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Das Reich in seinen Aspekten
Die Vorstellung vom Reich im
Alten Testament Gottes Heilsplan des Reichs nimmt in der Schrift breiten Raum ein. Doch trotz allem, was die Schrift zu diesem Thema zu sagen hat, sieht man sich einer breiten Palette von Auslegungen und Erklärungen gegenüber, was das Wesen und Ziel des göttlichen Heilsplans des Reichs angeht. Für einige ist das Reich Gottes gleichbedeutend mit der Ewigkeit bzw. dem Himmel, in den man nach dem Tod kommt, so daß es keinerlei Beziehung zur Erde hat. Für andere stellt es ein außerhalb der Materie befindliches oder "geistliches" Reich dar, in dem Gott über die menschlichen Herzen herrscht. Demnach steht es zwar mit dem gegenwärtigen Zeitalter, aber nicht mit der Erde im Zusammenhang. Für wieder andere ist das Reich rein irdischer Art und hat keine der ihm zugeschriebenen geistlichen Realitäten. Damit ist es ein politisches und soziales Gefüge, das durch menschliche Anstrengungen geschaffen werden kann und somit zum Ziel einer sozialen und wirtschaftlichen Entwicklung wird, dem Menschen entgegenstreben. Für andere mit der gleichen allgemeinen Vorstellung hat es mit einer nationalistischen Bewegung auf israelischer Seite zu tun, die diese Nation als unabhängiges Volk im politischen Bereich wiederherstellen will. Dann gibt es diejenigen, die das Reich als gleichbedeutend mit der sichtbaren, organisierten Kirche ansehen, so daß es in ihr aufgeht, und es folglich sowohl geistlicher als auch politischer Art ist. Außerdem gibt es diejenigen, die das Reich als Ausdruck der allumfassenden Souveränität Gottes im irdischen Bereich betrachten, worin Er im Hinblick auf menschliche Angelegenheiten herrscht. Demnach stellen sie sich das Reich konzeptionell sowohl geistlich als auch materiell vor. Diesen Wirrwarr von Auslegungen zu durchdringen, ist fast unmöglich. Die mit dem Reich zusammenhängenden Wahrheiten kann man nicht durch Untersuchungen menschlicher Werke, sondern nur durch ein schriftgemäßes Studium der Lehre des Wortes Gottes zu diesem großen Thema herleiten. I. Das ewige Reich In der gesamten Schrift scheint es einen Widerspruch in der Offenbarungsrichtung in bezug auf das Reich zu geben, worüber Gott herrscht. Einerseits wird das Reich als ewig und andererseits als zeitlich angesehen, wobei es einen bestimmten geschichtlichen Beginn, eine fortschreitende Entwicklung und ein Ende hat. An anderer Stelle wird es sowohl universal als auch lokal beschrieben. Außerdem wird es als solches betrachtet, das unter der direkten Ausübung der Souveränität Gottes sowie unter der indirekten Herrschaft berufener Regenten steht. Wir müssen somit erkennen, daß das Reich, worüber Gott herrscht, zwei unterschiedliche Aspekte hat: den ewigen und den zeitlichen, den universalen und den lokalen, den unmittelbaren und den mittelbaren. a) Der ewige Aspekt Es gibt Schriftstellen, die unter Beweis stellen, daß Gott immer unumschränkte Macht besitzt und als König herrscht. Der HERR ist König immer und ewiglich ... (Ps.10,16). ... der HERR thront als König ewiglich (Ps.29,10). Gott ist ja mein König von alters her (Ps.74,12). Aber der HERR ist in Wahrheit Gott. Er ist der lebendige Gott und ein ewiger König ... (Jer.10,10 Rev.Elberf). Du, HERR, thronst in Ewigkeit, dein Thron ist von Geschlecht zu Geschlecht (Kla.5,19). Gott könnte ohne anerkannte Souveränität und einen Bereich, in dem diese unumschränkte Herrschaft 274 ausgeübt wird, nicht zu Recht König genannt werden. b) Der universale Aspekt Es gibt Hinweise auf den unbegrenzten Bereich der Souveränität Gottes. Dein, HERR, ist die Größe und die Stärke und die Herrlichkeit und der Glanz und die Majestät; denn alles im Himmel und auf Erden ist dein. Dein, HERR, ist das Königtum, und du bist über alles erhaben als Haupt. Und Reichtum und Ehre kommen von dir, und du bist Herrscher über alles ... (1.Chr.29,11-12 Rev.Elberf). Der HERR hat in den Himmeln festgestellt seinen Thron,und sein Reich herrscht über alles (Ps.103,19). Der Höchste (herrscht) über das Königtum der Menschen... und ... verleiht (es), wem er will ... (Dan.4,17.25.32). Es ist ersichtlich, daß diese Souveränität sowohl über den Himmel als auch über die Erde ausgeübt wird. c) Der vorausschauende Aspekt In der Schrift wird dargelegt, daß trotz der Ausübung der absoluten Autorität durch Gott diese unumschränkte Macht von einzelnen als Mittelsmännern eingesetzt werden kann. ... ist eines Königs Herz in der Hand des HERRN (Spr.21,1). He! Assyrer, Rute meines Zorns! Und der Stock in seiner Hand ist mein Grimm. Wider eine ruchlose Nation werde ich ihn senden, und gegen das Volk meines Grimmes ihn entbieten, um Raub zu rauben ... (Jes.10,5-6). Dies wird in Jer.25,8-12; 27,4-8; 51,11-24.27, Jes.44,24-45,7 und Esr.1,1 ausführlicher veranschaulicht. Gott handelt souverän durch Menschen, was einige davon erkannten, andere nicht gelten ließen und noch andere nicht wußten. Dennoch wird Gottes Wille ausgeführt. Dies gilt nicht nur im menschlichen Bereich sondern auch in der Natur. Der Psalmist sagt: "Feuer und Hagel, Schnee und Nebel, du Sturmwind, der du ausrichtest sein Wort" (Ps.148,8). d) Der wunderwirkende Aspekt Es gibt Anlässe, bei denen diese Souveränität durch direktes Eingreifen Gottes in die menschlichen Angelegenheiten mit einem Souveränitätsbeweis in Form von Wundern offenbar wird. Und ich will das Herz des Pharao verhärten und meine Zeichen und meine Wunder mehren im Lande Ägypten. Und der Pharao wird nicht auf euch hören; und ich werde meine Hand an Ägypten legen, und meine Heere, mein Volk, die Kinder Israel, aus dem Lande Ägypten herausführen durch große Gerichte. Und die Ägypter sollen erkennen, daß ich der HERR bin ... (2.Mo.7,3-5). Die ganze Frage der Wunder ist lediglich eine Frage danach, ob ein unumschränkter Herrscher die Macht und das Recht hat, innerhalb Seines Herrschaftsbereichs (der Erde, A.d.Ü.) einzugreifen, indem Er diese Macht demonstriert. e) Der Gebrauch des Wortes Reich 275 Ladd legt treffend die Verwendung dieses Wortes dar, indem er schreibt: Die Grundbedeutung des neutestamentlichen Wortes fürReich, basileia, ist "Herrschaft" und nicht "beherrschtes Gebiet" oder "beherrschtes Volk". Kritische Gelehrte haben diesem Thema in den letzten Jahren ziemlich viel Beachtung geschenkt. Sie sind praktisch einmütig der Meinung, daß "königliche Macht", "Autorität" basileia mehr zugrundeliegt als "beherrschtes Gebiet" oder "beherrschtes Volk". "In bezug auf den allgemeinen Sprachgebrauch ist anzumerken, daß das Wort basileia, das wir gewöhnlich mit Reich, Königreich übersetzen, zunächst die Existenz, Wesensart und Stellung des Königs bezeichnet. Da es um einen König geht, sollten wir am besten von seiner Majestät und Vollmacht sprechen" (Schmidt, Theologisches Wörterbuch zum Neuen Testament, I, S.579). Mehrere Veranschaulichungen dieser abstrakten Bedeutung von basileia kommen im Neuen Testament vor. Als Jesus in Jerusalem einzog, dachten die Menschen, daß das Reich Gottes unmittelbar bevorstände. Jesus erzählte ihnen ein Gleichnis von einem hochgeborenen Mann, der in ein fernes Land zog, um ein basileia zu empfangen und danach zurückzukommen. Seine Mitbürger (vgl. z.B. Menge, A.d.Ü.) haßten ihn, schickten eine Gesandtschaft und ließen sagen: "Wir wollen nicht, daß dieser über uns König sei" (Rev.Elberf). Als der Hochgeborene nach dem Empfang seines basileia zurückkam, übte er sofort die neue königliche Vollmacht aus, die er in bezug auf seine Untergebenen empfangen hatte, indem er die Treuen belohnte und die Aufrührer bestrafte. Hier stellt das basileia eindeutig weder das Herrschaftsgebiet noch die Untergebenen, sondern die Vollmacht dar, als König in einem bestimmten Reichsgebiet über dessen Menschen zu herrschen (Lk.19,11-27). Das gleiche Wort kommt in Offb.17,12 vor: "Und die zehn Hörner, die du sahst, sind zehn Könige, welche noch kein basileia empfangen haben, aber Gewalt wie Könige empfangen, eine Stunde mit dem Tier." Das noch nicht empfangene basileia ist unmißverständlich gleichbedeutend mit der "Gewalt wie Könige" (vgl. "Vollmacht" Konkordante, A.d.Ü.). In Offb.5,10 umfaßt das basileia (vgl. Konkordante, A.d.Ü.) ein erlöstes Volk. Daß es das basileia bildet, liegt aber nicht daran, daß seine Angehörigen Untergebene des Königs sind, sondern daran, daß sie an seiner königlichen Macht teilhaben: "... und sie werden über die Erde herrschen." Nach dieser Vorstellung muß dieses ewige Reich Gottes Königsherrschaft und Souveränität über "alle vernunftbegabten Wesen im Himmel oder auf Erden darstellen, die sich Gott bereitwillig unterordnen", während Er Seine unumschränkte Macht ausübt. f) Die Kampfansage an das universale Reich Über die allererste Kampfansage an Gottes ewiges souveränes Herrschaftsrecht wird in Hes.28,11-19 und Jes.14,12-17 berichtet. Chafer sagt dazu: ... es wird in diesem Abschnitt dargelegt, daß Luzifers Sünde im fünfmaligen furchtbaren "Ich will" (im Ggs. zu engl. Bibelübersetzungen nicht wörtl., aber aus Jes.14,13-14 ableitbar; A.d.Ü.) gegenüber dem Willen Gottes bestand ... Dieses fünfmalige "Ich will" Satans beinhaltet offensichtlich verschiedene Aspekte einer Sünde ... Satans fünfmaliges "Ich will" sieht so aus: 1. "Zum Himmel will ich hinaufsteigen." Darin besteht der erste Aspekt der Sünde Satans: Er beabsichtigte offensichtlich, seinen Wohnsitz im dritten Himmel bzw. in den Himmeln der Himmel zu nehmen, wo sich Gott und die Erlösten befinden (2.Kor.12,1-4) ... Satan ist weder von der Stellung noch von der Erlösung her berechtigt, jenen Bereich als seinen Wohnsitz zu beanspruchen. Seine selbstsüchtige Absicht, die in dieser Aussage enthüllt wird, ist ein Aufruhr gegen den Plan und das Ziel des Schöpfers. 2. "(Ich will) hoch über die Sterne Gottes meinen Thron erheben." Diese Aussage läßt erkennen, daß Satan trotz seiner Ernennung zum Wächter des Thrones Gottes danach strebte, einen eigenen Thron innezuhaben und über die "Sterne Gottes" zu herrschen. Es ist offensichtlich ... an die Engelwesen gedacht ... Das sündige Wesen des satanischen Ziels, sich einen Thron zu sichern, liegt auf der Hand 3. "(Ich will) mich niedersetzen auf den Versammlungsberg im äußersten Norden" ... "der Berg" ist ein Ausdruck, der sich offensichtlich auf das Zentrum göttlicher Herrschaft auf der Erde bezieht (Jes.2,1- 4), wobei mit "Versammlung" (jeweils Luther '56) ebenso eindeutig auf Israel hingewiesen wird. Somit scheint diese spezielle Anmaßung zumindest einen Teil der messianischen Herrschaft auf Erden anzustreben ... 4. "Ich will hinauffahren auf Wolkenhöhen" ... Von über 150 biblischen Hinweisen auf Wolken hängen gut 100 mit der göttlichen Gegenwart und Herrlichkeit zusammen ... Satan strebt offensichtlich danach, sich einen Teil der Herrlichkeit zu sichern, die Gott allein gehört. 5. "(Ich will) mich gleich machen dem Höchsten." Dies kann man als Schlüssel zum Verständnis und Verfolgen seiner Motive sowie Methoden ansehen. Trotz des fast überall herrschenden Eindrucks, wonach Satans Ideal darin besteht, Gott überhaupt nicht gleich zu sein, wird er hier als derjenige geoffenbart, der von dem Ziel getrieben wird, Gott gleich zu sein. Diese Absicht besteht jedoch nicht darin, dem HERRN, dem aus sich heraus Existierenden, gleich zu sein, was kein geschaffenes Wesen je sein kann. Vielmehr will er dem Höchsten gleich sein. Dieser Titel läßt den "Besitzer des Himmels und der Erde" (1.Mo.14,19.22 Schlachter) erkennen. Satans Ziel ist demnach, Macht über Himmel und Erde zu gewinnen. Eine sorgfältige Untersuchung dieser Aussagen führt zu der Schlußfolgerung, daß jedes Stadium der allerersten Sünde Satans ein Akt der Rebellion gegen die bestehende Vollmacht Gottes war, wobei das Motiv ein maßloses Verlangen war, genau diese Souveränität an sich zu reißen. Aufgrund dieser den Sturz Satans herbeiführenden Sünde wurde ein Reich mit Satan als Herrscher gebildet, das im Gegensatz zu dem Reich steht, das Gott regiert. Satan wird als Gott dieser Welt (2.Kor.4,4), Fürst der Gewalt der Luft (Eph.2,2) und Besitzer der Reiche der Welt beschrieben, denn wir lesen: ... der Teufel (nimmt ihn) mit auf einen sehr hohenBerg und zeigt ihm alle Reiche der Welt und ihre Herrlichkeit und spricht zu ihm: Alles dieses will ich dir geben, wenn du niederfallen und mich anbeten willst (Mt.4,8-9). Es ist bedeutsam, daß Christus nicht Satans Recht in Frage stellte, das Angebot zur Übergabe dieser Reiche zu unterbreiten. Er sah sie als im Herrschaftsbereich Satans befindlich an, und damit hatte dieser das Recht, mit ihnen zu tun, was er wollte. Angesichts dieses unverhohlenen Vorgehens, das dem Herrschaftsrecht Gottes in Seinem Reich den Kampf ansagte, führte Gott vor Grundlegung der Welt einen Heilsplan ein, um Seine Souveränität vor allen geschaffenen vernunftbegabten Wesen zu offenbaren. Der HERR kann zu denen sagen, die eingeladen sind, an den Segnungen der tausendjährigen Herrschaft teilzuhaben: "Kommt her, Gesegnete meines Vaters, ererbt das Reich, das euch bereitet ist von Grundlegung der Welt an" (Mt.25,34). Man kann erkennen, daß dieses Reich, das in das ewigen Reich einmündet (1.Kor.15,24), zum ewigen Ratschluß Gottes gehört. Und die Erde, die das Zentrum des satanischen Wirkens und der Schauplatz seines Reichs war, wird zum Ort, den Gott erwählt, um genau dies zu demonstrieren. Miller sagt: Obwohl wir über die Unermeßlichkeit der Schöpfung oder die Weite des Reichs Gottes in höchstem Maß erstaunt sind, kennt unser Erstaunen keine Grenzen mehr, wenn wir erkennen, daß die Erde als einer der kleinsten Himmelskörper dazu bestimmt ist, der Schauplatz zur Offenbarung der gewaltigen Werke Gottes zu sein. Von hier aus will Er den Reichtum Seiner Gnade bis an die äußersten Grenzen Seines universalen Reichs bekanntmachen. Diesen Heilsplan Gottes zum Erweis Seiner Souveränität und zur Offenbarung der Universalität Seines Reichs kann man den Heilsplan des theokratischen Reichs nennen. Peters sagt: "Die Einführung der Theokratie (zur Bedeutung s.u., A.d.Ü.) und der damit verbundenen Ansprüche sowie ihr Lobpreis durch Gott selbst zeigt nicht nur, wie begehrenswert sie ist, sondern auch, daß es das feststehende Ziel Gottes ist, ihr endgültig die Vormachtstellung zu verschaffen." II. Das theokratische Reich 277. Von Anfang an soll Gottes Heilsplan Seine Souveränität durch Seine Herrschaft im irdischen Bereich offenbaren. Bei der Vollendung dieses Plans wird die allumfassende Souveränität Gottes anerkannt (1.Kor.15,24). Dazwischen erfolgt eine ständige, zusammenhängende und fortschreitende Entfaltung dieses Plans. Obwohl es verschiedene Phasen des Heilsplans und unterschiedliche Mittel geben kann, wodurch diese Souveränität ausgeübt wird, geht es um die Entfaltung eines Heilsplans. Sein gesamter Inhalt kann als theokratisches Reich bezeichnet werden. Das Wort Theokratie wird folgendermaßen definiert: Die "Theokratie ist Herrschaft in einem Staat unter unmittelbarer Führung Gottes. Der HERR ließ sich herab, auf die gleiche direkte Art und Weise über Israel zu herrschen, wie ein irdischer König über sein Volk regiert" ... "Mit der Ihm eigenen Weisheit übernahm Er nicht nur eine religiöse, sondern auch eine politische Herrscherstellung über die Nachkommen Abrahams. Er machte sich ganz genau genommen selbst zum König über Israel, wodurch eine Theokratie im eigentlichen und wörtlichen Sinn zur Regierungsform Israels wurde." McClain definiert dieses theokratische Reich als ... ... die Herrschaft Gottes mittels eines göttlich erwählten Bevollmächtigten, der im Namen Gottes spricht und handelt, eine Herrschaft, die sich besonders auf die Menschheit bezieht, obwohl sie letzten Endes das Universum umfaßt. Dabei ist ihr regierender Mittelsmann immer ein Mensch. In dieser ganzen Erörterung haben wir die üblichen Bezeichnungen "Reich Gottes" und "Reich der Himmel" nicht angewendet. Prämillennialisten haben die Gewohnheit, das ewige Reich als Reich Gottes und den irdischen Heilsplan als Reich der Himmel zu bezeichnen. Eine solche Unterscheidung nach Kategorien wird durch den biblischen Sprachgebrauch anscheinend nicht erhärtet. Beide Begriffe werden sowohl in bezug auf das ewige Reich (Mt.6,33 neben 18,3-6; Mt.7,21 und 19,14 neben Mk.10,14) als auch im Hinblick auf das zukünftige Tausendjährige Reich benutzt (Mt.4,17 neben Mk.1,14-15; vgl. Mt.3,2; 5,3.10; 6,10; Mk.9,1.47; 14,25; Lk.19,11; 21,31). Und beide Ausdrücke werden bezüglich der gegenwärtigen Gestalt des Reichs verwendet (Mt.13,11; Mk.4,11; Lk.8,10). Die Unterscheidung richtet sich nicht nach den Begriffen an sich, sondern nach dem Gebrauch im Kontext. Feinberg sagt: Im Matthäusevangelium wird dieses Reich im großen und ganzen als "Reich der Himmel" bezeichnet, während "Reich Gottes" nur wenige Male erwähnt wird. Dazu bietet sich die Erklärung von Dr. Vos an. Matthäus schrieb an Juden, die wie niemand sonst vor dem Namen "Gott" Ehrfurcht hatten. Dies kennzeichnete sie trotz ihrer offensichtlichen fehlenden Erkenntnis der wahren Wesensart des Reichs. Deshalb verstanden sie leicht die Bedeutung des "Reichs der Himmel". Markus und Lukas andererseits schrieben an Angehörige der Nationen, so daß sie den Ausdruck "Reich Gottes" dem anderen vorzogen. Das Reich wird als Reich der Himmel charakterisiert, weil sein Urbild der Himmel und dessen Vollkommenheit ist. Mit dieser Bezeichnung wird auch auf den ewigen und bleibenden Wert dieser Herrschaft Bezug genommen. Außerdem geht es dabei um den Gedanken der himmlischen Entstehung und Herkunft des Reichs, wobei der Gott des Himmels derjenige ist, der es aufrichten wird. Der Name "Reich Gottes" wird verwendet, weil er auf den geistlichen Charakter der Herrschaft und Macht hinweist. In ihm geht es einzig und allein um die Ehre Gottes. Das Werk des Christus, womit er lediglich Seinen Vater verherrlichen will, wird vollendet, wenn Gott verherrlicht wird. Darin besteht das Ziel und der Zweck des Reichs Gottes. Walvoord bemerkt dazu: Obwohl Dispensationalisten dazu neigen, den Begriff Reich der Himmel in seiner Beziehung zum zukünftigen messianischen Reich hervorzuheben, gilt er auch für das Reich im gegenwärtigen Zeitalter ... Ebenso ist wahr, daß der Ausdruck Reich Gottes sowohl für das jetzige Zeitalter als auch für das zukünftige messianische Reich gebraucht wird. Mit anderen Worten: Weder Reich Gottes noch Reich der Himmel sind Fachbegriffe an sich, die für das messianische Reich gelten. Im Kontext jeder einzelnen Stelle kann man entscheiden, ob auf die gegenwärtige Gestalt des Reichs oder auf das zukünftige messianische Reich hingewiesen wird. 278 Demnach werden die Begriffe Reich Gottes und Reich der Himmel austauschbar gebraucht, obwohl an zwei unterschiedliche Phasen des Reichs gedacht ist. Deshalb halten wir es für ratsam, hinsichtlich der ewigen Aspekte vom ewigen Reich und in bezug auf die zeitliche Entwicklung jenes Reichs vom theokratischen Reich zu sprechen. Diesen gesamten Heilsplan des theokratischen Reichs müssen wir nun durch die ganze Schrift hindurch verfolgen. a) Das theokratische Reich in Eden Eine echte Theokratie wurde zum Zeitpunkt der Schöpfung eingeführt, als Gott als Herrscher anerkannt war und die Ihm gehörende Souveränität dem Menschen übertragen wurde, der in Wahrnehmung Seiner Autorität als Mittelsmann über die Erde herrschen sollte. Wir erkennen, daß Adam in dieser Theokratie seine Vollmacht von Gott erhielt und die Herrscherstellung aufgrund seiner Berufung zum Untertanen daher Gott zustand. Adam muß Herrschervollmacht in der Theokratie ausgezeichnet haben, denn sonst könnte Christus in Seiner Regentschaft ihm nicht gegenübergestellt und als "letzter Adam" (1.Kor.15,22- 24.45) bezeichnet werden. "Sie sollen herrschen" (1.Mo.1,26) begründete das theokratische Verhältnis (zwischen Gott und Mensch, A.d.Ü.). Die Verpflichtung, sich die Erde "untertan" zu machen, umfaßte die Ausübung theokratischer Vollmacht. Eva wurde eindringlich gemahnt, sich ihrem Mann unterzuordnen, da Adam der göttlich berufene Herrscher in der Theokratie war. Feinberg legt dar: Das Reich Gottes wurde im Garten Eden verwirklicht.Dort herrschte Gott im absoluten Sinn, wobei all Seine Untertanen Ihm den gebührenden Gehorsam entgegenbrachten, der einem König zusteht. Alle Segnungen, die aus dem Reich Gottes auf die Erde strömen können, waren dort vorhanden. Trotzdem wurde das höchste Ideal nicht erreicht. Ewiges Leben hing vom völligen Gehorsam des Menschen ab, und wenn es ihn gegeben hätte, wäre das ewige Reich mit all seiner Herrlichkeit entstanden. Das Eindringen der Sünde bedeutete nicht mehr und nicht weniger, als daß der Mensch sich aus der souveränen Herrschaft Gottes, seines Königs, löste. Dieser Ungehorsam war der Anlaß zur Aufrichtung eines anderen Reichs in der Welt, nämlich des satanischen. Bei der Nichtanerkennung dieser göttlichen Vollmacht durch Adams Ungehorsam kündigte Gott den Beginn eines Heilsplans an, der jene Vollmacht offenbaren sollte, die abgelehnt worden war (1.Mo.3,15). Er rief eine neue Schöpfung durch den "Samen des Weibes" ins Dasein, die sich ihm bereitwillig unterordnen würde. Der Heilsplan der Erlösung gleicht also der Entfaltung des Heilsplans des Reichs und ist dafür unerläßlich, aber nicht damit identisch. Die Einführung der Vollmacht Gottes erfolgt durch das Mittel der Erlösung, wobei die Wiedereinführung dieser Autorität Gottes Hauptziel bleibt. Nach dem Sündenfall schien das theokratische Reich durch die gottesfürchtigen Nachkommen beherrscht zu werden, die von Eva geboren wurden. Ihre Aussage in 1.Mo.4,1: "Ich habe einen Mann hervorgebracht mit dem HERRN" (Rev.Elberf) kann man besser wiedergeben mit: "Ich habe erschaffen einen Mann, den HERRN" (vgl. H. Bräumer, "Wuppertaler Studienbibel 1.Mo.1-11", A.d.Ü.). Sie enthält möglicherweise einen Hinweis darauf, daß die Theokratie durch diese Nachkommenschaft beherrscht werden sollte. Nach dem Tod Abels nahm Seth dessen Stelle ein (1.Mo.4,25). Sein Name bedeutet "Setzling" (vgl. Anm. Menge, A.d.Ü.), vielleicht deshalb, weil er in dieser Theokratie (als Mittelsmann, A.d.Ü.) eingesetzt wurde. Der historische Zeitraum endete mit der Flut aufgrund der Sündhaftigkeit der Menschheit (1.Mo.6,6-7). Ihre Sündhaftigkeit stellte eine Ablehnung des Herrschaftsrechts Gottes über sie dar. 279 b) Das theokratische Reich unter menschlicher Obrigkeit Nach der Flut führte Gott menschliche Obrigkeiten ein (1.Mo.9,1-7), die das Mittel der Regentschaft über das theokratische Reich wurde. Die Furcht vor dem Menschen, der diese Vollmacht verkörperte, lag dieser Haushaltung im Heilsplan des Reichs zugrunde (1.Mo.9,2). Paulus verdeutlicht (Röm.13,1-4), daß der Angehörige der Obrigkeit "im Dienst Gottes" (Hoffnung) steht. Diese Haushaltung im Heilsplan des Reichs blieb bis zur Ablehnung dieser Obrigkeitsform durch die Gründung des Reichs Nimrods von Babel bestehen, in dem eine neue Obrigkeit anerkannt und ein neues religiöses System eingeführt wurde (1.Mo.10,8-10; 11,1-9). c) Das theokratische Reich unter den Patriarchen Mit der Berufung Abrahams erwählte Gott einen Mann, mit dem Er Sein Ziel auf Erden verfolgen wollte, und durch den alle Menschen gesegnet werden sollten. Das Ziel Gottes mit Abraham konzentrierte sich auf bestimmte Verheißungen bezüglich eines Landes, einer Nachkommenschaft und eines Segens, die in einen ewigen, vorbehaltlosen Bund aufgenommen wurden. Diesen Bund haben wir oben ausführlich untersucht. Das braucht hier nicht wiederholt zu werden. Hier ist wichtig festzustellen, daß die vorweggenommene Erfüllung dieses gesamten Heilsplans durch denjenigen kommt, der König sein soll (1.Mo.49,10). Feinberg schreibt: Auf seinem Sterbebett wird dem alten Jakob die Vision eines Propheten gewährt, so daß er die Bestimmung (der Nachkommen, A.d.Ü.) seiner Söhne voraussagt. Der Segen für Juda und die Prophetie in bezug auf ihn sind für unsere Untersuchung besonders interessant. Sie beschränken die verheißene Nachkommenschaft auf den Stamm Juda und fügen ein weiteres sowie äußerst wichtiges Element des Reichs hinzu - den König. Den zwölf Söhnen des Patriarchen wird gesagt, daß weder das Zepter als Wahrzeichen königlicher Macht noch der Gesetzgeber (vgl. Anm. Elberf, A.d.Ü.) von Juda weichen wird, bis der Schilo kommt, dem sich die Völker anschließen werden (vgl. Anm. Elberf, A.d.Ü.). Viele glauben, daß sich der Schilo auf Hes.21,32 bezieht, wo der Prophet ausruft: "Umgestürzt, umgestürzt, umgestürzt will ich sie machen; auch dies wird nicht mehr sein - bis der kommt, welchem das Recht gehört: dem werde ich es geben" ... Andere meinen, daß der Schilo mit dem Mann des Friedens und der Ruhe zu tun hat ... In beiden Fällen ist die Mehrheit derjenigen, die das Wort schriftgemäß und mit Ehrfurcht studieren, der Meinung, daß hier direkt auf den Messias hingewiesen wird, der aus dem Geschlecht Judas kommen soll. Dabei wird sein Machtbereich geoffenbart: "... ihm werden sich die Völker (die Nationen) anschließen." Es wird sowohl auf das friedfertige Wesen seines Reichs als auch auf den darin vorhandenen Überfluß angespielt ... Schließlich wird auch die unvergleichliche Schönheit des Königs in größtenteils bildlicher Sprache erwähnt. Es gibt einen weiteren Hinweis auf die vorweggenommene Erfüllung dieses theokratischen Heilsplans in 4.Mo.24,17-19. Dort wird folgendes verheißen: Das "Zepter erhebt sich aus Israel." Dieses "Zepter" verkörpert den, der die Vollmacht hat. Er wird Seine Feinde vernichten und Israel zur herausragenden Stellung (unter den Völkern, A.d.Ü.) verhelfen. Während der Patriarchenzeit herrschten bestimmte, göttlich berufene Repräsentanten über diese Theokratie. Deshalb konnte Gott zu Mose sagen, als Er über dessen Beziehung zu Aaron ("Du wirst ihm zum Gott sein" (2.Mo.4,16)) und zu Pharao sprach: "Ich habe dich dem Pharao zum Gott gesetzt" (2.Mo.7,1). In seiner Eigenschaft als berufener Repräsentant der Theokratie konnte er als "Gott" bezeichnet werden. Aufgrund der Stellung von Mose in diesem theokratischen Reich konnte Gott von dem kommenden Herrscher sagen: "Einen Propheten, gleich dir, will ich ihnen aus der Mitte ihrer Brüder erwecken" (5.Mo.18,18). In dieser Eigenschaft führte er Israel durch die Wüste. Somit wird die Ungeheuerlichkeit des wiederholten Murrens als Sünde Israels deutlich, denn sein Murren gegen Mose richtete sich gegen Gottes berufenen Repräsentanten in der theokratischen Haushaltung. Die feurigen Schlangen verkörperten das Gericht, denn "das Volk redete wider Gott und wider Mose" (4.Mo.21,5). Erst ihr Bekenntnis, daß sie gesündigt hatten ("wir (haben) wider den HERRN und wider dich geredet") 280 führte zur Rettung. Josua war der letzte in dieser Zeit, der das Volk als Gottes Bevollmächtigter führte (Jos.1,2-9). Als er an der Spitze des Volkes stand, unterstellte er es der Vollmacht Gottes: Nun fürchtet den HERRN und dienet ihm in Aufrichtigkeit und in Wahrheit ... Und wenn es übel ist in euren Augen, dem HERRN zu dienen, so erwählt euch heute, wem ihr dienen wollt ... Und das Volk antwortete und sprach: Fern sei es von uns, den HERRN zu verlassen, um anderen Göttern zu dienen! Denn der HERR, unser Gott, ist es, der uns und unsere Väter aus dem Lande Ägypten ... heraufgeführt hat ... Auch wir wollen dem HERRN dienen, denn er ist unser Gott (Jos.24,14-18). d) Das theokratische Reich unter den Richtern Als Israel die Oberherrschaft des HERRN akzeptierte, ging Gott zu einer neuen Regierungsform des theokratischen Reichs über - der Herrschaft durch die Richter (Ri.2,16.18; Apg.13,20). Die Aussage Gideons ist eindeutig: Und die Männer von Israel sprachen zu Gideon: Herrsche über uns, sowohl du als auch dein Sohn und deines Sohnes Sohn; denn du hast uns aus der Hand Midians gerettet. Und Gideon sprach zu ihnen: Nicht ich will über euch herrschen, und nicht mein Sohn soll über euch herrschen; der HERR soll über euch herrschen (Ri.8,22-23). Gideon lehnte die Stellung absoluter Macht ab, denn diese gehörte Gott. Das Erlebnis Samuels mit dem HERRN (1.Sam.3,1-18) läßt erkennen, daß Gott als Handelnder mit Hilfe dieser Menschen (der Richter, A.d.Ü.) das ausführte, was Israel betraf. Die Annahme Samuels durch Israel (1.Sam.3,19-4,1) ist die Anerkennung Samuels als göttlich berufener Repräsentant der Theokratie durch das Volk. Eine solche Haushaltung blieb bis zum Ende des Lebens Samuels bestehen. ... Da versammelten sich alle Ältesten von Israel und kamen zu Samuel nach Rama; und sie sprachen zu ihm: Siehe, du bist alt geworden, und deine Söhne wandeln nicht in deinen Wegen; nun setze einen König über uns ein, daß er uns richte, gleich allen Nationen (1.Sam.8,4-5). Der geistliche Niedergang Israels kommt in der Schlußphase der Richterzeit zum Ausdruck: "Ein jeder tat, was recht war in seinen Augen" (Ri.21,25). Dieser geistliche Zustand führte zur Verwerfung jener Form der Theokratie, mit deren Hilfe Gott gewirkt hatte, und rief den Wunsch nach einem König wie in allen Nationen hervor. Gott ließ Samuel erkennen, daß ein solches Vorgehen eine Ablehnung der Theokratie darstellte, denn "nicht dich haben sie verworfen, sondern mich haben sie verworfen, daß ich nicht König über sie sein soll" (1.Sam.8,7). Gott ging daher zu einer neuen Haushaltung des theokratischen Reichs über - der Herrschaft durch die Könige, die über Israel regierten. e) Das theokratische Reich unter den Königen Die Herrschaft in Form der Monarchie war Gottes Ideal eines theokratischen Reichs. Ein solcher König war Abraham (1.Mo.17,5-7) und Jakob (1.Mo.35,11) verheißen worden. Die Macht des Reichs sollte letztendlich in den Händen eines Königs liegen (1.Mo.49; 4.Mo.24,17). Wir erkennen, daß die Einsetzung Sauls bei seiner Amtseinführung als König eine göttliche Berufung war, denn Samuel sagte: "Siehe, der HERR hat einen König über euch gesetzt" (1.Sam.12,13). Und trotzdem erinnerte Samuel die Israeliten daran, daß sie durch die Ablehnung der vorherigen Form der Theokratie gesündigt hatten, indem er sagte: "Ihr ... habt heute euren Gott verworfen" (1.Sam.10,19). Er fügte hinzu: "Euer Böses (vgl. Anm. Elberf, A.d.Ü.), das ihr getan habt, (ist) groß ... in den Augen des HERRN, einen König für euch zu begehren" (1.Sam.12,17). Peters stellt fest: Mit einer größeren Beleidigung konnten sie Gott kaum gegenübertreten als mit einem solchen geäußerten Wunsch. Dies wird deutlich beim Nachsinnen über denjenigen, der sich herabließ, ihr Herrscher zu sein, über den von Ihm verheißenen Segen und den von Ihm gehegten Plan, somit auf 281 direkte Art und Weise König über das Volk zu werden. Der einzige mildernde Umstand für eine solche "Übeltat" (Schlachter), wie es Samuel ausdrückt, lag in ihren erbärmlichen Verhältnissen, die sie ebenfalls ihrem Unglauben zuzuschreiben hatten. Die Einführung dieser theokratischen Regierungsform im Reich brachte die Gottesherrschaft ihrer endgültigen Erfüllung einen Schritt näher. In bezug auf den König selbst heißt es: Der König war in gewisser Hinsicht auch der summus episcopus in Israel. Sein eigentliches Königtum war völlig religiös ausgerichtet und ließ auf eine Einheit von himmlischer und irdischer Herrschaft über Israel durch den schließen, der als Stellvertreter des HERRN (wörtl. "Jahs", A.d.Ü.) "auf dem Thron des Königtums des HERRN über Israel" saß (1.Chr.28,5; vgl. 1.Chr.17,14; 29,23), "Gesalbter des HERRN" war (1.Sam.24,11; 26,9; 2.Sam.1,14) und auch den Titel "Sohn des HERRN" (kein bibl. Zitat; A.d.Ü.) bzw. "Erstgeborener" (vgl. z.B. Ps.89,27; A.d.Ü.) trug ... Es ist falsch, sich diese Theokratie über Israel vom Wesen her als rein zukünftige Gottesherrschaft vorzustellen. Peters sagt: ... Lange (dt. Theologe des 19. Jh., A.d.Ü.) bezeichnet die Theokratie als Reich Gottes in seiner charakteristischen Form ... Was vielleicht zu einem solchem Irrtum führt, ist die Tatsache, daß spezielle gottesdienstliche Handlungen und zeitweilige Vorschriften mit der Theokratie verbunden waren. Doch obwohl das stimmt, wird die theokratische Ordnung bzw. Herrschaftsform, die eine Zeitlang diese Riten und Vorschriften übernahm, nie als Sinnbild dargestellt. Dies steht völlig im Gegensatz zu Bund, Prophetie und Wirklichkeit. Die Theokratie schattete nicht irgend etwas vor, sondern war selbst das Reich Gottes in seiner anfänglichen Form - der Beginn jener Herrschaft Gottes als König auf Erden, die sich im Fall des Gehorsams der Juden ausgedehnt und ausgeweitet hätte, bis alle Nationen in ihren Einfluß- und Machtbereich gebracht worden wären. Daß dies ein fortdauernder Teil im Heilsplan des theokratischen Reichs war, ersehen wir aus der Tatsache, daß Gott von den Königen völligen Gehorsam verlangte. Nach Samuels Aussage vergab Gott dem Volk unter der Bedingung, daß es einschließlich des Königs Ihn dennoch als den anerkannte, der fortwährend als Höchster herrscht, und daß der erwählte König den Gesetzen seines HERRN Geltung verschaffte, dem er unterstand. Indem diese Regentschaft ausgeübt wird, bleibt Gottes theokratische Herrschaft unangetastet. Dem irdischen König waren bestimmte Beschränkungen auferlegt. Ihm drohte im Fall des Ungehorsams, daß der unverändert anerkannte Herrscher des Volkes ihn verwarf und bestrafte. Saul (1.Sam.13,12; 28,15), David (2.Sam.6,20; 7,23-26 usw.), Salomo (1.Kö.3,8-9; 6,12-14; auch Kap.8 usw.) sowie andere wußten dies und bekannten es freimütig. Schon zu Beginn der Herrschaft Sauls wurde verkündet, daß Gott ihn verworfen hatte (1.Sam.13,11-14). Die Vollmacht wurde auf David übertragen (1.Sam.16,1-13), dessen Regierungszeit besonders mit der Entwicklung des theokratischen Reichs verbunden war. Das stellen wir auf zwei Gebieten fest: (1) Gott setzt Sein Reich mit dem Davidischen Reich gleich. Peters schreibt: (Gott) ... erkannte diesen Thron an und verband Seinen Thron sowie Sein Reich damit. Die Theokratie und das Davidische Reich wurden aufgrund einer besonderen und einzigartigen Beziehung untereinander als eins angesehen. In ihrer Bestimmung miteinander völlig identisch, waren sie schließlich untrennbar verbunden Dies wird an drei Sachverhalten deutlich: a) Der Thron und das Reich Davids tragen das Attribut "des HERRN". Somit ist es z.B. in 1.Chr.28,5 "der Thron des Königtums des HERRN über Israel" und in 2.Chr.13,8 "das Königtum des HERRN". In 2.Chr.9,8 wird der König von Gott "auf seinen Thron als König für den HERRN, deinen Gott" (Menge) gesetzt. b) Der König wurde ausdrücklich als "der Gesalbte des HERRN" (1.Sam.24,7; 2.Sam.19,21 usw.) bezeichnet. c) Die Propheten setzen nach der Aufrichtung des Davidischen Throns und Reichs das Reich Gottes in Herrlichkeit als glückselige theokratische Herrschaft ausnahmslos mit dem gleich, was durch das 282 erstgenannte geoffenbart wird (z.B. Jer.31 und Jer.33; Am.9 usw.). Der Grund dafür liegt in ihrer festen und ewigen Verbindung. (2) Gott schloß einen ewigen, vorbehaltlosen Bund mit David (2.Sam.7,16). Darin bürgte Gott dafür, daß das Davidische Reich dasjenige ist, in dem sich die theokratische Herrschaft voll entfalten sollte, wobei auf ewig jeweils einer aus Davids Haus regieren würde. Diesen Bund haben wir oben ausführlich untersucht, und darüber brauchen wir uns hier nicht genauer zu äußern. Es genügt die Feststellung, daß Gott das theokratische Reich inzwischen bis zu dem Punkt entfaltet hatte, an dem es in Form der Monarchie bestand, worüber ein von Gott berufener König herrschte, und daß der Messias kommen würde, um den Heilsplan in dieser Form zu vollenden. f) Das theokratische Reich unter den Propheten Wir stellen fest, daß mit dem Niedergang der Nation unter den Königen, die auf Salomo als den letzten göttlich eingesetzten Herrscher folgten, der prophetische Dienst immer wichtiger wurde. Die Propheten sprachen als göttlich Berufene im Namen Gottes und richteten den Königen Gottes Botschaft aus, die sie manchmal befolgten, aber viel häufiger mißachteten. Peters sagt: "Könige und Priester sollten sich der Vollmacht der Propheten allein aus dem Grund beugen, daß die letzteren den Willen des höchsten Königs unmittelbar offenbarten." Der Prophet Hesekiel verfolgt den Abzug der Herrlichkeit der Schechina, die im Alten Testament ein Sinnbild der Gegenwart Gottes war. Die Herrlichkeit der Schechina verließ den Tempel (Hes.8,4; 9,3; 10,4; 10,18; 11,22.23). Damit kennzeichnete Gott das Ende des theokratischen Reichs in der zurückliegenden Geschichte Israels. Dieses Volk und die Könige, die jenes Reich offenbaren sollten, wurden aus ihrem Land weggeführt. Es begannen die "Zeiten der Nationen" (Lk.21,24; A.d.Ü.), in denen Israel beiseite gesetzt ist, bis der Messias kommt. Das zukünftige theokratische Reich wurde nun zum Hauptthema der prophetischen Botschaft. Jene Linie der Offenbarung, die als ein kleines Rinnsal begann, wurde jetzt zum großen Strom, der das Wort mit der Erkenntnis in bezug auf das Reich mit sich trug, das in seiner endgültigen Form aufgerichtet werden wird. Es wird von fast jedem alttestamentlichen Propheten erwähnt: - Jesaja: 2,1-4; 4,2-6; 9,6-7; 11,1-13; 24,1-23; 32,1-5; 32,14-20; 33,17-24; 35,1-10; 40,1-11; 42,1-4; 52,7- 10; 60,1-61,6; 65,17-25; 66,15-23; - Jeremia: 23,1-8; 31,1-37; 33,14-26; - Hesekiel: 20,33-42; 34,20-31; 36,22-36; 37,1-28; 39,21-29; 43,1-7; - Daniel: 2,31-45; 7,1-28; 9,1-3; 9,20-27; 12,1-4; - Hosea: 3,4-5; - Joel: 2,28-3,2; 3,9-21; - Amos: 9,9-15; - Obadja: 1,15-21; - Micha: 4,1-5,5; - Zephanja: 3,8-20; - Haggai: 2,1-9; - Sacharja: 2,1-13; 6,11-13; 8,1-8; 8,20-23; 9,9-10; 12,1-10; 14,1-21; - Maleachi: 3,1-5; 4,1-6. Außerdem wird es häufig in den Psalmen erwähnt: 2,1-12; 22,1-21; 22,27-31; 24,1-10; 45,1-17; 46,1-11; 48,1-14; 67,1-7; 72,1-17; 89,1-50; 96,1-13; 98,1-9; 110,1-7. Obwohl wir diese und andere Prophetien später ausführlich untersuchen werden, um die gesamte Lehre des Reichs weiter auszuführen, können wir hier bestimmte Tatsachen in bezug auf die prophetische Erwartung des theokratischen Reichs feststellen. 283 Chafer faßt die Lehre zusammen, indem er folgende Merkmale des Reichs aufzeigt: a) Es ist theokratisch. Der König wird der "Emmanuel ... Gott mit uns" (Mt.1,23; A.d.Ü.) sein, denn Er ist von Geburt ein rechtmäßiger Erbe des Thrones Davids und wurde von einer Jungfrau in Bethlehem geboren: Jes.7,14; Mt.1,22-23; Jes.11,1-5; Jer.23,5; Hes.34,23; 37,24; Hos.3,4-5; Mi.5,2. b) Es ist vom Wesen her himmlisch: Jes.2,4; Jes.11,4-5; Jer.33,14-17; Hos.2,18. c) Es befindet sich in Jerusalem und ist weltweit. (1) Das Reich des Emmanuel wird sich auf der Erde befinden: Ps.2,8; Jes.11,9; Jes.42,4; Jer.23,5; Sach.14,9. (2) Das Zentrum des Reichs des Emmanuel wird Jerusalem sein: Jes.2,1-3; Jes.62,1-7; Sach.8,20-23; (3) Der Emmanuel wird über die erneut gesammelten und erretteten Israeliten herrschen: 5.Mo.30,3-6; Jes.11,11-12; Jes.14,1-2; Jer.23,6-8; Jer.32,37-38; Jer.33,7-9; Hes.37,21-25; Mi.4,6-8. (4) Das Reich des Emmanuel wird sich über die Nationen der Erde erstrecken: Ps.72,11.17; Ps.86,9; Jes.55,5; Dan.7,13-14; Mi.4,2; Sach.8,22. d) Es wird durch den wiederkommenden König aufgerichtet werden. 5.Mo.30,3; Ps.50,3-5; Ps.96,13; Sach.2,10-13; Mal.3,1-4. e) Es ist geistlicher Art. Das Reich besteht nicht losgelöst von der materiellen Welt, ist aber dennoch geistlicher Art, da der Wille Gottes in allen Herrschafts- und Haushaltungsangelegenheiten unmittelbar ausgeführt wird. Alle werden die Freude und den Segen der Gemeinschaft mit Gott erfahren. Das universale, irdische Reich wird in vollkommener Gerechtigkeit und wahrer Heiligkeit regiert werden. Das Reich Gottes wird in der Person des Messiaskönigs erneut "mitten unter" (Lk.17,21; Anm. Menge) ihnen sein, und Er wird in der Gnade und Kraft des Geistes in seiner siebenfachen Wirkung herrschen (Jes.11,2-5) ... McClain faßt die prophetische Erwartung des theokratischen Reichs wie folgt zusammen: 1. Was die Grundbedeutung des Wortes anbetrifft, wird das zukünftige Reich nicht bloß ein vollkommenes Königreich sein ... Es wird genauso wie das historische Reich Israels ein Reich im wörtlichen Sinn sein ... Die gesamte Prophetie redet von Anfang bis Ende von einer solchen Wörtlichkeit und weist auf sie hin: bei Einzelheiten wie Ausdehnung, Wesen, Herrscher, Angehörige des Reichs und beteiligte Nationen, mit der Tatsache, daß es wirkliche Reiche vernichten und ablösen wird, und im unmittelbaren Zusammenhang als Wiederherstellung sowie Weiterführung des historischen und Davidischen Reichs. 2. Die Zeit seiner Aufrichtung wird oft als nahe vor der Tür stehend bezeichnet (vgl. z.B. Mt.24,33; A.d.Ü.). Es wird nach "einer ganz kleinen Weile" (Hebr.10,37 Rev.Elberf, A.d.Ü.) kommen. Dennoch lassen andere Aussagen erkennen, daß es in der fernen Zukunft nach "vielen Tagen" bzw. am "Ende der Tage" (z.B. Jes.2,2; A.d.Ü.) kommt ... 3. Der Herrscher dieses zukünftigen Reichs wird Mensch und Gott in einer Person sein. Er wird "Mensch" (kein bibl. Zitat, vgl. aber 1.Tim.2,5; A.d.Ü.), "Sohn des Menschen" (z.B. Dan.7,13; A.d.Ü.), Sohn Gottes, Reis aus dem Stumpf Isais, gerechter Sproß Davids, Gott, Herr HERR, wunderbarer Ratgeber, starker Gott, Vater der Ewigkeit und Fürst des Friedens genannt (vgl. Jes.9,5 Rev.Elberf, A.d.Ü.) ... 4. Das ... in der alttestamentlichen Prophetie dargelegte Reich ist von der Form her eine Monarchie. Der Herrscher sitzt auf einem "Thron", und die Herrschaft ruht "auf seiner Schulter" (Jes.9,7.6). Er empfängt und besitzt seine Vollmacht aufgrund göttlicher Übereignung. Alle Ämter eines Herrschers konzentrieren sich in Seiner Person: Jesaja sieht und bezeichnet Ihn als "Richter", "Gesetzgeber" und "König" (33,22 Menge) ... 5. In seiner äußeren Ordnung beschreiben die Propheten das Reich mit dem Mittler als König an der Spitze. Mit Ihm verbunden sind "Fürsten" (z.B. Ps.45,16; A.d.Ü.). Die "Heiligen" (Dan.7,22; A.d.Ü.) besitzen das Reich. Dem Volk Israel wird die Vorrangstellung gewährt, und zu den Untertanen gehören alle Stämme und Nationen ... 6. In bezug auf das Wesen dieses Reichs und seinen Einfluß auf die Welt stimmen alle Propheten darin überein, daß seine vollständige Aufrichtung eine solch radikale Änderung in jedem Bereich menschlichen Lebens mit sich bringen wird, daß von "einer neuen Erde" als Ergebnis gesprochen wird ... Die alttestamentlichen Propheten beschreiben das Reich des Mittlers zunächst als geistlichen 284 Sachverhalt. Es ist verbunden mit Vergebung der Sünde, geistlicher Reinigung, der Schaffung göttlicher Gerechtigkeit, einem neuen Herzen und einem neuen Geist, einer direkten Erkenntnis Gottes, innerer Übereinstimmung mit den Gesetzen Gottes, dem Ausgießen des Geistes über alles Fleisch und der Wiederkehr der Freude ins menschliche Leben (Jer.31,34; 23,5-6; Hes.36,24-28; Sach.8,20-23; Jer.31,33; Joe.2,28; Jes.35,10). Das Reich wird sich auch moralisch auswirken ... moralische Werte werden angemessen beurteilt werden ... Ein Ausgleich moralischer Unterschiede wird jeden Bereich menschlicher Beziehungen durchdringen ... (Jes.32,5; 40,4; Jer.31,28-30). Die Aufrichtung dieses Reichs wird auch große soziale und wirtschaftliche Veränderungen einleiten ... der Krieg wird beseitigt sein ... Kunst und Wissenschaft werden zum wirtschaftlichen Nutzen eingesetzt werden ... es ist der Beginn weltweiten Friedens ... und sozialer Gerechtigkeit für alle ... (Sach.9,10; Jes.2,4; 9,7; 42,3; 65,21-22; Ps.72,1-4; 72,12-14; Zeph.3,9). Auch im schöpfungsmäßigen Leben wird man überall die Auswirkungen dieses Reichs des Mittlers spüren. Krankheit wird abgeschafft sein. Langes Leben wird wieder möglich sein ... Nur diejenigen unverbesserlichen und unbelehrbaren Menschen, die gegen die Gesetze des Reichs aufbegehren, werden sterben. Die gewöhnlichen Risiken des natürlichen Lebens werden auf übernatürliche Weise zurückgehalten werden ... Über die Erde wird Derjenige unmittelbar herrschen, dessen Stimme sogar Winde und Wellen gehorchen (Mk.4,41) ... geologische Wandlungen ... klimatische Veränderungen ... der Boden wird viel fruchtbarer und ergiebiger sein (Jes.32,14; 35,5-6; 65,20-22; Sach.14,3-4; Am.9,13; Jes.11,6-9; 32,15-16). In Bezug darauf, was man politischen Bereich nennen kann ... Eine zentrale Obrigkeit wird zur Schlichtung völkerumfassender Streitfragen eingesetzt ... "Von Zion wird das Gesetz ausgehen, und das Wort des HERRN von Jerusalem" (Jes.2,3-4; 32,18; Am.9,14-15; Hes.37,1; Jes.60,1-4). Das Reich des Mittlers wird auch einen gottesdienstlichen Aspekt haben. Der souveräne Herrscher vereinigt in Seiner Person das Amt des Königs und des Priesters. Gottesdienstliche und politische Gemeinde werden eins im Planen und Handeln ... (Ps.110,1-7; Hes.37,26-28; 43,1-7; Jes.61,6; 66,23; Sach.14,16-19). Darin besteht das Wesen des ... Reichs, wie es in der alttestamentlichen Prophetie dargelegt wird. Und ich möchte gerade hier darauf hinweisen, daß es allen begründeten Standpunkten Genüge tut und sie miteinander in Einklang bringt. Das Reich hat einen geistlichen, moralischen, sozialen, wirtschaftlichen, schöpfungsmäßigen, politischen und gottesdienstlichen Aspekt. Wer einen davon herausgreift und die anderen leugnet, schmälert die Breite prophetischer Visionen. Somit ist völlig klar, daß der damalige Abzug der Herrlichkeit des HERRN aus Israel und die Gefangenschaft sowie Zerstreuung dieser von Gott beherrschten Nation nicht die Erwartung der Aufrichtung des theokratischen Reichs aufheben. Peters stellt fest: Die Propheten beschreiben einstimmig jenes auf diese Weise wiederhergestellte Reich mit Begriffen, welche die herrlichsten Sachverhalte ausdrücken. Sie sagen von den Psalmen bis Maleachi eine Wiederherstellung dieses untergegangenen Reichs voraus, verbunden mit den erstaunlichsten Ereignissen, die beispiellosen Segen und Herrlichkeit in der Weltgeschichte hervorrufen werden ... Seit dem Untergang des Theokratisch-Davidischen Reichs haben diese prophezeiten Geschehnisse nicht wie beschrieben stattgefunden, und daher ist auch das vorausgesagte, verheißene Reich noch nicht sichtbar geworden ... Genau dieses untergegangene Reich empfängt jene herrlichen Sachverhalte (wörtl. "Zusätze", A.d.Ü.). Kein anderes Reich erlangt sie. Daher sollten wir kein angebliches Reich - ganz gleich, wie laut es proklamiert und wie gelehrt es dargestellt wird - akzeptieren, wenn ihm dies fehlt ... Diese Sachverhalte sind von ihrem Wesen her so gewaltig, in ihren Merkmalen so erstaunlich, offenbaren so deutlich das Einwirken des Übernatürlichen, daß sich vermutlich keiner in bezug auf die Wiederherstellung des Reichs irren kann ... Nach dem Untergang des Davidischen Reichs sagen die Propheten dieses Reich als in der Zukunft befindlich voraus. J.D.P. |