an.
1Mo 29,15-30
Die freudige Aussicht Jakobs, Rahel zu heiraten, wandelte sich durch den Betrug
Labans in einen Alptraum. In Laban fand Jakob seinen Meister und auch sein
Werkzeug zur Züchtigung. Jakob hatte seinen eigenen Bruder und Vater getäuscht
und wurde nun von dem Bruder seiner Mutter getäuscht! Zwanzig Jahre ( 1Mo 31,38
) der Plackerei, des Kummers und des Betruges lagen vor ihm. Durch Laban erhielt
er seine eigene Medizin der Falschheit. Aber Jakobs Zähigkeit zeigt, daß er sie
als geringes Hindernis zählte. Gott nahm ihn, entwickelte seinen Charakter,
kehrte die Früchte seines Betruges in Segen und schuf die verheißenen
Nachkommen, das Volk Israel.
Jakob hatte sich vorgenommen, sieben Jahre zu arbeiten , um Rahel zur Frau zu
bekommen. Jene sieben Jahre der Arbeit gingen für Jakob wegen seiner Liebe zu
ihr schnell vorbei ( 1Mo 29,20 ). Interessanterweise waren die Frauen der ersten
drei Patriarchen schön: Sara ( 1Mo 12,11 ), Rebekka ( 1Mo 24,15-16 ) und Rahel (
1Mo 29,17 ).
Als die Zeit für das Hochzeitsfest herankam (V. 21-22 ) waren die Herzen
fröhlich und die Stimmung gut. Aber in der Nacht wurde Jakob Lea , Rahels ältere
Schwester, untergeschoben. Dies war ein Meisterstück schamlosen Verrates. Die
ungeliebte Lea wurde einem Mann gegeben, der Rahel liebte.
Jakobs Ärger war nutzlos. Nun, als er selbst das Objekt der Betrügerei war,
verstand er, wie Esau empfunden hatte. Laban bot ihm als Ausflucht eine örtliche
Sitte: es ist nicht recht, die Jüngere vor der Älteren zu verheiraten . Diese
Worte mußten Jakob durchbohrt haben. In seinen früheren Tagen hatte er, der
Jüngere, seinem Vater in Betrug vorgetäuscht, der ältere Bruder zu sein ( 1Mo 27
). Wenn gesellschaftliche Konventionen außer acht gelassen werden müssen, sollte
es durch Gott geschehen, nicht durch Betrug. Die kränkenden Worte Labans wurden
ohne Kommentar stehengelassen; das Ereignis war einfach Gottes Ratschluß über
Jakob.
Die Bibel macht immer wieder das Prinzip deutlich: Was ein Mensch sät, das wird
er ernten ( Gal 6,7 ). Man hat das Ironie oder poetische Gerechtigkeit genannt,
es ist aber mehr als das. Es ist die göttliche Strafe, bei der häufig mit
demselben Maß heimgezahlt wird. Gott ordnet die Angelegenheiten der Menschen, um
die Dinge in Ordnung zu bringen. Dieser Betrug war bei Jakob ganz und gar
angebracht. Es war die göttliche Bestrafung, um ihm seine eigene List vor Augen
zu führen. Jakob hatte sich betrügerisch mit der Verkleidung Esaus, des
Erstgeborenen, seinem Vater dargeboten; nun wurde ihm Lea , die Erstgeborene,
mit der Aufmachung der Rahel , der Jüngeren, betrügerisch zugeführt. Nach seiner
anfänglichen Reaktion erkannte Jakob den Betrug als solchen und nahm ihn hin. Er
beendete die Hochzeitswoche ( 1Mo 29,27; vgl. Woche in V. 28 ), an deren Ende er
Rahel bekam (zwei Frauen in sieben Tagen). Jeder Tochter wurde eine Magd als
Hochzeitsgabe gegeben, ein Brauch, der in dieser Gesellschaft üblich war. Lea
bekam Silpa , V. 24 , und Rahel erhielt Bilha , Vers 29 (vgl. 1Mo 30,4-13 .)
Dann arbeitete Jakob weitere sieben Jahre , die er Laban als Gegenleistung für
Rahel schuldig war ( 1Mo 29,30; vgl. 1Mo 31,38.41 ).
Unglücklicherweise war Jakob nicht der einzige Gläubige, der einen Laban
brauchte, der ihn züchtigte.
b. Die Ausbreitung des verheissenen Samens durch die Geburt der Vorfahren der 12
Stämme
( 29,31-30,24 )
Der Wunsch nach liebevoller Anerkennung führt häufig auf gefährliche Wege. Der
Wettkampf im Kindergebären zwischen Rahel und Lea zeigt gerade einen solchen
Kampf innerhalb einer Familie. Die Geschichte dreht sich um das Flehen der
Menschen um Liebe und Anerkennung und um den Preis, dem entgegenzuarbeiten.
1Mo 29,31-35
In seinen Familienbeziehungen säte Jakob noch einige bittere Samen. Er war zu
Lea, seiner ungewollten Frau, kühl. Gott war sich darüber, ebenso wie Lea, im
klaren. Rahel war unfruchtbar , so wie Sara und Rebekka vor ihr (V. 31 ; vgl.
1Mo 16,1; 25,21 ).
Die ersten vier Söhne Leas wurden in rascher Folge geboren. Dies muß den langen
Wartezeiten der Vorväter gegenübergestellt werden. Der Bericht von diesen
Geburten ist traurig, aber man erkennt hier, so wie in dem Kapitel als Ganzem
Gott als den einen an, der ungeachtet menschlicher Bemühungen Leben gibt.
Lea nannte ihren Erstgeborenen Ruben ( r+?UBEN ) und zeigt damit an, daß der
HERR ihr Elend gesehen hatte ( rA?Ch b+ZAnyI ). Ein anderes Wortspiel schließt
sich an: Nun wird mein Mann mir doch zugetan ( ye?EhABanI ) sein . Diese
Benennung zeigte ihre Hoffnung, aber auch ihren Trost und ihren Glauben. Jakob
hat nie ihren Kummer gesehen, aber der Herr sah ihn (vgl. »Beer Lahai Roi«,
wörtl. »der Brunnen des Lebendigen, der mich sieht«, 1Mo 16,14; 24,62; 25,11 ).
Simeon wurde so genannt, weil der HERR gehört hat ( SAmaZ ), daß Lea ungeliebt
war. »Gott hörte« war ihr Zeugnis im Glauben an seine Versorgung (vgl. »Ismael«,
was bedeutet »Gott hört«, 1Mo 16,15 ).
Levi wurde nach ihrer Hoffnung benannt, daß ihr Mann ihr zugeneigt ( yillAweh )
werden würde, was aber nicht geschah.
Juda war ihr Trost; sie sollte zufrieden sein, um dem Herrn zu danken ( ?NDeh ),
denn Juda bedeutet »laßt ihn gelobt werden«. Lea zeigte echten Glauben in der
Zeit ihres großen Kummers.
1Mo 30,1-8
Die Söhne Rahels durch Bilha spiegeln nicht den Glauben wider, den Lea hatte.
Rahel fühlte sich mit ihrer Unfruchtbarkeit ins Unrecht gesetzt. Ihr Bemühen,
Kinder durch ihre Magd zu haben, spiegelt Saras ähnlichen Versuch mit Hagar
wider ( 1Mo 16,1-4 ). Die Namen der beiden Söhne, die Bilha geboren wurden,
spiegeln Rahels verbitterten Kampf und das Gefühl ihres Sieges wider. Der Name
Dan wird durch das Wort dAnannI erklärt. Gott hat mich gerechtfertigt , d.h. er
hat nun die Kränkung Rahels, ihre Unfruchtbarkeit, beseitigt. Der Name Naftali
spiegelte ihren harten Kampf ( naPtUlE ), den »ich gekämpft habe« ( niPtaltI )
mit meiner Schwester , wie sie sagte ( 1Mo 30,8 ), wider.
1Mo 30,9-13
Lea antwortete darauf, indem sie Jakob ihre Magd Silpa anbot, der Gad (Glück)
und Asser (»Segen«) geboren wurden. Lea erkannte, daß es ihr mit der Hilfe
Gottes wohlerging.
1Mo 30,14-21
Ruben , der Erstgeborene Jakobs, fand einige Alraunepflanzen, die man für
Aphrodisiaka hielt, und Rahel war der Meinung, daß diese ihr nützen könnten (V.
14-15 ). So dingte Lea Jakob mit den Pflanzen und bekam einen Sohn, Issachar .
Issachar wird erklärt durch R+kartIkA (»mein Lohn«). Der Name des sechsten
Sohnes Leas, Sebulon , hat die doppelte Bedeutung von Mitgift oder »Gabe« so wie
auch von »Ehre«. Lea sagte damit, daß Gott ihr Sebulon als eine Gabe gab, und
ihr Mann sollte sie mit Ehrerbietung behandeln. So hatte Lea die Hoffnung
niemals verlassen. Dann wurde ihr Dina , eine Tochter, geboren.
1Mo 30,22-24
Schließlich gebar Rahel Josef ( yNsEP ), jedoch nicht durch die Alraunepflanzen.
Das zeigt, daß Geburten durch Gott geschehen und nicht von Menschen manipuliert
werden. Josefs Name, wie derjenige Sebulons, hatte eine doppelte Bedeutung.
Rahel sagte, Gott hat meine Schmach hinweggenommen ( ?AsaP ) und sie betete, daß
er einen anderen Sohn hinzufüge (yosep). Schließlich jubelte Rahel und schaute
im Glauben auf ein zweites Kind von Gott.
Dieser Abschnitt ( 1Mo 29,31-30,24 ) ist eine Kombination kleinerer Erzählungen,
die die Wortspiele der Namen der Söhne Jakobs hervorheben. Jeder Name wurde von
Lea oder Rahel auf die konkrete Familiensituation gedeutet, womit sie den
geistlichen Gehalt, nämlich das Zeugnis für Gott als dem Spender des Lebens,
aufgaben.
Mit Sicherheit zeigt der Abschnitt, wie Gott Jakob wachsen ließ und begann, aus
ihm ein großes Volk zu schaffen. Alle Israeliten konnten so zurückschauen und
ihre Vorfahren in Jakob und in dem Konflikt der Frauen erkennen. Als Brüder
sollten die Söhne Jakobs, die »Israel« wurden, nicht wie ihre Mütter
eifersüchtig werden.
Für Israel waren diese Erzählungen mehr als interessante kleine Geschichten. Die
Rivalität, die hier aufkommt, erklärt viel von der späteren Stammesrivalität.
Aber 1.Mose ist deutlich: Gott erwählte die verachtete Mutter, Lea, und erhob
sie zur ersten Mutter. Der königliche Stamm von Juda und der Priesterstamm von
Levi gehen auf sie zurück und das ungeachtet der Liebe Jakobs für Rahel und
ihren Sohn Josef.
c. Die Ausdehnung der Besitztümer Jakobs auf Kosten Labans
( 30,25-43 )
Dies ist die ungewöhnliche Geschichte davon, wie Jakob Reichtum erlangte. Dieser
kluge Mann überlistete einen weiteren Gegner, oder jedenfalls schien es so. Aber
Jakobs Sieg hatte er mehr Gott zu verdanken, als er im Moment wahrnahm.
1Mo 30,25-36
Als Jakob Laban um die Erlaubnis bat, nach Hause ziehen zu dürfen, verhandelte
Laban mit ihm, daß er doch bleiben möge (V. 27-28.31 ). Das war orientalische
Diplomatie - zwei Beduinenführer waren vorsichtig auf der Hut, als sie
miteinander verhandelten. Laban erklärte, daß er durch göttliche Weissagung
erkannt hatte , daß Gott ihm wegen Jakob Gedeihen geschenkt hatte. Vielleicht
hatte er nach Zeichen Ausschau gehalten oder es einfach gespürt. Dunkle Schafe
waren ein Omen für das Gute und vielleicht sprach eine ungewöhnliche Menge von
ihnen dafür (V. 32 ). Jakob stimmte zu, daß Gott Laban gesegnet hatte (V. 30 ).
So schlug Jakob einen Plan vor, bei dem er (jedenfalls scheinbar) wenig erhalten
würde. Er sollte als Lohn für seine Arbeit die schwarzen und bunten Ziegen - die
seltenere Art - und die gefleckten und gesprenkelten Schafe , die geboren
wurden, erhalten. Laban überdachte das und schloß schnell den Handel ab (V. 34
). Er konnte für sich selbst nur Vorteile sehen.
Jakobs Plan war sehr risikoreich. Dennoch suchte er seine eigenen Interessen und
hoffte, damit zu Wohlstand zu gelangen.
Aber Labans List trug mit zu dem Risiko bei. Um der größeren Sicherheit willen
sonderte Laban sofort alle Tiere mit unüblicher Farbe aus und gab sie nicht
Jakob, sondern seinen Söhnen. Und als zusätzliche Vorsichtsmaßnahme legte er
eine Drei-Tages-Reise zwischen sie. So trachtete er danach, sicherzugehen, daß
Jakob eine schwierige Zeit erleben und keine große Herde bekommen würde.
1Mo 30,37-43
Gott segnete Jakob auf eine ungewöhnliche Art und Weise. Wir haben hier ein
Wortspiel mit dem Namen Laban vor uns, denn als Jakob die Borke von den Stäben
schälte und die weißen ( lABAn ) dorthin stellte, sah er seine Herde anwachsen.
Er spielte Labans Spiel und gewann - er überlistete den »Weißen«.
Es ist offensichtlich, wie Jakob später anerkannte ( 1Mo 31,7-12 ), daß Gott
eingegriffen hatte, um Jakobs Erwartungen in die Stäbe zu erfüllen. Die
geschälten Stäbe, die in die Wassertränken gelegt worden waren, veranlaßten
seine Tiere zur Vermehrung, so daß sie sich vor den Tränken paarten. Zusätzlich
wählte Jakob die Tiere bei der Züchtung so aus, daß er die kräftigeren Tiere für
sich selbst und die schwächeren weiblichen Ziegen und Schafe für Laban züchtete.
Aber das war nicht das einzige Mal, daß der Anteil Gottes am Erfolg Jakobs viel
größer war, als es einem Beobachter hätte erscheinen können.
So erlangte Jakob in der Erfüllung der Verheißung Gottes in Bethel auf Kosten
Labans großen Wohlstand ( 1Mo 30,43 ), der nun teilweise die ihm angemessene
Vergeltung empfing. Ein spannender Kampf entwickelte sich zwischen Jakob und
Laban. Labans Ungerechtigkeit und seine List gingen dem Vorhaben Jakobs voraus,
so wie Isaaks Versuch, Esau zu segnen, bereits früher den Betrug Jakobs
veranlaßt hatte. In beiden Fällen wurde der Versuch, Jakob zu betrügen,
tatsächlich von Jakob selbst bezwungen. Jakob betrachtete jedoch seinen Gewinn
als göttliche Segnung, obwohl er die Auswirkungen seiner List (Angst und Gefahr)
hinnehmen mußte.
d. Die Flucht vor Laban und der Schutz Gottes
( 1Mo 31 )
Es ist ein Zeugnis des Segens Gottes, daß Jakob bei Laban zu Wohlstand kam und
daß Jakob unversehrt in seine Heimat zurückkehrte. Dieser Beweis göttlichen
Schutzes und des Gedeihens sollte helfen, Gottes Volk zu einem Leben im Glauben
zu führen.
1Mo 31,1-16
Jakob verließ Kanaan wegen zweier miteinander in Wechselbeziehung stehender
Gründe. Erstens entwickelte sich eine Feindseligkeit von Labans Söhnen gegen
Jakob, und Labans Stimmung gegen Jakob wurde gefährlich (V. 1-2 ). Vielleicht
hatte Gott die ganze Sache ins Rollen gebracht. Zweitens hatte Gott Jakob
befohlen, in sein eigenes Land zurückzukehren (V. 3 ). Hier war ein Ruf Gottes,
um in das Land der Verheißung aufzubrechen.
Jakob hielt seinen beiden Frauen, die ihn auf seine Aufforderung hin draußen auf
den Feldern getroffen hatten, eine wunderbare Rede (V. 4-16 ). Es war aber mehr
als Selbstverteidigung. Jakob wollte eine Familie mitnehmen, die in sein
Vorhaben eingewilligt hatte. Auf diese Weise bezeugte er Gottes Führung und
Versorgung. Nun mußte er das Gelübde halten, das er in Bethel gegeben hatte (
1Mo 28,20-22 ). Die Antwort beider Frauen geschah ebenso im Glauben ( 1Mo
31,14-16 ). Laban hatte die Besitztümer seiner Töchter ausgebeutet und so ihren
guten Willen verloren. So waren sie willig, ihren Vater zu verlassen.
1Mo 31,17-21
So folgte nun die Flucht. Sie war risikoreicher, als Jakob erwartet hatte, denn
Rahel stahl Labans Hausgötter (wörtl. »Teraphim«, Götterfigürchen). Das zeigt
den heidnischen Einfluß in Labans Familie. Ein Wortspiel macht deutlich, daß
Rahel ein echter »Jakob« ist. Es geschahen zwei parallele Diebstähle: Jakob
stahl sich davon, und Rahel stahl die Götter. Vielleicht sagte sie zu sich
selbst, daß sie sie verdient hatte, weil Laban ihr gegenüber im Namen der
Gebräuche den Spieß umgedreht und ihr das Recht vorenthalten hatte, zuerst zu
heiraten. Was immer der Grund auch war, ihr nüchterner Eigennutz führte beinahe
zur Katastrophe. Die Teraphim zu besitzen könnte das Erbrecht bedeutet haben (es
hatte diese Bedeutung nach den Nuzi-Tafeln des 15. Jh. n. Chr.); es bedeutete
mit Sicherheit jedenfalls, daß Laban nun ohne das war, was er für seinen Schutz
hielt.
Dies war der Grund, warum Laban Jakob verfolgte. Es war eine Sache von Jakob,
seine Herden und seine Familie mitzunehmen; aber daß er auch seine Götter nahm,
war zuviel. Vielleicht würde sich Jakob eines Tages nach Haran zurückstehlen und
den ganzen Besitz Labans beanspruchen. (Als Laban die Götter nicht finden
konnte, schloß er einen Bund, V. 43-53 , um diesen unangenehmen Mann von seinem
Gebiet fernzuhalten.)
1Mo 31,22-35
Nach einer siebentägigen Verfolgung nach Gilead, östlich des Jordans, wurde
Laban, gerade als Laban Jakob eingeholt hatte, von Gott in einem Traum gewarnt,
zu Jakob etwas Böses zu sagen. Ohne dieses entscheidende Handeln Gottes hätte
Jakob vielleicht nichts mit nach Hause gebracht.
In dem Streitgespräch zwischen Jakob und Laban wurde die Gesetzessprache
gebraucht, um einen Zivilprozeß zu beschreiben. Beim ersten »Kampf« ( rIB ; vgl.
V. 36 ) oder der ersten Anklage behauptete Laban, daß Jakob ihn beraubt habe (V.
26-27.30 ) - er stellt sich selbst als gekränkter Vater (V. 28 ) und als
getäuschter Rächer (1Mo31,29V.29) dar. Als Laban von Jakob die Rückgabe der
Teraphim ( der Götter ) verlangte, verhängte Jakob, ohne es zu wissen, die
Todesstrafe über Rahel (V. 32 ).
Aber Laban wurde darauf von Rahel betrogen (V. 33-35 ). Sie steckte die Götzen
in ihren Kamelsattel und setzte sich auf den Sattel in ihrem Zelt. Anscheinend
ließ sich Laban nie im Leben träumen, daß eine Frau es wagen würde, es darauf
ankommen zu lassen und die Götzen zu verunreinigen. Aber was war das für ein
Schlag für die Teraphim - sie wurden zu »Nichts-Göttern«, denn eine Frau
behauptete unrein zu sein und saß auf ihnen (V. 34-35 ; vgl. 3Mo 15,20 ).
1Mo 31,36-42
Der zweite »Kampf« oder die zweite Anschuldigung kam von Jakob. (Die Worte
stellte Laban zur Rede heißen wörtl. »hatte einen Kampf oder eine
Auseinandersetzung [ wayyAreB , ist verwandt mit dem Nomen rIB , 'Kampf oder
Beschuldigung' ] mit Laban.«) Laban, der Ankläger, wurde nun zum Angeklagten.
Jakob, der von Rahels Diebstahl der Götter nichts wußte, ging verärgert zum
vernichtenden Gegenangriff über. Er berichtete im einzelnen von den Härten, die
er für Laban 20 Jahre lang erduldet hatte (vgl. 1Mo 29,27-30 ). Er hatte selbst
finanzielle Verluste eingesteckt, während er seine Herden in der Hitze des Tages
und der Kälte der Nacht hütete. Der Schrecken Isaaks, das ist der Gott, den
Isaak fürchtete, war mit Jakob, und Gott hatte seine Mühsal und seine harte
Arbeit gesehen.
1Mo 31,43-32,1
Laban schlug vor, einen Bund zu schließen , also ein Abkommen bezüglich einer
Grenzlinie zwischen ihnen beiden (V. 44.52 ). Laban stiftete den Bund, denn
Jakob hatte ihn weder nötig noch machte er sich etwas aus seiner Einhaltung.
Jakob richtete einen kleinen Stein auf und häufte dann einen Steinhaufen um ihn
auf. Laban nannte ihn mit der aramäischen Bezeichnung Jegar-Sahaduta , aber
Jakob nannte ihn hebräisch Gal-Ed . Laban erklärte, daß die Bezeichnung einen
Haufen von Zeugen bedeutete, fügte aber die hebräische Bezeichnung Mizpa
(»Wachtturm«) hinzu und vertraute damit ihre Überwachung Gott an. Die
Abmachungen lauteten so, daß Jakob die Töchter Labans nicht bedrücken sollte (V.
50 ) und daß Jakob und Laban getrennt bleiben sollten (V. 52 ).
Bei der Nennung der Bedingungen des Übereinkommens gebrauchte Laban zahlreiche
Worte, um seine Unzuverlässigkeit zu verdecken. Der unabhängige Mann versuchte
zu vermitteln, daß Jakob ein schlüpfriger Charakter sei, der durch eine ganze
Reihe von Abmachungen eingebunden werden mußte. Laban versuchte, Jakob Angst
einzujagen, als wenn er gottlos gewesen wäre und unbedingt bedroht werden müßte.
Er eignete sich sogar den Steinhaufen an ( diesen Haufen und dieses Steinmal
habe ich aufgerichtet , V. 51 ), also das Denkmal, das Jakob geschaffen hatte.
Sowohl das Abkommen über die Grenzlinien als auch die Anrechte der Frauen
zeigen, daß Laban und Jakob den Status quo bestätigen wollten. Aber der Bund
markierte auch den Bruch mit dem Osten für die Familie Israels. Dieser
Grenzvertrag bezeichnete die Grenze im Gebirge von Gilead.
Bei ihrem letzten Zusammenstoß erschien Gott Jakob (V. 3 ) und Laban (V. 24 ) im
Traum, um ihnen klarzumachen, daß sie sich trennen sollten. Das ganze Ereignis
wurde durch irdische und egoistische Interessen noch komplizierter, so z.B.
durch Rahels Diebstahl der Götter und durch die selbstsüchtige Feindseligkeit
Labans. Interessanterweise wurde zum Schluß Gott selbst angerufen, um sie zu
überwachen (V. 49 ).
Dieser Bericht erhielt später für Israel große Bedeutung: Gott erlöste und
schützte Israel, als er es in das Land aus Ägypten zurückbrachte. Hier schon sah
Israel den Sieg Gottes über Götzenbilder und Götzendiener und wie Gott Träume
zur Errettung und zum Schutz benutzte und die Grenzlinie errichtete, durch die
er sein Volk von seinen Feinden getrennt hielt. All das wurde für die späteren
israelitisch-aramäischen Beziehungen wichtig (Laban war Aramäer oder Syrer, 1Mo
25,20 ).
e. Die Vorbereitung auf Esau
( 32,2-22 )
1Mo 32,2-3
Gott bereitete Jakob auf die Begegnung mit Esau vor, indem er dem Patriarchen
eine Engelerscheinung schickte. Jakob hatte gerade Laban verlassen und wollte
nun in das Land zurückkehren und Esau noch einmal entgegentreten. An dieser
Stelle berührte Gottes unsichtbare Welt unverhüllt die sichtbare Welt Jakobs.
Die Begegnung wird mit auffallender Kürze beschrieben. Vier hebräische Worte
berichten die Begegnung: die Engel Gottes begegneten ihm. Jakob benannte dann
den Ort Mahanajim , was vielleicht »zwei Heerlager« bedeutete. Er mußte das
Heerlager der Engel gesehen haben, als er sich bereit machte, in das Land
hineinzugehen.
Ein Vergleich mit der früheren Begegnung Jakobs mit den Engeln in Bethel ( 1Mo
28,10-22 ), als er das Land verließ, erweist sich als höchst aufschlußreich. Der
Ausdruck »die Engel Gottes« taucht im AT nur in 1Mo 32,2 und in 1Mo 28,12 auf.
Das hebräische PAgaZ mit B+ taucht in 1Mo 28,11 (»erreichte«) und in 1Mo 32,2
(»begegnete«) auf. Zeh (»dieser«) wird viermal in 1Mo 28,16-17 verwendet und ist
ein wichtiger Hinweis auf die Erwiderung Jakobs in 1Mo 32,3 .(Vgl. z.B. »Hier
ist die Pforte des Himmels«, 1Mo 28,17 ,mit Hier ist das Heerlager Gottes 1Mo
32,3 .) In beiden Fällen deutete Jakob das, was er gesehen hatte, bevor er es
benannte ( 1Mo 28,17; 32,3 ), und im Hebräischen wird derselbe Ausdruck bei der
Bezeichnung beider Orte verwendet ( 1Mo 28,19; 32,3 ). Und schließlich werden
hAlak und derek (»sich auf den Weg machen«, d.h. »eine Reise unternehmen«) in
1Mo 28,20 und 1Mo 32,2 gebraucht.
Es ist offensichtlich, daß die beiden Abschnitte miteinander in Beziehung
stehen. Was bei der Namensgebung von Bethel auf dem Weg Jakobs aus dem Land
heraus geschah, ereignete sich nun bei der Benennung von Mahanjim auf seinem Weg
zurück in das Land. Der Anblick der Engel Gottes versicherte Jakob noch einmal
des göttlichen Schutzes, der ihn begleitete. Und die Engel empfingen ihn bei
seiner Rückkehr in das Land der Verheißung. Diese erneute Versicherung kam zu
einer Zeit, als Jakob sie äußerst nötig hatte.
Wenn Gott handelnd eingreift, ist der Konflikt ein geistlicher, kein
fleischlicher. Dies galt für Jakob, es galt für Israel, und es gilt auch heute.
Keine menschliche Anstrengung kann für geistliche Dinge ausreichend sein. Der
Ursprung der Verteidigung und die Mittel zum Sieg kommen von Gottes dienenden
Engeln.
Das erste Buch Mose
1Mo 32,4-9
Von der Vorstellung in dem Gesicht bewegt, sandte Jakob Boten zu Esau in Edom .
(Das hebräische Wort für »Engel« bedeutete auch »Bote«, »Botschafter«.)
Zahlreiche Schlüsselvorstellungen und Wortspiele befinden sich in diesem
Abschnitt. Jakob hatte eben die Engel erblickt (die Botschafter Gottes) und
sandte nun seine eigenen Botschafter zu Esau. Er hatte die Engel als »Heerlager
( maHXnEh ) Gottes« erkannt, den Ort maHXnAyim (V. 3 ) benannt und dann (aus
Angst vor Esau, der ihm mit 400 Mann entgegenkam) seine Familie in zwei Gruppen
oder Lager ( maHXnNT ) aufgeteilt.
1Mo 32,10-13
Aus Angst betete Jakob darum, gerettet zu werden. Zweifellos erinnerte er sich
an Esaus Drohung, ihn umzubringen ( 1Mo 27,41 ). Jakob fürchtete sich noch,
sollte aber sehen, daß Gott ihn vor seinem Bruder rettete. In der Tat taucht
Jakobs tiefe Angst in jedem Teil dieses Abschnittes auf, ja sogar in seinem
Gebet.
Jakob sprach Gott als den Gott meines Vaters Abraham und meines Vaters Isaak an
und erinnerte Gott an seinen Befehl, daß er in sein Land zurückkehren solle, und
an seine Verheißung, ihn zu segnen. Gott möchte, daß Menschen ihn an sein Wort
erinnern, wenn sie beten. Das ist ein Beweggrund für den Glauben. Jakob bekannte
anschließend, daß er der Freundlichkeit und Treue Gottes und seines materiellen
Segens unwürdig war. Er hatte die richtige Haltung im Gebet - die völlige
Abhängigkeit von Gott. Jakob bat Gott, ihn vor Esau zu retten, weil der jüngere
Zwilling einen Schrecken bekommen hatte. Dann wiederholte er die Verheißung, die
ihm Gott bezüglich seiner Nachkommen gegeben hatte, die so zahllos wie der Sand
des Meeres werden sollten (vgl. 1Mo 22,17 ). All das hätte die Zuversicht Jakobs
aufbauen sollen, aber seine Schuld und seine Angst beherrschten ihn zu diesem
Zeitpunkt völlig.
1Mo 32,14-22
Um Esau zu beschwichtigen, nahm Jakob einen Teil seiner Segnung und bereitete
eine Gabe ( minHCh ) für Esau vor. Eine minHCh wurde häufig einem Höherstehenden
übergeben, um seine Gunst zu erlangen. Jakob sandte Esau Ziegen, Schafe, Kamele,
Rinder und Esel - 500 Tiere insgesamt, die jungen Kamele noch nicht gerechnet.
Er war der Meinung, daß diese fünf getrennt vorausgeschickten Herden Esau
beeindrucken und ihn besänftigen würden (V. 21 ). Jakob mußte später dennoch
erfahren, daß Gott ihn auch ohne solche Gaben gerettet hätte. So mußte auch das
Volk erfahren, daß die Errettung durch den Glauben an Gott geschieht und nicht,
indem man dem Feind Tribut zollt.
Dieser Abschnitt schließt mit einem bedeutsamen Wortspiel in Vers 22 , das
deutlich macht, wie sehr diese Gabe der Vision entgegenstand (V. 2 ), die Jakob
des Schutzes versichert hatte. Die Geschenke (wörtl. »die Gabe« hamminHCh ) zog
vor ihm her, aber er verbrachte die Nacht im Lager ( bammaHCneh ).
f. Die Segnung bei Pnuël
( 32,23-33 )
Bevor Jakob in das Land der Verheißung kam, traf Gott mit ihm zusammen, fügte
ihm eine Behinderung zu und segnete ihn. Dieses Ereignis war ein wichtiger
Wendepunkt im Leben des Patriarchen.
Um die Absicht des Berichtes zu verstehen, müssen mehrere Punkte erwähnt werden.
Erstens ereignete sich der Ringkampf, als Jakob an der Schwelle zum Land der
Verheißung stand, denn der Jabbok in Gilead fließt von der östlichen Grenze (V.
23-25 ) in den Jordan. Zweitens wurde aus Jakob Israel, was zugleich sein neuer
Name war (V. 29 ). Sein neuer Name stand nicht nur mit der Erzählung in
Verbindung, sondern erklärt sich aus ihr. Drittens steht der Bericht mit dem
Ortsnamen PnuÙl in Verbindung, der von Jakob als Antwort auf seine eigene
Namensgebung gegeben wurde (V. 31 ). Viertens enthält die Geschichte eine
Speisevorschrift für das Volk Israel (V. 33 ). Dieses Tabu wurde zum Brauch in
Israel, aber nicht Bestandteil des mosaischen Gesetzes. Orthodoxe Juden lehnen
es noch immer ab, die Hüfte am Gesäß eines Tieres zu verzehren.
Die Betonung der Erzählung liegt mit Sicherheit auf dem Ringkampf, dessen
Absicht darin bestand, Jakob in Israel zu verwandeln. Man kann nicht den
Zusammenhang mit dem Leben Jakobs übersehen. Die Verbindung wird durch die
Anspielungen auf den Namen noch verstärkt. Am Anfang (V. 23.25 ) ist yaZXqOB
(»Jakob«) der Mann, yabOq (»Jabbok«) der Ort und yE?BEq (»er kämpfte«) der
Kampf. Das weckt die Aufmerksamkeit des hebräischen Lesers aufgrund der
Ähnlichkeiten der Konsonanten y, q und b in den Worten. Bevor Jakob ( yaZXqOB )
den Jabbok ( yabOq ) überqueren konnte, um in das Land der Verheißung zu
gelangen, mußte er kämpfen ( yE?ABEq ). Er mußte noch einmal versuchen, einen
Gegner zu Fall zu bringen, denn an dieser Stelle traf ihn jemand, der mit ihm
ein persönliches Gefecht austragen wollte, und Jakob war gezwungen, zu kämpfen.
1Mo 32,23-26
Bevor Jakob den Jabbok nach seiner Familie, seinen Knechten und seiner Habe
überqueren konnte, griff ihn ein Mann an und kämpfte mit ihm . Wir erfahren
keine Einzelheiten des Kampfes, denn dies war nur der Auftakt für den
wichtigsten Teil, den Dialog. Dennoch geschah der Kampf real auf physischer
Ebene.
Der Begriff ( ?IS ) (»ein Mann«) enthüllt nichts über dessen Identität. Das ist
allerdings angebracht, denn der »Mann« weigerte sich später, sich selbst
unmittelbar zu offenbaren (V. 30 ).
Die Tatsache, daß der Kampf bis zum Morgengrauen fortdauerte, ist bedeutsam,
weil die Dunkelheit die Situation Jakobs symbolisierte. Angst und Unsicherheit
packten ihn. Wenn Jakob begriffen hätte, daß er mit Gott kämpfen mußte, hätte er
sich niemals auf einen Kampf eingelassen, der die ganze Nacht dauerte.
Auf der anderen Seite läßt die Tatsache, daß der Ringkampf bis zum Morgengrauen
dauerte, vermuten, daß es ein langer, entschlossener Kampf war. In der Tat
besiegte der Angreifer Jakob nicht, bis er zu einem außergewöhnlichen Mittel
griff.
Schließlich berührte der Angreifer Jakob, so daß seine Hüfte verrenkt wurde. Die
Sache ist ganz deutlich: der Angreifer hatte sich einen Vorteil verschafft.
Jakob, der betrügerische Kämpfer, war durch einen übernatürlichen Schlag
lahmgelegt. Mit einem Wort, Jakob stieß auf jemanden, den er nicht besiegen
konnte, wie es ihm bei so vielen früheren Konkurrenten gelungen war.
1Mo 32,27-30
Obwohl Jakob lahmgelegt und nicht in der Lage war, zu siegen, hielt er seinen
Angreifer fest, um sich segnen zu lassen. Daraufhin dämmerten Jakob sowohl die
Identität des Angreifers als auch die Bedeutung des Kampfes. Als Jakob erkannte,
wer sein Angreifer war (V. 27 ), hielt er entschlossen an ihm fest und bat um
eine Segnung. Es ist bedeutsam, daß als Antwort auf die Bitte Jakobs um den
Segen der Mann fragte: Wie heißt du? . Wenn man sich daran erinnert, daß im AT
der Name mit dem Wesen einer Person verbunden ist, wird die Sache klar: Jakobs
Lebensweise mußte radikal verändert werden! Indem er seinen Namen sagte, mußte
Jakob sein ganzes Wesen enthüllen. Hier wurde der »Fersenhalter« ergriffen und
mußte sein wahres Wesen bekennen, bevor er gesegnet werden konnte.
Die Segnung geschah in Form eines neuen Namens - Israel . Dieser Name bedeutet
möglicherweise »Gott kämpft«, wenn man der allgemein verbreiteten Wortableitung
folgt. Die Erklärung darauf wurde dahingehend gegeben, daß Jakob mit Gott und
mit Menschen gekämpft hatte . Es ist leicht einzusehen, daß er mit Menschen
gekämpft hatte, aber daß er »mit Gott« gekämpft hatte, ist schon schwieriger zu
verstehen. Durch sein ganzes Leben hindurch hatte er den Segen Gottes in allen
Situationen zu seinem eigenen Nutzen in Anspruch genommen, also unter »seine
eigene Kraft« gestellt. Er war zu eigenwillig und zu stolz, als daß er sich den
Segen hätte schenken lassen.
Nun war sein Name »Gott kämpft«. Das bedeutete erstens, daß Gott aufgrund der
Halsstarrigkeit und des Stolzes des Patriarchen beschloß, gegen ihn zu kämpfen.
Zweitens bedeutete es, daß Gott für Israel stritt.
Der neue Name Jakobs sollte ihn und andere an diesen Kampf erinnern, in dem er
überwunden hatte. Diese Worte waren für die Israeliten voller Hoffnung. Wenn
jemand erfolgreich mit Gott ringen konnte, dann konnte er auch den Kampf mit
Menschen gewinnen. So erlangte der Name »Gott kämpft« und die Erklärung, daß
Jakob »überwunden« hatte, die Bedeutung einer Verheißung für die dem Volk
bevorstehenden Kämpfe.
1Mo 32,31-33
Jakob nannte den Ort PnuÙl (»Angesicht Gottes«), weil er Gott von Angesicht zu
Angesicht gesehen hatte und verschont worden war. So wie zuvor ( 1Mo 28,19;
31,47; 32,2 ) benannte er den Ort, um an das Geschehen zu erinnern. Dennoch
heißt es: »Niemand hat Gott je gesehen« ( Joh 1,18 ). Zur Erklärung dieser
vermeintlichen Widersprüchlichkeit vgl. den Kommentar zu 2Mo 33,11.20; Joh 1,18
.
Gott war Jakob so nahe wie möglich gekommen - er hatte seine Hand auf ihn
gelegt. Der Gedanke ist nicht: und dennoch wurde er verschont, sondern vielmehr
»und« sein Leben wurde verschont. Er hatte um Errettung gebetet ( 2Mo 32,12 )
und benutzte mit nAQal (»rette mich«) dieselben Worte, die er später gebrauchte
( nAQal , »verschont«, V. 31 ). Jakobs Gebet um Errettung wurde von Gott mit
dieser Von-Angesicht-zu-Angesicht-Begegnung und mit dem Segen beantwortet.
Als Gott die stärkste Sehne des Kämpfers berührte, schrumpfte sie und mit ihr
das hartnäckige Selbstbewußtsein Jakobs. Seine fleischlichen Waffen wurden lahm
und nutzlos; sie versagten in seinem Kampf mit Gott. Was er in den vergangenen
20 Jahren vermutet hatte, dämmerte ihm nun: er war in der Hand des einen, gegen
den der Kampf nutzlos ist. Nach dieser Berührung, die Jakob lahmlegte, ging sein
Kampf in eine neue Richtung. Nachdem er in seiner natürlichen Stärke lahmgelegt
worden war, wurde er im Glauben stark.
Jakob war nicht der einzige, dem Gott in dieser Art und Weise begegnete. Mose
begegnete Gott, als er noch nicht völlig Gottes Willen befolgt hatte ( 2Mo 4,24
). Jakobs Begegnung fand an der Grenze des Landes statt, das den Nachkommen
Abrahams verheißen worden war. Gott, der eigentliche »Eigentümer« des Landes,
stellte sich seinem Einzug als »Jakob« entgegen. Mit seinem Eigenwillen und
seiner eigenen Stärke konnte er niemals das Land einnehmen.
Die Absicht der Geschichte für die neue Nation Israel, die aus Ägypten in das
Land der Verheißung kommen würde, ist offensichtlich: Israels endgültiger Sieg
sollte nicht auf üblichem Wege geschehen, durch den die Nationen Macht erlangen,
sondern durch die Macht der göttlichen Segnung. Selbstgenügsamkeit ist mit dem
Wirken Gottes in jedem Zeitalter unvereinbar. Nur der Glaube allein überwindet
die Welt.
3. Die Rückkehr Jakobs und die Gefahr des Abfalles im Land
( 1Mo 33-35 )
a. Die Versöhnung mit Esau
( 33,1-17 )
Jakobs lang erwartetes Treffen mit Esau war ein wunderbares Ereignis. Gott
wandelte das Herz Esaus so um, daß er darauf aus war, sich mit seinem Bruder zu
versöhnen. Vorher hatte sich Esau nichts aus seinem Erstgeburtsrecht gemacht (
1Mo 25,32-34 ), und er machte sich nun nicht viel aus seinem altem Groll. Jakob,
der erleichtert war, daß Esau ihm nicht feindlich begegnete, mußte wieder
erkennen, daß dies mehr auf das Eingreifen Gottes zurückging, als ihm zu
Bewußtsein gekommen war.
1Mo 33,1-7
Jakob zeigte noch immer Schwäche und Angst, als er Esau traf. Er stellte seine
Kinder und seine Frauen in einer Reihe nach ihrer Bedeutung für ihn auf. Rahel
und Josef blieben im Hintergrund, dem sichersten Platz.
Die Gegensätze zwischen den beiden Brüdern, als sie sich nach 20 Jahren trafen,
sind sehr interessant.
Jakob verneigte sich siebenmal in Huldigung zur Erde nieder (V. 3 ) und zögerte
so auf seinem Weg zu Esau. Esau rannte jedoch eifrig auf Jakob zu, umarmte und
küßte ihn, und sie weinten beide . Was für Veränderungen geschehen doch, wenn
»Gott kämpft«. Als Jakob zu Esau sprach, verwies er ständig auf sich als dein
Knecht oder »sein Knecht« (V. 5.14 ) und auf seinen Bruder als »mein Herr« (V.
8.13-15 ), wohingegen Esau Jakob einfach »meinen Bruder« nannte (V. 9 ). Dies
unterscheidet sich scharf von der Segnung ihrers Vaters, als Isaak Jakob zum
Herrn Esaus gemacht hatte ( 1Mo 27,29 ). Jakob näherte sich Esau eindeutig
vorsichtig und demütig in dem Bemühen, jede mögliche Vergeltungsstimmung
abzuwehren.
1Mo 33,8-11
Jakob drängte Esau, die Gabe von 550 Tieren anzunehmen (vgl. 1Mo 32,14-16 ). Als
Esau zögerte, das Vieh anzunehmen, bestand Jakob darauf. Er sagte: Nimm diese
(wörtl. »meine«) Gabe ( minHATI , denselben Begriff benutzte er in 1Mo 32,14 ).
Dann fügte Jakob hinzu: Nimm das (wörtl. »mein«) Geschenk ( birKATI ) an. Das
Wort »Geschenk« kommt von bArak , »segnen«. Indem Jakob birKATI benutzte, zeigte
er, daß er bewußt seine Segnung mit Esau teilen wollte. Er versuchte, damit sein
früheres Handeln abzumildern.
Jakobs Erläuterung, daß Esaus Angesicht sehen wie das Angesicht Gottes sehen
sei, machte deutlich, daß er wohl wußte, daß seine Errettung vor Schaden durch
Esau von Gott kam. Bei PnuÙl hatte Jakob das Angesicht Gottes gesehen und war
gerettet worden ( 1Mo 32,31 ). Nachdem er dabei am Leben geblieben war,
überlebte er dann auch Esau. So war die freundliche Reaktion Esaus Gottes
gnädiges Handeln.
1Mo 33,12-17
Jakob vermied es klugerweise, mit Esau zu reisen. Er bewegte Esau dazu, zu
denken, daß er wegen seiner kleinen Kinder und seiner jungen Tiere langsam
reisen müsse und daß er mit Esau in Se´r zusammentreffen würde. Aber Jakob
steuerte die entgegengesetzte Richtung an - nördlich von Sukkot , östlich des
Jordans und nördlich des Jabbok anstatt südlich von Se´r . Es mag weise gewesen
sein, Edom zu umgehen, aber er hätte seinen Bruder nicht wieder täuschen müssen.
So wurden in Jakob und Esau Wunder gewirkt. In Jakob schuf Gott einen Geist der
Bescheidenheit und Großzügigkeit. Esau wurde dahingehend verändert, daß er nicht
mehr Rache, sondern die Versöhnung suchte. Diese Veränderungen waren der Beweis,
daß Gott Jakob in Antwort auf sein Gebet ( 1Mo 32,12 ) gerettet hatte.
b. Das Siedeln bei Sichem
( 33,18-20 )
1Mo 33,18-20
Diese Verse bilden eine Art Epilog zum Aufenthalt Jakobs außerhalb des Landes.
Er kehrte in Frieden zurück und lagerte sich bei Sichem , unmittelbar westlich
des Jabbok, etwa 35 km vom Jordan in Kanaan entfernt. Dort hatte sich Abram
zuerst niedergelassen, als er in Kanaan ankam ( 1Mo 12,6 ). Sichem lag zwischen
dem Gebirge Ebal und dem Gebirge Garizim.
Jakob erwarb wie Abram einen Teil des Landes, errichtete dort, so wie Abram (
1Mo 12,7 ), einen Altar und nannte ihn El Elohe Israel (»El ist der Gott
Israels«). Dadurch erkannte er an, daß ihn der Herr den ganzen Weg zurück in das
Land geführt hatte.
Die folgenden Kapitel verlagern den Schwerpunkt auf Jakobs Kinder. Seine
Rückkehr in das Land und das Errichten des Altars sind der Höhepunkt von Jakobs
»Laban-Erfahrung«. In diesem Kapitel benannte Jakob zwei weitere Orte (vgl.
Bethel, 1Mo 28,19; Gal-Ed, 1Mo 31,47; Mahanajim, 1Mo 32,3; PnuÙl, 1Mo 32,31 ).
Sukkot (»Schutz«) wurde wegen der dortigen Ställe so genannt, die er für sein
Vieh gebaut hatte ( 1Mo 33,17 ), und der Name des Altars erinnerte an die
Bedeutung von Gottes Beziehung zu Israel, dem neuen Namen Jakobs. Gott hatte
Gedeihen geschenkt und Jakob beschützt, so wie er es verheißen hatte.
c. Die Schändung Dinas
( 1Mo 34 )
Als Jakob sich nun in dem Land angesiedelt hatte, wurde die Bedrohung durch die
Kanaaniter zu einem Problem. Die Geschichte ist die einzige Vermischung von Gut
und Böse, die wir überhaupt in den Erzählungen von den Patriarchen finden. Für
Israel war das mit Sicherheit eine Warnung vor den verunreinigenden Auswirkungen
einer Beziehung mit den Kanaanitern, und sei es auch nur durch Betrug. Israel
sollte sich nicht mit den Kanaanitern vermischen oder mit ihnen einen Bund
schließen. Der Abschnitt warnt jedoch ebenso davor, die Töchter des Landes
aufzusuchen (V. 1 ). Darüberhinaus dürfen Bundesübereinkünfte nicht vorgetäuscht
werden (V. 13 ), denn der Name Israels stand im Land auf dem Spiel (V. 30 ). Um
dessentwillen wurden Simeon und Levi (V. 25 ) bei der Segnung mit dem
Geburtsrecht ( 1Mo 49,5-7 ) übergangen.
1Mo 34,1-4
Dina , Jakobs einzige Tochter, ( 1Mo 30,21 ), ging aus, um die Frauen des Landes
zu sehen . Diese Tat machte einen Stein los, der einen Erdrutsch verursachte.
Jakob war geschäftlich mit Sichem in Verbindung getreten ( 1Mo 33,19 ), aber
Dinas Schritt hin zu einer gesellschaftlichen Kontaktaufnahme beinhaltete
schwere Verwicklungen. Die Kanaaniter zu meiden wäre weit sicherer gewesen.
Sichem... der Herrscher jenes Landes lag bei ihr und tat ihr Gewalt an ( ZAnCh ,
»quälen, unterdrücken«), d.h., er vergewaltigte sie. Wenn eine Frau auf diese
Weise entwürdigt worden war, konnte sie nicht mehr erwarten, noch einmal eine
gültige Ehe eingehen zu können. Trotzdem liebte Sichem das Mädchen und wollte
sie zur Frau haben.
1Mo 34,5-7
Die Erwiderung Jakobs auf Dinas Situation war äußerst ungewöhnlich. Als er
hörte, daß sie geschändet worden war ( FimmE? ,»verunreinigen«), schwieg er
still darüber, bis seine Söhne nach Hause kamen. Seine Söhne waren jedoch
erzürnt, denn eine schändliche Tat (wörtl. »Torheit«, n+BAlCh ) war in Israel
begangen worden. (Dies ist die erste Erwähnung des Volkes Israel mit diesem
Namen.) Solch eine sexuelle Sünde war niederträchtig und belastete eine ganze
Gemeinschaft, etwas, das nicht getan werden durfte. Während die Söhne voller
Zorn und Wut waren, verhielt sich Jakob passiv und behielt die Dinge nicht in
der Hand. Vielleicht hätte er sich anders verhalten, wenn Dina eine Tochter von
Rahel statt von Lea gewesen wäre.
1Mo 34,8-12
Die Kanaaniter näherten sich mit einem Friedensangebot. Der alte Hamor , Sichems
Vater, hielt eine diplomatische Rede: Beide Seiten könnten große Vorteile
erlangen, wenn man übereinkäme, untereinander zu heiraten (V. 8-10 ). Hamor bot
Israel das Land vehement an (V. 10 ). Aber Gott, nicht die Kanaaniter, sollte
ihnen Israel geben. Hamors späterer Aufruf an seine Mitbürger macht deutlich,
daß er die ganze Zeit hinterhältig war und nur darauf hoffte, Jakobs Besitz
übernehmen zu können (V. 23 ). Für Israel würde nichts Gutes dabei herauskommen,
wenn sie den Kanaanitern, die geschändet hatten, vertrauten. Sichem bot
daraufhin an, Jakob und den Brüdern Dinas als Preis für die Braut zu zahlen, was
immer sie vorschlügen und versuchte so, sich seinen Weg aus der Misere
freizukaufen.
1Mo 34,13-24
Die Brüder (nicht Jakob!) lehnten einen Bund ab, weil, wie sie sagten, Sichem
nicht beschnitten war und eine Heirat mit ihm eine Schande sei ( HerpCh , »eine
Schande, ein Hohn«). Diese Worte - »nicht beschnitten« (im Hebräischen hat
dieses Wort auch die Bedeutung von Unreinheit) und »eine Schande« - beschreiben
die Kanaaniter gut. Also sahen die Brüder für Sichems äußere Anpassung die
Beschneidung vor, aber das war natürlich kein echter Bund. Wie ihr Vater
handelten sie hinterhältig (V. 13 ). Sie nahmen offensichtlich an, daß Sichem
und Hamor niemals einwilligen würden, als Bedingung für die Heirat alles, was
männlich war, beschneiden zu lassen. Aber die Kanaaniter nahmen den Vorschlag
an, und ließen alles, was männlich war, in ihrer Stadt beschneiden, damit nicht
nur Sichem Dina haben konnte, sondern um ganz raffiniert alle Herden der
Israeliten und den anderen Besitz zu erhalten.
1Mo 34,25-31
Die Ausführung der Verschwörung selbst war grausam. Simeon und Levi (und ohne
Zweifel ihre Angehörigen) ermordeten alle männlichen Kanaaniter, als sie von der
Beschneidung her Schmerzen hatten und durch die Wundheilung noch schwach waren.
Dann retteten die Brüder Dina und plünderten die Stadt und die Felder wegen des
Besitzes der Sichemiten: Herden, Besitztümer, Frauen und Kinder. Das alles
entfachte Jakobs Angst, denn diese Tat konnte für ihn und seine Familie
ernsthafte Folgen haben. Aber die Brüder antworteten einfach: Hätte Sichem
unsere Schwester wie eine Hure behandeln sollen?
Später wurde das Volk Israel belehrt, die Verunreinigung mit den Kanaanitern zu
vermeiden. Israels »Außenpolitik« war, sie völlig zu vernichten, bevor sie die
Israeliten verunreinigen konnten ( 5Mo 20,16-18 ).
In dieser Erzählung ist das Empfinden Simeons und Levis zwar richtig, aber
aufgrund ihrer ungezügelten Leidenschaft wurden sie später bei der Segnung
Jakobs übergangen ( 1Mo 49,5-7 ). Darüberhinaus sollte ein hinterhältiger Bund
den Heiden nicht verlockend in Aussicht gestellt werden. Dennoch benutzte Gott
bei Gelegenheit einen Simeon, einen Levi und einen Jehu ( 2Kö 10,11-14.17-31 )
als seine Werkzeuge des Gerichtes.
d. Die Rückkehr nach Bethel
( 35,1-15 )
Zwei Themen ziehen sich durch Kapitel 35 : Vollendung und Zurechtweisung. Es ist
eine Geschichte der Erfüllung, weil Jakob mit seiner ganzen Familie und allem
seinem Besitz in das Land der Verheißung nach Hause zurückkehrte. Der Sieg war
errungen, das Ziel erreicht und die Verheißung erfüllt. Es ist aber auch eine
Geschichte der Zurechtweisung, weil die Familie sich nicht ganz an den Wandel im
Glauben gehalten hatte: Götzenbilder mußten vergraben und mit Ruben eine Sache
geklärt werden.
1Mo 35,1
Die ersten 15 Verse berichten von der Rückkehr Jakobs nach Bethel , etwa 25 km
südlich von Sichem sowie der Erfüllung seiner Gelübde. Diese Gelübde, die Jakob
früher in Bethel gegeben hatte, beinhalteten auch, Jahwe zu seinem Gott und
Bethel zum Haus Gottes zu machen und zu versprechen, Gott den Zehnten zu geben (
1Mo 28,20-22 ). Gott forderte Jakob auf, in das Land zurückzukehren ( 1Mo
28,13-15;31,3 ), aber seine Pilgerschaft dauerte lange Zeit. Gott mußte Jakob an
die vergessenen Gelübde erinnern. Offensichtlich schuf seine Gleichgültigkeit
jenen Gelübden gegenüber die Gelegenheit für die Schändung Dinas durch Sichem (
1Mo 34 ). Jakob hätte nach Beerscheba, der Heimat seiner Eltern ( 1Mo 28,10 )
reisen sollen, ohne in Sichem anzuhalten.
1Mo 35,2-5
Um seine Gelübde zu erfüllen, mußte eine Heiligung geschehen. Jakobs Familie
mußte alle ihre Götzenbilder beseitigen, die fremden Götter . Gott läßt keine
Rivalen zu. Er läßt nur aufrichtige Treue zu und keine magische Zauberei. Die
ganze Reinigung (die Götter loswerden, sich selbst reinigen und die Kleider
wechseln) war für Israel lehrreich, das später solch eine Heiligung brauchte,
als es in das Land der Verheißung kam ( Jos 5,1-9 ).
Nachdem die Götzenbilder (und die Ohrringe, die offensichtlich auf irgendeine
Weise mit den Götzenbildern in Verbindung standen, vielleicht als Fetische) bei
Sichem begraben worden waren, brachen Jakob und seine Familie nach Bethel auf.
Die Menschen in den umliegenden Städten, die offensichtlich von dem Blutbad bei
Sichem ( 1Mo 34,25-29 ) gehört hatten, fürchteten Jakob.
1Mo 35,6-8
Als Jakob nach Bethel (das man Lus nannte, 1Mo 28,19 ) zurückgekehrt war, baute
er dort einen Altar , wie ihm Gott geheißen hatte ( 1Mo 35,1 ). Mittlerweile
starb Debora , die Amme Rebekkas, der Mutter Jakobs. Dieser Tod scheint das Ende
eines anderen Abschnittes der Patriarchenerzählungen anzuzeigen. Die Bezeichnung
Allon Bachut (»Trauereiche«) erinnerte an das Weinen über die alte Amme, die
unter einer Eiche begraben wurde. Interessanterweise wurden die Götzenbilder der
Frauen Jakobs auch unter einer Eiche (Elberfelder: Terebinthe), nahe bei Sichem,
begraben (V. 4 ).
1Mo 35,9-15
In Bethel bestätigte Gott seine Verheißung, die er dort schon früher gegeben
hatte ( 1Mo 32,29 ). Die Namensänderung Jakobs in Israel war ein Beweis der
verheißenen Segnung. Indem sich Gott selbst als Gott, den Allmächtigen ( ?El
Sadday ; vgl. den Kommentar zu 1Mo 17,1 ) bezeichnete, versicherte er ebenfalls,
daß seine Verheißungen erfüllt würden (vgl. 1Mo 28,3 ). Nun, da der Patriarch in
das Land der Verheißung zurückgekehrt war, wurde die Verheißung des Volkes
(»Samens«), des Königs und des Landes noch einmal bestätigt (vgl. 1Mo 12,2-3;
15,5.18;17,3-8; 22,15-18; 28,13-14 ). Das Handeln Jakobs stimmt fast völlig mit
seinem früheren Handeln bei der in Bethel gemachten Erfahrung überein: er
richtete einen Steinhaufen auf, goß Öl darüber und nannte den Ort Bethel (vgl.
1Mo 35,6-7.14-15; 28,16-19 ). Beide Male verhieß Gott Jakob zahlreiche
Nachkommen im Land ( 1Mo 28,13-14;35,11-12 ). Aber hier fügte er noch hinzu, daß
zu der Nachkommenschaft Jakobs Könige gehören sollten.
e. Die Vervollständigung der Familie und die Verdorbenheit Rubens
( 35,16-29 )
1Mo 35,16-20
Nachdem sie einmal im Land waren, wurde die Familie durch die Geburt von
Benjamin vervollständigt. (Interessanterweise wurden 11 der 12 Söhne Jakobs,
Vorfahren der 12 Stämme, außerhalb des Landes in Paddan Aram geboren, 1Mo
29,31-30,24 .) Nun starb Rahel bei der Geburt. Ihr Tod ist der zweite Tod in
Kapitel 35 (vgl. V. 8 ), der einen Übergang einleitet.
Der Name, den sie dem Kind gab, Ben-Oni (»Sohn meines Kummers«), war nicht der
richtige Name für den Jungen. Jakob nannte ihn in Benjamin (»Sohn meiner rechten
Hand«) um. Jakob kehrte diesen Anlaß zur Trauer in einen Triumph und einen
siegreichen Blick in die Zukunft um. Zusätzlich wollte er dem Kind einen guten
Namen geben, der die Antwort auf Rahels Gebet ( 1Mo 30,24 ) um einen zweiten
Sohn festhalten würde (der Name Josef, yNsEP , kommt von yAsaP , »hinzufügen«).
Dieser Abschnitt macht zudem deutlich, daß Israel, nachdem es einmal im Land
war, unter dem Segen Gottes weiterhin gedeihen würde. Jakob errichtete ein
Steinmal (vgl. seine anderen Steinmale: 1Mo 28,18; 31,45-47; 35,14 ) über ihrem
Grab zwischen Bethel und Bethlehem. ( Efrata war ein älterer Name für Bethlehem;
vgl. »Bethlehem Efrata«, Mi 5,1 .Vgl. auch Rt 4,11; 1Chr 2,50-51 .)
1Mo 35,21-22
Das TNl+DNT (»Bericht«) Isaaks kommt in Vers 21-29 mit mehreren kurzen Berichten
zum Ende. Der erste beschreibt Rubens Verstoß gegen Jakobs Familie durch seinen
Inzest mit Bilha, Jakobs Nebenfrau und Rahels Magd, von der Jakob zwei Söhne,
Dan und Naftali, hatte ( 1Mo 30,3-8 ). Rubens Vergehen geschah bei Migdal-Eder
zwischen Bethlehem und Hebron. Möglicherweise versuchte Ruben, Jakobs Ältester,
durch dieses heidnische Vorgehen seinen Vater vorzeitig als Patriarchen
abzulösen. Aber indem er das tat, verlor er sein Erbe (sein Geburtsrecht; vgl.
1Mo 49,3-4; 1Chr 5,1-2 ). Diese Tat nahm Jakob, der in 1Mo 35,21-22 zweimal
Israel genannt wurde (vgl. 1Mo 32,29; 35,10 ), zur Kenntnis. (Man erinnere sich
an sein Stillschweigen, als er von der Vergewaltigung seiner Tochter Dina gehört
hatte, 1Mo 34,5 .)
1Mo 35,23-26
Ein zweiter Bericht zählt die 12 Söhne auf, die die Häupter der 12
ursprünglichen Stämme wurden. (Vgl. die Übersicht »Jakobs Nachkommen« zu 1Mo 29
.) Dies war eine weitere Zusicherung, daß die Verheißungen Gottes gut sind. Die
Aufzählung nennt die Erstlinge der Stämme, die das große Volk werden sollten.
1Mo 35,27-29
Der letzte Bericht des Kapitels handelt vom Tod Isaaks, der 180 Jahre gelebt
hatte. Dies ist der dritte Tod, der in Kapitel 35 berichtet wird (vgl. V. 8.18 )
und eine Überleitung darstellt. Isaak lebte damals bei Hebron, südlich von
Beerscheba (vgl. 1Mo 28,10 ). Jakob und Esau taten sich zusammen, um Isaak zu
begraben. Vielleicht war dies das erste Mal seit ihrem Fortgang, daß sich die
beiden Brüder wieder trafen ( 1Mo 33,16-17 ).
Durch die Geschehnisse in Kapitel 35 erfuhr Jakob, daß er nicht selbstzufrieden
sein konnte, während seine Rückkehr nach Kanaan eine Erfüllung der Verheißungen
war, weil es auch ein Neubeginn war. Debora, Rahel und Isaak starben und
bezeichneten das Ende einer Epoche. Ruben gab sein Recht auf das Erbe des Segens
auf (vgl. 1Mo 49,3-4 ); man bekämpfte die Sünde. Die Götzenbilder mußten
begraben werden, und jedermann mußte sich heiligen, um das Gelübde Jakobs in
Bethel zu erfüllen. Das Volk mußte mit 12 Söhnen (Stämmen) im Land vollständig
sein. Während dieses großen Übergangs mußte der Glaube an Gott wiederbelebt
werden, damit sein Bund fortgesetzt werden konnte. Aus diesem Grund legte dieses
Kapitel die Betonung auf Jakobs Gelübde und Gottes Verheißung.
D. Die Nachkommen Esaus
( 36,1-8 )
Dieses Kapitel ist verwickelt und schwierig und die Einzelheiten ziemlich
verwirrend. Das TNl+DNT Isaaks ( 1Mo 25,19-35,29 ) ist abgeschlossen, so daß
1.Mose nun die Nachfolge seiner Söhne behandelt und dabei der Sitte folgt, die
Geschichte der nichterwählten Linie voranzustellen ( 1Mo 36 ), bevor es zu der
erwählten Linie übergeht ( 1Mo 37; vgl. 1Mo 4 mit 1Mo 5; 10,1-20 mit 1Mo
10,21-31; 21,8-21 mit 1Mo 22,1-18 ).
1Mo 36,1-8
Diese Verse beinhalten das TNl+DNT von Esau. Er hatte drei Frauen: Ada,
Oholibama und Basemat . Zwei der Namen dieser Frauen sind nicht dieselben wie
zuvor ( 1Mo 26,34; 28,9 ). Entweder waren zwei inzwischen gestorben oder Esau
gab diesen drei unter seinen sechs Frauen den Vorzug. Es kann aber auch sein,
daß zwei von ihnen unterschiedliche Namen hatten.
Oholibama war eine Urgroßenkelin von Se´r, dem Horiter, dessen Nachkommen in
Edom lebten, als Esau dorthin gegangen war ( 1Mo 36,20.25 ). Von diesen drei
Frauen hatte Esau fünf Söhne.
Die Erzählung hebt auf zwei Punkte ab. Erstens wurden die Söhne Esaus in dem
Land geboren ( Kanaan , V. 5 ), bevor er nach Se´r zog (V. 8 ). Das ist ein
scharfer Kontrast zu Jakob, dessen Kinder außerhalb des Landes geboren wurden
und dann in das Land zogen. Zweitens war Esau Edom . In der Tat wird der Leser
durch das ganze Kapitel hindurch daran erinnert. Sicherlich begriff Israel den
Sinn, da es häufig mit den Edomitern, den Nachfahren Esaus ( 1Mo 36,43 ),
kämpfte (vgl. Ob).
Der Wortlaut in Vers 7 ist auffallend. Man denkt an Lot: Das Land konnte sie
beide nicht tragen, weil ihre Herden zu groß waren (vgl. 1Mo 13,5-6 ). Esau zog
wie Lot wegen des grüneren Landes nach Osten fort (vgl. 1Mo 13,8-12 ).
E. Die Nachkommen Esaus, des Vaters der Edomiter
( 36,9-37,1 )
1Mo 36,9-19
Der zweite Teil von Kapitel 36 (V. 9-40 ) beginnt ebenfalls mit TNl+DNT ( der
Bericht , V. 9 ; vgl. V. 1 ), obwohl man das häufig als eine kleinere
Unterteilung innerhalb des Berichtes gesehen hat, welcher verfolgte, was aus
Esau geworden war.
Die Söhne Esaus hatten wieder Söhne. So hatte Esau 5 Söhne und 10 Enkel
(entweder buchstäbliche Nachkommen und/oder Stämme, die durch sie begründet
wurden). (Esau hatte 11 Enkel, wenn man Korach (V. 16 ) mit hinzuzählt. Der
hebräische MT führt ihn hier auf, jedoch nicht in Vers 11 oder in 1Chr 1,36
.Vielleicht starb er bald, nachdem er Führer geworden war. Oder vielleicht ist
Korach in 1Mo 36,16 ein Schreibfehler, der durch die ähnliche Schreibweise von
Korach in Vers 14 aufgenommen wurde.) Im Hebräischen wird jeder der 10 Enkel und
3 der Söhne - zusammen 13 - »Fürst« ( ?allUP , V. 15-18 ), ein Oberhaupt eines
Stammes genannt. Esau erscheint dabei als ein oberster Herr vieler Stämme (vgl.
V. 40-43 ).
1Mo 36,20-30
Diese Verse zählen die Söhne (d.h. Söhne, Enkel und Enkelinnen) von Se´r, dem
Horiter auf, die die Bewohner des Landes waren. Diese Söhne waren möglicherweise
die ursprünglichen Edomiter, die von Esau besiegt worden waren ( 5Mo 2,12 ). Die
Söhne Se´rs ( 1Mo 36,20-21 ) wurden horitische Fürsten (vgl. V. 29 ), und aus
ihnen kamen 20 »Söhne« oder »Töchter« (d.h. Stämme). Eine der Frauen Esaus war
Oholibama, eine Enkelin von Se´r (vgl. V. 2.14.18.25 ; Se´r gebar Zibon, V. 20 ,
die Ana gebar, V. 24 , deren Tochter Oholibama war).
1Mo 36,31-39
Man weiß nicht genau, wie die Könige von Edom mit Esau in Beziehung stehen, aber
sie waren Könige, die in Edom regierten, und »Esau ist Edom« (V. 8 ). Die
Ordnung der Sippen in Edom spiegelte offensichtlich diejenige Israels wider. Sie
wählten schließlich einen König aus einem ihrer Stämme, der eine Erbfolgelinie
begründete. Ob die Linie der acht Könige, die hier erwähnt werden, über die Zeit
von Jakob und Esau hinausgeht oder nicht, ist unklar. Die Betonung liegt mehr
auf dem Vergleich: Sie waren in Edom Könige, bevor irgendein israelitischer
König regierte (V. 31 ).
1Mo 36,40-43
Diese Verse zählen die Namen der Fürsten nach ihren Familien, Orten und Namen
auf, die Nachfahren Esaus waren. Esau war also ein großer, mächtiger Oberherr:
der Vater der Edomiter (V. 43 ) über Sippen und Gebiete (V. 40 ) mit 11 Fürsten,
die von ihm abstammten. Isaaks Verheißungen an Esau waren also erfüllt worden.
In der Abwesenheit von Jakob hatte er das »Joch« seines Bruders von seinem
»Nacken« abgeworfen ( 1Mo 27,39-40 ).
1Mo 37,1
Geradezu im Gegensatz zu dem expandierenden, mächtigen Esau wohn- te Jakob in
dem Land, wo sein Vater sich aufgehalten hatte, dem Land Kanaan. Im Unterschied
zu Esau hatte Jakob noch keine »Fürsten« oder Könige ( 1Mo 35,11 ), kein Land
zum Regieren und keine großen Stämme. Er war ein Gast im Land. Delitzsch stellt
treffend fest, daß profane, weltliche Macht schneller zu erlangen ist als
geistliche Größe ( A New Commentary on Genesis , 2,238). Eine verheißene
geistliche Segnung fordert Geduld und Glauben. Abwarten, während andere
gedeihen, ist eine Prüfung der eigenen Treue und Ausdauer.
F. Die Nachkommen Jakobs
( 37,2-50,26 )
Die Geschichte von Josef in Ägypten bildet eine großartige literarische Einheit
in 1.Mose. Die Tatsache, daß bestimmte Elemente in den Berichten wiederholt
werden, beweist durchaus nicht, daß der Stoff in zwei verschiedenen Traditionen
überliefert worden ist, wie viele kritische Gelehrte annehmen. Wiederholungen
sind das Kennzeichen des hebräischen Stiles. Sie dienen dazu, die Botschaft
hervorzuheben, indem sie vielfach betont wird.
Ein Beispiel für die Wiederholung ist die Analogie zwischen den Erzählungen von
Jakob und Josef. Beide Erzählzyklen beginnen damit, daß der Vater getäuscht wird
und die Brüder verräterisch handeln ( 1Mo 27;37 ). Beide Zyklen schließen eine
Periode von 20 Jahren der Trennung mit ein, in welcher der jüngere Bruder sich
in einem fremden Land aufhält. (Zu Jakob vgl. 1Mo 31,38 .Josef war 13 Jahre in
Potifars Haus und im Gefängnis - von seinem 17. ( 1Mo 37,2 ) bis zu seinem 30.
Lebensjahr ( 1Mo 41,46 ) - und nach 7 Jahren des Reichtums kamen seine Brüder
nach Ägypten; 1Mo 41,53-54; 42,1-2 .) Beide Erzählungen schließen mit einer
Wiedervereinigung und Versöhnung der Brüder 1Mo 33,1-15; 45,1-15 ). So wie Gott
die Dinge für Jakob zu einer guten Lösung kommen ließ, so tat er dasselbe mit
dessen Sohn Josef.
Die Josefsgeschichte war auch für Israel lehrreich. So wie Josef Jahre der
Gefangenschaft in Ägypten verbracht hatte, bevor er aus dieser errettet wurde,
so waren auch die Nachkommen Jakobs dort in Gefangenschaft und wurden dann
daraus befreit. Josefs Glaube wurde durch die Züchtigung geprüft; der Glaube des
Volkes durch seinen Aufenthalt in Ägypten, um es zu bewahren und zu erziehen.
In dem Bericht über Josefs Leben gibt es mehrere Zyklen von Ereignissen: drei
Reihen von Träumen, vier Reihen von parallelen Beziehungen (Josef und seine
Familie, Josef und Potifars Haus, Josef und die Gefangenen. Josef und das Haus
des Pharao), zwei Episoden in einem Gefängnis, das eine falsche Beschuldigung,
den Gebrauch seiner Kleidung als Beweisstück und den wiederholten Besuch seiner
Brüder in Ägypten einschließt. Diese Zyklen bilden die Struktur des TNl+DNT
(»Berichtes«) von Jakob ( 1Mo 37,2 ).
Die Erzählungen unterscheiden sich von dem vorhergehenden Stoff in 1.Mose
hinsichtlich des Stils. Das Thema der Josefserzählung scheint eng mit der
Weisheitsliteratur der Sprüche und des Predigers verwandt zu sein, wie besonders
aus den kurzen Kommentaren und dem Hinweis, daß Josef ein weiser Herrscher war (
1Mo 41,39 ), deutlich wird.
Das Thema des Leidens als Charakterprüfung herrscht vor, und zwar sowohl für
Josef als auch für seine Brüder. Obwohl Josef gerecht war, wurde er nicht vor
dem Leiden bewahrt. Er wurde durch seinen Glauben durch die Prüfung hindurch
bewahrt. Am Ende konnte Josef anerkennen, daß Gott alles gut gemeint hatte ( 1Mo
50,20 ). Die Weisheitsliteratur der Bibel versichert den Gläubigen, daß Gott aus
dem Bösen und dem Leiden Gutes hervorbringt. Dem Gottlosen kann es zwar eine
Zeitlang gutgehen, aber der Gerechte hält an seiner Rechtschaffenheit fest, weil
es eine höhere, bleibende Lebensgrundlage gibt (vgl. das Buch Hiob). Die Weisen
erkennen, daß Gott, der Herr, der Herrscher über die Schöpfung und Völker ist
und daß er die Dinge seiner Kinder gerecht ordnet. Zeitweise scheinen die Wege
Gottes ungerecht und paradox zu sein, aber wenn man an ihnen im Glauben
festhält, bringen sie dem Gerechten Segen.
1. Josef wird nach Ägypten verkauft
( 37,2-36 )
a. Josefs Träume
( 37,2-11 )
1Mo 37,2-4
Nachdem die Überschrift diesen Abschnitt als den letzten TNl+DNT , den Bericht
von Jakob einleitet, beginnt die Geschichte des Josef. Josef wird als ein
gehorsamer 17jähriger Sohn vorgestellt, der einen negativen Bericht über seine
Halbbrüder abstattet. (Er stattete keinen negativen Bericht über seinen
richtigen Bruder Benjamin ab.) Der Inhalt dieses Berichtes wird uns nicht
mitgeteilt. Obwohl ein solches Handeln niemals beliebt gewesen ist, zeigt es
doch, daß Josef ein treuer Knecht war. Natürlich haßten ihn seine Brüder
deswegen.
Der Junge wurde auch von Jakob ausgezeichnet, der ihm einen reich verzierten
Rock machte, möglicherweise eine vielfarbige Tunika. Dies schien zu bedeuten,
daß Jakob ihn gegenüber den anderen bevorzugte und die Absicht hatte, ihm alles
oder einen größeren Teil der Erbschaft zuzusprechen. Denn Josef war der
Erstgeborene Rahels, der geliebten Frau Jakobs ( 1Mo 30,22-24 ). Dennoch hätte
Jakob sich daran erinnern müssen, was Bevorzugung durch die Eltern in einer
Familie bewirkt. Dies hatte ihn von seiner liebenden Mutter getrennt ( 1Mo
27,1-28,5 ), und es sollte bald auch Josef von Jakob trennen.
1Mo 37,5-11
Gott bestätigte Jakobs Wahl seines treuen Sohnes durch zwei Träume. Gottes
Offenbarung geschah im AT in verschiedener Gestalt. Gott benutzte Träume, wenn
sein Volk außerhalb des Landes war oder auszog, d.h. sich in heidnischen Ländern
aufhielt. Er hatte Abraham in einem Traum die ägyptische Gefangenschaft zuerst
angekündigt ( 1Mo 15,13 ); in einem Traum verhieß er Jakob Schutz und Gedeihen
an seinem Aufenthaltsort bei Laban ( 1Mo 28,12.15 ); und durch zwei Träume sagte
er voraus, daß Josef über seine Familie herrschen würde.
Die Brüder haßten Josef umso mehr ( 1Mo 37,5.8 ) und waren auf ihn neidisch ,
aber Jakob sann über die Sache nach (V. 11 ). Er wußte, wie Gott wirkt; er war
sich darüber im klaren, daß Gott den Jüngeren auswählen konnte, über die Älteren
zu herrschen und daß Gott seine Erwählung im voraus durch ein Wunderzeichen oder
einen Traum deutlich machen konnte.
Die Szene des ersten Traumes betraf den Ackerbau (V. 7 ). Man könnte hierin
einen Hinweis darauf sehen, auf welche Weise Josefs Autorität über seine Brüder
erlangt werden sollte ( 1Mo 42,1-3 ). Seine Getreidegarbe stand aufrecht,
während ihre Garben sich vor seiner Garbe herabneigten. Die Szene des zweiten
Traumes betraf den Himmel (V. 9 ). Die Sonne, der Mond und 11 Sterne beugten
sich zu ihm nieder. In alten Kulturen verkörperten diese astronomischen Symbole
Herrscher. Der Traum nahm die Emporhebung Josefs über das ganze Haus Jakobs
(Josefs Vater die Sonne, seine Mutter der Mond, seine 11 Brüder die Sterne, V.
10 ) symbolisch vorweg.
Es war also zu spüren, daß Josef über seine Brüder zur Berühmtheit erhoben
werden sollte, und so ist ihr Neid und Haß verständlich. Dennoch machte ihre
Reaktion im Gegensatz zu Josefs Ehrlichkeit und Treue deutlich, warum die Wahl
Jakobs mit Josef richtig war. Gottes souveräne Wahl eines Führers bringt häufig
die Eifersucht jener ans Licht, die sich unterzuordnen haben. Anstatt die
Auserwählung Gottes anzuerkennen, leiteten seine Brüder Josefs Vernichtung ein.
Ihr Handeln, obwohl sie von dem Glauben veranlaßt wurden, daß sie anführen
sollten, zeigt, warum sie gerade nicht führen sollten.
b. Josef wird verkauft
( 37,12-36 )
1Mo 37,12-17
Die Gelegenheit, Josef zu verkaufen, kam, als er gehorsam zu seinen Brüdern nach
Dotan ging (V. 17 ), um sich über ihr Wohlergehen zu erkundigen. Trotz des
Hasses, den sie, wie Josef wußte, für ihn hegten, erfüllte er den Wunsch seines
Vaters. Von Jakobs Heimat im Tal Hebron (V. 14 ) bis nördlich von Sichem (V. 12
) waren es etwa 85 km, und Dotan lag weitere 25 km nördlich davon. Man könnte
sich fragen, ob sie ihre Herden mit dem heimlichen Ziel nach Dotan getrieben
hatten, das Land von Sichem zu kontrollieren, dessen Herrscher ihre Schwester
Dina vergewaltigt hatte ( 1Mo 34 ).
1Mo 37,18-24
Die Brüder ersannen einen Plan, diesen Träumer zu töten, um zu verhindern, daß
sich seine Träume erfüllten. Früher hatten sie geplant, viele Sichemiter als
Rache für ihre Schwester zu töten ( 1Mo 34,24-29 ); nun planten sie im Gegensatz
dazu, ihren eigenen Bruder umzubringen!
Ruben , der versuchte, eine Gelegenheit zu bekommen, Josef Jakob
zurückzubringen, überredete seine Brüder, kein solches Verbrechen zu begehen. Er
schlug vor, Josef lebend in einen Brunnen zu werfen. Er dachte, daß er ihn dann
später retten könnte. So zogen die Brüder dem Knaben seine Tunika aus und warfen
ihn in einen trockenen Brunnen, damit er dort sterben sollte.
1Mo 37,25-28
Juda bewegte daraufhin seine Brüder dazu, Josef an die vorüberziehenden
Ismaeliten zu verkaufen, die auf dem Weg von Gilead nach Ägypten waren. Die
Ismaeliten waren durch Hagar Nachfahren Abrahams ( 1Mo 16,15 ), und die
Midianiter ( 1Mo 37,28 ) stammten durch seine Nebenfrau Ketura von Abraham ab (
1Mo 25,2 ). Der Begriff Ismaeliten wurde zu einer generellen Bezeichnung für
Wüstenstämme, so daß die midianitischen Händler auch als Ismaeliten bekannt
waren. Josef wurde von seinen Brüdern rauh behandelt; aber indem er für 20
Schekel (8 Unzen Silber) verkauft und nach Ägypten gebracht wurde, wurde er am
Leben erhalten.
1Mo 37,29-35
Das Thema des Betruges tauchte wieder in der Familie auf; hier wurde Jakob noch
einmal betrogen - diesmal von seinen eigenen Söhnen. Die Söhne tauchten Josefs
Tunika in das Blut einer Ziege, um den Patriarchen dahingehend zu täuschen, daß
er dachte, Josef sei von einem wilden Tier zerissen worden und tot. Jakob
trauerte sehr über den Verlust seines geliebten Sohnes (seine Kleider zu
zerreißen und Sackleinen [grobe Tierhäute] zu tragen, waren Zeichen des Kummers
und der Trauer; vgl. 1Mo 44,13; Hi 1,20; 16,15 ) und lehnte es ab, getröstet zu
werden. So nahm jedermann trotz des Betruges an dem Leiden teil.
1Mo 37,36
Die traurige Szene in Hebron (vgl. V. 14 ) steht im Gegensatz zu der Bemerkung,
daß Josef an Potifar verkauft wurde, an des Pharaos Obersten der Leibwache .
Dies ist eine Geschichte von Haß und Betrug. Die Brüder versuchten, ihr Los bei
ihrem Vater durch gottlose Mittel zu verbessern. Jakob hatte etwas ähnliches mit
seinem Vater versucht. Die Brüder mußten dennoch wie Jakob erfahren, daß Gott
seine Segnung nicht weiter an diejenigen gibt, die solche Dinge tun. Es ist
schon Ironie, daß sie Ziegenblut benutzten, denn Ziegenhaut wurde von Jakob
benutzt, um seinen Vater zu täuschen ( 1Mo 27,16 ). Die Sünde Jakobs war
zurückgekehrt, um ihn heimzusuchen. Die Haltung der Brüder mußte auch von Gott
verändert werden oder es würde kein Volk der Verheißung entstehen.
Hier beginnt nun das Leiden Josefs, des gehorsamen Knechtes. Gott prüfte seine
Persönlichkeit durch die Dinge, die er erlitt, so daß er danach erhöht werden
konnte.
2. Der Niedergang der Familie Judas und die Bestätigung der Wahl Gottes
( 1Mo 38 )
Ein bizarres Ereignis scheint auf den ersten Blick die Geschichte Josefs zu
unterbrechen. Dennoch dient es in 1.Mose einer wichtigen Absicht. Es bestätigte
den Plan Gottes, den Jüngeren vor dem Älteren zu erwählen, ungeachtet dessen,
was andere versuchten, dem entgegenzusetzen.
1Mo 38,1-5
Juda, der den Vorschlag gemacht hatte, daß die Brüder Josef an die Ismaeliten
verkaufen sollten ( 1Mo 37,26-27 ), zog darauf fort, blieb in Adullam (etwa 25
km nordwestlich von Hebron) und heiratete eine kanaanitische Frau . Sie hatten
drei Söhne, Er, Onan und Schela . Diese Heirat mit einer Kanaaniterin ruinierte
beinahe Judas Familie. Mischehen mit den Kanaanitern hatte man früher vermieden
( 1Mo 34 ). Dieser Bericht von der Angleichung an die Leute des Landes hilft zu
verstehen, warum Gott sein junges Volk in der Sicherheit Ägyptens für sein
Wachstum ansiedelte.
1Mo 38,6-11
Judas erster Sohn Er starb, weil er gottlos war. Aufgrund der Sitte des
Leviratsgesetzes (vom lateinischen levir , »Bruder des Ehemanns«) zur Ehe mußte
Onan , der zweite Sohn Tamar , die Witwe seines Bruders, heiraten und für seinen
Bruder Nachkommen schaffen. Aber Onan gebrauchte dieses Gesetz wiederholt zu
seiner sexuellen Befriedigung. Er nutzte die Situation aus, lehnte aber die
Verantwortung, die damit auf ihn zukam, ab. So nahm Gott auch sein Leben.
Im Hinblick auf die Lage weigerte sich Juda, Tamar, der Witwe Ers, seinen
dritten Sohn Schela zu geben. Schela war noch nicht erwachsen (aber auch später,
als er erwachsen war, weigerte sich Juda noch; V. 14 ).
1Mo 38,12-23
So geriet die Zukunft der Familie in Gefahr. Tamar meinte, sie müßte die Dinge
in die Hand nehmen, wenn man ihr die Rechte der Sitte der Leviratsehe nicht
gewährte. Diese Ordnung wurde später von Mose festgehalten, um den Namen des
Verstorbenen zu bewahren ( 5Mo 25,5-10 ).
Als die richtige Zeit gekommen schien, lockte Tamar ihren Schwiegervater Juda
betrügerisch in eine unmoralische Verbindung mit einer Tempelprostituierten -
jedenfalls war er dieser Meinung ( 1Mo 38,15.21 ). Als Pfand dafür, daß er zur
Bezahlung eine Ziege schickte, ließ er sein Siegel (das an einer Schnur um
seinen Hals hing) und seinen Stab bei ihr. Als er versuchte, die Dinge durch
seinen Freund Hira (vgl. V. 1 ) wiederzubekommen, konnte man das Mädchen
nirgends finden. Wieder erlebte Jakobs Familie Betrug - diesmal durch seine
kanaanitische Schwiegertochter.
1Mo 38,27-30
Dieser letzte Teil der Geschichte erklärt die Bedeutung des ganzen Berichtes.
Gott gab Tamar Zwillinge, und die Linie Jakobs setzte sich durch sie fort. Aber
bei der Geburt der zwei Jungen geschah etwas ungewöhnliches, das schon bei der
Geburt von Jakob und Esau entsprechend verlaufen war. Nachdem die Hand eines
Zwillings herausgekommen war, machte der andere einen Riß und wurde zuerst
geboren, so daß er richtig Perez (»Riß«) benannt wurde. Der andere Zwilling
wurde dann wegen des roten Fadens, den die Hebamme um sein Handgelenk gebunden
hatte, Serach (»Scharlach«) genannt. Es ist, als ob das Wunderzeichen von Jakobs
Herrschaft über seinen älteren Bruder ( 1Mo 27,29 ) in der Linie Judas
wiederauflebte. Das eigentlich Bedeutsame liegt in der Verbindung zu Judas
Vergehen an Josef ( 1Mo 37,26-28 ). Er und seine Brüder verkauften ihren
jüngeren Bruder nach Ägypten und dachten, sie könnten Gottes Plan, daß die
älteren Brüder dem jüngeren Josef dienen sollten, durchkreuzen. Nun geschah
Gottes Wille in Judas eigener Familie, trotz seiner Versuche, Tamars Heirat zu
verhindern, in einer deutlichen Bekräftigung des Prinzips, daß der Ältere dem
Jüngeren dienen sollte. Die Linie der Verheißung wurde von Perez weitergetragen
(vgl. Mt 1,3 ), denn Gottes Plan kann nicht einfach beiseite geschoben werden.
3. Der Aufstieg Josefs in Ägypten
( 1Mo 39-41 )
a. Josefs Versuchung durch Potifars Frau
( 1Mo 39 )
1Mo 39,1-6
Nach dem wichtigen Exkurs über die Familiengeschichte Judas ( 1Mo 38 ) kehrt die
Erzählung zu Josef zurück, dem es unter Gott wohlerging und der Aufseher oder
Verwalter über Potifars Haus wurde. Potifar war der Oberste der Leibwache des
Pharao . Dieser Pharao war möglicherweise Sesostris II. (1897-1879 v.Chr.).
(Vgl. die Tabelle »Chronologie von Salomo zurück bis Josef«.) Durch Josefs
Gegenwart wurde auch der Segen Gottes über Potifar sichtbar.
1Mo 39,6-10
Nun prüfte Gott Josef durch Potifars Frau, um zu sehen, ob er gehorsam war. Als
sie den schönen Josef lockte, weigerte er sich, mit ihr ins Bett zu gehen, denn
das würde eine Sünde sowohl gegen Gott als auch gegen seinen Herrn sein. Darauf
versuchte er, besonnen und weise ihr tägliches Vordringen zu umgehen, indem er
sogar vermied, in ihrer Nähe zu sein. Seine Ablehnung wurde dadurch bestärkt,
daß er überzeugt war, daß Gott ihn zu einer besonderen Aufgabe berufen hatte. Er
konnte den Beweis dafür in seinem Emporkommen aus der Sklaverei sehen. Wenn man
den Plan Gottes erfüllen muß, kann man nicht gegen den Gott sündigen, der ihn
zustande bringen wird.
1Mo 39,11-20
Potifars Frau, gedemütigt durch Josefs Zurückweisung ihrer Person, erfand eine
Lüge, um Josef des Überfalls zu beschuldigen. Sie zeigte ihren Hausknechten und
später auch Potifar das Kleid, das Josef zurückgelassen hatte, als er vor ihrem
beständigen Vordringen geflohen war. Dies war das zweite Mal, daß Josefs
Kleidung benutzt wurde, um über ihn einen falschen Bericht zu erstatten (vgl.
1Mo 37,31-33 ). In beiden Fällen hatte er treu gedient. Aber in beiden Fällen
endete Josef in der Gefangenschaft.
1Mo 39,20-23
Josef erging es im Gefängnis durch die Gnade Gottes gut. So betraute der
Gefängniswärter Josef mit der Aufsicht über das Gefängnis. Josef war in Potifars
Haus unter Gott gediehen und dort als Verwalter eingesetzt worden. Hier fand er
wieder unter Gott Gedeihen und hatte bald das Gefängnis unter sich. Viermal
versichert dieses Kapitel, daß der HERR mit Josef war (V. 2-3.21.23 ).
Das Kapitel zeigt, daß Josef ein treuer Diener Gottes war. Er behielt die Träume
über seine Zukunft im Gedächtnis ( 1Mo 37,6-7.9 ) und blieb Gott gegenüber treu,
anstatt der Versuchung beim ersten Anzeichen seines Aufstieges zur Macht
nachzugeben. Weise Herrscher erkennen, daß der Gehorsam gegen Gott die erste
Voraussetzung für einen vorbildlichen König darstellt. Israel erfuhr ebenfalls,
daß es treu beim Herrn bleiben sollte, trotz der Folgen, die der Gerechte
leidend in Kauf nehmen mußte.
Die Geschichte ist dem Ratschlag ähnlich, der von König Salomo häufig in den
Sprüchen gegeben wird. Es ist töricht, der Versuchung einer schmeichlerischen
Frau oder eines Mannes nachzugeben und alle Aussichten eines Lebens im Dienst
für Gott zu zerstören. Der Weg der Weisheit ist, die Kosten der Sünde zu
bedenken. Josef gab der Versuchung nicht nach, weil er überzeugt war, daß Gott
für ihn eine wunderbare Aufgabe hatte. Josef warf nicht den Segen Gottes für die
Freuden der Sünde fort. Er war auch nicht verdrossen, weil er für seine Treue
litt. Gott würde ihn letztendlich auszeichnen, wie er es verheißen hatte.
b. Josefs Auslegung der Träume der Gefangenen
( 1Mo 40 )
Daß Josef nicht den Glauben an Gottes Verheißung verlor, wird durch seine
Bereitwilligkeit belegt, Träume zu deuten. Er war noch immer überzeugt, daß
Gottes Offenbarung in seinen beiden früheren Träumen ( 1Mo 37,5-7.9 ) erfüllt
werden würde.
1Mo 40,1-8
Im Gefängnis hatten zwei Kämmerer des Pharao, nämlich sein Oberster der
Mundschenke und sein Oberster der Bäcker, in der selben Nacht einen
beunruhigenden Traum . Josef bemerkte ihre Traurigkeit und war damit
einverstanden, ihre Träume zu deuten. Er verstand ihre Träume so, daß sie von
Gott kamen und erkannte, daß Gott begann, seinen Willen durch zwei weitere
Träume auszuführen.
1Mo 40,9-15
Josef deutete die Träume der beiden Kämmerer des Pharaos. Der Traum des Obersten
der Mundschenke erhielt eine günstige Auslegung. Sein Traum spiegelte seine
Aufgabe wider, aber mit zunehmenden Aktivitäten. Der Traum der drei Weinreben
mit reifenden Trauben bedeutete, daß der Pharao das Haupt dieses Mannes erheben,
d.h. ihn innerhalb dreier Tage wieder einsetzen werde. Dazu fügte Josef die
Bitte hinzu, daß der Mann sich an ihn erinnern möge und versuchen sollte, ihn
aus dem Gefängnis freizubekommen.
1Mo 40,16-19
Der Traum des Bäckers dagegen war überhaupt nicht günstig. Sein Traum spiegelte
ebenfalls seine Aufgabe wider, aber darin fraßen Vögel das Brot, das er in drei
Körben auf seinem Kopf trug. Zur Enttäuschung des Bäckers erklärte Josef, daß
der Pharao auch sein Haupt innerhalb dreier Tage erheben werde, aber er werde
durch Hängen hingerichtet werden, und dann sollten die Vögel sein Fleisch
fressen.
1Mo 40,20-23
Die Auslegung erwies sich als wahr, denn innerhalb dreier Tage setzte der Pharao
an seinem Geburtstag den Mundschenk wieder ein, aber den Bäcker ließ er
hinrichten. Josef war jedoch im Gefängnis vergessen worden.
Dennoch war die entscheidende Tatsache für Josef, daß er Träume richtig
auslegte. Er verstand die Offenbarung Gottes an ihn nicht falsch. Vielleicht
verstand er nicht, warum er im Gefängnis saß, aber er wurde in seinem Glauben
ermutigt. Der Mundschenk vergaß ihn , aber Gott vergaß ihn nicht. In dieser
Hoffnung hatte Josef einen beharrlichen Glauben. Sein Glaube wurde nicht durch
die Begleitumstände zerstört.
c. Josefs Auslegung der Träume des Pharao
( 41,1-40 )
Gott benutzte daraufhin zwei Träume, um Josef aus dem Elend des Gefängnisses zur
Pracht des Hofes emporzuheben. Josef hatte sich Gott gegenüber als treu und
damit zum Dienst geeignet erwiesen.
1Mo 41,1-8
Die beiden Träume des Pharao verursachten diesem großen Kummer, besonders, weil
keiner der Weisen Ägyptens sie erklären konnte (V. 8 ). Gott benutzte einen
israelitischen Sklaven, um die Weisheit Ägyptens zunichte zu machen. Später war
in den Tagen Moses ein anderer Pharao in der Hand von Gottes Macht.
Die ägyptische Färbung ist in diesen Träumen offensichtlich. Kühe stehen gerne
halb im Nil im Ried, um vor der Hitze und den Fliegen zu flüchten. Sie kommen
dann aus dem Wasser heraus, um zu weiden. Der beunruhigende Teil des ersten
Traumes war, daß sieben häßliche und magere Kühe heraufkamen und die sieben
fetten Kühe verschlangen .
Der zweite Traum beinhaltete eine ähnliche Botschaft. Sieben volle Getreideähren
an einem Halm wurden von sieben dünnen und verdörrten Getreideähren
verschlungen, die nach ihnen aufschossen .
Die Wahrsager gehörten zu einer Zunft, die mit dem Umgang der Ritualbücher der
Magie und der Priesterkunst vertraut war. Trotzdem konnten sie die Träume des
Pharaos nicht deuten. Später war eine Zunft weiser Männer in Babylon ebenfalls
nicht in der Lage, den Traum eines Königs, nämlich Nebukadnezars, zu deuten, und
Gott benutzte einen anderen hebräischen Sklaven, Daniel, um zu zeigen, daß, wie
mächtig ein Volk auch immer sein kann, es noch immer unter Gottes souveräner
Kontrolle ist ( Dan 2 ).
1Mo 41,9-27
Man ließ Josef aus dem Gefängnis kommen, als der Mundschenk sich daran
erinnerte, daß Josef die Gabe der Traumdeutung besaß. Als nun Josef vor dem
Pharao stand (rasiert, wie es ägyptische Sitte war, und in frischgewechselten
Kleidern), erklärte er, daß die Deutung allein Gott zustände (vgl. 1Mo 40,8 ).
Nachdem der Pharao beide Träume noch einmal erzählt hatte ( 1Mo 41,17-24; vgl.
V. 1-8 ), wiederholte Josef seine Anschauung, indem er erklärte, daß Gott dem
Pharao bekannt mache, was er vorhatte (V. 25-27 ).
1Mo 41,28-32
Beide Träume prophezeiten, daß sieben Jahren des Reichtums sieben Jahre
schlimmen Hungers folgen würden. Darüberhinaus erklärte Josef: Daß der Traum in
zwei Spielarten kam, bedeutet, daß er von Gott kommt und bald zur Durchführung
kommen wird. Während Gott mit Josef handelte, müssen mehrere Dinge durch dessen
Kopf gegangen sein: seine beiden eigenen Träume ( 1Mo 37,5-7.9 ), seine zwei
Gefängnisaufenthalte ( 1Mo 37,24;39,20 ), die beiden Träumer im Gefängnis ( 1Mo
40,5-23 ) und nun die zwei Träume des Pharao.
1Mo 41,33-36
Gottes Offenbarung erforderte eine Antwort. So gab Josef dem Pharao den Rat,
einen weisen Mann auszusuchen, der darüber wachen sollte, daß 20 Prozent des
Getreides in
jedem der Jahre des Reichtums für die kommenden Jahre des Hungers als Vorrat
angelegt würden. Die Weisheitsliteratur lehrt, daß weise Vorausplanung ein
grundlegendes Prinzip praktischen Lebens ist.
1Mo 41,37-40
Der Mann, den der Pharao für eine solche Aufgabe als fähig ansah, war Josef, in
dem der Geist Gottes war. Jahrhunderte später wurde Daniel aus demselben Grund
auserwählt, der dritthöchste Herrscher in Babylon zu sein ( Dan 5,7.16 ).
Josef war in all den kleinen Dinge, die Gott ihm geschickt hatte, treu gewesen.
Nun sollte er der Herrscher über ganz Ägypten unter dem Pharao werden.
d. Josefs Erhebung
( 41,41-57 )
1Mo 41,41-46
Der Siegelring , den der Pharao Josef gab, war ein Ring mit einem Siegel, um
damit Dokumente zu unterzeichnen. Wenn man das Siegel auf ein weiches
Tondokument drückte, das dann hart wurde, ließ es einen unauslöschlichen
Eindruck des Herrschersiegels zurück und trug so das Zeichen seiner Autorität.
Der Pharao kleidete Josef in leinene Kleider und mit einer goldenen Halskette,
machte ihn zum zweiten Mann nach dem Pharao und ließ ihn in dem zweiten Wagen
fahren, so daß jedermann ihm huldigen konnte. Als ein Zeichen für Josefs neue
Stellung gab der Pharao Josef eine Frau, Asenat , aus der priesterlichen Familie
von On (eine Stadt, die ein Zentrum der Sonnenverehrung war und sieben Meilen
nördlich von Kairo lag. Sie war auch als Heliopolis bekannt). Er gab Josef auch
einen ägyptischen Namen, Zafenat-Paneach (die Bedeutung ist unbekannt). 13 Jahre
nachdem Josef von seinen Brüdern verkauft worden war ( 1Mo 37,2 ), gab ihm seine
Position die Möglichkeit, ausgedehnte Reisen quer durch Ägypten zu machen. ( Ps
105,16-22 spricht von der Zeit Josefs im Gefängnis, seiner Freilassung und
seinem Aufstieg zur Macht.)
1Mo 41,47-52
Dann wurden die Träume des Pharaos erfüllt. Das Land brachte sieben Jahre
überreiche, ja unermeßliche Ernten hervor. Josef sammelte sie in Lagern in den
ägyptischen Städten und übte im ganzen Land absolute Autorität aus.
Trotz seines Erfolges verließ er sein israelitisches Erbe nicht.
Bezeichnenderweise gab er seinen beiden Söhne hebräische Namen. Manasse (vergiß)
bedeutete, daß Gott ihn das Elend seiner Trennung von seiner Familie vergessen
ließ. Ephraim (fruchtbar) bedeutete, daß Gott ihn in dem Land Ägypten fruchtbar
gemacht hatte.
1Mo 41,53-57
Josefs Weisheit trug Früchte, denn die sieben guten Jahre wurden tatsächlich von
sieben Hungerjahren abgelöst, und sowohl die Ägypter als auch die Menschen in
anderen Ländern kamen, um aus den Lagerhäusern in ganz Ägypten Getreide zu
kaufen .
Am Ende hatte Josef die Macht in Ägypten inne. Gottes Offenbarung an ihn durch
die Träume hatte sich erfüllt.
4. Der Umzug nach Ägypten
( 42,1-47,27 )
Die folgenden Erzählungen machen deutlich, daß Gott die Hungersnot benutzte, um
Israel nach Ägypten unter die Herrschaft von Josef zu bringen. Das Volk sollte
dort etwa 400 Jahre bleiben, so wie Gott es Abram prophezeit hatte ( 1Mo 15,13
). Israel konnte sich damit trösten, daß trotz seiner Gefangenschaft Gott es
eines Tages ermächtigen würde, über Ägypten zu triumphieren.
a. Der erste Besuch der Brüder in Ägypten
( 1Mo 42 )
1Mo 42,1-5
Die Hungersnot war weitverbreitet und herrschte auch in Kanaan. Daher sandte
Jakob seine Söhne nach Ägypten hinab, um Nahrung zu kaufen - alle seine Söhne
außer Benjamin , denn er wollte nicht noch den anderen Sohn Rahels verlieren.
Seine Weigerung, diesen Jungen loszuschicken, macht offenbar, was für einen
Verdacht Jakob mittlerweile hegte. Josefs Schicksal war nicht ans Licht
gekommen, aber die Eigenschaften der Brüder waren dem alten Mann bekannt.
Vielleicht würden sie Benjamin auch wieder ein Leid antun.
1Mo 42,6-17
Josef , der seine Brüder erkannte, prüfte sie, indem er sie viermal
anschuldigte, daß sie Spione seien (V. 9.12.14.16 ). Er behandelte sie rauh (V.
7.30 ), aber unter seiner Strenge verbarg sich Liebe, wie die spätere
Wiedervereinigung deutlich macht. Ironischerweise sprachen die Brüder zu jemand,
den sie für tot hielten ( der eine ist nicht mehr ; V. 13 ).
Ihre Anwesenheit in Ägypten bestätigte die Wahrheit der Träume Josefs, aber
nicht ihre Erfüllung. Josef wußte, daß die ganze Familie nach Ägypten unter
seine Herrschaft kommen mußte. Er forderte, daß einer von ihnen ihren kleinen
Bruder als Beweis dafür herbrächte, daß sie keine Spione seien. Sie im Gefängnis
zurückzuhalten war eine interessante Wendung der Ereignisse, weil die Brüder
damals Josef in ein »Brunnen-Gefängnis« geworfen hatten.
1Mo 42,18-24
Nach einer dreitägigen Haft der Brüder änderte Josef seinen Plan und gab zu
verstehen, daß er nur einen im Gefängnis festhalten werde, während die anderen
neun zurückkehren dürften. Er hielt Simeon zurück (V. 24 ), während die anderen
mit dem Getreide nach Hause nach Kanaan zurückkehrten. Wenn sie nicht mit ihrem
jüngsten Bruder wiederkämen, sollte Simeon getötet werden. Ein Sinn für Strafe
begann in den Brüdern zu erwachen, einen Sinn, den Josefs Ruf um Gnade (V. 21 )
und Jakobs Tränen ( 1Mo 37,34-35 ) nicht erwecken konnten. Sie spürten, daß
Benjamin gegen den Wunsch ihres Vaters nach Ägypten zurückzubringen, die Strafe
dafür war, daß sie Josef verkauft hatten. Jakob war seither immer voller Kummer
gewesen, nun hatten sie selbst Kummer. Als sie so redeten, waren sie sich nicht
bewußt, daß Josef sie verstand, denn er benutzte einen Übersetzer. Als er ihre
Reue sah, wurde er davon berührt und er kehrte sich ab und weinte (vgl. 1Mo
43,30; 45,2.14; 50,1.17 ).
1Mo 42,25-28
Als ein weiteres Mittel, die Furcht Gottes (vgl. V. 18.28.35 ) in seinen Brüdern
zu erwecken, hatte Josef ihr Silber (mit dem sie das Getreide gekauft hatten) in
ihre Säcke gelegt. Ob er nun vorgesehen hatte, daß sie das Geld unterwegs oder
erst zu Hause entdecken sollten, so war der erste Schock doch wirksam. Das
bereits hochgekommene Gefühl der Schuld führte schnell dazu, daß die Gruppe die
Hand Gottes im Handeln des Herrschers sah. So war die Frage: Was hat uns Gott da
angetan? immerhin schon eine fruchtbare Reaktion auf die Schwierigkeiten. Sie
spürten offensichtlich, daß Josef sie des Diebstahls anklagen würde, und das
unterstützte wieder seine Behauptung, daß sie Spione seien.
1Mo 42,29-38
Als sie zuhause in Kanaan ankamen, erzählten die neun Brüder Jakob, was
geschehen war. Jakob war voller Kummer, weil er dachte, ein weiterer Sohn sei
nun tot ( Simeon ist nicht mehr ) und weigerte sich, Benjamin mitgehen zu
lassen. Ruben, der Älteste, versuchte seinen Vater damit zu beruhigen, daß er
Benjamin sicher wieder zurückbrächte. Das ist Ironie, denn Ruben hatte den
Verlust von Josef nicht verhindern können ( 1Mo 37,21-22 ). Aber Jakob lehnte es
ab, Benjamin ziehen zu lassen. Er sagte, wenn seinem Jüngsten etwas zustieße,
müßte er seine restlichen Tage Leid haben. Dasselbe hatte er gesagt, als er von
Josefs »Tod« gehört hatte ( 1Mo 37,35 ).
Josefs Prüfungen waren in Gottes Plan, den Samen Abrahams zu segnen, von
Bedeutung. Gott beabsichtigte, die Familie nach Ägypten zu bringen, so daß sie
dort zu einem großen Volk anwachsen konnte. Aber es war notwendig, daß die
Menschen, die nach Ägypten kamen, dem Herrn treu waren. Es war notwendig, daß
die Brüder geprüft wurden, bevor sie an dem Segen Gottes teilhaben konnten.
Josefs Anstöße mußten fein sein; die Brüder mußten die Hand Gottes spüren, die
sich gegen sie wandte, so daß sie ihr Verbrechen gegen Josef und ihren
vorherigen Unglauben in seine Träume eingestanden. Aber eine Prüfung war nicht
ausreichend; es waren zwei erforderlich.
b. Der zweite Besuch der Brüder in Ägypten
( 1Mo 43 )
1Mo 43,1-7
Die Hungersnot hielt an, und Jakobs Familie brauchte mehr Getreide. Diesmal
mußte jedoch Benjamin mit ihnen nach Ägypten gehen. Juda erinnerte seinen Vater
daran, daß ihre lange Reise nach Ägypten ohne Benjamin umsonst sein würde. Jakob
zögerte selbstverständlich; sein Schelten ( warum habt ihr dem Mann gesagt, daß
ihr noch einen Bruder habt? ) war ein Versuch, der Entscheidung zu entrinnen,
vor der ihm graute. Dennoch mußte er Benjamin freigeben, damit sie nach Ägypten
zurückkehren konnten. Andernfalls würden sie alle vor Hunger sterben.
1Mo 43,8-14
Juda überwand den toten Punkt mit einem herzlichen, persönlichen Schritt und bot
an, die Schuld auf sich zu nehmen, wenn Benjamin nicht zurückkehren würde. Juda
(Jakobs vierter Sohn; 1Mo 29,31-35 ) hatte Erfolg, wo Ruben versagt hatte ( 1Mo
42,37 ), und Benjamin zog mit seinen Brüdern hinab nach Ägypten.
Interessanterweise war Juda derjenige, der den Plan aufgebracht hatte, Josef
nach Ägypten zu verkaufen ( 1Mo 37,26-27 ). Nun mußte er mit seinem Vater darum
handeln, um Benjamin zu bekommen, damit er Josef sähe.
Jakob empfahl, daß sie einiges vom besten Ertrag dem Mann als Geschenk bringen
sollten, einschließlich Balsam, Honig, Gewürze und Myrrhe, Pistazien und Mandeln
. Offensichtlich waren diese Delikatessen in Ägypten nicht zu haben (vgl. 1Mo
37,25 ). Sie nahmen auch den doppelten Betrag Silber mit und kehrten mit dem
zurück, was sie zuvor in ihren Geldbeuteln gefunden hatten. Jakob fand sich mit
dem hohen Risiko ab, möglicherweise einen dritten Sohn zu verlieren - zuerst
Josef, dann Simeon und nun vielleicht auch noch Benjamin.
1Mo 43,15-30
Die Brüder eilten nach Ägypten. Als sie ankamen, wurden sie zu Josefs Haus
gebracht. Sie fürchteten sich, weil sie meinten, daß sie gefangengenommen
würden. Als sie dem Haushalter Josefs von dem Silber erzählten, das sie in ihren
Säcken gefunden hatten, als sie von ihrer ersten Reise zurückkehrten, befahl
ihnen der Haushalter, keine Angst zu haben, weil ihr Gott ihnen das Geld gegeben
habe. Vielleicht hatte Josef mit dem Haushalter über den wahren Gott gesprochen.
Simeon wurde ihnen zurückgegeben (V. 23 ), und ein Mittagsmahl wurde für die 11
Gäste Josefs zubereitet. Als sie Josef ihre Geschenke übergaben, fielen sie in
Erfüllung des Traumes Josefs vor ihm nieder ( 1Mo 37,7 ). Josef, der seinen
Bruder Benjamin sah, konnte seine Freudentränen nicht zurückhalten. Benjamin war
ja sein richtiger Bruder; die anderen waren Halbbrüder. So wie zuvor ging er
beiseite, als er mit ihnen gesprochen hatte ( 1Mo 42,24 ) und weinte.
1Mo 43,31-34
Bei dem Mahl führte Josef ihnen etwas Seltsames vor. Die geheimnisvolle
Genauigkeit der Sitzordnung ( von dem Erstgeborenen zu dem Jüngsten ) erhöhte
ihr unbehagliches Empfinden, Gegenstand göttlichen Eingreifens zu sein.
Überhaupt wurden die Brüder bei all den Ereignissen dieses Besuches mit dem
gnädigen Handeln Gottes durch diesen »Ägypter« konfrontiert (V. 16.27.29.34 ).
Das Kapitel ist ein Vorgeschmack auf zukünftige Ereignisse, denn, wie Josef
später sagte ( 1Mo 45,5 ), sandte Gott ihn vor ihnen herab, um sie inmitten der
Hungersnot zu versorgen.
c. Die Prüfung durch Josef
( 1Mo 44 )
1Mo 44,1-13
Josef, der bereits glänzenden Erfolg darin gehabt hatte, während der beiden
Besuche Spannungen aufzubringen, vollführte nun sein Meisterstück. Er prüfte
ihre Wertschätzung Benjamins, um sie ihre Sünde erkennen zu lassen. Wenn sie
diese Prüfung nicht bestanden, wenn sie kein Mitleid mit diesem zweiten Sohn
Rahels empfänden, dann hätten sie auch keinen Anteil an der Erfüllung der
Verheißungen erlangt. Gott konnte noch einmal beginnen und Josef zu einem großen
Volk machen, wenn die anderen sich als dessen unwürdig erwiesen (vgl. 2Mo 32,10
).
Die Prüfung schloß folgendes mit ein: Das Silber der Männer in ihren Säcken (so
wie es bei der ersten Rückreise geschehen war), Josefs eigener silberner Becher
in Benjamins Sack und dann ihre Verfolgung, um Benjamin gefangenzunehmen. Als
der Haushalter sie einholte und sie des Diebstahls bezichtigte, schuf er
vorsätzlich unter ihnen Spannung, indem er den Sack des Ältesten zuerst öffnete
und mit dem des Jüngsten endete. Er wußte natürlich, daß der silberne Becher in
Benjamins Sack war. Die plötzliche Bedrohung Benjamins war wie ein Schwert, das
ihr Herz durchbohrte (vgl. Salomos Plan; 1Kö 3,16-28 ). Alle Umstände waren für
einen weiteren Verrat vorhanden, als Benjamin beschuldigt wurde. Dennoch zeigt
ihre Antwort diesmal, daß die Züchtigung ihr Werk getan hatte. Sie zerrissen
ihre Kleider im Kummer (vgl. Hi 1,20 ), eine Reaktion, die sie vorher bei ihrem
Vater über den Verlust Josefs hervorgerufen hatten ( 1Mo 37,34 ).
1Mo 44,14-17
Die Brüder kehrten zurück und warfen sich wieder vor Josef nieder (V. 14 ; vgl.
1Mo 37,7; 43,26.28 ). Josef benutzte möglicherweise nicht wirklich Weissagung,
um ihren Verrat aufzudecken ( 1Mo 44,5.15 ). Er könnte einfach darauf verwiesen
haben, um die Ehrfurcht seiner Brüder vor ihm zu steigern. Juda, der wieder der
Sprecher war, bekannte, daß Gott ihre Schandtat aufgedeckt hatte und erklärte,
daß sie alle Josefs Sklaven seien. Aber Josef verkündigte, daß, so wie der
Haushalter gesagt hatte (V. 10 ), nur der »Schuldige« sein Sklave sein sollte.
Die anderen könnten nach Hause zurückkehren.
1Mo 44,18-34
Juda trat für den Knaben ein; sein langes Plädoyer, an Stelle von Benjamin
gefangengesetzt zu werden, ist eine der großartigsten und bewegendsten Bitten.
Sie bewies sein Mitleid mit seinem Vater, der sicherlich sterben würde, wenn
Benjamin nicht mit ihnen zurückkehrte (V. 31.34 ; vgl. 1Mo 42,38 ).
So legten die Brüder dar, daß sie ihre Sünde gegen ihren Bruder Josef bereut
hatten (»Gott hat die Schuld deines Knechtes aufgedeckt«; 1Mo 44,16 ). Sie
bewiesen auch ihr Mitleid mit ihrem Vater und ihrem jüngsten Bruder Benjamin. So
gab sich Josef ihnen daraufhin ( 1Mo 45,1-15 ) zu erkennen und brachte sie und
ihre Familien nach Ägypten, um dort zu leben, wo Nahrung war ( 1Mo 45,16-47,12
).
d. Die Versöhnung der Brüder mit Josef
( 45,1-15 )
1Mo 45,1-8
Mit einem Gefühlsausbruch gab sich Josef seinen Brüdern zu erkennen. Das (V. 2 )
war nun das dritte von fünf Malen, daß er über seine Brüder geweint hatte ( 1Mo
42,24; 43,30;45,14; 50,17; vgl. 1Mo 50,1 ). Die Brüder waren von der Nachricht
wie betäubt und aus Angst, daß Josef sie töten könnte, unfähig zu sprechen. In
diesem Abschnitt vervollständigen starke Gefühle, gute geistliche Einsicht und
eine Erörterung das Werk der Versöhnung, das bis hierher eine harte Prüfung
verlangt hatte. Es war die Aufgabe eines weisen Mannes gewesen, und über einen
langen Zeitraum hinweg erfüllte Josef die Aufgabe auf wunderbare Weise.
Josef erklärte, daß Gott ihn souverän nach Ägypten gebracht hatte, um ihre
Errettung von der Hungersnot vorzubereiten. Seine Worte bilden eine klassische
Aussage über göttliche Führung. Gott hat mich vor euch hergesandt ( 1Mo 45,5 ).
Ihr habt mich nicht hergesandt, sondern Gott (V. 8 ; vgl. V. 9 ). Die
Sicherheit, daß Gottes Wille, nicht der des Menschen, die Wirklichkeit in jedem
Ereignis überwacht, schimmert als Grundlage der Versöhnung hindurch. Zweifellos
hatte sich Josef selbst viele Male mit diesem Glaubensgrundsatz getröstet. Der
geistliche Mensch kann die Hand Gottes in jedem Ereignis erkennen und ist
deshalb in der Lage, denen zu vergeben, die ihm Unrecht tun.
1Mo 45,9-13
Josef wies darauf seine Brüder an, ohne Aufschub zu Jakob zurückzueilen (vgl.
schnell in V. 13 ) und ihn von Josefs Macht in Kenntnis zu setzen (als
»Herrscher über Ägypten«, 1Mo 45,8 ,und Herr über ganz Ägypten , V. 9 ), dem im
ganzen Land Ägyptens Ehre zu erweisen war (V. 9.13 ). Die ganze Familie mußte
nach Ägypten ziehen und in der Gegend von Goschen, einem fruchtbaren Gebiet im
Nildelta (vgl. den Kommentar zu 1Mo 47,1-12 ), unter der Herrschaft Josefs
wohnen, weil Gott den Weg durch alle Begleitumstände hindurch bereitet hatte.
1Mo 45,14-15
Endlich waren die Brüder wieder vereint, zuerst Josef und Benjamin, dann alle
von ihnen. Das waren bewegte Augenblicke, erfüllt vom Weinen (vgl. 1Mo 42,24;
43,30; 45,2 ) und dann erfüllt vom Gespräch. Ihr früherer Haß und ihr Neid auf
Josef ( 1Mo 37,4.8.11 ) waren nun verschwunden.
e. Der Wegzug der Familie
( 45,16-47,12 )
1Mo 45,16-24
Den Brüdern wurden Anweisungen gegeben, Jakobs gesamte Familie nach Ägypten zu
bringen. Der Pharao selbst wies sie an zurückzukehren, bot ihnen das Beste des
Landes Ägypten an, versorgte sie mit Karren, um ihre Familienmitglieder
zurückzubringen (vgl. 1Mo 46,5 ) und versprach ihnen das Beste des Landes
Ägyptens .
Josef versorgte seine Brüder reichhaltig für ihre Reise, auch mit Kleidung,
Nahrung und für Jakob mit den besten Dingen Ägyptens. Als sie fortzogen, wies
Josef seine Brüder an, auf dem Weg nicht zu streiten. Es war nicht die Zeit der
Anklagen und Beschuldigungen. Es war eine Zeit der freudigen Wiedervereinigung.
Dennoch wußte Josef, daß sie sich auf dem Heimweg entzweien konnten.
1Mo 45,25-28
Zuerst war Jakob wie gelähmt vor Unglauben über den Bericht seiner Söhne, daß
Josef noch lebte. Aber als er dann ihre Geschichte hörte und sah, was Josef ihm
alles geschickt hatte, war Jakob überzeugt und beschloß unverzüglich, dorthin zu
ziehen und seinen Sohn aufzusuchen.
Diese fürstliche Einladung Jakobs, des alten Patriarchen, der dem Ende der
Hoffnung nahe war und die Einladung der zehn mit Schuld beladenen Brüder war in
ihrem Leben ein Wendepunkt und die Erfüllung der Prophezeiung Gottes ( 1Mo
15,13-16 ), daß sie in einem fremden Land in die Absonderung gehen und ohne ihre
Identität zu verlieren, sich vermehren sollten.
1Mo 46,1-7
Jahre vorher war Abram während einer Hungersnot in Kanaan nach Ägypten gezogen (
1Mo 12,10 ). Nun zogen der Enkel Abrams, Jakob, und 11 Urenkel (Josef, der
bereits dort war, nicht mitgerechnet) dorthin. Gott beruhigte Jakob über seine
Reise nach Ägypten. Nachdem er Hebron verlassen hatte (vgl. 1Mo 37,14 ), war
sein erster Halt Beerscheba , wo er dem Gott Isaaks ein Opfer brachte . Es war
Beerscheba, wo Isaak gelebt hatte und von wo Jakob wegging, um dem Zorn Esaus zu
entkommen ( 1Mo 28,10 ).
Darauf hatte Jakob in der Nacht ein Gesicht von dem Herrn. Der Herr wiederholte
die Verheißung, daß er seine Familie zu einem großen Volk hier in Ägypten machen
würde, und erklärte, daß er das Volk wieder zurückbringen werde . Gott hatte
Isaak angewiesen, nicht nach Ägypten zu ziehen ( 1Mo 26,2 ), aber nun befahl er
Jakob, dorthin zu gehen. Das Gesicht, das den Patriarchen beruhigte, ermutigte
auch das Volk Israel, als Mose sie ermunterte, das Land Ägypten zu verlassen und
nach Kanaan zurückzukehren, um die Verheißung Gottes zu empfangen.
1Mo 46,8-27
In dem Bericht des Zuges nach Ägypten ist eine Aufzählung der Nachkommen Jakobs
eingeschlossen. In Vers 26 wird die Zahl der Nachkommen mit 66 benannt,
wohingegen in Vers 27 die Zahl bei 70 liegt. Die erste Zahl steht für
diejenigen, die mit Jakob nach Ägypten zogen, und die zweite Zahl schließt die
Kinder und Enkel mit ein, die bereits in Ägypten waren. Die folgende
Tabellarisierung zeigt, wie diese Personen bestimmt werden:
Leas Kinder und Enkelkinder (V. 15 ) 33
Zilpas Kinder und Enkelkinder (V. 18 ) 16
Rahels Kinder und Enkelkinder (V. 22 ) 14
Bilhas Kinder und Enkelkinder (V. 25 ) 7
Zusammen: 70
Dina (V. 15 ) +1
Zusammen: 71
Er und Onan (starben in Kanaan,V. 12 );
Josef und seine 2 Söhne bereits in Ägypten (V. 20 ) -5
Alle, die mit Jakob nach Ägypten zogen (V. 26 ) 66
Josef, Manasse, Ephraim und Jakob (V. 27 ) +4
Jakob und seine Familie (V. 27 ) 70
Aus diesen 70 (die die beiden Söhne Josefs einschlossen, die in Ägypten geboren
worden waren, V. 20.27 ; vgl. 1Mo 41,50-52 ) sollte das Volk Israel erwachsen.
(In der Urgemeinde erwähnte Stephanus 75 Mitglieder der Familie Jakobs; vgl. den
Kommentar zu Apg 7,14 .)
1Mo 46,28-34
Endlich, nach 22 Jahren (vgl. die Tabelle »Chronologie von Salomo zurück bis
Josef« zu 1Mo 39,1-6 a) waren Josef und Jakob wieder vereint. Ihre Reaktion war
beiderseitige Freude. Noch einmal weinte Josef (vgl. 1Mo 42,24; 43,30;
45,2.14-15 ), was ja nur verständlich war. Das letzte Mal hatte Josef seinen
Vater gesehen, als er 17 Jahre alt gewesen war ( 1Mo 37,2 ). Jakob genügte es,
seinen Sohn lebend zu sehen, denn er war derjenige, der als Erbe ausersehen war,
derjenige, den Gott auserwählt hatte, um über die Familie zu regieren. Also war
es mehr als eine Wiedervereinigung der Familie; es war eine Bestätigung, daß die
verheißene Segnung Gottes unberührt geblieben war.
Josef ermunterte seine Familie, vor dem Pharao hervorzuheben, daß sie
Viehzüchter, keine Schafhirten waren, weil die Ägypter letztere verachteten.
Josef war wie auch sonst nicht darauf erpicht, die ägyptischen Bräuche und
Vorlieben über den Haufen zu werfen (vgl. 1Mo 41,14; 43,32 ). Dennoch
antworteten fünf Brüder nicht mit derselben Diplomatie ( 1Mo 47,3 ).
1Mo 47,1-12
Der Pharao gab Jakobs Familie den besten Teil des Landes , nämlich Goschen (vgl.
1Mo 45,10 ) und verlieh sogar einigen der Brüder die Aufsicht über seine eigenen
Herden ( 1Mo 47,6 ). Goschen wird in den alten ägyptischen Schriften nicht
erwähnt, aber der Name, den die Gegend später trug, war das Gebiet von Ramses
(V. 11 ; vgl. 2Mo 1,11 ). Dieser Umstand zusammen mit der Tatsache, daß die
Gegend fruchtbar war und nahe bei Josef am Hof lag, deutet darauf hin, daß sie
im östlichen Teil des Nildeltas lag.
Als Jakob dem Pharao vorgeführt wurde, gestand der Patriarch ein 130jäh- riges
Leben voll Kummer ein . Für ihn war es eine Wanderschaft gewesen. Sowohl als
Jakob eintrat, als auch als er fortging, segnete er den Pharao . Es ist
interessant, daß das Volk Israel in einem fremden Land, einem Land mit einer
anderen Kultur, dem Pharao Gottes Segen wünschte.
f. Die Weisheit der Herrschaft Josefs
( 47,13-27 )
1Mo 47,13-27
Josef erwies sich als ein weiser Verwalter im Lande Ägypten, so daß unter seiner
Amtsgewalt die Menschen vom Hungertod bewahrt blieben und der Wohlstand des
Pharao zunahm. Der Herrscher zu dieser Zeit war Sesostris III. (1878-1843
v.Chr.).
Beim Verkauf von Nahrung an das Volk während der Hungersnot, die sehr schwer
war, nahm Josef Geld und Vieh (Pferde, Schafe, Ziegen, Rinder und Esel) als
Bezahlung an und schließlich auch das ganze Land Ägypten selbst, ausgenommen das
Land der Priester. Als das Land erst einmal dem Pharao gehörte, wies Josef die
Leute an, Samen zu säen, den er ihnen gegeben hatte. Seine einzige Bedingung
war, daß der Pharao ein Fünftel allen Ertrages erhalten sollte. Mit einem Wort:
Die Menschen überlebten, aber sie wurden (ausgenommen die Priester) Leibeigene
des Pharao .
Dennoch gediehen die Israeliten im Lande Goschen und vermehrten sich stark.
So segnete Gott sein Volk gemäß der Verheißung, die er Abraham gegeben hatte.
Sie wurden schnell zu einem großen Volk. Darüberhinaus segnete Gott den Pharao,
weil er den Samen Abrahams mit dem Besten Ägyptens gesegnet hatte. Später, in
der Zeit Moses, als ein anderer Pharao Israel unterdrückte, verfuhr Gott mit den
Ägyptern hart.
5. Vorsorge für das Andauern der verheißenen Segnungen
( 47,28-50,26 )
In diesem letzten Abschnitt des Buches wenden sich die Berichte der Zukunft der
Nachkommen Abrahams zu.
a. Die Segnung Ephraims und Manasses
( 47,28-48,22 )
Aus der langen Laufbahn Josefs wählte der Schreiber des Hebräerbriefes diese
Segnung der Söhne Josefs durch den Patriarchen als dessen große Glaubenstat aus
( Hebr 11,21 ). Es war sein Streben nach der Fortdauer der Verheißung Gottes im
Angesicht des Todes. Ironischerweise ist dies genau das, was er einst durch
Betrug erreicht hatte ( 1Mo 27 ). Noch einmal wurde der Segen an den Jüngeren
gegeben, aber dieses Mal gab es keine Intrige oder Bitterkeit. Es war eine
Glaubenstat.
1Mo 47,28-31
Jakob lebte 17 Jahre in Ägypten (vgl. V. 9 ) bis zum Alter von 147 Jahren.
(Abraham starb im Alter von 175 Jahren; 1Mo 25,7-8; und Isaak mit 180 Jahren;
1Mo 35,28 .) Wenn das Jahr des Wegzugs Jakobs nach Ägypten 1876 v.Chr. war (vgl.
die Tabelle »Chronologie von Salomo zurück bis Josef« zu 1Mo 39,1-6 a), dann
starb Jakob im Jahr 1859. Seine Geburt 147 Jahre zuvor gehört dann in das Jahr
2006 v.Chr. (vgl. die Tabelle »Chronologie der Patriarchen«). Am Ende seines
Lebens redete Jakob Josef zu, zu schwören, daß er ihn dort begraben würde, wo
seine Väter begraben worden waren (vgl. 1Mo 49,29-33 ). Er bezog sich dabei
selbstverständlich auf die Höhle von Machpela, die Abraham erworben hatte ( 1Mo
23 ). Da Jakob wünschte, daß Josef ihm versicherte, daß er sein Versprechen
durchführen würde, bat er seinen Sohn, seine Hand unter seine Hüfte zu legen
(vgl. den Kommentar zu diesem Brauch zu 1Mo 24,1-9 ). Sogar, als er sich dem Tod
näherte, betete Jakob (hier wird er Israel genannt) an.
1Mo 48,1-4
Jakob, krank, aber aufrecht im Bett sitzend, wiederholte, wie Gott, der
Allmächtige ( ?El Sadday ; vgl. den Kommentar zu 1Mo 17,1 ) ihm bei Lus
erschienen war, das Jakob Bethel nannte, und ihm den Segen eines unzählbaren
Volkes im Land als einen immerwährenden Besitz verhieß (vgl. 1Mo 28,10-22 ). Die
Worte dieser Verheißung hatten dem Patriarchen durch seine ganze Wanderschaft
hindurch Hoffnung geschenkt, so wie sie die Hoffnung in dem Volk erwecken
würden, das aus ihm hervorging. Es hatte Gottes sicheres Wort.
1Mo 48,5-7
Jakob gab das Erstgeburtsrecht an Josef, indem er Ephraim und Manasse, Josefs
Söhne ( 1Mo 41,51-52 ), in den Rang erstgeborener Söhne erhob und gab Josef so
ein doppeltes Erbteil. Sie ersetzten auf diese Weise Ruben und Simeon, die
beiden ersten Söhne Jakobs, die Lea geboren worden waren (vgl. 1Chr 5,1-2 ). Die
Anerkennung der Söhne Josefs hatte Jahre später in den Tagen Josuas ( Jos 16-17
) Auswirkungen auf die Verteilung des Landes der Verheißung. Jakobs Erhebung der
Söhne Josefs wurde durch seine Erinnerung an Rahel, seine Lieblingsfrau,
veranlaßt, die im Lande Kanaan gestorben war (vgl. 1Mo 35,16-20 ).
1Mo 48,8-14
Als Josef seine beiden Söhne vor den betagten Patriarchen brachte, wurde der
Segen erteilt. Wie Isaak gab Jakob seinen Segen, als sein Augenlicht schwach
geworden war. Aber beim Segen überkreuzte Israel seine Hände, so daß seine
rechte Hand auf Ephraims Haupt und seine linke auf Manasse lag, obwohl Manasse,
der Erstgeborene , normalerweise mit der rechten Hand gesegnet werden sollte. Es
war Jakobs Entscheidung trotz der Weisung Josefs. Josef erwartete wie so viele
andere, daß Gott auf eine bestimmte Art und Weise wirkte, aber er stellte fest,
daß es Gott häufig gefällt, auf andere Weise zu wirken und manchmal sogar auf
unkonventionelle Art vorzugehen. Aber der Glaube erkennt, daß Gottes Wege nicht
des Menschen Wege sind. Jakob brauchte sein Leben lang Erziehung, um diese
Tatsache zu lernen. Aber er lernte sie, und nun segnete er den Jüngeren vor dem
Älteren. In vier hintereinanderfolgenden Generationen folgte man diesem
umgekehrten Weg: Isaak wurde über Ismael gesetzt, Jakob über Esau, Josef über
Ruben und Ephraim über Manasse.
1Mo 48,15-20
Als Jakob Josef segnete, gebrauchte er eine dreifache Anrufung Gottes (V. 15-16
): (a) der Gott, der mit seinen Vätern Abraham und Isaak im Bundesverhältnis
gestanden hatte (eine Tatsache, die viele Male Jakobs Glauben gefestigt hatte,
1Mo 28,13; 31,5.42; 32,10; 46,3 ), (b) der Eine, der auf dem ganzen Weg sein
Hirte gewesen war (vgl. 1Mo 49,24; Ps 23,1 ) und (c) der Engel (vgl. den
Kommentar zu 1Mo 16,7 ), der ihn von allem Übel erlöst hatte. Das Hebräische
Wort gA?al , mit »erlöst« übersetzt, drückt den Schutz und die Heilung aus, die
Jakob aus den Bedrückungen heraus erfahren hatte. Mit diesen ungewöhnlichen
Beschreibungen Gottes betete Jakob um Gottes gnädigen Segen für die Jungen. Hier
erhält man eine Ahnung von Jakobs Glauben.
Als Josef sah, daß sein Vater Ephraim vor Manasse segnete, legte er Widerspruch
ein. Aber Jakobs Worte: Ich weiß, mein Sohn, ich weiß , drückten das Vertrauen
seines Glaubens aus: er segnete gemäß dem göttlichen Plan, nicht gemäß der
üblichen Sitte. Er hatte erfahren, daß trotz allem, was der Mensch unternimmt,
Gott ihn, den Jüngeren, gesegnet hatte. Das führte er nun bei Josefs Söhnen
fort. Jahre später wurde Ephraim ein führender Stamm im nördlichen Königreich
und stand weit über dem Stamm Manasse , so wie Jakob es vorausgesagt hatte.
1Mo 48,21-22
Mit der Überzeugung, daß Gott sie zurück in das Land der Verheißung bringen
würde , erklärte Jakob, daß Josef ein doppelter Teil gehören sollte. Man könnte
hier die Übersetzung bevorzugen »Und ich gebe dir einen Teil mehr als deinen
Brüdern«. Das hebräische Wort für »Teil« heißt SeKem , ein Wortspiel mit dem
Namen der Stadt Sichem. Später wurde Josef in Sichem begraben ( Jos 24,32 ) als
ein Zeichen, daß er dieses vererbte Land besessen hatte. Jakob hatte
offensichtlich dieses Stück des Landes von den Amoritern (Kanaanitern des
Berglandes) erobert, obwohl dies die einzige Erwähnung einer solchen Eroberung
in der Bibel ist. Jakob hatte dort einen Brunnen gegraben (vgl. Sychar, Joh
4,4-5 ).
b. Die Weissagung Jakobs über die Stämme
( 49,1-28 )
Ein grundlegendes Prinzip in Gottes System ist es, daß das Leben und das Wesen
der Patriarchen Folgen für ihre Nachkommen hatte. Gott bewirkt die vielfältigen
Geschicke seines Volkes in Übereinstimmung mit ihren Unterschieden auf
moralischem Gebiet. 1Mo 49 vermittelt einen flüchtigen Einblick in solch einen
Plan Gottes. Dieses Kapitel beinhaltet die letzten der vielen großen
Weissagungen über das Geschick der Menschen in 1.Mose - Segnungen,
Verfluchungen, Gerichtssprüche und Verheißungen. Jakob, der im Glauben stand und
Gottes Bundeswerkzeug war, blickte der Eroberung und Besiedlung Israels im Lande
Kanaan und darüberhinaus einem ruhmreicheren Zeitalter entgegen.
Gott gab seinem Volk diese Prophezeiung, um sie durch die trostlose Dürre ihrer
Erfahrungen durchzutragen und um ihnen zu zeigen, daß er die ganze Zukunft
geplant hatte. Für Jakobs Familie lag die Zukunft jenseits der Gefangenschaft in
Ägypten in dem Land der Verheißung. Aber die Freude am Segen dieser Hoffnung war
von der Treue der Beteiligten abhängig. So beurteilte Jakob seine Söhne einen
nach dem anderen von dem feierlichen Ernst seines Sterbebettes aus und übertrug
seine Beurteilung auf die zukünftigen Stämme.
1Mo 49,1-2
Jakob rief seine Söhne an sein Bett und teilte ihnen mit, daß er ihnen verkünden
wollte, was aus ihnen in den vor ihnen liegenden Tagen werden sollte. Seine
Worte waren eine reiflich überdachte prophetische Weissagung.
1Mo 49,3-4
Jakob überhäufte Ruben , seinen Erstgeborenen , mit Lob, das in sich
zusammenbrach, als er ankündigte, daß Ruben seines Vaters Bett befleckt hatte.
Das bezog sich ganz deutlich auf Rubens Ehebruch mit Jakobs Nebenfrau Bilha (
1Mo 35,22 ). Ruben hatte Anrecht auf das Führeramt und auf ein doppeltes Erbteil
( 1Chr 5,1-2 ), doch weil er den unbeherrschten Drang von aufwallendem Wasser
hatte ( ungestüm wie das Wasser ), würde er als Anführer versagen. In der Zeit
der Richter ( Ri 5,15-16 ) wurde der Stamm Ruben durch Unentschlossenheit
gekennzeichnet.
1Mo 49,5-7
Simeon und Levi waren Männer der Gesetzlosigkeit ( Gewalt ) und nicht der
Gerechtigkeit, Männer von unkontrolliertem Zorn und von Wut, die Menschen und
Tiere mißachteten. Dies war Gottes Beurteilung des Hinschlachtens der Sichemiter
( 1Mo 34,25-29 ). Gott unterscheidet heiligen Krieg und Rache. Beide Stämme
wurden später zerstreut ( 1Mo 49,7 ). Simeon fiel zum großen Teil auseinander
(zumal sein Land innerhalb des Landes von Juda lag; Jos 19,1.9 ), aber Levi
wurde eine ehrhafte Zerstreuung gewährt, weil es der Stamm der Priester wurde (
Jos 21 ).
1Mo 49,8-12
In seiner Weissagung prophezeite Jakob eine wilde, löwenhafte Herrschaft Judas
über seine Feinde und über seine Brüder, die ihn preisen sollten. Es findet sich
hier ein Wortspiel auf den Namen Juda, der »Lob« bedeutet (vgl. 1Mo 29,35 ). Die
Weissagung drehte sich um das Wort bis ( 1Mo 49,10 b). Wenn der Verheißene, der
die Völker regiert, erscheint, wird der Schauplatz zu einem irdischen Paradies
werden. Diese Verse nehmen das Königtum in Juda vorweg, das in der Herrschaft
des Messias seinen Höhepunkt findet (vgl. den Stamm Judas in Offb 5,5 ), in
welcher die Völker ihm gehorchen werden.
Der dritte Teil von 1Mo 49,10 kann auch übersetzt werden »bis Schilo kommt«.
Zahlreiche Quellen, einschließlich der Targum (aramäische Übertragung des AT)
verstehen »Schilo« als Bezeichung für den Messias. Dennoch sollte das hebräische
Wort SIlOh übersetzt werden mit »dem es gehört«, also: das Zepter wird nicht von
Juda weichen, bis der kommt , dem es (nämlich das Zepter) gehört. Ähnlich heißt
es in Hes 21,32 an die Adresse des letzten Königs von Juda: »bis der kommt, dem
sie (gemeint ist die Krone, Hes 21,31 ) rechtmäßig gehört«.
1Mo 49,13-15
Sebulon sollte vom Seehandel leben (auch wenn es später nicht direkt am
Mittelmeer wohnte, vgl. Jos 19,10-11 ). Issachar würde wie ein knochiger Esel
sein und gezwungen werden, für andere zu arbeiten. Issachar lebte später in der
fruchtbaren und lieblichen Ebene von Jesreel und wurde oft von Invasionsheeren
unterdrückt.
1Mo 49,16-17
Dan zeigt eine andere Verteilung zwischen Berufung und Anmaßung (vgl. V. 3-4 ).
Dan sollte Gerechtigkeit schaffen (»Dan« bedeutet »Richter«), zog aber den
Betrug vor, der mit einer Schlange am Weg verglichen wird. Zur Zeit der Richter
trat der erste größere Fall von Götzendienst im Stamm Dan auf (vgl. Ri 18,30 ).
1Mo 49,18
Jakob warf die Bitte um Errettung durch den Herrn dazwischen. So wie er auf den
Herrn angewiesen war, galt dies auch für seine Söhne.
1Mo 49,19-21
Drei der sechs hebr. Wörter in Vers 19 sind ein Wortspiel mit dem Namen »Gad«
(»Angriff«): Gad wird von Scharen angegriffen werden und er wird sie angreifen .
Das Verb gADaD bedeutet »einbrechen in« oder »angreifen«. Der Stamm Gad erlebte
später in seinem Siedlungsgebiet an der Ostseite des Jordans Grenzüberfälle
(z.B. 1Chr 5,18-19 ).
Aser sollte fruchtbar sein und produktiv, um reichlich Nahrung zu produzieren.
Dieser Stamm ließ sich dann an der fruchtbaren Nordküste Kanaans nieder.
Naftali sollte ein freies Berbervolk werden, das mit einer Hirschkuh verglichen
werden kann. Debora sang später vom Stamm Naftali, dessen Männer ihr Leben »auf
der Höhe im Feld« ( Ri 5,18 ) ließen. Der Stamm siedelte nordwestlich des See
Kinneret in Galiläa.
1Mo 49,22-26
Diese Weissagung ist überschwenglicher als alle anderen, da hier der größte Teil
des Segens lag (vgl. 1Chr 5,1-2 ). Jakob leitete die Verheißung der
Fruchtbarkeit von dem Namen des Sohnes Josefs, Ephraim, ab, der fruchtbar
bedeutet und verhieß ausführlich den Sieg ( 1Mo 49,23-24 a) und den Reichtum (V.
25 b) der beiden Stämme Josefs. Josua, Debora und Samuel, die alle dem Stamm
Ephraim angehörten, siegten in der Schlacht ebenso wie Gideon und Jefta, die zum
Stamm Manasse gehörten. In diesen Versen finden sich viele wunderschöne
Gottesbezeichnungen: der allmächtige Eine Jakobs, der Hirte (vgl. 1Mo 48,15 ),
der Fels Israels, der Gott eurer Väter, der Allmächtige ( Sadday ; vgl. ?El
Sadday , 1Mo 17,1 ), der, der segnet mit Segnungen des Himmels oben (z.B. Regen
für das Getreide) und mit Segnungen der Tiefe unten (z.B. Flüsse und Brunnen mit
Wasser) und mit Segnungen der Brüste und des Mutterleibes (d.h. mit zahlreichem
Nachwuchs). Jakob legte auf Josef die größeren Verheißungen, weil er der Fürst
unter seinen Brüdern war (vgl. 1Mo 41,41 ).
1Mo 49,27-28
Die Weissagung über Benjamin beschreibt einen Stamm mit gewalttätigem Geist: ein
reißender Wolf, der zerreißt (vgl. die Grausamkeit der Benjaminiter in Ri 20 und
des Benjaminiters Saul in 1Sam 9,1-2;19,10;22,17 ).
Die Weissagung über die Söhne Jakobs erfüllt eine ähnliche Funktion wie die
Weissagung über die Söhne Noahs ( 1Mo 9,24-27 ). Beide schauen am Ende eines
Zeitalters prophetisch in die Zukunft der Söhne.
c. Der Tod und das Begräbnis Jakobs
( 49,29-50,14 )
1Mo 49,29-33
Noch einmal wird das Grab eines Patriarchen wichtig, als Jakob Josef anwies, ihn
bei seinen Vätern in Kanaan und nicht in Ägypten zu begraben (vgl. 1Mo 47,29-30
). Darin lag seine Hoffnung. Bei der Höhle von Machpela (von Abraham gekauft,
1Mo 23,3-20 ) bei Hebron waren Sara ( 1Mo 23,19 ), Abraham ( 1Mo 25,8-9 ), Isaak
( 1Mo 35,27-29 ), Rebekka (Isaaks Frau, 1Mo 49,31 ) und Lea (Jakobs erste Frau,
V. 31 ) begraben worden.
So starb Jakob nach 147 Jahren ( 1Mo 47,28 ) der Mühsal: Sein Kummer hatte ein
Ende gefunden. Schwächen hatte er viele; Sünden nicht wenige. Aber Jakob hatte
ein unstillbares Verlangen nach dem Segen Gottes. Er war von einer tiefen
Frömmigkeit, die trotz aller widrigen Umstände auf Gott vertraute. Am Ende starb
er als ein Mann mit echtem Glauben. Er lernte in seinem Leben die Quelle der
wahren Segnungen kennen und kämpfte mit Gott und Menschen, um das Vorrecht zu
erhalten, den Segen an seine Söhne weitergeben zu dürfen.
1Mo 50,1-6
Nachdem Josef über dem toten Körper seines Vaters geweint hatte (vgl. die
anderen Stellen, die vom Weinen Josefs berichten: 1Mo 42,24; 43,30; 45,2.14;
50,17 ), befahl er, daß Jakobs Körper für das Begräbnis in typisch ägyptischer
Weise einbalsamiert werden sollte. Die Zeit der Salbung war selten kürzer als
einen Monat und dauerte normalerweise 40 Tage. Die Ägypter trauerten um Jakob 70
Tage - zweieinhalb Monate -, gerade nur zwei Tage weniger als die übliche
Trauerzeit für einen Pharao. Das zeigt die hohe Achtung, die die Ägypter für
Josef hatten. Nach der Trauerzeit bat Josef den Pharao und erhielt die
Erlaubnis, seinen Vater in der Höhle von Machpela in Kanaan zu begraben.
1Mo 50,7-9
Josef führte eine große Prozession, einschließlich ägyptischer Würdenträger,
Josefs Familie und Brüder und Wagenlenker nach Kanaan, um seinen Vater zu
begraben. Josef war zum ersten Mal nach 39 Jahren wieder in seiner Heimat (er
war 22 Jahre in Ägypten gewesen, bevor Jakob dorthin zog, und Jakob lebte danach
noch weitere 17 Jahre). Jahrhunderte später verließen die Kinder Israel wieder
Ägypten und nahmen die Gebeine des Patriarchen Josef mit sich. Hier war jedoch
der Aufenthalt im Land der Verheißung nur vorübergehend; das Grab war ein
Anrecht auf das Land der Verheißung. Gott hatte Jakob verheißen, daß er ihn in
das Land zurückbringen und daß Josef ihn begraben werde ( 1Mo 46,4 ).
1Mo 50,10-14
Auf dem Weg gab die siebentägige Trauer der Hinterbliebenen auf einer Tenne nahe
des Jordans Anlaß, den Ort Abel-Mizrajim zu benennen, was »Wiese ( ?ABEl ) der
Ägypter« bedeutet. Ein Wortspiel legt jedoch »Trauer ( ?EBel ) der Ägypter«
nahe. Die Kanaaniter erkannten, daß dies ein großes Ereignis war. Die folgende
Reise nach Ägypten war das vierte Mal, daß die Mehrheit der Brüder nach Ägypten
reiste. Es war zugleich das zweite Mal für Josef.
d. Die Zusicherung der Erfüllung der Segnung
( 50,15-26 )
1Mo 50,15-21
Nun, da Jakob tot war, baten die Brüder, die Bedenken hatten, daß Josef mit
ihnen wegen ihrer Missetaten (vgl. 1Mo 45,3 ) hart verfahren könnte, um
Vergebung. Noch einmal (vgl. 1Mo 44,33 ) sprachen sie von sich als Sklaven
Josefs (vgl. 1Mo 37,7 ). Aber Josef (nachdem er geweint hatte; vgl. 1Mo 42,24;
43,30; 45,2.14; 50,1 ) versicherte ihnen (indem er zweimal sagte: Fürchtet euch
nicht , V. 19.21 ; vgl. 1Mo 43,23 ), daß alles, was geschehen war, zu Gottes
Plan gehörte, um die Erfüllung der verheißenen Segnung zu ermöglichen (vgl. 1Mo
45,5.7-9 ). Josef versprach auch noch einmal, sie zu versorgen (vgl. 1Mo 45,11 )
und sprach freundlich mit ihnen.
1Mo 50,22-26
Josef starb ebenfalls in Ägypten. Wie seine Väter vor ihm, ließ er seine Brüder
versprechen, daß seine Gebeine bei der großen Errettung (V. 24-25 ; vgl. 2Mo
13,19; Jos 24,32; Hebr 11,22 ) aus dem Land Ägypten gebracht werden sollten.
Diese Errettung, so versicherte er ihnen, sollte geschehen, wenn Gott sie
besuchen würde, um seine Verheißungen an ihren Vätern zu erfüllen.
Josef lebte solange, daß er noch seine Ururenkel von Ephraim und seine Urenkel
von Manasse zu sehen bekam. Er setzte sie bei ihrer Geburt auf seine Knie. Diese
Geste bedeutete, daß sie zu ihm gehörten (vgl. Hi 3,12 ). Josef starb mit 110
Jahren und wurde wie Jakob gesalbt. (Abraham wurde 175 Jahre alt, 1Mo 25,7;
Isaak 180, 1Mo 35,28 ,und Jakob 147, 1Mo 47,28 .) 1.Mose schließt mit der
Verheißung des Landes, die noch unerfüllt war und mit der Erwartung eines
Besuches aus der Höhe im Zusammenhang stand. Josefs Worte, die einmal wiederholt
werden, fassen erstaunlicherweise die Hoffnung zusammen, die im ganzen AT und
auch im NT ausgedrückt wird: Gott wird euch sicher zu Hilfe kommen ( 1Mo
50,24-25 ). So lebte die Gemeinschaft der Gläubigen in der Erwartung dieses
Besuches des verheißenen Samens, des Messias, der den Fluch beenden und
tatsächlich die langerwartete Segnung Gottes schaffen sollte.
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