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BABYLON
Die Stadt und die
Region Babylon spielen in der Bibel in
vierfacher Hinsicht eine wichtige
Schlüsselrolle - geographisch, politisch,
geistlich und prophetisch. Der Name
»Babylon« leitet sich vom hebräischen babel
ab: »Tor Gottes«. Ein entfernt verwandtes
Wort ist das Verb bala l: »verwirren«,
»verwechseln«, »durcheinander bringen«. In
der hebräischen Wortfamilie finden sich
weiterhin folgende verwandte Begriffe: bal
(nicht), bele (abgenutzt), balay (in
Schwierigkeiten sein).
Die geographische
Region Babylonien umfasste etwa 13.000
Quadratkilometer zwischen den Flüssen
Euphrat und Tigris; in der Überlieferung ist
dies die Lage des Gartens Eden, wo die
ersten Menschen lebten ( 1Mo 2,14 ). Nach
der Sintflut befand sich hier das
babylonische Reich ( 1Mo 10,10 ), das auch
als das Land Sinear (oder Schinar)
bezeichnet wurde. Dieses Wort könnte mit dem
Hebräischen schanah verwandt sein, was
»strahlen, glänzen, leuchten«, »Jahr« oder
»wiederholen« (im jährlichen Zyklus der
Monate) bedeuten kann. Das könnte eine
entfernte Anspielung auf die Tatsache sein,
dass Astronomie und Astrologie in dieser
Region erstmals voll entwickelt waren und
dass hier die Götter erdacht wurden - Wesen,
die die Himmel und die Erde beherrschten.
Aus dieser Region stammte Nimrod, der erste
König von Babylon. Seine Name bedeutet:
»sich empören«, »sich erheben« ( 1Mo 10,8-10
). Im ersten Buch Moses wird uns außerdem
berichtet, dass hier die mit Erech, Akkad
und Kalne verwandten Völker wohnten. Weiter
im Norden hat das antike Assyrien mit der
Stadt Ninive seine Wurzeln ( 1Mo 20,22 ).
Diese Völker und ihre Gebiete spielen eine
bedeutsame Rolle in dem langen Konflikt mit
Gottes auserwähltem Volk, den Israeliten.
Abraham wanderte aus
diesem Gebiet aus, das zu seiner Zeit »Ur
der Chaldäer« genannt wurde ( 1Mo 11,28 ).
Um 1792-1750 v. Chr. Wurde Babylon von
Hammurabi beherrscht. Die Königsfolge von
Assyrien begann mit Assurnarsipal II. um 883
v. Chr. Das Neubabylonische Reich entstand
um 626 v. Chr. mit Nebukadnezar, der im Jahr
605 v. Chr. an die Macht kam. Derselbe
Nebukadnezar zerstörte später, im Jahr 586
v.Chr., Jerusalem und den Tempel. Trotz
seiner langen Geschichte fiel Babylon 539 v.
Chr. an die Meder. In all diesen Ereignissen
spielte Babylon eine Hauptrolle als Nation
und als Instrument Gottes zur Züchtigung
Israels.
Jesaja beispielsweise
prophezeite, dass Babylon wegen der Sünden
Israels ins Land einfallen, das Volk in die
Gefangenschaft führen und nichts im Land
lassen werde ( 2Kö 20,17 ). Jeremia sagte
voraus, dass die Gefangenschaft siebzig
Jahre andauern werde ( Jer 25,11 ). Babylon
werde jedoch für seinen Götzendienst
bestraft ( Jer 51,52 ), und auch all das
Unglück, dass es über Zion gebracht hatte (
Jer 51,24 ), werde ihm vergolten werden. Die
Völker würden nicht mehr in seine Tore
strömen, und seine Mauern würden fallen (
Jer 51,44 ). Die Ära eines vorherrschenden
Weltreichs werde zu Ende gehen und die
große, alles überschattende Macht, die einst
den ganzen Mittleren Osten beherrschte,
werde es nicht mehr geben. Zahlreiche
babylonische Städte spielten jedoch noch für
hunderte von Jahren nach dem Niedergang eine
wichtige Rolle auf der Weltbühne.
Geistlich repräsentiert
Babylon die Rebellion des Menschen gegen
Gott, den Sitz des Bösen, des Satanischen
und die Geburtsstätte der Vielgötterei. In
einem Spottgedicht auf den Herrscher (und
auf das System) Babylons ( Jes 14,1-23 )
wird der König als Verkörperung und Bild
Satans selbst dargestellt. In seinem Gedicht
geht Jesaja über den lebenden Beherrscher
der babylonischen Nation hinaus; er
porträtiert eine Personifizierung Luzifers.
Er hat den Absturz Satans im Blick, der vor
langer Zeit in der Ewigkeit ausrief: »Ich
will hinaufsteigen auf Wolkenhöhen, dem
Höchsten mich gleich machen« und »[Ich will]
hoch über den Sternen (den Engeln) Gottes
meinen Thron aufrichten« ( Jes 14,13-14 ).
Die Vielgötterei
Babylons ist nirgendwo anschaulicher als in
dem babylonischen Flutbericht, den das
Gilgamesch-Epos enthält. Darin handeln die
Gottheiten wie selbstsüchtige, lasterhafte
Menschen. Sie fließen über vor
Selbstmitleid, streiten mit- und hadern
gegeneinander, klagen sich gegenseitig an,
ducken sich »wie Hunde« und scharen sich
gierig umeinander »wie die Fliegen«. Diese
Götter sind launisch und zügellos in ihrer
Sündhaftigkeit. Kindisch leugnen sie die
Verantwortung für die schrecklichen
Zerstörungen durch die Flut und versuchen,
einander die Schuld dafür zuzuschieben
(Unger). Von Babylon aus verbreitete sich
die Verehrung solcher Gottheiten über die
heidnischen Kulturen der antiken Welt. Die
Verehrung dieser Götter war
bezeichnenderweise mit sexuellen
Perversionen verbunden, die die Gesittung
verdarben. So ist Babylon schuldig, die
heidnische Verzerrung des Bildes vom wahren
Schöpfergott verursacht zu haben.
Nichtsdestoweniger
machten die Babylonier die heidnischen
Religionen salonfähig. Sie entwickelten die
Idee des Pantheismus (die Vorstellung, dass
die Götter in jedem Vorgang oder Ausdruck
der Natur und ihrer Kräfte gegenwärtig sind)
und erhoben sie zu einer Kunstform. Sie
integrierten Kunst, Schauspiel und Musik in
die Religion, bis die heidnischen
Vorstellungen als höchster Ausdruck ihrer
Kultur attraktiv wurden. Babylon griff auch
die antike Form des Stadtstaates auf und
weitete sie zu einem bürokratischen System
aus, das die Kontrolle über die Bevölkerung
des ganzen Reiches möglich machte.
Die letzten
prophetischen Kapitel über Babylon finden
wir in Offb 17-18 . Unter Prämillennialisten
und Vertretern der Heilszeitenlehre bestehen
verschiedene Meinungen darüber, ob Babylon
nur ideell als Illustration des Diabolischen
zu verstehen ist, oder ob diese Kapitel ein
wieder erstandenes nationales Babylon in der
Trübsalszeit zeigen. Frühere
amillennialistische Gelehrte haben diese
Kapitel fast immer als eine Darstellung der
römisch- katholischen Kirche und ihrer
heidnischen, geistlichen Hurerei verstanden.
Manche Vertreter der Heilszeitenlehre
erkennen in diesem neu erstandenen Babylon
das wiederhergestellte Weltsystem, wie es am
Ende von Rom aus regiert wird. Andere lesen
aus diesen Kapiteln eine tatsächlich
wiederaufgebaute Stadt und wiedererstandene
Nation Babylon im Mittleren Osten heraus
(Dyer). Saddam Hussein ging beispielsweise
wirklich davon aus, dass Babylon einmal eine
Weltstadt, wenn nicht die Welthauptstadt
wird. Und manche Vertreter der
Heilszeitenlehre glauben, dass das
endzeitliche Reich des Antichristen ohne die
antike Stadt Babylon nicht offenbar werden
kann.
Andere kehren zu der
Ansicht zurück, dass das »Geheimnis« Babylon
ein System repräsentiert, das sich seit der
Antike bis heute erhalten hat. Es ist als
betrügerisches Übel in das religiöse System
der römischkatholischen Kirche eingebettet.
Deshalb kann der Hinweis in Offb 17,5 auf
»Babylon, die große, die Mutter der Huren
und der Gräuel der Erde« nicht nur mit einer
Örtlichkeit, sondern mit einem System
gleichgesetzt werden. Diese Hure »reitet«
oder lenkt eine Zeit lang das wieder
errichtete römische Weltreich. Aber die
Mächte, die dieses wieder erstandene Reich
begründen, werden sich gegen sie wenden und
»sie verwüsten und nackt machen und werden
ihr Fleisch fressen und sie mit Feuer
verbrennen« ( Offb 17,16 ). Aus Kapitel 18
kann keineswegs geschlossen werden, dass sie
auch eine Stadt mit wirtschaftlichem
Einfluss ist. Hunt argumentiert energisch,
dass es sich nach wie vor um das papistische
Rom handeln könnte, das gewaltigen
ökonomischen Einfluss auf die Welt hat und
auch noch in der Trübsalszeit haben wird.
In einer Art Kompromiss
wird auch gesagt, dass das Babylon der
Offenbarung einerseits die geistliche
Hurerei der Katholischen Kirche und ihrer
weltweit beherrschenden Stellung
repräsentiere, aber auch der geographische
Ort im Irak, der einen Diktator wie Saddam
Hussein haben könnte. Was hier auch immer
zutreffen mag, die Vertreter der
Heilszeitenlehre beschränken die Ereignisse
dieser Kapitel im Buch der Offenbarung auf
die Zeit der Trübsal, obwohl die finsteren,
bösen Einflüsse des antiken Babylon durch
die ganze Menschheitsgeschichte hindurch
wirksam sind. Einige weisen auch
nachdrücklich darauf hin, dass es nur so
scheint, als habe Gott die Sünden Babylons
vergessen, wenn auch seit seiner frühen
Gottlosigkeit eine lange Zeit vergangen ist.
Aber der Herr wird sie sich wieder ins
Gedächtnis zurückrufen. Das endzeitliche
Babylon ist nur der letzte Auswuchs
derselben Prinzipien, die auch das antike
Babylon antrieben. Alte Ärgernisse werden
helfen, die endgültige Rache zu entflammen
(Seiss).
Siehe auch: Trübsal,
die Große .
Mal Couch und Joseph
Chambers
Charles H. Dyer, The
Rise of Babylon (Wheaton: Tyndale, 1991);
Dave Hunt, Die Frau und das Tier (Bielefeld:
CLV, 1995); Merrill F. Unger, Archaeology
and the Old Testament (Grand Rapids:
Zondervan, 1956); John F. Walvoord, The
Bible Prophecy Handbook (Wheaton: Victor
Books, 1990).
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