3. Die Pharisäer und ihre Lästerung (12,22- 37)
22 Die Pharisäer hatten den Herrn inzwischen wieder eingeholt und
lauerten erneut auf Ihn.
Der Dämon, der diesen Mann überwältigt hatte, machte ihn sowohl
blind als auch stumm.
Er war damit auch ein Bild auf die jüdische Nation,
von der der Herr kurz danach sagte:
»Mit Gehör werdet ihr hören und doch nicht verstehen,
und sehend werdet ihr sehen und doch nicht wahrnehmen ...
und mit den Ohren haben sie schwer gehört, und ihre Augen haben sie
geschlossen,
damit sie nicht etwa mit den Augen sehen und mit den Ohren hören« (Mt
13,14-15);
und an anderer Stelle: »Zum Gericht bin ich in diese Welt gekommen, auf
dass die Nichtsehenden sehen und die Sehenden blind werden« (Joh 9,39).
Paulus ergänzt, David zitierend, das Urteil: »Gott hat
ihnen einen Geist der Schlafsucht gegeben, Augen, um nicht zu sehen, und
Ohren, um nicht zu hören,
bis auf den heutigen Tag« (Röm 11,8),
womit »Verstockung (oder: Blindheit) Israel zum Teil widerfahren ist« (Röm
11,25).
Der Besessene erhielt seine vollkommene
Gesundheit wieder, als der Herr den Dämon ausgetrieben hatte
. Wir dürfen deshalb aber nicht schließen,
Blindheit und Taubstummheit sei immer durch dämonische Besessenheit
bewirkt.
Das wäre ein ganz abwegiger Gedanke.
Christen können von körperlichen Leiden befallen sein, weil aber der
Geist Gottes in ihrem Leib wohnt, kann kein Dämon gleichzeitig Zugang
finden.
Die Heilung dieses Mannes ist gleichzeitig ein Bild auf die Bekehrung,
welche dem Menschen die Augen öffnet, den Sohn
Gottes im Glauben zu sehen
und den Mund öffnet, Ihn im Glauben als Herrn
zu bekennen (Röm 10,9).
Die Heilung ist überdies ein Bild auf die
zukünftige nationale Bekehrung Israels.
23-24_
Das Wunder löste drei unterschiedliche Reaktionen aus:
1._Die Leute (die Mehrheit) waren
erstaunt und fragten:
»Ist dies nicht der Sohn Davids?«
Sie kannten Sein
Geschlecht, und ahnten vielleicht,
dass Er der rechtmäßige Messias und
König der Juden war.
2._Einige der Pharisäer unterstellten Ihm
Gotteslästerung.
3._Die religiöseren unter den Pharisäern forderten ein
Zeichen (V. 38).
In Lk 11 erfolgt die Zeichenforderung unmittelbar nach
dem Zeichen (V. 16).
Die Anklage, dass Er die Dämonen »durch den
Beelzebub,
den Obersten der Dämonen« austreibe, war nicht allein
Gotteslästerung,
sondern es war auch widersinnig, wie der Herr alsbald
zeigte.
Ein andermal sagten sie Ihm:
»Du hast einen Dämon« (Joh 7,20;
8,48).
Der Herr gab Ihnen aber darauf die Antwort:
»Ihr seid aus dem
Vater, dem Teufel« (Joh 8,44).
25-26
_Wenn die Worte dieser Männer auch
nicht gehört wurden, so hörte der Herr doch, was sie in ihren Herzen
sagten.
Jedes Herz ist nackt und bloßgelegt vor Ihm (Hebr 4,13).
Als Er
Mensch wurde, legte Er Seine göttlichen Attribute wie das der
Allwissenheit nicht ab.
Im V. 25 finden sich zwei einfache Bilder, die
der Herr verwendete,
um den Pharisäern zu zeigen, wie unsinnig ihr
Anwurf war.
1._Ein Reich mit zwei gegeneinander kämpfenden Königen kann
keinen Bestand haben.
Die Beispiele von Korah und Mose, Absalom und
David, Salomo und Adonija zeigen uns,
dass kein zweiter gegen den
jeweiligen Führer oder König aufstehen durfte,
ansonsten jede Führung
zusammengebrochen wäre.
Das Tier und die Hure wollen beide zuoberst
sein; am Ende müssen
beide fallen (Offb 13-19).
Israel zerfiel zweier
rivalisierenden Könige wegen in zwei Reiche (Rehabeam und Jerobeam).
Sie
verfolgten verschiedene Ziele und lagen immer wieder miteianander im
Krieg (1Kö und 2Kö).
2._Das gleiche gilt für »jede Stadt oder
jedes
Haus, das wider sich selbst entzweit
ist«. Es kann nicht bestehen. Im
Jahre 70
n.Chr. waren die Juden, die in Jerusalem
wohnten, in
verschiedene rivalisierende
Parteien gespalten; die Stadt musste daher
vor dem belagernden Titus fallen. In den
Familien geschieht das gleiche,
wenn keine
gegenseitige Unterordnung da ist, wie das
heute so oft der
Fall ist: Die Familien
brechen auseinander. Wenn die Ältesten einer
örtlichen Versammlung unter sich entzweit
sind, ist die Katastrophe
unabwendbar.
In Korinth hielten sich die einen zu Apollos,
die anderen
zu Petrus und wieder andere
zu Paulus; das Ergebnis war Zerwürfnis und
Unruhe (1Kor 1,12).
Wenn der Satan Besessenheit verursacht
und Satan die
Besessenheit beseitigt, dann
ist er gegen sich entzweit. Er sendet nicht
mit der linken Hand einen Dämon in einen
Menschen, um diesen mit der
rechten Hand
wieder wegzusenden. Die Pharisäer konnten
die Frage des
Herrn nicht beantworten:
»Wie wird denn sein Reich bestehen?« Ihre
gotteslästerlichen Anklagen verpufften wirkungslos.
27-28_
Das gleiche
Prinzip müsste man
auch auf »Söhne« anwenden. Die zwölf
Apostel und die
weiteren Siebzig waren
mit göttlicher Befähigung ausgesandt worden,
die
unreinen Geistes auszutreiben (Mt 10,1;
Lk 9,9;
10,1.17). Wenn die Pharisäer den
Herrn beschuldigten, dann mussten sie
auch die Jünger der gleichen Sache zeihen;
denn »wenn die Welt euch
hasst, so wisset,
dass sie mich vor euch gehasst hat« (Joh 15,18).
Es
konnte nur eine Schlussfolgerung
richtig sein: Der Herr trieb die
Dämonen
durch den Geist Gottes aus. Die Pharisäer
sahen in Ihm nur den
Menschen Jesus, aber
der dreieine Gott war hier am Werk. Der
Geist des
HERRN war auf ihm, um den
Blinden das Gesicht zu geben (Lk 4,18). So
war
denn wahrhaftig das Reich Gottes
gegenwärtig, und das allein konnte die
Erklärung dafür sein, warum solche Kräfte
wirkten, welche die Mächte des
Bösen
zuschanden machten.
29_ In diesem Vers wird der Kampf des
Herrn
wieder den Satan umschrieben. Der
»Starke« ist der Satan mit seinen
Mächten.
»Das Haus« ist der Bereich seiner Macht;
er ist der Gott dieser
Welt und der Fürst der
Gewalt der Luft. Sein »Hausrat« sind die
Seelen,
die er für seinen Willen gefangen
hat. Babylon die Große wird ebenso
über
»Menschenseelen« verfügen (Offb 19,13).
In Lk 11,22 umschreibt der
Herr sich selbst
mit dem Ausdruck »ein Stärkerer als er«.
Er war dieser
Eine, der die Fürstentümer
und Gewalten überwinden und öffentlich
an den
Pranger stellen konnte (Kol 2,15)
und der durch den Tod den zunichte
machen
würde, der die Macht des Todes hat,
das ist den Teufel (Hebr
2,14). Einst wird
der Satan in den Abgrund eingeschlossen,
und am Ende
wird er in den Feuersee geworfen
werden (Offb 20,3.10). Der Herr
bezwang den Satan in scheinbarer
»Schwachheit«; die Offenbarung Seiner
Macht ist noch zukünftig. Der Herr kündigte
an: »Jetzt wird der Fürst
dieser Welt
hinausgeworfen« (Joh 12,31); und Er sagte,
dass »der Fürst
dieser Welt gerichtet« ist
(Joh 16,11). »Seinen Hausrat rauben«
bedeutet, dass der Herr Seelen aus der
Gewalt des Teufels befreit und zu
Gottes
Eigentum macht.
30_Entweder gehört man zum Reich des
Satan oder
zum Reich Gottes. Wer von
Satan regiert ist, muss »wider« den Herrn
sein, wie es im vorliegenden Zusammenhang
die Pharisäer in besonderer
Weise
waren. In Joh 8,44 sagt der Herr von ihnen:
»Ihr seid aus dem
Vater, dem Teufel, und
die Begierden eures Vaters wollt ihr tun.
« Wer
zerstreut, gleicht dem Mietling, durch
den die Herde zerstreut wird; wer
sammelt,
gleicht den Arbeitern, welche die Ernte
einsammeln (Mt
9,36-38).
31-32_Diese beiden Verse müssen in ihrem
Zusammenhang gedeutet
werden, wie wir
am Wort »deshalb« erkennen können. Der
Herr sagt
hiermit, dass es zwei Möglichkeiten
gibt:
1._»Jede Sünde und Lästerung
... ein
Wort ... wider den Sohn des Menschen«;
2._»die Lästerung des
Geistes ... wer
aber irgend wider den Heiligen Geist reden
wird«.
Der
Anlass für solche ernsten Worte war
die blasphemische Behauptung der
Pharisäer
gewesen, der Herr treibe die Dämonen
durch den Obersten der
Dämonen aus (V. 24),
während Er sie in Wirklichkeit durch
den Geist
Gottes austrieb (V. 28). Menschen
sündigen und reden unverständige
Worte gegen den Menschensohn, wenn sie
die Wahrheit über Seine Person
nicht kennen,
nicht erkennen, dass Er der Sohn
Gottes und damit Gott
selbst ist. Es gab
immer ein Sündopfer für Sünde »aus Versehen«
(3Mo
4,2); und solche Sünde konnte
vergeben werden, wo Buße, Bekenntnis,
und
Glauben vorhanden waren. Saulus
hatte vieles wider
den Namen Jesu von
Nazareth getan und hatte die Heiligen
gezwungen zu
lästern (Apg 26,9-11).
Dennoch fand er Vergebung. Wenn Menschen
aber
die Wahrheit über die Identität des
Menschensohnes erkannt hatten, und
ihn
dennoch verwerfen, obwohl der Geist
Gottes Zeugnis von Ihm gegeben
hatte,
dann war das Lästerung, die nicht vergeben
werden konnte. Die
Sünde war hartnäckig,
sie war zu weit gegangen, und Gottes Geist
würde
nicht allezeit mit solchen rechten.
Die Gelegenheit zur Buße würde nicht
mehr gewährt werden. Ihnen wurde die
Wahrheit nur noch in Gleichnissen
verkündigt,
und sie würden nichts mehr hören und
sehen (Mt 13,14-15).
Im vorliegenden
Zusammenhang werden die Pharisäer als
solche deklariert;
in Mt 23 werden sie
unwiderruflich verurteilt. Sie würden der
Verdammnis
der Hölle nicht entrinnen. Das
meinte Johannes, als er schrieb: »Es gibt
Sünde zum Tode; nicht für diese sage ich,
dass er bitten solle« (1Jo
5,16).
33_Dieser Vers bezieht sich auf das
unausweichliche Geschick,
das die Menschen
sich bereiten. In Mt 7,17-20 unterschied der
Herr
zwischen guten und faulen Bäumen.
Der Befehl »macht« ist hier auffällig;
er
zeigt, dass die Menschen dafür verantwortlich
sind, zu welcher Sorte
Baum sie
werden. Wenn einem Menschen das
Evangelium gepredigt wird, ist
er »neutral« in
dem Sinne, dass er noch in beide Richtungen
gehen kann.
Entweder er tut Buße und
glaubt und geht in die Richtung des ewigen
Lebens; oder aber er tut das, was die Pharisäer
hier taten: Er verwirft
die Wahrheit,
indem er wider sie lästert. Das bloße
Abweisen der
Wahrheit heißt noch nicht, dass
die Gelegenheit zur Buße für immer
vertan
ist; wer aber gegen den Heiligen Geist
gelästert hat, wird nie
mehr Gelegenheit
zur Buße haben. Wann ein Mensch so weit
ist, können wir
nicht erkennen; Gott aber
weiß es; Er erkennt jeden Menschen an
dessen
Frucht. Der Unglaube kann schließlich
unumkehrbar werden, weshalb
Evangelisten
die Verantwortung haben, die Zuhörer davor
zu warnen,
damit sie die Wahrheit nicht wieder abweisen.
34-35_Mit der »Otternbrut«
sind noch
immer die Pharisäer gemeint. Johannes der
Täufer nannte sie
bereits so (Mt 3,7); und
der Herr wird sie in 23,33 noch einmal so
bezeichnen. Sie waren wie die unvernünftigen
Tiere, bereitet zum
Verderben, die aber
zuvor noch so viele andere wie möglich
durch ihre
Lehren vergiften wollten. Von
der Metapher des Baumes wechselt der Herr
auf das Herz des Menschen über. Das
Herz des Menschen macht den Menschen
aus. Das, was der Mund redet, zeigt, was
bereits im Herzen ist. Der
Christ wird
Worte reden, die seiner Berufung entsprechen.
Der
Ungläubige wird Dinge reden,
die zu seinem Unglauben passen. »Der von
oben kommt, ist über allen; der von der
Erde ist, ist von der Erde und
redet von
der Erde« (Joh 3,31). Der Herr hat diese
Wahrheit in Mt
15,11-20 weiter ausgeführt.
Wer »böse Gedanken, Mord, Ehebruch, Hurerei,
Dieberei, falsche Zeugnisse, Lästerungen«
(Mt 15,19) im Herzen hat, wird
davon
reden. Paulus bietet einen weiteren Katalog
von Lastern in Gal
5,19-21. Das Herz des
Gläubigen aber ist mit einem anderen
Inhalt
gefüllt, mit einem Schatz. Paulus
nennt ihn »die Frucht des Geistes«
(Gal 5,22-23). Nur ein Herz, in dem solcher
Schatz ist, kann der
Aufforderung des
Paulus nachkommen: »Übrigens, Brüder,
alles was wahr,
alles was würdig, alles was
gerecht, alles was rein, alles was lieblich
ist, alles was wohllautet, wenn es irgend
eine Tugend und wenn es
irgendein Lob
gibt, dieses erwägt« (Phil 4,8).
Wenn in
einem Herzen Hass auf den Herrn haust,
dann wird sich das auch
in leichtfertigen
Worten äußern, in welchen der Name des
Herrn zu Eitlem
missbraucht wird. Wenn
aber Liebe zum Herrn im Herzen wohnt,
dann wird
sich das in ehrfurchtsvoller
Sprache und sorgfältig gewählten Worten
äußern. Es ist nicht überkritisches Richten,
das uns diese Unterschiede
im Reden der
Leute erkennen lässt.
36-37
Ein Mensch spricht wohl mehrere
Millionen von Wörtern in seinem Leben,
und ein jedes wird bei Gott
verzeichnet.
Das Wort für »unnütz« ist argos, das aus
a (= »un-«) und
ergon (= »Werk«)
zusammengesetzt ist. Unnütze Worte richten
nichts
Nützliches aus bei denen, die sie
hören. Es können Worte des Unglaubens
und der Gotteslästerung sein (wie im
vorliegenden Zusammenhang),
anstelle
von Worten, die voller Leben und zur Erbauung
sind. Das
Verzeichnis der Taten, Gedanken
und Worte eines Menschenlebens wird
lückenlos sein, so sehr der Ungläubige
jeden Gedanken an einen Tag des
Gerichts
von sich weisen mag. Der Herr aber sagt
hier, dass ein jeder
Rechenschaft geben
wird. Das wird vor dem geschehen, der auf
dem großen,
weißen Thron sitzt. Keine
Verteidigung, kein Anwalt und keine
Geschworenen werden mitreden und verwirren,
denn der Richter weiß
alles und wird
vollkommen gerecht richten. Das Gericht
wird den Worten
folgen, die in diesem
Leben gesprochen wurden; denn diese
enthüllen den
Zustand des Herzens.
Das Gleiche gilt für die Gläubigen.
Diese werden
»gerechtfertigt« erscheinen;
nicht vor dem großen, weißen Thron,
sondern
vor dem Richterstuhl des Christus.
»Denn mit dem Herzen wird geglaubt
zur Gerechtigkeit, und mit dem Munde
wird bekannt zum Heil« (Röm
10,10).
Gerechtfertigt werden heißt, nicht
schuldig gesprochen werden.
Das ist
das Teil des Gläubigen, denn unser
Bekenntnis zeigt, dass wir
durch Gnade
(Röm 3,24), durch Glauben (V. 28)
und durch Sein Blut (5,9)
gerechtfertigt
worden sind wdbl
============================================
C.
Die Streitgespräche mit den Schriftgelehrten
Louis A. Barbieri Jr.
( Mt 12 )
1. Der Streit um
den Sabbat
( 12,1-21 )
a. Arbeiten am Sabbat
( 12,1-8 ) ( Mk 2,23-38; Lk 6,1-5 )
Mt 12,1-8
Als Jesus und seine Jünger an einem
Sabbat durch ein Kornfeld gingen, begannen die Jünger, Ähren
auszuraufen und zu essen, weil sie hungrig waren. Die Pharisäer
stürzten sich sofort auf diese "Verletzung" des Gesetzes ( 2Mo
20,8-11 ) und warfen ihnen vor, am Sabbat zu arbeiten.
Für sie war das Pflücken von Weizen nichts anderes als Ernten, das
Zerreiben der Ähren zwischen den Handflächen Dreschen und das
Fortblasen der Spreu Worfeln!
Jesus wies diese
spitzfindige Behauptung der Pharisäer jedoch anhand von drei
Vergleichen zurück. Zunächst nahm er auf ein Ereignis im Leben
Davids Bezug ( Mt 12,3-4 ). Als dieser vor Saulus floh, gab man
ihm die Schaubrote aus dem Gotteshaus (1Sam 21,2-7 ),
die normalerweise nur für die Priester reserviert waren ( 3Mo 24,9 ).
David hielt es also offensichtlich für wichtiger, sein Leben zu retten,
als die Formalia zu beachten.
Aber auch die Priester im Tempel brachen den Sabbat ( Mt 12,5;
vgl. 4Mo 28,9-10.18-19 ), und doch hielt niemand sie deshalb für
schuldig.
Als letztes Argument führte Jesus an, daß er selbst größer sei als der
Tempel (Mt 12,6; vgl. "mehr als" in V. 41-42 ),
denn er ist ja Herr über den Sabbat , d. h., er bestimmt, was an
diesem Tag getan werden darf, und er hatte die Jünger ( die
Unschuldigen ) für ihre Handlungsweise nicht zur Rechenschaft
gezogen. Was die Pharisäer in die Situation
hineininterpretierten, war im Grunde Haarspalterei. Sie hatten
kein Verständnis für die grundlegenden Bedürfnisse der Menschen
(in diesem Fall für den Hunger der Jünger; vgl. 5Mo 23,24-25 ),
sondern kümmerten sich nur um die Opferungen.
Jesus erinnerte sie an die Worte in Hos 6,6 : "Ich habe Lust an
der Liebe und nicht am Opfer" , d. h. am inneren geistlichen
Leben,
nicht am bloß äußerlichen Einhalten irgendwelcher formeller
Zeremonien.
b. Heilen am
Sabbat
( 12,9-14 ) ( Mk 3,1-6; Lk 6,6-11 )
Mt 12,9-14
Kurz nach diesem ersten
Streit (V. 1-8 ) kam Jesus, wie nicht anders zu erwarten war -
schließlich war es Sabbat, in eine Synagoge .
Dort war ein Mensch mit einer verdorrten Hand.
Zweifellos hatten die Pharisäer, die ständig darauf aus waren,
Jesus einen Fauxpas nachzuweisen, diesen Mann in die Synagoge
gebracht, um einen Zwischenfall zu provozieren. Sie warfen nun
die Frage auf: "Ist's erlaubt, am Sabbat zu heilen?" Jesus
beantwortete ihre Frage, wie er es häufig tat, mit einer
Gegenfrage: "Wer ist unter euch, der sein einziges Schaf, wenn
es ihm am Sabbat in eine Grube fällt, nicht ergreift und ihm
heraushilft - auch wenn man ihm das als Arbeit auslegen könnte?"
Eine Handlung der Barmherzigkeit einem Tier gegenüber war völlig
in Ordnung. Doch da die Menschen weit mehr sind als Schafe, muß
die Barmherzigkeit am Sabbat auch auf sie ausgedehnt werden.
Jesus kam also jedem möglichen Einwand gegen das, was er tun
wollte, zuvor, denn nach der Schrift war nicht verboten, was er
tat, seine Argumentation war einwandfrei. Daß er den Mann
heilte, bewegte die Pharisäer jedoch keineswegs dazu, an ihn zu
glauben, sondern sie gingen hinaus und hielten Rat über ihn, wie
sie ihn umbrächten.
c.
Die Reaktion Jesu
( 12,15-21 )
Mt 12,15-21
Jesus war sich darüber im
klaren, was die Pharisäer mit diesen Streitereien bezweckten.
Als ihm auch weiterhin eine große Menge folgte, heilte er sie
zwar alle, aber er gebot ihnen, daß sie ihn nicht offenbar
machten (vgl. Mt 9,30 ). Wenn sich herumsprach, daß er der
Messias war, so hätte das den Konflikt nur weiter verschärft.
Jesus reagierte so, damit die Prophezeiung Jesajas ( Jes 42,1-4 ),
offensichtlich eine messianische Verheißung, erfüllt würde .
"Die (Jesaja-Stelle) fügt sich gut in Matthäus'
Argumentationsgang ein.
Zum einen erklärt sie, wie der Rückzug des Königs im Blick auf
das Werk des Messias zu verstehen ist.
Der Messias darf nicht streiten oder in der Öffentlichkeit laut
werden.
Es ist ein schönes Bild für das Verständnis und das Erbarmen, das Jesus
gezeigt hat,
wenn Jesaja schreibt, daß er das geknickte Rohr nicht brechen
und den glimmenden Docht nicht auslöschen wird. (...) Zum
anderen ist die Weissagung Jesajas aber auch ein Beleg für die
göttliche Bevollmächtigung des Messias. Auch wenn er nicht
streitet und den offenen Konflikt meidet, ist er doch Gottes
Knecht, der Gottes Plan ausführt" (Toussaint, Behold the King ,
S. 161).
Mt 12,18 ist letztlich eine Aussage
über die Dreieinigkeit (zitiert nach Jes 42,1 ). Gott der Vater
spricht von Christus als seinem Knecht , und sein Geist liegt
auf dem Messias, der das Recht verkündigt. Die Heiden werden auf
seinen Namen - den Namen Christi - hoffen ( Mt 12,21 ).
2. Jesu Macht
über die bösen Geister
( 12,22-37 ) ( Mk 3,20-30; Lk
11,14-23;12,10 )
Mt 12,22-24
Obwohl der Text nichts darüber
aussagt, wer den Besessenen , um den es hier geht, zu Jesus
brachte, bezieht sich das "wurde gebracht" (V. 22 ) wohl auf die
Pharisäer (vgl. V. 14 ). Wahrscheinlich entdeckten sie den Mann
irgendwo und erkannten, daß es sich bei dem Kranken um einen
wirklich schweren Fall handelte.
Er war blind und stumm , es war also fast unmöglich, mit
ihm zu kommunizieren.
Man konnte ihm nicht vormachen, was er tun sollte,
und Anweisungen konnteer zwar hören, doch nicht auf sie
antworten.
Jesus heilte ihn, indem er den Dämon austrieb,
und sogleich redete und sah der Stumme wieder.
Das Volk (wörtlich: "die ganze Menge") entsetzte sich (
existanto , "war außer sich";
zu anderen Ausdrücken für Erstaunen vgl. den Kommentar zu Mt
7,28 ) angesichts dieses Geschehens und fragte: "Ist dieser
nicht Davids Sohn?" Mit anderen Worten: "Ist das nicht der
verheißene Messias, der Nachkomme Davids (vgl. 1Sam 7,14-16 ),
der gekommen ist, über uns zu herrschen und unser Volk zu
retten?"
Doch die Pharisäer dachten in einer ganz anderen Richtung.
Sie waren der Überzeugung, daß Jesu Macht auf Beelzebul,
den Obersten der Dämonen (vgl. Mt 9,34; zu der Bedeutung von "Beelzebul"
und "Beelzebub" vgl. den Kommentar zu Mt 10,25; Mk 3,22 ),
zurückzuführen sei.
Mt 12,25-29
Da Jesus wußte, was die Pharisäer
dachten, verteidigte er seine Autorität. Dies war eine der
wenigen Gelegenheiten, wo er es tat, der Anlaß dafür lag auf der
Hand. Er führte drei Argumente gegen die Behauptung an, daß er
den Satan durch Satan austreibe. Zunächst wandte er ein, daß der
Teufel ja mit sich selbst uneins sein müsse (V. 25-26 ), wenn
seine, Jesu, Taten tatsächlich auf die Einwirkung des Satans
zurückzuführen wären. Warum sollte Satan Jesus einen Dämonen
austreiben und einen Mann befreien lassen, den er bereits unter
seiner Herrschaft hatte? Das würde sein Reich doch nur innerlich
zerrütten und zu seiner Zerstörung führen.
Zweitens verwies Jesus auf die
zeitgenössischen jüdischen Exorzisten, die in der Lage waren,
durch die Macht Gottes böse Geister auszutreiben (V. 27 ). Die
Apostel waren beispielsweise dazu imstande ( Mt 10,1 ), und auch
von anderen glaubte man, daß sie diese Fähigkeit besäßen. Jesus
sagte daher: "Wenn ihr glaubt, daß eure Exorzisten Dämonen mit
der Hilfe Gottes austreiben, warum soll ich dann nicht dieselbe
Macht haben?"
Drittens bewies der Erfolg Jesu beim
Austreiben böser Geister , daß er stärker war als Satan. Er war
in der Lage, in den Hoheitsbereich des Teufels ( das Haus eines
Starken ), in die Welt der Dämonen, einzudringen und seine
Siegesbeute heil wieder herauszubringen ( Mt 12,29 ). Da er das
konnte, stand es auch durchaus in seiner Macht, das Reich Gottes
unter den Menschen zu errichten (V. 28 ). Wenn er die Dämonen
dagegen durch die Macht des Teufels austrieb, hätte er nichts
mit dem Gottesreich zu schaffen und könnte es auch nicht auf die
Erde bringen. Die Tatsache, daß er gekommen war, um das
messianische Reich zu gründen, war also schon ein eindeutiger
Beleg dafür, daß Jesus durch den Geist Gottes , nicht durch die
Macht des Teufels, wirkte.
Mt
12,30-37
Jesus stellte die Menschen vor die
Entscheidung: Sie konnten entweder mit ihm oder gegen ihn sein.
Eindrücklich warnte er all jene, die sich von ihm entfernten.
Verständlicherweise begriffen nicht alle Leute wirklich, wer
Jesus war. Ein Mensch, der zugleich Gott ist und unter den
Menschen lebt, wird natürlich nicht von allen akzeptiert. Daher
machte Jesus auch gewisse Zugeständnisse wie z. B.: "Wer etwas
redet gegen den Menschensohn, dem wird es vergeben." Doch wenn
auch die Person Jesu nicht von allen verstanden wurde, so durfte
doch die Macht, die in ihm sichtbar wurde, nicht verkannt
werden, am allerwenigsten von den Schriftgelehrten und
Pharisäern.
Das Volk war, verleitet durch seine
Führer, im Begriff, eine Entscheidung mit nicht
wiedergutzumachenden Folgen zu treffen. Die Menschen waren
dabei, die Macht des Heiligen Geistes , die Jesu Handeln
bestimmte, fälschlicherweise Satan zuzuschreiben und sich damit
gegen den Geist zu versündigen und ihn zu lästern . Diese Sünde
kann in dieser Form heute nicht mehr begangen werden, sie
entzündete sich an Jesu leiblicher Gegenwart auf Erden und an
den Wundern, die er durch die Macht des Geistes tat. Wenn nun
die religiösen Führer der Juden, die ja für das Volk handelten,
zu dem abschließenden Urteil kamen, daß Jesu Macht vom Satan
stamme, dann begingen sie eine Sünde, die weder dem Volk noch
dem einzelnen je vergeben würde ( weder in dieser noch in jener
Welt ). Als Konsequenz dieser Verfehlung würde das Gericht
Gottes über die ganze Nation und über jeden einzelnen, der bei
dieser verkehrten Überzeugung blieb, kommen.
Der Gegensatz zwischen dem guten Baum
und seinen Früchten und dem faulen Baum und seinen Früchten
macht die beiden Alternativen, die die Menschen hatten, deutlich
(vgl. Mt 7,16-20 ). Jesus verurteilte die Pharisäer als
Schlangenbrut , die niemals etwas Gutes reden könne, weil ihr
Herz böse sei. Die Menschen sind für ihre Handlungen und Worte
verantwortlich und werden am Tage des Gerichts durch sie
gerechtfertigt oder verdammt.
3. Die Forderung nach Zeichen
( 12,38-50 )
Mt 12,38-42
( Lk 11,29-32 ) Obwohl Jesus
unmittelbar zuvor ein großes Wunder vollbracht hatte, baten die
Pharisäer ihn um ein Zeichen (vgl. Mt 16,1 ).
Die vielen Zeichen und Wunder, die bereits geschehen waren,
galten ihnen also offenbar nichts, denn sie sagten wahrhaftig:
"Wir möchten gern ein Zeichen von dir sehen."
Der Herr entgegnete ihnen, obgleich er ihnen sogar schon zahlreiche
Zeichen gegeben hatte, der wahre Glaube verlange keine Zeichen.
Nur ein böses und abtrünniges Gechlecht fordert ein Zeichen
(vgl. Mt 16,4 ). (Der Ausdruck "abtrünnig" [ moichalis ] deutet
an, daß Israel Gott durch sein Verhaftetsein an religiösen
Äußerlichkeiten und durch die Ablehnung des Messias geistlich
untreu geworden war.)
Aber es sollte für diese Menschen
keine Zeichen mehr geben, es sei denn das Zeichen des Propheten
Jona (vgl. Mt 16,4 ). Denn wie Jona drei Tage und drei Nächte im
Bauch des Fisches war, so würde der Menschensohn drei Tage und
drei Nächte im Schoß der Erde sein. (Da die Juden auch
angebrochene Tage als ganze Tage rechneten, verträgt sich dieser
Gedanke durchaus mit der Theorie, daß die Kreuzigung an einem
Freitag stattfand.) Durch die in diesem Zeichen enthaltene
Anspielung auf seinen Tod machte Jesus klar, daß seine
Verurteilung von seiten der Schriftgelehrten und Pharisäer
bereits beschlossene Sache war. Damit sich diese Prophezeiung
erfüllte, mußte Jesus endgültig abgelehnt werden, er mußte
sterben und dann begraben werden. Wenn das aber geschah, so war
es zu spät, sein Recht als Messias auf die Herrschaft über
Israel anzuerkennen.
Die Generation, zu der Jesus hier
sprach, besaß eigentlich ein einzigartiges Privileg, das keinem
Geschlecht vor ihr zuteil geworden war. Die Leute von Ninive
taten Buße nach der Predigt des Jona - eines Menschen. Die
Königin vom Süden (d. i. die Königin von Saba; 1Kö 10,1-13 ) kam
vom Ende der Erde, um Salomos Weisheit - die Weisheit eines
Menschen - zu hören . Beide reagierten also auf bemerkenswerte
Weise und nahmen um dieser beiden Menschen willen viel auf sich.
Die Menschen zur Zeit Jesu dagegen hatten es mit jemand zu tun,
der mehr war als Jona und Salomo (vgl. Mt 12,6 ), und statt ihn
zu akzeptieren, lehnten sie ihn ab. Ihre Strafe wird sie
ereilen, wenn sie am Jüngsten Tag vor dem Richter stehen. Wieder
einmal waren die Heiden empfänglicher für Gottes Handeln als das
erwählte Volk selbst (vgl. Mt 11,20-24 ).
Mt 12,43-45
( Lk 11,24-26 ) Die Generation derer,
die dauernd neue Zeichen verlangten,
ging ihrer Verurteilung entgegen. Um den Menschen vor Augen zu
führen, wie es ihnen ergehen würde, wenn sie auf ihrem Unglauben
beharrten,
verglich Jesus sie mit einem Menschen, der - vielleicht durch einen
jüdischen Exorzisten - von einem Dämon ( einem unreinen Geist )
befreit worden war (vgl. Mt 12,27 ). Danach versuchte er auf
ganz normale Weise, sein Leben zu ordnen, es zu "kehren" und zu
"schmücken" .
Doch bloße Religiosität reicht nicht aus, wenn die wirkliche,
echte Bekehrung fehlt, daher kehrten die Dämonen, schlimmer als
zuvor, zurück.
Statt von einem einzigen war er nun von sieben anderen Geistern
besessen, war also "ärger" dran als zuvor.
Die Pharisäer und die anderen religiösen Führer liefen Gefahr,
denselben Fehler zu begehen, denn ohne die Kraft Gottes blieben
all ihre Erneuerungsbestrebungen fruchtlos.
Wie sich gezeigt hatte, besaßen sie
jedoch keinerlei Gefühl für Gottes Macht, denn sie hatten ja die
Macht des Heiligen Geistes mit der Macht Satans verwechselt (V.
24-28 ). Daher waren sie eine gute Zielscheibe für den Teufel.
Mt 12,46-50
( Mk 3,31-35; Lk 8,19-21 ):
Als er noch zu dem Volk redete, standen seine Mutter und seine
Brüder draußen und wollten mit ihm reden.
Der Apostel Johannes berichtet, daß Jesu Brüder (eigentlich
seine Halbbrüder, Söhne der Maria, die nach Jesus geboren
wurden)
vor seiner Auferstehung nicht an ihn glaubten (Joh 7,5 ).
Vielleicht versuchten sie, durch den Kontakt zu ihm über ihre
familiären Beziehungen in den Genuß besonderer Vorteile zu
kommen. Nach den Worten Jesu hängt jedoch wahres Jüngertum nicht
von Verwandtschaftsbeziehungen ab, sondern davon, ob jemand den
Willen seines Vaters tut. Nur durch Religiosität ( Mt 12,43-45 )
oder durch verwandtschaftliche Bande (V. 46-50 ) kann man keine
Verdienste vor Gott erwerben.
Allein das Befolgen von Gottes Willen macht einen Menschen zum
Jünger (vgl. Mt 7,21 ).
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