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2. Petrus  Walvoord

2. Petrus (Kenneth O. Gangel)


EINFÜHRUNG


Der 2. Petrusbrief könnte die Überschrift tragen: "Der Kampf der Gläubigen in den letzten Tagen." Am Anfang und am Ende des Schreibens klingt zwar das Motiv des Sieges auf, dazwischen jedoch geht es in erster Linie um das Leben der Christen inmitten all der Schwierigkeiten und ängstigenden Erfahrungen der Endzeit. Petrus entwirft zunächst (in 2Pet 2,1-3,10 ) vor den Augen seiner Leser ein großartiges apokalyptisches Szenarium voller Irrlehrer, gefallener Engel, dekadenter Spötter und schamloser Unmoral. Auf dem Hintergrund dieser Verworfenheit ruft er sie auf, "in heiligem Wandel und frommem Wesen ... das Kommen des Tages Gottes" zu erwarten ( 2Pet 3,11-12 ). Es ist das große Anliegen des Apostels in diesem aufrüttelnden Brief, die Gläubigen zu einem gottesfürchtigen Leben in schwierigen Zeiten anzuhalten.



Verfasserfrage und Kanonizität


Seit mehr als siebzehn Jahrhunderten hat dieser kurze, aber prägnante Text den Angriffen skeptischer Forscher standgehalten, die seine Authentizität in Zweifel zogen und ihn nicht als echten Petrusbrief gelten lassen wollten. Gleich im allerersten Vers wird Simon Petrus namentlich genannt, der zusammen mit Jakobus und Johannes einer der Augenzeugen der Verklärung Christi war ( 2Pet 1,17-18; vgl. Mk 9,2-7 ). Er war selbst einer der Zwölf ( 2Pet 1,1 ) und bezeichnet den Apostel Paulus als "lieben Bruder" ( 2Pet 3,15 ). Aus dem Munde seines Herrn hatte Petrus, als sie zusammen am Ufer des Sees Genezareth entlanggingen, vernommen, wie er sterben würde ( 2Pet 1,14; vgl. Joh 21,18-19 ). Er wendet sich mit dem vorliegenden Brief ein zweites Mal an dieselben Adressaten ( 2Pet 3,1 ), an die er schon einmal ein Schreiben sandte ( 1Pet 1,1 ). Ungeachtet der hier genannten internen Belege stellte jedoch bereits Origenes im 3. Jahrhundert (er starb etwa im Jahre 253 n. Chr.) fest, daß es Zweifel an der wahren Identität des Verfassers des 2. Petrusbriefes gebe.

Im 4. Jahrhundert führte dann der große Kirchenhistoriker Eusebius (260? 340?) den 2. Petrusbrief zusammen mit dem 2. und 3. Johannes- und dem Jakobusbrief als "Antilegomena" auf - als Schreiben, deren Kanonizität umstritten war. Eusebius konstatierte, daß die Verfasserschaft des 2. Petrusbriefes offenbar durch keine lange Kirchentradition gestützt werde.

Hieronymus (346 - 420) schließlich nahm den 2. Petrusbrief in seine berühmte Bibelübersetzung, die lateinische Vulgata, auf. Obwohl er selbst die Authentizität der Schrift als gesichert ansah, merkte er an, daß viele Theologen den Apostel Petrus wegen der auffallenden stilistischen Unterschiede zum 1. Petrusbrief nicht als ihren Verfasser betrachteten.

Im Laufe der Jahrhunderte gesellten sich zu diesen ersten Zweifeln weitere Argumente. So versuchte man unter anderem, den 2. Petrusbrief mit den apokryphen oder pseudonymen Texten in Zusammenhang zu bringen, die sich fälschlich als apostolische Schriften ausgeben (z. B. Die Offenbarung des Petrus, das Petrusevangelium und die Petrusakten). Aber auch die starke Ähnlichkeit zwischen dem 2. Petrusbrief und dem Judasbrief war für manche Neutestamentler ein Anlaß, die Verfasserfrage offen zu lassen. Von wieder anderer Seite wurde darauf verwiesen, daß die Erwähnung des Corpus Paulinum ( 2Pet 3,16 ) und die durch die Irrlehrer aufgekommenen Probleme (insbesondere die Parusieverzögerung; 2Pet 3,4 ) für eine spätere Entstehung des Textes im 2. Jahrhundert, lange nach Petrus' Tod, sprächen. Aus diesen und anderen Gründen lehnen die meisten liberalen Forscher eine apostolische Verfasserschaft des 2. Petrusbriefes ab.

Doch auch wenn die zeitgenössische theologische Meinung der traditionellen Position entgegenstehen mag, so ist doch keines der angeführten Probleme letztlich unlösbar und keines der Argumente unwiderlegbar.

Externe Belege : Die kirchliche Literatur des 2. Jahrhunderts enthält keine direkten Hinweise auf den 2. Petrusbrief. Das hat die Kritiker zu der Aussage veranlaßt, daß dieser Brief der am schlechtesten bezeugte Text des Neuen Testamentes sei. Daß der Brief nirgends erwähnt wird, spricht jedoch weder für noch gegen eine Verfasserschaft des Petrus. Immerhin handelt es sich um einen relativ kurzen Text, der möglicherweise nur wenigen Gemeinden zugänglich gemacht wurde. Vielleicht wurde er auch nur langsam rezipiert, weil die frühe Kirche Briefen, die Anspruch auf apostolische Autorität erhoben, großes Mißtrauen entgegenbrachte. Wieviele Fälschungen damals im Umlauf waren, wird an der Mahnung des Apostels Paulus deutlich, sich vor gewissen falschen Briefen in acht zu nehmen ( 2Thes 2,2 ). Da der 2. Petrusbrief kurz vor dem Tod seines Verfassers entstand, war dieser zudem nicht mehr lange genug am Leben, um die Echtheit des Schreibens zu bestätigen. Doch in jedem Fall ist das Schweigen der Kirchenväter des 2. Jahrhunderts nicht als Beleg dafür zu werten, daß die frühe Kirche den 2. Petrusbrief nicht akzeptierte.

Im 3. Jahrhundert beriefen sich drei Männer direkt auf Petrus als den Verfasser des 2. Petrusbriefes: Methodius von Olympus, der in der Christenverfolgung unter Diokletian als Märtyrer starb, zitiert 2Pet 3,8 zur Unterstützung seiner Argumentation in der Schrift De Resurrectione . Er geht dabei ganz eindeutig davon aus, daß der Apostel Petrus tatsächlich der Verfasser des Schreibens ist. Firmilian, ein Bischof von Cäsarea in Kappadozien, bezieht sich auf die Verurteilung der Irrlehrer durch den Apostel Petrus. Der 1. Petrusbrief befaßt sich jedoch überhaupt nicht mit Irrlehren, während der zweite Brief diesem Thema ein ganzes Kapitel widmet. Firmilian muß also Petrus für den Verfasser des Briefes gehalten haben. Schließlich deuten der Inhalt und die häufigen Verweise in seinen anderen Schriften darauf hin, daß auch Origenes den 2. Petrusbrief als autoritativ gelten ließ, trotzdem er auf die verbreiteten Zweifel an einer apostolischen Verfasserschaft des Briefes aufmerksam machte. Im 3. Jahrhundert wurde also einerseits erstmals die Authentizität des 2. Petrusbriefes in Frage gestellt, zugleich bestätigten jedoch sowohl Methodius als auch Firmilian die Echtheit des Schreibens, und wahrscheinlich teilte auch Origenes diese Auffassung.

Im 4. Jahrhundert häufen sich dann ohnehin die Zeugnisse für eine allgemeine Akzeptanz des Briefes. Zwei große Theologen der frühen Kirche, Athanasius und Augustinus, sahen den 2. Petrusbrief als kanonisch an. Das Konzil von Laodizea im Jahre 372 n. Chr. nahm das Schreiben in den Schriftenkanon auf, und Hieronymus übernahm diese Entscheidung auch für seine Vulgata (ca. 404 n. Chr.). Auf dem großen dritten Konzil von Karthago (im Jahre 397 n. Chr.) wurde die innere Autorität und der Wert des 2. Petrusbriefes ebenfalls anerkannt, und schließlich wurde formell bestätigt, daß der Text tatsächlich vom Apostel Petrus stammt.

Obwohl also der 2. Petrusbrief der am wenigsten bezeugte Text des Neuen Testamentes ist, gibt es doch mehr äußere Belege für seine Echtheit als für viele andere der biblischen Schriften. Daß sich in der frühen kirchlichen Tradition keine Beweise für die Authentizität des Briefes finden, könnte damit zusammenhängen, daß das Schreiben so kurz war und daß es während der Zeit der schweren Christenverfolgungen weniger Austausch zwischen den verschiedenen christlichen Gemeinden gab. Das Fehlen von Belegen aus dem 2. Jahrhundert und die im 3. Jahrhundert geäußerten Vorbehalte stellten demzufolge für die sorgfältige wissenschaftliche Prüfung der Konzile des 4. Jahrhunderts kein Problem dar, das eine Aufnahme der Schrift in den Kanon verhindert hätte.

Interne Belege : Die Frage nach den stilistischen Unterschieden zwischen dem 1. und 2. Petrusbrief war Gegenstand theologischer Debatten, seit Hieronymus im 4. Jahrhundert zum ersten Mal auf dieses Problem verwiesen hatte. Hieronymus selbst erklärte die Unterschiede ganz einfach damit, daß Petrus den zweiten Brief wohl einem anderen Sekretär - also nicht Silvanus - diktiert habe ( 1Pet 5,12 ). Wenn man von dieser Annahme ausgeht, sind die stilistischen Verschiedenheiten allerdings in der Tat nicht größer, als man es angesichts des anderen Themas und der anderen Absicht, in der der 2. Brief geschrieben wurde, erwarten durfte.

Daneben gibt es aber auch überraschend große Ähnlichkeiten zwischen den beiden Texten. So "wimmelt" es in beiden geradezu von sogenannten hapax legomena , Worten, die nur ein einziges Mal im Neuen Testament vorkommen. Von den insgesamt 686 hapax legomena im ganzen Neuen Testament enthält der 1. Petrusbrief zweiundsechzig und der 2. vierundfünfzig. Das ist wesentlich mehr, als die meisten anderen neutestamentlichen Schriften dieser Größe aufweisen (Homer K. Ebright, The Petrine Epistles ; Cincinnati 1917, S. 70 - 75, 121-23; vgl. Charles Bigg, A Critical and Exegetical Commentary on the Epistles of St. Peter and St. Jude ; S. 224 - 25). Ebright kommt deshalb zu dem Schluß, daß die auffallenden Unterschiede nicht so sehr zwischen den beiden Petrusbriefen, sondern vielmehr zwischen diesen Briefen und dem übrigen Neuen Testament bestehen. Die vielen hapax legomena in beiden Schriften lassen sich als Hinweis auf einen gemeinsamen Verfasser deuten, der über einen großen Wortschatz und die Begabung eines öffentlichen Redners für eine unverbrauchte und ansprechende Ausdrucksweise verfügte.

Von daher ist es dann auch nicht mehr besonders bemerkenswert, daß eine ganze Reihe von Worten und Wendungen nur in den beiden Petrusbriefen zu finden sind. Beide beginnen mit der ungewöhnlichen Grußformel "Gott gebe euch viel Gnade und Frieden" ( 1Pet 1,2; 2Pet 1,2 ). Die Termini aretas ("Wohltaten") in 1Pet 2,9 und aretE ("Kraft") in 2Pet 1,3 sind Formen derselben seltenen Vokabel, die jeweils zur Beschreibung der moralischen Erhabenheit und Güte Gottes benutzt wird. Das Wort apothesis taucht im Neuen Testament nur in 1Pet 3,21 und 2Pet 1,14 auf, wo es mit "abgewaschen" bzw. "verlassen" übersetzt wurde. Die bildliche Wendung amOmou kai aspilou , die in 1Pet 1,19 die Sündlosigkeit Christi als "unschuldiges und unbeflecktes Lamm" darstellt, wird in 2Pet 2,13 kunstvoll abgewandelt in die Formulierung spiloi kai mOmoi , "Schandflecken", als Charakterisierung der Irrlehrer. In 2Pet 3,14 taucht sie noch einmal auf ( aspiloi kai amOmEtoi , "unbefleckt und untadelig"), diesmal als Aufforderung an die Christen zu einem moralisch einwandfreien Lebenswandel im Lichte der Wiederkunft Christi. Die Verwendung dieser und anderer, nur in den beiden Petrusbriefen auftauchender Worte und Formulierungen spricht sehr dafür, daß die beiden Briefe vom selben Autor stammen.

Darüber hinaus klingt im 2. Petrusbrief mehrfach ganz speziell der Wortschatz der Predigten des Apostels Petrus an, wie er aus der Apostelgeschichte bekannt ist. Eines der typischsten Beispiele ist das Verb kolasOntai , "Strafe" ( Apg 4,21 ), sowie das Partizip kolazomenous , "um zu strafen" ( 2Pet 2,9 ). Weitere Parallelen lassen sich zwischen 2Pet 1,3 und Apg 3,12 ("Kraft") und 2Pet 2,13.15 ( misthon adikias , wörtlich "Lohn der Ungerechtigkeit") und Apg 1,18 ( misthou tEs adikias , ebenfalls "Lohn der Ungerechtigkeit") feststellen.

Trotz der stilistischen Unterschiede zwischen dem 1. und 2. Petrusbrief sind also der häufige Gebrauch von hapax legomena , der besondere Wortschatz beider Briefe und die auffallende Ähnlichkeit zwischen dem 2. Petrusbrief und den Petruspredigten in der Apostelgeschichte als starke Argumente für eine Verfasserschaft des Petrus zu werten.

Manche Exegeten sahen sich nicht zuletzt durch die Tatsache, daß andere apokryphe oder pseudonyme Schriften ebenfalls den Namen des Petrus tragen, dazu veranlaßt, die Authentizität des 2. Petrusbriefes in Abrede zu stellen. In der Tat dauerte es, wie bereits erwähnt, einige Zeit, bis der Brief in der frühen Kirche vorbehaltslos akzeptiert wurde, weil damals diverse gefälschte pseudonyme Briefe in Umlauf waren. Manche Wissenschaftler haben denn auch dahingehend argumentiert, daß Pseudonymität im 2. Jahrhundert ein allgemein anerkannter literarischer Kunstgriff war (z. B. James Moffatt, The General Epistles: James, Peter, and Judas ; S. 173 - 75, und Montague Rhodes James, The Second Epistle General of Peter and the General Epistle of Jude ; S. xxxii - iv). Der Vorgang, daß der 2. Petrusbrief schließlich als autoritativ anerkannt wurde, während die Offenbarung des Petrus, das Petrusevangelium und die Petrusakten als pseudonyme Schriften verworfen wurden, zeigt jedoch deutlich, daß Pseudonymität keineswegs toleriert wurde. Die frühe Kirche erkannte klar, daß sich der 2. Petrusbrief in seinem Wesen und seiner Autorität beträchtlich von Schriften mit geringerer Autorität abhob, die das Gedankengut des Petrus lediglich kopierten, mit jüdischen und griechischen Ideen vermischten und mit einer dezidiert doketischen Sicht der Person Christi (d. h., daß er nur scheinbar einen menschlichen Leib gehabt habe) versetzten.

Die vorhandenen externen und internen Belege haben also trotz aller scharfen Angriffe der Prüfung der Zeit widerstanden. Keines der Argumente gegen eine Verfasserschaft des Petrus ist letztlich stichhaltig, und keiner der neuen Belege konnte den Anspruch des Briefes auf apostolische Autorität wirklich widerlegen.



Beziehung zum Judasbrief


Schon eine oberflächliche Lektüre von 2. Petrus und Jud 1,4-18 läßt die auffallende Ähnlichkeit beider Texte hervortreten. Wie die Abhängigkeit der beiden Briefe genau beschaffen ist und welche Auswirkungen sie auf ihre Kanonizität und Authentizität hatte, war denn auch Gegenstand einer ausgedehnten wissenschaftlichen Debatte. Spezialisten für frühe Kirchengeschichte waren der Ansicht, daß der 2. Petrusbrief vor dem Judasbrief entstand und dieser Anleihen bei ihm macht. Nach den Ergebnissen der deutschen Forschung neigen die Wissenschaftler mittlerweile jedoch eher zur entgegengesetzten Auffassung. Es wurde sogar der Vorschlag gemacht, daß die Verfasser des 2. Petrusbriefes und des Judasbriefes eine gemeinsame dritte Quelle benutzten. Alle drei Positionen sind jedoch mit bestimmten Schwierigkeiten behaftet.

Wenn der Judasbrief zuerst geschrieben wurde, so ist zu fragen, ob ein Apostel vom Rang des Petrus tatsächlich so vieles von einem unbedeutenderen Autor übernommen hätte. Es wäre allerdings denkbar, daß Petrus die Warnung des Judas vor Irrlehrern für wichtig genug hielt, um sie nochmals zu bekräftigen und ihr durch seine apostolische Autorität größeres Gewicht zu verleihen. Die zeitliche Priorität des Judasbriefes stellt kein Problem für eine Verfasserschaft des Petrus dar, solange sie eine Datierung des 2. Petrusbriefes vor dem Jahr 68 n. Chr., dem Jahr, in dem Petrus nach der Überlieferung als Märtyrer starb, ermöglicht. Der Judasbrief seinerseits liefert keinen ausreichenden Beleg für eine schlüssige Datierung. Wenn umgekehrt der 2. Petrusbrief vor dem Judasbrief entstand, so steht man vor dem Problem, warum Judas einfach wiederholen sollte, was den Gemeinden bereits durch ein anderes Schreiben zugänglich war, und warum er so wenig neues Material in seinen Brief aufnahm. Andererseits könnte Judas den Brief des Petrus oder eine unbekannte gemeinsame Quelle gekürzt und in eine klarere Form gebracht haben, um ihn auf die speziellen Bedürfnisse bestimmter Gemeinden zuzuschneiden, die den Petrusbrief nicht erhalten hatten (vgl. Charles Bigg, A Critical and Exegetical Commentary on the Epistles of St. Peter and St. Jude ; S. 216 - 24).

Donald Guthrie führt aus, daß die Reihenfolge der Entstehung des 2. Petrusbriefes und des Judasbriefes nicht unbedingt Auswirkungen auf ihre Authentizität, Verfasserschaft oder Inspiriertheit haben muß ( New Testament Introduction ; Downers Grove, Ill.; 1970, S. 926). Die Beweislage erlaubt keinen endgültigen Schluß, und beide Auffassungen sind mit der konservativen Sicht der Verbalinspiration und der Autorität der Schrift vereinbar.



Datierung und Abfassungsort


Da Petrus unter anderem auch auf paulinische Schriften Bezug nimmt und sich mit Fragen über die Wiederkunft des Herrn befaßt, sind manche Forscher der Ansicht, daß der Brief im 2. Jahrhundert entstanden sein muß und daher nicht vom Apostel Petrus stammen kann.

Die Erwähnung der paulinischen Briefe in 2Pet 3,16 führte zu der Annahme, daß der Verfasser des Briefes sich dabei auf eine Sammlung dieser Briefe bezog, die von der damaligen Kirche als autoritativ angesehen wurde. F. H. Chase argumentiert: "Es ist unmöglich, daß bereits zu Lebzeiten von Petrus eine Zusammenstellung der Paulusbriefe existierte, die als "Heilige Schrift" akzeptiert war ( A Dictionary of the Bible ; hrsg. von James Hastings; New York 1902, s. v. "Petrus", 3, 810). Die Äußerung von Petrus ( 2Pet 3,16 ) muß sich jedoch keineswegs auf das gesamte paulinische Schriftgut beziehen, sondern kann einfach die Briefe meinen, die Petrus selbst kannte. Sicherlich hatte Petrus in seinen letzten Lebensjahren in Rom Gelegenheit, mehrere der Paulusbriefe zu lesen, die in den Gemeinden der römischen Welt zirkulierten.

Es gibt im 2. Petrusbrief zwei Hinweise auf sein Abfassungsdatum. In 2Pet 1,13-15 deutet der Apostel an, daß sein Tod nahe sei. Nach der Überlieferung starb Petrus Ende 67 oder Anfang 68. Der Verweis auf die paulinischen Briefe in 2Pet 3,16 wiederum spricht für eine Datierung nach dem Jahre 60. Da die Abfassung des 1. Petrusbriefes im allgemeinen um das Jahr 64 angesetzt wird, läßt sich der 2. Petrusbrief mit einiger Sicherheit nach diesem ersten Schreiben und vor dem Tod des Apostels datieren, also zwischen dem Jahr 64 und 68.

Der Text des Briefes gibt keinen Anhaltspunkt über den Abfassungsort. Da der 1. Petrusbrief jedoch in Rom geschrieben wurde und Rom als Ort der Kreuzigung des Petrus gilt, scheint es plausibel, daß auch der 2. Petrusbrief in Rom entstanden ist.



Adressaten


Petrus schrieb an Christen ( 2Pet 1,1 ), die schon zuvor ein Schreiben von ihm erhalten hatten ( 2Pet 3,1 ). Wenn sich dieser Hinweis in 2Pet 3,1 auf den 1. Petrusbrief bezieht, dann wandte der Apostel sich auch in diesem Brief an die aus Juden- und Heidenchristen zusammengesetzten Gemeinden von "Pontus, Galatien, Kappadozien, der Provinz Asien und Bithynien" ( 1Pet 1,1 ). Wenn er an dieser Stelle jedoch auf einen anderen, nicht mehr erhaltenen Brief Bezug nahm, lassen sich die Adressaten des 2. Petrusbriefes nicht genauer spezifizieren.



Anlaß und Zweck des Briefes


Petrus war ein engagierter Gemeindehirte und eine Koryphäe der theologischen Orthodoxie. Sein letzter leidenschaftlicher Appell für ein christliches Wachstum und zu verstärkter Wachsamkeitgegenüber Irrlehrern gewann durch die Tatsache, daß er nur noch kurze Zeit zu leben hatte ( 2Pet 1,13-15 ) und daß die Gemeinden unmittelbar bedroht waren ( 2Pet 2,1-3 ), ganz besonders an Dringlichkeit. Der Apostel wollte das Gedächtnis der Gläubigen auffrischen ( 2Pet 1,13 ) und ihrem Denken Nahrung geben ( 3, 1-2 ), damit sie sich seiner Lehre deutlich erinnerten ( 2Pet 1,15 ). Er beschrieb in eindringlicher Weise, was den reifen Gläubigen ausmacht, und forderte seine Adressaten dazu auf, alles einzusetzen, um in der Gnade und in der Erkenntnis zu wachsen ( 2Pet 1,3-11 ). Mit Zeugnissen von wahren Lehrern schärfte er das Unterscheidungsvermögen seiner Leser, um sie zu bewußten Schülern des Wortes Gottes zu erziehen ( 2Pet 1,12-21 ). Dabei warnte er sie vor allen falschen Lehrern und schilderte ihnen die schlimmen Merkmale, an denen sie solche Leute erkennen konnten ( 2Pet 2 ). Schließlich bestärkte er seine Leser in der Gewißheit der Wiederkunft Christi ( 2Pet 3,1-16 ).

Das Ziel des 2. Petrusbriefes ist es, die Christen zu geistlichem Wachstum anzuspornen, damit sie in der Erwartung der baldigen Wiederkehr ihres Herrn die Apostasie mit aller Kraft bekämpfen können.


GLIEDERUNG


I. Einführung ( 1,1-2 )

     A. Der Gruß ( 1,1 )
          1. Der Verfasser ( 1,1 a)
          2. Die Adressaten ( 1,1 b)

     B. Der Segan ( 1,2 )

II. Die christliche Natur: Das Werk Gottes ( 1,3-11 )

     A. Die güttliche Natur ( 1,3-4 )
          1. Die güttliche Kraft ( 1,3 )
          2. Die güttlichen Verheißungen ( 1,4 a)
          3. Die Teilhabe an der güttlichen Natur ( 1,4 b)

     B. Das Wirken der güttlichen Natur ( 1,5-9 )
          1. Die Merkmale des Wirkens ( 1,5-7 )
          2. Die Folgen des Wirkens ( 1,8 )
          3. Der Gegensatz zum Wirken der güttlichen Natur ( 1,9 )

     C. Die Gewißheit des güttlichen Wesens ( 1,10-11 )
          1. Auf Erfahrung beruhende Gewißheit ( 1,10 )
          2. Ewige Gewißheit ( 1,11 )

III. Die christliche Nahrung: Das Wort Gottes ( 1,12-21 )

     A. Die Erinnerung an das Wort Gottes ( 1,12-15 )
     B. Die Majestät des Wortes Gottes ( 1,16-18 )
     C. Die Bdeutung des Wortes Gottes ( 1,19-21 )

IV. Der christliche Kampf: Der Angriff der Irrlehrer ( Kap. 2 )

     A. Befreiung von den falschen Lehrern ( 2,1-9 )
          1. Die Darstellung der falschen Lehre ( 2,1-3 )
          2. Beispiele vergangener Strafgerichte öber die Irrenden ( 2,4-6 )
          3. Die güttliche Befreiung ( 2,7-9 )

     B. Beschreibung der falschen Lehrer ( 2,10-16 )
          1. Sie sind aufröhrerisch ( 2,10-12 a)
          2. Sie sind wie Tiere ( 2,12 b)
          3. Sie sind Betröger ( 2,13 )
          4. Sie sind notorische Sönder ( 2,14 )
          5. Sie sind gewinnsöchtig ( 2,15-16 )

     C. Verderblicher Einfluß der Irrlehrer ( 2,17-22 )
          1. Die Ziele ihrer Zerstürung ( 2,17-18 )
          2. Die Mittel ihrer Zerstürung ( 2,19 )
          3. Das Ende Die ihrer Zerstürung ( 2,20-22 )

V. Die christliche Hoffnung: Die Wiederkunft des Herrn ( 3,1-16 )

     A. Die Gläubigen denken daran ( 3,1-2 )
     B. Spütter lachen darüber ( 3,3-7 )
     C. Gott verbörgt sich dafür ( 3,8-9 )
     D. Petrus schildert sie ( 3,10-13 )
     E. Das Verhalten der Menschen wird durch sie verändert ( 3,14-16 )

VI. Schluß ( 3,17-18 )


AUSLEGUNG


I. Einführung
( 1,1-2 )


A. Der Gruß
( 1,1 )


1. Der Verfasser
( 1,1 a)


2Pet 1,1 a


Der Verfasser des Briefes wird mit Simon Petrus angegeben. Es ist nicht ohne Ironie, daß ausgerechnet dieser Brief, dessen Verfasserschaft so umstritten war, mit einem Textproblem beginnt, das mit der Schreibweise des Namens des Verfassers zusammenhängt. Manche Handschriften überliefern die gebräuchliche griechische Schreibweise S imOn , während andere die direkte Übertragung des hebräischen S ymeOn wiedergeben. Die verläßlichsten Belege stützen die eher ungewöhnliche hebräische Schreibweise, die sonst nur noch in Apg 15,14 zu finden ist. Dieses kleine Detail spricht für die Authentizität des Briefes als echter Petrusbrief, denn ein pseudonymer Verfasser hätte sicherlich die gebräuchlichere Schreibung verwendet.

Der Name "Petrus" - die griechische Übersetzung des hebräischen "Kephas" -, der Beiname, den Jesus Simon gegeben hatte, wird in der Einführung zum 1. Petrusbrief genauer behandelt (vgl. 1Pet 1,1 ).

Daß Petrus hier den hebräischen und den griechischen Namen verbindet, deutet vielleicht auch auf die Adressaten des Briefes hin, die sich möglicherweise aus hebräischen und griechischen Christen zusammensetzten.

Petrus fügt dem Titel Apostel Jesu Christi (vgl. Röm 1,1; Tit 1,1 ) noch den Zusatz Knecht ( doulos , wörtlich "Sklave"; vgl. Mt 23,11 ) hinzu. Am Ende seines Lebens, auf dem Gipfel seiner apostolischen Autorität, sah er sich zuallererst als "Knecht" Christi und erst in zweiter Linie als sein Apostel.



2. Die Adressaten
( 1,1 b)


2Pet 1,1 b


Von den Empfängern des Briefes ist nur in allgemeinen Formulierungen die Rede (vgl. 2Pet 3,1 ). Es sind alle, die mit uns denselben teuren Glauben empfangen haben . "Empfangen" kommt von dem ungebräuchlichen griechischen Verb lanchanO , "durch das Los zufallen" (vgl. Lk 1,9; Joh 19,24 ). Es veranschaulicht die souveräne Gnadenwahl Gottes, die weit über alles hinausgeht, was die Menschen hätten tun können, um ein solches Geschenk zu verdienen. Die Wendung "denselben teuren Glauben" gibt das zusammengesetzte Wort isotimon wieder, das nur an dieser einen Stelle im Neuen Testament vorkommt. Es leitet sich von den Worten isos , "gleich", und timE , "Ehre, Wert", ab und wurde für Fremde gebraucht, die dieselben Privilegien erhielten wie die Einheimischen. Der Glaube, der den Adressaten von Gott verliehen wurde, ist eine ebenso große Ehre oder ein ebenso großes Privileg wie der Glaube, den der Apostel hat. Mit dieser Betonung, daß der Glaube der Apostel sich in nichts von dem aller anderen Gläubigen unterscheidet, gibt Petrus bereits einen Vorgeschmack auf den Zweck seines Briefes. Seine Aussage steht in scharfem Kontrast zu den vorgnostischen Lehren der falschen Lehrer, die von einem inneren Kern besonderer Erkenntnis sprachen, der nur für einige Bevorzugte erreichbar und zugänglich sei.

Das Wort "Glaube" ( pistin ) steht ohne Artikel. Es kann sich also auf den objektiven Inhalt des Glaubens (vgl. Jud 1,3 ) oder, was wahrscheinlicher ist, auf die subjektive Fähigkeit zu glauben beziehen. Dieser Glaube wird den Menschen geschenkt durch (oder auf der Grundlage von) die Gerechtigkeit ( dikaiosynE ; "Aufrichtigkeit"; vgl. Röm 1,17; 3,22 ), die unser Gott gibt und der Heiland (Petrus bezeichnet Jesus als Heiland; Apg 5,31; und fünfmal erhält Christus in diesem kurzen Briefden Titel "Heiland" [ 2Pet 1,1.11;2,20;3,2.18 ]) Jesus Christus . Aus der Grammatik des griechischen Satzes (in dem nur ein Artikel für beide Substantive gebraucht wird) geht klar hervor, daß "Gott und Heiland" eine Person ist, nicht zwei. Damit steht dieser kurze Abschnitt neben den großen christologischen Passagen des Neuen Testaments, die die Wesenseinheit von Jesus Christus und Gott Vater lehren (vgl. Mt 16,16; Joh 1,1; 20,28; Tit 2,13 ).



B. Der Segen
( 1,2 )


2Pet 1,2


Die erste Hälfte dieses Verses entspricht ganz dem Wortlaut von 1Pet 1,2 b: Gnade und Frieden ( charis ... kai eirEnE ; vgl. den paulinischen Wortgebrauch in Röm 1,7; 1Kor 1,3; 2Kor 1,2 usw.) ist der übliche griechische und hebräische Gruß ( eirEnE ist die griechische Übersetzung des hebräischen SAlNm ). Das griechische Verb, das im Deutschen einfach mit dem Wörtchen viel ( plEthyntheiE ; vgl. auch 1Pet 1,2; Jud 1,2 ) wiedergegeben ist, steht im Optativ und unterstreicht damit die Inständigkeit und Eindringlichkeit des Wunsches.

Dieser Segen, der den Empfängern Gnade und Friede zuspricht, ist mehr als eine bloße Floskel. Die beiden Tugenden erwachsen aus der Erkenntnis Gottes und Jesu, unseres Herrn . Sowohl in Vers 1 als auch in Vers 2 stellt Petrus Gott und Jesus als gleichwertig nebeneinander. "Erkenntnis" ( epignOsei , "volle [ epi - zusätzliche] Kenntnis") erfordert eine enge, persönliche Beziehung. Nur in ihr können die Gnade Gottes und sein Friede für die Menschen erreichbar und erfahrbar werden. (Der Terminus epignOsis taucht auch in Vers 3.8 sowie in 2Pet 2,20 wieder auf. Die Kurzform gnOsis findet sich in 2Pet 1,5-6 und in 2Pet 3,18 .) Die Christen werden eindringlich dazu aufgefordert, sich die "volle Erkenntnis" zu eigen zu machen, die ihnen durch Christus Jesus geschenkt ist (die epignOsis ist im 2. Petrusbrief immer mit Christus verbunden). Mit ihrer Hilfe sind sie in der Lage, den falschen Lehrern entgegenzutreten, die behaupten, im Besitz eines besonderen Wissens ( gnOsis ) zu sein und dabei gleichzeitig offene Unmoral praktizieren (vgl. den paulinischen Gebrauch von epignOsis im Kampf gegen den beginnenden Gnostizismus: Kol 1,9-10;2,2;3,10 ).



II. Die christliche Natur: Das Werk Gottes
( 1,3 - 11 )


Petrus ruft die Gläubigen dazu auf, von der Kraft und Verheißung Gottes Gebrauch zu machen, die es ihnen ermöglicht, an der göttlichen Natur teilzuhaben und damit den "verderblichen Begierden der Welt" zu entrinnen (V. 3-4 ). Von dieser verheißenen Kraft ausgehend fordert Petrus weiter, daß die Christen die äußeren Kennzeichen der göttlichen Natur praktizieren , damit sie in den Genuß der ewigen Belohnung kommen (V. 5 - 11 ).



A. Die göttliche Natur
( 1,3-4 )


1. Die göttliche Kraft
( 1,3 )


2Pet 1,3


Christi göttliche Kraft hat den Gläubigen alles, was zum Leben und zur Frömmigkeit dient , geschenkt. Das Adjektiv "göttlich", theias , kommt von dem Substantiv theos , "Gott"; es taucht nur dreimal im Neuen Testament auf (hier und in Apg 17,29; 2Pet 1,4 ). "Kraft" ( dynameOs ) ist einer der Lieblingsbegriffe des Petrus (vgl. 1Pet 1,5;3,22; 2Pet 1,16;2,11 ). Alles, was die Gläubigen für geistliches Leben und eine gottesfürchtige Lebensführung ( eusebeian ; "Gottesfürchtigkeit, Frömmigkeit"; vgl. den Kommentar zu 2Pet 1,6;3,11 ) brauchen, ist ihnen durch die Erkenntnis dessen, der uns berufen hat (Christi), zugänglich. Die "volle Erkenntnis" ( epignOseOs ; vgl. 2Pet 1,2 ) Christi aber ist die Quelle geistlicher Kraft und geistlichen Wachstums (vgl. Phil 1,9; Kol 1,9-10;2,2 ).

Christus hat uns ... durch seine Herrlichkeit und Kraft ( aretE , "moralische Erhabenheit"; in 1Pet 2,9 mit "Wohltaten" und 2Pet 1,5 mit "Tugend" übersetzt) zu diesem frommen Leben berufen (vgl. 1Pet 1,15 ). Christus zieht die Menschen, die in der Sklaverei der Sünde leben (vgl. 2Pet 2,19 ), durch seine eigene moralische Untadeligkeit und den Eindruck seiner Herrlichkeit zu sich.



2. Die göttlichen Verheißungen
( 1,4 a)


2Pet 1,4 a


Durch sie , d. h. durch Christi "Herrlichkeit und Kraft" (V. 3 ), sind den Gläubigen die teuren und allergrößten Verheißungen geschenkt . Das mit "geschenkt" übersetzte griechische Verb dedOrEtai bedeutet "verleihen, ausstatten". Es ist nicht das gebräuchliche Wort für "schenken", es enthält einen Anklang an die Kostbarkeit der Gabe, die den Christen in ihr verliehen wird. Petrus verwendet dasselbe Wort auch in Vers 3 . In Mk 15,45 wird das Verb im Zusammenhang mit der Herausgabe des Leichnams Jesu durch Pilatus an Josef von Arimathäa gebraucht.

In dem Begriff epangelmata (von epangellO ; nur in 2Pet 1,4 und 2Pet 3,13 ), "Verheißungen", steckt die Emphase einer öffentlichen Verkündigung. Die Verheißungen werden sehr treffend als "die allergrößten und teuren" ( timia , von timE , "Wert") beschrieben. Das gleiche Wort gebraucht Petrus auch, um den Glauben der Christen zu schildern ( 1Pet 2,7; 2Pet 1,1 ), außerdem für das Blut Christi ( 1Pet 1,19 ) und in diesem Zusammenhang für die Verheißungen Christi. Diese Verheißungen, von denen der Apostel bereits früher geschrieben hatte, stehen im Zusammenhang mit dem Erbe der Gläubigen ( 1Pet 1,3-5 ) und der Wiederkunft Christi ( 1Pet 1,9.13 ).



3. Die Teilhabe an der göttlichen Natur
( 1,4 b)


2Pet 1,4 b


Durch diese Verheißungen können die Christen Anteil ... an der göttlichen Natur bekommen. "Anteil bekommen" heißt hier wörtlich "Teilhaber werden" ( genEsthe ... koinOnoi ). Die Wörter "mit" in 1Pet 4,13 und "teilhabe" in 1Pet 5,1 stammen von demselben Substantiv, koinOnoi ("Teilhaber, Partner"). "Göttlich" ist die Übersetzung von theias (vgl. 2Pet 1,3 ). Die Gläubigen nehmen also das Wesen Gottes an; jeder von ihnen wird "eine neue Kreatur" ( 2Kor 5,17 ).

Weil die Christen "Teilhaber" am Wesen Gottes werden, haben sie bereits in diesem Leben teil an dem moralischen Sieg über die Sünde, den Christus erlangt hat, und werden im ewigen Leben auch seinen herrlichen Sieg über den Tod teilen. Aufgrund der Verheißung der Wiedergeburt ( 1Pet 1,3 ), des göttlichen Schutzes ( 1Pet 1,5 ) und der göttlichen Kraft ( 2Pet 1,3 ) können die Gläubigen "Anteil bekommen an der göttlichen Natur", d. h., sie können Christus gleich werden (vgl. Röm 8,9; Gal 2,20 ) und der verderblichen ( phthoras , "Dekadenz") Begierde ( epithymia , wörtlich "Lust") in dieser Welt (vgl. 2Pet 2,20; 1Joh 2,15-17 ) Widerstand leisten.

In 2Pet 1,3-4 setzt der Apostel das Vokabular der falschen Lehrer ein, vor denen er seine Leser warnt: "Frömmigkeit" ( eusebeia ), "Tugend" ( aretE ), "Natur" ( physis ) und "verderblich" ( phthoras ). Mit diesem Kunstgriff - indem er Begriffen, die ihnen aus dem Heidentum und der Philosophie vertraut sind, eine neue, christliche Bedeutung gab - gelang es Petrus, ihre Aufmerksamkeit zu gewinnen.



B. Das Wirken der göttlichen Natur
( 1,5 - 9 )


Den folgenden Abschnitt, dessen Sprache teilweise eine nahezu lyrische Färbung annimmt, gestaltet Petrus zu einem Loblied der Gnade. Auf den Grundton des Glaubens baut er einen harmonischen Akkord von sieben christlichen Tugenden auf, die er ohne weitere Erläuterung aneinanderreiht. Ein fleischlich gesinnter Christ leidetan geistlicher Kurzsichtigkeit (V. 9 ), doch ein geistlicher Christ wird im Verständnis des Herrn Jesus und in der Anwendung der biblischen Richtlinien im täglichen Leben nicht faul sein und Früchte tragen (V. 8 ).



1. Die Merkmale des Wirkens
( 1,5 - 7 )


2Pet 1,5-7


Mit der einleitenden Partikel "so" knüpft Petrus an das an, was er zu Beginn dieses Abschnitts über die göttliche Natur gesagt hat. Die Wendung "wendet alle Mühe daran" ist die Übersetzung des griechischen Partizips pareisenenkantes , "anwenden, daneben hineintragen" (das Wort steht nur an dieser einen Stelle im Neuen Testament), und spoudEn pasan , "alle Sorgfalt, allen Eifer" ( spoudE ist in Röm 12,11 mit "brennend" wiedergegeben). Es braucht alle Sorgfalt und Mühe, die ein Christ aufbringen kann, und dazu die Kraft des Heiligen Geistes, um "der verderblichen Begierde in der Welt" zu entrinnen ( 2Pet 1,4 ) und statt dessen Glauben und Tugenden zu gewinnen. Ein Christ sollte alles daransetzen, die sieben Eigenschaften, die Petrus in den Versen 5 - 7 aufzählt, hervorzubringen. Je mehr ihm das gelingt, desto mehr wird er Christus gleich und desto größeren Anteil an der göttlichen Natur gewinnt er.

Die Verbform erweist ist die Übersetzung des griechischen Imperativs epichorEgEsate , ein Verb, von dem auch die Begriffe "Chor", "Choreograph" und "Choreographie" stammen. Im antiken Griechenland kam der Staat für den Unterhalt eines Chors auf, dessen Ausbildung allerdings der Direktor, der chorEgys , bezahlte. In der Folgezeit bezeichnete dieser Begriff dann eine Person, die andere großzügig unterstützte. Auch ein Gläubiger soll sein Leben mit diesen Tugenden "ausstatten oder ausfüllen". (Dasselbe Wort ist in 2Kor 9,10 mit "geben" und in Kol 2,19 mit "zusammengehalten" wiedergegeben. Petrus verwendet es auch in 2Pet 1,11 ,wo es mit "gewährt" übersetzt ist.)

Der Glaube an Jesus Christus sondert die Christen von allen anderen Menschen ab. Pistis, das Vertrauen in den Heiland, durch das man in die Familie Gottes aufgenommen wird, ist die Grundlage aller anderen christlichen Eigenschaften.

1. Diesem Glauben soll jeder Christ Tugend ( aretEn , wörtlich "moralische Erhabenheit"; Petrus benutzt das Wort auch am Ende von V. 3 und in 1Pet 2,9 ,wo es mit "Wohltaten" übersetzt ist) hinzufügen.

2. Erkenntnis ( gnOsin ; vgl. 2Pet 1,2;3,18 ) ist nicht die Frucht intellektueller Anstrengung, sondern eine geistliche Erkenntnis, die der Heilige Geist schenkt und die sich auf die Person und das Wort Gottes konzentriert.

3. Glaube, Tugend und Erkenntnis sind jedoch noch nicht ausreichend für ein christliches Leben. Ein Christ muß darüber hinaus nach Mäßigkeit ( enkrateian ; das Wort steht außer an dieser Stelle nur noch in Apg 24,25 und Gal 5,23 ) streben, d. h., er muß seine Leidenschaften unter Kontrolle haben. Demgegenüber stehen in schroffem Kontrast die Gesetzlosigkeit und mangelnde Selbstbeherrschung der Irrlehrer, auf die Petrus in Kapitel 2 genauer eingeht. In einer zunehmend anarchischen Gesellschaft tun die Christen gut daran, die Mäßigkeit zu einem Leitmotiv ihres Lebens zu machen.

4. Die Gläubigen, die in den letzten Tagen leben, brauchen - besonders dann, wenn sie von Betrügern und falschen Lehrern umgeben sind - Geduld . Der griechische Begriff hypomenEn bedeutet "standhalten". Er wird im Neuen Testament sehr oft für Beständigkeit oder standhaftes Ausharren inmitten von Bedrängnis benutzt (vgl. Röm 5,3-4; 15,4-5; 2Kor 1,6;6,4; Kol 1,11; 1Thes 1,3; 2Thes 1,4; Jak 1,3 ).

5. Frömmigkeit ( eusebian ; vgl. auch 2Pet 1,3 und 2Pet 3,11 sowie zehnmal [im Griechischen] in den Pastoralbriefen) bezieht sich auf die Verpflichtung der Menschen zur Ehrfurcht vor Gott. Der Name des berühmten Kirchenhistorikers Eusebius aus dem 4. Jahrhundert ist von diesem schönen griechischen Wort hergeleitet. Im heutigen Sprachgebrauch haben die Wörter "Frömmigkeit" und "fromm" leider nicht mehr den Klang und Stellenwert, der ihnen eigentlich zukommt.

6. Die ersten fünf der genannten Tugenden beziehen sich auf das innere Leben des Gläubigen und seine Beziehung zu Gott, die beiden letzten auf sein Verhältnis zu anderen. Brüderliche Liebe ist die Übersetzung des griechischen philadelphian , engagierte praktische Sorge für andere ( 1Joh 4,20 ). Schon in seinem ersten Brief hatte Petrus seinen Lesern diese Haltung nahezubringen versucht ( 1Pet 1,22; vgl. Röm 12,10; 1Thes 4,9; Hebr 13,1 ).

7. Während die "brüderliche Liebe" die Sorge für die Bedürfnisse anderer ist, ist die Liebe zu allen Menschen ( agapEn ) das höchste zu erstrebende Gut überhaupt. Sie ist die Liebe, die Gott den Sündern erzeigt ( Joh 3,16; Röm 5,8; 1Joh 4,9-11 ).

Es fällt auf, daß dieses Loblied mit dem Glauben beginnt und mit der Liebe endet. Auf dem Fundament ihres Glaubens an Christus aufbauend können die Christen ein wahrhaft christliches Verhalten an den Tag legen, in dem diese sieben Tugenden, die in der Nächstenliebe gipfeln, wirksam sind (vgl. "Glaube" und "Liebe" in Kol 1,4-5; 1Thes 1,3; 2Thes 1,3; Phim1,5 ).



2. Die Folgen des Wirkens
( 1,8 )


2Pet 1,8


Christliches Wachstum (V. 5 - 7 ) mündet in eine reiche geistliche Wirksamkeit und Fruchtbarkeit. Die Wendung "wenn dies ... bei euch ist" ( hyparchOnta , wörtlich "wenn ihr besitzt") betont, daß die genannten geistlichen Eigenschaften den Christen "angehören". Sie müssen jedoch auch etwas mit diesen Tugenden anfangen. Ein wirksames und fruchtbares geistliches Leben führen sie, wenn dies alles reichlich vorhanden ist. Nur dann kommt es zu einem Fortschreiten in der Gnade. Ein Gläubiger, der sich in diesen sieben Gebieten nicht weiterentwickelt, ist faul ( argous , "nutzlos") und unfruchtbar in seiner Erkenntnis ( epignOsin , wörtlich "vollständige persönliche Kenntnis"; vgl. V. 2-3 ; 2Pet 2,20 ) unseres Herrn Jesus Christus . Viele Christen kennen zwar den Herrn als ihren Retter, doch sie ermangeln leider der "Früchte" des Geistes und machen auf geistlichem Gebiet keine Fortschritte. Sie bleiben "unmündige Kinder in Christus" ( 1Kor 3,1 ) und sind auf geistliche "Milch" ( Hebr 5,12-13 ) angewiesen, d. h., sie sind nicht imstande, sich den Härten und Forderungen des Glaubens zu stellen. Dabei sollen, wie Petrus eindringlich fordert, die Gläubigen "in der Gnade und Erkenntnis" ( gnOsei ) "unseres Herrn und Heilandes Jesus Christus wachsen" ( 2Pet 3,18 ).



3. Der Gegensatz zum Wirken der göttlichen Natur
( 1,9 )


2Pet 1,9


Im Gegensatz zu einem Gläubigen, der in der Erkenntnis zunimmt und sich geistlich weiterentwickelt, ist ein fleischlich gesinnter Christ blind ( typhlos ) und tappt im Dunkeln ( myOpazOn ). M yOpazOn , wörtlich "kurzsichtig" (daher der Fachbegriff Myopie), kommt nur an dieser einen Stelle im Neuen Testament vor. Ein Gläubiger, der unter religiöser Kurzsichtigkeit leidet, trägt nichts zur Verherrlichung der Gnade Christi bei. Da sein Leben die in Vers 5 - 7 genannten Merkmale vermissen läßt, wirkt er nach außen hin wie ein geistlich blinder, unerlöster Mensch ( 2Kor 4,4; vgl. Joh 9,39 ). Er hat vergessen, daß er rein geworden ist von seinen früheren (vor seiner Bekehrung begangenen) Sünden . Manche Exegeten sind der Meinung, daß sich dieser Satz auf Ungläubige bezieht. Wahrscheinlicher ist jedoch, daß Petrus hier von Christen spricht, die in ihrer Glaubensentwicklung stehengeblieben sind, denn er sagt, daß sie von ihren Sünden gereinigt worden (vgl. Tit 3,5 ), aber nicht zu geistlicher Reife gelangt sind.



C. Die Gewißheit des göttlichen Wesens
( 2Pet 1,10-11 )


Ein Christ, der weder "faul" noch "unfruchtbar" noch "kurzsichtig" ist, muß seiner Rettung gewiß sein. Diese Glaubensgewißheit zeigt sich an einem neuen Leben in Christus, das auch nach außen deutlich macht, daß der Gläubige seine ewige Heimat erreichen wird.



1. Auf Erfahrung beruhende Gewißheit
( 1,10 )


2Pet 1,10


Die Aufforderung bemüht euch ( spoudasate ; vgl. auch V. 5.15 ; 2Pet 3,14; vgl. spoudEn in 2Pet 1,5 ), eure Berufung und Erwählung festzumachen , beschreibt das feste Vertrauen des Christen auf seine Verbundenheit mit Gott. Nicht er kann Gott seiner selbst versichern, sondern umgekehrt. Das griechische Wort für "fest", bebaian , kommt aus dem klassischen Griechisch und wurde dort für eine Art Bürgschaft verwendet, wie sie heute auf Häuser und anderen Besitz abgeschlossen werden kann. Der gottesfürchtige Lebenswandel ist für den Gläubigen eine Bürgschaft dafür, daß Jesus Christus ihn von seinen vergangenen Sünden rein gemacht hat und er deshalb wirklich von Gott berufen und erwählt ist. Bebaian wird mit "sicher" ( Hebr 6,19 ), "fest" ( Röm 4,16; 2Kor 1,7 ), "Zuversicht" ( Hebr 3,14 ) und "in Kraft" ( Hebr 9,17 ) wiedergegeben.

"Berufung" bezieht sich auf das Erlösungswerk Gottes (vgl. Röm 1,7; 8,30; 1Kor 1,9 ), der in der "Erwählung" manche Sünder (nach seiner Gnade und nicht nach ihrem Verdienst) zum Heil bestimmt hat ( Röm 8,33; 11,5; Eph 1,4; Kol 3,12; 1Pet 1,1 ). Die Erwählung geht der Berufung voran und wird im Leben des Gläubigen und in seinem Wachstum in den zuvor genannten christlichen Tugenden sichtbar. Wer so glaubt und lebt, wird nicht straucheln ( ptaisEte ). Damit ist nicht gesagt, daß der Gläubige sein Heil wieder verliert, wenn er strauchelt, denn seine Rettung ist nicht von seinem geistlichen Wachstum abhängig. Die griechische Bedeutung des Wortes ist vielmehr "sich vertun" oder "verfehlen". Ein Mensch, der im Glauben an Christus wächst, wird sicherlich nicht so leicht in seinem geistlichen Leben fehlgehen wie jemand, der in seiner Glaubensentwicklung nur wenig Fortschritte macht.



2. Ewige Gewißheit
( 1,11 )


2Pet 1,11


Die höchste Belohnung eines auf Christus ausgerichteten, gottesfürchtigen Lebens ist die persönliche Begegnung mit dem Heiland in seinem Reich. Stephanus hat diese Erfahrung gemacht ( Apg 7,56 ), und auch Paulus hatte eine Vorahnung davon ( 2Tim 4,7-8.18 ). Letztlich wird jeder Gläubige in dieser Weise vom Herrn empfangen werden, wenn er in die Gegenwart Gottes eingeht. So wird euch reichlich gewährt (von dem Verb epichorEgeO , "erweist", in 2Pet 1,5 ) werden der Eingang in das ewige Reich unseres Herrn und Heilands Jesus Christus . Der Eintritt in das Reich Gottes wird ein überreich gesegnetes "Heimkommen" sein.



III. Die christliche Nahrung: Das Wort Gottes
( 1,12 - 21 )


Vom Wirken Gottes im Leben der Gläubigen (V. 3 - 11 ) geht Petrus im folgenden auf das Wort Gottes als Nahrung für ein geistliches Leben über (V. 16 - 21 ). Er stellt seinen Ausführungen jedoch einen kurzen Exkurs voran, in dem er seine Leser an das, was er bisher geschrieben hat, erinnert (V. 12 - 15 ). Der Briefabschnitt über das Wort Gottes führt zu einer Aussage über die Offenbarung und die Inspiration, die in Vers 21 ihren Höhepunkt erreicht. Es ist Petrus' Stellungnahme zur Rolle des Heiligen Geistes bei der Verbalinspiration der Schrift.



A. Die Erinnerung an das Wort Gottes
( 2Pet 1,12-15 )


2Pet 1,12


In dem Bewußtsein, daß seine Tage gezählt sind, legt der Apostel seinen Lesern diesen Brief besonders ans Herz. Dreimal sagt er ihnen: "Darum will ich's nicht lassen, euch allezeit daran zu erinnern" (V. 12 ); "Ich halte es aber für richtig, ... euch ... zu erinnern" (V. 13 ); und "Ich will mich aber bemühen, daß ihr dies allezeit ... im Gedächtnis behalten könnt" (V. 15 ; vgl. 2Pet 3,1 ).

In der zweiten Hälfte des Satzes entschuldigt sich Petrus beinahe für die Dringlichkeit seiner Mahnung. Er möchte nicht, daß seine Leser seine Absicht mißverstehen. Es liegt ihm fern, sie zu kritisieren, und er nimmt auch keinesfalls an, daß sie in ihrem Glauben schwankend geworden sind. Im Gegenteil: Er weiß, daß sie die Wahrheiten, die er ihnen geschrieben hat, kennen ( ihr wißt ), und er zweifelt nicht daran, daß sie gestärkt ... in der Wahrheit sind. Alles, was er möchte, ist, daß ihr Glaube so fest bleibt ("gestärkt" kommt von stErizO ; vgl. 1Thes 3,2.13; 2Thes 2,17;3,3; 1Pet 5,10 ). In vielen Gemeinden ist das Problem heutzutage nicht so sehr, daß die Gläubigen nicht wissen, was Gott von ihnen erwartet, sondern daß sie es entweder vergessen haben (vgl. 2Pet 1,9 ) oder nicht bereit sind, nach der Wahrheit, die unter ihnen ist , zu leben.



2Pet 1,13-14


In der Erwartung, daß er bald beim Herrn sein wird, will Petrus das Gedächtnis seiner Leser erwecken (das Präsens bezeichnet eine fortdauernde Handlung), so lange er noch nach dem Willen des Herrn in dieser Hütte seines Leibes wohnt (vgl. "irdisches Haus" und "diese Hütte" in 2Kor 5,1.4 ). Denn er wird diese Hütte bald verlassen, wie es ihm der Herr ... eröffnet hat . Das könnte eine Anspielung auf Jesu Worte an Petrus über seinen Tod am Kreuz sein ( Joh 21,18-19 ). Es wäre aber auch denkbar, daß es sich um eine Todesahnung handelt, die in sehr hohem Alter oder angesichts der drohenden Verfolgungen ausgesprochen wird. Das Bild vom irdischen Leib als "Hütte" paßt zum Thema der Pilgerschaft, das eine wichtige Rolle im 1. Petrusbrief spielt ( 1Pet 1,1.17;2,11 ).



2Pet 1,15


Und auch für sich selbst betont Petrus: "Ich will mich aber bemühen" ( spoudasO ; vgl. V. 10 , "bemüht euch" und 2Pet 3,14 ,"seid bemüht"). Der Begriff Hinscheiden ( exodon ), den der Apostel hier benutzt, ist zwar nicht das übliche Wort für "Tod", läßt aber trotzdem keinen Zweifel. Auf dem Berg der Verklärung sprachen Jesus, Mose und Elia von Jesu "Ende" ( exodon , Lk 9,31 ). Das Wort "exodus" (wörtlich "Auszug", in diesem Fall aus dem Körper) steht im Gegensatz zum "Eingang" ( eisodos ) des Gläubigen in das Reich Gottes ( 2Pet 1,11 ).

Wie konnte Petrus so sicher sein, daß seine Leser nach seinem Tod dies allezeit ... im Gedächtnis behalten können? Manche Exegeten sehen darin einen versteckten Hinweis auf die Mitwirkung des Apostels am Markusevangelium, doch das ist nur eine Spekulation. Deutlicher ist dagegen, daß ihm soviel daran liegt, seinen zweiten Brief fertigzustellen, der - zusammen mit dem ersten - sein Vermächtnis bildet. Eine weitere Möglichkeit wäre, daß er sich hier auf das Fortwirken seines eigenen Lebens und Dienstes im Leben anderer, etwa in dem des Silvanus und Markus bezieht, die sein Werk nach seinem Tod fortsetzen würden. Eines ist jedenfalls gewiß: Petrus wollte sichergehen, daß das Volk des Herrn Gottes Werk und Gottes Wort nicht vergißt.



B. Die Majestät des Wortes Gottes
( 1,16 - 18 )


2Pet 1,16


Es ist wichtig, zwischen dem geschriebenen Wort, der Bibel, und dem fleischgewordenen Wort, Christus, zu unterscheiden. In diesen beiden ist die Offenbarung Gottes am vollständigsten verkörpert (vgl. Ps 19,7-11; Joh 1,18; Hebr 1,2 ), deshalb stehen beide auch im Mittelpunkt derAusführungen dieses Kapitels. Der Glaube der Christen beruht nicht auf irgendwelchen klugen Fabeln ( mythois ) wie die Lehren der Irrlehrer, die Petrus angreift ( 2Pet 2 ). Wahrer Glaube ist vielmehr auf historische Tatsachen gegründet, die von Augenzeugen, die sie selber gesehen haben, überliefert sind. Es hat den Anschein, daß Petrus hier ein neues Thema aufreißt. Er kommt relativ übergangslos auf die Wiederkunft des Herrn zu sprechen: die Kraft und das Kommen unseres Herrn Jesus Christus . In den vorangegangenen Ermahnungen hatte er schon von der Aufnahme der Gläubigen in das ewige Reich ( 2Pet 1,11 ) und von seinem eigenen Hinscheiden gesprochen. Was er zur Lehre der Wiederkunft zu sagen hat, basiert auf seiner eigenen Erfahrung auf dem Berg der Verklärung, wo er Augenzeuge der Herrlichkeit Christi wurde. Auch in seinem ersten Brief hatte er verschiedentlich auf die Wiederkunft Christi hingewiesen ( 1Pet 1,5.13;4,13 ). Offensichtlich spielte dieser Gedanke eine große Rolle für den Apostel, und er wollte ihn auch seinen Lesern nahebringen.

Doch inwiefern läßt sich aus der Verklärung Jesu ableiten, daß der Herr in Kraft und Herrlichkeit wiederkommen wird? Die Verklärung führte den drei Aposteln Petrus, Jakobus und Johannes gleichsam in einem Vorgeschmack des Gottesreiches vor Augen, wie Christus in seiner Herrlichkeit erscheinen wird (vgl. Mt 16,28-17,8; Mk 9,1-8; Lk 9,28-36 ). Dieses einzigartige Erlebnis prägte sich ihnen für immer ein.



2Pet 1,17-18


Die erhabene Sprache, die Petrus in diesem Zusammenhang gebraucht, soll seinen Lesern die wahre Majestät des Heilands, die er - als ein Mitglied des innersten Kreises der Jünger - den Vorzug hatte zu sehen, in möglichst anschaulicher Weise vor Augen führen. Der Apostel möchte, daß seine Leser über das erste Kommen Christi hinaus auf die Zeit blicken, wo er mit der gleichen Herrlichkeit , die schon bei der Verklärung um ihn war, wiederkommen wird. Alle Predigten, die Petrus in den Anfangstagen der Kirche hielt, legen Zeugnis davon ab, wie fest er von der Lehre des zweiten Advents überzeugt war ( Apg 2,32-33.36; 3,16.20-21 ).

Es fällt auf, daß Petrus von dem, was er auf dem heiligen Berge ... gehört hat, noch tiefer beeindruckt war als von dem, was er sah. Es kam eine Stimme ... vom Himmel , die Stimme Gottes des Vaters, der großen Herrlichkeit (ein ungewöhnlicher Name für Gott), die dem Sohn ... Ehre und Preis zusprach.



C. Die Bedeutung des Wortes Gottes
( 1,19 - 21 )


2Pet 1,19


Während Petrus von diesem unvergeßlichen Erlebnis auf dem Berg der Verklärung sprach, kam ihm das andere Wort Gottes, das geschriebene Wort, wie es von den Propheten verkündet wurde, in den Sinn. Ja, Gottes Stimme auf dem Berg machte das prophetische Wort ... um so fester ( bebaioteron ; vgl. bebaian , V. 10 ), denn die Verklärung war ein Vorgeschmack auf die Erfüllung der alttestamentlichen Weissagungen. Sowohl die Propheten als auch die Verklärung waren Hinweise auf das Reich Jesu auf Erden.

In mahnender Form weist Petrus seine Leser sodann darauf hin, wie sie zum Verständnis des Wortes Gottes finden können: "Ihr tut gut daran, daß ihr darauf achtet." Als ein Licht hat Gottes geschriebenes Wort Gültigkeit und Autorität. In der heutigen empiristisch orientierten Gesellschaft versuchen viele Menschen - darunter auch manche Christen -, die Wahrheit nach dem zu beurteilen, was Gott in ihrem Leben getan hat. Doch für den Apostel verblaßt der Glanz seiner eigenen Erfahrung (bei der Verklärung) angesichts der Sicherheit der aufgeschriebenen Offenbarung der Propheten.

Petrus spricht von dem "Licht" (V. 19 ) und von der "Weissagung" (V. 20 ), die "getrieben von dem Heiligen Geist" (V. 21 ) niedergeschrieben wurde. Die Prophetie des Alten Testaments ist wie ein Licht inmitten der Düsternis eines verwahrlosten Zimmers. Gottes prophetisches Wort ist ein Licht ( lychnO , "eine brennende Öllampe"; vgl. Ps 119,105 ), das da scheint an einem dunklen Ort . Auch wenn die Welt von der Sünde verdunkelt ist (vgl. Jes 9,1; Eph 6,12 ), so erhellt doch Gottes in die Zukunft weisendes Wort den Gläubigen den Weg. Doch der Tag (der Wiederkehr Christi; Röm 13,12 ) wird kommen. Am Tag braucht man keine Lampen mehr. Eine Lampe ist nichts, verglichen mit dem Morgenstern ( phOsphoros , "Lichtbringer"; das Wort kommt nur an dieser einen Stelle im Neuen Testament vor). So wie eine Lampe bei Nacht ein Vorgeschmack des hellen Morgensterns ist, der sie überstrahlt, wenn er aufgeht, so ist die Prophetie des Alten Testaments ein Vorgeschmack des Kommens Christi, "des hellen Morgensterns" ( astEr ; Offb 22,16 ). Bis er kommt, müssen die Gläubigen ihre Herzen von der Heiligen Schrift erleuchten lassen (auch wenn dieses Licht der Schrift an jenem Tag von der Erkenntnis, die dann in ihren Herzen aufgehen wird, weit überstrahlt wird).



2Pet 1,20


Als nächstes kommt Petrus auf die Offenbarung zu sprechen. Der Satz "Keine Weissagung in der Schrift (ist) eine Sache eigener Auslegung" ist verschieden interpretiert worden. (1) Die Schrift sollte nur im Kontext gedeutet werden, d. h., eine Weissagung kann nie allein, ohne andere Weissagungen, die ihr Verständnis erleichtern, betrachtet werden. (2) Die Schrift sollte nicht nach eigenem Gutdünken ausgelegt werden. (3) Die Schrift kann ohne den Heiligen Geist nicht richtig gedeutet werden. (4) Die Weissagungen stammen nicht von den Propheten selbst. Die Wörter epilyseOs ("Auslegung", wörtlich "Erlösung") und ginetai ("entstanden") sprechen am ehesten für die vierte Auffassung. Die Schrift ist nicht nur das Werk der Propheten, ihre Feder wurde von Gott geführt. Vers 20 bezieht sich also nicht auf die Auslegung der Schrift, sondern auf die Offenbarung, die Quelle der Schrift.



2Pet 1,21


Auch dieser Vers stützt die Ansicht, daß Petrus in Vers 20 auf den Ursprung der Prophetie in Gott, nicht in den Propheten, hinweist. Es ist noch nie eine Weissagung aus menschlichem Willen hervorgebracht worden, sondern getrieben von dem Heiligen Geist haben Menschen im Namen Gottes geredet.

Die Verfasser der Schrift wurden also bei der Niederlegung ihrer Weissagungen von Gottes Geist getragen. Was sie schrieben, ist von Gott inspiriert ( 2Tim 3,16 ). "Getragen" oder "getrieben" gibt das Wort pheromenoi wieder. Lukas gebraucht es in Zusammenhang mit einem Segelboot, das vom Wind getrieben wird ( Apg 27,15-17 ). Hinter den menschlichen Verfassern der Schrift steht der göttliche Verfasser, der Heilige Geist. Und doch haben auch die Menschen bewußten Anteil am Prozeß der Niederschrift; der Text wurde ihnen weder diktiert noch schrieben sie ihn im Zustand der Ekstase auf. Von daher ist es zu verstehen, daß die Gläubigen in der Schrift eine sichere Weissagung besitzen, und es wird auch begreiflich, daß ihre geistliche Nahrung ganz aus der Schrift kommen muß. Schließlich ist sie das Wort Gottes selbst.



IV. Der christliche Kampf: Der Angriff der Irrlehrer
( 2Pet 2 )


Mit dem Erlaß des Ediktes von Mailand im Jahre 313 n. Chr. eröffnete sich der Kirche der Weg in die Welt. Sie war nun berechtigt, ihre Lehren offen zu verkündigen und zu vertreten. Gleichzeitig setzte damit jedoch ein Unterwanderungsprozeß von außen, von der Welt, nach innen in die Kirche ein, der die christliche Botschaft in den kommenden zwölfhundert Jahren bis zum Beginn der Reformation immer wieder zu verwässern und zu verzerren drohte. Ein Blick in das zweite Kapitel des 2. Petrusbriefes zeigt allerdings, daß dieser Unterwanderungsprozeß schon lange vor Konstantin begonnen hatte. Er ist offenbar eine ständige Gefahr, der die Gläubigen aller Zeiten in gleicher Weise ausgesetzt waren und sind.



A. Befreiung von den falschen Lehrern
( 2,1-9 )


Das Wort "erretten" in Vers 7.9 erzählt von Gottes Bereitschaft und Vermögen, sein Volk aus den verschiedensten Bedrängnissen und Gefahren zu befreien, selbst da, wo diese Rettung gar nicht deutlich gesucht wird (vgl. die Geschichte von Lot). Daß die Rettung allein von Gott kommen kann, ist jedoch andererseits keine Entschuldigung für die Gläubigen, sich dem Kampf gegen falsche Lehrer und falsche Propheten zu entziehen.



1. Die Darstellung der falschen Lehre
( 2,1-3 )


2Pet 2,1


Die betrügerischen Handlanger des Satans mit ihren heimtückischen Methoden sind immer am Werk. Sie traten zur Zeit der in 2Pet 1,19-21 erwähnten Propheten in Israel auf, und sie finden sich in der Kirche des 1. Jahrhunderts. Auch wenn Petrus von den in der Vergangenheit wirksamen falschen Propheten und den falschen Lehrern der Gegenwart spricht, so ist doch ihre Lehre immer dieselbe - Häresie. Die falschen Propheten kamen häufig aus Israel selbst (vgl. Jer 5,31; 23,9-18 ), nicht aus den es umgebenden Völkern. Genauso verhält es sich nun auch mit den falschen Lehrern: Meistens kommen sie ebenfalls aus der Kirche und führen verderbliche Irrlehren ein. Einführen ist die Übersetzung von pareisaxousin , "mit hereinbringen" (vgl. die Übersetzung des verwandten Substantivs pareisaktous , "eingeschlichen", in Gal 2,4 ). "Häresie" ist ein Lehnwort aus dem Griechischen. Im klassischen Sprachgebrauch war haireseis einfach die Bezeichnung für die verschiedenen philosophischen Schulen. Die Verfasser des Neuen Testamentes dagegen verwendeten den Begriff zur Bezeichnung bestimmter religiöser Gruppen oder Sekten (z. B. für die Sadduzäer [ Apg 5,17 ] oder die Pharisäer [ Apg 15,5 ]) oder für Splittergruppen innerhalb der Gemeinden, deren Anhänger allem Anschein nach von der rechten Lehre abgeirrt waren (vgl. 1Kor 11,19 ,"Spaltungen"). Solche Häresien oder Irrlehren sind deshalb so "verderblich", weil sie die Menschen von Christus abbringen und damit ins geistliche Verderben ( apOleias ) führen.

Der Kern dieser Irrlehren, die im Umlauf sind, ist, daß sie den Herrn , Christus, verleugnen (vgl. Jud 1,4 ). Das wiederum hat ihr schnelles ( tachinEn , "plötzlich"; vgl. tachinE , "bald" in 2Pet 1,14 ) geistliches Verderben ( apOleian ; vgl. 2Pet 2,3;3,16 ) zur Folge. Wie können diese falschen Lehrer, von denen der Apostel sagt, daß sie unter den Gemeindegliedern sind, und die der Herr erkauft ( agorasanta , "freigekauft, erlöst") hat, in ewigem Verderben enden? Zu diesem Punkt sind verschiedene Annahmen formuliert worden: (1) Die falschen Lehrer waren ursprünglich gerettet, verloren ihre Erlösung jedoch wieder. Das steht allerdings im Widerspruch zu vielen anderen neutestamentlichen Aussagen (z. B. Joh 3,16; 5,24; 10,28-29 ). (2) "Erkauft" heißt hier, daß der Herr sie schuf, nicht, daß er sie erlöste. Diese Auslegung sprengt jedoch sicherlich den Bedeutungshorizont von agorazO ("freikaufen, erlösen").

(3) Die falschen Propheten behaupteten lediglich von sich, sie seien von Christus "erkauft". Das hieße, etwas in den Text hineinzulesen, was so nicht dasteht. (4) Sie waren insofern "erkauft", als Christus das Lösegeld für ihre Rettung bezahlte, doch sie nahmen seine Erlösung nicht an und sind deshalb nicht gerettet. Christi Tod ist "ausreichend" für alle Menschen ( 1Tim 2,6; 1Joh 2,2; Hebr 2,9 ), doch er ist nur für die wirksam, die daran glauben. Das ist ein starkes Argument für die Allversöhnung (der Gedanke, daß Christus für alle Menschen gestorben ist) und gegen eine Beschränkung der Versöhnung auf bestimmte Menschen (die Auffassung, daß Christus nur für die starb, die er später retten wird).



2Pet 2,2


Das Schlimme an den falschen Lehrern ist, daß sie zum Teil überaus erfolgreich sind, eine große Anhängerschaft um sich scharen und viele ... ihnen folgen in ihren Ausschweifungen ( aselgeiais ; vgl. auch 1Pet 4,3; 2Pet 2,7 ,"ausschweifend" und V. 18 "fleischliche Lust"). (Vgl. aselgeia in Röm 13,13; 2Kor 12,21; Gal 5,19; Eph 4,19; Jud 1,4 .Das Wort bezieht sich auf entwürdigende und unmoralische sexuelle Praktiken.)



2Pet 2,3


Scharlatane und Betrüger haben die Gemeinde Gottes immer wieder durcheinandergebracht. Sie nutzen andere Menschen aus Habsucht (vgl. V. 14 ) für ihr eigenes Gewinnstreben aus ( gewinnen , emporeusontai , bedeutet "kommerzialisieren, Handel treiben, ein Geschäft aus etwas machen"; vgl. emporeusometha , "Gewinn machen", in Jak 4,13 ) und machen aus der Kirche einen Umschlagplatz für schmutzige Geschäfte. Dabei arbeiten sie mit erdichteten Worten ( plastois - daher das Fremdwort Plastik - logois ), d. h., was sie sagen ist erkünstelt und nicht echt. Doch dadurch beschwören sie ihr eigenes Gericht ( krima ) und ihr Verderben ( apOleia , zweimal in 2Pet 2,1 und ebenso in 2Pet 3,16 ) herauf und verfallen am Ende derselben Strafe, die Gott auch anderen zugedacht hat, die sich an der Wahrheit und der Rechtschaffenheit versündigt haben (wie Petrus in Vers 4 - 6 zeigt). Ihr Verderben schläft nicht ( ou nystazei , ein Wort, das nur noch einmal im Neuen Testament vorkommt, in der Geschichte von den schlafenden Jungfrauen in Mt 25,5 ). Gottes Gerechtigkeit schläft nicht und wird jeden, der sich schuldig gemacht hat, ereilen.


2. Beispiele vergangener Strafgerichte über die Irrenden
( 2,4 - 6 )


In den Versen 4 - 10 a führt der Apostel verschiedene Beispiele für Gottes Gericht und auch für sein erlösendes Handeln an. So berichtet er nach drei Fällen, in denen Gott strafend eingriff (V. 4 - 6 ), von einem vierten, in dem er Gnade walten ließ (Lot, V. 7 ). Wenn man genau hinsieht, stellt man fest, daß die Verse 4-9 eigentlich einen einzigen Satz bilden, einen der längsten im ganzen Neuen Testament überhaupt. Petrus wollte damit aufzeigen, daß Gott die falschen Lehrer und all diejenigen, die sich in irgendeiner Weise an ihm und seinem Wort versündigen, bestrafen wird. Für die Gültigkeit dieser Behauptung kann er zahlreiche Belege aus der Geschichte anführen.

2Pet 2,4


Das erste Beispiel handelt von den Engeln, die gesündigt haben . Damit sind entweder die gefallenen Engel gemeint, die an der Rebellion Satans gegen Gott beteiligt waren ( Hes 28,15-18 ), oder die Anspielung gilt dem Vergehen der Engel in 1Mo 6,1-4 .Da die beiden anderen alttestamentlichen Belege in diesem Abschnitt dem ersten Buch Mose entnommen sind, scheint es plausibel, das auch im ersten Fall vorauszusetzen, doch es gibt keinerlei sicheren Anhalt dafür. Wenn Gott in seiner Gerechtigkeit so weit geht, daß er selbst die Engel ... nicht vor der Strafe verschont , dann wird er gewiß auch nicht zögern, Menschen zu bestrafen. Er stieß die Engel in die Hölle , wörtlich "in den Tartarus", offenbar eine Art Kerker ( mit Ketten der Finsternis ), in dem sie zwischen der Zeit des Gerichts und ihrem endgültigen Sturz in den ewigen Feuersee schmachten. Für sie wird es jedoch kein künftiges Gericht mehr geben, ihr Verdammungsurteil ist bereits besiegelt. Die gleiche Strafe wie die aufrührerischen Engel werden nach den Worten des Apostels auch die falschen Lehrer zu spüren bekommen.


2Pet 2,5


Die Sintflut spielte offenbar im Denken des Apostels eine besondere Rolle, denn er nimmt nicht weniger als dreimal in seinen beiden Briefen Bezug auf dieses Ereignis ( 1Pet 3,20; 2Pet 2,5;3,6 ). Noah ... mit sieben andern heißt im griechischen Urtext eigentlich "Noah, die achte Person". Die sieben anderen waren seine Frau, seine drei Söhne (Sem, Ham und Jafet) und deren Frauen ( 1Mo 6,10.18 ). Noah war ein rechtschaffener und frommer Mann ( 1Mo 6,9 ), ein gehorsamer Knecht Gottes, der Erbauer der Arche ( 1Mo 6,13-22 ). Petrus setzt noch hinzu, daß er ein Prediger der Gerechtigkeit gewesen sei, der gegen die Schlechtigkeit und Verdorbenheit um ihn herum anpredigte.

Das Hauptgewicht von 2Pet 2,5 liegt auf der Tatsache, daß Gott sich nicht scheute, die vorsintflutliche Zivilisation und ihre Menschen, die frühere Welt ... der Gottlosen , zu vernichten. Hoffen die falschen Lehrer zur Zeit des Petrus vielleicht, sie könnten dem göttlichen Gericht entgehen, weil sie so viele sind? Der Apostel tritt solchen irrigen Vorstellungen bei den falschen Lehrern selbst und auch bei denen, auf die sie es abgesehen haben, mit dem unwiderleglichen Hinweis entgegen, daß Gottes Gericht über das Böse nicht einmal vor der Vernichtung der gesamten Menschheit (bis auf acht Menschen) halt machte. Die Verbform brachte ( epaxas , Part. Impf. von epagO , "auslösen, herbeiführen, verursachen") verdeutlicht die Plötzlichkeit des göttlichen Strafgerichts in der Sintflut. Das gleiche Verb verwendet Petrus in Vers 1 , als er davon spricht, daß die Häretiker ihr eigenes Verderben "herbeiführen".



2Pet 2,6


Das Ende von Sodom und Gommorra im Feuer ist ein klassisches Beispiel für ein universales Strafgericht über die Gottlosen ( 1Mo 19,15-29 ). Das Partizip tephrOsas , zu Schutt und Asche gemacht , kommt nur an dieser einen Stelle im Neuen Testament vor. Petrus schließt mit der Feststellung, Gott habe mit der Vernichtung der beiden Städte ein Beispiel ( hypodeigma , "Bild, Modell") gesetzt den Gottlosen, die hernach kommen würden (vgl. Jud 1,7 ). Es geht ihm hier um den Hinweis auf diesen historischen Fall eines Gottesgerichtes, nicht um den Grund, der eine so harte Bestrafung nach sich zog. Heutzutage gemahnt die Homosexualität, von der die moderne westliche Kultur vielfach gezeichnet ist, an den schändlichen Lebenswandel jener beiden Städte der Antike ( 1Mo 19,4-5; vgl. 1Mo 13,13; Röm 1,27 ).


3. Die göttliche Befreiung
( 2,7 - 9 )


2Pet 2,7-9


Schon einmal - im Falle Noahs und seiner Familie (V. 5 ) - war von der Verschonung einzelner die Rede gewesen. Nun zeigt Petrus ein weiteres Beispiel für Gottes befreiendes Handeln, die Rettung des Lot . Auch diese Stelle ist zugleich ein interessanter Kommentar aus neutestamentlicher Sicht zu einer vertrauten Geschichte aus dem Alten Testament (vgl. die Ausführungen zu V. 5 ). In 1Mo 19 gewinnt man gar nicht so sehr den Eindruck, daß es sich bei Lot um einen besonders gerechten Mann handelt, im Gegenteil, sein Lebenswandel scheint keineswegs durchgängig unter dem Zeichen der Gottesfürchtigkeit gestanden zu haben. Dennoch war er vor Gott gerechtfertigt ("gerecht", ein Wort, das dreimal in 2Pet 2,7-8 auftaucht, kommt von dikaion , "gerechtfertigt"). Das zeigt sich darin, daß Lot unter der ungeheuren Schlechtigkeit, von der er umgeben war, zu leiden hatte und daß ihm die Leute viel Leid antaten ( kataponoumenon , "gequält, unterdrückt"; das Wort taucht nur an dieser Stelle und in Apg 7,24 auf). Die Bevölkerung der beiden verderbten Städte Sodom und Gomorra war schändlich ( en aselgeia , "in sexueller Verderbtheit"; in 2Pet 2,2 ist aselgeia mit "Ausschweifung" übersetzt), dem ausschweifenden Leben ( athesmOn , "prinzipienlos"; das Wort taucht im ganzen Neuen Testament nur hier und in 2Pet 3,17 auf) ergeben und in böse ( anomois , "gesetzlose") Werke verstrickt. Lot litt Qualen ( ebasanizen , "gequält"; vgl. Mt 8,29 ) in seiner gerechten Seele (wörtlich "er quälte seine gerechte Seele"). Der Anblick und das Anhören ihrer verderbten Lebensweise von Tag zu Tag bekümmerten ihn bis zur Verzweiflung.

In 2Pet 2,9 wird die Bedeutung der Verse 4-9 klar. Der Herr weiß die Frommen ... zu erretten, die Ungerechten aber festzuhalten ( tErein , "bewachen"). Daß Gott die Gottesfürchtigen aus der Versuchung erretten kann, ist ein Trost für die Gläubigen, der in Noah und seiner Familie und in Lot mit seiner Frau und seinen Töchtern beispielhaft verkörpert ist. Auf der anderen Seite aber spart Gott die Ungerechten ... für den Tag des Gerichts (vgl. 2Pet 3,7 ), den großen, weißen Thron des Gerichts und den Feuersee ( Offb 20,11-15 ) auf. Doch ihre Strafe ereilt sie nicht erst nach dem Tod im Hades ( Lk 16,23 ), sondern schon hier auf Erden (vgl. Röm 1,27 b). Das Partizip kolazomenous ("strafend, verurteilend") ist ein weiteres hapax legomenon dieses Briefes.



B. Beschreibung der falschen Lehrer
( 2,10-16 )


Die falschen Lehrer werden so sicher von Gott gerichtet werden wie einst die Engel, die sündige Welt zur Zeit Noahs und die ruchlosen Bewohner von Sodom und Gomorra. In den Versen 10-16 (auch V. 17 ) beschreibt Petrus das wahre Wesen der Irrlehrer, die die Kirche im 1. Jahrhundert heimsuchten.



1. Sie sind aufrührerisch
( 2,10-12 a)


2Pet 2,10-12 a


Die Apostel und Lehrer legten großen Wert auf Reinheit vor Gott. Die Irrlehrer in der Kirche, die diese Maßstäbe ablehnten, bewiesen dagegen, daß sie wie die Leute aus Sodom und Gomorra nur nach dem Fleisch leben wollten ( die nach dem Fleisch leben in unreiner [ miasmou ] Begierde ) und das unter Mißachtung jeder Herrschaft auch taten (vgl. Jud 1,16.18 ). Doch es handelte sich hier nicht um die Mißachtung irgendeiner menschlichen Autorität; diese Gesetzlosen verachten ( kataphronountas , "herabsehen auf) einen wirklichen "Herrn". K yriotEtos , "Herrschaft", kann sich entweder auf Engel (vgl. Eph 1,21; Kol 1,16 ) oder, was wahrscheinlicher ist, auf den Herrn ( kyrios ; vgl. 2Pet 2,1 ) selbst beziehen. Doch von solchen Leuten - die frech ( tolmEtai , "anmaßend, überheblich") und eigensinnig ( authadeis ; vgl. Tit 1,7 ) sind - kann man auch nichts anderes erwarten: In ihrer Lästerung ( blasphEmountes ) gehen sie so weit, absichtlich die Unwahrheit über himmlische Mächte ( doxas , vielleicht gefallene Engel) zu sagen. Möglicherweise bestand ihre Blasphemie darin zu lehren, daß ein ausschweifendes Leben dem Leben der Engel entspräche und daß es der Wille Gottes sei, daß die Menschen sich in dieser Hinsicht ebenfalls keinerlei Zurückhaltung auferlegten.

Die falschen Lehrer taten Dinge, die nicht einmal Engel tun würden: sie verlästerten Stärkere und Mächtigere als sie selbst waren. Normalerweise würde man von (guten) Engeln, die größere Stärke und Macht haben , erwarten, daß sie weniger mächtige Wesen - gefallene Engel - kritisierten, doch nicht einmal sie dürfen solche Klagen vor den Herrn bringen (vgl. Jud 1,8-9 ). Der Hochmut dieser Verleumder aber war so groß, daß ihr blindwütiger Angriff gegen alle, die sich ihrer Lehre widersetzten, kein Maß kannte. Doch sie wußten nicht, gegen wen sie sich mit ihren Lästerungen eigentlich wandten ( 2Pet 2,12 a; vgl. Jud 1,10 ).



2. Sie sind wie Tiere
( 2,12 b)


2Pet 2,12 b


Die Irrlehrer des 1. Jahrhunderts waren wie unvernünftige Tiere . Sie handelten ganz aus ihrem Instinkt, das heißt in diesem Fall aus ihrer sündigen Natur heraus, statt sich nach rationalen Gesichtspunkten zu entscheiden. Die Wendung von Natur aus ist die Übersetzung des griechischen Begriffs physika , "zur Natur gehörend". Diese Menschen folgten allein ihren natürlichen Begierden. Wie es für wilde Tiere im Dschungel gilt, lag auch ihr einziger Wert darin, gefangen und geschlachtet zu werden (vgl. Jud 1,10 ). Die rohe Sprache, die der Apostel hier verwendet, ist ein Zeichen dafür, wie gefährlich diese Häresien in seinen Augen waren. Die Wendung "wie die unvernünftigen Tiere ... werden auch (sie) in ihrem verdorbenen Wesen ( phthora ) umkommen ( phtharEsontai )" enthält im Griechischen ein interessantes Wortspiel (vgl. "zugrunde richtet" in Eph 4,22 ). Mit diesem "Umkommen" ist wahrscheinlich die ewige Höllenstrafe gemeint.



3. Sie sind Betrüger
( 2,13 )


2Pet 2,13


Das Wortspiel in Vers 12 leitet über zu der Pointe in Vers 13 : Die Irrlehrer werden sich in ihren eigenen Netzen fangen. Sie werden den Lohn ( misthon ) der Ungerechtigkeit ( adikias ; vgl. V. 15 ) davontragen ( adikoumenoi ; "verletzt werden, Ungerechtigkeit leiden"), d. h., Gott wird ihnen genau damit heimzahlen, was sie anderen angetan haben (vgl. Gal 6,7 ). Obwohl die Irrlehrer versuchten, sich der Gemeinde als geistliche Führer zu präsentieren, die in der Erkenntnis besonders weit fortgeschritten sind, besaßen sie nicht einmal den Anstand, die Orgien, die sie feierten, unter dem Mantel der Dunkelheit zu verbergen. Es war ihnen eine Lust, am hellen Tag zu schlemmen und zu schwelgen in ihren Betrügereien ( apatais ). Offensichtlich taten sie das sogar an den Liebesfesten der Kirche (vgl. Jud 1,12 ). Sie waren Schandflecken ( spiloi , mOmoi ; vgl. 2Pet 3,14 ) der Gemeinde. Wie ein Schmutzfleck auf einem sauberen Hemd oder ein Kratzer auf einem Ring verunreinigten sie das Herrenmahl durch ihre Anwesenheit. Doch das war nur eine der Ungerechtigkeiten, die sie den Christen antaten.



4. Sie sind notorische Sünder
( 2,14 )


2Pet 2,14


In den folgenden stakkatoartigen Wendungen, mit denen der Apostel die Häretiker verurteilt, kann auch er sich nicht der Schmähungen enthalten. Wenn es bis dahin noch irgendeinen Zweifel über das Schicksal der falschen Lehrer gab - mit der Aussage, daß sie Sünder sind und Sünder bleiben werden, daß ihr einziges Sinnen und Trachten der Sünde gilt, gibt Petrus sie der ewigen Verdammnis preis. Die Wendung "haben Augen voll Ehebruch" bedeutet, daß sie keine verheiratete Frau ansehen können, ohne sie besitzen zu wollen. Nimmer satt der Sünde bezieht sich wahrscheinlich auf eben diese Sünde ihrer Augen ( Mt 5,28 ). Daß solche Menschen als Christen gelten sollen, ist der johanneischen Vorstellung, daß eine wiedergeborene Person nicht mehr sündigt, diametral entgegengesetzt ( 1Joh 3,9 ).

Ihre Betrügereien zielten darauf ab, die Naiven oder Unbeständigen (vgl. 2Pet 3,16 ) zu verführen (von deleazO , "ködern, verleiten"; das Wort steht außer an dieser Stelle nur noch in 2Pet 2,18 ). Sie waren geradezu Spezialisten geworden, was die Habsucht (vgl. 2Pet 2,3; wörtlich "haben ein Herz getrieben [ gegymnasmenEn ; daher unser "Gymnasium"] von Habsucht" ) betrifft. Sie hatten ihre Begehrlichkeit durch ständiges Üben sozusagen "vervollkommnet" und waren nicht mehr zufriedenzustellen. Kein Wunder, daß Petrus sie als verfluchte Leute (wörtlich "Kinder eines Fluches", ein Hebraismus, der auf einen ganz bestimmten Fluch von Gott hinweist) bezeichnet. Sinnlichkeit, Betrug und Habgier stehen zu Recht unter dem Zorn Gottes.



5. Sie sind gewinnsüchtig
( 2,15 - 16 )


2Pet 2,15-16


Hier beschwört Petrus ein weiteres Bild aus dem Alten Testament herauf ( 4Mo 22-24 ). Die falschen Propheten sind wie Tiere ( 2Pet 2,12 ), und schon ihr Ahnherr Bileam , der Sohn Beors , wurde von einem Tier getadelt ( 4Mo 22,28.30 ). Abgesehen von seiner Habgier (er [liebte] den Lohn [ misthon ] der Ungerechtigkeit [ adikias ; vgl. 2Pet 2,13 ]) beging Bileam noch eine weitere Schandtat: Er forderte die Moabiter auf, die Israeliten zu unerlaubten Beziehungen mit moabitischen Frauen zu verführen, und öffnete auf diese Weise der Unmoral Tür und Tor ( 4Mo 31,16; vgl. 4Mo 25,1-3; Offb 2,14 ). Doch sein Lasttier redete ( phthenzamenon , "machte ein Geräusch"; vgl. auch 2Pet 2,18 ) mit ihm und wehrte seiner Torheit ( paraphronian , wörtlich "entfernt sein vom rechten Denken"; das Wort steht nur an dieser einen Stelle im Neuen Testament). Ein Esel, ein stummes Tier, war klüger als der Prophet Bileam! Die falschen Lehrer hatten wie Bileam schon so lange und so schwer gesündigt, daß ihre Sünde zu einer Geisteshaltung, ja Geisteskrankheit geworden war. Auch heute haben manche Menschen sich so unwiderruflich der Habgier und dem Betrug ergeben, daß ihr Leben in seiner Fixiertheit dem Leben eines Geisteskranken ähnelt. Geld und Sex sind (manchmal sogar im Namen der Religion) der Weg ins geistliche Verderben der Menschen. Das ist der "Irrtum des Bileam" ( Jud 1,11 ), sein Weg, der so weit vom richtigen Weg entfernt ist.



C. Verderblicher Einfluß der Irrlehrer
( 2,17 - 22 )


Obwohl die Häretiker unweigerlich dem Jüngsten Gericht verfallen sind, warnt Petrus die Christen doch vor dem Schaden, den sie in der Kirche anrichten. Manche Menschen schienen besonders anfällig für die Lehren zu sein, die sie verbreiteten. Nachdem der Apostel seinen Lesern den Weg gezeigt hat, auf dem Gott die Gläubigen von gottlosen Menschen befreit, und ihnen die Vorgehensweise der falschen Lehrer aufs anschaulichste beschrieben hat, kommt er nun auf die Zerstörung zu sprechen, die solche Irrlehren innerhalb der Kirche bewirken können.



1. Die Ziele ihrer Zerstörung
( 2,17 - 18 )


2Pet 2,17-18


Die "verfluchten Leute" (V. 14 ) sind eine echte Gefahr, weil sie sich ihren Opfern mit List nähern und weil diese sich so anfällig für sie zeigen. Falsche Lehrer sind Brunnen ohne Wasser und Wolken, vom Wirbelwind umhergetrieben (vgl. Jud 1,12.13 ): sie können die Menschen, die sich nach einem kühlen Schluck oder einem erfrischenden Regenschauer sehnen, nur enttäuschen. Es liegt in der Natur der Heuchelei, daß sie das, was sie zu besitzen vorgibt, eben gerade nicht hat. Nochmals (vgl. 2Pet 2,1.3.9.12-13 ) weist Petrus darauf hin, daß diese Menschen dem Gericht verfallen sind. Ihr Los ist die dunkelste Finsternis ( zophos , vgl. V. 4 ; vgl. Jud 1,13 ) - wahrscheinlich die Hölle. Wie in allen Häresien ist es die menschliche Sprache, mit der die falschen Lehrer ihre Opfer verführen: Sie reden ( phthengomenoi , "ein Geräusch machen"; vgl. 2Pet 2,16 ) stolze ( hyperonka , "geschwollen", eines der hapax legomena von Petrus) Worte, hinter denen nichts ist ( mataiotEtos , "leer, nutzlos, ohne Ergebnis"; vgl. Eph 4,17 ). Die wohlklingenden Wendungen, durch die sie die Menschen beeindrucken und täuschen, sind in Wirklichkeit leeres Geschwätz, das sich nicht von dem Brüllen eines Esels unterscheidet. Diese Lehrer versuchen, die Unbeständigen zu verführen, indem sie sie durch Unzucht zur fleischlichen Lust ( aselgeiais ; vgl. V. 7 ) reizen ( deleazousin , "ködern, verleiten"; vgl. 2Pet 2,14 ). Ihre eigene Zügellosigkeit ist ihnen nicht genug, sie möchten auch andere zu ihren Sünden verleiten.

Derartige Propaganda und sinnliche Ausschweifung spricht gerade die Leute an, die kaum entronnen waren denen, die im Irrtum ihr Leben führen , d. h. Leute, die das Evangelium und den Anspruch, den es an ihr Leben stellt, noch kaum kennen. Sie sind - nach Ansicht der meisten Exegeten - noch nicht Christen zu nennen. Einzelne Forscher reihen sie jedoch bereits in die Gruppe der zum Christentum Bekehrten ein, die dadurch der heidnischen Gesellschaft, der sie früher angehörten und die in Sünde lebt, entronnen sind.



2. Die Mittel ihrer Zerstörung
( 2,19 )


2Pet 2,19


Die Vorgehensweise der Irrlehrer hat nur bei den Naiven Erfolg, denn sie gleichen einem Übergewichtigen,der Diäthandbücher an den Mann bringen will: Sie versprechen ... Freiheit, obwohl sie selbst Knechte des Verderbens sind ( Joh 8,34-36 ). Ihre leeren, prahlerischen Versprechungen von Freiheit erinnern an die Worte Satans zu Eva ( 1Mo 3,4-5 ). Sklaverei gibt es nicht nur in der Leibeigenschaft, versklavt ist jeder, dessen Wille von einer anderen Person, einer Idee oder einer Sache beherrscht wird ( Röm 6,16; 1Kor 6,12 b).

 

3. Das Ende ihrer Zerstörung
( 2,20 - 22 )


Von wem ist in diesen Versen die Rede? Vier Möglichkeiten wären denkbar.

1) Nach Ansicht mancher Exegeten bezieht sich das Wort "sie" auf die falschen Lehrer selbst und nicht auf ihre Opfer (z. B. Edwin A. Blum, "2 Peter", in: The Expositor's Bible Commentary , 12,282).

2) Die Verbindung zwischen dem Schluß von Vers 18 ("die kaum entronnen waren denen, die im Irrtum ihr Leben führen") und dem Anfang von Vers 20 ("wenn sie durch die Erkenntnis ... entflohen sind dem Unrat der Welt") scheint jedoch eher darauf hinzudeuten, daß damit die Wankelmütigen, noch nicht Geretteten gemeint sind, die "Hörer" des Evangeliums sind (V. 18 ).

3) Eine dritte These geht davon aus, daß in dieser Aussage sowohl die falschen Lehrer als auch die von ihnen "Bekehrten" eingeschlossen sind, die ihrer Erlösung verlustig gehen können. Diese Annahme steht allerdings im Widerspruch zu vielen anderen Stellen, die den Gläubigen eine ewige Rettung zusprechen.

4) Wieder andere Interpretatoren sehen in der Stelle eine Warnung an Neubekehrte , sich nicht in ein Leben, das nur auf fleischlichen Genuß ausgerichtet ist, hineinziehen zu lassen, "... nur um später herauszufinden, daß dieser Zustand noch weniger Vergnügen und Erfüllung mit sich bringt als ihr Leben vor der Erlösung" (Duane A. Dunham, An Exegetical Study of 2 Peter 2,18 - 11, Bibliotheca Sacra 140. January-March, 1983, 51).



2Pet 2,20-21


Ob sich das Pronomen "sie" in Vers 20 nun auf die Irrlehrer oder auf ihre Opfer bezieht, in jedem Fall war beiden Gruppen die Erkenntnis des Herrn und Heilands Jesus Christus zugänglich, durch die sie hätten Freiheit und Leben gewinnen können. Doch nachdem sie diese Erkenntnis von sich gestoßen haben, sind sie nur noch tiefer ins Verderben geraten ( wiederum in diesen (Unrat der Welt) verstrickt und von ihm überwunden ) und haben dadurch nur noch härtere Strafe über sich heraufbeschworen. Ja, es wäre in der Tat besser für sie gewesen, daß sie den Weg der Gerechtigkeit , das Evangelium, nie erkannt und nichts von dem heiligen Gebot (der apostolischen Botschaft) gewußt hätten, als daß sie die Wahrheit kennen und sich bewußt von ihr abkehren .



2Pet 2,22


Für die Juden gehörten Hunde und Schweine zu den niedrigsten Geschöpfen (vgl. Mt 7,6 ), deshalb verwendet Petrus diese beiden Tierarten, um Menschen zu beschreiben, die die Wahrheit kennen und sich von ihr abwenden. Das erste Sprichwort, das er zitiert - Der Hund frißt wieder, was er gespien hat -, stammt aus Spr 26,11 .Das zweite - Die Sau wälzt sich nach der Schwemme wieder im Dreck - war vermutlich eine im 1. Jahrhundert gebräuchliche jüdische Redewendung. Beiden Redensarten liegt derselbe Gedanke zugrunde: Die Apostaten (seien es nun die falschen Lehrer, ihre Opfer oder beide) waren nicht das, was sie zu sein schienen und kehrten im Grunde genommen zu dem zurück, was sie schon immer gewesen waren. Wie Hunde und Schweine zwar immer wieder gesäubert, aber nicht auf Dauer von ihren unreinlichen Gewohnheiten abgebracht werden können, weil diese ihrer Natur entsprechen, so sind die Apostaten stärker geknechtet, weiter entfernt von der Wahrheit und stecken tiefer im geistlichen Unrat als vorher. Auch der Gläubige von heute tut gut daran, sich die Warnung des Apostels vor den falschen Lehrern zu Herzen zu nehmen und von ihm zu lernen, wie er selbst die Wahrheit erkennen und an andere weitergeben kann. Die falschen Lehrer gehen ihrem eigenen Verderben entgegen und stürzen andere ins Verderben. Die Christen können den geistlichen Kampf gegen solche Leute jedoch wirksamer führen, wenn sie ihre Feinde kennen, wissen, wie Häretiker vorgehen und was bei ihren Täuschungen herauskommt.



V. Die christliche Hoffnung: Die Wiederkunft des Herrn
( 3,1 - 16 )


Kein Mensch wartet gern, und doch ist es gerade eine Haltung der Erwartung, die die Christen bis zur Wiederkunft ihres Herrn kennzeichnen sollte. Dreimal taucht in diesem Kapitel das Wort prosdokaO , "warten", auf (V. 12 - 14 ; vgl. Lk 12,46 ,wo es mit "erwartet" wiedergegeben ist). Die christliche Erwartung ist jeweils gekoppelt mit Wachsamkeit.

Den Christen des 1. Jahrhunderts waren die Worte der alttestamentlichen Propheten über die Wiederkunft Christi noch besonders nahe, zumal sich zu ihnen die Verheißung des Herrn selbst und die beständige Mahnung aller Apostel (wie hier in diesem Brief die des Petrus) gesellte. In 2Pet 3,1-16 wird die Wiederkunft des Herrn unter fünf Aspekten oder Perspektiven betrachtet.



A. Die Gläubigen denken daran
( 3,1-2 )


2Pet 3,1


Nach der Anrede "ihr Lieben" ( agapEtoi , "Liebe, Geliebte"; V. 1.8. 14.17 ; vgl. Jud 1,17 ) weist Petrus deutlich darauf hin, daß dies bereits der zweite Brief an die Adressaten ist. In beiden Schreiben geht es ihm darum, seine Leser zu erwecken und zu erinnern . Viele Exegeten sehen in dem erwähnten früheren Brief den 1. Petrusbrief. Manche wenden allerdings ein, daß der 1. Petrusbrief von seinem Inhalt her nicht so sehr als mahnendes seelsorgerliches Schreiben zu werten sei. Wichtiger ist jedoch die zweite Absicht des Apostels, den lauteren Sinn ( eilikrinE dianoian ; das Wort eilikrinEs kommt sonst im Neuen Testament nur noch in Phil 1,10 vor) seiner Leser zu wecken. An dieser Stelle finden sich dieselben griechischen Worte wie in 2Pet 1,13 ("euch zu erwecken und zu erinnern"). Mit der Formulierung "lauterer Sinn" wird ausgedrückt, daß Gott möchte, daß sein Volk eine reine, nicht von Sündenflecken blind und undurchsichtig gewordene Gesinnung hat, die auch bei hellstem Licht bestehen kann.



2Pet 3,2


Nochmals unterstreicht Petrus, wie wichtig es für die Gläubigen ist, sich an die heiligen Propheten (vgl. Lk 1,70; Apg 3,21; Eph 3,5 ) zu erinnern (vgl. 2Pet 1,12-15 ), deren Worte wie Orakel Kunde vom Tag des Herrn und allem, was damit zusammenhängt, geben. Das Gebot des Herrn und Heilands dagegen bezieht sich auf die Lehre Jesu, die nach seinem Tod durch die Apostel verkündet wurde (vgl. Jud 1,17 ). Die Art und Weise, wie Petrus hier die Propheten und die Apostel in einem Atemzug nennt, weist beiden Gruppen dieselbe Autorität zu (vgl. Eph 2,20 ). Das steht im Einklang mit dem, was der Apostel zuvor über die Unterscheidung der wahren Diener Gottes von den falschen Lehrern gesagt hat. Die Gläubigen tun gut daran, sich die Schriften des Alten wie des Neuen Testaments und ihre Aussagen über die Wiederkunft des Herrn immer wieder ins Gedächtnis zu rufen.



B. Spötter lachen darüber
( 3,3 - 7 )


2Pet 3,3


Petrus wußte, daß er und seine Leser in den letzten Tagen lebten, in der Zeitspanne zwischen dem ersten und dem zweiten Advent des Herrn. Spötter sind falsche Lehrer, die Jesus Christus verleugnen ( 2Pet 2,1 ) und nicht an seine Wiederkunft glauben ( 2Pet 3,4 ).Schon Jesus hatte prophezeit, daß Häretiker mit dieser Einstellung auftreten würden ( Mt 24,3-4.11.23-26 ), und auch Paulus hatte davon geschrieben ( 1Tim 4,1-3; 2Tim 3,1-9 ). Petrus nimmt diese Warnung hier auf und fügt hinzu, daß sie nicht nur ihren Spott treiben , sondern zudem von ihren eigenen Begierden ( epithymias ; vgl. 2Pet 1,4;2,10.18; Jud 1,16.18 ) beherrscht werden. Ihr Hochmut und ihre Geringschätzung gegenüber dem Gedanken eines in der Zukunft liegenden Gerichtes ließen sie der sexuellen Perversion verfallen.



2Pet 3,4


Ihre Spötterei nimmt zum Teil beißende Formen an: Wo bleibt die Verheißung seines Kommens? Die Kritik an dieser Verheißung, die eine der immer wiederkehrenden Kernaussagen des Neuen Testamentes ist ( Joh 14,1-3; Apg 1,11; 1Kor 15,23; 2Kor 1,14; Phil 1,6; 1Thes 3,13;4,14-18; 2Thes 1,10;2,1; 1Tim 6,14; 2Tim 4,8; Tit 2,13; Hebr 9,28; Jak 5,7 ), beruht auf dem Prinzip des Uniformitarianismus - der Lehre, daß die kosmischen Vorgänge der Gegenwart und der Zukunft nur aufgrund der Prozesse, nach denen der Kosmos in der Vergangenheit agiert und reagiert hat, verstanden werden können. In dieser Auffassung ist ein beginnender Deismus spürbar, der alles göttliche Eingreifen in die Ordnung des Universums ausschließt. In einem Universum, das von Naturgesetzen regiert wird, sind Wunder, wie die Spötter argumentieren, etwas vollkommen Unmögliches. Deshalb kann Jesus Christus ihrer Ansicht nach auf keinen Fall wiederkommen.

Da sie ihre Argumente auf möglichst festen Grund stellen möchten, gehen sie zurück bis zu den alttestamentlichen Patriarchen ( die Väter ; Joh 7,22; Apg 3,13; 13,32; Röm 9,5; 11,28; Hebr 1,1 ) und an den Anfang der Schöpfung . In all dieser Zeit ist nichts geschehen, warum also ausgerechnet jetzt die Wiederkehr des Herrn erwarten?

 

2Pet 3,5-6


Petrus stellt sich diesen Argumenten, indem er ebenfalls auf den Schatz der ältesten Geschichte zurückgreift. So wie das Wasser auf Gottes Geheiß hin eine entscheidende Rolle bei der Schaffung der Erde spielte, so war es auch in der Sintflut das vernichtende Element. Die Wendung, daß der Himmel vorzeiten auch war , bezieht sich auf das Ausspannen des Himmels am zweiten Schöpfungstag ( 1Mo 1,6-8 ), die Erde, die aus Wasser und durch Wasser Bestand hatte , ist das Land, das am dritten Schöpfungstag vom Wasser geschieden wurde ( 1Mo 1,9-10 ).

Der Schöpfergott ist auch der Gott des Gerichts. Nach seinem souveränen Willen kann jeden Moment jede Veränderung im Fortbestand der Erde stattfinden, denn er hat diese "natürlichen" Prozesse geschaffen und beherrscht sie. Die Spötter aber wollen nichts davon wissen ( thelontas , "willentlich"). Sie vergessen die Schöpfung und die Sintflut - ganz im Gegensatz zu Petrus, der seine Leser immer wieder daran erinnert, alles im Gedächtnis zu behalten ( 2Pet 1,12-13.15;3,1-2.8 ). Sie schieben Gottes Wort einfach beiseite und beklagen sich dann, daß Gott nichts tue. An dieser Stelle wird ganz deutlich, daß Petrus sowohl ein überzeugter Anhänger des Schöpfungsgedankens als auch des Glaubens an die Sintflut war (vgl. seine anderen Hinweise auf die Sintflut: 1Pet 3,20; 2Pet 2,5 ).

Das "dadurch" zu Beginn von Vers 6 bezieht sich vielleicht zurück auf "Gottes Wort" am Ende von Vers 5 oder aber auf das Wasser der Sintflut und auf das Wort. Die Welt ( kosmos ) steht hier für ihre Bewohner, da die Erde selbst bei der Flut nicht zerstört wurde. In ganz ähnlicher Weise heißt "Welt" ( kosmos ) in Joh 3,16 "die Weltbewohner" (vgl. Joh 1,9;3,17.19;4,42;6,33;7,7;15,18-19;17,14.21.23.25; 1Joh 2,2;3,13;4,14 ).



2Pet 3,7


Die Verse 7.10.12 sind die einzigen Stellen im Neuen Testament, an denen die zukünftige Vernichtung der Welt im Feuer vorgestellt wird. In der Vergangenheit wurde sie durch Gottes Wort und durch das Wasser der Sintflut vernichtet - in der Zukunft wird sie durch dasselbe Wort und durch Feuer vernichtet. Nachdem Gott beschlossen hat, die Welt zu richten (vgl. 2Pet 2,3-4.9.17 ), gewährt er der Erde jetzt nur noch einen Aufschub. Sie wird aufgespart ( tethEsaurismenoi , "aufbewahrt wie ein Schatz") für das Feuer und bewahrt ( tEroumenoi ) für das Gericht. Jesaja ( Jes 66,15-16 ) und Maleachi ( Mal 3,2 ) brachten das Feuer ebenfalls in Zusammenhang mit der Wiederkehr des Herrn. Auch im Schriftgut der Qumran-Sekte (in den Schriftrollen vom Toten Meer) und in anderen Quellen, die um Christi Geburt herum entstanden, ist davon die Rede. "Der Tag des Herrn" ( 2Pet 3,10 ) umfaßt die Zeit der Großen Trübsal, das Tausendjährige Reich, den großen weißen Thron des Gerichts und die Vernichtung des gegenwärtigen Kosmos. Vor dem großen weißen Thron des Gerichts nach dem Tausendjährigen Reich werden die gottlosen Menschen (d. h. die verstorbenen Sünder) gerichtet und in den Feuersee geworfen ( Offb 20,11-15 ). Das wird für sie der Tag des Gerichts und der Verdammnis sein (vgl. 2Pet 2,9 ). Danach werden Himmel und Erde vom Feuer verzehrt werden. Gott hat schon zuvor in Form von Katastrophen in den Lauf der Geschichte eingegriffen (in der Sintflut), und er wird es wieder tun.



C. Gott verbürgt sich dafür
( 3,8 - 9 )


2Pet 3,8-9


Warum zögert der Herr so lange mit seiner Wiederkunft? Petrus gibt darauf zwei Antworten. Zum einen ist Gottes Zeitrechnung anders als die der Menschen. Nochmals appelliert der Apostel an das Erinnerungsvermögen seiner Leser ( eins aber sei euch nicht verborgen ). Die Spötter vergessen (V. 5 ); nicht so die wahren Gläubigen. Sie sollen sich Ps 90,4 ins Gedächtnis rufen, den Petrus an dieser Stelle zitiert. Der menschliche Zeitbegriff orientiert sich an menschlichen Zeitspannen; Gott sieht die Zeit vor dem Hintergrund der Ewigkeit. Die Zeit bis zur Wiederkehr des Herrn erscheint deshalb nur wegen der begrenzten Perspektive der Menschen so lang. Ein Tag (ist) vor dem Herrn wie tausend Jahre ... und tausend Jahre wie ein Tag .

Manche Exegeten sehen in diesem Zitat ein Argument gegen die These eines Tausendjährigen Reiches auf Erden. Sie behaupten, daß der Gedanke von tausend Jahren hier nicht wörtlich genommen werden darf, sondern nur einen vergleichenden Zeitbegriff symbolisiert. In der Offenbarung dagegen ( Offb 20,1-6 ) wird ein starkes Votum für eine tatsächlich tausend Jahre währende Herrschaft Christi auf Erden abgegeben (vgl. den dortigen Kommentar). Petrus benutzte an dieser Stelle jedoch lediglich ein Gleichnis. Was den Menschen, einschließlich der Spötter, wie eine unendlich lange Zeit erscheint, ist für den Herrn nur ein kurzer Augenblick. Das Kirchenzeitalter z. B. hat in Gottes Augen noch nicht einmal zwei Tage gedauert!

Der zweite Grund für die Verzögerung der Wiederkunft des Herrn ist, daß Gott so viele Menschen wie möglich retten möchte ( 2Pet 3,9 ). Der Herr verzögert ( bradynei ; das Wort kommt nur an dieser Stelle im Neuen Testament vor) nicht die Verheißung . Auch hier vergleicht Petrus wieder die göttliche und die menschliche Sicht (vgl. V. 8 ). Die "Verzögerungstaktik" Gottes - wie sie manchen Menschen erscheint ( wie es einige für eine Verzögerung halten ) - ist nur nach menschlicher Zeiteinteilung ein Aufschub. Gottes Zeiteinteilung dagegen wird diktiert von Geduld, einer wichtigen Wesenseigenschaft des himmlischen Vaters (vgl. V. 15 ; Röm 2,4; Röm 9,22 ).

Die Wendung "der Herr ... will nicht ( mE boulomenos ), daß jemand verloren werde" , drückt keinen unverrücklichen Ratschluß Gottes aus, als ob Gott die Allerlösung wolle. Dieser Gedanke wird im Gegenteil von der Bibel nicht gelehrt. Sie ist nur eine Beschreibung dessen, was Gott sich wünscht: er möchte, daß alle Menschen gerettet werden (vgl. 1Tim 2,4 ), doch er weiß, daß viele ihn zurückstoßen.



D. Petrus schildert sie
( 2Pet 3,10-13 )


2Pet 3,10


Wenn der Herr dann wirklich kommen wird, wird dieses Kommen so überraschend und in seinen Auswirkungen so katastrophal sein, wie wenn ein Dieb in eine Wohnung einbricht. Dieses Gleichnis hatte schon Jesus gebraucht ( Mt 24,42-44 ), und auch andere griffen es auf ( 1Thes 5,2; Offb 3,3;16,15 ). Des Herrn Tag ist ein Oberbegriff für die Ereignisse in der Endzeit, die nach der Entrückung der Gläubigen einsetzen und in die Ewigkeit münden werden. In der Mitte der siebzigsten Woche des Propheten Daniel wird sich der Antichrist in vollem Zorn gegen Gottes Volk erheben ( Dan 9,24-27; vgl. den Kommentar zu 1Thes 5,2; 2Thes 2,2-12 ).

In der schrecklichen Feuersbrunst am Ende des Tausendjährigen Reiches werden die Himmel (die Erdatmosphäre und der Sternenhimmel, nicht Gottes Wohnbereich) im Feuer ( 2Pet 3,7.12 ) zergehen mit großem Krachen. Die Elemente ( stoicheia ; Sterne oder die Materie, aus der das Universum besteht) werden vor Hitze schmelzen (V. 12 ), und die Erde und die Werke, die darauf sind, werden ihr Urteil finden ( eurethEsetai ). Dieser letzte griechische Begriff kann zum einen heißen, daß alles so an den Tag kommen wird, wie es wirklich ist. Er könnte aber auch eine Frage andeuten: Die Erde und alles, was darauf ist - wird es sie noch geben? Andere Exegeten sagen (auf der Grundlage mancher griechischen Handschriften), daß das Wort eurethEsetai durch katakaEsetai , "werden verbrannt werden", zu ersetzen ist. Die Lutherübersetzung "werden ihr Urteil finden" läßt sich am ehesten im Sinne der ersten dieser Auslegungsalternativen, die auch ansonsten am wahrscheinlichsten ist, deuten.


2Pet 3,11


Petrus sieht in diesen kommenden Ereignissen einen starken Ansporn zu einer heiligen Lebensführung. Die Frage "wie müßt ihr dann dastehen?" ist rhetorisch gemeint. Um jedes Mißverständnis auszuschließen, beantwortet der Apostel sie gleich selbst: in heiligem Wandel und frommem Wesen . "In heiligem Wandel" ( en hagiais anastrophais ) bezieht sich auf die Aussonderung und Heiligung der Christen - sie sind getrennt von der Welt und auf Gott ausgerichtet. "Fromm" ( eusebeiais ; vgl. 2Pet 1,3.6-7 ) meint Frömmigkeit vor Gott. Die griechische Verbform, die im Deutschen mit dem Wort "Wesen" ( hyparchein ) wiedergegeben ist, steht im Präsens, ein Zeichen dafür, daß diese ganze Lebensführung den Christen im Lichte der Wiederkunft des Herrn zur Gewohnheit werden muß. Die Spötter, die die Wiederkunft des Herrn und das anschließende Gericht, das über sie hereinbrechen wird, in Frage stellen, führen ein Leben fern von Gott ( 2Pet 2,7.10.12-15.18-20;3,3 ). Im Gegensatz dazu sollen die Anhänger Jesu, die seine Wiederkehr erwarten, ein frommes Leben führen (V. 14 ; vgl. Tit 2,12-14; 1Joh 3,3 ).



2Pet 3,12


Heiligkeit und Frömmigkeit (V. 11 ) bewirken nicht nur, daß die Menschen den Herrn erwarten (von prosdokaO ; vgl. V. 13 - 14 ), sondern daß sie seine Wiederkehr herbeisehnen. Was tun die Gläubigen, um diese Wiederkehr zu beschleunigen? Ihr frommes Leben, ihre Gebete und ihr Zeugnis tragen dazu bei, andere zur Umkehr zu bewegen. Nochmals wiederholt Petrus die Tatsache, daß am Beginn der Ewigkeit (den er hier mit dem Oberbegriff des Tages Gottes bezeichnet) die Himmel vom Feuer zergehen und die Elemente vor Hitze zerschmelzen werden (vgl. den Kommentar zu V. 10 ). Mit diesem Ereignis ist "des Herrn Tag" (V. 10 ) abgeschlossen, und "der Tag Gottes" beginnt.



2Pet 3,13


Dann wird der alte Kosmos einem neuen Himmel und einer neuen Erde Platz machen. Damit wird erfüllt, worauf die Gläubigen gewartet haben (vgl. V. 12.14 ), denn ihre Erwartung richtet sich nicht auf die Zerstörung der Erde. Der neue Himmel und die neue Erde, die nach der Verheißung Gottes kommen werden, werden ein Ort sein, an dem Gerechtigkeit wohnt (wörtlich: "an dem auf immer Gerechtigkeit wohnt"), denn in diesem neuen Kosmos werden die Gerechten leben ( Jer 23,5-7; 33,16; Dan 9,24; Offb 21,1.8.27 ). Ein größerer Gegensatz zur Ungerechtigkeit der Welt läßt sich kaum denken!



E. Das Verhalten der Menschen wird durch sie verändert
( 3,14 - 16 )


2Pet 3,14


Zur Bekräftigung der Tatsache, daß die Lebensführung eines Menschen untrennbar mit der Erwartung der Wiederkunft des Herrn verbunden ist, beginnt dieser Abschnitt mit dem Wort darum ( dio ). Wie sollen die Gläubigen sein? Sie sollen heilig und fromm leben (V. 11 ) und sich darum bemühen ( spoudasate ; vgl. 2Pet 1,10.15; vgl. auch spoudEn , 2Pet 1,5 ), unbefleckt ( aspiloi ; vgl. auch 1Tim 6,14; 1Pet 1,19; Jak 1,27 ), untadelig ( amOmEtoi ; "ohne moralischen Makel, wie ein Opferlamm"; vgl. auch Eph 1,4;5,27; Phil 2,15; Kol 1,22; 1Pet 1,19; Hebr 9,14; Jud 1,24; Offb 14,5 ) und im Frieden (vgl. Röm 5,1 ) zu sein. Die falschen Lehrer sind, so sagt Petrus, "Schandflecken" (zusammengesetzt aus spiloi und mOmoi ; 2Pet 2,13 ), doch die Gläubigen sollen bestrebt sein, sich moralisch rein zu halten (vgl. 2Pet 1,4 ) wie der sündlose Christus ( 1Pet 1,19 ). Das ist das praktische Ergebnis der "Einpflanzung" der göttlichen Natur ( 2Pet 1,4 ) in die Glieder der Familie Gottes; es ist der Refrain des Loblieds der Gnade von 2Pet 1,5-7 .



2Pet 3,15


Die Geduld des Herrn rührt aus seinem Wunsch, die Menschen zur Rettung hinzuführen (vgl. V. 9 ). Die scheinbare Verschleppung des zweiten Advents ist keineswegs negative Passivität von seiten Gottes des Vaters, sondern vielmehr ein Zeichen seiner makrothymian ("Langmut"). Noch hat die Welt Zeit zu bereuen, doch am "Tag des Gerichts" wird diese Zeit abgelaufen sein ( 2Pet 2,9;3,7 ). Die Geduld des Herrn, die den Menschen Gelegenheit zur Umkehr gibt, ist auch das Thema des Apostels Paulus in Röm 2,4 , wenngleich Petrus hier vielleicht eine andere Passage im Blick hatte (vgl. den Kommentar zu 2Pet 3,16 ). Es fällt auf, daß Petrus Paulus unsern lieben ( agapEtos , "Geliebter"; vgl. V. 1.8.14. 17 ) Bruder nennt. Jahre zuvor hatte jener Petrus scharf kritisiert ( Gal 2,11-14 ), doch das hatte ihrer Zuneigung und gegenseitigen Achtung offenbar keinen Abbruch getan.



2Pet 3,16


Nach den Worten des Petrus schrieb Paulus in allen Briefen (davon) . Auch wenn sie nach der Weisheit , die Paulus von Gott empfangen hatte, geschrieben waren (V. 15 ), enthalten die paulinischen Briefe einige Dinge , die schwer zu verstehen sind . Das griechische Wort für "schwer zu verstehen" ( dysnoEta ; es steht nur an dieser einen Stelle im Neuen Testament) wurde manchmal in der weltlichen griechischen Literatur für mehrdeutige oder rätselhafte Orakelaussagen gebraucht. Offensichtlich fand Petrus selbst wie auch die Unwissenden ( amatheis , "die Ungebildeten"), die in der Lehre des Neuen Testaments Neulinge waren, manche der paulinischen Äußerungen recht dunkel. Diese schwerverständlichen Passagen (die Petrus in diesem Zusammenhang nicht genauer angibt) hatten die Leichtfertigen ( astEriktoi ; vgl. 2Pet 2,14 ) dazu veranlaßt, ihre wahre Bedeutung zu entstellen und zu verdrehen ( streplousin ; auch dieses Wort kommt nur an dieser einen Stelle im Neuen Testament vor). Im Grunde genommen war allerdings nichts anderes von ihnen zu erwarten gewesen, denn in gleicher Weise verfuhren sie auch mit den andern Schriften .

Die Tatsache, daß Petrus sich hier auf die Paulusbriefe und dann auf die "andern Schriften" bezieht, deutet darauf hin, daß das paulinische Schriftgut bereits eine Art Kanon bildete. Das Verdrehen der Heiligen Schrift nach eigenem Gutdünken ruft Gottes Gericht auf den Plan, das die "Unwissenden" und "Leichtfertigen" in diesem Falle zu ihrer eigenen Verdammnis ( apOleian ; vgl. 2Pet 2,1.3 ) über sich heraufbeschwören. Auch den Gläubigen mögen nicht alle Schriften in ihrem vollen Sinn verständlich sein, doch in keinem Fall dürfen sie das, was darin für jedermann offensichtlich ist, entstellen.

 

VI. Schluß
( 3,17 - 18 )


2Pet 3,17


In warmem und herzlichem Ton ( meine Lieben ; der Ausdruck erscheint hier zum vierten Mal in diesem Kapitel; vgl. V. 1.8.14 ) schließt der Apostel Petrus seinen an eine breite Leserschaft gerichteten und doch sehr persönlichen Brief mit einem warnenden (V. 17 ) und ermutigenden Wort (V. 18 ). Beide Aussagen basieren auf der Annahme, daß seine Leser das Gesagte schon im voraus wissen (im Griechischen ist das nur ein einziges Wort, proginOskontes ; daher das Fremdwort "Prognose"). Eine Prognose ermöglicht es den Menschen, sich auf Kommendes einzustellen und entsprechend zu verhalten.

Petrus warnt seine Leser deshalb: So hütet euch ( phylassesthe ). Heute würde der Apostel schreiben: "Sagt nicht, daß ich euch nicht gewarnt habe." Wenn seine Leser sich nicht in acht nehmen, so laufen sie Gefahr, durch den Irrtum dieser ruchlosen Leute ( athesmOn ; vgl. 2Pet 2,7 ) verführt zu werden. Das Verb "verführen" ( synapachthentes , vgl. Gal 2,13 ) gilt immer einer Gruppe oder einer Gemeinschaftsbewegung. Es reicht den falschen Lehrern nicht, nur dann und wann ein oder zwei Menschen vom rechten Pfad zu locken, sondern ihnen geht es darum, ganze Gruppen von der wahren Lehre Christi abzubringen. Wer mit solchen Menschen zusammen ist, kann leicht straucheln (vgl. 2Pet 1,10; Gal 5,4 ). Das heißt jedoch nicht, daß er seine Rettung verliert. Doch jene, die sich die Warnungen des Apostels zu Herzen genommen haben und sich an die Prognose halten, können ihren festen Stand ( stErigmou ; vgl. das Adjektiv astEriktos , "leichtfertig", in 2Pet 2,14;3,16; und das Verb stErizei , "stark oder fest machen", in 1Pet 5,10 ) der Wahrheit bewahren.



2Pet 3,18


Das Wachstum in der Gnade ist nichts Subjektives, das nur auf dem persönlichen Erleben und emotionalen Geschehen beruht. Es ist vielmehr verbunden mit dem Schlüsselwort dieses Briefes, der objektiven Erkenntnis (vgl. 2Pet 1,2-3.5-6.8.20;2,20-21 [in Vers 21 zweimal]; 2Pet 3,3 ). Dabei handelt es sich nicht um irgendeine Erkenntnis, sondern um die Erkenntnis unseres Herrn und Heilands Jesus Christus (vgl. 2Pet 1,1-2.11;2,20 ). Der Imperativ "wachset" läßt sich genauer mit der Forderung "wachst immer weiter" wiedergeben. Die Gläubigen sollen "in der Gnade" zunehmen und in der Ausübung der geistlichen Tugenden, von denen Petrus in 2Pet 1,5-7 sprach, vorankommen. Dieser geistliche Wachstumsprozeß beginnt mit der anfänglichen Erkenntnis Christi in der Wiedergeburt (vgl. Joh 17,3 ) und setzt sich fort in der immer tiefer werdenden Beziehung des Gläubigen zu seinem Herrn ( Eph 4,15; Phil 3,10; 1Pet 2,2 ). Beide Aspekte sind gleich notwendig. Ohne die anfängliche Erkenntnis ist kein Wachstum möglich, doch ohne eine Weiterentwicklung vergißt der neue Gläubige, "daß er rein geworden ist von seinen früheren Sünden" ( 2Pet 1,9 ).

In den letzten Worten des Briefes preist der Apostel, der früher vertrauter mit dem Beruf des Fischers war als mit der Auslegung biblischer Texte, in einer wunderbaren Doxologie die Einheit von Vater und Sohn. Der, der "unser Herr" ist, ist auch "unser Heiland". Die Ehre, die nur Gott gebührt ( Jes 42,8 ), gebührt in gleichem Maße auch dem Sohn (vgl. 2Pet 1,17 ). Ihm sei Ehre (wörtlich "die Ehre"; vgl. 2Tim 4,18 ) - die Ehre der Erlösung, des geistlichen Wachstums, des Lobliedes der Gnade, der Befreiung von den falschen Lehrern und schließlich die Ehre seiner Wiederkunft - jetzt und für ewige Zeiten , vom Moment der Kreuzigung an durch die Tage des Neuen Testaments, die ganze Kirchengeschichte bis zur Gegenwart und bis in die Ewigkeit. Und Petrus schließt mit dem bekräftigenden Amen!



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