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14.06.2025
Interlinear Griechisch Deutsch

1. Korinther Walvoord David K. Lowery


1. Korinther Kapitel 14

 

1Kor 14,1

 

(3) Die Vorrangstellung der prophetischen Rede vor dem Zungenreden ( 1Kor 14,1-25 )

 

Kapitel 13 enthält eine der sublimsten Abweichungen vom Thema in der ganzen Geschichte der Briefliteratur. Paulus verläßt hier seinen eigentlichen Gegenstand, die Geistesgaben und ihren Gebrauch in der Gemeinde, mit dem er sich in Kapitel 12 befaßte und auf den er in Kapitel 14 zurückkommt. In Kapitel 12 hat er den Korinthern mitgeteilt, daß sie den Zweck der Gaben des Geistes - ihren einigenden Einfluß auf die Gemeinde - verkehrt haben, so daß sie zu Spaltungen und Zwietracht führten (bes. 1Kor 12,21-25 ). Auch die rücksichtslose Wahrnehmung ihrer Freiheit und ihr Hang zur Selbsterhöhung auf Kosten der anderen Glieder des Leibes, deren Bedürfnisse sie dabei übersahen oder niedertrampelten, hatte zu diesen Spaltungen beigetragen. So wirkten sich die Manifestationen der korinthischen Selbstsucht letztlich auf jedes der Probleme, die ab Kapitel 8 besprochen wurden, aus.

 

Das Kernproblem im Zusammenhang mit dem Gebrauch und dem Mißbrauch der Gaben des Geistes scheint die Faszination gewesen zu sein, die das Zungenreden auf die Korinther ausübte - eine Gabe, die sich offensichtlich besonders leicht zugunsten der Selbsterhöhung pervertieren ließ ( 1Kor 14,4 ), statt, wie es ihre eigentliche Bestimmung war, dem "Nutzen aller" ( 1Kor 12,7 ) zu dienen. Paulus' Korrektur besteht nun nicht einfach darin, die Ausübung der Gaben zu verbieten ( 14,39 ; vgl. 1Thes 5,19-20 ). Vielmehr drängt er darauf, daß die Geistbegabten sich in ihrem Tun stets von der Liebe lenken lassen. Die Gaben des Geistes sollen von der Frucht des Geistes, deren vornehmste die Liebe ist ( Gal 5,22 ), kontrolliert werden. Dann werden sie auch so eingesetzt werden, daß sie dem ganzen Leib der Kirche dienen( 1Kor 14,5 ) und Gott zur Ehre gereichen ( 1Kor 14,25.33.40 ). Durch Beispiele und Richtigstellungen vergleicht Paulus die Vorliebe der Korinther für das Zungenreden mit ihrem offensichtlichen Desinteresse an der prophetischen Rede und stellt sie diesem gegenüber.

 

Daß Kapitel 13 , wie gelungen es auch sein mag, dennoch eine Abweichung vom eigentlichen Thema darstellt, wird auch daran deutlich, daß Paulus sich in Kapitel 14 , Vers 1 , wieder unmittelbar auf den Schluß von Kapitel 12 , Vers 31 , bezieht. Er tut das in Form eines Chiasmus, einer gebräuchlichen rhetorischen Figur, die eine Reihe von verwandten Worten, Wendungen oder Vorstellungen miteinander verbindet, indem sie ihre Reihenfolge bei der zweiten Aufzählung umkehrt, z. B. a1, b1, b2, a2. Zum Abschluß seiner Erörterung der Einheit und der Verschiedenheit der Gaben hat Paulus die Korinther ermahnt, nach den Gaben zu streben (a1), deren Ausübung der gesamten Gemeinde den größten Nutzen bringt (vgl. 1Kor 12,31 ). Dann sagt er (b1), daß es, wie herrlich und nützlich die Gaben auch immer sein mögen, noch einen besseren Weg gibt ( 1Kor 13 ). Kapitel 14 nimmt diese Bemerkung wieder auf mit der Aufforderung (b2), den Weg der Liebe ( 1Kor 14,1 ) zu beschreiten (vgl. Joh 13,34-35 ), denn dieser wird sie nach den größeren Gaben streben lassen (a2), zu denen auch die prophetische Rede gehört (vgl. 1Kor 12,31 ).

 

 

1Kor 14,2

 

Es ist viel darüber gerätselt worden, was genau Paulus mit dem Begriff des Redens in Zungen meinte. Einer weitverbreiteten These nach muß man den Begriff "Zungen" ( glOssa ) vor dem Hintergrund der heidnischen Religionen des 1. Jahrhunderts sehen und sie als ekstatische Rede, ähnlich wie die der Sybille oder anderer weiblicher Prophetinnen, definieren. Die berühmteste von zehn weiblichen Prophetinnen Verschiedener Regionen war die cumäische Sybille (vgl. Vergil, Äneis 6. 77 - 102). Andere Exegeten vergleichen die Zungenreden im 1. Korintherbrief eher mit der ekstatischen Rede der Pythia, dem weiblichen Orakel in Delphi (Plutarch, Moralia 5. 409 e), oder mit der Ekstase der Mänaden des Dionysos (Ovid, Metamorphosen 3. 534, 710 - 30; vgl. Euripides, Bacchae ). Daß die Korinther im Zungenreden eine Parallele zu den heidnischen Ekstasen gesehen haben, ist durchaus möglich. Dagegen erscheint es abwegig, daß auch Paulus den Begriff in diesem heidnischen Sinn gebraucht. Die Wurzel der meisten theologischen Gedanken und Begriffe des Apostels ist vielmehr das Alte Testament. Das zeigt sich auch in seiner sonstigen Verwendung des Begriffs "Zungen". Das Wort findet sich in 1Kor 12 - 14 einundzwanzigmal, aber nur dreimal in seinen anderen Briefen. Diese drei anderen Male steht es stets entweder in einem Zitat aus dem Alten Testament ( Ps 5,10 in Röm 3,13; Jes 45,23 in Röm 14,11 ) oder in einer Anspielung auf das Alte Testament ( Jes 45,23 in Phil 2,11 ). In allen drei Fällen benutzt Paulus das Wort "Zungen" als Redefigur für eine Aussage oder ein Bekenntnis von Menschen. Ob es sich dabei um eine positive ( Röm 14,11; Phil 2,11 ) oder negative ( Röm 3,13 ) Aussage handelt, jedesmal ist die Äußerung bewußt und klar artikuliert.

Dasselbe gilt auch für die Bedeutung des Begriffs "Zungen" ( glOssa ) an anderen Stellen des Neuen Testaments. Ob er sich nun ganz direkt auf das Organ bezieht (z. B. Mk 7,33; Jak 3,5; Offb 16,10 ) oder ein Bild für die Verschiedenen Sprachen der Menschheit ist (z. B. Apg 2,11; Offb 5,9; 7,9; 10,11;11,9;13,7;14,6;17,15 ), nirgends steht er in Zusammenhang mit ekstatischer Rede. Wenn es Sinn macht, das Unbekannte mit Hilfe des Bekannten, das Unklare mit Hilfe des Klaren zu erklären, dann verbleibt die Last der Beweisführung bei denen, die in diesem Begriff eine andere Bedeutung als einfach die der menschlichen Sprache sehen.

Der Kontext, auf den sich dieser Vers bezieht, ist die Versammelte Gemeinde in Korinth ( 1Kor 11,2- 1Kor 14,40 bes. 1Kor 14,4-5 ), in der offenbar in Zungen geredet wurde, ohne daß diese Äußerungen gedeutet wurden (vgl. V. 13.19 ). Anscheinend beherrschte keiner der Anwesenden die Sprachen (vgl. V. 10-11 ), die dabei gesprochen wurden, und es besaß auch niemand die Gabe, sie auszulegen. Die Äußerungen blieben deshalb Geheimnisse , Wahrheiten, die einer übernatürlichen Enthüllung bedurft hätten, die Gott den Korinthern in diesem besonderen Fall Versagte. Aus diesem Grund ist das Zungenreden für die Gemeinde als ganze also wertlos, nur der Sprecher selbst hat etwas davon (V. 4 ), und zwar im Geist (vgl. V. 14 ), dem empfindungsfähigen Teil seines Wesens ( pneuma ; vgl. Mt 5,3; Apg 17,16; 2Kor 2,13 ).

 

 

1Kor 14,3

 

Wer dagegen die Gabe der prophetischen Rede besitzt (vgl. 1Kor 12,10 ), spricht in der "Zunge" seiner Zuhörer, in diesem Fall griechisch, und stärkt sie, indem er ihnen Gottes Wort auf eine Art und Weise verkündigt, die ihnen Erbauung ( oikodomEn ), Ermahnung ( paraklEsin ) und Tröstung ( paramythian , nur an dieser Stelle im Neuen Testament) bringt.

 

 

1Kor 14,4

 

Wer aber in "Zungen" spricht (vgl. 1Kor 12,10 ), ohne daß die Gabe der Deutung hinzukommt (vgl. 1Kor 12,10 ), erbaut nur sich selbst , nicht aber die Gemeinde . Seine Erbauung beruht darauf, daß er sich ganz persönlich als Empfänger der göttlichen Gnade erlebt (vgl. 1Kor 12,18.28 ) und zugleich Gott durch seine Gabe loben kann ( 1Kor 14,16 ). Obwohl er selbst ebenfalls nicht Versteht, was er sagt, erfahren seine Gefühle und Empfindungen eine Veränderung, die bis zur Euphorie geht. Das ist an sich nichts Schlechtes. Paulus ist ganz gewiß kein Verfechter eines kalten, nüchternen Gottesdienstes. Doch die Gaben des Geistes sind nicht zur inneren Bereicherung des einzelnen bestimmt, sondern zum Wohl anderer ( 1Kor 12,7; vgl. 1Kor 10,24; 1Pet 4,10 ). Die persönliche Erbauung und Freude sind zwar häufig Nebenprodukte des rechten Gebrauchs einer solchen Gabe, sollen jedoch nicht der Hauptgrund für ihre Ausübung sein.

 

 

1Kor 14,5

 

Paulus will hier keineswegs die Gabe des Zungenredens abwerten; es geht ihm lediglich darum, der Gabe der prophetischen Rede ihre wohlverdiente Hochschätzung zu Verschaffen. Das Zungenreden hat durchaus seinen Platz in der Reihe der Geistesgaben; ja, Paulus ist sogar der Ansicht, daß es gut wäre, wenn es jeder beherrsche. Er sagte dasselbe freilich auch über das Zölibat ( 1Kor 7,7 ), ohne davon auszugehen, daß diese Aussage für alle Menschen in gleicher Weise gilt. In beiden Fällen handelt es sich um Gaben Gottes, die nicht verachtet werden dürfen. Im Rahmen der gottesdienstlichen Versammlung ist jedoch die Gabe der prophetischen Rede und ihre Ausübung weit höher einzuschätzen als ein ungedeutetes Zungenreden, aus dem einfachen Grund, weil sie die Gemeinde erbaut. Wie bereits gesagt: die Gabe der Zungenrede diente der Konsolidierung der Kirche und war daher zeitlich begrenzt (vgl. den Kommentar zu 1Kor 13,8 ). Daher gelten die Anweisungen an die Korinther in bezug auf den Mißbrauch dieser Gabe nicht auch noch heute (vgl. den Kommentar zu 1Kor 14,21-22 ).

 

 

1Kor 14,6

 

Zwei Bilder (in V. 6 und V. 7-9 ) machen das ganz deutlich. Paulus spricht zuerst von sich selbst, wobei er möglicherweise an sein erstes Auftreten in Korinth denkt. Er hätte kommen und seine Botschaft in einer "Zunge" verkündigen können, die seine Zuhörer nicht kannten (vgl. V. 18 ), doch damit hätte er bestenfalls Gleichgültigkeit geerntet (V. 11 ) und schlimmstenfalls Hohn und Spott (V. 23 ) auf sich gezogen. Statt dessen brachte er ihnen durch seine Prophetie ( 1Kor 12,29 ) jedoch eine Offenbarung Gottes (vgl. 1Kor 2,10 ) bzw. durch seine Lehre ( 1Kor 12,29; vgl. 1Kor 14,26 ) eine Erkenntnis (vgl. 1Kor 2,12 ), die sie Verstehen und auf die sie antworten konnten (vgl. V. 24-25 ).

 

 

1Kor 14,7-9

 

Dasselbe gilt für ein Musikinstrument oder einen Schlachtruf. Um anderen zu nützen, müssen die Töne einer Flöte oder ... Harfe oder auch einer Posaune deutlich und Verständlich sein, sonst sind sie nicht mehr als ein Lufthauch, der nicht nur störende(V. 7 ), sondern im Falle eines miß Verständlichen Kampfsignals sogar vernichtende Wirkung haben kann (V. 8 ).

 

 

1Kor 14,10-12

 

Auf denselben Prinzipien beruht auch die Verständigung zwischen Menschen. Der Begriff "Sprache" in Vers 10 ist die Übersetzung des griechischen phOnOn , der Plural des Wortes phOnEn , das in Vers 7 mit dem "Tönen" der Harfe und in Vers 8 mit dem Ruf der Posaune wiedergegeben wurde. Menschliche Laute, die von anderen Menschen nicht Verstanden werden können, sind im Grunde genommen wertlos, wie die Vorliebe der Korinther für ungedeutetes Zungenreden. Das bedeutet nicht, daß Paulus das Interesse der Korinther an den Gaben des Geistes dämpfen will; er ermutigt sie lediglich dazu, vor allem diejenigen Gaben, die dem Wohl aller in der Gemeinde dienen, zu pflegen (V. 12 ; vgl. 1Kor 12,31; 14,1 ).

 

 

1Kor 14,13

 

Gedeutetes Zungenreden dagegen kommt, wie die prophetische Rede, der ganzen Gemeinde zugute (vgl. Apg 19,6 ). Daher sollen die Korinther Gott um die Gabe der Auslegung bitten. Wenn jedoch niemand anwesend ist, der das Zungenreden auslegen kann, soll der Zungenredner lieber schweigen ( 1Kor 14,28 ).

 

 

1Kor 14,14-15

 

So schön und erhebend die Gabe des Zungenredens für den, der sie besitzt, auch sein mag (vgl. V. 4 ) - wenn sie mit der Gabe der Deutung einhergeht, erfährt sie eine entscheidende Aufwertung, weil sie dann nicht nur die Gefühle einer Person, sondern auch ihre geistigen Fähigkeiten in Anspruch nimmt.

 

 

1Kor 14,16-17

 

Die Gabe der Auslegung (V. 15 ) macht also den Beitrag eines Zungenredners zum Gottesdienst - auch für ihn selbst - noch wertvoller. Entscheidend ist allerdings, daß diejenigen, die die Zungenrede hören und ohne Auslegung ja nicht Verstehen können, nicht an seinen Gefühlen teilhaben können. Seine Freude kann allenfalls noch jemand nachfühlen, der dieselbe Gabe besitzt. Ein Christ mit einer anderen Gabe jedoch ist auf Verständliche Kommunikation angewiesen, wenn er etwas von dem Gesagten Verstehen und mit dem "Amen" seine Zustimmung dazu geben will. Ein solches Verständnis aber ist unmöglich, wenn die "Zunge" nicht ausgelegt und der Bruder nicht ebenfalls erbaut wird.

 

 

1Kor 14,18-19

 

Paulus' Anliegen, die Begeisterung der Korinther für die Gabe des Zungenredens für die ganze Gemeinde nutzbar zu machen, ist nicht etwa darauf zurückzuführen, daß ihm die Trauben zu sauer sind. Wenn es um das Zungenreden geht, kann er sie alle in den Schatten stellen. Doch ihm liegt nichts an einer solchen Selbstbestätigung. Er möchte vielmehr den anderen dienen und dadurch Gott verherrlichen (vgl. 1Kor 10,31-33 ). Aus diesem Grund macht er vor der Versammelten Gemeinde nicht von der Gabe des Zungenredens Gebrauch, sondern lieber von der Gabe der prophetischen Rede ( 1Kor 14,6 ). Das entspricht dem Willen Gottes. Wie aber paßt das Zungenreden dann in den Plan Gottes? Darauf kommt der Apostel als nächstes zu sprechen.

 

 

1Kor 14,20

 

Die Vorliebe der Korinther für die Zungenrede ist für Paulus ein weiterer Beweis für ihre Unreife und weltliche Gesinnung (vgl. 1Kor 3,1-3 ). Er hofft jedoch, daß sich das vor allem zugunsten einer höheren Bewertung der Gabe der prophetischen Rede ändern wird und daß die Gemeinde die Bedeutung dieser Gabe für die gottesdienstliche Versammlung erkennt. Die Schlußworte des Apostels, die noch einmal eine Gegenüberstellung der Zungenrede und der prophetischen Rede enthalten ( 1Kor 14,21-25 ), sollen seine Ermahnung, die in Vers 1 begann, abschließen.

 

 

1Kor 14,21-22

 

Die Zusammenfassung in Vers 21-25 beginnt mit einem Zitat aus der Prophezeiung Jesajas für Israel ( Jes 28,11-12 ). Weil Israel es ablehnte, die Botschaft Gottes, die er durch seine Propheten verkündigte, zu hören , sagte Jesaja voraus, daß eine andere Botschaft kommen werde. Sie sollte in einer fremden "Zunge", die die Israeliten zwar nicht Verstehen würden, die aber dennoch unzweideutig sein würde, verkündigt werden (vgl. 2Kö 17,23 ). Diese fremde "Zunge" war einSymbol für die Ablehnung Gottes (vgl. 5Mo 28,49; Jes 33,19 ), für seine Strafe, weil die Israeliten sich immer wieder gegen ihn auflehnten (vgl. 2Kö 17,14; Apg 7,51 ). Anstelle von Israel sollten nun Fremde für eine Zeitlang Gottes Knechte werden (vgl. Jes 5,26; Hab 1,6; Mt 21,43; Röm 10,19-21 ).

So scheint Paulus auch die Zungenrede in der Zeit des 1. Jahrhunderts Verstanden zu haben. Ihr Platz ist also weniger die Gemeinschaft der Gläubigen als der Ungläubigen (vgl. Mt 13,10-15 zu Gleichnissen). Ungedeutetes Zungenreden hat durchaus seinen Platz, doch nicht in der Gemeinde, wo die prophetische Rede die Gläubigen aufbauen soll ( 1Kor 14,3 ).

 

 

1Kor 14,23-25

 

Außerdem werden Unkundige ( idiOtai , die an den Gottesdiensten teilnehmen, aber noch nicht glauben) und andere Ungläubige (apistoi ), die sich die Botschaft des Evangeliums zwar anhören, aber noch nicht glauben (im Gegensatz zu denen in V. 21-22 , die sie bereits abgelehnt haben), das Benehmen der Zungenredner höchst lächerlich finden. "Würden sie nicht sagen, ihr seid von Sinnen?" Das aber wäre, so argumentiert Paulus, mit Sicherheit nicht von Vorteil für die Sache Christi in Korinth. Die prophetische Rede dagegen kommt nicht nur den Gläubigen zugute (V. 3 ), sondern auch den Ungläubigen. Statt einer chaotischen Situation sehen sie sich einer konzentrierten Versammlung gegenüber, in der sie überzeugt (vgl. Joh 16,8 ) und beurteilt ( 1Kor 2,15 ) werden und sich innerlich öffnen ( "was in seinem Herzen ist, würde offenbar" ) und schließlich zur Anbetung Gottes finden.

 

 

1Kor 14,26

 

(4) Der rechte Gebrauch der Gaben des Geistes ( 1Kor 14,26-40 )

 

In diesem Abschnitt zieht Paulus Schlußfolgerungen aus seinen vorangehenden Ausführungen ( 1Kor 12-14 ). Damit schließt sich gleichzeitig der große Themenkomplex über die christliche Freiheit im Gottesdienst ( 1Kor 11,2-14,40 ). Für den modernen Leser ist vor allem das offensichtliche Fehlen jeglicher festgelegter Gottesdienstordnung und jeglichen Hinweises auf Einzelpersonen, die für bestimmte Aufgaben zuständig sind, überraschend und interessant. In der frühen Christenheit scheint die gesamte Gemeinde ihre Geistesgaben spontan im Dienst aneinander eingebracht zu haben.

 

Wie er es im ganzen Brief immer wieder getan hat, spricht Paulus auch hier die christliche Gemeinde in Korinth als Brüder an, ein Begriff, der beide Geschlechter umfaßt (z. B. 1Kor 1,10; vgl. 1Pet 5,9 ). Wenn die Gemeinde sich trifft, kann jeder ganz nach Belieben mit einem Psalm oder einer Lehre (vgl. 1Kor 14,6 ,wahrscheinlich eine Lehre, die auf einer Aussage des Alten Testamentes beruhte), einer Zungenrede oder einer Auslegung dieser Rede zum Gottesdienst beitragen. In allem sollen die Versammelten sich jedoch von der Liebe leiten lassen. Alles, was gesagt und getan wird, soll dazu dienen, die anderen zu erbauen ( pros oikodomEn ; vgl. V. 4-5 ).

 

 

1Kor 14,27-28

 

Obwohl es keine bestimmte Gottesdienstordnung gibt, soll das Treffen in geordneten Bahnen verlaufen (V. 40 ). Alle Mitglieder mit ihren unterschiedlichen Gaben sollen etwas dazu beitragen können. Auch die Zungenredner dürfen ihre Gabe ausüben, allerdings in jedem Gottesdienst nur zwei oder höchstens drei und auch sie nur dann, wenn jemand, der die Gabe der Auslegung besitzt und das Gehörte übersetzen kann, anwesend ist. Wenn kein Ausleger da ist , sollen die Zungenredner schweigen . Doch auch wenn ihre Äußerungen für die Gemeinde keinen Nutzen haben, weil sie nicht ausgelegt werden, so sind sie doch in einem anderen Sinn wertvoll (vgl. V. 4.14-15.22 ).

 

 

1Kor 14,29

 

Die Anweisungen für diejenigen, die die Gabe der prophetischen Rede ausüben, unterscheiden sich nicht von denen für die Zungenredner. Auch hier sollen nur zwei oder drei Propheten in einem Gottesdienst reden , und danach soll die Gemeinde sorgfältig über das Gesagte urteilen . Da sie griechisch sprechen, können die andern Gemeindemitglieder sie Verstehen und ihre Botschaften bewerten. Möglicherweise sind mit den "andern" auch die gemeint, die die Gabe besitzen, zwischen den Geistern zu unterscheiden. Das hier mit "Urteilen" wiedergegebene griechische Verb diakrinetOsan ist mit dem Substantiv diakriseis in 1Kor 12,10 ,der "Unterscheidung zwischen den Geistern", verwandt. Die Gemeinde muß also entscheiden, ob die Botschaft, die sie gehört hat, tatsächlich von Gott kommt (vgl. 1Joh 4,1 ).

 

1Kor 14,30

 

Ein Prophet kann, vielleicht in einer Vision oder in einem Traum, bereits vor der Versammlung eine Offenbarung gehabt haben, die er seinen Brüdern dann im Gottesdienst vorlegt. Es ist aber auch möglich, daß er sie während des Gottesdienstes hat. In diesem Fall soll der, der gerade spricht, zu reden aufhören und den anderen zu Wort kommen lassen. - Was immer man den korinthischen Gottesdiensten auch vorwerfen mag, langweilig waren sie mit Sicherheit nicht.

 

 

1Kor 14,31

 

Auch für die Propheten gilt also das Prinzip, das Paulus den Zungenrednern ans Herz gelegt hat. Was sie sagen, soll dem Wohl eines jeden dienen, indem es alle belehrt oder sie zu einem christlichen Leben ermutigt (vgl. V. 3 ).

 

 

1Kor 14,32-33 a

 

Paulus ist anscheinend nicht der Ansicht, daß die Propheten in Korinth sich besser betragen haben als ihre Brüder, die Zungenredner, daher gibt er auch ihnen ähnliche Anweisungen (V. 28 ). Die Geister beziehen sich auf ihre geistliche Gabe, der sie sich nicht unterwerfen, sondern über die sie die Oberhand behalten sollen (vgl. V. 30 ). Wenn in einem Gottesdienst zwei oder drei Propheten sprechen, können andere mit derselben Gabe es bei der nächsten Gelegenheit tun. Die Kirche ist nicht ein Forum zur Selbstverherrlichung; sie ist ein Ort, an dem Gott geehrt und die Menschen erbaut werden sollen (vgl. 1Kor 10,31-33 ). Der Gottesdienst und die, die daran teilnehmen, sollen das Wesen Gottes widerspiegeln. Er ist ein Gott ... des Friedens, nicht der Unordnung , und sein Geist wirkt, um in allen dieselbe Frucht ( Gal 5,22 ) hervorzubringen.

 

 

1Kor 14,33-36

 

Anscheinend hielten die ersten Kopisten des Briefes manche Verse dieses Abschnitts (V. 34-35 ) an dieser Stelle für unangebracht und setzten sie daher an den Schluß des Briefes. Radikaler gehen einige moderne Exegeten vor, die sie überhaupt für nicht authentisch paulinisch und eines jeglichen Kommentars für unwürdig halten. Die genaue Bedeutung des Abschnitts ist in der Tat sehr schwer herauszuarbeiten. Die Äußerung über die Frauen scheint denselben Anlaß zu haben wie die Anweisungen für die Zungenredner und Propheten. Die Gemeindemitglieder sollen ein bißchen Selbstdisziplin zeigen - z. B. indem sie schweigen (V. 28.30.34 ) -, damit Friede in der Gemeinde herrscht.

Diese Erinnerung betrifft offensichtlich einige ganz bestimmte Frauen in Korinth, die es an mehr als nur an der Kopfbedeckung haben fehlen lassen ( 1Kor 11,2-6 ). Auch um dieses Problem will Paulus sich nicht drücken.

Ob die Aufforderung, im Gottesdienst zu schweigen, allen Frauen (vgl. 1Kor 11,2-16 ) oder nur den verheirateten gilt, ist umstritten. Das mit "Frauen" übersetzte griechische Wort gynaikes bezieht sich sowohl auf die Frauen ganz allgemein (wie an allen 15 Stellen in 1Kor 11,3-15 ) wie auch auf unverheiratete (z. B. 1Kor 7,34 ) und verheiratete Frauen (z. B. 1Kor 5,1; 1Kor 9,5 und alle 14 Stellen in 1Kor 7 bis auf eine Ausnahme; 1Kor 7,34 ). Wer jeweils angesprochen ist, kann nur aus dem Kontext erschlossen werden.

Es gibt jedoch zwei Anzeichen, die darauf hindeuten, daß Paulus sich hier an verheiratete Frauen wendet. Das erste ist das Wort "unterordnen" ( hypotassesthOsan ; V. 34 ). An anderer Stelle im Neuen Testament bezieht es sich stets auf verheiratete Frauen, die sich ihrem Ehemann unterordnen sollen ( Eph 5,22; Kol 3,18; Tit 2,5; 1Pet 3,1.5 ).

Das zweite ist der Ausdruck "ihre Männer" ( 1Kor 14,35 ), an die sich die wissensdurstigen Frauen wenden sollen, wenn sie etwas wissen wollen. Diese Forderung ist für Ledige (z. B. 1Kor 7,34 ) oder für Frauen, die nicht mit einem Christen verheiratet sind (z. B. 1Kor 7,13 ), wohl irrelevant.

Als Parallele zu dieser Passage wird häufig 1Tim 2,11-15 zitiert, wo die Frauen ebenfalls aufgefordert werden, im Gottesdienst zu schweigen. Doch auch dort denkt der Verfasser wahrscheinlich an verheiratete Frauen, da Vers 15 sich nicht auf eine Ledige beziehen kann. Auch Eva wird, wenn sie im Alten Testament genannt wird, stets in ihrer Funktion als Ehefrau von Adam angeführt ( 1Mo 3,20; vgl. 2Kor 11,2-3 ,die einzige neutestamentliche Textstelle außer 1Tim 2,13-14 ,in der Eva erwähnt wird), dem sie sich unterwerfen soll ( 1Mo 3,16 ,hierauf bezieht Paulus sich wahrscheinlich in 1Kor 14,34 ). Außerdem bedeutet das Substantiv hEsychia in 1Tim 2,11 - 12 wahrscheinlich "Ruhe, das Fehlen von Unordnung", wohingegen das Verb sigaO in 1Kor 14,28.34 "schweigen" bedeutet. (Vgl. den Kommentar zu 1Tim 2,11-14 und 2Thes 3,12 .)

Paulus verlangt also von den verheirateten Frauen, deren Ehemänner ebenfalls am Gottesdienst teilnehmen, zu schweigen. Die übrigen Frauen dagegen dürfen, wenn sie angemessen gekleidet sind ( 1Kor 11,2-16 ), aktiv an der Feier teilnehmen. Das Schweigen der verheirateten Frauen ist ein Zeichen für ihre Unterordnung (nicht ihrer Minderwertigkeit) unter ihren Mann. Der Gegensatz dazu ist die Störung, die eintritt, wenn sie während des Gottesdienstes mit ihrem Mann sprechen.

Die korinthischen Gläubigen sollen sich nicht für besondere, unabhängige Ausleger oder Empfänger des Wortes Gottes halten ( 1Kor 14,36 ), sondern sich, wie es in allen Gemeinden der Heiligen üblich ist (V. 33 b), der Wahrheit Gottes unterwerfen, indem sie sich den normativen Verhaltensmaßstäben anpassen.

 

 

1Kor 14,37-40

 

Diese Verse bilden nicht nur den Abschluß der unmittelbar vorhergehenden Anweisungen (V. 33 b. 34-36 ), sondern der gesamten Erörterung über die Verirrungen der Korinther in bezug auf den Gottesdienst und die Korrekturen, die sie nötig haben ( 1Kor 11,2-14,36 ). Paulus rechnet anscheinend mit Widerstand (vgl. 1Kor 11,16; 14,36 ), denn er warnt seine Leser, daß alle, die sich ihm widersetzen, es auf eigene Gefahr tun (vgl. 1Kor 4,18-21 ). Jeder, der die Gebote des Herrn nicht anerkennt, wird selbst beim Jüngsten Gericht nicht anerkannt werden (vgl. 1Kor 3,17; 1Mo 9,6; Mt 10,32-33 ). Seine Werke werden zeigen, daß er den Herrn nicht kennt (vgl. 1Kor 8,3; Mt 7,22-23; 1Joh 4,6 ).

Die endgültige Schlußfolgerung des Apostels lautet, daß die Korinther den Gaben, die der Gemeinde als ganzer am besten dienen ( 1Kor 12,31; 1Kor 14,1 ), am meisten Aufmerksamkeit schenken sollen, ohne jedoch die anderen gering zu achten. Ihr Gottesdienst soll ehrbar (vgl. 1Kor 11,2-16; 14,34-36 ) und ordentlich (vgl. 1Kor 11,17-34; 14,26-33 ) vonstatten gehen.