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1. Johannes Brief 02
Walvoord Zane C. Hodges
1Joh 2,1
Vielleicht fühlten sich manche von Johannes' Lesern durch sein Insistieren auf
der Sündhaftigkeit der Christen in ihrem Bemühen um Heiligung entmutigt. Dabei
geht es dem Apostel genau um das Gegenteil: Meine Kinder, dies schreibe ich
euch, damit ihr nicht sündigt. Er spricht sie mit väterlicher Sorge an (das
griechische Wort für "Kinder" an dieser Stelle ist teknia , wörtlich
"Neugeborene", ein Begriff, der in diesem Brief siebenmal vorkommt [V. 1.12.28 ;
1Joh 3,7.18;4,4;5,21 ] und einmal im Johannesevangelium [ Joh 13,33 ]. Das ganz
ähnliche Wort tekna, "Kleinkinder", taucht in Joh 1,12;11,52; 1Joh 3,2.10
[zweimal]; 1Joh 5,2; 2Joh 1,1.4.13; 3Joh 1,4 auf. Dagegen wird das Wort paidia ,
"Kinder", nur zweimal im 1. Johannesbrief verwendet: 1Joh 2,13.18 ).
Die Aussagen in 1Joh 1,8.10 über die Neigung der Gläubigen zur Sünde sind nicht
dazu gedacht, die Sünde zu fördern, sondern die Wachsamkeit der Christen zu
wecken. Wenn ein Gläubiger so selbstsichere Behauptungen aufstellt, wird er
höchstwahrscheinlich nicht in der Lage sein, die Sünde zu erkennen und ihr zu
widerstehen. Doch die Sünde bleibt eine Realität, wie sehr Johannes auch
wünscht, daß seine Leser ihr nicht mehr verfallen sind. Deshalb versichert er
ihnen: Wenn jemand sündigt, so haben wir einen Fürsprecher bei dem Vater, Jesus
Christus, der gerecht ist. Der Apostel will nicht, daß seine Leser sündigen,
aber er weiß genau, daß keiner von ihnen vollkommen ist und daß sie alle der
Hilfe ihres Fürsprechers bedürfen.
Das Wort "Fürsprecher" ist die Übersetzung des griechischen paraklEton .
Johannes ist der einzige im Neuen Testament, der diesen Begriff für den Heiligen
Geist verwendet (viermal im Johannesevangelium: Joh 14,16.26;15,26;16,7; im
Luthertext steht an diesen Stellen jeweils das Wort "Tröster"). Im 1Joh 2,1
steht hinter diesem Begriff der Gedanke eines Verteidigers, der seinen Klienten
vor Gericht vertritt. Die Art und Weise, wie Jesus seine sündigen Kinder vor
Gott verteidigt, wird wunderbar deutlich an seinem Gebet für Petrus ( Lk
22,31-32 ). Jesus wußte bereits um die bevorstehende Leugnung des Jüngers und
bat den Vater darum, seinen Glauben zu bewahren. Er dachte dabei auch an das
künftige Wirken des Petrus für seine christlichen Brüder. Es gibt keinen
Anhaltspunkt für die Annahme, daß Christus Gott um Gnade für einen Sünder bitten
muß, der wegen seiner Sünden verdammt wäre. Denjenigen, die Jesus vertrauen, ist
das ewige Leben sicher ( Joh 3,16; 5,24 usw.). Doch die Folgen des Versagens
eines Gläubigen, seine Wiederherstellung und seine künftige Brauchbarkeit sind
Gegenstand der Verhandlungen zwischen Jesus und Gott, die geführt werden, wenn
ein Mensch gesündigt hat. Jesu eigenes Gerechtsein (er ist "gerecht"; vgl. 1Joh
1,9 ,"Gott ist gerecht") prädestiniert ihn in einzigartiger Weise für seine
Rolle als "Fürsprecher" für einen Christen, der gesündigt hat.
1Joh 2,2
Wenn Gott einem Gläubigen, der gesündigt hat, Barmherzigkeit erweist und ihn die
Folgen seiner Sünde nicht in ihrem vollen Ausmaß tragen läßt, so ist das nicht
das Verdienst des Gläubigen. Die Gnade, die ihm durch die Fürsprache Christi
zuteil wird, ist vielmehr wie die gesamte göttliche Gnade auf Christi
endgültiges Opfer am Kreuz zurückzuführen. Wer auch immer sich fragt, wie er
sich Gottes Gnade erwerben kann, nachdem er gefehlt hat, der findet in diesem
Vers die Antwort. Die von Jesus Christus bei Gott erwirkte Versöhnung ist so
vollständig, daß sie sich nicht nur auf die Sünden der Christen erstreckt,
sondern auch für die der ganzen Welt gilt. Damit bestätigt Johannes, daß
Christus wirklich für alle Menschen gestorben ist (vgl. 2Kor 5,14-15.19; Hebr
2,9 ). Das heißt natürlich nicht, daß auch alle Menschen gerettet werden,
sondern nur, daß jeder, der das Evangelium hört, erlöst werden kann , wenn er es
möchte ( Offb 22,17 ). In diesem Kontext geht es Johannes jedoch vor allem
darum, seinen Lesern die Unermeßlichkeit des Sühnopfers Christi vor Augen zu
führen, um ihnen klarzumachen, daß seine Fürsprache als der "Gerechte" ganz in
Einklang mit Gottes Heiligkeit steht.
In neuerer Zeit gab es verschiedene Kontroversen unter den Gelehrten über das
griechische Wort hilasmos , das hier mit "Versöhnung" übersetzt ist (es taucht
im Neuen Testament nur an dieser Stelle und in 1Joh 4,10 auf). Nach Ansicht
mancher Forscher drückt der Begriff nicht die Beschwichtigung von Gottes Zorn
gegen die Sünde aus, sondern die "Sühne" oder "Reinigung" der Sünde selbst. Die
linguistischen Belege für diese Deutung sind jedoch nicht überzeugend. Eine
ausgezeichnete Erörterung und Zurückweisung dieser These findet sich bei Leon
Morris ( The Apostolic Preaching of the Cross ; Grand Rapids 1965, S. 125 -
185).
Der Zorn Gottes gegen die Sünde ist für den modernen Menschen vielleicht nicht
mehr so nachvollziehbar, doch der Gedanke dieses Zorns ist zutiefst biblisch.
Hilasmos könnte auch mit "Sühnopfer" wiedergegeben werden (vgl. das Substantiv
hilastErion , "Sühne", in Röm 3,25 ,und das Verb hilaskomai , "sühnen", Hebr
2,17 ). In der Tat hat das Kreuz Gott versöhnt (ihm Genugtuung gegeben) und
seine gerechten Forderungen so grundlegenderfüllt, daß seine Gnade und
Barmherzigkeit nun allen Geretteten und Ungeretteten gleichermaßen in
überreichem Maße zur Verfügung steht.
B. Grundgedanken der Gotteserkenntnis
( 2,3 - 11 )
Der Übergang (V. 3 ) zum Thema der Gotteserkenntnis mag auf den ersten Blick
abrupter erscheinen, als er in Wirklichkeit ist. Im Denken der Antike enthielt
der Begriff des "Lichtes" zugleich auch die Vorstellung von "Vision, Wahrnehmung
oder Erkenntnis". Es erscheint ganz logisch, daß ein Leben der Gemeinschaft mit
Gott im Licht auch zur Gotteserkenntnis führen muß. Natürlich kennen alle wahren
Christen Gott in einem gewissen Sinn ( Joh 17,3 ), doch manchmal kann man selbst
von echten Gläubigen sagen, daß sie nichts von Gott oder Christus wissen ( Joh
14,7-9 ). Darüber hinaus hat Jesus seinen Jüngern verheißen, daß er sich ihnen
in ganz besonderer Weise offenbaren würde, wenn sie seine Gebote halten ( Joh
14,21-23 ). Eine solche Erfahrung schließt notwendigerweise Gotteserkenntnis mit
ein. Schließlich führt Gemeinschaft immer auch zum Kennenlernen dessen, mit dem
man diese Gemeinschaft hat. Das gilt selbst im Bereich der menschlichen
Erfahrung. Wenn ein Vater und ein Sohn getrennt voneinander leben, werden sie
sich nicht so gut kennen wie wenn sie zusammenleben, auch wenn sich ihre
Eltern-Kind-Beziehung dadurch nicht ändert.
Es wäre deshalb falsch, 1Joh 2,3-11 so zu lesen, als habe der Apostel das Thema
der Gemeinschaft mit Gott nun abgeschlossen. Die Auseinandersetzung mit der
Gotteserkenntnis ist vielmehr die natürliche Fortsetzung dieses Themas.
1Joh 2,3
Für diejenigen unter seinen Lesern, die feststellen möchten, ob ihre Erfahrung
der Gemeinschaft mit Gott sie zu einer wirklichen, persönlichen Gotteserkenntnis
geführt hat, nennt Johannes einen einfachen Test: Daran merken wir, daß wir ihn
kennen, wenn wir seine Gebote halten. Das Verb ginOskO (für "merken" und
"kennen"), das in diesem Vers zweimal vorkommt, taucht im 1. Johannesbrief
insgesamt dreiundzwanzigmal auf. (Sein Synonym oida kommt sechsmal vor: 1Joh
3,2;5,15.18-20 [zweimal].) Wie meist bei Johannes kann sich das Pronomen "ihn"
entweder auf Gott oder auf Christus beziehen. Für den Apostel ist Jesus so eng
mit dem Vater verbunden, daß er es manchmal für unnötig hält, genau zwischen den
beiden Personen der Gottheit zu unterscheiden. Die Gemeinschaft der Christen
gilt dem Vater wie dem Sohn ( 1Joh 1,3 ), und die vertraute Kenntnis des einen
schließt die des anderen mit ein. Die Vorbedingung einer solchen Erkenntnis aber
ist Gehorsam (vgl. Joh 14,21-23 ). Er ist auch das Mittel, durch das ein Christ
merkt, ob er seinen Gott wirklich "kennengelernt" hat (vgl. "seine Gebote
halten" in 1Joh 3,22.24;5,2-3 ).
1Joh 2,4
Daraus folgt zwingend, daß jemand, der sagt: Ich kenne ihn, und hält seine
Gebote nicht, ... ein Lügner ist. Wie in 1Joh 1,6 kann sich jemand eine
Gemeinschaft mit Gott anmaßen, die, wie sein Leben beweist, gar nicht existiert.
Johannes scheute sich nicht, diese Anmaßung beim Namen zu nennen: Sie ist eine
Lüge. Von einem solchen Menschen kann man genauso sagen: In dem ist die Wahrheit
nicht . Hinter dieser Äußerung steht derselbe Gedanke wie hinter den Äußerungen
zu falschen Behauptungen in 1Joh 1,6.8.10 .In solchen Menschen wirkt die
Wahrheit nicht als dynamische, steuernde Kraft. Sie haben den Kontakt mit der
geistlichen Realität verloren.
1Joh 2,5-6
Der Gehorsam gegenüber Gottes Wort ("seine Gebote", V. 3 ) dagegen führt zu
einer reichen und vollen Erfahrung der göttlichen Liebe: Wer aber sein Wort
hält, in dem ist wahrlich die Liebe Gottes vollkommen . Der griechische Ausdruck
für "Liebe Gottes" kann entweder die Liebe Gottes zu den Christen oder die Liebe
der Christen zu Gott bezeichnen. Vor allem im Lichte von Joh 14,21-23 ist jedoch
wohl die erste Deutung vorzuziehen. In der betreffenden Passage wird einem
gehorsamen Jünger verheißen, daß er in ganz besonderer Weise die Liebe des
Vaters und des Sohnes an sich spüren wird. Da der Christ schon der Gegenstand
der erlösenden Liebe Gottes ist, kann man wohl mit Recht sagen, daß diese
zusätzliche, im Erleben des einzelnen begründete Realisierung der göttlichen
Zuwendung die Liebe Gottes in ihm vollkommen macht (vgl. 1Joh 4,12.17 ). Ein
gehorsamer Gläubiger kennt die Liebe Gottes also in vollem, überreichem Maße.
Weil Gott die Liebe ist ( 1Joh 4,16 ), ist Gotteserkenntnis gleichbedeutend mit
der vertrauten Kenntnis seiner Liebe.
Johannes fügt hinzu: Daran erkennen wir, daß wir in ihm sind. Wer sagt, daß er
in ihm bleibt, der soll auch leben, wie er gelebt hat . In dieser Aussage
gebraucht Johannes zwei weitere Ausdrücke ("in ihm sein" und "in ihm bleiben"),
die seinen Gedankengang fortführen. Wie bei der Verknüpfung von Gehorsam und
Gotteserkenntnis geht er auch hier von Themen aus den Abschiedsreden Jesu ( Joh
13-16 ) aus, insbesondere vom Gleichnis des Weinstocks ( Joh 15,1-8 ). Das
Verhältnis des Weinstockes zu den Reben ist ein Bild für die Erfahrung der
Jüngerschaft. Jesus sagte: "Darin wird mein Vater verherrlicht, daß ihr viel
Frucht bringt und werdet meine Jünger" ( Joh 15,8 ). In 1Joh 2,5-6 geht es
ebenfalls um die Nachfolge, wie der Hinweis auf die Nachahmung Christi in Vers 6
zeigt. Außerdem ist das griechische Wort für "bleiben", menO , dasselbe wie in
Joh 15,4 .
Es wäre ein Mißverständnis, den Gedanken des "In-ihm"-Seins, wie Johannes ihn
hier gebraucht, mit dem paulinischen Konzept des "In-Christus"-Seins
gleichzusetzen. Für Paulus ist die Wendung "in Christus" ein Bild für die
bevorrechtigte Stellung, die diejenigen, die an den Sohn Gottes glauben, für
immer innehaben. Das Bild des Weinstocks dagegen, das Johannes gebraucht,
beschreibt eine Erfahrung, die sehr viel weniger Beständigkeit hat und durchaus
wieder verloren werden kann, was dann auch zum Verlust der Gemeinschaft und der
Fruchtbarkeit führt. Der Beweis dafür, daß ein Mensch diese besondere Erfahrung
macht, läßt sich laut 1. Johannesbrief nur in einem Leben finden, das dem Leben
Jesu im Gehorsam gegen sein Wort nachgebildet ist. Zusammenfassend kann man also
sagen, daß die Verse 2,5-6 wiederum von der Gemeinschaft des Gläubigen mit Gott
handeln.
1Joh 2,7
Die Verse 3-6 haben den Aspekt des Gehorsams, der sicherlich auch in 1Joh 1,5-10
implizit bereits angesprochen war, in den Mittelpunkt gestellt. Die
Dringlichkeit, mit der Johannes darauf beharrt, daß man die Gebote Gottes
erfüllen muß, um festzustellen, ob man ihn wirklich kennt, führt jedoch ganz
natürlich zu der Frage: An welche Gebote denkt Johannes dabei? Diese Frage wird
im vorliegenden Vers beantwortet. Der Apostel spricht hier nicht von einer neuen
Verpflichtung, von der seine Leser noch nie etwas gehört haben. Das Gebot , das
er vor allen andern im Sinn hat, ist vielmehr das alte Gebot, das ihr von Anfang
an gehabt habt (vgl. 2Joh 1,5 ). Zweifellos bezog sich Johannes damit auf das
Liebesgebot (vgl. 1Joh 2,9-11 ). Er unterstreicht seine Aussage durch den
Zusatz: Das alte Gebot ist das Wort ( logos ; vgl. 1Joh 1,5;3,11 ), das ihr
gehört habt (die Mehrheit der Handschriften fügen hier nochmals "von Anfang an"
ein). Welchen Neuerungen sich die Leser auch angesichts der Lehren der
Antichristen gegenübergesehen haben mögen, ihre eigentliche Verpflichtung galt
einem Gebot, das sie kannten, seit sie Christen geworden waren (vgl. "gehört"
und "von Anfang an" in 1Joh 1,1;2,24;3,11 ).
Die liebevolle Sorge des Apostels für die Gläubigen zeigt sich an der Anrede
agapEtoi , wörtlich "Geliebte", hier mit "meine Lieben" übersetzt. Dasselbe Wort
gebraucht er auch in 1Joh 3,2.21;4,1.7.11 und in der Abwandlung agapEte ("mein
Lieber") in 3Joh 1,2.5.11 .
1Joh 2,8
Doch Jesus hatte dieses Gebot "neu" genannt ( Joh 13,34 ), und Johannes weist
hier darauf hin, daß es nichts von seiner Aktualität verloren hat. Es ist noch
immer ein wirklich neues Gebot, das wahr ist in ihm und in euch . Letzteres
bedeutet wahrscheinlich, daß das Liebesgebot zuerst in Jesus selbst und dann in
denen, die ihm nachfolgten, zur Verwirklichung kam. Der nächste Satz - denn die
Finsternis vergeht, und das wahre Licht scheint jetzt - muß wohl auf die Aussage
zurückbezogen werden, daß hier trotz allem etwas qualitativ Neues gesagt bzw.
geschrieben wird. Johannes meint damit, daß das Liebesgebot (nach dem Jesus und
seine Jünger leben) in das neue Zeitalter der Gerechtigkeit gehört, das nun
allmählich heraufzieht, nicht zum alten Zeitalter der Finsternis, das vergangen
ist. Die Menschwerdung Christi hat ein Licht in die Welt gebracht, das nie mehr
ausgelöscht werden kann. Die Liebe, die er gezeigt und seine Jünger gelehrt hat,
weist voraus auf das kommende Zeitalter. Die Finsternis der gegenwärtigen Welt
und all ihr Haß müssen eines Tages für immer verschwinden (vgl. 1Joh 2,17 a).
Damit verleiht der Apostel den Begriffen "Licht" und "Finsternis" eine
Bedeutung, die sich von der Bedeutung, die diese Begriffe in Kapitel 1 hatten,
unterscheidet. Dort wurde das "Licht" im Sinne eines fundamentalen Attributes
Gottes definiert ( 1Joh 1,5 ). Nach diesem Verständnis hat das Licht geleuchtet,
solange es eine Offenbarung Gottes für die Menschen gab. Doch hier sagt
Johannes, daß das Licht mit der Menschwerdung in die Welt kam. Das neue
Zeitalter zieht herauf. Es ist bestimmt von einer ganz besonderen Offenbarung,
die Gott den Menschen in seinem Sohn geschenkt hat. Diese Offenbarung ist vor
allem anderen eine Offenbarung der göttlichen Liebe.
1Joh 2,9
Aus dem zuvor Gesagten folgt: Wer sagt, er sei im Licht, und haßt seinen Bruder,
der ist noch in der Finsternis. Diese Warnung richtet sich, wie die Wendung
"seinen Bruder" zeigt, ganz eindeutig an die Christen. Ein Mensch, der nicht
erlöst ist, kann höchstens seinen leiblichen Bruder hassen, niemals seinen
"geistlichen", da er überhaupt keine geistliche Verwandtschaft kennt. Wenn
Johannes gedacht hätte, daß kein Christ einen anderen Christen hassen könnte, so
wäre es nicht nötig gewesen, das Verhältnis, in dem sie zueinander stehen, mit
dem Wort "seinen" zu kennzeichnen. Eine solche Auffassung, die manche
tatsächlich vertreten, ist jedoch naiv und steht sowohl im Gegensatz zur Bibel
als auch zur menschlichen Erfahrung. Selbst ein so großer Mann wie König David
lud einen Mord - den äußersten Ausdruck von Haß - auf sich. Johannes warnt seine
Leser also vor einer geistigen Bedrohung, die nur allzu real ist (vgl. 1Joh
1,8.10 ). Er stellt in diesem Zusammenhang fest, daß ein Christ, der seinen
Glaubensbruder hassen kann, der Finsternis dieses vergehenden Zeitalters noch
nicht wirklich entronnen ist. Anders gesagt: Ein solcher Christ muß noch viel
über Gott lernen und kann keinesfalls von sich behaupten, daß er Christus
wirklich kenne, denn wenn dies der Fall wäre, so würde er seinen Bruder lieben.
1Joh 2,10-11
Wer dagegen seinen Bruder liebt, der bleibt im Licht des neuen Zeitalters, das
mit Christus angebrochen ist (vgl. V. 8 ). Durch ihn (einen Menschen, der seinen
Bruder liebt) kommt niemand zu Fall. Haß und Abneigung sind eine Art innere
Stolpersteine, über die andere geistlich stürzen können. Wer seinen Bruder
liebt, trägt statt dessen dazu bei, daß die schlimmen Folgen des Hasses
vermieden werden.
Ganz anders jemand, der seinen Bruder haßt. Ein solcher Mensch wandelt in der
Finsternis und weiß nicht, wo er hingeht; denn die Finsternis hat seine Augen
verblendet (vgl. V. 9 ). Ein Christ, dessen Herz von Haß gegen einen
Glaubensbruder erfüllt ist, hat die Richtung verloren. Wie ein Mann, der ziellos
im Dunkeln herumirrt, ist er großen Gefahren ausgesetzt.
III. Der Zweck des Briefes
( 2,12 - 27 )
In seinem Prolog hatte Johannes das allgemeine Ziel seines Briefes bereits
abgesteckt. An dieser Stelle teilt er seinen Lesern nun mit, welche besonderen
Anliegen ihn zum Schreiben veranlaßten.
A. Im Lichte der geistlichen Verfassung der Leser
( 1Joh 2,12-14 )
Nach den Warnungen des Apostels ( 1Joh 1,5-2,11 ) mochten seine Leser vielleicht
denken, daß er grundlegend unzufrieden mit ihrem Glaubensleben sei. Doch diese
Vermutung traf nicht zu. Johannes versichert ihnen im Gegenteil, daß es gerade
ihre geistlichen Vorzüge sind, die ihn zu seinem Brief bewogen haben.
1Joh 2,12-13 a
In seiner Erörterung dieser Vorzüge spricht er seine Leser einmal als liebe
Kinder , dann als Väter und schließlich als junge Männer an. Manche Ausleger
vermuten, daß Johannes seine Leserschaft hier nach chronologischen Altersgruppen
unterteile. Andere meinen, daß damit ihre unterschiedliche geistliche Reife
gemeint sei. Beide Deutungen erklären jedoch nicht, weshalb der Begriff "Väter"
in der Mitte der Abfolge genannt wird. Darüber hinaus bezeichnet Johannes an
anderer Stelle alle seine Leser als "Kinder" (V. 1.28 ; 1Joh 3,7.18;5,21 ). Es
scheint daher am plausibelsten (wie auch C. H. Dodd und I. H. Marshall
vorschlagen), die Anrede jedesmal auf die gesamte Leserschaft zu beziehen. In
diesem Fall geben die verschiedenen genannten Kategorien die verschiedenen
Erfahrungen wieder, mit denen die Christen in Verbindung gebracht werden.
Als "Kinder" hatten die Leser die Vergebung erlebt, die ihr himmlischer Vater
für die Seinen bereithält. Als "Väter" hatten sie eine Erfahrung gemacht, die
bis in die Ewigkeit zurückreicht, denn sie kennen den, der von Anfang an ist .
Auf dem Hintergrund von 1Joh 2,3-6 heißt das, daß sie wirkliche Gemeinschaft mit
Gott erfahren haben. (Auch hier kann sich das Wort "ihn" wie in Vers 3 sowohl
auf den Vater als auch auf den Sohn beziehen. Für Johannes selbst ist diese
Unterscheidung nicht wichtig. Seine Leser kennen beide Personen der Gottheit.)
Als "junge Männer" haben die Leser einen geistlichen Kampf gekämpft und den
Bösen , Satan, überwunden (vgl. "der Böse" in V. 14 ; 1Joh 3,12;5,18-19 ).
Auf diese Weise ergibt die Reihenfolge "Kinder", "Väter" und "junge Männer"
einen Sinn. Die Leser des 1. Johannesbriefes wußten, was es heißt, Vergebung für
seine Sünden zu erlangen und dann Gemeinschaft mit dem ewigen Gott zu haben.
Deshalb waren sie wie kraftvolle junge Männer, die die Angriffe Satans
zurückgeschlagen hatten.
1Joh 2,13-14 (1Joh 2,13b-14)
In der Folge werden die drei Bezeichnungen der Leser und ihre
Erfahrungskategorien noch einmal wiederholt, allerdings mit leichten
Abwandlungen. Wenn man sie als Kinder betrachtet, so kann man von diesen
Christen sagen, daß sie den Vater kennen. Wie neugeborene Kinder (teknia , V. 12
; vgl. den Kommentar zu V. 1 ), die ihre Väter gerade erst erkennen können, so
haben sie (die Kinder, paidia ; vgl. V. 18 ) durch die Gemeinschaft mit ihm
ihren göttlichen Vater kennengelernt. Doch was läßt sich der Erfahrung, den
Ewigen zu kennen, noch hinzufügen? So wiederholt Johannes denn auch nach der
Anrede "Väter" noch einmal wörtlich das zuvor Gesagte. Seine Aussage zu den
jungen Männern erweitert er dagegen um den Gedanken des Kräftigerwerdens.
Während er in Vers 13 einfach nur von einem Sieg über den Satan spricht, ergänzt
er hier: denn ihr seid stark, und das Wort Gottes bleibt in euch, und ihr habt
den Bösen überwunden. Durch diese Wiederholung macht der Apostel deutlich, daß
seine Leser in seinen Augen die genannten geistlichen Qualitäten nicht nur
besitzen und deshalb wert sind, als Kinder, Väter und junge Männer angeredet zu
werden, sondern daß sie alle diese Vorzüge sogar in äußerst reichem Maße zeigen.
B. Im Lichte der Verlockungen der Welt
( 2,15 - 17 )
Der Briefschreiber ist alles andere als unzufrieden mit der geistlichen
Verfassung seiner Leser. Noch weniger aber zieht er ihre Erlöstheit in Zweifel,
wie manche Ausleger fälschlicherweisemeinen. Im Gegenteil, die Leser haben sich
offenbar sogar in ihrem Glauben weiterentwickelt, und Johannes schreibt gerade
deshalb an sie, weil ihr Glaubensleben im Augenblick so vorbildlich ist. Er
möchte sie vor Gefahren warnen, die immer und überall auf den Christen lauern,
ganz gleich wie weit er im Glauben und in seinem christlichen Lebenswandel
fortgeschritten ist.
1Joh 2,15
Der Apostel warnt seine Leser: Habt nicht lieb die Welt noch was in der Welt
ist. Die "Welt" ( kosmos ), die hier als eine gottfeindliche Wesenheit
betrachtet wird (vgl. 1Joh 4,4 ), stellt eine ständige Verführung dar, der die
Christen widerstehen sollen (vgl. Joh 15,18-19; Jak 4,4 .An anderen Stellen im
Neuen Testament steht "Welt" [ kosmos ] für "die Menschen"; z. B. Joh 3,16-17 ).
Sie "buhlt" um die Liebe der Christen; niemand kann sie und den Vater zugleich
lieben. Wenn jemand die Welt liebhat, in dem ist nicht die Liebe des Vaters.
Dasselbe hatte Jakobus seinen christlichen Adressaten geschrieben: "Wer der Welt
Freund sein will, der wird Gottes Feind sein" ( Jak 4,4 ).
1Joh 2,16
Der Grund dafür, daß die Liebe zur Welt sich nicht mit der Liebe zu Gott
vereinbaren läßt, liegt darin, daß alles, was in der Welt ist, ... nicht vom
Vater, sondern von der Welt kommt. Unter diesem Blickwinkel ist die Welt ein
System von Werten und Zielen, in denen Gott keinen Raum hat. Johannes
spezifiziert denn auch gleich mit drei geläufigen Wendungen, die die
fehlgeleitete Perspektive der Welt wirkungsvoll beleuchten, was mit der
Formulierung "alles, was in der Welt ist", gemeint ist. Weltlich gesinnte
Menschen leben für des Fleisches ( sarx ) Lust ( epithymia , ein Wort, das
zweimal in diesem Vers und einmal im nächsten vorkommt). Das Wort "Lust" steht
im Neuen Testament in den meisten Fällen, wenn auch nicht immer, für "sündige
Begierden", wobei die "Lust des Fleisches" sich insbesondere auf unerlaubte oder
unmoralische körperliche Bedürfnisse bezieht. Der Ausdruck der Augen Lust
(epithymia ) deutet auf die begehrliche und habgierige Natur des Menschen.
Hoffärtiges Leben ist die Übersetzung des griechischen hE alazoneia tou biou
(wörtlich "der Hochmut des Lebens"), die Beschreibung eines stolzen und
prahlerischen Lebenswandels ( alazoneia kommt nur an dieser Stelle im Neuen
Testament vor). Mit derartigen weltlichen Lebensformen sollen die Christen
nichts zu schaffen haben.
1Joh 2,17
Denn die Welt vergeht mit ihrer Lust (epithymia ) ; wer aber den Willen Gottes
tut, der bleibt in Ewigkeit. Die Verbform "bleibt" kommt wieder vom typisch
johanneischen Verb menO (vgl. 1Joh 1,6 ). Wie fast im ganzen Brief
versinnbildlicht es auch hier das Leben einer treuen Gemeinschaft mit Gott.
Dabei spielt jedoch offensichtlich auch noch der Gedanke herein, daß ein Leben
in der Gemeinschaft mit Gott, in dem die sündigen Verlockungen der vergehenden
Welt keinen Platz haben, unvergänglich ist. Ein Mensch, dessen Charakter und
Persönlichkeit vom Gehorsam gegen Gott geprägt sind, bleibt unberührt vom
Untergang der Welt und von ihrer leeren Jagd nach dem Glück. So kann man mit
Johannes die Glaubensweisheit formulieren: "Wir haben nur ein Leben, 's ist bald
Vergangenheit; nur was wir Christus geben, bleibt in Ewigkeit."
1. Johannes
C. Im Lichte der Lügen der letzten Stunde
( 2,18 - 23 )
1Joh 2,18
Der allgemeinen Warnung vor der Welt folgt nun eine Warnung vor einem der
Phänomene, die typisch für die Endzeit sind. Die falschen Lehrer, die zur Zeit
auftreten, sind zutiefst weltlich (vgl. 1Joh 4,5 ). Die Leser des
Johannesbriefes wußten von dem prophezeiten Kommen des Antichristen und sollen
mit diesen Worten auf die vielen Antichristen hingewiesen werden, die Christus
ebenso feindlich gegenüberstehen. Das ist als klarer Hinweis darauf zu deuten,
daß die Geschichte in eine entscheidende Phase eingetreten ist: die letzte
Stunde. Trotz der vielen Jahrhunderte, die verflossen sind, seit Johannes seinen
Brief schrieb, hat diese bedrohliche Zuspitzung aller Dinge in gewisser Weise
weiter zugenommen. Die Bühne ist vorbereitet für den letzten Akt der Geschichte
der Menschheit.
1Joh 2,19
Johannes sagt von den falschen Lehrern: Sie sind von uns ausgegangen . Das
Pronomen "uns" ist hier wohl als eine Art Pluralis majestatis zu verstehen, das
apostolische "wir", das in diesem ganzen Brief immer wieder verwendet wird (vgl.
1Joh 1,1-5;4,6 ). Dieses "wir" steht im Gegensatz zu dem "ihr" in 1Joh 2,20-21
,das den Lesern gilt. Es erscheint wenig sinnvoll anzunehmen, daß die falschen
Lehrer die Gemeinden, denen die Leser angehörten, verlassen hatten. Wenn das der
Fall gewesen wäre, so hätten sie ja wohl kaum noch ein Problem dargestellt. Wenn
sie sich dagegen, wie die jüdischen Legalisten von Apg 15 ,von den apostolischen
Gemeinden in Jerusalem und Judäa abgespalten hatten, dann bildeten sie eine
besondere Gefahr für die Leser, weil sie aus dem gleichen geistlichen Boden
hervorkamen, aus dem sich das Christentum überhaupt entwickelt hatte. Deshalb
liegt Johannes so viel daran, jede Verbindung zu ihnen zu bestreiten.
Sie waren nicht von uns heißt, daß diese Männer nicht wirklich Anteil am Geist
und an den Auffassungen des apostolischen Kreises hatten, denn in diesem Fall
hätten sie sich nie von ihm getrennt. Das Aufkommen einer Irrlehre innerhalb der
christlichen Kirche, ganz gleich, ob sie von den erlösten Gemeindegliedern oder
von unerlösten Leuten in der Gemeinde ausgeht, ist immer ein Zeichen für eine
fundamentale Disharmonie mit dem Geist und der Lehre der Apostel. Menschen, die
in einer lebendigen Verbindung mit Gott leben, unterwerfen sich im allgemeinen
der apostolischen Unterweisung (vgl. 1Joh 4,6 ).
1Joh 2,20-21
Die Leser des Johannes haben jedoch einen guten Schutz gegen die Antichristen,
denn sie haben die Salbung von dem, der heilig ist (d. h. von Gott). Diese
"Salbung" ist zweifellos der Heilige Geist, denn wie Vers 27 deutlich macht,
empfangen die Christen durch sie "Belehrung" - sie muß also eine Person sein.
Jesus selbst war mit dem Heiligen Geist "gesalbt" (vgl. Apg 10,38 ). (Zu der
Möglichkeit, daß mit diesem Begriff die Leiter der Gemeinde gemeint sind, vgl.
die Einführung .) Aufgrund ihrer "Salbung" besitzen die Leser (und unter ihnen
wohl in erster Linie die Gemeindevorsteher) das Wissen , d. h. die richtige
Lehre. Johannes schreibt ihnen, gerade weil sie die Wahrheit richtig erkennen
und wissen, daß keine Lüge unter diese Wahrheit gemischt werden darf.
1Joh 2,22-23
Die Antichristen aber sind Lügner, denn sie leugnen, aß Jesus der Christus ist ,
d. h., sie verleugnen Gottes Sohn, den von Gott gesandten Heiland (vgl. Joh
4,29.42; Joh 20,31 ). Damit leugnen sie auch den Vater . Wenn sie also von sich
behaupten, daß sie vom Vater autorisiert sind, lügen sie. Wer den Sohn leugnet,
der hat auch den Vater nicht.
D. Im Lichte der Pflicht der Leser zur Standhaftigkeit
( 2,24 - 27 )
1Joh 2,24
Den Lesern wird nahegelegt: Was ihr gehört habt von Anfang an (vgl. 1Joh
1,1;2,7;3,11 ), das bleibe in euch. Wenn in euch bleibt, was ihr von Anfang an
gehört habt, so werdet ihr auch im Sohn und im Vater bleiben. Auch hier ist das
Verb "bleiben" wieder menO ( 1Joh 2,6.10.14.17 ). Wenn sie den Lügen der
Antichristen widerstehen und der Wahrheit, die sie gehört haben, in sich Raum
geben oder in ihr "bleiben", dann werden sie auch weiter in der Gemeinschaft mit
Gott dem Vater und dem Sohn "bleiben".
1Joh 2,25-26
Damit können sie auch weiterhin gewiß sein, daß sie das ihnen von Gott
verheißene ewige Leben besitzen. Wie Johannes später ( 1Joh 5,9-13; vgl. 1Joh
5,20 ) unterstreicht, können sie sich dieser Tatsache deshalb so sicher sein,
weil Gott sie bezeugt hat. Möglicherweise redeten die Antichristen den Lesern
ein, daß sie nicht wirklich gerettet waren, denn Johannes fährt fort: Dies habe
ich euch geschrieben von denen, die euch verführen (vgl. 1Joh 3,7 ). Die
Irrlehrer, die offensichtlich aus den apostolischen Gemeinden in Judäa kamen,
versuchten allem Anschein nach, die Überzeugung der Leser, daß Jesus der
Christus ist und daß sie durch ihn das ewige Leben haben, zu erschüttern. Um sie
gegen derartige Einflüsterungen immun zu machen, betont der Apostel
ausdrücklich, daß sie Gott schon kennen und das Wissen haben ( 1Joh 2,12-14.21
).
1Joh 2,27
Sie brauchen in diesem Punkt keine Belehrung von seiten der Antichristen oder
von irgend jemandem sonst. Ihre Salbung , die sie von Gott empfangen haben,
bleibt in ihnen und lehrt sie alles . Wenn man diesen Satz im Zusammenhang mit
den Versen 12 - 14 liest, so drängt sich die Annahme auf, daß die Leser des 1.
Johannesbriefes in ihrer Glaubensentwicklung schon relativ weit fortgeschritten
waren, da nur die im Glauben noch Unreifen menschliche Lehrer nötig haben (vgl.
Hebr 5,12 ). Das paßt besonders gut, wenn man davon ausgeht, daß Johannes sich
hier an die Vorsteher der Gemeinden wandte, aber es kann auch auf eine Gemeinde
zutreffen, die schon eine gewisse Zeit im Glauben steht. Während sich die
Antichristen möglicherweise irgendwelcher "Inspirationen" gerühmt haben, die
Lüge sind, ist die Salbung der Leser wahr . Sie sollen in ihm (das Pronomen kann
sich auch auf die "Salbung" beziehen) bleiben ( menete , "bewahren") und sich
ganz auf seine Unterweisung verlassen.
IV. Der Hauptteil des Briefes
( 2,28 - 4,19 )
Im vorigen Abschnitt ( 1Joh 2,12-27 ) bestätigte Johannes seinen Lesern die
Echtheit ihrer geistlichen Erfahrungen und warnte sie vor den Antichristen, die
diese Erfahrungen leugnen. In einem weiteren Teil seines Briefes erläutert der
Apostel das Wesen und die Konsequenzen der besonderen Erfahrungen, die seine
Leser gemacht haben und in denen sie "bleiben" sollen.
A. Exposition des Themas
( 2,28 )
1Joh 2,28
Viele Exegeten sehen an dieser Stelle einen Bruch im Text. Die Wendung "bleibt
in ihm" enthält wiederum das griechische Verb menO , das in den Versen 6 - 27
bereits zehnmal aufgetaucht ist. (Im ganzen Neuen Testament kommt das Verb menO
einhundertzwölfmal vor, davon sechsundsechzigmal bei Johannes - vierzigmal im
Johannesevangelium, dreiundzwanzigmal im 1. und dreimal im 2. Johannesbrief.) In
der Fortführung seines Grundthemas, der Gemeinschaft mit Gott ( 1Joh 1,3 ),
schärft der Apostel seinen Lesern nochmals eine treue, bewahrende Lebensführung
ein. Doch sogleich leitet er über zu dem neuen Gedanken der Zuversicht vor
Christus, wenn er kommt . "Zuversicht" ist im griechischen parrEsia , ein Wort,
das auch "freimütige Rede" bezeichnen kann (vgl. auch 1Joh 3,21;4,17;5,14 ).
Wenn die Adressaten des Briefes in der Gemeinschaft mit Gott bleiben, dann
werden sie auch freimütig vor ihren Herrn treten können, wenn er kommt. Wie sie
diese "Zuversicht" erlangen können, wird in 1Joh 2,29-4,19 ausführlich
behandelt. Wenn ein Gläubiger jedoch nicht in Gott bleibt, wird er
möglicherweise beim Kommen Christi zuschanden werden - ein Hinweis auf die
göttliche Mißbilligung vor dem Richterstuhl Christi (vgl. 1Joh 4,17-19 ). Das
kann zwar geschehen, doch es bedeutet nicht den Verlust des Heils für den
Betreffenden.
B. "Kinder Gottes"
( 2,29 - 3,10 a)
Im folgenden entwickelt Johannes einen Gedankengang, der in der Erlangung eben
des Freimuts, von dem er zuvor gesprochen hat ( 1Joh 2,28; vgl. 1Joh 4,17-19 ),
gipfelt. Die Gemeinschaft mit dem Kreis der Apostel und mit Gott, an die er hier
denkt (vgl. 1Joh 1,3 ), verlangt von den Gläubigen, daß sie erkennen, wie sich
die Gotteskindschaft im Leben des einzelnen manifestiert. Es geht also um die
Vorstellung, daß in einer wahrhaft christlichen Lebensführung Gott selbst
manifest wird ( 1Joh 4,12-16 ).
1Joh 2,29
In diesem Vers ist erstmals ausdrücklich von der Wiedergeburt die Rede. Da die
Leser wissen, daß er (Gott der Vater oder Gott der Sohn) gerecht ist , wissen
sie auch, daß, wer recht tut, ... von ihm (hier bezieht sich das Pronomen
wahrscheinlich auf Gott den Vater, der die Wiedergeburt schenkt) geboren (ist).
(Die Wendung "aus Gott geboren" taucht im 1. Johannesbrief in 1Joh
3,9;4,7;5,1.4.18 [zweimal] auf.) Diese Äußerung hat nichts mit der persönlichen
Heilsgewißheit der Leser zu tun. Es ist vielmehr die Feststellung, daß sie, wenn
ihnen wirkliche Rechtschaffenheit ( tEn dikaiosynEn , "recht") begegnet, sicher
sein können, daß die betreffende Person ein Kind Gottes ist. Für Johannes kann
diese Gerechtigkeit nur die sein, die auch Christus seine Jünger gelehrt hat.
Sie hat nichts mit bloßer humanistischer Menschenfreundlichkeit und Moral zu
tun. Ihre Umkehrung - daß jemand, der wiedergeboren ist, automatisch
rechtschaffen ist - trifft nicht unbedingt zu. Johannes weiß, daß auch Christen
noch in der Finsternis wandeln können und anfällig für die Sünde sind ( 1Joh
1,6.8;2,1 ). Was er hier schildert, ist das Sichtbarwerden des
Wiedergeborenseins in den Handlungen der Menschen.