ACG
C.I.S.
DER ERSTE BRIEF DES PAULUS AN DIE THESSALONICHER
Verfasser: Paulus Thema:
Das Wiederkommen Christi Datum der Niederschrift: ca. 51 n. Chr.
DER ERSTE BRIEF AN DIE THESSALONICHER wurde von Paulus in Corinth
geschrieben,
kurz nach seiner Abreise von Thessalonich (Ap. 17, 1-10: 18, 1);
es war wahrscheinlich einer der ersten inspirierten Briefe des Paulus.
Der Apostel hatte Thessalonich auf seiner zweiten Missionsreise besucht und
hatte an drei
aufeinanderfolgenden Sabbaten in der Synagoge gepredigt (Ap. 17, 1-9).
Weil eine heftige Verfolgung ausgebrochen war, wurde er um seiner persönlichen
Sicherheit willen fortgeschickt (Ap. 17, 5-10).
Die Veranlassung des ersten Thessalonicherbriefes war das Kommen des
Timotheus,
den Paulus von Athen aus nach Thessalonich gesandt hatte (3. 1-2).
Der gute Bericht, den Timotheus über den Glauben und die Liebe der
Thessalonicher brachte und ihr zartes
Gedenken an den Apostel veranlaßten Paulus, diesen bewegenden und vertraulichen
Brief zu schreiben,
in dem er sie wegen ihrer Festigkeit lobt, sie an die Wahrheit erinnert,
die er sie gelehrt hat,
und Klarheit gibt in einigen Fragen, die sie über das Wieder kommen des Herrn
hatten,
wie Timotheus berichtet hatte.
Das Thema des Briefes ist vierfach: es geht Paulus darum:
(I)
die Neubekehrten in Thessalonich in den Grundwahrheiten zu befestigen, die
sie schon gehört hatten:
(2)
sie zu einem Leben in persönlicher Heiligkeit, zum Wohlgefallen des Herrn zu
ermahnen:
(3)
sie zu trösten bei dem Verlust derer, die gestor ben waren: und
(4)
sie zu unterweisen in ihrer eigenen Hoffnung auf die Wiederkunft des
Herrn.
In je dem Kapitel, sowohl des 1. wie des 2. Thessalonicherbriefes, wird das
Kommen des Herrn in besonderer Weise erwähnt.
Der Reichtum des Unterrichts des Paulus wird klar durch die Tatsache,
daß der Apostel während eines Monats diese Gläubigen nicht nur zu Christus
geführt hatte,
sondern daß er sie auch in vielen großen Lehren des Glaubens unterwiesen hatte
(vgl. 1, 4, Fußnote).
Der Brief kann folgendermaßen eingeteilt werden:
Einleitung, 1,1-4.
I. Die vorbildliche Gemeinde und die drei Zeitformen des christlichen Lebens, 1,
5-10.
II. Der vorbildliche Diener und seine Beloh nung, 2.
III. Der vorbildliche Bruder und seine Heiligung, 3.
IV. Der vorbildliche Wandel und die Hoffnung des (gläubigen, 4.
V. Der vorbildliche Wandel und der Tag des Herrn, 5, 1-24. Schluß, 5,
25-28.
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ACG
Der erste Brief an die Thessalonicher
Die Stadt Thessalonich liegt im Norden des Ägäischen
Meeres, am Thermaischen Golf. Sie war seinerzeit eine führende Stadt der
römischen Provinz Mazedonien. Ihre Einwohner waren größtenteils Thraker.
Thessalonich war eine wohlhabende und große Stadt, und eine Zeitlang war sie das
einflußreichste Zentrum im nordöstlichen Teil des Römischen Reiches. Weil sie
ein großer Handelsumschlagplatz war, hatten sich dort viele Juden angesiedelt,
so daß in der Stadt eine blühende Synagoge bestand.
(Apg 16,39-40). Über diese Erfahrung schreibt Paulus in
seinem ersten Brief an die Thessalonicher: »Denn ihr selbst wißt, Brüder, daß
unser Eingang bei euch nicht vergeblich war; sondern nachdem wir vorher gelitten
hatten und mißhandelt worden waren, wie ihr wißt, in Philippi, wurden wir
freimütig in unserem Gott, das Evangelium Gottes zu euch zu reden unter viel
Kampf« (1Thes 2,1-2). Als Paulus dann Philippi mit Silas (Silvanus) und
Timotheus verlassen hatte, blieben sie auf der Via Egnatia, jener berühmten
römischen Straße, und erreichten Thessalonich. Unterwegs waren sie durch
Amphipolis und Apollonia gekommen. Nach ihrer Ankunft in Thessalonich folgte
Paulus seiner Gewohnheit und besuchte die Synagoge.
Infolge des Zeugnisses des Apostels entstand sogleich
eine Gemeinde: »Und einige von ihnen ließen sich überzeugen und gesellten sich
zu Paulus und Silas, und eine große Menge von den anbetenden Griechen und nicht
wenige der vornehmsten Frauen« (Apg 17,4). Hieraus ersehen wir, daß eine Menge
Juden davon überzeugt wurden, daß der Herr Jesus der Christus ist und sie ihn
deshalb als ihren Heiland und Herrn annahmen. Die Gemeinde bestand jedoch zum
größten Teil aus anbetenden Griechen. Sie hatten den Götzendienst aufgegeben und
waren jüdische Proselyten geworden. Sie waren davon überzeugt, daß das Heidentum
falsch war, sie suchten das Licht Gottes und meinten, es durch den Gottesdienst
in der Synagoge zu finden. Aus dieser Gruppe glaubte eine große Zahl. Die dritte
erwähnte Gruppe waren Frauen, die eine vornehme Stellung innehatten. Auch von
ihnen glaubten einige. Die Briefe, die Paulus an die Gemeinde in Thessalonich
schrieb, zeigen ebenfalls den Charakter der Geschwister, die sich dort
versammelten. Daß sie mehrheitlich ursprünglich Heiden waren, geht aus der
Aussage hervor, daß sie sich von den Götzen zu Gott bekehrt hatten (1Thes 1,9).
Die Sünden, vor denen er warnt (1Thes 4,1-8), wurden größtenteils von den
Griechen begangen; und sie gehörten wohl größtenteils zu den Armen, zu der mit
ihren Händen arbeitenden Gesellschaftsschicht (1Thes 4,11).
Wann und zu welchem Zweck wurde der 1.Thessalonicherbrief
geschrieben?
Der 1.Thessalonicherbrief ist der erste Brief überhaupt,
den Paulus schrieb. Selbst die schärfsten Kritiker geben zu, daß der Brief
authentisch ist. Irenäus legt etwa 140 n. Chr. Zeugnis für diesen Brief ab. Es
gibt außer dem Inhalt des Briefes, der schlüssig belegt, daß Paulus sein
Verfasser ist, noch viele andere historische Beweise. Wir brauchen ihnen in
dieser kurzen Einleitung nicht nachzugehen. Die englische Bibel (Authorized
Version) hat am Briefende ein Postskriptum: »geschrieben von Athen«. Dies
gründet sich auf die Aussage des Apostels in Kapitel 3,1-2 : »Deshalb, da wir es
nicht länger aushalten konnten, beschlossen wir, allein in Athen
zurückzubleiben, und wir sandten Timotheus, unseren Bruder und Mitarbeiter
Gottes in dem Evangelium des
Christus, um euch zu stärken und zu trösten eures Glaubens wegen.« So vermutete
man, daß Timotheus den Thessalonichern diesen Brief überbracht habe. Das ist
jedoch falsch, denn der Brief wurde geschrieben, nachdem Timotheus von seinem
Besuch in Thessalonich zurückgekehrt war. Das belegt der sechste Vers des
dritten Kapitels: »Da jetzt aber Timotheus von euch zu uns gekommen ist und uns
die gute Botschaft brachte von eurem Glauben und eurer Liebe, und daß ihr uns
allezeit in gutem Andenken habt und sehr verlangt, uns zu sehen.« Timotheus kam
mit der guten Nachricht von dem glücklichen Zustand der Gemeinde in Thessalonich
von dort zurück und schloß sich in Korinth wieder dem Apostel an (Apg 18,5).
Paulus schrieb diesen ersten Brief also um das Jahr 52 oder vielleicht ein paar
Monate später aus Korinth.
Der Apostel war genötigt, seinen Dienst in Thessalonich
vorzeitig abzubrechen wegen der Verfolgungen, die in dieser Stadt ausgebrochen
waren. »Die Brüder aber sandten sogleich in der Nacht sowohl Paulus als Silas
nach Beröa« (Apg 17,10). Er muß empfunden haben, daß die Neubekehrten weiterer
Unterweisungen bedurften. Darüber schreibt er in dem Brief: »Wir aber, Brüder,
da wir für kurze Zeit von euch verwaist waren, dem Angesicht, nicht dem Herzen
nach, haben wir uns um so mehr mit großem Verlangen bemüht, euer Angesicht zu
sehen. Deshalb wollten wir zu euch kommen - ich, Paulus -, nicht nur einmal,
sondern zweimal, und der Satan hat uns gehindert« (Kap. 2,17.18). Um sie
inmitten der Verfolgungen und in ihrem Schmerz zu trösten und sie in ihren
Kämpfen zu ermutigen, wurde er vom Heiligen Geist dazu angeleitet, diesen ersten
Brief zu schreiben. Timotheus hatte ihm die Nachricht über die Bedrängnis, die
sie erlitten, überbracht. Insbesondere waren sie durch den Tod einiger Gläubiger
beunruhigt. Sie trauerten um die Verstorbenen beinahe wie solche, die keine
Hoffnung haben, denn sie fürchteten, daß diese Abgeschiedenen kein Anteil an der
Herrlichkeit und an dem Reich des wiederkommenden Christus haben würden. In
seinem Brief ging es Paulus daher hauptsächlich darum, sie von ihren Sorgen zu
befreien und ihnen weiteres Licht über das Kommen des Herrn in bezug auf solche,
die entschlafen waren, und deren Wiedervereinigung mit den noch Lebenden zu
geben. Außerdem tröstet er die Thessalonicher mit Belehrungen über das, was
geschehen wird, wenn der Herr für die Seinen wiederkommt.
Die glückselige Hoffnung der Wiederkunft des Herrn nimmt
in diesem Brief einen herausragenden Platz ein. In unseren Tagen hören wir
häufig die Meinung, daß das Kommen unseres Herrn eine unwesentliche Lehre sei.
Wer eine solche Behauptung aufstellt, ignoriert die Tatsache, daß diese
glückselige Hoffnung ein ureigener Bestandteil des Evangeliums ist. Christliche
Verkündigung und Lehre, die die glückselige Hoffnung, das Wiederkommen des Herrn
ignoriert, ist unvollständig. Sie übergeht eine der wichtigsten Wahrheiten, die
der Geist Gottes mit dem Evangelium und mit dem Leben und Dienst des Gläubigen
verknüpft hat. Der erste Brief, den der große Apostel schrieb, ist dafür ein
kräftiger Beweis. In diesem Brief wird eine der größten Offenbarungen im Wort
Gottes hinsichtlich der Wiederkunft des Herrn entfaltet (Kap. 4,13-18), lehrhaft
entwickelt, und auch praktisch mit dem Christenleben verbunden. Jedes Kapitel
legt darüber Zeugnis ab (1,9-10; 2,19-20; 3,13; 4,13-18; 5,1-11). Christen
warten auf ihren Herrn; sie dienen in der Erwartung seiner Wiederkunft, denn
dann wird jeder Dienst belohnt und der Diener gekrönt werden. Jesu Wiederkunft
ist der Ansporn zu einem heiligen Leben. Sie gibt den Gläubigen Trost und
Zuversicht. Wenn der Herr Jesus wiederkommt und die Seinen ihm in Wolken
entgegen entrückt werden, so wird dies der Welt das Gericht bringen, mit dem sie
nicht rechnet. Der zweite Brief wirft zusätzliches Licht auf die sichtbare
Erscheinung des Herrn und auf das, was diesem Ereignis vorausgehen wird. Ebenso
werden die Begleitumstände angedeutet, wenn der Herr Jesus mit seinen heiligen
Engeln kommt. Auch wird das Schicksal derer, die dem Evangelium nicht gehorcht
und nicht die Liebe zur Wahrheit angenommen haben, im zweiten Brief offenbart.
I. DIE GEMEINDE DER THESSALONICHER UND IHR GESEGNETER,
GUTER ZUSTAND (1)
KAPITEL 1
1.
Grüße und Danksagung (1,1-4)
2.
Das Evangelium und seine gesegneten Früchte (1,5-7)
Verse 1-4. Paulus, Silvanus und Timotheus waren den
Thessalonichern bekannt, denn sie waren bei ihnen gewesen. Sie waren die
Werkzeuge, die Gott dazu benutzt hatte, ihnen das Evangelium zu bringen. Paulus
bezeichnet sich hier nicht als Apostel. In neun von seinen Briefen gebraucht
Paulus seinen apostolischen Titel. Im Römerbrief und im Titusbrief nennt er sich
auch »Knecht Jesu Christi« und »Knecht Gottes«. Im Philipperbrief spricht er von
sich selbst und Timotheus als »Knechten Christi Jesu« (Phil 1,1). Im Brief an
Philemon läßt er sein Apostelamt ebenfalls weg, weil dieser Brief ein privater
Brief war. Als er an die Galater und die Korinther schreibt, betont er
ausdrücklich seinen apostolischen Titel und seine Autorität, weil diese
Gemeinden von falschen Lehrern beeinflußt worden waren, die seine apostolische
Berufung in Frage stellten. Da dieses Problem in Thessalonich nicht bestand,
erinnert er die Gemeinde auch nicht daran, daß er ein Apostel ist. Er protzte
nicht mit seinem Titel und erwähnte ihn nur dann, wenn die Wahrheit, die er
verkündigte und die er von dem Herrn empfangen hatte, in Zweifel gezogen wurde.
Verse 5-7. Als nächstes erwähnt der Apostel das
Evangelium und das, was es unter ihnen bewirkt hatte: »Denn unser Evangelium
erging an euch nicht im Wort allein, sondern auch in Kraft und im Heiligen Geist
und in großer Gewißheit« (Vers 5). Paulus, Silvanus und Timotheus hatten ihnen
die gute Botschaft von einem vollen und freien Heil durch den Glauben an den
Herrn Jesus Christus verkündigt, und die Verkündigung war in göttlicher Kraft
geschehen. Gott hatte das Evangelium in den Herzen der Thessalonicher wirksam
werden lassen und sie lebendig gemacht, so daß jene große Umgestaltung
stattfinden konnte, durch die sie vom Tod zum Leben übergingen; als sie so
glaubten, empfingen sie den Heiligen Geist, der ihnen völlige Heilsgewißheit
schenkte. Hier haben wir die göttliche Heilsordnung: Der Mensch hört die
Botschaft des Evangeliums und glaubt ihr; der Geist Gottes offenbart seine Kraft
in der Bekehrung und Versiegelung derer, die glauben, und die Folge ist: Sie
haben die volle Gewißheit der Wahrheit in ihrer ganzen segensreichen Kraft und
Realität. Doch das Evangelium wurde von dem Apostel und seinen Mitarbeitern
nicht nur unter den Thessalonichern gepredigt; die auserwählten Werkzeuge
bezeugten es auch durch ihr Leben und ihren Wandel: »Ihr wißt ja, als was für
Leute wir um euretwillen unter euch auftraten « (Vers 5). Sie waren lebendige
und gesegnete Zeugen der Kraft des Evangeliums, das sie verkündigten. Ihr
heiliger Wandel, ihre Selbstverleugnung, ihr Friede und ihre Ruhe hatten eine
segensreiche Wirkung auf die Gläubigen in Thessalonich zur Folge. Weil die
Verkünder dem Herrn Jesus Christus treu nachfolgten, wurden als ihre Nachfolger
auch die Thessalonicher zu Nachahmern des Herrn, indem sie »das Wort in viel
Bedrängnis mit Freude des Heiligen Geistes aufgenommen« haben (Vers 6). Und
dadurch wurden sie wiederum all denen, die in Mazedonien und Achaja geglaubt
hatten, zu Vorbildern (Vers 7). Diese schlichte Beschreibung bezeugt uns die
gesegnete Offenbarung der realen Kraft des Evangeliums.
KAPITEL 2
2.
Danksagung für die Annahme der Botschaft und der ihr entgegengebrachte
Widerstand (2,13-16)
3.
Die Erwartung der Ankunft des Herrn (2,17-19)
Verse 1-12. Der Apostel führt nun die folgende kurze
Aussage im vorherigen Kapitel näher aus: »Ihr wißt ja, als was für Leute wir um
euretwillen unter euch auftraten« (Kap. 1,5). Sein Verhalten und sein Charakter
und ebenso der seiner Mitarbeiter entsprachen völlig dem heiligen Charakter der
Wahrheit, die sie verkündigten. Sie wandelten würdig des Evangeliums und würdig
des Herrn (vgl. Kol 1,10). Zunächst erwähnt er die Leiden, die er mit Silvanus
in Philippi auf sich nehmen musste; sie waren dort schwer mißhandelt worden
(Vers 2). Man hatte sie entkleidet und mit Ruten geschlagen. Anschließend hatte
man sie in den Kerker geworfen, wo der Kerkermeister ihre Füße in dem Stock
befestigte (Apg 16,24). Die körperlichen Beschwerden, die eine solche Strafe zur
Folge hatte, müssen viele Tage angedauert haben; sie hinderten den Apostel und
seinen Mitarbeiter jedoch nicht daran, im Vertrauen auf Gott nach Thessalonich
zu gehen und dort das Evangelium zu verkündigen. Dort hatten sie ebenfalls »viel
Kampf« (1Thes 2,2). Und was für ein Zeugnis legt Paulus nun über ihr selbstloses
Verhalten ab, das sie in der Zeit, als sie bei den Thessalonichern waren, an den
Tag gelegt hatten! Ihre Ermahnung war kein Betrug oder Irrtum gewesen; sie war
auch nicht aus unlauteren Motiven oder mit Berechnung um eigener Interessen
willen erfolgt (Vers 3). Gott hatte sie für tauglich befunden und ihnen diesen
Dienst anvertraut. Dieser Tatsache waren sie sich völlig bewußt. So, wie sie von
Gott mit dem Evangelium betraut wurden, redeten sie. Sie brauchten sich nicht
besonderer Methoden zu bedienen, um erfolgreich zu sein; sie setzten ihr ganzes
Vertrauen auf Gott und auf die Botschaft, deren Verkündigung er ihnen befohlen
hatte. Daher war es ihr einziges Ziel, Gott zu gefallen, der die Herzen prüft,
und nicht Menschen (Vers 4). Sie waren auch niemals mit schmeichelnder Rede
aufgetreten, um die Thessalonicher zu gewinnen. Sie suchten auch keinen Vorwand
für Habsucht, etwa um ihnen mit schönen Worten Geld aus der Tasche zu ziehen.
Nicht nur die Thessalonicher konnten dies bezeugen, sondern Paulus konnte sogar
sagen: »Gott ist Zeuge« (Vers 5). Sie hatten weder Geld noch Ehre von Menschen
gesucht. Als Christi Apostel hätten sie gewichtig auftreten können (Vers 6).
Aber sie verzichteten darauf, ihre Autorität und Würde herauszustellen, obwohl
sie durchaus das Recht dazu gehabt hätten. Sie forderteten nichts von ihnen. Ihr
ganzes Betragen war von wahrer Demut und großer Selbstverleugnung geprägt (vgl.
Vers 7). Manch einer der »führenden« Evangelisten unserer Tage wird durch dieses
schöne Vorbild eines wahren Knechtes Gottes verurteilt. Was für Methoden wendet
man doch heute an, die sowohl Gott als auch das Evangelium verunehren! Wie oft
begegnet einem im Dienst dieser Leute blanke Habsucht! Wie sehr trachten manche
von ihnen danach, Menschen zu gefallen!
Die Thessalonicher wußten auch, was Leiden bedeutet. Sie
wurden Nachahmer der Gemeinden Gottes, die in Judäa waren in Christus Jesus.
Jene Gemeinden erlitten von den Juden Verfolgungen, die Thessalonicher erlitten
jedoch Verfolgung durch ihre eigenen Landsleute. Und was für eine ernste Anklage
bringt Paulus hier gegen seine eigenen Volksgenossen, die Juden, vor! Sie hatten
den Herrn Jesus und ihre Propheten getötet; sie verfolgten die Apostel (Vers
15). Und hiermit nicht zufrieden, versuchten sie auch zu verhindern, daß das
ihnen verhaßte Evangelium die Nationen erreichte und diese errettet würden. Das
Maß ihrer Sünden war nun voll, und »der Zorn ist endgültig über sie gekommen«
(Vers 16). Der große Apostel der Nationen, der berufen worden war, in die Ferne
zu den Nationen zu gehen, wird in diesem seinem Brief dazu gebraucht, das Urteil
über sein eigenes Volk auszusprechen, das beiseitegesetzt worden ist, »bis die
Vollzahl der Nationen hineingekommen sein wird« (Röm 11,25-26).
Verse 17-19. Paulus sehnte sich nach den
Thessalonichern. Da er für kurze Zeit von ihnen »verwaist« war, »dem Angesicht,
nicht dem Herzen nach«, empfand er eine große Sehnsucht, ihr Angesicht zu sehen
(Vers 17). Zweimal hatte er sie besuchen wollen, doch der Satan hatte ihn
gehindert (Vers 18). Wie der Feind ihn gehindert hatte, seinem Wunsch gemäß zu
handeln, wissen wir nicht. Vielleicht geschah es durch Krankheit (2Kor 12,7)
oder durch böse Menschen. Dann spricht er von jener Segenszeit, wo alle
Hindernisse ein Ende finden und wo Gottes Volk nicht mehr getrennt sein wird,
sondern solche, die am Wort gedient haben, und die Früchte ihrer Arbeit bei der
Ankunft des Herrn Jesus Christus vor ihm versammelt werden. »Denn wer ist unsere
Hoffnung oder Freude oder Ruhmeskranz - nicht auch ihr? - vor unserem Herrn
Jesus Christus bei seiner Ankunft?« (Vers 19). Hier erwähnt der Apostel erneut
die Wiederkunft des Herrn. Die vor dem Herrn Jesus Christus versammelten
Heiligen werden die Krone der Verherrlichung und der Freude für den treuen
Diener sein, der dann in der Gegenwart des Herrn, am Tag Christi, die Frucht
seiner Arbeit finden wird. Auf diese Vollendung in der Herrlichkeit lenkte
Paulus die Aufmerksamkeit der Thessalonicher hin, und er spricht von ihnen als
seiner Hoffnung und Freude und als seinen Ruhmeskranz.
III. DRANGSALE UND TROST
KAPITEL 3
1.Timotheus, der Botschafter des Paulus (3,1-5)
2. Seine Rückkehr mit guter Botschaft und der Trost und
die Freude des Apostels (3,6-10)
Verse 1-5. Des Apostels Sehnsucht nach den geliebten
Thessalonichern und seine Sorge um sie wurden so groß, daß er es nicht länger
aushalten konnte. Er entschied sich, in Athen allein zurück zu bleiben und
sandte Timotheus nach Thessalonich (Verse 1-2). Er wußte, daß sie in großer
Bedrängnis waren, und die Gefahr bestand, daß sie diese nicht ertragen konnten
und dann seine Arbeit vergeblich gewesen war (Verse 3-5). Deshalb sandte er
Timotheus, den er »unseren Bruder und Mitarbeiter Gottes in dem Evangelium des
Christus« (Vers 2) nennt. Seine Mission sollte dazu dienen, die Gläubigen zu
stärken und zu trösten ihres Glaubens wegen (Vers 2). Dies sollte, unter dem
Segen Gottes, ihre Standhaftigkeit zur Folge haben: »Daß niemand wankend werde
in diesen Bedrängnissen. - Denn ihr selbst wißt, daß wir dazu bestimmt sind«
(Vers 3). Solche Drangsale sind also das Los aller wahren Gläubigen. Tatsächlich
hatte er sie davor gewarnt, als er in ihrer Mitte war. »Denn auch als wir bei
euch waren, sagten wir euch vorher, daß wir bedrängt sein würden, wie es auch
geschehen ist und ihr wißt« (Vers 4). Diese Botschaft von den Drangsalen gehörte
zur apostolischen Verkündigung, wie wir aus Apostelgeschichte 14,22 erfahren:
»Sie stärkten die Seelen der Jünger und ermahnten sie, im Glauben zu verharren,
und sagten, daß wir durch viele Trübsale in das Reich Gottes eingehen müssen.«
Drangsale waren nun über die Thessalonicher gekommen,
und sie wurden schwer geprüft. Paulus wußte, daß sie in der Hand des Herrn waren
und daß seine Macht ausreichte, um sie zu bewahren. Dennoch hegte er ein großes
Interesse für sie und eine tiefe Besorgtheit um sie, denn er wußte auch um
Satans Macht: »Darum, da auch ich es nicht länger aushalten konnte, sandte ich
ihn, um euren Glauben zu erfahren, ob nicht etwa der Versucher euch versucht
habe und unsere Arbeit vergeblich gewesen sei« (Vers 5). Der Tag Christi, an dem
der Knecht seine Belohnung erhält und die Heiligen der »Ruhmeskranz« sind, steht
uns hier vor Augen. Wenn der Versucher Erfolg gehabt hätte, hätte der Apostel in
der Gegenwart des Herrn nicht jenen Ruhmeskranz erhalten
(Siehe 1.Jo 2,28 : »Und nun Kinder, bleibt in ihm, damit
wir, wenn er geoffenbart werden wird, Freimütigkeit haben und nicht vor ihm
beschämt werden bei seiner Ankunft.«) Während Timotheus unterwegs war, verließ
Paulus Athen, von wo aus er ihn nach Thessalonich gesandt hatte. Paulus ging
nach Korinth; dort erhielt er gute Nachrichten aus Thessalonich und schrieb, wie
wir in der Einleitung festhielten, nach der Rückkehr des Timotheus diesen ersten
Thessalonicherbrief (Apg 18,5).
Verse 6-10. »Da jetzt aber Timotheus von euch zu uns
gekommen ist und uns die gute Botschaft brachte von eurem Glauben und eurer
Liebe, und daß ihr uns allezeit in gutem Andenken habt und sehr verlangt, uns zu
sehen, wie auch wir euch« (Vers 6). Es war eine gute Botschaft, die Timotheus
Paulus brachte. Die Thessalonicher standen fest im Glauben; sie blieben in der
Liebe und hatten auch Paulus nicht vergessen. Ihre Herzen sehnten sich nach ihm,
wie auch seine eigene Seele verlangte, sie zu sehen. Inmitten der Drangsale, die
über sie gekommen waren, wurden sie durch den Segen des Herrn aufrecht gehalten.
Und wie ermunterte dies alles den Apostel! Er ist
dadurch getröstet worden. »Deswegen, Brüder, sind wir über euch bei all unserer
Not und Bedrängnis getröstet worden durch euren Glauben; denn jetzt leben wir
wieder auf, wenn ihr feststeht im Herrn« (Verse 7-8). Paulus hatte auch Nöte,
Bedrängnis und viel Trauer. Doch die gute Botschaft von den Thessalonichern
erquickte seinen Geist und erfüllte ihn mit neuer Energie. Als ein Knecht Gottes
identifizierte er sich so völlig mit denen, für die er arbeitete und die er
liebte, daß er sagen konnte: »Denn jetzt leben wir wieder auf, wenn ihr
feststeht im Herrn« (Vers 8). Er empfand, daß er Gott für sie und für all die
Freude, mit der er sich ihretwegen vor Gott freute, nicht genug Dank abstatten
konnte (Vers 9). Er flehte Nacht und Tag inständig, daß er ihr Angesicht sehen
und ihnen noch mehr helfen konnte, so daß das, was an ihrem Glauben noch fehlte,
vollendet würde. Im Bewußtsein seiner Abhängigkeit von Gott und dem Herrn Jesus
Christus, erwartete er, daß Gott seinen Weg zu ihnen richten würde (Vers 11).
»Welch ein Band ist doch das Band des Geistes! Wie wird
da die Selbstsucht vergessen, wie verschwindet sie in der Freude einer solchen
Liebe! Der Apostel wurde durch diese Liebe belebt. Anstatt durch ihre Ausübung
und durch die Freude, die sie an dem Glück anderer fand, zu ermüden, nahm sie
zu. Paulus wünschte sich, da er durch die Thessalonicher so gestärkt wurde, um
so mehr, sie wiederzusehen; doch jetzt nicht zu dem Zweck, sie zu befestigen,
sondern weiterzubauen auf dem Grund, der schon so fest gelegt war, und ihre
geistliche Belehrung zu vollenden, indem er ihnen mitteilte, was noch an ihrem
Glauben mangelte. Aber er war und sollte der Arbeiter sein und nicht der Herr
der Arbeit (Gott läßt uns das fühlen). Er hing bezüglich seines Werkes und der
Auferbauung anderer gänzlich von Gott ab. In der Tat vergingen Jahre, bevor er
die Thessalonicher wiedersah. Er blieb eine lange Zeit in Korinth, wo der Herr
ein großes Volk hatte; er besuchte Jerusalem aufs neue, dann ganz Kleinasien, wo
er früher gearbeitet hatte; von da ging er nach Ephesus, wo er beinahe drei
Jahre blieb; und erst danach sah er die Thessalonicher wieder, als er auf seiner
Reise von Ephesus nach Korinth seinen Weg durch Mazedonien nahm, um erst dann
nach Korinth zu kommen, als die dortigen Gläubigen sich wieder in einem
geordneten Zustand befanden« (John Nelson Darby).
Verse 11-13. Wir dürfen das Zeugnis über die Gottheit
unseres Herrn im elften Vers nicht übersehen: »Unser Gott und Vater selbst aber
und unser Herr Jesus richte unseren Weg zu euch.« Das Verb »richten « steht im
Griechischen im Singular. Gott der Vater und der Herr Jesus Christus sind in den
Gedanken des Apostels eins, obgleich sie als Personen klar unterschieden werden.
Der Vers ist ein auffälliger Beweis für die Einheit des Vaters mit dem Sohn.
Paulus betete: »Euch aber lasse der Herr zunehmen und
überreich werden in der Liebe zueinander und zu allen - wie auch wir euch
gegenüber sind« (Vers 12). Die Liebe ist das Band der Vollkommenheit und als
solches auch das wahre Mittel zur Heiligung, »um eure Herzen zu stärken,
untadelig in Heiligkeit zu sein vor unserem Gott und Vater bei der Ankunft
unseres Herrn Jesus Christus mit allen seinen Heiligen« (Vers 13). Hier wird die
Wiederkunft unseres Herrn zum dritten Mal in diesem Brief von Paulus erwähnt.
Zunächst sprach er vom Warten auf den Sohn Gottes vom Himmel her als einem
Kennzeichen eines wahren Gläubigen (1,9-10); dann lesen wir von der Sammlung der
Heiligen in der Gegenwart des Herrn, bei der der treue Diener seine Belohnung
empfangen wird (2,19-20), und nun wird noch eine weitere Etappe hinzugefügt. Der
Herr kommt mit allen seinen Heiligen; hier geschieht das Kommen nicht für seine
Heiligen, sondern mit ihnen, nämlich am Tag sowohl seines Offenbarwerdens als
auch des Offenbarwerdens aller Heiligen mit ihm. Von demselben Ereignis lesen
wir in Kolosser 3,4 : »Wenn der Christus, euer Leben, geoffenbart werden wird,
dann werdet auch ihr mit ihm geoffenbart werden in Herrlichkeit.« Paulus
schreibt auch in seinem zweiten Brief an die Thessalonicher darüber: »Wenn er
kommen wird, um an jenem Tage verherrlicht zu werden in seinen Heiligen und
bewundert in allen denen, die geglaubt haben; denn unser Zeugnis bei euch ist
geglaubt worden« (2Thes 1,10). Die Aussicht auf dieses zukünftige Offenbarwerden
in Herrlichkeit fordert einen Wandel in praktischer Heiligung, damit wir
»untadelig in Heiligkeit« sind vor unserem Gott und Vater. Sie ist Ansporn zu
einem heiligen Leben.
»Beim Lesen dieser Stelle muß uns auffallen, wie
unmittelbar und lebendig die Ankunft des Herrn mit dem täglichen praktischen
Leben verbunden wird, so daß das vollkommene Licht jenes Tages auf den täglichen
Pfad der gegenwärtigen Zeit fällt. Durch die Ausübung der Liebe sollten die
Thessalonicher befestigt werden in Heiligkeit vor Gott bei der Ankunft Christi.
Von einem Tag zum anderen harrten sie jenem Tag als der Vollendung und dem
einzigen Ziel des gewöhnlichen täglichen Lebens auf der Erde entgegen. Wie
brachte das die Seele in die Gegenwart Gottes! Überdies lebten die
Thessalonicher, wie ich schon angedeutet habe, in einem innigen Verhältnis zu
Gott, auf das ihr Vertrauen gegründet war. Er war ihr Vater; er ist auch der
unsrige. Ihr Verhältnis zum Herrn Jesus war ebenfalls innig. Die Heiligen sind
'seine Heiligen'. Sie sollen alle mit Ihm kommen. Sie sind mit seiner
Herrlichkeit verbunden. Es gibt nichts Zweideutiges in dem Ausdruck 'die Ankunft
unseres Herrn Jesus mit allen seinen Heiligen'. Er läßt uns an kein anderes
Ereignis denken als an seine Rückkehr in Herrlichkeit. Dann wird er auch in
seinen Heiligen verherrlicht werden, die bereits zu Ihm gegangen sind, um für
immer bei ihm zu sein. Es wird der Tag ihrer Offenbarung wie der seiner eigenen
sein« (John Nelson Darby).
IV. DERWANDEL IN ABSONDERUNG UND DIE GLÜCKSELIGE HOFFNUNG
KAPITEL 4
2.
Das Kommen des Herrn für seine Heiligen (4,13-18)
Verse 1-12. »Übrigens nun, Brüder, bitten und ermahnen
wir euch in dem Herrn Jesus, da ihr ja von uns Weisung empfangen habt, wie ihr
wandeln und Gott gefallen sollt - wie ihr auch wandelt - daß ihr darin noch
reichlicher zunehmt. Denn ihr wißt, welche Weisungen wir euch gegeben haben
durch den Herrn Jesus. Denn dies ist Gottes Wille: eure Heiligung, daß ihr euch
von der Unzucht fernhaltet, daß jeder von euch sich sein eigenes Gefäß in
Heiligkeit und Ehrbarkeit zu gewinnen wisse, nicht in Leidenschaft der Begierde
wie die Nationen, die Gott nicht kennen; daß er sich keine Übergriffe erlaube
noch seinen Bruder in der Sache übervorteile, weil der Herr Rächer ist über dies
alles, wie wir euch auch vorher schon gesagt und eindringlich bezeugt haben.
Denn Gott hat uns nicht zur Unreinheit berufen, sondern in Heiligung. Deshalb
nun, wer dies verwirft, verwirft nicht einen Menschen, sondern Gott, der auch
seinen Heiligen Geist in euch gibt. Was aber die Bruderliebe betrifft, so habt
ihr nicht nötig, daß man euch schreibt, denn ihr seid selbst von Gott gelehrt,
einander zu lieben; das tut ihr ja auch gegen alle Brüder in ganz Mazedonien.
Wir ermahnen euch aber, Brüder, reichlicher zuzunehmen und eure Ehre darein zu
setzen, still zu sein und eure eigenen Geschäfte zu tun und mit euren Händen zu
arbeiten, so wie wir euch geboten haben, damit ihr anständig wandelt gegen die
draußen und niemanden nötig habt.«
Nachdem der Apostel davon gesprochen hat, daß die
Gläubigen am Tag des Herrn »untadelig in Heiligkeit« sein werden, ermahnt er
sie, jetzt in Heiligung zu leben, und zwar aus dem Beweggrund, Gott zu gefallen.
Der Gläubige sollte sich in seinem täglichen Leben ständig die Frage stellen:
»Gefalle ich Gott?« Es folgt die Ermahnung, rein zu bleiben, indem man sich von
der Unzucht fernhält (Vers 3). Unzucht und Ausschweifung in ihren
unterschiedlichen Formen waren eng mit dem Götzendienst verbunden, von dem die
Thessalonicher errettet worden waren. Die Lust des Fleisches war ein integraler
Bestandteil dieser früheren Religion, so wie dies heute noch in verschiedenen
heidnischen Religionen der Fall ist. Aber warum nun diese Ermahnungen? Weil die
Christen in Thessalonich von allen Seiten her mit diesen Dingen konfrontiert
wurden, und weil die alte Natur mit ihrer Neigung zu diesen Sünden immer noch in
ihnen war. Weder die Umstände, noch irgendeine Stellung können den Gläubigen
gegen diese Sünden absichern, wenn er sein Gewissen nicht wach hält und mit sich
selbst nicht ins Gericht geht. Daher läßt der Herr hier seinen Knecht solche
ernsten Ermahnungen aussprechen. Jeder sollte »sein eigenes Gefäß« (seine eigene
Frau) in Heiligkeit und Ehrbarkeit »zu gewinnen wissen« (Vers 4). Dies würde die
Gläubigen gegen die zahlreichen Formen von Unmoral schützen, die unter den
Heiden praktiziert wurden. Wenn in dieser Sache jemand die Rechte eines anderen
einbrach und seinen Bruder durch Ehebruch hinterging, würde der Herr selbst
Rächer darüber sein (Vers 6); so etwas wäre nämlich eine völlige Mißachtung
Gottes, der sein Volk nicht zur Unreinheit, sondern in Heiligung, d. h. zur
Absonderung von all diesen Dingen, berufen hat (Verse 7-8). Diese Ermahnungen
waren für die Thessalonicher nötig, und sie sind es ebenso für uns heute.
Das beste Gegenmittel gegen diese bösen Dinge ist die
Bruderliebe. Paulus brauchte nicht viel darüber zu sagen, denn sie selbst waren
von Gott gelehrt, einander zu lieben (Vers 9). Er ermahnt sie jedoch, still zu
sein und sich um ihre eigenen Angelegenheiten zu kümmern, wie er es ihnen selbst
vorgemacht hatte, als er bei ihnen gewesen war.
Verse 13-18. »Wir wollen euch aber, Brüder, nicht in
Unkenntnis lassen über die Entschlafenen, damit ihr nicht betrübt seid wie die
übrigen, die keine Hoffnung haben. Denn wenn wir glauben, daß Jesus gestorben
und auferstanden ist, wird auch Gott ebenso die Entschlafenen durch Jesus mit
ihm bringen. Denn dies sagen wir euch in einem Wort des Herrn, daß wir, die
Lebenden, die übrigbleiben bis zur Ankunft des Herrn, den Entschlafenen
keineswegs zuvorkommen werden. Denn der Herr selbst wird beim Befehlsruf, bei
der Stimme eines Erzengels und bei 'dem Schall' der Posaune Gottes herabkommen
vom Himmel, und die Toten in Christus werden zuerst auferstehen; danach werden
wir, die Lebenden, die übrigbleiben, zugleich mit ihnen entrückt werden in
Wolken dem Herrn entgegen in die Luft; und so werden wir allezeit beim Herrn
sein. So ermuntert nun einander mit diesen Worten!«
Diese Worte enthalten eine der größten Offenbarungen der
Bibel und erfordern daher höhere Aufmerksamkeit. Es ist eine besondere und
einzigartige Offenbarung, die er den in Trauer befindlichen Thessalonichern
gibt. Sie wurde veranlaßt durch die falschen Schlüsse, die sie gezogen hatten,
als einige ihre Glaubensgeschwister gestorben waren. Nun fürchteten sie, daß
diese Abgeschiedenen von der zukünftigen Begegnung des Herrn mit seinen Heiligen
ausgeschlossen waren. Sie waren dadurch beinahe ebenso betrübt »wie die übrigen,
die keine Hoffnung haben« (Vers 13). (Ihre heidnischen Zeitgenossen hatten keine
Hoffnung, ihre Geliebten nach dem Tod wiederzusehen. Klassische Autoren der
griechischen und römischen Antike bedienten sich tieftrauriger Ausdrücke über
die Hoffnungslosigkeit des Todes.) Wir müssen daran denken, daß das Neue
Testament damals noch nicht existierte; wahrscheinlich war nur eines der
Evangelien schon geschrieben, und von den Briefen noch kein weiterer. Und so gab
der Herr dem Apostel jene besondere Offenbarung, die ihre Ängste besänftigte und
ihnen die Einzelheiten der Wiederkunft des Herrn für alle seine Heiligen
vorstellte - für solche, die entschlafen waren und solche, die bei seiner
Ankunft lebendig sind.
Unser Herr hat zu seinen Jüngern folgende gesegnete
Worte geredet: »Und wenn ich hingehe und euch eine Stätte bereite, so komme ich
wieder und werde euch zu mir nehmen, damit auch ihr seid, wo ich bin« (Joh
14,3). Dies ist die einzige Stelle, wo der Herr sein Kommen für die Seinen
erwähnte, und als er darüber sprach, sagte er ihnen nichts über Zeichen, die
jenem Kommen vorausgehen sollten, wie z. B. Kriege, falsche Christusse und die
Große Drangsal. Es war die einfache Ankündigung, daß er wiederkommen und
diejenigen empfangen würde, die sein Eigentum sind. Er sagte kein einziges Wort
über die Art und Weise, wie dieses Kommen stattfinden sollte und wie er die
Seinen in die Herrlichkeit bei ihm aufnehmen würde. Die Thessalonicher hatten
zunächst auch aus dem Mund des Apostels Paulus keine definitiven Belehrungen
darüber empfangen. Vielmehr waren sie in Unkenntnis über die Art und Weise
seines Kommens und hinsichtlich derer geblieben, die bereits entschlafen waren.
Sie wußten offenbar auch nicht, in welcher Beziehung sie selbst zu jenem
Ereignis standen. Es ist schön zu sehen, wie der Herr die Frage dieser Betrübten
beantwortete, und wieviel mehr er zum Trost seines ganzen Volkes noch hinzufügt.
Die erste Aussage finden wir in Vers 14 : »Denn wenn wir
glauben, daß Jesus gestorben und auferstanden ist, wird auch Gott ebenso die
Entschlafenen durch Jesus mit ihm bringen.« Beachten wir zunächst die gesegnete
Feststellung, daß »Jesus gestorben ... ist«. Von den Gläubigen heißt es, daß sie
entschlafen sind; es wird jedoch nirgends gesagt, daß Jesus entschlafen sei. Er
schmeckte den Tod in seiner ganzen unergründlichen Tiefe als Gericht über die
Sünde. Für die Gläubigen ist der leibliche Tod bloß ein Schlaf. (Manche haben
den Sinn des Wortes »entschlafen« verdreht, und anstatt es auf den Leib
anzuwenden, wie es die Schrift tut, wenden sie es auf die Seele an. Der
Seelenschlaf wird nirgendwo in der Bibel gelehrt und ist daher eine Erfindung
derer, die das Wort betrügerisch verdrehen.) Und er, der starb, erstand auch
wieder auf; so gewiß, wie er starb und auferstand, so sicher werden auch alle
Gläubigen auferstehen. Gott wird alle durch Jesus Entschlafenen mit ihm bringen,
d. h. mit dem Herrn, wenn er an dem Tag seiner Offenbarung in Herrlichkeit
wiederkommen wird. Damit ist nicht ihre Aufnahme durch den Herrn gemeint, auch
nicht, daß er ihre entkörperlichten Seelen mit bringt, damit sie mit ihren
Körpern aus den Gräbern vereinigt werden, sondern es bedeutet, daß Gott die
Entschlafenen mit seinem Sohn zusammen bringen wird, wenn dieser mit allen
seinen Heiligen wiederkommen wird. Wenn der Herr aus der Herrlichkeit
zurückkommen wird, dann werden alle abgeschiedenen Gläubigen bei ihm sein. Dies
mußten die Thessalonicher zuallererst erfahren. Bevor wir der Entfaltung dieser
gesegneten Offenbarung folgen, möchten wir die Aufmerksamkeit auf den Ausdruck
»die in Christus Entschlafenen« lenken. Seine Heiligen sind im Leben und im Tod
in seinen Händen. Wenn Gläubige ihren Leib ablegen, so geschieht dies, weil ihr
Herr es so gewollt hat. »Kostbar ist in den Augen Jahwes der Tod seiner Frommen«
(Ps 116,15).
Doch so gesegnet wie diese Antwort auf ihre Frage auch
ist, so rief sie doch eine andere Schwierigkeit hervor. Nachdem die
Thessalonicher gehört hatten, daß die Gläubigen, die entschlafen waren, zusammen
mit dem Herrn am Tag seiner herrlichen Erscheinung wiederkommen werden, mußten
sie sich fragen: »Wie ist es möglich, daß sie mit ihm kommen können? Kommen sie
als körperlose Geistwesen? Was ist mit ihren Leibern in den Gräbern? Wie werden
sie denn mit ihm kommen?« Um diese Fragen zu beantworten, wird eine besondere
Offenbarung »in einem Wort des Herrn« gegeben (Vers 15). Durch diese erfahren
sie ebenso wie wir heute, wie es dazu kommt, daß wir alle bei der Wiederkunft
des Herrn dabei sein werden: »Denn dies sagen wir euch in einem Wort des Herrn,
daß wir, die Lebenden, die übrigbleiben bis zur Ankunft des Herrn, den
Entschlafenen keineswegs zuvorkommen werden« (Vers 15). Wenn der Herr für die
Seinen kommt, werden die Entschlafenen keinen geringeren Stellenwert haben und
die Lebenden, die übrigbleiben bis zur Ankunft des Herrn, werden den
Entschlafenen keineswegs zuvorkommen. Als Paulus schrieb: »Wir, die Lebenden,
die übrigbleiben «, war er ganz sicher der Überzeugung, daß er zu dieser Gruppe
gehören würde. Die zwei Gruppen, die dem Herrn begegnen werden, wenn er kommt,
die Entschlafenen und die Lebenden, werden hier erstmals erwähnt. Auf welche
Weise die lebenden Gläubigen den Entschlafenen nicht zuvorkommen werden und in
welcher zeitlichen Reihenfolge das Kommen des Herrn für die Seinen stattfinden
wird, wird in dieser wunderbaren Offenbarung als nächstes kundgetan. »Denn der
Herr selbst wird beim Befehlsruf, bei der Stimme eines Erzengels und bei dem
Schall der Posaune Gottes herabkommen vom Himmel, und die Toten in Christus
werden zuerst auferstehen; danach werden wir, die Lebenden, die übrigbleiben,
zugleich mit ihnen entrückt werden in Wolken dem Herrn entgegen in die Luft; und
so werden wir allezeit beim Herrn sein. So ermuntert nun einander mit diesen
Worten« (Verse 16-18). Dies ist eine völlig neue Offenbarung. Nirgendwo in den
Schriften des Alten Testaments finden wir etwas Derartiges. Als Paulus später an
die Korinther schrieb, erwähnte er dieses Ereignis noch einmal: »Siehe, ich sage
euch ein Geheimnis: Wir werden zwar nicht alle entschlafen, wir werden aber alle
verwandelt werden, in einem Nu, in einem Augenblick, bei der letzten Posaune;
denn posaunen wird es, und die Toten werden auferweckt werden, unvergänglich
sein, und wir werden verwandelt werden« (1Kor 15,51-52).
Der Herr selbst wird vom Himmel herabkommen. Er sitzt
jetzt zur Rechten Gottes in der Herrlichkeit, mit Herrlichkeit und Ehre gekrönt
(Hebr 2,9). Dort übt er sein Priestertum und seine Fürsprache für die Seinen
aus, durch die er sie bewahrt, erhält und wiederherstellt. Wenn das letzte Glied
der Gemeinde, die sein Leib ist, hinzugetan worden sein wird, und dieser Leib
mit ihm, der das Haupt ist, vereinigt werden soll, dann wird er den Platz zur
Rechten des Vaters verlassen und vom Himmel herabkommen. Er wird nicht bis auf
die Erde herabkommen, denn die Begegnungsstätte für ihn und die Seinen ist, wie
wir später lesen, in der Luft und nicht auf der Erde. Wenn er mit den Seinen bei
seiner sichtbaren Erscheinung kommen wird, wird er bis auf die Erde herabkommen.
Er kommt mit gebietendem Zuruf herab, der seine höchste Autorität andeutet. Hier
steht das griechische Wort »kelusma«, das wörtlich »Befehlsruf« (so auch Rev.
Elberf) bedeutetet und im klassischen Griechisch für den Ruf des Helden an sein
Gefolge in der Schlacht, für den Befehlsruf, sich zu sammeln, gebraucht wird.
Gott ist emporgestiegen unter Jauchzen (Ps 47,5), und mit dem Siegesruf kehrt er
zurück.
Der Befehlsruf könnte das einzelne Wort »Komm!« sein.
»Kommt und seht«, sagte der Herr zu seinen Jüngern, die ihm nachfolgten und nach
seinem Aufenthaltsort fragten (Joh 1,38-39). Vor der Gruft des Lazarus rief
Jesus »mit lauter Stimme: Lazarus, komm heraus!« (Joh 11,43.) Johannes, der sich
auf der Insel Patmos aufhielt, als ihm die Sendschreiben von der höchsten
Majestät mitgeteilt wurden, sah danach eine geöffnete Tür im Himmel, und eine
Stimme sprach: »Komm hier herauf« (Offb 4,1). »Komm« ist das königliche Wort der
Gnade, und die Gnade wird ihr größtes Werk tun, wenn der Herr Jesus für die
Seinen kommt. Doch dann wird auch die Stimme eines Erzengels (Michael) und die
Posaune Gottes zu hören sein. Der Erzengel ist der Anführer der Engelheere. So
wie Gott von den Engeln gesehen wurde (1Tim 3,16), als er in den höchsten Himmel
hinaufstieg, wird der Erzengel auch in Verbindung mit seinem Herabkommen aus dem
Himmel stehen. Der ganze Himmel wird in Bewegung geraten, wenn die Erben der
Herrlichkeit, durch Gnade errettete Sünder, mit verherrlichten Leibern vom Herrn
in das Vaterhaus gebracht werden. Manche lehren, daß die Stimme des Erzengels
dazu genutzt werden könne, die himmlischen Heerscharen zusammenzurufen und die
unzählbare Schar der Erlösten zu ordnen, denn »sie werden seine Auserwählten
versammeln von den vier Winden her, von dem einen Ende der Himmel bis zu ihrem
anderen Ende« (Mt 24,31).1 Dieser Gedanke ist jedoch falsch. Die Auserwählten in
Matthäus 24 gehören nicht zur Gemeinde, sondern zum Überrest Israels. Das
zerstreute Israel wird wieder gesammelt werden, und Engel werden dieses Werk
ausführen. Außerdem werden die Engel diese Sammlung nach der Großen Drangsal und
nach der sichtbaren Erscheinung des Herrn mit den Seinen durchführen. Das Kommen
des Herrn für die Seinen findet vor der Großen Drangsal statt.
Auch die Posaune Gottes wird erwähnt. Diese Posaune hat
nichts mit den Gerichtsposaunen in der Offenbarung zu tun, auch nichts mit dem
jüdischen Gedenkfest des Posaunenhalls (3Mo 23,23-25). Sie ist symbolisch zu
verstehen und steht, wie der Befehlsruf, für die Versammlung der Gläubigen. In
4.Mose 10,4 lesen wir: »Und wenn man eine [Posaune] bläst, dann sollen sich die
Fürsten zu dir versammeln, die Häupter der Tausendschaften Israels.« Der
Befehlsruf und die Posaune werden die Miterben Christi sammeln. »Die Toten in
Christus werden zuerst auferstehen « (Vers 16). Dies ist die Herausauferstehung
der gerechten Toten, also derer, die an Christus glauben, aus der Menge aller
Toten. Alle Gläubigen aus allen Zeitaltern, die Gläubigen des Alten und des
Neuen Testaments, sind hierin eingeschlossen. Diese Aussage über die
Auferstehung der Toten in Christus widerlegt endgültig die unbiblische Lehre von
einer allgemeinen Auferstehung. Wie wir aus Offenbarung 20,5 wissen, werden die
übrigen der Toten (die gottlosen Toten) später auferweckt werden. Christus kommt
persönlich, um die Gräber all derer zu öffnen, die ihm angehören. Er offenbart
seine Macht über den Tod, den er besiegt hat.
Die Toten in Christus werden zuerst den Befehlsruf hören
und seine lebendigmachende Kraft erfahren; sie werden auferweckt werden und
unvergänglich sein. Welch eine Macht wird dann geoffenbart werden! »Danach
werden wir, die Lebenden, die übrigbleiben, zugleich mit ihnen entrückt werden
in Wolken dem Herrn entgegen in die Luft; und so werden wir allezeit beim Herrn
sein« (Vers 17). Alle Gläubigen, die auf der Erde leben, werden, wenn der Herr
kommt, jenen gebietenden Zuruf zur Sammlung hören. Solche, die bloß bekennen,
Christen zu sein und nur nominell Kirchenmitglieder sind, gehören nicht dazu;
andererseits wird niemand ausgeschlossen, der wirklich ein Eigentum des Herrn
ist. (Die Auffassung von der sogenannten Auswahlentrückung, deren Verfechter
lehren, daß nur die geistlichsten von allen wahren Gläubigen, die eine tiefere
Erfahrung mit dem Herrn gemacht hätten usw., entrückt würden, und die anderen
Gläubigen, obgleich sie wahre Christusgläubige seien, zurückgelassen würden, um
»durch die Große Drangsal« hindurchgehen zu müssen, hat keine biblische
Grundlage und ist daher falsch.) Die Frage, wer in die Herrlichkeit entrückt
werden wird, ist in 1.Korinther 15,23 beantwortet: »Die, die Christus gehören
bei seiner Ankunft.« Die Verwandlung wird »in einem Nu, in einem Augenblick «
(1Kor 15,52) stattfinden. Dann wird dieses Sterbliche Unsterblichkeit anziehen
(1Kor 15,53). Dann wird jene gesegnete »Überkleidung« stattfinden, von welcher
der Apostel den Korinthern schrieb: »Denn wir freilich, die in dem Zelt sind,
seufzen beschwert, weil wir nicht entkleidet, sondern überkleidet werden
möchten, damit das Sterbliche verschlungen werde vom Leben « (2Kor 5,4). Dann
wird unser Leib der Niedrigkeit umgestaltet werden zur Gleichgestalt mit seinem
Leib der Herrlichkeit (Phil 3,21). Dies ist die glückselige, herrliche Hoffnung,
nicht der Tod und das Grab, sondern das Kommen des Herrn, bei dem wir verwandelt
werden. Und es ist unsere nahe bevorstehende Hoffnung; die Gläubigen sollen
täglich darauf warten, denn eines gesegneten Tages wird der Befehlsruf sicher
erschallen.
KAPITEL 5
3.
Schluß (5,23-28)
Verse 1-11. »Was aber die Zeiten und Zeitpunkte
betrifft, Brüder, so habt ihr nicht nötig, daß euch geschrieben wird. Denn ihr
selbst wißt genau, daß der Tag des Herrn so kommt wie ein Dieb in der Nacht.
Wenn sie sagen: Friede und Sicherheit! dann kommt ein plötzliches Verderben über
sie, wie die Geburtswehen über die Schwangere; und sie werden nicht entfliehen«
(Verse 1-3). Nach dem Ereignis der Entrückung erwähnt der Apostel den Tag des
Herrn. Dies ist der Tag, an dem der Herr vom Himmel her geoffenbart werden wird,
der Tag seiner sichtbaren Erscheinung. Es ist der Tag, an dem er das Gericht
über die Welt ausführen wird. Während das Kommen des Herrn für die Seinen, wie
es im vorherigen Kapitel dargelegt wurde, im Alten Testament nicht geoffenbart
ist, wird der Tag des Herrn, von dem der Apostel nun schreibt, von den Propheten
ausführlich beschrieben (siehe Jes 2,12-22; Joe 2; 3; Zeph 1,14-18; Sach 14,19
usw.).
Bevor jener Tag mit den ihm vorausgehenden Gerichten und
der großen Drangsal kommen wird, muß das Kommen des Herrn für die Seinen, die
Erfüllung von Kapitel 4,16-18, stattfinden. Über den Tag des Herrn werden wir im
2.Thessalonicherbrief viel mehr finden. Wenn der Herr für die Seinen gekommen
ist, werden Weltmenschen und solche, die nur Namenschristen waren, jenem
kommenden Tag entgegensehen müssen. Die Entrückung ist der Anfang dieser
Ereignisse. Nachdem Gottes wahre Kinder, die das betende Volk Gottes ausmachen,
von der Erde entfernt sein werden, wird dieses Zeitalter seinen entscheidenden
Sprung in den Abfall und die Gesetzlosigkeit wagen; nach und nach werden dann
immer mehr Gerichte von oben her ausgegossen werden, wie wir aus der Offenbarung
erfahren.
»Wäre es in der Zeit des Apostels möglich gewesen, die
Jahrhunderte des Aufschubs des Tages Christi, die seither unbestritten vergangen
sind, vorauszusagen, hätten die Jünger vielleicht tatsächlich noch auf ihren
Herrn gewartet, doch wachen hätten sie nicht können, und kein 'Dieb in der
Nacht' hätte sie aus ihrem Schlaf aufschrecken können. Für das Herz wurde die
lebendige Erwartung jedoch benötigt, und sie sollten wachen, weil sie es nicht
wußten. Diese Wächter konnten die Zeiten also nicht ansprechen; und wenn sie es
tatsächlich tun werden, so wird dies für ein anderes Volk als die gegenwärtige
christliche Kirche sein, und zu einer Zeit, wo diese bereits in der Weise, die
wir gerade vor Augen hatten, entrückt worden ist, um bei ihrem Herrn zu sein.
Für die bloß formale und weltliche Christenheit wird
dann das Kommen des Diebes in gewissem Sinn stattgefunden haben. Eingeschlossen
in der äußeren Finsternis, wenn andere in die Räume des Lichtes eingegangen
sind, wird für solche, die Gottes Gnade in der Gegenwart verschmäht haben, kein
Raum zur Buße mehr sein. Sie werden in einer Welt, die den wahren König
verworfen hat und für jene schreckliche Zeit zurückgelassen wird, unter die
Macht der Verführung Satans geraten. Sie werden dann in vollem Ausmaß erfahren,
was die Herrschaft Satans ist. Weil sie die Liebe zur Wahrheit zu ihrer
Errettung nicht annahmen, werden sie der Lüge glauben. Und während sie sich mit
dem Ruf 'Friede und Sicherheit' trösten, wird ein plötzliches Verderben über sie
kommen, wie die Geburtswehen über die Schwangere, und sie werden nicht
entfliehen« (Numerical Bible).
Die Worte »sie« und »ihr« machen sogar noch deutlicher,
daß der Tag des Herrn für die Welt bestimmt ist. Paulus sagt nicht: »Wenn ihr
sagt: Friede und Sicherheit!«, sondern: »Wenn sie sagen«. Der Apostel schließt
die Gläubigen von jenem Tag, an dem plötzliches Verderben über die Welt kommen
wird, völlig aus, denn er sagt: »Ihr aber, Brüder, seid nicht in Finsternis, daß
euch der Tag wie ein Dieb ergreife« (Vers 4). Und warum? »Denn ihr alle seid
Söhne des Lichtes und Söhne des Lichtes und Söhne des Tages; wir gehören nicht
der Nacht und nicht der Finsternis. Also laßt uns nun nicht schlafen wie die
übrigen, sondern wachen und nüchtern sein. Denn die da schlafen, schlafen bei
Nacht, und die da betrunken sind, sind bei Nacht betrunken« (Verse 5-8). Dies
ist der Charakter wahrer Christen. Sie sind nicht mehr in der Finsternis,
sondern Söhne des Lichtes und des Tages. Weil sie somit jenem Tag angehören, wo
sie bei dem Herrn sein werden, wenn er als Richter kommt, kann der Tag des Herrn
sie nicht wie ein Dieb ergreifen.
Als Söhne des Lichtes sollen wir wachen und nüchtern
sein; das unterscheidet wahre Christen von der Masse der Bekenner unter den
Kirchenmitgliedern und von der Welt. Die Welt und solche, die eine Form der
Gottseligkeit haben, deren Kraft aber verleugnen, wachen nicht und sind auch
nicht nüchtern. Wenn der Gläubige, der den Brustharnisch des Glaubens und der
Liebe trägt, nüchtern ist und in Absonderung von der Welt, ihren Begierden und
Vergnügungen wandelt, kann er gegen den Feind bestehen. Er trägt auch als Helm,
dieses verheißene herrliche Heil, zu seinem Schutz (Vers 8). So können wir
allezeit ohne Furcht aufwärts blicken, auch inmitten einer gefahrvollen Zeit, in
der sich die Wolken des Gerichts über diesem gegenwärtigen bösen Zeitlauf
sammeln. »Denn Gott hat uns nicht zum Zorn bestimmt, sondern zum Erlangen des
Heils durch unseren Herrn Jesus Christus« (Vers 9). Welch ein gesegnetes Wissen
und welch eine doppelt gesegnete Gewißheit, daß wir von dem kommenden Zorn
erlöst werden und mit dem Herrn seine ewige Herrlichkeit teilen dürfen. Er starb
für uns. »Der für uns gestorben ist, damit wir, ob wir wachen oder schlafen,
zusammen mit ihm leben« (Vers 10).
Der Apostel beschließt diesen 1.Thessalonicherbrief,
indem er die Brüder bittet, für ihn und seine Mitarbeiter zu beten. Bei all
seiner tiefen Erkenntnis der Wahrheit und der großen Offenbarungen von dem Herrn
empfand er doch seine Abhängigkeit und kannte den Segen, den die Gebete von
Glaubensgeschwistern mit sich bringen. Er bittet sie, ihre brüderliche Zuneigung
zueinander auszudrücken (Vers 26) und beschwört sie, den Brief allen Brüdern
vorzulesen (Vers 27). Seine letzten Worte in diesem Brief lauten: »Die Gnade
unseres Herrn Jesus Christus sei mit euch!« (Vers 28).