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14.06.2025
Interlinear Griechisch Deutsch

1. Korinther Walvoord David K. Lowery


1. Korinther Kapitel 1 mit Einführung

akt.Aktiv, aktive FormApok.ApokryphenAram.AramäischATAltes TestamentBd.Bandca.circaebd.ebendafem.Femininum, weibliche FormGriech.GriechischHebr.HebräischHrsg.herausgegeben, HerausgeberImpera.Imperativ, BefehlsformImperf.Imperfekt, VergangenheitKap.KapitelLat.Lateinisch, LateinLXXSeptuaginta(griech. Übers. des AT)mask.Maskulinum männliche FormMs, MssManuskript(e)MTMasoretischer Text (überlieferte Texte des hebr. AT)neutr.Neutrum, sächliche FormNr.NummerNTNeues Testamento.J.ohne Jahr, kein Erscheinungsjahro.O.ohne Ort, kein ErscheinungsortPart.PartizipPass.Passiv, passive FormPerf.Perfekt, vollendete VergangenheitPl.Plural, MehrzahlPräs.Präsenz, GegenwartS.Seites.sieheSem.SemitischSing.Singular, Einzahls.o.siehe oben (im Text)s.u.siehe unten (im Text)s.v.sub verbo, siehe unter dem Stichwortu.a.und andereÜbers.Übersetzung, Übersetzer, übersetztV.Versvgl.vergleicheVul.Vulgata (lat. Übers. der Bibel)wörtl.wörtlichz.B.zum Beispiel

Biblische Maße und Gewichte

 

Binlische Einheit Heutige EntsprechungGewicht  Talent60 Pfund34 kgPfund/Mine50 Lot0,6 kgLot/Schekel2 Bekas11,6 gPim2/3 Lot7,6 gBeka10 Gramm6 gGramm/Gera 0,6 gLänge

Rute6 Ellen2 mElle2 Spannen0,5 mSpanne3 Handbreiten23 cmHandbreite4 Fingerbreiten7 cmFingerbreite 2 cmHohlmaße für trockene Dinge

Sack/Homer10 Scheffel220 lLetech5 Scheffel110 lScheffel/Efa3 Maß/10 Gomer22 lMaß1/3 Scheffel7,3 lKrug1/10 Scheffel2,2 lHandvoll1/18 Scheffel0,3 lHohlmaße für Flüssigkeiten

Faßwie Sack220 lEimer1 Schefel22 lKanne1/6 Eimer4 lBecher1/72 Eimer0,3 lDie Angaben sind Annäherungswerte. Grundlage der Umrechnung ist die Festsetzung 1 Lot = 11,5 g; 1 Elle = 0,5 m; 1 Scheffel = 22 l (andere Berechnungen:1 Scheffel = 39 l).

 

Transliteration (Umschift)

 

 

1. Korintherbrief (David K. Lowery)

 

EINFÜHRUNG

 

Die griechische Mythologie erzählt, daß Sisyphus, der König von Korinth, als er durch seinen Stolz die Götter erzürnt hatte, dazu verurteilt wurde, einen riesigen Stein einen Berg hinaufzuwälzen. Doch jedesmal, wenn er den Gipfel erreicht hatte, rollte der Stein wieder hinab, und Sisyphus mußte sein mühseliges Werk von vorn beginnen. Albert Camus, ein Philosoph des 20. Jahrhunderts, sah in diesem Mythos ein Bild des modernen Menschen schlechthin, ein Symbol für die Absurdität des Lebens.

Wenn Camus die beiden Korintherbriefe gelesen hätte, hätte er sicherlich ein anderes Bild gewonnen. In ihnen wird eine ganz andere Botschaft, eine Botschaft der Sinnerfülltheit und der Hoffnung für die irregeleiteten Menschen, laut. Die Haltung der Korinther des 1. Jahrhunderts nach Christus hatte, wie das ihres legendären Königs, einen Beigeschmack stolzer Ichbezogenheit. Glücklicherweise hatten sie es aber nicht mit dem launischen Göttervater Zeus, sondern mit dem gnädigen und liebenden Gott und seinem Boten, dem Apostel Paulus, zu tun.

 

 

Verfasser und Adressaten

 

Selbst von seiten der strengsten Kritiker wird kaum jemals bezweifelt, daß Paulus tatsächlich der Verfasser dieses Briefes ist. Der Apostel besuchte Korinth auf seiner zweiten Missionsreise ( Apg 18,1-18; wahrscheinlich im Frühjahr des Jahres 51 n. Chr., da die Statthalterschaft des Gallio im Juli desselben Jahres begann). Er lernte dort Aquila und Priszilla kennen, ein Ehepaar, das 49 n. Chr. auf ein Dekret des Kaisers Klaudius hin, das alle Juden der Stadt verwies, aus Rom geflohen war. Die beiden waren, wie Paulus selbst, von Beruf Zeltmacher. Da im Neuen Testament nirgendwo von ihrer Bekehrung die Rede ist, waren sie wahrscheinlich bereits Christen, als Paulus sie traf. Aufgrund der geistlichen, ethnischen und beruflichen Gemeinsamkeiten zwischen ihm und dem Paar ist es ganz natürlich, daß der Apostel sich zu ihnen hingezogen fühlte.

Wie immer suchte Paulus auch in Korinth zunächst den Kontakt zur Synagoge. Er nahm an den jüdischen Gottesdiensten teil und versuchte dabei, seine Hörer davon zu überzeugen, daß in Jesus ihr Messias gekommen war. Als ihm schließlich jedoch der Zutritt zur Synagoge verwehrt wurde, predigte er in einem neben der Synagoge stehenden Haus, das einem seiner Zuhörer, einem Heiden namens Titius Justus ( Apg 18,7 ), gehörte. Titius Justus war einer der vielen Korinther, die sich zum Herrn bekehrt hatten. Vom menschlichen Standpunkt aus gesehen hatte Paulus allen Grund, sich zu fragen, wie viele Heilige er in dieser Stadt wohl finden würde, denn Korinth war berüchtigt für seinen krassen Materialismus. Bereits in der frühen griechischen Literatur wird die Stadt mit Reichtum (Homer, Ilias 2. 569 - 570) und unmoralischem Lebenswandel in Verbindung gebracht. So bezeichnete Plato eine Prostituierte einfach als "ein Mädchen aus Korinth" ( Der Staat 404 d). Der Dramatiker Philetaerus ( Athenäus 13. 559 a) schrieb eine Burleske mit dem Titel " Ho KorinthiastEs ", der zu deutsch mit "Der Wüstling" wiedergegeben werden könnte. Von Aristophanes stammt das Verb korinthiazomai , ein Synonym für "Unzucht treiben" ( Fragment 354). Laut Strabo ( Geographia 8. 6 - 20) konzentrierten sich sowohl der Reichtum als auch die Lasterhaftigkeit der Stadt in erster Linie auf den Bereich des Aphroditetempels mit seinen 1000 Tempeldirnen. Aus diesem Grund warnte denn auch ein bekanntes Sprichwort: "Nicht jedem bekommt eine Reise nach Korinth."

Nach dem Jahr 146 V. Chr. war Korinth allerdings etwa 100 Jahre lang kein besonders beliebtes Reiseziel mehr. Die Stadt hatte sich gegen Rom erhoben und war fast ganz zerstört worden; nur ein paar Säulen im Apollotempel waren stehengeblieben. Die Einwohner waren getötet oder in die Sklaverei verkauft worden.

Doch die günstige Lage des Ortes blieb nicht lange ungenutzt: 46 V. Chr. ließ Julius Cäsar die Stadt als römische Kolonie neu erbauen; 27 V. Chr. wurde sie zum Sitz der römischen Verwaltung der Provinz Achaja. In dieser neuen Situation, in der die alten Laster trotz allem fortwirkten, kam Paulus im Jahre 51 n. Chr. in die Stadt und begann mit der Erlaubnis des römischen Statthalters Gallio sein Evangelium zu verkündigen.

 

Kontakte und Briefwechsel

 

Wie oft und in welcher Form Paulus nach seinem ersten Besuch im Jahr 51 n. Chr. persönlichen oder brieflichen Kontakt mit den Korinthern aufnahm, ist umstritten. Belege für meine Darstellung der Ereignisse finden sich in den in der Bibliographie zitierten Werken.

1. Während seiner ersten Missionsreise verbrachte Paulus anderthalb Jahre in Korinth und brach im Herbst des Jahres 52 n. Chr. von dort aus nach Jerusalem auf. Dabei wurde er von Priszilla und Aquila bis zu seinem ersten Etappenziel, Ephesus, begleitet, wo das Ehepaar zurückblieb und den begnadeten Alexandriner Apollos in der neuen Lehre unterwies. Apollos wurde dann nach Korinth zurückgeschickt, wo er Paulus' Werk fortsetzen sollte ( Apg 18,18-28 ).

2. Während Apollos noch in Korinth predigte ( Apg 19,1 ), kehrte Paulus im Herbst des Jahres 53 n. Chr. im Zuge seiner dritten Missionsreise zu einem zweieinhalbjährigen Aufenthalt nach Ephesus zurück ( Apg 19 ). Zu Beginn dieser Zeit in Ephesus schrieb er wahrscheinlich jenen-verlorengegangenen - Brief, von dem in 1Kor 5,9 die Rede ist und den die Korinther offensichtlich mißverstanden ( 1Kor 5,10-11 ).

3. Von diesem Mißverständnis und auch von anderen in der Gemeinde von Korinth aufgetretenen Problemen erfuhr Paulus zunächst durch Mitglieder des Hauses der Chloe ( 1Kor 1,11 ). Danach wurde er von einer offiziellen Delegation aus Korinth, bestehend aus Stephanas, Fortunatus und Achaikus ( 16,17 ), aufgesucht, die ihm Fragen zu strittigen Punkten vorlegten, die zu einer Kirchenspaltung in ihrer Gemeinde geführt hatten. Daraufhin entstand wahrscheinlich im Jahr 54 oder 55 n. Chr. der uns vorliegende 1. Korintherbrief, der sich mit diesen Angelegenheiten befaßt.

4. Doch anscheinend waren die Probleme der Gemeinde damit noch nicht gelöst - eine Nachricht, die möglicherweise Timotheus dem Apostel überbrachte ( 1Kor 4,17;16,10 ). Daher entschloß Paulus sich zu einem zweiten Besuch in Korinth ( 2Kor 1,15 ), den er in 1Kor 2,1 aufgrund der Handlungsweise des Mannes, von dem in 1Kor 2,5 und 1Kor 7,2 die Rede ist, als "traurig" bezeichnet (vgl. 2Kor 13,1 ,wo noch von einem dritten Besuch die Rede ist, der letzten Etappe auf Paulus' dritter Missionsreise).

5. Doch bald nach diesem zweiten Besuch sah Paulus sich - wieder in Ephesus - gezwungen, einen dritten Brief zu schreiben, den er durch Titus überbringen ließ. Er bedauerte es zutiefst ( 2Kor 2,4 ), der Gemeinde darin mit disziplinarischen Maßnahmen drohen zu müssen ( 2Kor 7,8-9 ).

6. Nach dem Aufstand der Silberschmiede verließ Paulus Ephesus, um nach Troas zu gehen und dort Titus zu treffen. Als er ihn nicht vorfand, reiste er - anscheinend in großer Angst umTitus' Sicherheit - voller Sorge weiter nach Mazedonien ( 2Kor 2,12-13; 1Kor 7,5 ). Dort traf er ihn dann endlich und erfuhr von ihm, daß die korinthische Gemeinde inzwischen zwar wieder auf den richtigen Weg zurückgefunden hatte, daß eine bestimmte Gruppe sich ihm jedoch weiterhin widersetze.

7. Von Mazedonien aus schrieb der Apostel daraufhin einen weiteren Brief - unseren 2. Korintherbrief -, dem sein dritter Besuch im Winter 56/57 folgte ( Apg 20,1-4 ).

 

 

Aufbau und Zweck des Briefes

 

Im Gegensatz zum Epheserbrief, der sich mit der universalen Kirche befaßt, geht es im 1. Korintherbrief um ganz spezifische Angelegenheiten der christlichen Gemeinde in Korinth. Wer heute den Eindruck hat, daß es in seiner Gemeinde mehr unerfreuliche Zeitgenossen und mehr Streitigkeiten als in anderen gibt, muß nur diesen Brief (und seine Fortsetzung, den 2. Korintherbrief) lesen, um die Dinge wieder im richtigen Verhältnis zu sehen. Der 1. Korintherbrief gewährt uns einen Einblick in das Leben der Kirche im 1. Jahrhundert, und dieses Leben war alles andere als heilig. Doch gerade darum hat Paulus diesen Brief ja geschrieben - er sollte die Korinther dazu bewegen, den Stand der Heiligung, der den Christen bereits auf Erden zugesagt ist, stärker in die Praxis, in das alltägliche Leben, umzusetzen. Trotz der zahlreichen, zum Teil spektakulären Beweise für das Wirken des Heiligen Geistes in ihrer Mitte schien die korinthische Gemeinde dem Geist der Welt stärker zugetan als dem Geist Gottes. Das wollte Paulus ändern. Seine Botschaft läßt sich in drei Abschnitte unterteilen:

1. In den ersten sechs Kapiteln versucht er, zur Schlichtung der Streitigkeiten, von denen er durch die Knechte der Chloe erfuhr ( 1Kor 1,11 ), beizutragen und in der Gemeinde die Einheit von Überzeugung und Handeln wiederherzustellen.

2. Ab Kapitel 7 wendet er sich bestimmten Fragen zu (vgl. die Wendung peri de , "wovon ihr aber..."): den Problemen in bezug auf die Ehe ( 1Kor 7,1.25 ), den Zwiespalt zwischen Freiheit und Verantwortlichkeit ( 1Kor 8,1 ), den Geistesgaben und der Kirchenordnung ( 1Kor 12,1 ), der Kollekte für die Armen in Jerusalem ( 1Kor 16,1 ) und den Besuch von Apollos ( 1Kor 16,12 ).

3. In Kapitel 15 bestätigt und verteidigt er die Lehre von der Auferstehung, die manche Korinther leugneten. In dieser Leugnung sah Paulus möglicherweise das Grundübel, das alle seine vorhergehenden Ausführungen überhaupt erst nötig gemacht hatte; er stellte die Behandlung dieses Themas daher an den Schluß des Briefes und machte es damit zu seinem Höhepunkt.

Über und hinter all den Streitfragen, mit denen sich der Brief auseinandersetzt, steht jedoch immer wieder die Tatsache, daß es in Korinth überhaupt eine christliche Gemeinde, ein Zeugnis für die Macht Gottes und des Evangeliums, gibt.

 

 

GLIEDERUNG

 

I. Einleitung ( 1,1-9 )

 

     A. Grußwort und Vorstellung des Verfassers und der Adressaten ( 1,1-3 )

     B. Danksagung für die Gnade Gottes ( 1,4-9 )

 

II. Spaltungen in der Gemeinde ( 1,10-4,21 )

 

     A. Das Bestehen der Spaltungen ( 1,10-17 )

     B. Die Gründe für die Splatungen ( 1,18-4,5 )

          1. Das Mißverstehen der Botschaft ( 1,18-3,4 )

          2. Das Mißverstehen des Amtes ( 3,5-4,5 )

 

III. Mißstände in der Gemeinde ( Kap.5-6 )

 

     A. Unterlassung der Bestrafung eines Sünders ( Kap.5 )

     B. Persönliche Streitigkeiten ( 6,1-11 )

     C. Sexuelle Vergehen ( 6,12-20 )

 

IV. Schwierigkeiten in der Gemeinde ( Kap.7-15 )

 

     A. Ratschläge in bezung auf die Ehe ( Kap.7 )

          1. Ehe und Ehelosigkeit ( 7,1-9 )

          2. Ehe und Scheidung ( 7,10-24 )

          3. Ehe und chistlicher Dienst ( 7,25-38 )

          4. Wiedervertheiratung und Witwentum ( 7,39-40 )

 

     B. Der Umgang mit der christlichen Freiheit ( Kap.8-14 )

          1. Die chritliche Freiheit und der heidnische Götzendienst ( 8,1-11,1 )

               a. Das Prinzip der brüderlichen Liebe ( Kap.8 )

               b. Der Umgang mit Privilegien ( 9,1-10,13 )

               c. Die rechte Haltung zum Götzendienst ( 10,14-11,1 )

 

          2. Die christliche Freiheit und der christliche Gottesdienst ( 11,2-14,40 )

               a. Das Verhalten der Frau im Gottesdienst ( 11,2-16 )

               b. Das Verhalten der Christen beim Abendmahl ( 11,17-34 )

               c. Der Stellenwert der Geistesgaben ( Kap.12-14 )

 

     C. Die Lehre von der Auferstehung ( Kap.15 )

          1. Die Gewißheit der Auferstehung des Leibes ( 15,1-34 )

               a. Historische Argumente ( 15,1-11 )

               b. Logische Argumente ( 15,12-19 )

               c. Theologische Argumente ( 15,20-34 )

               d. Erfahrungstatsachen ( 15,39-49 )

 

          2. Antworten auf bestimmte Fragen ( 15,35-58 )

               a. Die Auferstehung der Toten ( 15,35-49 )

               b. Die Entrückung der Lebenden ( 15,50-58 )

 

     D. Ratschläge hinsichtlich der Kollekte für die Armen ( 16,1-4 )

     E. Reisepläne ( 16,5-12 )

 

V. Schlußwort ( 16,13-24 )

 

     A. Ermahnung zu angemessenem Verhalten und Empfehlungen ( 16,13-18 )

     B. Grüße, Fluch und Segen ( 16,19-24 )

 

 

AUSLEGUNG

 

I. Einleitung

( 1,1-9 )

 

Wie die anderen Einleitungen der Paulusbriefe enthalten auch die Einleitungsworte des 1. Korintherbriefs bereits einen Abriß der Themen, mit denen der Apostel sich im folgenden befaßt. Schon im Briefeingang spielt Paulus auf seine Berufung zum Apostel, auf die Berufung der Korinther zu Heiligen und auf die Einheit der Gemeinde in Christus an.

 

 

A. Grußwort und Vorstellung des Verfassers und der Adressaten

( 1,1-3 )

 

1Kor 1,1

 

Paulus weist seine Leser bereits im ersten uns erhaltenen Brief an die Korinther kurz auf seine Legitimität als Apostel hin, die in Korinth in Frage gestellt wurde ( 1Kor 9 ), geht jedoch erst im 2. Korintherbrief ausführlicher auf dieses Thema ein. Hier versichert er nur kurz, daß er durch den Willen Gottes in sein Amt eingesetzt wurde und nicht seine eigenen, sondern die Interessen Christi vertritt.

Bei Sosthenes , den Paulus als Mitverfasser des Briefes nennt - wahrscheinlich ein enger Mitarbeiter des Apostels -, handelt es sich möglicherweise um den Vorsteher der Synagoge, der früher einmal bei antichristlichen Kundgebungen in Korinth von seinen eigenen Leuten, den Juden, öffentlich geschlagen worden war ( Apg 18,17 ).Wenn diese Annahme richtig ist, so ist Sosthenes ein Beispiel dafür, wie Gott auch das Schlimmste für den Gläubigen schließlich noch zum Guten wenden kann.

 

 

1Kor 1,2

 

Die christliche Gemeinde gehört Gott, nicht den Menschen. Wenn die Korinther das rechtzeitig erkannt hätten, wäre es vielleicht nie zu Spaltungen unter ihnen gekommen. Die Glieder der Kirche sind die Geheiligten , von Gott als sein Eigentum abgesondert. In seinem Brief wirft Paulus den Gläubigen in Korinth vor, daß ihr Leben diesem Stand nicht entspricht. Sie sollen aber Jesus Christus, ihrem Herrn , gehorchen, denn Gehorsam ist die Voraussetzung der Einheit der Christen nicht nur in Korinth, sondern an jedem Ort .

 

 

1Kor 1,3

 

Die Gnade , die die korinthischen Christen zu einer Gemeinschaft zusammengefügt hat, sollen sie sich nun auch gegenseitig erweisen, damit der Friede gewahrt bleibt. Gnade und Friede aber, die die korinthische Gemeinde vor allem anderen nötig hatte, gibt Gott denen, die sich ganz auf ihn verlassen.

 

 

B. Danksagung für die Gnade Gottes

( 1,4-9 )

 

Daß Paulus Gott für eine Gemeinde dankt, die ihm so viel Kummer bereitet, mag ein wenig seltsam erscheinen. Wenn er nur auf seine eigenen Fähigkeiten angewiesen gewesen wäre, wäre es um seine Aussicht, eine Gruppe wie die Christen in Korinth wieder auf den richtigen Weg zu bringen, tatsächlich nicht zum besten bestellt gewesen. Da aber Gott unter den Seinen wirkt, weiß Paulus, daß er Grund zu danken hat.

 

 

1Kor 1,4

 

Trotz ihrer Neigung zur Selbsterhöhung verdanken die Korinther es letztlich ganz allein der Gnade Gottes, daß sie Glieder des Leibes in Christus Jesus sind.

 

 

1Kor 1,5

 

Nur weil sie zu diesem Leib gehören, sind sie so reich ... in aller Lehre und in aller Erkenntnis und besitzen Gaben wie Zungenreden, prophetische Rede, die Unterscheidung zwischen den Geistern und/oder die Gabe der Auslegung ( 1Kor 12,4-11 ). Sie haben diese Gaben allerdings nicht bekommen, um sie - wie es der Fall war - zu mißbrauchen, sondern sie sollen sie zum Besten der ganzen Gemeinde einsetzen.

 

 

1Kor 1,6

 

Daß sie all diese Gaben besitzen, ist zugleich aber auch ein Beweis dafür, daß Paulus' Predigt von Christus unter ihnen wirksam ist. Wenn der Apostel seine Botschaft vielleicht auch in Schwachheit vorgetragen hat ( 1Kor 2,1-5 ), so sorgt doch Gott dafür, daß sein Wort in ihren Herzen Wurzeln schlägt.

 

 

1Kor 1,7-8

 

Da nun aber alles, was er unter ihnen getan hat, im Grunde das Werk Gottes ist, hat Paulus keinerlei Zweifel an dem Ergebnis. Weil die Gläubigen in Korinth durch die Gnade Gottes gerechtfertigt sind, werden sie untadelig ( anenklEtous , "frei von Schuld"; vgl. Kol 1,22 ) dastehen, wenn Christus eines Tages zurückkehrt. Daher können sie in aller Zuversicht auf ihn warten ( apekdechomenous ; dieses Wort wird im Neuen Testament siebenmal für die Rückkehr Christi verwendet: Röm 8,19.23.25; 1Kor 1,7; Gal 5,5; Phil 3,20; Hebr 9,28 ).

 

 

1Kor 1,9

 

Denn Gott ist treu . Er hat die Korinther berufen ... zur Gemeinschaft seines Sohnes Jesus Christus, unseres Herrn . Es ist jedoch unmöglich, sich der Gemeinschaft Christi zu erfreuen, während man mit anderen Gliedern seines Leibes in Streit lebt ( Mt 5,23-24 ). Von dieser Vorstellung ausgehend vollzieht Paulus den Übergang von dem, was Gott in der Vergangenheit getan hat und was er in der Zukunft tun wird, zu dem, was die Korinther in der Gegenwart, d. h. hinsichtlich der in ihrer Gemeinde bestehenden Spaltungen, tun sollen.

 

 

II. Spaltungen in der Gemeinde

( 1,10-4,21 )

 

Die Spaltungen in der korinthischen Gemeinde sind das erste Problem, dem Paulus sich im folgenden zuwendet.

 

 

A. Das Bestehen der Spaltungen

( 1Kor 1,10-17 )

 

1Kor 1,10

 

Paulus spricht hier zu Brüdern, nicht etwa zu Feinden, und er beruft sich dabei auf die höchste Autorität, auf den Namen des Herrn Jesus Christus . Dies ist das zehnte Mal in den ersten zehn Versen des Briefes, daß Paulus sich auf Christus bezieht; er läßt also keinen Zweifel daran, daß der, an den er, Paulus, glaubt, der Ursprung und Mittelpunkt der Einheit in Korinth sein soll. Der Apostel verlangt von den Korinthern nicht, daß sie ihre unterschiedlichen Ansichten aufgeben, sondern er fordert sie zur Eintracht auf. Es ist sein Wunsch, daß die verschiedenen Parteien sich zusammenfinden und - so wie eine Decke trotz unterschiedlicher Farben und Muster dennoch ein harmonisches Ganzes darstellt - eine Einheit bilden.

 

 

1Kor 1,11-12

 

Statt dessen beginnt die Decke in Korinth, an den Rändern auszufransen, wie Paulus durch die Leute der ChloÙ erfahren hat. An der Realität der Spaltungen besteht zwar keinerlei Zweifel, doch aus Paulus' Bemerkung in 1Kor 4,6 könnte man schließen, daß die Namen der Anführer der einzelnen Parteien, die er erwähnt - Paulus, Apollos, Kephas -, nur als Beispiele dienen. Wahrscheinlich wollte er es vermeiden, eine bereits verfahrene Situation noch zu verschlimmern.

 

1Kor 1,13

 

Die folgenden drei rhetorischen Fragen erfordern eine entschieden verneinende Antwort. Der universale Leib Christi ist nicht zerteilt ; daher darf auch keine seiner lokalen Manifestationen zerstritten sein. Christus - nicht ein Mensch - hat den Korinthern die Rettung gebracht, deshalb sind sie außer ihm niemandem zur Treue verpflichtet.

 

 

1Kor 1,14-17

 

Paulus orientierte sich in seinem Amt offenbar in jeder Hinsicht am Vorbild Christi. Nach Joh 4,2 hat Jesus nicht selbst getauft , sondern es seinen Jüngern überlassen. Auch darin ahmte Paulus Jesus nach. Ist die Taufe in den Augen des Apostels denn überhaupt heilsnotwendig? Die Antwort lautet: Nein (vgl. 1Kor 4,15;9,1.22;15,1-2 ). Das soll nicht heißen, daß sie ganz ohne Bedeutung ist. Christus selbst hat sie angeordnet ( Mt 28,19 ), und die frühe Kirche hat sie praktiziert ( Apg 2,41 ), so daß sie, wie das Abendmahl, zu einem kirchlichen Ritus wurde. Das Entscheidende an einem Ritus aber ist nicht das, was er bewirkt, sondern das, wovon er Zeugnis ablegt.

Paulus hält es für seine vornehmste Aufgabe, das Evangelium zu predigen (vgl. 1Kor 9,16 ), und zwar nicht mit klugen Worten . Mit glänzender Beredsamkeit vermag man vielleicht den Verstand eines Menschen, nicht aber sein Herz zu gewinnen, wohingegen die nüchternen Worte des Evangeliums, die nach menschlichem Maßstab töricht erscheinen mögen, durch den Geist Gottes wirken ( 1Kor 2,4-5 ).

 

 

B. Die Gründe für die Spaltungen

( 1,18-4,5 )

 

Vom menschlichen Standpunkt aus scheint die Botschaft des Evangeliums, deren Mittelpunkt das Leiden und Sterben des Retters ist, töricht und widersprüchlich. Nicht weniger töricht mutet das Prinzip an, daß, wer der Größte sein will, zum Knecht aller werden muß ( Mt 23,11-12 ). Doch gerade um die Vermittlung dieser Erkenntnis geht es Paulus in seiner Analyse der Gründe, die zu den Spaltungen in Korinth geführt hatten.

 

 

1. Das Mißverstehen der Botschaft

( 1,18-3,4 )

 

Was den Korinthern im Grunde genommen fehlt, ist die Erneuerung durch den Geist ( Röm 12,2 ). Statt dessen versuchen sie, ihr Leben als Christen auf der Grundlage des ungeheiligten gesunden Menschenverstands zu leben, dessen höchstes Ziel die Selbsterhaltung ist. Wer aber ein solches Leben führt, sucht nur sich selbst, dient nur sich selbst und zerstört sich schließlich selbst ( Lk 9,24-25 ).

 

 

1Kor 1,18

 

Genau davor möchte Paulus die Korinther warnen. Das Wort vom Kreuz trifft in den Kern der Ichbezogenheit der Menschen. Für Paulus ist es der Dreh- und Angelpunkt der Rettung - eines Prozesses, der mit der Rechtfertigung beginnt, sich in der Heiligung fortsetzt und in der Verherrlichung gipfelt. In diesem Vers und im ganzen Brief geht es Paulus in erster Linie um die zweite dieser drei Phasen, die progressive Heiligung. "Das Wort vom Kreuz" zielt auf die Selbstentäußerung, den Gehorsam gegenüber Gott, der, wie bei Jesus, in die Erniedrigung und in den Tod führen kann, an dessen Ende aber nicht die Selbstzerstörung, sondern die Bewahrung des Selbst ( Mk 8,34-35 ) und seine Erhöhung ( 2Tim 2,12; Offb 22,5 ) steht. Diese Vorstellung, die denen, die verloren werden, eine Torheit ist (vgl. Lk 9,23-25 ), bildet das Thema dieses und der folgenden Verse ( 1Kor 1,17-18.23-24;2,2.8 ).

 

 

1Kor 1,19

 

Wie er es häufig tut, illustriert Paulus diesen Punkt am Beispiel Israels. Israel handelte nach menschlichem Ermessen klug, als es einen Pakt mit Ägypten schloß, um sich gegen den Angriff der Assyrer zu verteidigen. Doch in Wirklichkeit konnte nur ein Wunder von Gott die Nation retten (vgl. 2Kö 18,17-19,37; Jes 29,14 ).

 

 

1Kor 1,20-21

 

So ist es mit aller menschlichen Weisheit, ob sie nun von jüdischen Schriftgelehrten oder von griechischen Weisen stammt. Auch der Klügste kann den Plan Gottes nicht verstehen ( Jes 55,8-9 ). Nicht die selbstsichere Belesenheit, sondern der Glaube ermöglicht es dem Menschen, den schmalen Weg zu gehen.

 

1Kor 1,22-25

 

Was der Mensch braucht, kann er nicht bei den Menschen finden, sondern allein durch Gottes Kraft und Gottes Weisheit . In der Predigt des gekreuzigten Christus beruft Gott die Menschen, indem er ihnen die Augen öffnet, so daß sie dem Evangelium glauben.

 

 

1Kor 1,26-31

 

Wenn der Anlaß nicht so traurig wäre, könnte man sich beinahe ein ungläubiges Lächeln auf Paulus' Gesicht vorstellen, während er die Korinther auffordert, sich ihre eigene Gemeinde doch einmal anzusehen. Aus der menschlichen Perspektive heraus gesehen mangelt es ihnen an Weisheit, Einfluß und Bildung. Wenn Gott nach solchen Kriterien vorgehen würde, hätte er sie bestimmt nicht erwählt. Doch in Gottes Berufung werden die Maßstäbe der Welt auf den Kopf gestellt: er wählt das Gewöhnliche, nicht das Außergewöhnliche, damit sich kein Mensch vor ihm rühme (V. 29 ). Denn nur Christus verkörpert die Weisheit Gottes (V. 30 ), und nur in ihm wird den Korinthern Gerechtigkeit , d. h. Rechtfertigung ( Röm 4,24-25 ), Heiligung ( 2Thes 2,13-15 ) und Erlösung ( Röm 8,23; Eph 4,30 ), d. h. Verherrlichung, zuteil. Die Weisheit Gottes vollendete den göttlichen Heilsplan durch den gekreuzigten Christus - der den Weisen und Gelehrten verborgen bleibt, den einfachen Gläubigen jedoch offenbart wird (vgl. Mt 11,25-26 ).

akt.Aktiv, aktive FormApok.ApokryphenAram.AramäischATAltes TestamentBd.Bandca.circaebd.ebendafem.Femininum, weibliche FormGriech.GriechischHebr.HebräischHrsg.herausgegeben, HerausgeberImpera.Imperativ, BefehlsformImperf.Imperfekt, VergangenheitKap.KapitelLat.Lateinisch, LateinLXXSeptuaginta(griech. Übers. des AT)mask.Maskulinum männliche FormMs, MssManuskript(e)MTMasoretischer Text (überlieferte Texte des hebr. AT)neutr.Neutrum, sächliche FormNr.NummerNTNeues Testamento.J.ohne Jahr, kein Erscheinungsjahro.O.ohne Ort, kein ErscheinungsortPart.PartizipPass.Passiv, passive FormPerf.Perfekt, vollendete VergangenheitPl.Plural, MehrzahlPräs.Präsenz, GegenwartS.Seites.sieheSem.SemitischSing.Singular, Einzahls.o.siehe oben (im Text)s.u.siehe unten (im Text)s.v.sub verbo, siehe unter dem Stichwortu.a.und andereÜbers.Übersetzung, Übersetzer, übersetztV.Versvgl.vergleicheVul.Vulgata (lat. Übers. der Bibel)wörtl.wörtlichz.B.zum Beispiel

Biblische Maße und Gewichte

 

Binlische Einheit Heutige EntsprechungGewicht  Talent60 Pfund34 kgPfund/Mine50 Lot0,6 kgLot/Schekel2 Bekas11,6 gPim2/3 Lot7,6 gBeka10 Gramm6 gGramm/Gera 0,6 gLänge

Rute6 Ellen2 mElle2 Spannen0,5 mSpanne3 Handbreiten23 cmHandbreite4 Fingerbreiten7 cmFingerbreite 2 cmHohlmaße für trockene Dinge

Sack/Homer10 Scheffel220 lLetech5 Scheffel110 lScheffel/Efa3 Maß/10 Gomer22 lMaß1/3 Scheffel7,3 lKrug1/10 Scheffel2,2 lHandvoll1/18 Scheffel0,3 lHohlmaße für Flüssigkeiten

Faßwie Sack220 lEimer1 Schefel22 lKanne1/6 Eimer4 lBecher1/72 Eimer0,3 lDie Angaben sind Annäherungswerte. Grundlage der Umrechnung ist die Festsetzung 1 Lot = 11,5 g; 1 Elle = 0,5 m; 1 Scheffel = 22 l (andere Berechnungen:1 Scheffel = 39 l).

 

Transliteration (Umschift)

 

 

1. Korintherbrief (David K. Lowery)

 

EINFÜHRUNG

 

Die griechische Mythologie erzählt, daß Sisyphus, der König von Korinth, als er durch seinen Stolz die Götter erzürnt hatte, dazu verurteilt wurde, einen riesigen Stein einen Berg hinaufzuwälzen. Doch jedesmal, wenn er den Gipfel erreicht hatte, rollte der Stein wieder hinab, und Sisyphus mußte sein mühseliges Werk von vorn beginnen. Albert Camus, ein Philosoph des 20. Jahrhunderts, sah in diesem Mythos ein Bild des modernen Menschen schlechthin, ein Symbol für die Absurdität des Lebens.

Wenn Camus die beiden Korintherbriefe gelesen hätte, hätte er sicherlich ein anderes Bild gewonnen. In ihnen wird eine ganz andere Botschaft, eine Botschaft der Sinnerfülltheit und der Hoffnung für die irregeleiteten Menschen, laut. Die Haltung der Korinther des 1. Jahrhunderts nach Christus hatte, wie das ihres legendären Königs, einen Beigeschmack stolzer Ichbezogenheit. Glücklicherweise hatten sie es aber nicht mit dem launischen Göttervater Zeus, sondern mit dem gnädigen und liebenden Gott und seinem Boten, dem Apostel Paulus, zu tun.

 

 

Verfasser und Adressaten

 

Selbst von seiten der strengsten Kritiker wird kaum jemals bezweifelt, daß Paulus tatsächlich der Verfasser dieses Briefes ist. Der Apostel besuchte Korinth auf seiner zweiten Missionsreise ( Apg 18,1-18; wahrscheinlich im Frühjahr des Jahres 51 n. Chr., da die Statthalterschaft des Gallio im Juli desselben Jahres begann). Er lernte dort Aquila und Priszilla kennen, ein Ehepaar, das 49 n. Chr. auf ein Dekret des Kaisers Klaudius hin, das alle Juden der Stadt verwies, aus Rom geflohen war. Die beiden waren, wie Paulus selbst, von Beruf Zeltmacher. Da im Neuen Testament nirgendwo von ihrer Bekehrung die Rede ist, waren sie wahrscheinlich bereits Christen, als Paulus sie traf. Aufgrund der geistlichen, ethnischen und beruflichen Gemeinsamkeiten zwischen ihm und dem Paar ist es ganz natürlich, daß der Apostel sich zu ihnen hingezogen fühlte.

Wie immer suchte Paulus auch in Korinth zunächst den Kontakt zur Synagoge. Er nahm an den jüdischen Gottesdiensten teil und versuchte dabei, seine Hörer davon zu überzeugen, daß in Jesus ihr Messias gekommen war. Als ihm schließlich jedoch der Zutritt zur Synagoge verwehrt wurde, predigte er in einem neben der Synagoge stehenden Haus, das einem seiner Zuhörer, einem Heiden namens Titius Justus ( Apg 18,7 ), gehörte. Titius Justus war einer der vielen Korinther, die sich zum Herrn bekehrt hatten. Vom menschlichen Standpunkt aus gesehen hatte Paulus allen Grund, sich zu fragen, wie viele Heilige er in dieser Stadt wohl finden würde, denn Korinth war berüchtigt für seinen krassen Materialismus. Bereits in der frühen griechischen Literatur wird die Stadt mit Reichtum (Homer, Ilias 2. 569 - 570) und unmoralischem Lebenswandel in Verbindung gebracht. So bezeichnete Plato eine Prostituierte einfach als "ein Mädchen aus Korinth" ( Der Staat 404 d). Der Dramatiker Philetaerus ( Athenäus 13. 559 a) schrieb eine Burleske mit dem Titel " Ho KorinthiastEs ", der zu deutsch mit "Der Wüstling" wiedergegeben werden könnte. Von Aristophanes stammt das Verb korinthiazomai , ein Synonym für "Unzucht treiben" ( Fragment 354). Laut Strabo ( Geographia 8. 6 - 20) konzentrierten sich sowohl der Reichtum als auch die Lasterhaftigkeit der Stadt in erster Linie auf den Bereich des Aphroditetempels mit seinen 1000 Tempeldirnen. Aus diesem Grund warnte denn auch ein bekanntes Sprichwort: "Nicht jedem bekommt eine Reise nach Korinth."

Nach dem Jahr 146 V. Chr. war Korinth allerdings etwa 100 Jahre lang kein besonders beliebtes Reiseziel mehr. Die Stadt hatte sich gegen Rom erhoben und war fast ganz zerstört worden; nur ein paar Säulen im Apollotempel waren stehengeblieben. Die Einwohner waren getötet oder in die Sklaverei verkauft worden.

Doch die günstige Lage des Ortes blieb nicht lange ungenutzt: 46 V. Chr. ließ Julius Cäsar die Stadt als römische Kolonie neu erbauen; 27 V. Chr. wurde sie zum Sitz der römischen Verwaltung der Provinz Achaja. In dieser neuen Situation, in der die alten Laster trotz allem fortwirkten, kam Paulus im Jahre 51 n. Chr. in die Stadt und begann mit der Erlaubnis des römischen Statthalters Gallio sein Evangelium zu verkündigen.

 

Kontakte und Briefwechsel

 

Wie oft und in welcher Form Paulus nach seinem ersten Besuch im Jahr 51 n. Chr. persönlichen oder brieflichen Kontakt mit den Korinthern aufnahm, ist umstritten. Belege für meine Darstellung der Ereignisse finden sich in den in der Bibliographie zitierten Werken.

1. Während seiner ersten Missionsreise verbrachte Paulus anderthalb Jahre in Korinth und brach im Herbst des Jahres 52 n. Chr. von dort aus nach Jerusalem auf. Dabei wurde er von Priszilla und Aquila bis zu seinem ersten Etappenziel, Ephesus, begleitet, wo das Ehepaar zurückblieb und den begnadeten Alexandriner Apollos in der neuen Lehre unterwies. Apollos wurde dann nach Korinth zurückgeschickt, wo er Paulus' Werk fortsetzen sollte ( Apg 18,18-28 ).

2. Während Apollos noch in Korinth predigte ( Apg 19,1 ), kehrte Paulus im Herbst des Jahres 53 n. Chr. im Zuge seiner dritten Missionsreise zu einem zweieinhalbjährigen Aufenthalt nach Ephesus zurück ( Apg 19 ). Zu Beginn dieser Zeit in Ephesus schrieb er wahrscheinlich jenen-verlorengegangenen - Brief, von dem in 1Kor 5,9 die Rede ist und den die Korinther offensichtlich mißverstanden ( 1Kor 5,10-11 ).

3. Von diesem Mißverständnis und auch von anderen in der Gemeinde von Korinth aufgetretenen Problemen erfuhr Paulus zunächst durch Mitglieder des Hauses der Chloe ( 1Kor 1,11 ). Danach wurde er von einer offiziellen Delegation aus Korinth, bestehend aus Stephanas, Fortunatus und Achaikus ( 16,17 ), aufgesucht, die ihm Fragen zu strittigen Punkten vorlegten, die zu einer Kirchenspaltung in ihrer Gemeinde geführt hatten. Daraufhin entstand wahrscheinlich im Jahr 54 oder 55 n. Chr. der uns vorliegende 1. Korintherbrief, der sich mit diesen Angelegenheiten befaßt.

4. Doch anscheinend waren die Probleme der Gemeinde damit noch nicht gelöst - eine Nachricht, die möglicherweise Timotheus dem Apostel überbrachte ( 1Kor 4,17;16,10 ). Daher entschloß Paulus sich zu einem zweiten Besuch in Korinth ( 2Kor 1,15 ), den er in 1Kor 2,1 aufgrund der Handlungsweise des Mannes, von dem in 1Kor 2,5 und 1Kor 7,2 die Rede ist, als "traurig" bezeichnet (vgl. 2Kor 13,1 ,wo noch von einem dritten Besuch die Rede ist, der letzten Etappe auf Paulus' dritter Missionsreise).

5. Doch bald nach diesem zweiten Besuch sah Paulus sich - wieder in Ephesus - gezwungen, einen dritten Brief zu schreiben, den er durch Titus überbringen ließ. Er bedauerte es zutiefst ( 2Kor 2,4 ), der Gemeinde darin mit disziplinarischen Maßnahmen drohen zu müssen ( 2Kor 7,8-9 ).

6. Nach dem Aufstand der Silberschmiede verließ Paulus Ephesus, um nach Troas zu gehen und dort Titus zu treffen. Als er ihn nicht vorfand, reiste er - anscheinend in großer Angst umTitus' Sicherheit - voller Sorge weiter nach Mazedonien ( 2Kor 2,12-13; 1Kor 7,5 ). Dort traf er ihn dann endlich und erfuhr von ihm, daß die korinthische Gemeinde inzwischen zwar wieder auf den richtigen Weg zurückgefunden hatte, daß eine bestimmte Gruppe sich ihm jedoch weiterhin widersetze.

7. Von Mazedonien aus schrieb der Apostel daraufhin einen weiteren Brief - unseren 2. Korintherbrief -, dem sein dritter Besuch im Winter 56/57 folgte ( Apg 20,1-4 ).

 

 

Aufbau und Zweck des Briefes

 

Im Gegensatz zum Epheserbrief, der sich mit der universalen Kirche befaßt, geht es im 1. Korintherbrief um ganz spezifische Angelegenheiten der christlichen Gemeinde in Korinth. Wer heute den Eindruck hat, daß es in seiner Gemeinde mehr unerfreuliche Zeitgenossen und mehr Streitigkeiten als in anderen gibt, muß nur diesen Brief (und seine Fortsetzung, den 2. Korintherbrief) lesen, um die Dinge wieder im richtigen Verhältnis zu sehen. Der 1. Korintherbrief gewährt uns einen Einblick in das Leben der Kirche im 1. Jahrhundert, und dieses Leben war alles andere als heilig. Doch gerade darum hat Paulus diesen Brief ja geschrieben - er sollte die Korinther dazu bewegen, den Stand der Heiligung, der den Christen bereits auf Erden zugesagt ist, stärker in die Praxis, in das alltägliche Leben, umzusetzen. Trotz der zahlreichen, zum Teil spektakulären Beweise für das Wirken des Heiligen Geistes in ihrer Mitte schien die korinthische Gemeinde dem Geist der Welt stärker zugetan als dem Geist Gottes. Das wollte Paulus ändern. Seine Botschaft läßt sich in drei Abschnitte unterteilen:

1. In den ersten sechs Kapiteln versucht er, zur Schlichtung der Streitigkeiten, von denen er durch die Knechte der Chloe erfuhr ( 1Kor 1,11 ), beizutragen und in der Gemeinde die Einheit von Überzeugung und Handeln wiederherzustellen.

2. Ab Kapitel 7 wendet er sich bestimmten Fragen zu (vgl. die Wendung peri de , "wovon ihr aber..."): den Problemen in bezug auf die Ehe ( 1Kor 7,1.25 ), den Zwiespalt zwischen Freiheit und Verantwortlichkeit ( 1Kor 8,1 ), den Geistesgaben und der Kirchenordnung ( 1Kor 12,1 ), der Kollekte für die Armen in Jerusalem ( 1Kor 16,1 ) und den Besuch von Apollos ( 1Kor 16,12 ).

3. In Kapitel 15 bestätigt und verteidigt er die Lehre von der Auferstehung, die manche Korinther leugneten. In dieser Leugnung sah Paulus möglicherweise das Grundübel, das alle seine vorhergehenden Ausführungen überhaupt erst nötig gemacht hatte; er stellte die Behandlung dieses Themas daher an den Schluß des Briefes und machte es damit zu seinem Höhepunkt.

Über und hinter all den Streitfragen, mit denen sich der Brief auseinandersetzt, steht jedoch immer wieder die Tatsache, daß es in Korinth überhaupt eine christliche Gemeinde, ein Zeugnis für die Macht Gottes und des Evangeliums, gibt.

 

 

GLIEDERUNG

 

I. Einleitung ( 1,1-9 )

 

     A. Grußwort und Vorstellung des Verfassers und der Adressaten ( 1,1-3 )

     B. Danksagung für die Gnade Gottes ( 1,4-9 )

 

II. Spaltungen in der Gemeinde ( 1,10-4,21 )

 

     A. Das Bestehen der Spaltungen ( 1,10-17 )

     B. Die Gründe für die Splatungen ( 1,18-4,5 )

          1. Das Mißverstehen der Botschaft ( 1,18-3,4 )

          2. Das Mißverstehen des Amtes ( 3,5-4,5 )

 

III. Mißstände in der Gemeinde ( Kap.5-6 )

 

     A. Unterlassung der Bestrafung eines Sünders ( Kap.5 )

     B. Persönliche Streitigkeiten ( 6,1-11 )

     C. Sexuelle Vergehen ( 6,12-20 )

 

IV. Schwierigkeiten in der Gemeinde ( Kap.7-15 )

 

     A. Ratschläge in bezung auf die Ehe ( Kap.7 )

          1. Ehe und Ehelosigkeit ( 7,1-9 )

          2. Ehe und Scheidung ( 7,10-24 )

          3. Ehe und chistlicher Dienst ( 7,25-38 )

          4. Wiedervertheiratung und Witwentum ( 7,39-40 )

 

     B. Der Umgang mit der christlichen Freiheit ( Kap.8-14 )

          1. Die chritliche Freiheit und der heidnische Götzendienst ( 8,1-11,1 )

               a. Das Prinzip der brüderlichen Liebe ( Kap.8 )

               b. Der Umgang mit Privilegien ( 9,1-10,13 )

               c. Die rechte Haltung zum Götzendienst ( 10,14-11,1 )

 

          2. Die christliche Freiheit und der christliche Gottesdienst ( 11,2-14,40 )

               a. Das Verhalten der Frau im Gottesdienst ( 11,2-16 )

               b. Das Verhalten der Christen beim Abendmahl ( 11,17-34 )

               c. Der Stellenwert der Geistesgaben ( Kap.12-14 )

 

     C. Die Lehre von der Auferstehung ( Kap.15 )

          1. Die Gewißheit der Auferstehung des Leibes ( 15,1-34 )

               a. Historische Argumente ( 15,1-11 )

               b. Logische Argumente ( 15,12-19 )

               c. Theologische Argumente ( 15,20-34 )

               d. Erfahrungstatsachen ( 15,39-49 )

 

          2. Antworten auf bestimmte Fragen ( 15,35-58 )

               a. Die Auferstehung der Toten ( 15,35-49 )

               b. Die Entrückung der Lebenden ( 15,50-58 )

 

     D. Ratschläge hinsichtlich der Kollekte für die Armen ( 16,1-4 )

     E. Reisepläne ( 16,5-12 )

 

V. Schlußwort ( 16,13-24 )

 

     A. Ermahnung zu angemessenem Verhalten und Empfehlungen ( 16,13-18 )

     B. Grüße, Fluch und Segen ( 16,19-24 )

 

 

AUSLEGUNG

 

I. Einleitung

( 1,1-9 )

 

Wie die anderen Einleitungen der Paulusbriefe enthalten auch die Einleitungsworte des 1. Korintherbriefs bereits einen Abriß der Themen, mit denen der Apostel sich im folgenden befaßt. Schon im Briefeingang spielt Paulus auf seine Berufung zum Apostel, auf die Berufung der Korinther zu Heiligen und auf die Einheit der Gemeinde in Christus an.

 

 

A. Grußwort und Vorstellung des Verfassers und der Adressaten

( 1,1-3 )

 

1Kor 1,1

 

Paulus weist seine Leser bereits im ersten uns erhaltenen Brief an die Korinther kurz auf seine Legitimität als Apostel hin, die in Korinth in Frage gestellt wurde ( 1Kor 9 ), geht jedoch erst im 2. Korintherbrief ausführlicher auf dieses Thema ein. Hier versichert er nur kurz, daß er durch den Willen Gottes in sein Amt eingesetzt wurde und nicht seine eigenen, sondern die Interessen Christi vertritt.

Bei Sosthenes , den Paulus als Mitverfasser des Briefes nennt - wahrscheinlich ein enger Mitarbeiter des Apostels -, handelt es sich möglicherweise um den Vorsteher der Synagoge, der früher einmal bei antichristlichen Kundgebungen in Korinth von seinen eigenen Leuten, den Juden, öffentlich geschlagen worden war ( Apg 18,17 ).Wenn diese Annahme richtig ist, so ist Sosthenes ein Beispiel dafür, wie Gott auch das Schlimmste für den Gläubigen schließlich noch zum Guten wenden kann.

 

 

1Kor 1,2

 

Die christliche Gemeinde gehört Gott, nicht den Menschen. Wenn die Korinther das rechtzeitig erkannt hätten, wäre es vielleicht nie zu Spaltungen unter ihnen gekommen. Die Glieder der Kirche sind die Geheiligten , von Gott als sein Eigentum abgesondert. In seinem Brief wirft Paulus den Gläubigen in Korinth vor, daß ihr Leben diesem Stand nicht entspricht. Sie sollen aber Jesus Christus, ihrem Herrn , gehorchen, denn Gehorsam ist die Voraussetzung der Einheit der Christen nicht nur in Korinth, sondern an jedem Ort .

 

 

1Kor 1,3

 

Die Gnade , die die korinthischen Christen zu einer Gemeinschaft zusammengefügt hat, sollen sie sich nun auch gegenseitig erweisen, damit der Friede gewahrt bleibt. Gnade und Friede aber, die die korinthische Gemeinde vor allem anderen nötig hatte, gibt Gott denen, die sich ganz auf ihn verlassen.

 

 

B. Danksagung für die Gnade Gottes

( 1,4-9 )

 

Daß Paulus Gott für eine Gemeinde dankt, die ihm so viel Kummer bereitet, mag ein wenig seltsam erscheinen. Wenn er nur auf seine eigenen Fähigkeiten angewiesen gewesen wäre, wäre es um seine Aussicht, eine Gruppe wie die Christen in Korinth wieder auf den richtigen Weg zu bringen, tatsächlich nicht zum besten bestellt gewesen. Da aber Gott unter den Seinen wirkt, weiß Paulus, daß er Grund zu danken hat.

 

 

1Kor 1,4

 

Trotz ihrer Neigung zur Selbsterhöhung verdanken die Korinther es letztlich ganz allein der Gnade Gottes, daß sie Glieder des Leibes in Christus Jesus sind.

 

 

1Kor 1,5

 

Nur weil sie zu diesem Leib gehören, sind sie so reich ... in aller Lehre und in aller Erkenntnis und besitzen Gaben wie Zungenreden, prophetische Rede, die Unterscheidung zwischen den Geistern und/oder die Gabe der Auslegung ( 1Kor 12,4-11 ). Sie haben diese Gaben allerdings nicht bekommen, um sie - wie es der Fall war - zu mißbrauchen, sondern sie sollen sie zum Besten der ganzen Gemeinde einsetzen.

 

 

1Kor 1,6

 

Daß sie all diese Gaben besitzen, ist zugleich aber auch ein Beweis dafür, daß Paulus' Predigt von Christus unter ihnen wirksam ist. Wenn der Apostel seine Botschaft vielleicht auch in Schwachheit vorgetragen hat ( 1Kor 2,1-5 ), so sorgt doch Gott dafür, daß sein Wort in ihren Herzen Wurzeln schlägt.

 

 

1Kor 1,7-8

 

Da nun aber alles, was er unter ihnen getan hat, im Grunde das Werk Gottes ist, hat Paulus keinerlei Zweifel an dem Ergebnis. Weil die Gläubigen in Korinth durch die Gnade Gottes gerechtfertigt sind, werden sie untadelig ( anenklEtous , "frei von Schuld"; vgl. Kol 1,22 ) dastehen, wenn Christus eines Tages zurückkehrt. Daher können sie in aller Zuversicht auf ihn warten ( apekdechomenous ; dieses Wort wird im Neuen Testament siebenmal für die Rückkehr Christi verwendet: Röm 8,19.23.25; 1Kor 1,7; Gal 5,5; Phil 3,20; Hebr 9,28 ).

 

 

1Kor 1,9

 

Denn Gott ist treu . Er hat die Korinther berufen ... zur Gemeinschaft seines Sohnes Jesus Christus, unseres Herrn . Es ist jedoch unmöglich, sich der Gemeinschaft Christi zu erfreuen, während man mit anderen Gliedern seines Leibes in Streit lebt ( Mt 5,23-24 ). Von dieser Vorstellung ausgehend vollzieht Paulus den Übergang von dem, was Gott in der Vergangenheit getan hat und was er in der Zukunft tun wird, zu dem, was die Korinther in der Gegenwart, d. h. hinsichtlich der in ihrer Gemeinde bestehenden Spaltungen, tun sollen.

 

 

II. Spaltungen in der Gemeinde

( 1,10-4,21 )

 

Die Spaltungen in der korinthischen Gemeinde sind das erste Problem, dem Paulus sich im folgenden zuwendet.

 

 

A. Das Bestehen der Spaltungen

( 1Kor 1,10-17 )

 

1Kor 1,10

 

Paulus spricht hier zu Brüdern, nicht etwa zu Feinden, und er beruft sich dabei auf die höchste Autorität, auf den Namen des Herrn Jesus Christus . Dies ist das zehnte Mal in den ersten zehn Versen des Briefes, daß Paulus sich auf Christus bezieht; er läßt also keinen Zweifel daran, daß der, an den er, Paulus, glaubt, der Ursprung und Mittelpunkt der Einheit in Korinth sein soll. Der Apostel verlangt von den Korinthern nicht, daß sie ihre unterschiedlichen Ansichten aufgeben, sondern er fordert sie zur Eintracht auf. Es ist sein Wunsch, daß die verschiedenen Parteien sich zusammenfinden und - so wie eine Decke trotz unterschiedlicher Farben und Muster dennoch ein harmonisches Ganzes darstellt - eine Einheit bilden.

 

 

1Kor 1,11-12

 

Statt dessen beginnt die Decke in Korinth, an den Rändern auszufransen, wie Paulus durch die Leute der ChloÙ erfahren hat. An der Realität der Spaltungen besteht zwar keinerlei Zweifel, doch aus Paulus' Bemerkung in 1Kor 4,6 könnte man schließen, daß die Namen der Anführer der einzelnen Parteien, die er erwähnt - Paulus, Apollos, Kephas -, nur als Beispiele dienen. Wahrscheinlich wollte er es vermeiden, eine bereits verfahrene Situation noch zu verschlimmern.

 

1Kor 1,13

 

Die folgenden drei rhetorischen Fragen erfordern eine entschieden verneinende Antwort. Der universale Leib Christi ist nicht zerteilt ; daher darf auch keine seiner lokalen Manifestationen zerstritten sein. Christus - nicht ein Mensch - hat den Korinthern die Rettung gebracht, deshalb sind sie außer ihm niemandem zur Treue verpflichtet.

 

 

1Kor 1,14-17

 

Paulus orientierte sich in seinem Amt offenbar in jeder Hinsicht am Vorbild Christi. Nach Joh 4,2 hat Jesus nicht selbst getauft , sondern es seinen Jüngern überlassen. Auch darin ahmte Paulus Jesus nach. Ist die Taufe in den Augen des Apostels denn überhaupt heilsnotwendig? Die Antwort lautet: Nein (vgl. 1Kor 4,15;9,1.22;15,1-2 ). Das soll nicht heißen, daß sie ganz ohne Bedeutung ist. Christus selbst hat sie angeordnet ( Mt 28,19 ), und die frühe Kirche hat sie praktiziert ( Apg 2,41 ), so daß sie, wie das Abendmahl, zu einem kirchlichen Ritus wurde. Das Entscheidende an einem Ritus aber ist nicht das, was er bewirkt, sondern das, wovon er Zeugnis ablegt.

Paulus hält es für seine vornehmste Aufgabe, das Evangelium zu predigen (vgl. 1Kor 9,16 ), und zwar nicht mit klugen Worten . Mit glänzender Beredsamkeit vermag man vielleicht den Verstand eines Menschen, nicht aber sein Herz zu gewinnen, wohingegen die nüchternen Worte des Evangeliums, die nach menschlichem Maßstab töricht erscheinen mögen, durch den Geist Gottes wirken ( 1Kor 2,4-5 ).

 

 

B. Die Gründe für die Spaltungen

( 1,18-4,5 )

 

Vom menschlichen Standpunkt aus scheint die Botschaft des Evangeliums, deren Mittelpunkt das Leiden und Sterben des Retters ist, töricht und widersprüchlich. Nicht weniger töricht mutet das Prinzip an, daß, wer der Größte sein will, zum Knecht aller werden muß ( Mt 23,11-12 ). Doch gerade um die Vermittlung dieser Erkenntnis geht es Paulus in seiner Analyse der Gründe, die zu den Spaltungen in Korinth geführt hatten.

 

 

1. Das Mißverstehen der Botschaft

( 1,18-3,4 )

 

Was den Korinthern im Grunde genommen fehlt, ist die Erneuerung durch den Geist ( Röm 12,2 ). Statt dessen versuchen sie, ihr Leben als Christen auf der Grundlage des ungeheiligten gesunden Menschenverstands zu leben, dessen höchstes Ziel die Selbsterhaltung ist. Wer aber ein solches Leben führt, sucht nur sich selbst, dient nur sich selbst und zerstört sich schließlich selbst ( Lk 9,24-25 ).

 

 

1Kor 1,18

 

Genau davor möchte Paulus die Korinther warnen. Das Wort vom Kreuz trifft in den Kern der Ichbezogenheit der Menschen. Für Paulus ist es der Dreh- und Angelpunkt der Rettung - eines Prozesses, der mit der Rechtfertigung beginnt, sich in der Heiligung fortsetzt und in der Verherrlichung gipfelt. In diesem Vers und im ganzen Brief geht es Paulus in erster Linie um die zweite dieser drei Phasen, die progressive Heiligung. "Das Wort vom Kreuz" zielt auf die Selbstentäußerung, den Gehorsam gegenüber Gott, der, wie bei Jesus, in die Erniedrigung und in den Tod führen kann, an dessen Ende aber nicht die Selbstzerstörung, sondern die Bewahrung des Selbst ( Mk 8,34-35 ) und seine Erhöhung ( 2Tim 2,12; Offb 22,5 ) steht. Diese Vorstellung, die denen, die verloren werden, eine Torheit ist (vgl. Lk 9,23-25 ), bildet das Thema dieses und der folgenden Verse ( 1Kor 1,17-18.23-24;2,2.8 ).

 

 

1Kor 1,19

 

Wie er es häufig tut, illustriert Paulus diesen Punkt am Beispiel Israels. Israel handelte nach menschlichem Ermessen klug, als es einen Pakt mit Ägypten schloß, um sich gegen den Angriff der Assyrer zu verteidigen. Doch in Wirklichkeit konnte nur ein Wunder von Gott die Nation retten (vgl. 2Kö 18,17-19,37; Jes 29,14 ).

 

 

1Kor 1,20-21

 

So ist es mit aller menschlichen Weisheit, ob sie nun von jüdischen Schriftgelehrten oder von griechischen Weisen stammt. Auch der Klügste kann den Plan Gottes nicht verstehen ( Jes 55,8-9 ). Nicht die selbstsichere Belesenheit, sondern der Glaube ermöglicht es dem Menschen, den schmalen Weg zu gehen.

 

1Kor 1,22-25

 

Was der Mensch braucht, kann er nicht bei den Menschen finden, sondern allein durch Gottes Kraft und Gottes Weisheit . In der Predigt des gekreuzigten Christus beruft Gott die Menschen, indem er ihnen die Augen öffnet, so daß sie dem Evangelium glauben.

 

 

1Kor 1,26-31

 

Wenn der Anlaß nicht so traurig wäre, könnte man sich beinahe ein ungläubiges Lächeln auf Paulus' Gesicht vorstellen, während er die Korinther auffordert, sich ihre eigene Gemeinde doch einmal anzusehen. Aus der menschlichen Perspektive heraus gesehen mangelt es ihnen an Weisheit, Einfluß und Bildung. Wenn Gott nach solchen Kriterien vorgehen würde, hätte er sie bestimmt nicht erwählt. Doch in Gottes Berufung werden die Maßstäbe der Welt auf den Kopf gestellt: er wählt das Gewöhnliche, nicht das Außergewöhnliche, damit sich kein Mensch vor ihm rühme (V. 29 ). Denn nur Christus verkörpert die Weisheit Gottes (V. 30 ), und nur in ihm wird den Korinthern Gerechtigkeit , d. h. Rechtfertigung ( Röm 4,24-25 ), Heiligung ( 2Thes 2,13-15 ) und Erlösung ( Röm 8,23; Eph 4,30 ), d. h. Verherrlichung, zuteil. Die Weisheit Gottes vollendete den göttlichen Heilsplan durch den gekreuzigten Christus - der den Weisen und Gelehrten verborgen bleibt, den einfachen Gläubigen jedoch offenbart wird (vgl. Mt 11,25-26 ).