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Daniel Walvoord Pentecost 5 und 6
D. Das Fest Belsazars

( 5,1 - 6,1 )

 

1. Die Lästerung des Königs

( 5,1 - 4 )

 

Die Ereignisse, die in Dan 1-4 berichtet werden, gehören in die Herrschaftszeit von Nebukadnezar, unter dem das babylonische Weltreich wuchs und vereinigt wurde. Nebukadnezar starb 562 v. Chr., nach 43jähriger Herrschaft. Die darauf folgenden Jahre der babylonischen Geschichte bis zur Eroberung durch Kyrus (539 v. Chr.) waren durch einen immer größer werdenden Verfall, Intrigen und Morde gekennzeichnet. Auf Nebukadnezar folgte sein Sohn Ewil-Merodach, der nur zwei Jahre lang regierte (562 - 560 v. Chr.; 2Kö 25,27-30; Jer 52,31-34 ). Ewil-Merodach wurde im August 560 durch Neriglissar, den Schwiegersohn Nebukadnezars, ermordet. Neriglissar regierte darauf vier Jahre lang (560 - 556 v. Chr.). Er ist der Nergal-Sarezer, der in Jer 39,3.13 erwähnt wird. Nach seinem Tod folgte ihm sein junger Sohn Labaschi-Marduk auf dem Thron, der aber nur zwei Monate regierte (Mai und Juni 556), bevor er ermordet und durch Nabonidus ersetzt wurde, der dann 17 Jahre lang König über Babylon war (556 - 539 v. Chr.) Vgl. dazu die Tabelle "Könige des neubabylonischen Königreiches" in der Einführung .

Nabonidus tat viel, um die Herrlichkeit, die das babylonische Reich unter Nebukadnezar gehabt hatte, wieder aufzurichten. Seine Mutter war die Hohepriesterin des Mondgottes in Haran. Vielleicht war es ihr Einfluß, daß er ein großes Interesse an der Erneuerung und Verbreitung der babylonischen Religion hatte und viel tat, um die verlassenen Tempel wieder zu restaurieren. Von den 17 Jahren seiner Herrschaft verbrachte er zehn außerhalb von Babylon (554 - 545). In Haran erneuerte er den Tempel des Mondgottes Sin, dann griff er Edom an und eroberte Teile von Arabien, wo er dann einige Zeit lebte.

Belsazar war der älteste Sohn von Nabonidus. Er war von seinem Vater als Mitregent ernannt worden. (Nebukadnezar wird der Vater von Belsazar genannt [ Dan 5,2.11.13.18 ; vgl. V. 22 ], da dieser einer seiner Nachfolger auf dem Thron war.) Diese Mitregentenschaft erklärt, warum Belsazar König genannt wird (V. 1 ) und warum er königliche Autorität ausübte, obwohl eigentlich Nabonidus auf dem Thron saß.

 

 

Dan 5,1

 

Babel wurde von einem persischen Heer belagert, das von Ugbaru, dem Regenten von Gutium, angeführt wurde, während Belsazar ein großes Festmahl für seine tausend Obersten in der Stadt gab. Belsazars Name bedeutet "Bel (ein anderer Name für den Gott Marduk) hat den König beschützt". Vielleicht sollte das Festmahl die Verachtung Belsazars für die Perser zeigen und die Ängste des Volkes zerstreuen. Archäologen haben in Babel eine große Halle ausgegraben, die über 16 m breit und knapp 50 m lang ist und getünchte Wände hat. Solch ein Raum hätte genügt, um diese große Menge Menschen zu beherbergen. Belsazar hielt seine Stadt wegen ihrer dicken und mächtigen Mauern vor allen Angriffen sicher. In der Stadt waren Vorräte gelagert, die für 20 Jahre ausgereicht hätten. Der König sah also keinen Grund, warum er sich sorgen sollte.

 

 

Dan 5,2-4

 

Das Festmahl selbst zeigte Belsazars Verachtung für die Macht der Menschen. Um nun auch noch seine Verachtung für die Macht des wahren Gottes zu zeigen, ließ er die goldenen und silbernen Becher, die Nebukadnezar aus dem Tempel in Jerusalem genommen hatte (vgl. Dan 1,1-2 ), in den Festsaal bringen, damit die versammelten Fürsten und Mächtigen aus ihnen trinken konnten. Bei ihrem Trinken ehrten die Menschen die Götter Babylons - Götzen aus Gold, Silber, Kupfer, Eisen, Holz und Stein. Nabonidus, Belsazars Vater, hatte versucht, die babylonische Religion zu stärken. In Übereinstimmung damit könnte dieses Tun seines Sohnes ein Versuch gewesen sein, den Einfluß der durch Nebukadnezar erfolgten Ehrung des Gottes von Israel ( Dan 4,31-32 ) zu beseitigen. Anwesend waren übrigens auch die Frauen und Nebenfrauen des Königs.

 

 

2. Die Offenbarung an den König

( 5,5 - 12 )

 

Dan 5,5-7

 

Plötzlich wich die ausgelassene Fröhlichkeit einer großen Erschrockenheit. Nahe bei einem der Leuchter, die den Festsaal erhellten, sah man die Finger einer menschlichen Hand , die auf die getünchte Wand schrieben. Der entsetzte König (vgl. Dan 4,2 ) beobachtete, wie die Hand eine Botschaft schrieb. Offenbar hatte sich der König aus dem Stuhl, von dem aus er die Feierlichkeiten leitete, erhoben und schaute stehend auf die Wand. Er war so erschrocken, daß seine Beine versagten und er hinfiel. Wie in kritischen Situationen üblich (vgl. Dan 2,2; 4,3-4 ), rief Belsazar sofort die Weisen, Zauberer, Astrologen und Wahrsager (vgl. die Anmerkungen zu Dan 1,17 ) zusammen und versprach dem eine Belohnung, der ihm die Bedeutung dieses seltsamen Phänomens erläutern konnte.

Die versprochene Belohnung war groß. Der Ausleger würde in Purpur gekleidet werden (vgl. den purpurnen Mantel Mordechais; Est 8,15 ), d. h. ihm würde königliche Macht gegeben. Außerdem würde er eine goldene Kette erhalten (vgl. 1Mo 41,42 ), die ohne Zweifel hohen Wert hatte. Er würde der dritthöchste Herrscher im Königreich . Da Nabonidus König und Belsazar Koregent waren, war das höchste Amt, das man anbieten konnte, das des dritthöchsten Herrschers. Dieses Angebot des Königs macht deutlich, wie sehr er sich fürchtete.

 

 

Dan 5,8-12

 

Aber die Weisen waren nicht fähig, das Geschriebene zu lesen oder zu deuten. Dies ließ die Furcht des Königs noch größer werden. Diese Unfähigkeit, die Botschaft zu verstehen, machte die ganze Sache noch geheimnisvoller. Alle Gäste, die wie der König das Schreiben an der Wand gesehen hatten, waren aufs äußerste verwirrt ( seinen Mächtigen wurde angst und bange ). Das Durcheinander in der Festhalle drang zu den Ohren der Königin . Offenbar war sie nicht die Frau Belsazars, denn seine Frauen waren ja bei ihm in der Halle (V. 2 - 3 ). Sie war die Mutter oder vielleicht sogar die Großmutter des Königs. Daß sie sowohl Nebukadnezar als auch Daniel gut kannte, scheint eher auf die Großmutter hinzuweisen. Offenbar war sie Daniel vorher bereits begegnet, denn sie beschrieb ihn als einen Mann, der den Geist der heiligen Götter hat (vgl. Dan 4,5-6.15;5,14 ). Sie wußte von seiner Einsicht , seinem Verständnis und seiner Weisheit (V. 11 ), seinem Wissen und Verstand und seiner Fähigkeit, Träume zu deuten (V. 12 ). (Zu Daniels Stellung als "Haupt der Magier" vgl. die Anmerkungen zu Dan 4,6 .) Deshalb riet sie Belsazar, Daniel holen und das Geschriebene auf der getünchten Wand deuten zu lassen.

 

 

3. Die Bitte des Königs

( 5,13 - 16 )

 

Dan 5,13-16

 

Belsazar befolgte den Rat der Königin und ließ Daniel vor sich bringen . Offenbar versuchte der König, Daniel klein zu machen, denn er bezeichnete ihn als einen von den Weggeführten aus Juda . Schließlich kam er aus dem gleichen Land, dessen Gott Belsazar so verachtete (V. 2 - 3 )! Dann wiederholte der König noch einmal gegenüber Daniel, was er von der Königin über dessen Fähigkeit, zu tun, wozu die Weisen und Wahrsager nicht in der Lage waren, gehört hatte (V. 11 - 12 ). Er versprach Daniel die gleiche Belohnung wie den Weisen (V. 16 ; vgl. V. 7 ), wenn dieser die Schrift auf der Wand lesen und ihre Bedeutung erklären könne. Es war zwar in aramäisch geschrieben, aber offensichtlich schwer zu lesen, vielleicht weil eine ungewöhnliche Schriftform benutzt wurde.

 

 

4. Die Antwort durch Daniel

( 5,17 - 28 )

 

a. Belsazar wird gedemütigt

( 5,17 - 21 )

 

Dan 5,17-19

 

In seiner Antwort faßte Daniel das Wirken Gottes an Belsazars Vorgänger Nebukadnezar noch einmal zusammen. Er berichtete von den Lektionen, die Nebukadnezar aus Gottes Handeln gelernt hatte. Gott ist souverän und herrscht über die Völker. Er setzt Könige nach seinem eigenen Willen ein. Nebukadnezar war in seine Machtstellung im babylonischen Reich gekommen, weil Gott ihn eingesetzt hatte. ( Gott der Höchste , vgl. die Anmerkungen zu Dan 3,26 , gab Nebukadnezar Macht .) Seine Autorität wurde überall anerkannt (von Völkern und Nationen und Männern aus allen Sprachen ; vgl. Dan 3,4.7;6,26; 7,14 ), und seine Erlasse wurden nicht angezweifelt ( Dan 5,19 ).

 

 

Dan 5,20-21

 

Weil Nebukadnezar jedoch nicht erkannt hatte, daß es Gottes Macht war und nicht seine eigene, die ihn in diese Stellung erhoben hatte, wurde er hochmütig und stolz (vgl. Dan 4,27 ). Gott demütigte ihn und stieß ihn von seinem Thron, so daß er wie ein Tier mit den wilden Eseln leben mußte. Durch diese Züchtigung war Nebukadnezar dazu gebracht worden, die Größe der Macht Gottes zu erkennen ( Dan 4,31 ). Zwar hatte der siebenjährige Wahnsinn Nebukadnezars vor der Öffentlichkeit verborgen bleiben können, aber die königliche Familie wußte natürlich davon (vgl. Dan 5,22 ).

 

 

b. Der Stolz Belsazars

( 5,22 - 24 )

 

Dan 5,22-24

 

Belsazar wußte, was sein Vorgänger erlebt hatte, und hätte daraus gelernt haben müssen. Aber er hatte es nicht getan. Im Gegenteil, er hatte den HERRN des Himmels (vgl. " der König des Himmels "; Dan 4,34 ) öffentlich herausgefordert, indem er die Becher, die aus dem Tempel in Jerusalem stammten, genommen ( Dan 5,2-3 ) und die von Menschen geschaffenen Götter geehrt hatte (V. 4 ). Sie haben kein Leben. Der wahre Gott aber hat nicht nur das Leben, sondern er hält auch das Leben Belsazars in seiner Hand . Daniel benutzte offenbar ein interessantes Wortspiel, als er hinzufügte, daß Gott, der Belsazars Leben in seiner Hand hielt, eine Hand geschickt hatte , die ihm eine Botschaft schrieb. Belsazar, der von Gott wußte, hatte ihn nicht geehrt.

 

 

c. Das Gericht Gottes

( 5,25 - 28 )

 

Dan 5,25

 

So wie Gott Nebukadnezars Stolz gerichtet hatte, indem er ihn vom Thron gestoßen hatte, so würde er nun den Stolz Belsazars richten und sein Königreich von ihm nehmen und anderen Menschen geben. Dieses Gericht war in den Worten geschrieben , die auf der Wand erschienen waren. Zuerst las Daniel die Schrift , die die Weisen nicht hatten lesen können. Sie war kurz und bestand nur aus drei Worten, wobei das erste Wort noch einmal wiederholt wurde. Mene ( m+nE? ) ist ein aramäisches Substantiv und bezieht sich auf ein Gewicht von 50 Schekeln (ein "Pfund", etwa 690 Gramm). Es ist abgeleitet von dem Verb m+nCh , "zählen, schätzen". Tekel ( t+qEl ) ist ein Substantiv und meint das "Schekel", ein Gewicht von ca. 14 Gramm. Es ist abgeleitet von dem Verb t+qAl , "wiegen". Parsin ( parsIn ) ist ebenfalls ein Substantiv und meint ein halbes Pfund (25 Schekel, etwa 350 Gramm). Es ist abgeleitet von dem Verb p+ras , "auseinanderbrechen, teilen". Das Wort auf der Mauer lautete eigentlich ^ParsIn , was "und Parsin" bedeutet.

Selbst wenn die Weisen die Worte hätten lesen können (was sie nicht konnten), hätten sie diese nicht auslegen können, denn sie wußten nicht, um was es ging, was da gezählt, gewogen und geteilt wurde.

 

 

Dan 5,26-27

 

Daniel fuhr nun fort und erläuterte die Bedeutung dieser Worte. Er erklärte, Mene bedeute, daß Gott die Dauer der Tage von Belsazars Herrschaft gezählt ( m+nCh ) habe und zu Ende bringen werde. Tekel bedeute, daß Belsazar von Gott in einer Waage gewogen ( t+qIltCh , von t+qAl ) und als zu leicht befunden wurde. Mit einer Waage wurden gewöhnlich die Zahlmittel gewogen. Ein Zahlmittel mußte ein bestimmtes Gewicht haben. Wenn es diesem Standard nicht entsprach, wurde es abgelehnt. Belsazars moralischer und geistlicher Charakter stimmte nicht mit Gottes Maßstab der Gerechtigkeit überein. Deshalb wurde er verworfen. "Von ihm [Gott] werden die Taten gewogen" ( 1Sam 2,3 ).

 

 

Dan 5,28

 

Bei der Deutung des dritten Wortes veränderte Daniel den Plural parsIn (V. 25 ) in den Singular Peres ( p+rEs ). Belsazars Königreich würde zerbrochen ( zerteilt , p+rIsaT ) und den Medern und Persern gegeben werden . Offenbar wollte Daniel ein Wortspiel machen, denn durch eine einfache Vokalveränderung des Wortes p+rEs erhält man das Wort "Persien" (P Aras ). Die Botschaft lautete also, daß Gott wegen dem moralischen und geistlichen Zerfall des Königs und seines Reiches das babylonische Weltreich beenden und es den Medern und Persern geben werde.

 

 

5. Die Weissagung wird erfüllt

( 5,29 - 6,1 )

 

Dan 5,29-6,1

 

Man hätte nun erwarten können, daß der Zorn Belsazars über Daniel gekommen wäre, weil er diese Botschaft verkündigt hatte. Aber der König blieb statt dessen seinem Versprechen treu (V. 16 ) und belohnte Daniel. Aber Daniel konnte sich dieser Ehren und der Stellung, in die er erhoben worden war, nur kurz freuen, denn in dieser Nacht wurde Belsazar getötet, und Darius, der Meder, übernahm das Reich . (Wer dieser Darius, der Meder, war, wird in den Anmerkungen zu Dan 6,2 besprochen.)

Die Stadt wurde von Kyrus angegriffen. In der Erwartung einer langen Belagerungszeit hatte man in der Stadt Nahrungsmittel für mindestens 20 Jahre gelagert. Der Euphrat floß von Norden nach Süden quer durch die Stadt, es fehlte also nie an Wasser. Belsazar fühlte sich fälschlicherweise so sicher, weil das persische Heer unter Führung von Ugbaru außerhalb der Stadtmauern Babels lag. Sie hatten das Heer geteilt. Ein Teil lag im Norden, wo der Fluß in die Stadt floß, der andere Teil im Süden, wo er wieder herauskam. Indem sie einen Kanal nördlich der Stadt zwischen dem Euphrat und einem nahegelegenen See gruben, leiteten sie einen Teil des Wassers um.

Als das Wasser auf diese Weise geteilt war, konnten die Soldaten durch das Flußbett in die Stadt gelangen. Da die Mauern nicht bewacht waren, eroberten die Perser, nachdem sie einmal in der Stadt waren, diese ohne Kampf. Es ist von Bedeutung, daß diese Eroberung Babels nicht nur die Weissagung erfüllte, die Daniel kurz zuvor in dieser Nacht ausgelegt hatte ( Dan 5,28 ), sondern auch eine Prophezeiung von Jesaja ( Jes 47,1-5 ). Diese Eroberung Babels geschah in der Nacht auf den 16. Tischri (12. Oktober 539 v. Chr.).

Die Herrschaft der Meder und Perser war die zweite Phase der Zeit der Heiden (die Brust und die Arme aus Silber in dem Standbild in Dan 2 ). Die Ereignisse in Kapitel 5 zeigen, daß Gott allmächtig ist und daß er seinen Plan erfüllt. Diese Ereignisse sind aber auch ein Vorbild der endgültigen Unterwerfung der heidnischen Weltmächte, die sich gegen Gott auflehnen und durch moralische und geistliche Verdorbenheit charakterisiert sind. Dieses Gericht, wie es in Ps 2,4-6 und Offb 19,15-16 angekündigt ist, wird bei der Wiederkunft Jesu Christi auf diese Erde erfüllt werden.

 

 

E. Der Erlaß von Darius

( Dan 6,2-29 )

 

1. Die Vorrangstellung von Daniel

( 6,2 - 4 )

 

Dan 6,2 a

 

Seit langer Zeit bestreiten kritische Theologen die Historizität von Daniel. Sie bezweifeln die Richtigkeit der Erwähnung der Thronbesteigung von Darius (V. 2.29 ; Dan 9,1 ; in Dan 5,31 auch "Darius aus Medien" genannt), weil es keine außerbiblischen Belege für diese Herrschaft gibt. Es sind jedoch verschiedene Lösungsmöglichkeiten für dieses Problem denkbar:

1) Darius könnte ein anderer Name sein für Kyrus. Man könnte Daniel 6,29 dann so übersetzen: "So hatte Daniel große Macht während der Herrschaft von Darius, ja, während der Herrschaft des Kyrus von Persien." Es war durchaus üblich für die Herrscher jener Zeit, daß man ihnen in verschiedenen Teilen ihres Herrschaftsgebietes verschiedene Namen gab. Darius könnte ein örtlich begrenzter Name für Kyrus gewesen sein. (Dies ist die Sicht z. B. von D.J. Wiseman, "Some Historical Problems in the Book of Daniel" in Notes on Some Problems in the Book of Daniel , S. 12 - 14.)

2) Eine zweite Erklärung könnte sein, daß Darius von Kyrus als Herrscher über Babylon, einen relativ kleinen Teil des riesigen medo-persischen Reiches, ernannt worden war. Nach Daniel 9,1 wurde Darius "zum Herrscher über das babylonische Königreich gemacht". Dies könnte bedeuten, daß er zum Herrscher eingesetzt worden und so Kyrus, der ihn eingesetzt hatte, untergeordnet war. Die historische Situation, die zu dieser Ernennung geführt hatte, war nach der Nabonidus-Chronik, daß Babel von Ugbaru erobert worden war, dem Regenten von Gutium, der die Stadt in der Nacht, als Belsazar sein Fest feierte, eingenommen hatte. Nachdem Ugbaru Babel am 12. Oktober 539 v. Chr. erobert hatte, zog Kyrus am 29. Oktober dieses Jahres dort ein. Ugbaru wurde dann von Kyrus zum Herrscher über Babel ernannt. Acht Tage nach der Ankunft von Kyrus (am 6. November) starb Ugbaru. Wenn Darius, der Meder, ein anderer Name für Ugbaru ist, dann wäre das Problem gelöst. Da Darius 62 Jahre alt war, als er Babel übernahm ( Dan 6,1 ), wäre sein Tod nach wenigen Wochen nicht ungewöhnlich. Nach dieser Theorie (die William H. Shea, "Darius the Mede: An Update", Andrews University Seminary Studies 20 , Herbst 1982, S. 229 - 47 aufgestellt hat) ist Gubaru eine andere Schreibweise von Ugbaru, und der Name Gobryas, die griechische Form des gleichen Namens, erscheint in Xenophons Cyropaedia 4.6.1-9; 7.5.7-34.

3) Eine dritte Erklärungsmöglichkeit ist, daß Ugbaru, der Regent von Gutium, Babel eroberte und Gubaru, alias Darius, der Mann war, den Kyrus als Herrscher über Babel einsetzte. (Diese Theorie vertritt John C. Whitcomb, Jr., Darius the Mede . Nutley, N.J.: Presbyterian & Reformed Publishing Co., 1974.)

4) Wieder andere schlagen vor, Darius, der Meder, solle mit Cambyses, dem Sohn von Kyrus, identifiziert werden, der von 530 bis 522 über Persien herrschte. (Diese Theorie wird von Charles Boutflower behauptet, In and Around the Book of Daniel . Reprint. Grand Rapids: Kregel Publishing Co., 1977, S. 142 - 155.) Jede dieser vier Möglichkeiten ist denkbar, aber vielleicht ist die zweite die wahrscheinlichere.

 

 

Dan 6,2-4 (Dan 6,2b-4)

 

Eine von den ersten Aufgaben, die Darius zu lösen hatte, war die Neu-Organisation des gerade eroberten Königreiches Babylon. Er setzte 120 Statthalter (vgl. Dan 3,2 ) ein, um über das Königreich von Babylon zu herrschen. Diese wiederum unterordnete er drei Fürsten, von denen einer Daniel war . Die Statthalter waren den drei Fürsten verantwortlich (also wohl je 40 Statthalter einem Fürsten), so daß der König in seinen administrativen Aufgaben eine große Hilfe hatte. Daniel war als Fürst hervorragend, zum Teil vermutlich wegen seiner großen Erfahrung, die er in den 39 Jahren unter Nebukadnezar gesammelt hatte ( Dan 2,48 ). Deshalb wollte der König Daniel für das gesamte Königreich verantwortlich machen. Dies schuf natürlich Spannungen zwischen Daniel und den anderen Fürsten und Statthaltern.

 

 

2. Die Verschwörung der Fürsten

( 6,5 - 10 )

 

Dan 6,5-6

 

Die beiden anderen Fürsten und die 120 Statthalter suchten nach einem Grund, um Daniel wegen seiner politischen Arbeit anklagen zu können. Vermutlich waren sie auf seine Stellung eifersüchtig und lehnten ihn ab, weil er Jude war (vgl. die Anmerkungen zu Dan 3,12 ). Aber sie mußten feststellen, daß Daniel ihnen keinen Grund zu einer Anklage gab. Er war vertrauenswürdig und sehr genau in der Erledigung seiner Aufgaben. Sie beschlossen, daß sie einen Anklagegrund nur in seinem religiösen Verhalten finden konnten, das ihnen offenbar wohlbekannt war.

 

 

Dan 6,7-10

 

Also schmiedeten die 122 einen Plan. (Daniel war jedenfalls mächtig in der Unterzahl!) Sie schlugen König Darius vor, daß er, der König, 30 Tage lang der einzige Empfänger für die Anbetung des Volkes sein solle. Entweder hatten die 122 noch andere (unter ihnen die Würdenträger, Ratgeber und Befehlshaber ) dazu gebracht, diesem Plan zuzustimmen, oder sie behaupteten dies nur. Jedenfalls war es nicht richtig, daß sie alle zugestimmt hatten (V. 8 ), denn mit Daniel hatten sie nicht darüber gesprochen. Alle Gebete sollten in dieser Zeit nur noch an den König gerichtet sein. Dadurch würde man seine Macht auf dem religiösen Gebiet anerkennen. Wer sich gegen seine religiöse Autorität auflehnte, sollte in die Löwengrube geworfen werden. Darius, der ohne Zweifel von der Ehrung, die er empfangen würde, geschmeichelt war, stimmte dem Plan zu und unterzeichnete ihn als Gesetz, das nach medo-persischem Recht unwiderruflich war.

 

 

3. Das Gebet Daniels

( 6,11 - 12 )

 

Dan 6,11-12

 

Der Erlaß , der von Darius zum Gesetz gemacht worden war, wurde öffentlich bekanntgemacht. Daniel aber, obwohl er von dem Erlaß wußte, verhielt sich nach seiner Gewohnheit ( so, wie er es zuvor getan hatte ) und ging in sein oberes Zimmer dreimal an jedem Tag, um zu Gott zu beten (vgl. Ps 55,18 ), und zwar in Richtung Jerusalem (vgl. Ps 5,8; 2Chr 6,21.34.38 ).

Daniels Gebet war zunächst einmal ein Gebet des Dankes ( Dan 6,11 ), in dem er die Güte Gottes gegen ihn pries. Dann war es auch ein Gebet um Führung und Hilfe (V. 12 ). Ohne Zweifel lastete die Verantwortung des hohen Amtes schwer auf Daniel, und so suchte er die Weisheit Gottes in den Entscheidungen, die er treffen mußte. Daniel war zu dieser Zeit bereits über 80 Jahre alt (539 v. Chr.). Als er vor 66 Jahren (605 v. Chr.) gefangengenommen worden war, war er etwa 16 Jahre alt gewesen. Es könnte also auch sein, daß er aufgrund seines Alters Gott auch um physische Kraft für seine schweren Aufgaben bat. Er versuchte dabei nicht, seine Frömmigkeit oder seine Abhängigkeit von Gott zu verstecken, auch wenn sein Gebet jetzt ein Ungehorsam gegenüber einem staatlichen Erlaß war (vgl. Apg 5,29 ). Daniel wollte und konnte bei Darius weder Hilfe noch Stärkung erbitten, denn er wußte, daß nur Gott sie ihm schenken konnte. Offenbar wußten seine Widersacher, wo und wann er betete. Daher gingen (wörtl.: "eilten") sie zu der erwarteten Zeit zu seinem Zimmer und fanden ihn im Gebet .

 

 

4. Die Verfolgung Daniels

( 6,13 - 19 )

 

Dan 6,13

 

Schnell brachte man seine Anklage gegen Daniel vor Darius, der den Erlaß unterzeichnet hatte. Darius erkannte, daß er durch sein eigenes Gesetz gebunden war. Er sagte: Das Gesetz kann niemand aufheben . Nebukadnezar, der Babylonier, hatte über dem Gesetz gestanden, aber Darius, der Meder, war durch das Gesetz gebunden. Dies wird auch durch den Unterschied zwischen Gold und Silber in dem Standbild aus dem Traum Nebukadnezars deutlich ( Dan 2,32.39 ).

 

 

Dan 6,14-17

 

Als Darius ihre Anklagen gegen Daniel hörte, den sie verächtlich als einen der Gefangenen aus Juda bezeichneten (wie schon Arjoch und Belsazar es getan hatten; vgl. Dan 2,25;5,13 ), war er sehr betrübt .

Obwohl Darius wußte, daß er an das Gesetz, das er erlassen hatte, gebunden war, versuchte er dennoch, Daniel vor der Strafe zu retten, die das Gesetz vorsah. Aber es gelang ihm nicht, und so gab er den Befehl, daß Daniel in die Löwengrube geworfen werden solle.

Als er in die Grube geworfen wurde - was den sicheren Tod bedeutete - sagte der König: Möge dein Gott, dem du ohne Unterlaß dienst (vgl. Dan 6,21;3,17 ), dich retten . Ob Darius von der Errettung der drei Freunde Daniels aus dem Feuerofen zur Zeit Nebukadnezars wußte, ist nicht sicher. Doch zeigt seine Aussage ein Verlangen, daß Daniel verschont werden möge. Ganz sicher wollte er ihn verschonen, denn er schätzte seine Führungsqualitäten offensichtlich sehr (vgl. Dan 6,3-4 ). Vielleicht war er auch beeindruckt von dem Vertrauen, das Daniel in Gott hatte.

 

 

Dan 6,18-19

 

Damit Daniel nicht aus der Löwengrube entkommen konnte, wurde ein Stein über die Öffnung der Grube gelegt und dann mit einem königlichen Siegel versiegelt . Neben der seitlichen Öffnung der Grube gab es vielleicht noch eine Öffnung nach oben (vgl. V. 24 - 25 ). Das Siegel, ein Eindruck, der mit einem Ring in Ton gemacht wurde, würde allen zeigen, daß der Stein nicht bewegt worden war und niemand versucht hatte, Daniel zu befreien. Widerwillig ließ der König Daniel in die Grube werfen.

Der König war tief bewegt, daß er von seinen Ratgebern und Fürsten betrogen und in seinen eigenen Gesetzen gefangengenommen worden war. Er verbrachte eine schlaflose Nacht (vgl. die schlaflose Nacht von Xerxes [Ahasveros]; Est 6,1 ).

 

 

5. Die Bewahrung Daniels

( 6,20 - 25 )

 

Dan 6,20-23

 

Früh am Morgen eilte der König nach einer schlaflosen Nacht (V. 19 ) zu der Löwengrube. Er fürchtete, daß Daniel gefressen worden war, aber dennoch hoffte er gegen jede Hoffnung (vgl. V. 17 ), daß der alte Staatsmann vielleicht doch von dem Gott, dem er diente (vgl. Dan 3,17; 6,17 ), gerettet worden sein könnte.

Daniel antwortete, daß Gott ihn tatsächlich unverletzt bewahrt hatte, weil er vor ihm unschuldig war (V. 23 ) und weil er auf Gott vertraut hatte (V. 24 ). Ein Engel Gottes, so sagte Daniel, hatte den Löwen das Maul verschlossen. Vielleicht war auch dieser Engel, ähnlich dem, der im Feuerofen bei den drei jungen Männern gewesen war ( Dan 3,25 ), der präinkarnierte Christus.

 

 

Dan 6,24

 

Als Darius feststellte, daß Daniel noch lebte, war er überfroh und ließ ihn aus der Grube holen (vgl. die Anmerkungen zu V. 18 ). Darius wurde auf diese Weise sehr deutlich gezeigt, wie entscheidend der Glaube an Gott ist und an seine Macht, die Umstände zu kontrollieren und die zu retten, die an ihn glauben. Dreißig Tage lang wurde Darius von den Menschen in seinem Herrschaftsgebiet als Gott angesprochen (vgl. V. 8 ). Daniel aber diente dem wahren Gott, der tat, was Darius nie gekonnt hätte: das Maul der Löwen verschließen und den zu bewahren, der auf ihn vertraute.

 

 

Dan 6,25

 

Dann ließ der König die Ankläger Daniels und ihre Familien in die Grube werfen . Der Versuch der Verleumder, diesen jüdischen Gefangenen, der zum Regenten geworden war, zu beseitigen, wurde ihnen selbst zum Verhängnis (vgl. das ähnliche Schicksal Hamans, Est 7,9-10 ). Die Ankläger hatten Darius dazu gebracht, ein Gesetz wirksam werden zu lassen, das Daniel beseitigen sollte. Aber ironischerweise konnten sie den König nicht davon zurückhalten, sie selbst auszulöschen!

 

 

6. Die Erklärung des Königs

( 6,26 - 29 )

 

Dan 6,26-29

 

Der König, der durch ein Gesetz nun einen Monat lang (V. 8 ) als Gott verehrt wurde, veröffentlichte eine Erklärung, daß alle Menschen seiner Nation ( alle Völker, Nationen und Männer aus allen Sprachen ; vgl. Dan 3,4.7;5,19;7,14 ) Daniels Gott fürchten und ehren müssen . Dies war eine erstaunliche Kehrtwendung des Darius! Der Grund dafür war, so schrieb Darius, daß Daniels Gott lebt ( Er ist der lebendige Gott ; vgl. Dan 6,21 ), während die Götter der Meder und Perser tote Götzen waren. Dieser Gott ist ein persönlicher Gott, sein Königreich ist unzerstörbar (vgl. Dan 7,14 ), und er greift in die menschliche Geschichte ein und rettet diejenigen, die ihm vertrauen. Er wirkt mächtige Wunder ( Zeichen und Wunder ; vgl. Dan 4,2-3 ), um seinen Willen zu tun, u. a. auch die wundersame Errettung von Daniel. Solch ein Gott ist wahrhaftig zu ehren und anzubeten. Trotz des Widerstandes, den ihm die Fürsten und Ratgeber entgegengebracht hatten, wurde Daniel nun geehrt und lebte bis zur Regierungszeit von Kyrus .