Verfasser: Benedikt Peters
Wir sind die Augen und Ohrenzeugen einer großen Veränderung, ja, man
muss sagen, einer Umwälzung, die sich in den letzten wenigen Jahrzehnten
vollzogen hat. Die Älteren unter uns kamen zum Glauben und wuchsen als
Christen mit einer Überzeugung auf, die ihnen so selbstverständlich war,
wie der sonntäglich Gang zur Versammlung, nämlich:
Die Zeit der Apostel war eine besondere Zeit; die Apostel waren
besondere Menschen; die Apostel hatten Vollmachten und Fähigkeiten, die
nach ihnen in der Christenheit keiner mehr hatte.
Ohne, dass sie es bewusst wahrgenommen haben werden, waren sie damit
gute Protestanten, Kinder der Reformation und reformatorisch Gläubige.
Mit ihren Ansichten waren sie eins mit fast allen pietistisch oder
biblizistisch, oder wie man seit dem 18. Jahrhundert in England sagte,
evangelical, evangeliumsgemäß, denkenden Christen. Mit anderen Worten:
Sie glaubten, was die Christen der ersten Jahrhunderte glaubten, was die
Reformatoren glaubten und lehrten; sie glaubten, was man im Methodismus,
im Baptismus, in der Gemeinschaftsbewegung und in der Brüderbewegung
glaubte. Sie glaubten nicht, was die römische Kirche immer geglaubt und
gelehrt hat:
Rom glaubt und lehrt, es habe immer eine Fortsetzung des
apostolischen Dienstes und damit der apostolischen Vollmachten und
Fähigkeiten gegeben. Die Kirche von Rom nennt das "apostolische
Sukzession". An der Spitze der Kirche stehe immer jemand, der den
Aposteln gleich sei; in der Kirche wirkten immer die gleichen
Apostolischen Kräfte; die Kirche sei immer Empfängerin göttlich
inspirierter Mitteilungen. Gottes Offenbarung sei bei Leibe nicht an ihr
Ende gekommen.
Dass der Methodismus, der Baptismus und der Pietismus sich heute auch
offen dem Glauben der Römischen Kirche nähert, ist ihnen bewusst. Ihnen
ist auch bewusst, dass sie sich in ihrem Denken und Handeln immer mehr
den Pfingstkirchen und den charismatischen Kirchen näheren. Hingegen,
dass die Pfingstbewegung in diesem ihre ganze Identität begründenden
Punkt immer Römisch gedacht hat, ist ihr wahrscheinlich nicht bewusst
gewesen. Aber gerade das müssen wir deutlich sehen und deutlich sagen:
Der Glaube, dass die Zeichen und Wunder der apostolischen Zeit die
christliche Kirche immer zieren solle, ist nicht apostolisch, sondern
Römisch Katholisch.
So gesehen, ist es eine nachgerade unheimlich
Entwicklung, die sich vor unseren Augen dartut: Mit zwingender innerer
Folgerichtigkeit werden die Freikirchen gleichzeitig immer
charismatischer und immer Römischer. In dem Maße, wie sie mit der großen
Hure liebäugeln, fordern sie, der Hure gleich, Zeichen und Wunder,
Visionen und Inspirationen; in dem Maße, wie sie von ihrem Taumeltrank
schon geschlürft haben, beten sie ihr Bekenntnis nach, dass man neben
der Bibel jederzeit neue göttliche Offenbarungen erwarten müsse, dass
der reformatorische Donnerkeil sola Scriptura nur eine Platzpatrone
gewesen sei.
1. Eine begriffliche Klarstellung
Wir und unsere Zuhörer müssen wissen, was wir
meinen, wenn wir von "Wundern" reden.
Dann eine zweite Klarstellung:
b) Wem trauen wir die Wunder zu?
c) Vier hebräische Wörter
d) Drei griechische Wörter
2. Vier populäre Irrtümer
a) Wunder seien in der Heilsgeschichte sehr
häufig
b) Wir könnten auch Wunder wirken, wenn wir
genug glaubten
"So wie der Herr den Glauben Seines Evangeliums bekräftigt hatte
durch die Wunder, die Er tat, so lange Er auf der Erde war, so reicht Er
diese gleiche Kraft an die Nachkommenden weiter, damit die Jünger nicht
dächten, dies sei an seine leibliche Gegenwart gebunden... Wir dürfen
aber nicht denken, der Herr habe mit der Ausrüstung der Gläubigen mit
dieser Gabe einen jeden einzelnen ausgerüstet, denn wir wissen, dass
Seine Gabe verschieden verteilt wurden, so dass die Macht, Wunder zu
tun, nur auf bestimmte Leute begrenzt war. Da aber alles, was Er einigen
wenigen gab, der ganzen Kirche gehörte, und ein jedes Wunder alle
stärkte, konnte Christus zu Recht die Glaubenden allgemein ansprechen...
Es genügte zur Bestätigung des Zeugnisses von der Gottheit und
Herrlichkeit Christi, dass nur einige wenige Gläubige mit dieser Kraft
ausgestattet sein sollten."
c) Wunder seien dazu da, Menschen zum Glauben
zu bringen
2Mo 4:15
"Und Mose antwortete und sprach: Aber siehe, sie werden mir nicht
glauben und nicht auf meine Stimme hören; denn sie werden sagen: Jahwe
ist dir nicht erschienen. Da sprach Jahwe zu ihm: Was ist das in deiner
Hand? Und er sprach: Ein Stab. Und er sprach: Wirf ihn auf die Erde. Da
warf er ihn auf die Erde, und er wurde zur Schlange; und Mose floh vor
ihr. Und Jahwe sprach zu Mose: Strecke deine Hand aus und fasse sie beim
Schwanze. Und er streckte seine Hand aus und ergriff sie, und sie wurde
zum Stabe in seiner Hand-: auf daß sie glauben, daß Jahwe dir erschienen
ist, der Gott ihrer Väter, der Gott Abrahams, der Gott Isaaks und der
Gott Jakobs."
Hier steht doch "auf dass sie glauben"! Beachten wir, was das Volk
durch die Zeichen glauben soll: Dass Gott dem Mose erschienen ist. Die
Zeichen sind nicht dazu da, Glauben an die Botschaft des Mose zu wirken.
Die Zeichen vermögen keinen Glauben an Gott und Sein Erlösungswerk zu
wirken. Diesen Glauben kann nur die Botschaft selbst wirken (siehe Rö
10:17), und dass das Volk zwar glaubte, dass Gott den Mose gesandt
hatte, dass sie aber der Botschaft nicht glaubten, sagt uns Hebräer 4:2
ganz buchstäblich.
Der Pharao sah eine ganze Reihe von Zeichen,
die Mose tat, die Mose eindeutig mit dem Gott Israels verknüpfte, die er
ankündigte, bevor sie eintrafen, deren folgen schlagartig aufhörten, als
er auf die Bitte Pharaos hin zum Gott Israels betete. Stärkere Beweise
kann man einem ungläubigen Herzen nicht liefern, und doch überwanden sie
den Unglauben des Pharao nicht. Sein Herz verhärtete sich gegen Gottes
Wort so lange, bis es hart geworden war wie ein Stein, und entsprechend
sank der Pharao wie ein Stein in den Fluten des Gerichts (2Mo 15:5).
Joh 20:3031
"Auch viele andere Zeichen hat nun zwar Jesus
vor seinen Jüngern getan, die nicht in diesem Buche geschrieben sind.
Diese aber sind geschrieben, auf daß ihr glaubet, daß Jesus der Christus
ist, der Sohn Gottes, und auf daß ihr glaubend Leben habet in seinem
Namen."
"Wiewohl er aber so viele Zeichen vor ihnen getan hatte, glaubten sie
nicht an ihn" (Joh 12:37).
Johannes ist nicht der einzige, der solche Dinge überliefert hat. Im
Lukasevangelium lesen wir etwas ganz Entsprechendes. Dort fasst der Herr
die Wirkung von Wundern auf die Ungläubigen mit folgenden Worten
zusammen:
"Er sprach aber zu ihm: Wenn sie Moses und die Propheten nicht hören,
so werden sie auch nicht überzeugt werden, wenn jemand aus den Toten
aufersteht" (Lk 16:31)
d) Wunder seien dazu da, den Glauben der
Erlösten zu stärken
3. Wozu waren die Wunder da?
a) Die Wunder waren Zeichen von Gottes
Heilswirken
die Identität Jesu: Er ist der Christus und
der Sohn Gottes
Johannes 6 liefert uns den Belegtext. Der Herr hat die Brote gemehrt,
also ein Zeichen getan. Er selbst sagt nun, dass dieses Wunder nicht das
Entscheidende ist, vielmehr wolle das zeitlich begrenzte Wunder ein
Wegweiser zu etwas Ewigem sein:
"Jesus antwortete ihnen und sprach: Wahrlich, wahrlich, ich sage
euch: Ihr suchet mich, nicht weil ihr Zeichen gesehen, sondern weil ihr
von den Broten gegessen habt und gesättigt worden seid. Wirket nicht für
die Speise, die vergeht, sondern für die Speise, die da bleibt ins ewige
Leben, welche der Sohn des Menschen euch geben wird; denn diesen hat der
Vater, Gott, versiegelt" (Joh 6:26,27).
Die gemehrten Brote, de die Menschen aßen und für einige Stunden
sättigten, waren ein Zeichen dafür, dass Jesus das wahre Brot ist, das
vom Himmel kommt und der Welt des ewige Leben gibt (6:3335). Es ist
kein Zufall, dass der Herr gerade im Anschluss an die wunderbare Mehrung
der Brote sagt: "Ich bin das Brot des Lebens." Bevor Er den
Blindgeborenen heilt, sagt Er: "Ich bin das Licht der Welt" (9:5). Wer
an Ihn glaubt, wird wahrhaft sehend (siehe Off 22:4). Und vor dem Grab
des Lazarus stehend, bezeugt Er: "Ich bin die Auferstehung und das
Leben." Die Auferweckung des Lazarus war ein Zeichen, das auf diese
großartige Wahrheit verwies: Wer an den Sohn Gottes glaubt, wird zu
unverweslichem Leben auferstehen, und nicht lediglich wie Lazarus zu
sterblichem Leben wiederkehren. Das Zeichen ist als solches von sehr
begrenztem Wert. Was sind schon ein paar Brote, die einige hungrigen
Mäuler für kurze Zeit stopfen, wenn es dabei bleibt? Und was ist schon
wiederhergestelltes Augenlicht, mit dem man einige Jahr diese eitle Welt
sehen kann, wenn man eines Tages am Ort der Qual die Augen aufschlägt?
Nein, die Zeichen wollten auf etwas viel Größeres verweisen, nämlich auf
den Sohn Gottes und auf das Ewige Leben, das Er dem Glaubenden gibt.
Das Gleiche lässt sich von den Zeichen sagen, die Mose tat. Das
Zeichen vom Stab, der zur Schlange und wieder zum Stab wird, und das
Zeichen von der Hand, die aussätzig und wieder rein wird, illustriert
jedesmal eine besondere Seite der Botschaft der Errettung, des
Evangeliums (siehe Heb 4:2), das Mose verkündigte. Bibelkunde und
Konkordanz geben uns den Schlüssel, die Zeichen mühelos zu
entschlüsseln. Der Leser ist eingeladen, es für sich zu tun.
Jonathan Edwards:
"Zu den Wundern, die Christus tat, beachten
wir ihre große Menge. Außer von einzelnen Fällen hören wir von großen
Menschenmengen, die sich um Ihn drängten, und wie Er ihre Krankheiten
heilte.
b) Die Wunder sollten den Boten Gottes
legitimieren
Mose: 2Mo 4:15
Elia: 1Kö 18:23,24,3639
Der Herr Jesus: Mt 11:25; 12:28; Apg 2:22
Paulus: 2Kor 12:12. Paulus nennt die Zeichen und Wunder, die er tat,
"die Zeichen des Apostels" und sagte damit den Korinthern, dass diese
Zeichen bewiesen, dass er ein von Gott gesandter Apostel war.
Bekanntlich hatten einige in Korinth angefangen, die apostolische
Autorität des Paulus in Frage zu stellen (wie 2Kor 3:1 deutlich zeigt).
Es ist auch bemerkenswert, dass er nicht sagt, er werde kommen und
Zeichen tun, um so den Widersprechenden den Mund zu stopfen. Nein, er
verweist als hinlängliche Beglaubigung seiner Apostelschaft auf die
Zeichen, die damals geschahen, als das Evangelium in Korinth eingeführt
wurde.
c) Die Wunder sollten die göttliche
Offenbarung legitimieren
"Wie werden wir entfliehen, wenn wir eine so große Errettung
vernachlässigen? Diese empfing den Anfang ihrer Verkündigung durch den
Herrn und wurde uns von denen bestätigt, die es gehört haben, indem Gott
außerdem mitzeugte, sowohl durch Zeichen als durch Wunder und mancherlei
Wunderwerke und Austeilungen des Heiligen Geistes nach seinem Willen."
Gott gab der neuen Offenbarung, die mit dem Herrn selbst ihren Anfang
nahm und durch die Apostel bestätigt wurde, durch die Zeichen und Wunder
Seine Beglaubigung (Mk 16:20; Apg 14:3) . Mit dem Dienst der Apostel
wurde die Botschaft "bestätigt", oder besser: "festgemacht"
(ebebaiôthê). Da sie seither fest ist, bedarf es der Zeichen und Wunder
zu ihrer Beglaubigung nicht mehr.
Eine Analogie aus dem Alten Testament
Dass die Wunder neue Offenbarungen begleiteten, lehrten auch die
Kirchenväter und später die Reformatoren und in ihrem Gefolge die
Erweckungsprediger im 18. und 19. Jahrhundert:
Johannes Chrysostomos (347407):
"Am Anfang gab der Heilige Geist die außerordentlichen Gaben sogar
den Unwürdigen, denn damals waren sie nötig zur Bekräftigung der
christlichen Lehre, aber jetzt werden sie nicht mehr gegeben, da die
christlichen Lehre so befestigt ist, dass sie diese Stütze nicht nötig
hat."
Martin Luther
"Nun die Apostel das Wort gepredigt und uns ihre Schriften
hinterlassen haben, bleibt nichts mehr, das geoffenbart werden müsste;
keine neue Offenbarung und auch kein Wunder ist notwendig... Da wird
diese gewissen Prophezeiungen besitzen, ein zuverlässiges Zeugnis der
reinen Lehre, sind keine Wunder nötig, diese Lehre zu bekräftigen. Denn
die nachfolgenden Zeichen wurden hauptsächlich gegeben, wie St. Markus
am letzten sagt, um die neue Botschaft der Apostel zu bestätigen. Wir
haben aber keine neue Lehre eingeführt; wir haben nur die alte Lehre der
Apostel wiederhergestellt."
Johannes Calvin
"Darin, dass sie (unsere Gegner) Wunder von
uns fordern, sind sie unvernünftig; denn wir stellen keine neues
Evangelium her, sondern wir halten an jenem Evangelium fest, dessen
Wahrheit zu bestätigen alle jene Wunder gedient haben, die der Herr
Jesus Christus und Seine Apostel je taten. Man könnte sagen, dass sie
(unsere Gegner) uns gegenüber dieses als besonders Mehr besitzen,
nämlich dass sie ihre Lehre durch beständige Wunder bekräftigen können,
die bis heute geschehen... Wir sollten nicht vergessen, dass der Teufel
seine Wunder hat, um die Einfältigen zu verführen... Paulus hat uns
gewarnt, dass die Herrschaft des Antichristus mit aller Macht, mit
Wundern und Zeichen der Lüge einhergehen werde (2Thes 2:9)."
"Wir finden, dass fast alle Wunder, in welchem
Zeitalter sie auch geschahen, als Siegel des Wortes Gottes dienen
sollten. Um so abwegiger ist deshalb der Aberglaube der Papisten (der
Papstgläubigen), die mit ihren erfundenen Wundern die Wahrheit Gottes
abschwächen wollen."
Jonathan Edwards:
"Warum können wir uns nicht mit den lebendigen
Aussprüchen Gottes begnügen, mit jenem heiligen und reinen Wort Gottes,
welches wir in solcher Fülle und Klarheit besitzen, seit der Kanon
abgeschlossen ist?"
4. Eine zwingende Schlussfolgerung
War es nicht die Aufgabe der Zeichen und
Wunder, Glauben zu wirken oder Glauben zu stärken, sondern den Boten
Gottes und die Botschaft Gottes zu legitimieren, dann müssen wir uns
zwei Fragen stellen:
a) Die Botschaft Gottes ist abgeschlossen
b) Die Botschaft Gottes ist nicht
abgeschlossen
Wir können in dieser Sache nur zwischen a) und b) wählen. Über die
sich daraus ergebende Konsequenz können wir nicht mehr befinden. Es ist
ganz unmöglich, einerseits zu glauben, die biblische Offenbarung sei
abgeschlossen, und gleichzeitig zu glauben, es geschähen noch
Weissagungen, Visionen, Träume, Zeichen und Wunder. Das versuchen
einige, aber viele merken selbst, dass es nicht geht. Zu diesen gehört
auch Peter Strauch, der Präses der Freien Evangelischen Gemeinden in
Deutschland. Er mag nicht ausschließen, dass Gott heute noch gewissen
Gläubigen die Fähigkeit gibt, Zeichen zu tun. Konsequenterweise hat er
kürzlich bezeugt, dass er nicht mehr an einen abgeschlossenen Kanon
glauben könne. Das ist zwar erschütternd, aber es ist immerhin
konsequent. Es ist die Konsequenz des Totschlägers, der das größere
Verbrechen schon begangen hat, und nun die Leiche auch noch fleddert,
bevor er sich davonmacht.
Was sagen uns die Apostel zu diesen beiden Fragen? Ist der Kanon
abgeschlossen? Ist der Kanon offen?
5. Das biblische Zeugnis zum abgeschlossenen
Kanon
"Nachdem Gott vielfältig und auf vielerlei Weise ehemals zu den
Vätern geredet hat in den Propheten, hat er am Ende dieser Tage zu uns
geredet im Sohne" (Heb 1:1).
Darum sagt die Bibel, dass mit dem Kommen
Christi das Ende der Zeitalter und die letzte Stunde gekommen ist (1Kor
10:; 1Joh 2:). Durch den Dienst und in den Schriften der Apostel wurde
die Offenbarung in feste Form (siehe Rö 6:17; 2Tim 1:13) und auf ihr
Vollmaß (Kol 1:25) gebracht und der Gemeinde für alle nachfolgenden
Geschlechter als Richtschnur übergeben (2Pet 1:1221).
"Ich bezeuge jedem, der die Worte der Weissagung dieses Buches hört:
Wenn jemand zu diesen Dingen hinzufügt, so wird Gott ihm die Plagen
hinzufügen, die in diesem Buche geschrieben sind; und wenn jemand von
den Worten des Buches dieser Weissagung wegnimmt, so wird Gott sein Teil
wegnehmen von dem Baume des Lebens und aus der heiligen Stadt, wovon in
diesem Buche geschrieben ist" (Off 22:18-19).
Wenn das letzte Buch des Neuen Testaments auf diese Weise versiegelt
ist, ist der ganze Kanon versiegelt. Jedes Hinzufügen zur biblischen
Offenbarung ist ein Hinzufügen zu diesem einen Buch, und das hat Gott
hier mit den stärksten Worten verboten.
Heinrich Bullinger (15041575):
"In der Heiligen Schrift besitzt die ganze Kirche Christi eine
vollständige Darstellung dessen, was immer zur rechten Belehrung über
den seligmachenden Glauben und ein Gott wohlgefälliges Leben gehört.
Deshalb wird von Gott deutlich verboten, etwas dazu oder davon zu tun
(5Mo 4:2). Wir sind darum der Ansicht, dass man aus diesen Schriften die
wahre Weisheit und Frömmigkeit, die Verbesserung und Leitung der
Kirchen, die Unterweisung in allen Pflichten der Frömmigkeit und endlich
den Beweis der Lehren und den Gegenbeweis oder die Widerlegung aller
Irrtümer, aber auch alle Ermahnungen gewinnen müsse, nach jenem
Apostelwort: "Jede von Gottes Geist eingegebene Schrift ist auch nütze
zur Lehre, zur Überführung usw" (2Tim 3:16) ... Wenn also heute dieses
Wort Gottes... verkündigt wird, glauben wir, dass Gottes Wort selbst
verkündigt und von den Gläubigen vernommen werde, dass man aber auch
kein anderes Wort Gottes erfinden oder vom Himmel her erwarten dürfe."
(Das Zweite Helvetische Bekenntnis)
Was der historische Glaube der Baptisten war, zeigt ihr Londoner
Bekenntnis von 1689:
"Der gesamte Ratschluss Gottes bezüglich aller Dinge, die notwendig
sind zu Seiner Ehre, zu des Menschen Errettung, Glauben und Leben, ist
entweder ausdrücklich niedergelegt oder notwendig enthalten in der
Heiligen Schrift, zu der zu keiner Zeit etwas hinzuzufügen ist, sei es
durch neue Offenbarungen des Geistes oder durch die Traditionen der
Menschen." (1:6).
6. Das biblische Zeugnis zum Aufhören
der Zeichen und Wunder
a) Die jährliche Passahfeier
"Und es stand in Israel kein Prophet mehr auf wie Mose, welchen Jahwe
gekannt hätte von Angesicht zu Angesicht, nach all den Zeichen und
Wundern, die Jahwe ihn gesandt hatte zu tun im Lande Ägypten, an dem
Pharao und an allen seinen Knechten und an seinem ganzen Lande; und nach
all der starken Hand und nach all dem Großen und Furchtbaren, das Mose
vor den Augen des ganzen Israel getan hat" (5Mo 34:10-12).
b) Die Ankündigung des Herrn Jesus
"Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wer an mich glaubt, der wird auch
die Werke tun, die ich tue, und wird größere als diese tun, weil ich zum
Vater gehe" (Joh 14:12).
Halten wir zunächst fest, dass die um den
Herrn gescharten Jünger die vom Herrn angekündigten gleichen Werke taten
wie Er: Sie heilten Kranke, sie weckten Tote auf, sie trieben Dämonen
aus (Apg 3; 9; 16). Das bezweifelt kein Christ, und darüber wird auch
nicht debattiert. Was aber bedeuten die hier vom Herrn versprochenen
"größeren Werke", die die Jünger tun sollten und nach ihnen die
Gläubigen allgemein? Man kann keine Wunder im Sinne der Zeichen des
Herrn tun, die diese übertreffen. Sie waren so gewaltig, so klar und so
überzeugend, sie lassen sich nicht überbieten. Es wäre zudem ein Anwurf
auf die Würde des Herrn, sollte man Seine Werke steigern und damit
vervollkommnen können. Daher muss es sich um Werke anderer Art handeln
als die Zeichen.
c) Die Erfahrung des Apostels
"Alle Schrift ist von Gott eingegeben und nütze zur Lehre, zur
Überführung, zur Zurechtweisung, zur Unterweisung in der Gerechtigkeit,
auf daß der Mensch Gottes vollkommen sei, zu jedem guten Werke völlig
geschickt". (2Tim 3:16-17).
Hier sagt uns der scheidende Apostel, was die Diener des Herrn für
alle Zeiten und für alle Situationen "völlig geschickt" macht, also
vollkommen ausrüstet: Der rechte Umgang und die rechte Erkenntnis der
Schrift. Er sagt nichts von Visionen, die der Christ in besonders
schwieriger Zeit bräuchte, auch nichts von der Fähigkeit, Kranke zu
heilen oder andere Zeichen zu tun. Er sagt vielmehr, dass die Schrift
genügt. Daher solle Timotheus sich mit aller Entschiedenheit an die
Schrift halten. Sie ist vollkommen und sie ist vollständig.
d) Das Zeugnis der apostolischen Schriften
e) Die Ankündigung des Vollkommenen
Jonathan Edwards:
"Die gewöhnliche heiligenden Wirkungen des Geistes Gottes sind Ziel
und Zweck (the end) aller außergewöhnlichen Gaben, wie der Apostel in
Eph. 4:11,12,13 zeigt. Sie sind nutzlos außer insofern, als sie diesem
Zweck dienen... Dies ist, wie der Apostel bemerkt, der vorzüglichere Weg
auf dem Gott Seinen Geist Seiner Gemeinde mitteilt; es ist dies in allen
Zeitaltern die grösste Herrlichkeit des Volkes Gottes. Diese
Herrlichkeit ist es, welche die Gemeinde auf der Erde der Gemeinde im
Himmel am ähnlichsten macht, wenn Weissagungen und Zungen und die andern
Wundergaben aufgehört haben... Der Apostel spricht von diesen Gaben der
direkten Eingebung (inspiration) als von Dingen, die kindisch sind im
Vergleich mit den Wirkungen des Geistes in göttlicher Liebe; Dingen, die
der Gemeinde nur zur Stütze gegeben waren, so lange sie unmündig war,
bis der Gemeinde eine vollständige und bestehende Regel und Führung
(rule) aufgerichtet und alle gewöhnlichen Mittel der Gnade befestigt
sein würden. Diese Dinge aber sollten aufhören, wenn die Gemeinde das
Mannesalter erreichen haben würde. 1Kor 13:11...Wenn der Apostel in
diesem Kapitel davon spricht, dass Weissagungen und Sprachen und
Offenbarungen verschwinden und in der Gemeinde aufhören dann, wenn die
christliche Kirche vom Stande des unmündigen Kindes zum Stand des
mündigen Mannes gelangen sollte , dann bezieht er sich allem Anschein
nach auf das Erreichen des mündigen Standes sowohl schon hier in der
Welt als auch im Himmel..." (Works, Bd. 2, S. 274, 275)
7. Das Zeugnis der Kirchengeschichte
"Es findet sich wenige oder gar keine Zeugnisse von Wunderwirken in
den ersten fünfzig Jahren der nachapostolischen Kirche. Sie sind
geringfügig und unwichtig in den nächsten fünfzig Jahren; sie wachsen an
während des 3. Jahrhunderts und sie werden erst im 4. Jahrhundert
zahlreich und konkret, um schließlich im 5. Jahrhundert und danach noch
zahlreicher zu werden" (Counterfeit Miracles, S. 10).
Mit Montanus von Phrygien tritt erstmals eine
Bewegung auf, die bis zum heutigen Tag unter verschiedenen Namen wieder
an die Oberfläche getreten ist. In der Reformationszeit waren es die
Schwärmer, im puritanischen England die Quäker, im absolutistischen
Frankreich die Camisarden und in der damaligen angelsächsischen Welt
"die französischen Propheten", im 19. Jahrhundert die Irvingianer, seit
Beginn des 20. Jahrhunderts die Pfingstbewegung, und heute die
charismatische Bewegung.
Neben Montanus treten besonders zwei Frauen in Führung, Priska und
Maximilla. Sie verlassen ihre Männer, weil Montanus im Blick auf das
nahe Ende die Ehelosigkeit empfiehlt. Sie haben Visionen... schweben in
der Luft (Elevation), verbunden mit Zungenreden... Es ist auffällig,
dass der 'göttliche' Geist in der Ich-Form aus diesen Menschen spricht.
Montanus sagt: Ich bin der Herr, der allmächtige Gott, der sich im
Menschen aufhält... Ich bin der Vater und der Sohn und der Paraklet.
(Richard Ising: Kräftige Irrtümer)
Vom 4. Jahrhundert an schwillt der Strom von Wunderberichten, von
Visionen und von Heilungen stetig an, bis am Ende jedem Römisch
Katholischen Heiligen die phantastischsten Zauberkünste angedichtet
werden. Die Kirchenväter, die zwar von allerlei Wundern im Zusammenhang
mit Reliquien berichten, wissen noch genau, dass die apostolischen
Zeichen der Vergangenheit angehörten:
Johannes Chrysostomos (347407):
"Dieser ganze Abschnitt ist sehr dunkel, aber
die Dunkelheit beruht auf unserer Unkenntnis der hier genannten Dinge,
da sie aufgehört haben. Sie kamen damals vor, aber geschehen heute nicht
mehr"
"In der frühesten Zeit fiel der Heilige Geist auf sie und sie redeten
in fremden Sprachen, die sie nicht gelernt hatten, so wie der Geist
ihnen auszusprechen gab. Dies waren Zeichen, die zu jener Zeit passten.
Denn es war notwendig, dass der Heilige Geist in allen Sprachen ein
Zeichen gab, dass das Evangelium nun in allen Sprachen bis an die Enden
der Erde laufen sollte. Das geschah als ein Zeichen, aber es ist nun
längst entschwunden"
Mit wachsender zeitlicher Entfernung von den Aposteln wurde die
Distanz zur Lehre der Apostel immer größer. Mit wachsendem Aberglauben
nahmen die Wunderberichte zu, bis die Römische Kirche schließlich jener
Hort des Wunderglaubens geworden war, die sie bis zum heutigen Tag
geblieben ist. Visionen, Levitationen, Stigmatisierungen, Heilungen
gehören zum Inventar eines jedes "Heiligen". In regelmäßigen Abständen
hört man noch heute von Marienerscheinungen, wie jüngst im
saarländischen Marpingen.
Die Reformatoren riefen die Christenheit
zurück zum Wort. Das bedeutete:
Martin Luther:
"Gott lässt's bei Seinem Wort bleiben und will außerdem nicht mit uns
handeln."
Luther hielt es für eine das Christentum charakterisierende Sache,
dass sie in Gottes Wort eine umfassende, eine hinlängliche und eine
vollständige Offenbarung besitzt, daher er sagte:
"Die Heiden haben die Zeichen, wir haben das Wort."
"So lang Jupiter, Mars, Apollo, Saturnus, etc. Juno, Diana, Pallas,
Venus regierten, das ist, für Götter gehalten und geehret worden von den
Heiden (die Jüden hatten auch ihre fremde Götzen und viel, denen sie
dieneten), musste Christus anfänglich und hernach die Apostel viel
leibliche Zeichen und Wunder tun, beide unter Jüden und Heiden, die
Lehre vom Glauben an Ihn (Christum) zu bekräftigen, und aufzuheben und
zu vertilgen alle falsche Lehre und Götzendienst. Das also dieselben
Zeichen so lang im Schwang mussten gehen, bis die Lehre des Evangelii
gepflanzet und angenommen, die Taufe und des Herrn Abendmahl seines
wahren Leibs und Bluts angerichtet worden." (Tischreden).
Johannes Calvin:
"Obwohl Christus hier nicht genau sagt... ob diese Gabe der Kirche
für immer bleiben sollte, so ist es wahrscheinlicher, dass sie nur für
eine bestimmte Zeit verheißen waren... Wir sehen gewiss, dass der
Gebrauch dieser Gaben nicht lange danach aufhörte..." (Kommentar zu Mk
16:17)
Jonathan Edwards:
"Ich will lieber nur eine Viertelstunde solches Wirken des Geistes an
sich erfahren als das ganze Jahr prophetische Visionen und Offenbarungen
zu haben. Ich kann nicht erkennen, dass heute irgendwelche Notwendigkeit
für die außergewöhnlichen Gaben zur Verbreitung des Reiches Gottes in
der ganzen Welt besteht; ich habe so viel von der Macht Gottes gesehen,
wie sie auf eine weit herrlichere Weise wirkt, dass ich davon überzeugt
bin, dass Gott ohne die außergewöhnlichen Gaben auskommt"
"Die außergewöhnlichen Gaben wurden zur
Gründung und Aufrichtung der Gemeinde in der Welt gegeben. Aber seit der
Kanon der Heiligen Schrift vollendet und die Christliche Kirche
vollständig gegründet und aufgerichtet ist, haben diese
außergewöhnlichen Gaben aufgehört."
George Whitefield schrieb in einem Brief im Jahre 1739:
"Denn der Teufel fängt an, das Werk Gottes nachzuahmen, und weil
seine Drohungen nichts ausrichten, verstellt er sich jetzt als ein Engel
des Lichts, um so noch wirksamer sein Ziel zu erreichen. Bruder - und
Bruder - huldigen der Vorstellung, dass jetzt die Macht geschenkt werde,
Wunder zu wirken und dass Christus jetzt komme, um die tausend Jahre auf
der Erde zu regieren. Aber ach! welche Notwendigkeit besteht für Wunder
wie die Heilung von kranken Leibern und die Wiederherstellung Blinder,
wenn wir jeden Tag sehen, wie durch die Kraft des Wortes Gottes die weit
grösseren Wunder geschehen? Werden denn nicht jetzt die geistlich
Blinden sehend? Werden nicht die geistlich Toten auferweckt und die
aussätzigen Seelen gereinigt, und wird nicht das Evangelium den Armen
verkündigt? Wenn wir doch die Substanz dessen besitzen, die einzuführen
solche Wunder nur gegeben wurden, warum sollten wir Gott versuchen,
indem wir weitere Zeichen fordern?" (Whitefield, Letters, S. 50,51)
John Owen:
"Die Apostel hatten außergewöhnliche Gaben, denn sie waren berufen,
ein außergewöhnliches Werk zu tun. Wir sind nur zu einem gewöhnlichen
Werk berufen, weshalb der Geist uns mit gewöhnlichen Gaben ausstattet.
Aber der Heilige Geist kann die gewöhnlichen Gaben so wirksam werden
lassen wie die außergewöhnlichen. Es sind nicht Wunder, welche die
Feindschaft im Herzen der Menschen entfernen und wahre Busse und Glauben
einpflanzen, sondern das Erneuerung schaffende Wirken des Heiligen
Geistes. Christus tat viele mächtige Wunder, und doch glaubten sie nicht
an ihn (Joh. 12:37)" (Apostasy from the Gospel)
"Gaben, welche ihrer eigenen Natur gemäss das
gesamte Vermögen unserer Anlagen übersteigen diese Dispensation des
Geistes hat längst aufgehört, und beanspruchte sie jemand heute, dann
müsste er zu Recht als ein Schwärmer gelten."
Matthew Henry
"Die Gabe des Zungenredens war eines der neuen Werke des Geistes der
Weissagung, und sie wurde mit dem ganz besonderen Zweck gegeben, dass
jetzt, da die jüdische Umzäunung niedergerissen war, alle Nationen in
die Gemeinde eingeführt werden sollten. Diese und andere Gaben der
Weissagung haben, da es sich um Zeichen handelt, lange seither aufgehört
und sind beiseitegelegt worden. Wir haben keine Ermunterung, ihr
Aufleben zu erwarten, sondern werden ganz im Gegenteil dazu angeleitet,
die Heiligen Schriften das befestigte Wort der Weissagung zu nennen, das
gewisser ist als jede Stimme vom Himmel; und wir werden angeleitet, auf
diese zu achten, sie zu erforschen und an ihnen festzuhalten, 2Pet
1:19."
John Gill:
"Haben alle Wunderkräfte? Nein. In jener frühen Zeit, als die Gabe
der Wunderkräfte gegeben wurde, hatten sie nicht alle, und heute besitzt
sie gar niemand."
C. H. Spurgeon:
"Gewiss können wir keine Wunder tun, aber wir können die Werke tun,
die die Kinder Gottes kennzeichnen. Wir können geistliche Wunder tun.
Heute können wir vor dem Grab eines in Sünden toten Menschen stehen und
sagen: 'Lazarus, komm heraus!' Und immer wieder erleben wir, wie Gott
durch die Kraft des Heiligen Geistes auf unsere Predigt hin die Toten
auferweckt."
"Die Apostel waren Männer, die als Zeugen
erwählt wurden, weil sie den Retter persönlich gesehen hatten. Sie
hatten ein Amt, dass notwendigweise aussterben musste, weil auch die
Wunderkräfte aufhörten."
"Obwohl wir die Wunder nicht erwarten dürfen
und auch nicht brauchen, die mit der Gabe des Heiligen Geistes kamen, da
diese physischer Natur waren, dürfen wir das sowohl begehren als auch
erwarten, worauf jene Wunderkräfte hinwiesen und was sie symbolisierten:
Die geistlichen Wunder, die bis zum heutigen Tag unter uns geschehen."
"Die Werke des Heiligen Geistes, die
gegenwärtig der Gemeinde Gottes gewährt werden, sind in jeder Beziehung
jenen früheren Wundergaben gleichwertig, welche nicht mehr unter uns
sind. Das Werk des Heiligen Geistes, durch das Menschen aus ihrem
geistlichen Tod auferweckt werden, ist nicht geringer als jene Macht,
durch welche die Menschen damals in Zungen redeten."
Spurgeon forderte selbsternannte Apostel offen heraus:
"Die Apostel hatte Vollmacht, besondere Werke zu tun. Aber wer seid
ihr? Ihr nennt Euch deren Nachfolger? Dann tut die gleichen Wunder, die
sie taten: nehmt Schlangen auf, trinkt etwas Giftiges, ohne dass es Euch
schadet; beweist uns, dass ihr den Herrn gesehen habt, und auch, dass
gespaltene Zungen wie von Feuer sich auf eure Häupter gesenkt haben."
J. C. Ryle, anglikanischer Bibelausleger des 19. Jahrhunderts:
"Das Zeitalter der Wunder hat ohne allen Zweifel längst aufgehört. Es
war nie Gottes Absicht, dass sie über die Zeit der Gründung der
christlichen Kirche hinaus bleiben sollten.... Obwohl die Zeit der
physikalischen Wunder vorbei ist... ist die Zeit der geistlichen Wunder
nicht vorbei. Glückselig, wer sagen kann: Ich war tot, aber ich lebe
wieder; ich war blind, aber jetzt sehe ich." (Expository Thoughts on
Mark, 1857)
J. N. Darby
"Was die Zeichen betrifft, lesen wir, dass der Herr 'das Wort
bestätigte durch die nachfolgenden Zeichen'. Mose wirkte Wunder, und
auch Elija inmitten eines abgefallenen Israel. Aber das taten die andern
Propheten nicht. Jesaja und Jeremia wirkten keine Wunder, auch Johannes
der Täufer nicht. Wenn Gott etwas Neues einführt, dann treten sie auf,
denn die Sache musste durch ein deutliches Zeugnis für armselige Herzen
bestätigt werden. Ich sehe keine Wiederherstellung der Wunder. Es wird
am Ende vom Teufel gewirkte Wunder geben: Machttaten, Zeichen und Wunder
der Lüge."
William Kelly
"Wir fragen uns angesichts der biblischen Zeugnisse von Wundern:
Warum geschehen heute keine Wunder? Niemand stellt Gottes Recht und
Macht in Frage, zu tun, was Er will, und es ist möglich, dass Er gerade
jetzt irgendwo Seine Hand ausstreckt und ein Naturgesetz aufhebt, um
Seine Geliebten zu befreien. Aber ein solches Geschehen stellt kein
öffentliches Zeugnis dar; denn der Heilige Geist ist jetzt in der Welt,
um sie zu überführen, und zwar durch das Mittel Seines vollendeten und
abgeschlossenen Wortes, und das könnte nicht einmal durch nachfolgende
Zeichen wirksamer gemacht werden. Das Wort ist in sich mächtig,
Bollwerke niederzureißen, und wenn eine widersprechende Welt dessen
Kraft im Leben des Gläubigen sieht, und wenn es durch die Predigt
bekannt gemacht wird, dann braucht es kein sinnliches Zeichen, um die
Wahrheit Gottes zu bestätigen. Denn es ist offenkundig, dass ein Wunder
der Gnade in einer jeden von Satans Macht geretteten Seele geschehen
ist; und das Zeugnis von der vollständigen Genugsamkeit des Wortes
Gottes als des Schwertes des Geistes würde nur geschwächt, geschähen
jetzt Zeichen, die das Wort bestätigten. Wir können die alleinige
Autorität des nun vollendeten Wortes Gottes, das durch den vom Himmel
gesandten Heiligen Geist kräftig gemacht wird, nicht stark genug
betonen. Es kommt der Tag, an dem der, der jetzt zurückhält, aus dem
Wege sein wird, und dann wird die Welt den Antichristen anbeten, der
Machttaten, Zeichen und Wunder wirken wird."
8. Die Wunder der Endzeit
Es werden in der Endzeit zwei Arten von Wundern geschehen: göttliche
und Widergöttliche. Die widergöttlichen Wunder werden die Welt
verführen; die göttlichen Wunder werden die Welt verurteilen.
a) Die endzeitlichen Zeichen und Wunder der
Verführung
"Denn es werden falsche Christi und falsche Propheten aufstehen und
werden große Zeichen und Wunder tun, um so, wenn möglich, auch die
Auserwählten zu verführen" (Mt 24:24).
Der Apostel bestätigte die Weissagung des Herrn im 2.
Thessalonicherbrief. Der Antichrist wird Zeichen und Wunder tun, um die
Menschen zu verführen:
"Dessen Ankunft ist nach der Wirksamkeit des Satans, in aller Macht
und allen Zeichen und Wundern der Lüge und in allem Betrug der
Ungerechtigkeit denen, die verloren gehen, darum daß sie die Liebe zur
Wahrheit nicht annahmen, damit sie errettet würden" (2Thes 2:9-10).
Wir lesen im letzten Buch der Bibel, dass der falsche Prophet
auftritt und durch Zeichen und Wunder die Menschen verführt:
"Es verführt, die auf der Erde wohnen wegen der Zeichen, welche vor
dem Tiere zu tun ihm gegeben wurde, indem es die, welche auf der Erde
wohnen, auffordert, ein Bild dem Tiere zu machen, das die Wunde des
Schwertes hat und lebte" (Off 13:14).
"Es sind Geister von Dämonen, die Zeichen tun..." (Off 16:14).
b) Die endzeitlichen Zeichen und Wunder des
Gerichts
"Und ich sah einen seiner Köpfe wie zum Tode geschlachtet. Und seine
Todeswunde wurde geheilt, und die ganze Erde verwunderte sich über das
Tier. Und sie beteten den Drachen an, weil er dem Tiere die Gewalt gab,
und sie beteten das Tier an und sagten: Wer ist dem Tiere gleich? Und
wer vermag mit ihm zu kämpfen?" (Off 13:3-4).
Apostel
Eine schicksalshafte Umwälzung
All das bedeutet, dass die Mehrheit der evangelischen oder evangelikalen
oder protestantischen Christen heute in dieser Frage Römisch Katholisch
denkt. Wer noch so urteilt, wie es die evangelischen und reformierten
Christen seit Jahrhunderten taten, ist zum Außenseiter und vielen damit
zum Ärgernis geworden.
a) Es gibt "Wunder" und "Wunder"
Wir verwenden im Deutschen dieses Wort weitgehend so wie die hebräische
und griechische Bibel. Diese und wir sagen "Wunder", und meinen dann
Gottes Werke in der Schöpfung, in der Vorsehung und in der Erlösung. Im
Zusammenhang von Zeugung und Geburt reden wir vom "Wunder des Lebens".
So nennen wir auch schicksalshafte Fügungen, die manchmal sogar in die
Geschichtsbücher eingehen wie "das Wunder von Dünkirchen" vom Mai/Juni
1940. Der Glaube sieht in solchen Werken und Fügungen die Hand Gottes
und nennt sie daher mit den biblischen Autoren "Wunder", wie etwa Ps
139:15 (14).
Diese Art von Wundern stehen bei den Christen nicht zur Debatte,
hingegen das, was wir insonderheit "Wunder" nennen, nämlich
außergewöhnliche Manifestationen der göttlichen Macht, direkte Eingriffe
des Diesseits ins Jenseits, Werke, bei denen Gott den Gebrauch
gewöhnlicher Mittel umgeht und geschehen lässt, was auf natürlichem Weg
nicht erklärbar ist und nie beobachtet worden ist: "Noch nie haben wir
derlei in Israel gesehen!" rufen die Menschen, nach dem Herr den
Gichtbrüchigen geheilt hat (Mk 2:12). Wenn jemand auf dem Wasser
wandelt, dann ist das ein "Wunder", ein Mirakel, ein Zeichen. Gott trägt
uns jeden Tag, nur nicht unmittelbar, sondern mittelbar, nämlich durch
den Erdboden. Weil das aber mit solcher Zuverlässigkeit und
Beständigkeit geschieht, nehmen wir das Wunder kaum noch zur Kenntnis,
und der Ungläubige sieht es schon gar nicht. Wir erinnern uns erst an
das Wunder, dass Gott alles und alle trägt, wenn Er einmal auf die
gewöhnlichen Mittel verzichtet und jemand scheinbar schwerelos über den
Elementen schwebt.
Wenn wir im Folgenden von "Wundern" reden, dann meinen wir Geschehnisse
von eben dieser auffälligen, ja, spektakulären Art.
Alle sind der Überzeugung, dass Gott Wunder wirken kann und auch heute
noch Wunder wirkt. Einige, oder genauer: immer mehr Christen sind der
Überzeugung, dass Gott auch heute Menschen die Fähigkeit gibt, Wunder zu
wirken. Das ist ein Streitpunkt, über den wir Klarheit bekommen müssen.
Wir glauben alle, dass Gott zu Zeiten gewissen Menschen die Fähigkeit
gab, Wunder zu wirken, nämlich Mose, Elija und Elisa und den Aposteln.
Immer mehr Christen glauben, dass Gott diese Fähigkeit zu allen Zeiten
und damit auch heute noch den Gläubigen oder gewissen Gläubigen unter
gewissen Umständen oder gemäß bestimmter Voraussetzungen (z. B. genügend
Glauben) gibt.
Im Alten Testament werden vier Wörter für Gottes wunderbares und
wunderhaftes Wirken verwendet: mofêt, niflâ', 'ôt und gebûrâh. Die
beiden erstgenannten werden immer mit "Wunder" übersetzt und stehen
sowohl für Gottes Werke der Schöpfung und der Vorsehung (Hi 37:14) als
auch für Wunderwerke (5Mo 6:22). 'ôt wird immer mit "Zeichen" übersetzt
(1Mo 1:14; 2Mo 4:8), und gebûrâh mit "Machttat" (5Mo 3:24; Ps 106:2).
Im Neuen Testament werden die Ausdrücke "Zeichen" (sêmeion), "Wunder"
(teras) und "Machttaten" (dynamis) verwendet; manchmal stehen sie alle
drei nebeneinander (Apg 2:22; Heb 2:4). Das Wort "Zeichen" will besagen,
dass man über das Geschehen hinaus blicken sollte, um etwas Höheres als
das sichtbare Ereignis zu sehen. Das Wort "Wunder" besagt, dass etwas
Außergewöhnliches und Staunen Erregendes geschieht, und "Machttat"
bedeutet, dass sich im Geschehen Gottes Macht in besonderer Weise
entfaltet.
Wunder sind heilsgeschichtlich im Gegenteil sehr selten. Der erste
Mensch, von dem die Bibel berichtet, dass er Wunder wirkte, war Mose. Er
lebte aber mindestens 2500 Jahre nach Adam. Nach Mose tat Josua einige
Wunder, und dann geschahen während ganzer Generationen keine Wunder
mehr. Nachdem sie vereinzelt bei einigen Richtern aufgetreten waren,
geschahen sie erst wieder zur Zeit Elijas und Elisas in größerer Zahl.
Die Schriftpropheten hatten offenbar nicht die Gewalt, Wunder zu tun. Es
dauert bis zum Kommen des Sohnes Gottes, bis wiederum Zeichen und Wunder
geschehen.
Das ist eine sehr verbreitete Meinung, die von der Bibel aber nicht
gestützt wird. Die eben gemachte Beobachtung, dass Wunder selten waren,
zeigt, dass zahlreiche Männer Gottes, die gewiss nicht glaubensschwach
waren, keine Wunder wirkten. Heb 11:6 stellt uns Noah als einen der
Glaubensvorbilder des Alten Testaments hin, und er hatte eine
außerordentlich ernste Botschaft an seine Zeitgenossen zu richten. Aber
er tat keine Wunder, ebenso wenig Abraham, der Mann des Glaubens, auch
David nicht, den Gott selbst einen Mann nach seinem Herzen nennt. In Mk
16:17 steht der oft zitierte Satz: "Diese Zeichen werden denen folgen,
die glauben", und da meinen manche den Schriftbeweis für ihre Behauptung
zu haben, es liege allein am Unglauben, wenn wir heute keine Zeichen und
Wunder tun. Eine einzige Frage des Apostels stellt die Torheit dieser
Annahme bloß: "Haben alle Wunderkräfte?" Wir wissen die Antwort. Calvin
erklärte die Stelle sehr einleuchtend:
Wenn wir die Bibel auf diese Meinung hin untersuchen, stellen wir fest,
- dass sie niemanden zum Glauben brachten
- dass sie nirgends sagt, Wunder seien dazu gegeben
Ich höre schon, wie einige protestieren, Gott habe doch dem Mose gesagt,
und im Johannesevangelium heiße es doch, usw. Wir schlagen die
entsprechenden Stellen auf und lesen sie, aber sorgfältig,
Und nun schlagen wir die zweite Stelle auf, die fast immer genannt wird,
wenn man beweisen will, die Zeichen seien dazu da, den Unglauben im
Menschenherzen zu überwinden und Glauben an Gott zu wecken.
Nein, hier steht nicht, Jesus habe all diese Zeichen getan, damit wir
glauben und durch den Glauben ewiges Leben haben. Hier steht vielmehr:
Die sieben Zeichen, die Johannes aus den unzähligen Zeichen des Herrn
aussuchte, sind im Johannesevangelium geschrieben, damit wir lesen und
durch das Lesen dieses Wortes glauben und gerettet werden (Rö 10:17).
Zahllose Menschen haben das Johannesevangelium gelesen, haben geglaubt
und das Ewige Leben gefunden. Hingegen war das Ergebnis der Wunder auf
die Augenzeugen dieser stupenden Werke des Sohnes Gottes eine
durchschlagende Enttäuschung, wie Johannes ausdrücklich festhält:
Sahen wir am Pharao die Wirkung der Wunder auf den Ungläubigen, sehen
wir an den Israeliten die Wirkung der Wunder an den Erlösten. Sie hatten
Gottes Wunder am Sinai gesehen, und doch vergaßen sie den Gott dieser
Wunder (Ps 106:21; 2Mo 32:8). Die Jünger hatten alle Zeichen und Wunder
gesehen, die der Herr tat, und doch waren ihre Herzen noch ungläubig,
wie alle vier Evangelisten mit Nachdruck sagen (Mt 28:17, Mk
16:11,13,14; Lk 24:25,37,38; Joh 20:27).
Die Wunder, die Gott durch Seine Boten tat, waren gleichzeitig Zeichen.
Sie wiesen damit über sich hinaus auf etwas Größeres, auf etwas Ewiges.
Es ist für Johannes typisch, dass er außer an einer Stelle die Wunder
des Herrn stets "Zeichen", griechisch sêmeia, nennt. Aus Johannes 20:31
schließen wir, dass die Zeichen zweierlei demonstrierten, nämlich:
das ewige Leben: worin es besteht und wie man es erlangt.
Es waren Werke, die im Alten Testament als die besonderen Werke Gottes
dargestellt werden; sie die Stillung des stürmischen Meeres (Ps 107:29);
das Wandeln auf dem Meer in einem Sturm (Hi 9:8); das Austreiben von
Teufeln (Ps 74:14); das Speisen der Menschenmenge in der Wildnis (5Mo
8:16); das Nennen der Gedanken des Menschen (Am 4:13); das Auferwecken
der Toten (Ps 68:20); das Öffnen der Augen der Blinden (Ps 146:8); das
Heilen der Kranken (Ps 103:3); das Aufrichten der Niedergebeugten (Ps
146:8).
Die Zeichen waren Werke, welche Abbilder des großen Werkes waren, das an
den Menschenherzen zu wirken Er gekommen war. Sie repräsentierten diese
innere, geistliche Reinigung, Heilung, Erneuerung und Auferstehung, die
allen Erlösten zuteil wird. "
(Edwards, Works, Bd I, S. 577).
Prophetische und Apostolische Sendung sind mit den Wundern untrennbar
verbunden. Wenn Wunder geschahen, dann war das der Beweis dafür, dass
jemand von Gott gesandt war . Das zeigt sich an Mose, Elia, Jesus und
den Aposteln.
Wir lesen in Hebräer 2:3,4
Die Errettung aus Ägypten geschah mit allen Zeichen und Wundern nur
einmal in dieser Weise. Nachdem die Errettung geschehen und die
dazugehörige Offenbarung gegeben worden war, gab Gott nicht immer wieder
Zeichen und Wunder. Vielmehr sollte Israel sich erstens an das
geschriebene Gesetz halten und zweitens in der Passahfeier der großen
Rettungstat Gottes gedenken.
(Vorrede zur ersten Ausgabe der Institutio)
(Auslegung zu Heb 2:4)
(Thoughts on Revival. Works, Bd. I, S. 404).
Erstens: Ist die Botschaft Gottes ist abgeschlossen?
Zweitens: Ist die Offenbarung Gottes ist nicht abgeschlossen?
Wenn Gottes Heilsoffenbarung vollendet ist, dann dürfen wir nicht damit
rechnen, dass jetzt noch Menschen unter uns sind, die Gott befähigt,
Zeichen und Wunder zu tun.
Wenn Gottes Heilsoffenbarung nicht vollendet ist, dann müssen wir damit
rechnen, Gott heute noch Menschen befähigt, Zeichen und Wunder zu tun.
Mit dem Kommen des Herrn erreichte Gottes Offenbarung ihren Höhepunkt
und ihr Ende:
Im 1. Korintherbrief sagt Paulus noch: "Unsere Erkenntnis geschieht
stückweise", und kündigt an, dass diese Art des Erkennens mit dem
Eintreffen "des Vollkommenen" aufhören werde (1Kor 13:9,10). In seinen
beiden letzten Schriften, den beiden Timotheusbriefen, verweist der
Apostel immer wieder auf das anvertraute Gut (1Tim 6:20; 2Tim 1:14).
Offenkundig hatte er seinem Schüler Timotheus die Glaubenslehre schon
vollständig beigebracht und damit zum Bewahren und Weiterreichen (2Tim
2:2) übergeben. Im 2. Petrusbrief, den der Apostel kurz vor seinem Tod
schrieb (siehe 1:14), verweist er darauf, dass Gott fortan nicht mehr
durch direkte Inspiration, durch wunderhafte Stimmen und Zeugnisse zu
seinem Volk sprechen werde wie ehedem (1:1618), sondern durch das
"prophetische Wort". Dieses Wort ist "befestigter" (1:19) als die durch
besondere Offenbarungen gewährte stückweise Erkenntnis. Also auch Petrus
deutet ein abgeschlossene Glaubenslehre an und gibt dann einen
deutlichen Wink, wie wir diese fortan auszulegen haben (1:20,21). Es ist
und das kann nicht stark genug betont werden nur möglich, die Bibel
mit der Bibel auszulegen, wenn Gott uns durch die Apostel eine
geschlossene Offenbarung übergeben hat. Judas spricht ebenfalls von
einer ein für allemal überlieferten Glaubenslehre (Jud 3). Und Johannes
schließlich sagt in jenem Buch, das den neutestamentlichen Kanon
abschließt:
Der Schweizer Reformator Bullinger führte das von Zwingli angefangene
Werk nach dessen frühzeitigem Tod fort. Er verfasste das Zweite
Helvetische Bekenntnis (Confessio Helvetica posterior), die dogmatische
Grundlage der reformierten Kirche in der Eidgenossenschaft.
Die jährliche Erinnerungsfeier des Auszugs aus Ägypten ist ein
deutliches Zeugnis dafür, dass die Art von Zeichen, die damals
geschahen, nicht für alle nachfolgenden Zeiten zu erwarten waren. Gott
wollte, dass man sich der Errettung erinnere und Gott dafür danke, er
wollte ganz sicher nicht, dass man immer neu nach den gleichen
Wundertaten Ausschau halten sollte. Von Mose, dem Mann des Exodus, sagt
der Epilog des 5. Mosebuches:
In Joh 14:12 kündigt der Herr geradezu Überwältigendes an:
Als der Herr Kranke heilte und Tote auferweckte, begegnete Er rein
zeitlichen Nöten. Die Werke, die die Apostel und danach die Christen
seit Pfingsten tun, begegnen den ewigen Bedürfnissen des Menschen.
Sünder werden auf ewig vom Aussatz der Sünde gereinigt und werden zu
unverweslichem Leben auferweckt (Eph 2:16). Wenn wir das Evangelium
predigen, wirkt Gott durch Sein Wort Wunder, die größer sind als alles,
was Er in der Schöpfung gewirkt hat. Als Er die Welten schuf, musste Er
keinen Widerstand überwinden. Als die Erlösung wirkte, musste Er die
ganze Macht Satans und des Todes niederringen, und jedesmal, wenn Er das
Wunder der Errettung und Wiedergeburt wirkt, muss außer dem Teufel auch
die Sünde im Erlösten überwinden; Er muss ihn mit übernatürlicher Macht
der Macht Satans entreißen, und Er muss Ihm mit Seiner übernatürlichen
Macht den Widerstand gegen das Wort des Heils niederringen.
In der Apostelgeschichte treten die Wunder anfänglich gehäuft auf und
werden nachher immer spärlicher. Nachdem das Zeugnis der Apostel in
Jerusalem verkündigt, von Gott beglaubigt aber abgelehnt worden ist,
geschehen dort keine Zeichen mehr. Paulus bleibt im Gefängnis und wird
weder wie Petrus durch einen Engel noch wie einst in Philippi durch ein
Erdbeben befreit (Kap 22). Er wird über einen Anschlag auf ganz
gewöhnlichem Weg durch seinen Schwestersohn aufgeklärt, und Gott
verwendet das gewöhnliche Mittel einer Schutzeinheit, um ihn aus
Jerusalem in Sicherheit zu bringen (Kap 23).
Den letzten historischen Bericht von Zeichen haben wir in Apg 28:39.
Alle Indizien weisen darauf hin, dass die Zeit der Zeichen und Wunder
dann anfing, an ihr Ende zu kommen. Paulus schrieb aus der römischen
Haft den Philipperbrief (61 n. Chr.) Er berichtet vom Philipperchristen
Epaphroditus, der bei seinem Besuch in Rom so krank geworden war, dass
der Apostel gefürchtet hatte, er werde sterben. Phil 2:2527 zeigen, wie
hilflos Paulus gewesen und wie Gott sich seiner und des Kranken erbarmt
hatte. Es fehlt jeder Hinweis auf die Kraft, ein Heilungswunder zu tun.
Im Jahre 62 muss Paulus auf seiner letzten Reise in Kleinasien seinen
Mitarbeiter Trophimus krank in Milet zurücklassen (2Tim 4:20). Er konnte
ihn offensichtlich nicht heilen, gibt aber Timotheus einen Wink, ihm
doch aus dem nahen Ephesus doch einen kleinen Krankenbesuch abzustatten.
Das sind ganz normale Verhältnisse, wie wir sie bis zum heutigen Tag in
den Gemeinden kennen. Ebenfalls der einfache medizinische Rat an
Timotheus, sein Unwohlsein mit ein wenig Wein zu lindern (1Tim 5:23).
Der Apostel wünscht, dass seinem geistlichen Kind geholfen werde, aber
er kann ihm nicht versprechen, er werde ihn bei ihrem nächsten
Wiedersehen heilen, noch kann er einen entsprechend begabten Bruder
empfehlen. Dürfen wir annehmen, der Herr der Gemeinde habe inzwischen
die Macht, Kranke zu heilen, zurückgezogen?
Als Paulus zum ersten Mal in Ephesus war, tat er noch apostolische
Zeichen und Wunder (Apg 19:11,12). Von dort schrieb er den 1.
Korintherbrief (siehe 16:8) und spricht daher ganze passenderweise von
der Geistesgabe der Heilung und der Wunderwerke. In keinem einzigen
späteren Brief erwähnt er diese Gaben mehr. Das ist ein weiteres Indiz
dafür, dass die Zeichengaben ihre heilsgeschichtliche Aufgabe erfüllt
und inzwischen aufhört hatten. In den späteren Briefen betont der
Apostel um so stärker die Lehre. In den beiden Timotheusbriefen, seinen
letzten Schriften, kommen die Wörter "Lehre" und "lehren" insgesamt
23mal vor. Angesichts von zunehmender Verführung weist der Apostel mit
immer größerem Nachdruck zum geschriebenen Wort:
Wie Paulus so verweisen auch die andern Apostel auf die geschriebene
Offenbarung. Petrus erinnert daran, dass in den Tagen, da der Herr auf
der Erde war, Visionen und Stimmen ihren Platz hatten, dass wir aber nun
mehr das prophetische Wort besitzen, das uns so lange leuchtet, bis der
Herr kommt (2Pet 1:1619). Judas spricht nur noch von der Glaubenslehre
(V. 3), vom Gebet und vom warten auf das Kommen des Herrn (V. 20,21). In
keinem der Sendschreiben findet sich Tadel oder Lob für vorhandene oder
fehlende Wunder, Zeichen oder Visionen. Der Herr spricht stattdessen von
Lehre, von Ausharren, von Bewahren des Wortes des Wahrheit als Ausdruck
der Liebe zu ihm. Das sind offensichtlich die entscheidenden Dinge,
nicht die Pflege von Geistesgaben und Krankenheilung und Wunderwirken.
Warum spielen diese Dinge in keiner einzigen Auswertung der sieben
Gemeinden eine Rolle? Müssen wir nicht annehmen, dass die Zeichen und
Wunder aufgehört hatten?
Wenn wir bedenken, dass Gott das Wort als Mittel erwählt hat, um Seine
Heilsgedanken zu offenbaren, wenn wir an den Stellenwert denen, den das
geschriebene Wort damit bekommt, erwarten wir fast, dass die Bibel
selbst irgendwo sagt, dass die abgeschlossene Offenbarung tatsächlich
"das Vollkommene" ist, wie das in 1Kor 13:10 der Fall ist.
B. B. Warfield schreibt in seiner klassischen Studie über Zeichen und
Wunder von den Tagen der Apostel bis zur Gegenwart:
Montanus wirkte gegen Ende des 2. Jahrhundert, rund hundert Jahre nach
den Aposteln des Herrn.
(Chrysostomos bezüglich der Geistesgaben in seinem Kommentar zu 1Kor
12:1,2)
Aurelius Augustin (354430):
Sie wiesen den Anspruch der apostolischen Sukzession zurück. Nicht
irgendwelche bevollmächtigten Personen wie der Papst, und keine
unfehlbare Kirche wie die Römische, sondern einzig die vollendete
Offenbarung Gottes sei Licht und Lehrerin des Volkes Gottes.
Die Reformatoren hielten allen vorgeblich göttlichen Stimmen, die durch
einen selbsternannten Nachfolger der Apostel und durch die in seinem
Sinn beweisführenden Visionen und Wunderberichte ertönten, das
geschriebene Wort entgegen. Keine andere Stimme dürfe gehört werden al
allein die der Heiligen Schrift:
Die Menschen, die dem Ruf allein zur Schrift folgten und sich allein auf
die Schrift gründeten, erfuhren: Hier redet Gott umfassend; hier redet
Er abschließend, und hier redet Er mit Gewalt.
Die Ansprüche der Zwickauer Propheten, einer Gruppe von
direktInspirierten, wies der Reformator mit dem Wort ab:
(Charity and its Fruits, S. 29)
(Owen, Works, Bd. IV, 518).
Der Puritaner Henry schrieb den seit dem 18. Jahrhundert bis heute
meistgelesene englischen Kommentar zu allen Büchern der Bibel. Er
schrieb 1712 im Vorwort zu Bd. IV seines Bibelwerkes:
Der Bibelausleger John Gill war Baptist und dazu einer der fähigsten
Hebraisten seiner Zeit. Er schreibt in seinem Kommentar zu 1Kor 12:29
Spurgeon kommentierte Berichte der Irvingianer, die apostolischen Wunder
seien in der Kirche Christi wiederhergestellt worden, knapp und
treffend: "Das ist der gähnende Abgrund des Fanatismus." Er äußerte sich
einige Male zum Sinn der Zeichen und Wunder:
(Metropolitan Tabernacle Pulpit 1871, Bd .17, S. 178)
(Metr. Tab. Pulpit 1881, Bd. 27, S. 521).
(Metr. Tab. Pulpit, 1884, Bd. 30, S. 386).
Der Herr kündigte an, dass die Endzeit eine Zeit zunehmender Verführung
sein werde (Mt 24:4,5,11). Dabei werden Zeichen eine wichtige Rolle
spielen:
In der Endzeit werden noch einmal göttlich gewirkte Wunder auftreten.
Die beiden Zeugen von Offenbarung 11 werden die gleichen Zeichen wirken,
die Mose und Elija wirkten: Sie verwandeln Wasser in Blut, sie werden
die Erde mit allerlei Plagen schlagen, sie werden den Himmel
verschließen, und Feuer wird von ihnen ausgehen und jeden verschlingen,
der sie antasten will. Es fällt uns also auf: Es sind alles ohne
Ausnahme Zeichen des Gerichts. Die endzeitlichen Zeichen sind damit alle
Ausdruck von Gottes Missfallen, es sind Boten des herannahenden
endgültigen Gerichts. Sie bringen alle Unheil und Tod. Wir sollten daher
in der Endzeit nicht Zeichen der Heilung und Wiederherstellung erwarten.
Es wird zwar Heilungswunder geben, aber nicht als göttliche, sondern als
satanische Zeichen: