Die Lücke in 1. Mose 1 – Nur eine Theorie?
1. Mose 1,1.2
Vorbemerkung
Die folgenden Ausführungen über die Schöpfung sind das Ergebnis einer
Wortbetrachtung, die am 2. September 2012 in Richmond, B.C. (Kanada),
stattfand. Da immer wieder Fragen auftauchen, ob es eine Lücke in 1.
Mose 1 gibt oder nicht, habe ich mich entschieden,
die Notizen zu diesem Thema in Form einer einfachen Erklärung, was die
Schrift zu diesem Thema sagt, zu veröffentlichen.
Wir befehlen nun unseren Lesern diese
schlichte Abhandlung an und vertrauen darauf, dass der Herr sie benutzt,
um allen zu helfen, die nach Licht zu diesem Thema suchen. „Den
Aufrichtigen geht Licht auf in der Finsternis“ (Ps
112,4). […][1]
Das Thema
1Mo 1,1.2: Im
Anfang schuf Gott die Himmel und die Erde. Und die Erde war wüst und
leer, und Finsternis war über der Tiefe; und der Geist Gottes schwebte
über den Wassern.
Über die letzten zweihundert Jahre hinweg haben die meisten christlichen
Lehrer und Ausleger zu 1.
Mose 1,1.2 die Position eingenommen, dass es sich um
eine ursprüngliche Schöpfung Gottes handelt, bei der die Erde nach einer
Art Gericht in einen Zustand des Chaos und der Zerstörung geriet. In 1.
Mose 1,3-31 baute Gott dann in sechs buchstäblichen
Tagen die Erde wieder auf, wobei die Erschaffung der Tiere und des
Menschen dem Wiederaufbau hinzugefügt wurde (1Mo
1,21.27). Bibellehrer haben daraus gefolgert, dass zwischen der
Erschaffung der Erde (1Mo
1,1.2) und ihrem Wiederaufbau (1Mo
1,3-31) eine unbestimmte Zeitspanne liegen muss. Sie versuchen
nicht, zu berechnen, wie lang diese Lücke gewesen sein mag, weil die
Schrift darüber schweigt, sondern stellen einfach fest, dass es sie
gegeben haben muss. Einige vermuten, dass diese Lücke Millionen von
Jahren umfasst haben könnte, was vielleicht das Vorhandensein der
Fossilien in den geologischen Schichten der Erdkruste erklärt. Dabei
handelte es sich dann um Geschöpfe, die einst Teil der ursprünglichen
Schöpfung der Erde waren.
Diese Auslegung ist die Überzeugung praktisch
aller angesehenen Bibelgelehrten des 19. und des frühen 20.
Jahrhunderts: von J.N. Darby, G.V. Wigram, W. Kelly, C.H. Mackintosh,
F.W. Grant, W. Scott, A.J. Pollock bis hin zu C.I. Scofield, R.A.
Torrey, E. Schuyler English, A.C. Gaebelein, H.A. Ironside, M.F. Unger
usw. Die Überschriften in der Scofield
Reference Bible zu 1.
Mose 1 spiegeln diese Auslegung ebenfalls wider.
Dort heißt es zu Vers 1: „Die ursprüngliche Schöpfung“, zu Vers 2: „Die
durch das Gericht verwüstete und entleerte Erde“, und zu den Versen 3
bis 31: „Ein neuer Anfang – der erste Tag“ usw.[2]
Trotz dieser allgemein akzeptierten Auslegung glauben die meisten
evangelikalen Christen heute, dass diese Gelehrten mit ihrer Sicht von 1.
Mose 1 falschliegen – vor allem, weil in den letzten
fünfzig oder sechzig Jahren bestimmte geologische Funde entdeckt worden
sind. „Junge-Erde-Kreationisten“ (wie sie gemeinhin genannt werden) sind
Christen, die die Idee ablehnen, dass es eine ursprüngliche, von Gott
geschaffene Erde vor der wiederhergestellten Erde, auf der wir heute
leben, gegeben hat. Sie sehen die Verse 1 und 2 als Teil von Gottes Werk
in den sechs Tagen der Verse 3 bis 31 an. (Dies ist im Wesentlichen eine
Wiederbelebung der reformatorischen Lehre zu 1.
Mose 1, wie sie von Männern wie Martin Luther, Johannes Calvin
und Matthew Henry vertreten wurde.) Für Junge-Erde-Kreationisten ist 1.
Mose 1 eine einzige durchgehende Erklärung der
Schöpfung. Sie schlussfolgern daher, dass der Bericht in 1. Mose darauf
hinweise, dass die Erde mit etwa sechstausend Jahren relativ jung sei,
weil (so sagen sie) die sechs Tage, mit denen die Zeit begonnen hat, den
Anfang von Gottes Schöpfungswerk markierten. Sie haben große
Anstrengungen unternommen, um zu versuchen, die christliche Welt davon
zu überzeugen, und zwar unter Verwendung der Wissenschaft, der
Fossilienfunde und falscher Schriftauslegungen. Die Frage lautet nun:
Welche dieser beiden Auffassungen ist richtig? Und: Ist das überhaupt
wichtig?
Diejenigen, die die Ansicht vertreten, dass es eine solche Lücke gibt,
halten diese Frage für nicht allzu entscheidend (denn sie berührt weder
die Person noch das Sühnungswerk Christi), aber die kreationistischen
Anhänger einer jungen Erde halten diese Frage für sehr wichtig. Sie
bestehen nachdrücklich darauf, dass die Erde jung sei, und der
Hauptgrund dafür ist, dass dies ein nützliches Instrument ist, um die
irrigen Evolutionstheorien zu entlarven, die lange Zeiträume zur
Erklärung langsamer Entwicklungen benötigen. Die Behauptung, dass es in 1.
Mose 1 eine Lücke gibt – was die
Junge-Erde-Kreationisten als „Lückentheorie“ bezeichnen –, ist ihrer
Meinung nach ein schrecklicher Kompromiss mit den falschen Vorstellungen
der Evolution. Sie glauben, die Idee einer Lücke komme der Evolution
entgegen und untergrabe somit die Botschaft des Evangeliums. Sie sind
der Meinung, es handle sich dabei um einen schwerwiegenden Irrtum, der
dem Zweck zuwiderläuft, zu dem die Christen in diese Welt gesetzt
wurden: nämlich das Evangelium zu verbreiten.
Auf der anderen Seite verwenden Gapists oder Gapsters (wie
Junge-Erde-Kreationisten diejenigen nennen, die glauben, dass es eine
Lücke[3] gibt)
überwiegend, wenn nicht sogar ausschließlich, das Wort Gottes, um ihre
Überzeugungen über die Schöpfung zu untermauern, und lassen die
Wissenschaft außen vor. Sie glauben nicht, dass das Festhalten an den
Aussagen der Heiligen Schrift zu diesem Thema (oder zu irgendeinem
anderen Thema) die Botschaft des Evangeliums an die Welt schwächen
könnte, denn Gott lehrt in seinem Wort keine Dinge, die die an anderer
Stelle in seinem Wort verkündete Wahrheit zerstören. „Gapisten“
verstehen, dass der letztlich entscheidende Grund für den Glauben eines
Menschen an das Evangelium ein Ergebnis von Gottes lebendig machender
Kraft in der Seele ist (Eph
2,5) und dass Atheisten nicht durch gute wissenschaftliche
Argumente davon überzeugt werden können, dass ihr Glaube an die
Evolution falsch ist. „Gapisten“ sehen aus der Schrift, dass Christen nicht dazu
berufen sind, mit Ungläubigen zu diskutieren, und dass es daher nicht
ihre Aufgabe ist, verlorene Menschen von der Existenz Gottes und seiner
Schöpfung zu überzeugen. Sie begnügen sich damit, die Folgen des
Evangeliums Gott zu überlassen, der allein die Macht hat, Menschen zur
Umkehr und zum Glauben an den Herrn Jesus Christus zu bringen. Daher
sehen „Gapisten“ den Grundsatz der Jungen-Erde-Kreationisten als falsch
an – abgesehen davon, dass er unbiblisch ist.
Die Bibel – der absolute Maßstab zur Beantwortung der Frage
Eine verbindliche Antwort auf diese Meinungsverschiedenheit findet man nicht, indem
man sich an die Wissenschaft, an die fossilen Überlieferungen oder an
die menschliche Vernunft wendet, sondern indem man sich dem Wort Gottes
zuwendet. Es ist in Glaubensfragen unsere absolute Autorität. Unsere
Untersuchung muss daher mit der Frage beginnen: „Was sagt Gottes Wort zu
dieser Frage?“
Eine Untersuchung von 1.
Mose 1 zeigt, dass es tatsächlich eine ursprüngliche
Schöpfung „der Himmel und der Erde“ gab und dass die Erde in einen
chaotischen Zustand überging, in dem sie „wüst und leer“ war und
„Finsternis“ über der ganzen Szene herrschte. Wie lange sie sich in
diesem chaotischen Zustand befand, wird nicht gesagt, aber es heißt,
dass Gott irgendwann handelte und eine neue Erde und einen neuen Himmel
„machte“, wobei dabei ein Ausdruck verwendet wird, der „Wiederaufbau“
oder „Wiederherstellung“ bedeutet (vgl. 2Mo
20,11 und 31,17 sowie Ps
33,6). Dies hat viele angesehene und in der Lehre gesunde
Bibellehrer zu der Schlussfolgerung geführt, dass zwischen diesen beiden
Werken Gottes eine Lücke in der Darstellung bestehen muss. Die
Junge-Erde-Kreationisten beschuldigen jene Bibellehrer jedoch, der
Schrift eine Lücke hinzuzufügen, während
sie in Wirklichkeit doch nur die Tatsache beobachten, dass Gott uns
nicht offenbart hat, wann Er
sein schöpferisches Werk in der zeitlosen Vergangenheit begonnen hat und wie
lange es in einem gefallenen Zustand lag, bevor Er
sein Werk des Wiederaufbaus ausführte. Diese angesehenen Bibellehrer
sind der Meinung, dass es ein Fehler wäre, zu sagen, dass 1.
Mose 1,1.2 dasselbe Werk ist wie 1.
Mose 1,3-31 im Licht der Beweise aus der Heiligen
Schrift, die wir nun betrachten werden.
Beim Schöpfungsbericht ist es wichtig, zu beachten, dass das Wort Gottes drei verschiedene
Ausdrücke verwendet („gemacht“, „geschaffen“ und „gebildet“ in 1Mo
2,4-7), um Gottes Werk zu beschreiben:
-
„Erschaffen“ (bara) bedeutet,
dass etwas ins Leben gerufen wird, was noch nie zuvor existiert hat,
ohne vorher existierendes Material zu verwenden (1Mo
1,1.21.27).
-
„Machen“ (asa) setzt
die Verwendung von Material voraus, das zuvor geschaffen wurde, und
bedeutet, dass daraus etwas Neues gemacht wird (1Mo
1,31; 2,3.4).
-
„Bilden“ (yasar) bedeutet,
dass man etwas Geschaffenes nimmt und es zu einem bestimmten Zweck
in eine neue Form bringt (1Mo
2,7.8).
In Jesaja
43,7 werden alle drei Begriffe in einem einzigen
Vers erwähnt: „Jeden, der mit meinem Namen genannt ist und den ich zu
meiner Ehre geschaffen, den
ich gebildet und gemacht habe!“
(s. auch Jes
45,18). Demzufolge hat Gott an den ersten vier Tagen des
Neuaufbaus der Schöpfung nur gemacht; am
fünften Tag hat Er gemacht und erschaffen; am
sechsten Tag hat Er gemacht,
erschaffen und gebildet; am
siebten Tag hat Er nichts von alledem getan.
Die Befürworter einer jungen Erde behaupten, diese Begriffe in der
Schrift würden austauschbar verwendet und alle dasselbe bedeuten. Ein
aufmerksamer Blick in den Schöpfungsbericht zeigt jedoch, dass diese
Begriffe nicht austauschbar
sind. Beispielsweise heißt es in 1.
Mose 2,3: „Und Gott segnete den siebten Tag und heiligte ihn;
denn an ihm ruhte Er von all seinem Werk, das Gott geschaffen hatte,
indem Er es machte.“ Wenn „geschaffen“ und „machte“ identische Begriffe
wären, wäre dieser Vers eine sinnlose Aussage. Gott verwendet im
Allgemeinen keine zwei Begriffe mit austauschbaren Bedeutungen in seinem
Wort. Wenn ein anderes Wort im Text auftaucht, dann deshalb, weil das
Thema, um das es geht, eine andere Bedeutung trägt oder weil ein anderer
Aspekt der Sache betont wird. Dies ist in der gesamten Heiligen Schrift
der Fall und „die Schrift kann nicht aufgelöst werden“ (Joh
10,35).
Junge-Erde-Kreationisten werden auf 1.
Mose 1,26.27 verweisen, um ihre Vorstellung zu
untermauern, dass Gott austauschbare Begriffe für dieselbe Sache
verwendet. In diesen Versen heißt es: „Und Gott sprach: Lasst uns
Menschen machen in
unserem Bild, nach unserem Gleichnis; und sie sollen herrschen über die
Fische des Meeres und über die Vögel des Himmels und über das Vieh und
über die ganze Erde und über alles Gewürm, das sich auf der Erde regt!
Und Gott schuf den
Menschen in seinem Bild, im Bild Gottes schuf Er ihn; Mann und Frau
schuf Er sie.“ Allerdings beziehen sich diese beiden Begriffe „machen“
und „schaffen“ hier auf verschiedene Teile des dreiteiligen Wesens des
Menschen. 1.
Mose 1,26 betont die natürliche und physische Seite
des Menschen, die Gott gemacht hat,
während sich 1.
Mose 1,27 auf die geistige Seite des Menschen
bezieht, die Gott schuf, als
Er den Menschen machte (1Mo
2,7).
Beweise für eine Lücke in 1. Mose 1
Eine Reihe interner Beweise im Schöpfungsbericht selbst bestätigen, dass
es tatsächlich eine Lücke zwischen der ursprünglichen Schöpfung und dem
Wiederaufbau der Erde gibt.
Exegetische Beweise
Einer der wichtigsten Grundsätze biblischer
Exegese[4] besagt:
Wir müssen die Heilige Schrift im Licht aller anderen Schriftstellen
auslegen. Darauf bezog sich der Apostel Petrus im Wesentlichen, als er
sagte, dass „keine Weissagung der Schrift von eigener Auslegung ist“ (2Pet
1,20). Das bedeutet: Wir können nicht einfach einen Abschnitt der
Schrift vom Rest des Wortes Gottes abtrennen und hätten damit seine
volle Bedeutung vor uns. In der Fußnote der Darby-Bibelübersetzung zu 2.
Petrus 1,20 heißt es:
Man könnte fast sagen: „Keine Prophezeiung erklärt sich selbst.“
In ähnlicher Weise sagt G. Campbell Morgan:
Man braucht die ganze Bibel, um einen einzigen Abschnitt der Bibel
zu erklären.
Folglich müssen wir das Licht der gesamten Heiligen Schrift auf eine
bestimmte Stelle werfen, um seine volle Bedeutung richtig zu verstehen.
Wir müssen daher andere Stellen in der Heiligen Schrift heranziehen, die
von der Schöpfung sprechen, um 1.
Mose 1 richtig zu verstehen. Wir behandeln nun vier
solcher Bibelstellen:
(1) Jesaja 45,18
Jes 45,18: So
spricht der HERR, der die Himmel geschaffen (er ist Gott), der die Erde
gebildet und sie gemacht hat (er hat
sie bereitet; nicht als eine Öde hat er sie geschaffen; um bewohnt zu
werden, hat er sie gebildet).
Statt „nicht als eine Öde“ könnte auch „nicht wüst“ übersetzt werden. Es
handelt sich dabei um das hebräische Wort tohu, das
auch in 1.
Mose 1,2 auftaucht. Wenn wir also im
Schöpfungsbericht lesen: „Und die Erde war wüst und leer, und Finsternis
war über der Tiefe“, dann kann sich das nicht auf Gottes anfänglichen
Schöpfungsakt beziehen, denn in Jesaja
45,18 heißt es, dass Gott sie gerade nicht auf
diese Weise geschaffen hat, d.h., dass Er sie wüst geschaffen hätte.
William Kelly schreibt:
Gott hat nicht eine Masse unverdauter
Stoffe geschaffen.[5]
Daher ist klar: 1.
Mose 1,2 ist eine Beschreibung des Zustands, in den
die Erde erst nach ihrer Erschaffung fiel.
Ganz allgemein können wir festhalten: Wenn Gott etwas schafft, ist
es vollkommen und vollständig. Er beginnt nicht mit einer Masse von
Elementen und baut dann schrittweise sein fertiges Produkt daraus
zusammen. Aber wenn Er etwas macht (wie
beim Wiederaufbau der Erde), tut Er oftmals genau das: Er baut eine
Sache auf die andere, bis sein Werk vollendet ist. Daher kann 1.
Mose 1,2 keine Beschreibung von Gottes
Schöpfungswerk sein, denn Er schafft nicht unvollständig. W. Scott
unterstreicht diesen Punkt:
Die Szene der völligen Verwüstung, die im
zweiten Vers der Bibel so anschaulich beschrieben wird, war nicht das
schöpferische Werk Gottes, denn „sein [schöpferisches] Werk ist
vollkommen“.[6]
Außerdem weist er darauf hin, dass die oft verwendete Formulierung „In
sechs Tagen schuf der
HERR den Himmel und die Erde“ in der Heiligen Schrift nicht zu finden
ist. In der Bibel heißt es: „In sechs Tagen hat der HERR den Himmel und
die Erde gemacht“
(2Mo
20,11; 31,17).
Ein genauerer Blick auf 1.
Mose 1,2 zeigt einen dreifachen Zustand, in den die
Erde fiel: wüst, leer und finster. Das mit „war“ (hay’thah im
Hebräischen) übersetzte Wort sollte nach Ansicht vieler Gelehrter mit
„wurde“ übersetzt werden. J.N. Darby schreibt z.B.:
Ich glaube kaum, dass hay’thah („war“)
hier die einfache Existenz bedeutet, sondern eher „wurde“ …, ein
Zustand, in den es übergegangen war.[7]
Der Bibeltext könnte also lauten: „Und die Erde wurde wüst und leer.“
Das Wort „wurde“ weist darauf hin, dass eine Veränderung eintrat im
Zustand dessen, was Gott geschaffen hatte. Es bestätigt somit, dass Er
die Erde nicht in einem Zustand des Chaos geschaffen hat. In der
King-James-Übersetzung gibt es allein im ersten Buch Mose siebzehn
Stellen, an denen dieses Wort (hay’thah) mit became („wurde“)
übersetzt wird. Es ist nicht bekannt, warum die Übersetzer in 1.
Mose 1,2 „was (war)“ verwenden, da sie das Wort doch
an so vielen anderen Stellen des Buches mit became übersetzen.
Auch die New-International-Version (eine Lieblingsübersetzung vieler
Junge-Erde-Kreationisten) gibt in einer Fußnote an, dass die alternative
Lesart für „war“ „wurde“ ist.
Es wurde oft die Frage gestellt: „Wenn 1.
Mose 1,2 einen gefallenen Zustand beschreibt, wer
oder was hat ihn verursacht?“ Die Heilige Schrift macht dazu keine
direkte Aussage; die Antwort auf diese Frage könnte jedoch in den Worten
„wüst“ (tohu) und
„leer“ (bohu) zu
finden sein. Es fällt auf, dass an jeder der fünf anderen Stellen in der
Bibel, an denen diese Wörter auch verwendet werden, sie immer das
Ergebnis eines Gerichtsakts im Zusammenhang mit Sünde sind (Jes
24,1; 34,11; 45,18; Jer
4,23; Nah
2,10). Es wäre daher eine gesicherte und mit der gesamten
Heiligen Schrift übereinstimmende Schlussfolgerung, dass dies hier in 1.
Mose 1,2 ebenfalls der Fall war.
Aber was für ein Gericht soll das gewesen sein und über wen oder was?
Aus den obigen Hinweisen können wir ableiten, dass es etwas gewesen sein
muss, was aus den sündigen Handlungen Satans resultierte, denn soweit
die Schrift offenbart, waren er und seine Engel die einzigen Geschöpfe,
die damals mit einer solchen Macht ausgestattet waren, die sündig
wirkte. Da es Satans Natur ist, alles, was Gott tut, zu zerstören und zu
verderben, können wir daraus Folgendes schlussfolgern: Nachdem Satan aus
der Wohnung Gottes vertrieben worden war (Hes
28,11-19), verderbte er die Erde, woraufhin Gott die ganze Szene
mit einem Akt des Gerichts beendete. Zwar können wir nicht mit Nachdruck
behaupten, dass dies die Ursache für den gefallenen und chaotischen
Zustand der Erde ist, doch stimmt es mit dem Grundtenor der Heiligen
Schrift überein.
Die Verfechter der Idee einer jungen Erde lehnen diese Argumentation ab,
weil es für die Existenz von Tod und Gericht die Sünde gegeben haben
müsse, und die Sünde habe es (ihrer Meinung nach) vor dem Sündenfall
noch nicht gegeben (1Mo
3). Dabei berufen sie sich auf Römer
5,12. Dieser Vers bezieht sich jedoch nicht auf den Eintritt von
Sünde und Tod in die Urschöpfung, sondern
auf den Eintritt von Sünde und Tod in das Menschengeschlecht (die adamitische
Welt). Es ist ein Irrtum, zu glauben, dass die Sünde nicht
existierte, bevor Adam
fiel. Der Apostel Johannes schreibt, dass Satan „von Anfang an“
gesündigt hat (1Joh
3,8). Er und seine Engel waren die ersten Sünder, und folglich
wurden sie aus dem Himmel vertrieben. Das sieht man ja auch ganz
deutlich daran, dass er bereits im Garten Eden sündig wirkte, indem er
die Frau belog und verführte, bevor sie
und ihr Mann gegen Gott sündigten (1Mo
3,1-7). In Römer
5,12 zeichnet Paulus lediglich den Eintritt der
Sünde in das Menschengeschlecht nach; Johannes dagegen geht bis zum
Ursprung der Sünde zurück.
Trotzdem lehnen die Junge-Erde-Kreationisten die Vorstellung ab, dass es
Sünde und Tod schon gab, bevor Adam sündigte, denn in 1.
Mose 1,31 heißt es: „Und Gott sah alles, was er
gemacht hatte, und siehe, es war sehr gut.“ Sie glauben nicht, dass Gott
dies hätte sagen können, als die Erdkruste voller Fossilien war, die die
Zeichen von Krankheit, Gewalt, Tod und Verfall trugen, da sie sich nicht
vorstellen können, wie Gott das hätte „sehr gut“ nennen können. Eine
genaue Untersuchung des Verses zeigt jedoch: Gott sprach über das, was
Er in den sechs Tagen des Wiederaufbaus „gemacht“ hatte, und nicht über
das, was in der Schöpfung zuvor verdorben worden war. Er sagt ja, dass
„es“ (was Er in den sechs Tagen gemacht hatte) „sehr gut“ war. Ein
genaues Lesen des Textes ist hier ausreichend.
Markus 10,6 ist
als Beweis dafür angeführt worden, dass der Mensch bereits Teil der in 1.
Mose 1,1 erwähnten Schöpfung gewesen sei. Der
„Anfang der Schöpfung“, von dem der Herr in Markus
10,6 spricht, ist allerdings nicht der schöpferische
Anfang des Himmels und der Erde, sondern die Erschaffung des Menschen;
der Zeitpunkt, als der Mensch seinen Anfang hatte (1Mo
1,26.27).
(2) Hebräer 11,3
Heb 11,3: Durch
Glauben verstehen wir, dass die Welten durch Gottes Wort bereitet worden
sind.
Das griechische Wort für „bereitet“ (katartizo) bedeutet
„reparieren“ oder „flicken“ (Strongs) oder „wieder in Ordnung bringen“
(Liddell und Scott) oder „angepasst“ (Nestle). Dasselbe Wort wird in Matthäus
4,21 und Markus
1,19 verwendet und dort mit „ausbessern“ übersetzt.
In Galater
6,1 wird es mit „wieder zurechtbringen“ übersetzt.
Dieser Vers deutet also darauf hin, dass Gott das, was Er zuvor
geschaffen hatte, repariert oder wiederhergestellt hat. Die Tatsache,
dass es wiederhergestellt werden musste, zeigt deutlich, dass es in
einen chaotischen Zustand geraten war.
(3) 2. Petrus 3,5
2Pet 3,4-7: 4
Wo ist die Verheißung seiner Ankunft? Denn seitdem die Väter entschlafen
sind, bleibt alles so von Anfang der Schöpfung an. 5 Denn nach ihrem
Willen ist ihnen dies verborgen, dass von alters her Himmel waren und
eine Erde, entstehend {bestehend} aus Wasser und im {durch} Wasser durch
das Wort Gottes. 6 durch welche die damalige Welt, von Wasser
überschwemmt, unterging. 7 Die jetzigen Himmel aber und die Erde sind
durch dasselbe Wort aufbewahrt für das Feuer, behalten auf den Tag des
Gerichts und des Verderbens der gottlosen Menschen.
In diesem Abschnitt antwortet Petrus auf die Unwissenheit der
Ungläubigen, die spöttisch behaupten, dass alles seit dem Beginn der
Schöpfung gleichgeblieben sei (2Pet
3,4). Er zeigt dann, dass es in der Vergangenheit zwei
katastrophale, weltweite Eingriffe Gottes in Gericht gab (2Pet
3,5.6) und dass ein dritter bevorsteht (2Pet
3,7). Vers 5 bezieht sich auf das Gericht, das die Erde in dem in 1.
Mose 1,2 beschriebenen chaotischen Zustand
zurückließ; Vers 6 bezieht sich auf das Gericht der Sintflut in den
Tagen Noahs und Vers 7 beschreibt ein zukünftiges Gericht nach dem
Tausendjährigen Reich am Ende der Zeit.
Dessen ungeachtet bestehen
Junge-Erde-Kreationisten darauf, dass sich die Verse 2.
Petrus 3,5.6 auf die Flut beziehen. Bei Vers 6 ist
das auch mit Sicherheit der Fall, aber bei Vers 5 kann es nicht sein.
Wer die Geschichte der Sintflut kennt, weiß, dass die Wasser der
Sintflut die höchsten Berge bedeckten (1Mo
7,18-20); es gab keine Landstücke, die aus den Wassern ragten,
wie es in Vers 5 heißt.[8] Vers
5 muss sich also auf etwas anderes beziehen. Da das, was in Vers 5
beschrieben wird, vor der Beschreibung der Sintflut in Vers 6 erwähnt
wird, stellt sich die Frage: Auf welches Ereignis in den ersten sechs
Kapiteln von 1. Mose soll sich dieser Vers sonst beziehen, wenn nicht
auf 1.
Mose 1,2?
Die Beschreibung der Erde in 2.
Petrus 3,5 scheint vielleicht zunächst nicht zu der
Beschreibung aus 1.
Mose 1,2 zu passen, aber es ist keine Schwierigkeit,
die beiden Stellen miteinander in Übereinstimmung bringend zu erklären,
wenn wir uns daran erinnern, dass die Bibel eine fortschreitende
Offenbarung der Wahrheit ist. Aussagen des Alten Testaments werden im
Neuen Testament häufig erweitert und noch ausführlicher dargestellt.
Beispielsweise lernen wir in 2.
Timotheus 3,8 mehr über die ägyptischen Zauberer,
die sich Mose widersetzten, als uns das Alte Testament berichtet. Und so
erweitert 2.
Petrus 3,5 die Darstellung aus 1.
Mose 1,2. Wenn wir allein den Bericht aus 1.
Mose 1 hätten, würden wir meinen, dass die Erde
vollständig mit Wasser bedeckt war, aber aus 2.
Petrus 3,5 wissen wir, dass es Teile der Erde gab,
die unter Wasser standen, und Teile, die nicht unter Wasser standen.
Wenn wir uns 1.
Mose 1,2 genauer ansehen, stellen wir fest, dass
dort nicht gesagt wird, dass die Erde vollständig mit Wasser bedeckt
war; es ist nur eine Annahme, dass sie es war. Man könnte nun darauf
verweisen, dass das Land erst am dritten Tag erschienen ist. Auch das
sagt die Schrift nicht; sie sagt, dass das Land am dritten Tag „trocken“
wurde. In 1.
Mose 1,9.10 ist nicht die Rede vom trockenen Land, sondern
vom „Trockenen“, das sichtbar wurde. Wenn wir 1.
Mose 1,2 und 2.
Petrus 3,5 zusammennehmen, stellen wir fest: Als die
Erde „wüst und leer“ war, war sie teilweise überflutet. Kelly schreibt
dazu:
Die vor uns liegende Stelle [2Pet
3,5.6] wird von einigen nur auf den Urzustand der Erde, von
anderen auf die Sintflut bezogen. Es ist klar genug, dass der
Apostel beides nacheinander betrachtet.[9]
(4) 1. Mose 2,4
Dieser Vers ist eine göttlich inspirierte Zusammenfassung des
Schöpfungsberichts. Dort heißt es:
1Mo 2,4: Dies
ist die Geschichte des Himmels und der Erde, als sie geschaffen wurden,
an dem Tag, als Gott der HERR Erde und Himmel machte.
Das Wirken Gottes wird in diesem Vers zweimal erwähnt. Zunächst im
Zusammenhang mit dem, was Er in der zeitlosen Vergangenheit „geschaffen“
hat. (Beachte: Die Himmel werden vor der
Erde erwähnt, was der Reihenfolge aus 1.
Mose 1,1 entspricht.) Zweitens wird dann Gottes
Wirken im Zusammenhang mit den Dingen, die Er „gemacht“ hat, erwähnt.
(Beachte: Die Erde wird nun vor den
Himmeln erwähnt, was der Reihenfolge von Gottes Werk in den sechs Tagen
des Wiederaufbaus in 1.
Mose 1,3-31 entspricht.) Dadurch dass der Geist
Gottes auf diese Dinge in dieser markanten Weise Bezug nimmt, zeigt Er
deutlich, dass der Bericht zwei unterschiedliche Werke Gottes enthält.
Kelly schließt seine Ausführungen zu diesem Thema mit den Worten:
Die verbreitete Vorstellung, die
Erschaffung der Welt liege etwa sechstausend Jahre zurück, ist
blanker Irrtum. Die Bibel ist in keinster Weise dafür
verantwortlich. Wo sollte es in der Schrift stehen oder auch nur
angedeutet werden?[10]
Strukturelle Beweise
Die Heilige Schrift ist zuverlässig und genau (da sie göttlich
inspiriert ist) und so muss sie auch studiert werden: „Gebot auf Gebot,
Vorschrift auf Vorschrift“ (Jes
28,10). Das bedeutet, dass wir auch auf die kleinsten Details in
Gottes Wort achten sollten. Wir werden auch dazu aufgerufen, „das Wort
der Wahrheit recht zu teilen“ (2Tim
2,15). Das bedeutet: Das Wort Gottes enthält Unterteilungen, und
diese Unterteilungen müssen wir beachten, wenn wir versuchen, ein
Verständnis für die Wahrheit zu erlangen. Themen werden durch bestimmte
wiederkehrende Begriffe und Wendungen abgegrenzt. Auf diese Weise werden
einheitliche Abschnitte gekennzeichnet. Der Bibelleser sollte sich
dessen bewusst sein. Ein Beispiel dafür sind die fünf Bücher der
Psalmen; jedes Buch wird sorgfältig abgegrenzt, indem es mit den Sätzen
„Amen, ja, Amen“ oder „Lobet den Herrn“ endet (Ps
41,14; 72,19; 89,53; 106,48; 150,6).
Die allererste Unterteilung im Wort Gottes, die Leser der Heiligen
Schrift beachten sollten, ist die zwischen 1.
Mose 1,2 und 1.
Mose 1,3. Die Struktur des biblischen Berichts selbst weist
darauf hin. Das sieht man daran, dass die sechs Tage in diesem Abschnitt
jeweils durch zwei wiederkehrende Formulierungen unterteilt sind, die
den Anfang und das Ende jedes Tages markieren. Der erste Tag beginnt mit
„Und Gott sprach“ und endet mit „Und es wurde Abend, und es wurde
Morgen: erster Tag“. Diese beiden sich wiederholenden Sätze dienen als
Rahmen für jeden Tag. Dieses Muster zieht sich durch den gesamten
Bericht hindurch. Es zeigt deutlich, dass der erste Tag in Vers 3
beginnt und nicht in Vers 1, wie die Junge-Erde-Kreationisten behaupten.
Es anders zu lehren, ist eine Missachtung des Musters, das Gott in sein
Wort gelegt hat.
Dies zeigt, dass die ersten beiden Verse einen eigenen Abschnitt bilden,
der vom Rest des Kapitels getrennt ist. Die Dinge, die in diesen beiden
Versen erwähnt werden, sind also Handlungen, die eindeutig nicht zur
gleichen Zeit stattfanden wie die Dinge, die im Rest des Kapitels
erwähnt werden. Dieser Bruch im Text deutet auf eine Lücke zwischen der
Schöpfung und dem Wiederaufbau hin, wobei die Länge dieser Lücke
unerwähnt bleibt.
Grammatikalische Beweise
George V. Wigram stellt in seinem Aufsatz
„Examination of the Hebrew Bible as to the Structure and Idiom of the
Language“ (Untersuchung
der hebräischen Bibel im Hinblick auf Struktur und Idiomatik der Sprache)
fest, dass es in 1.
Mose 1 einen bedeutsamen Wechsel in den Zeitformen
gibt und dass dieser Wechsel auf ein neues Werk Gottes ab Vers 3
hindeutet.[11]
Er weist darauf hin, dass es sich bei 1.
Mose 1,1.2 um eine vergangene Handlung
handelt, während 1.
Mose 1,3-31 eine gegenwärtige Handlung
beschreibt. Dieser Wechsel in der Zeitform zeigt erneut, dass die ersten
beiden Verse als eigenständiger Abschnitt anzusehen sind. Wigram stellt
dabei fest, dass „schuf“ und „war [wurde]“ Verben in der „vollkommen vergangenen Zeit“
sind, und zeigt dann, dass die folgenden Verse auf ein neues Handeln
Gottes hinweisen, das durch einen Wechsel in die Gegenwartsform betont
wird. Diese Gegenwartsform zieht sich durch den gesamten weiteren
Verlauf des Kapitels. Er sagt, dass die Verse 3, 6, 9, 14 usw. genauer
übersetzt werden könnten mit: „Gott spricht: Es werde Licht …“, und mit:
„Gott sieht das Licht, dass es gut ist …“ Auch die Verse 5, 8, 13, 19,
23 und 31 sollten lauten: „Und es ist Abend und es ist Morgen, der erste
Tag …“ Dies zeigt, dass der Geist Gottes beim Schreiben des
Schöpfungsberichts eindeutig auf eine Veränderung hinwies. Wigram
schlussfolgert:
Jeder, der dies gründlich untersucht, wird
feststellen, dass hier ein vollkommen neuer Abschnitts beginnt.[12]
Auch die Zeitform weist also auf einen Sprung im Bericht von der
Erschaffung der ursprünglichen Erde (1Mo
1,1) zum Wiederaufbau der heutigen Erde (1Mo
1,3-31) hin.
Diejenigen, die den Gedanken ablehnen, dass es eine ursprüngliche
Schöpfung gab, die ins Chaos fiel, weisen darauf hin, dass Vers 3 mit
dem Wort „Und“ (waw) beginnt.
Ihrer Ansicht nach zeige dies, dass die Verse 3 bis 31 mit den Versen 1
und 2 verbunden seien und somit die ersten beiden Verse Teil des ersten
Tages seien. Das Wort „und“ (waw) steht
jedoch im hebräischen Text in Vers 3 nicht als eine separate
Konjunktion, die verbindend wirkt. Es ist stattdessen an das mit
„sprach“ übersetzte Wort angehängt und Teil davon und könnte daher gar
eine trennende Wirkung besitzen. Eine Übersetzung könnte lauten: „Dann
sprach Gott …“ (NKJV; NASB; NLT; NRSV; J. Green Interlinear Bible,
Wycliffe Bible Committee, usw.). Dies unterstützt den Gedanken eines
neuen Ausgangspunktes Gottes, ohne ihn notwendigerweise mit den
vorangegangenen Versen zu verbinden. Die Wahl des Wortes „und“ am Anfang
von Vers 3 hatte einige zu der Annahme verleitet, das Kapitel sei ein
einziger kontinuierlicher Schöpfungsprozess, was also nicht der Fall
ist.
Beweise aus einer typologischen Auslegung des
Abschnitts[13]
Frederick W. Grant weist darauf hin, dass das Muster in 1.
Mose 1
-
Generierung/Schöpfung (1Mo
1,1)
-
Degeneration/Verfall (1Mo
1,2) und
-
Regeneration/Wiederaufbau (1Mo
1,3-31)
mit dem Muster von Gottes Umgang mit den Menschen an anderer Stelle in
der Schrift übereinstimmt. Die Typologie des Kapitels stützt also die
Auslegung, dass es eine ursprüngliche Schöpfung Gottes gab, die
verwüstet wurde, und dass Gott dann nach einer unbestimmten Zeitspanne
(einer Lücke) die heutige Erde und den Himmel machte.
Es gibt zwei Möglichkeiten, wie der Bericht auf typologischer Ebene
ausgelegt werden kann:
1. Gottes moralisches und geistliches Handeln im Menschen
Erstens kann
er so verstanden werden, dass er das moralische Handeln Gottes in den
Seelen der Menschen darstellt: von der Neugeburt und Errettung bis hin
zu ihrem Wachstum und ihrer vollen Entfaltung in der Wahrheit. Auf diese
Weise blickt der Apostel Paulus auf den Schöpfungsbericht, wenn er in 2.
Korinther 4,6 sagt: „Denn der Gott, der sprach: Aus
Finsternis leuchte Licht, ist es, der in unsere Herzen geleuchtet hat
zum Lichtglanz der Erkenntnis der Herrlichkeit Gottes im Angesicht Jesu
Christi.“ Paulus vergleicht hier die Handlungen Gottes beim Wiederaufbau
der Erde mit dem göttlichen Wirken in den Herzen gefallener Menschen, um
sie zur Erlösung zu führen, und zeigt damit, dass 1.
Mose 1 typologisch in dieser Weise ausgelegt werden
kann.
So wie die ursprüngliche Schöpfung Gottes, die in makelloser Schönheit
errichtet wurde, durch Satans Wirken unter Gericht fiel, so fiel auch
das Menschengeschlecht schnell unter Gericht. Der Mensch wurde in einem
sündlosen Zustand im Garten Eden erschaffen, aber er wurde durch Satans
Wirken verdorben; so kam er als ein verantwortlicher Sünder unter das
Gericht Gottes (1Mo
2,16.17; 3,17-19; Pred
7,29). Der Zustand der „Finsternis“, der über der ganzen Szene
lag, beschreibt die moralische und geistige Finsternis, die das
gefallene Menschengeschlecht eingehüllt hat (Lk
22,53; Apg
26,18; 2Kor
4,4; Eph
4,18; Kol
1,13).
Der Schöpfungsbericht teilt uns mit, dass Gott seine Schöpfung nicht in
einem Zustand der Verwüstung gelassen hat:
-
Am ersten Tag begann
Er mit einer umfassenden Erneuerung der Erde, um sie
wiederherzustellen. Dazu gebrauchte Gott auf der einen Seite seinen
Geist („der Geist Gottes schwebte“) und auf der anderen Seite sein
Wort („Und Gott sprach“). Genau das hat Gott mit bestimmten
Menschen, den Gläubigen, aus dem gefallenen Geschlecht Adams getan.
Er hat ein moralisches und geistliches Werk in den Menschen
begonnen, durch das Er sie aus ihrem gefallenen Zustand geholt und
unter Segen gestellt hat. Der Beginn dieses göttlichen Wirkens in
der Seele eines Menschen ist die Neugeburt (Joh
3,3-8; 1Pet
1,23-25), die in der Bibel auch mit dem Ausdruck „lebendig
gemacht“ bezeichnet wird (Eph
2,5; Kol
2,13). Es handelt sich ausschließlich um einen göttlichen
Vorgang, bei dem Gott in derselben Weise wirkt wie auch beim
Wiederaufbau der Erde (Joh
3,5). Der Heilige Geist wendet das Wort Gottes auf die Seelen
an und gibt ihnen dadurch das göttliche Leben. So wie das „Licht“
die erste Wirkung in Gottes Werk beim Wiederaufbau der Erde war, so
ist auch das geistliche Licht die erste Wirkung in einer
wiedergeborenen Seele. Darum beschreibt Paulus Gott in 2.
Korinther 4,6 als denjenigen, „der in unsere
Herzen geleuchtet hat“. Menschen, die aus Gott geboren sind, sind
zum ersten Mal in der Lage, „das Reich Gottes zu sehen“, und haben
somit die Fähigkeit, göttliche Dinge zu verstehen (Joh
3,3). Daher entspricht der erste Tag (1Mo
1,3-5) dem Werk Gottes bei der Neugeburt.
-
Am zweiten
Tag (1Mo
1,6-8) wurde eine „Ausdehnung“ (die Atmosphäre) geschaffen,
damit der Mensch atmen und dort in Gemeinschaft mit Gott „leben und
sich bewegen“ konnte (Apg
17,28). Zu diesem Zeitpunkt gab es jedoch noch keine
Menschen, die von dem, was Gott geschaffen hatte, hätten Nutzen
haben können. Obwohl dies ein notwendiger Schritt im Prozess des
Wiederaufbaus war, bezeichnet Gott diese Phase nicht als „gut“[14].
Zu diesem Zeitpunkt gab es Luft und Wasser, aber kein Land. Es gab
„die Wasser, die unterhalb der Ausdehnung“ waren, und die „Wasser,
die oberhalb der Ausdehnung“ waren, aber keinen festen Boden, auf
den der Mensch seinen Fuß hätte setzen können. Dies entspricht
vielleicht dem instabilen Seelenzustand, der in Römer
7,14-24 beschrieben wird, wo ein Mensch zwar aus
Gott geboren ist (Leben und ein gewisses Maß an Licht hat), aber
keine klare Vorstellung von dem vollendeten Erlösungswerk Christi
hat. Daher gibt es nichts Festes, worauf diese Seele geistlich ruhen
könnte. Es ist zwar eine Erfahrung, die Gläubige durchlaufen müssen,
um wahre Befreiung zu erreichen, aber es ist kein Zustand, in dem
Gott seine Kinder gerne sieht. Daher nennt Er ihn auch nicht gut.
-
Am dritten
Tag (1Mo
1,9-13) schuf Gott ein festes Fundament, auf dem die Menschen
stehen und für Gott Frucht bringen konnten. Er ließ „das trockene
[Land]“ erscheinen, indem Er die Wasser „an einen Ort“ sammelte. Es
wurde vorgeschlagen, in diesem Ort, bildlich gesprochen, das Kreuz
zu sehen. Dort sammelten sich die Wasser des Gerichts und
überspülten den Herrn Jesus (Amos
5,24; Ps
42,7; 88,6.7; usw.) und damit bereitete Er den Boden für
unsere Erlösung. Das trockene Land spricht (typologisch) von dem
Fundament, das Gott in den Gläubigen legt, indem sie im Glauben auf
dem Tod und der Auferstehung Christi ruhen. Dies ist der dritte Tag.
F.W. Grant sieht darin den gefestigten Zustand eines Gläubigen, wie
ihn Römer
8 beschreibt. Als Ergebnis davon kommt am
dritten Tag Leben auf, von Gras über Kräuter (Sträucher) bis hin zu
Bäumen. Dies beschreibt das Wachstum, das sich im Leben von
Gläubigen ergeben sollte, die ihre Stellung in Christus verstehen
und die Befreiung genießen.
-
Am vierten
Tag (1Mo
1,14-19) wurden Sonne, Mond und Sterne an ihren Platz im
Himmel gesetzt. Die Himmel waren von der Verwüstung, die in Vers 2
über die Erde hereingebrochen war, unberührt geblieben. Deshalb
wurden am vierten Tag die Lichter am Himmel nur an neu geordnete
Plätze im Verhältnis zur Erde gesetzt.[15] Dies
alles geschah mit Blick auf das Wohl und den Segen der Menschen, die
die Erde bewohnen sollten. Der Zweck dieser Himmelskugeln war es,
Licht auf die Erde zu bringen und auch die Zeit einzuteilen.[16] Nachdem
ein Gläubiger durch den Glauben auf dem festen Fundament des Todes
und der Auferstehung Christi steht, stellt Gott ihm himmlische Dinge
und Segnungen vor Augen, die er in Christus betrachten und genießen
kann. Diese himmlischen Dinge wird Gott als Licht benutzen, um dem
Gläubigen den Weg auf dieser Erde zu weisen. Insbesondere die Briefe
an die Epheser und an die Kolosser stellen diese himmlischen Dinge
vor.
-
Am fünften
Tag (1Mo
1,20-23) wurden höhere Lebensformen hervorgebracht, und zum
ersten Mal im Wiederaufbauprozess schuf Gott
etwas: Er schuf lebende Geschöpfe und segnete sie. Was die
geistliche Anwendung betrifft, so deutet dies darauf hin, dass Gott
den Christen ein Leben mit höheren Privilegien gewährt, als es
anderen Lebensformen – einschließlich der Engel und Heiligen anderer
Zeitalter – zuteilgeworden ist.
-
Am
sechsten Tag (1Mo
1,24-31) kam Gott mit der Schöpfung durch das Machen und
Formen von Adam und Eva zu dem Höhepunkt seines Werkes. Sie wurden
dann in Gemeinschaft mit Ihm selbst auf die Erde gestellt. Dies
deutet darauf hin, dass Gott die Zuneigung der Gläubigen zu sich
selbst und zueinander in einer intelligenten Gemeinschaft regelt. Da
eine Gemeinschaft von Heiligen, die in der Liebe Gottes wohnen, den
Höhepunkt aller christlichen Erfahrung darstellt, ist es sehr
passend, dass Gott sein Werk an diesem Tag mit dieser krönenden
Handlung abschloss.
-
Am siebten
Tag (1Mo
2,1-3) ruhte Gott in Gemeinschaft mit seinen Geschöpfen.
2. Die dispensationalistische Auslegung
Eine zweite Weise,
dieses Kapitel typologisch auszulegen, stellt die dispensationalistische
Sichtweise dar. Sie bezieht sich auf die „die Zeitalter der Zeit“ (2Tim
1,9; Tit
1,2). Auch dabei tritt das Muster von Aufbau, Verfall und
Wiederaufbau auf. Das Kapitel gibt dabei einen Überblick über Gottes
Wege mit den Menschen im Laufe der Zeit. Und es ist sehr passend, dass
dies bereits am Anfang des Wortes Gottes zu finden ist („was von jeher
bekannt ist“, Apg
15,18).
Die ursprüngliche Schöpfung in ihrer unverdorbenen Schönheit vor der
Zerstörung der Erde stellt das Zeitalter der Unschuld dar (vor dem
Sündenfall von 1Mo
3), als der Mensch in einen sündlosen Zustand auf die Erde
gesetzt wurde.
-
Der erste Tag entspricht
dem Zeitalter nach dem Sündenfall, als der Mensch und seine
Nachkommen das Licht des Gewissens erlangten.
-
Der zweite
Tag entspricht dem Zeitalter nach der
Sintflut, als die Menschen unter Selbstverwaltung standen; dieses
Zeitalter war jedoch sehr instabil.
-
Der dritte
Tag, an dem sich die Erde aus dem Wasser
erhob, steht für das Hervortreten Israels (das Land) aus den
heidnischen Völkern (den Meeren), in dem Ruf Abrahams und seiner
Familie.
-
Am vierten
Tag wurden die Lichter am Himmel (die Sonne
und der Mond) an ihren Platz gesetzt. Dies ist ein Zeichen dafür,
dass die Gemeinde (der Mond) in Beziehung zu Christus (der Sonne)
als sein Leib (eine himmlische Gemeinschaft von Gläubigen) ins Leben
gerufen wurde.
-
Am fünften
Tag war das Wasser unruhig; doch es kam Segen
daraus hervor. Dies spricht von den unruhigen Zeiten der großen
Drangsal, durch die Israel und die heidnischen Völker vor dem Segen
des Reiches gehen werden (Jer
30,7; Mk
13,8).
-
Der
sechste Tag steht für das Tausendjährige
Reich, in dem Christus und die Gemeinde (das Gegenbild von Adam und
Eva) die Herrschaft über das Universum innehaben werden.
-
Der siebte
Tag steht schließlich für die ewige Ruhe
Gottes.[17]
Wir haben beide Linien einer typologischen Auslegung dieses Kapitels
(die moralische und die dispensationalistische) betrachtet und gesehen,
dass beide dem Muster von Aufbau, Verfall und Wiederaufbau folgen. […]
Beweise aus dem Urteil der masoretischen Gelehrten
Auch der masoretische hebräische Text von 1.
Mose 1 weist auf eine Unterbrechung nach den Versen
1 und 2 hin. Diese alten jüdischen Gelehrten fügten kleine Hinweise in
den Text ein, um dem Leser bei der Aussprache und Interpretation zu
helfen. Es ist bezeichnend, dass sie nach den Versen 1 und 2 ein kleines
Zeichen („Rebhia“ genannt) einfügten. Es dient dazu, den Vorlesenden
darauf hinzuweisen, dass an dieser Stelle eine Pause in der Erzählung
vorliegt. Diese Rebhias sind nicht in den Originalmanuskripten enthalten
und stellen daher nur das wohlüberlegte Urteil der masoretischen Lehrer
dar, aber das Urteil dieser Gelehrten sollte in dieser Angelegenheit ein
gewisses Gewicht haben.
Schlussfolgerung
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Lücke zwischen den beiden
Schöpfungswerken Gottes in 1.
Mose 1 (des Schaffens und des Machens) bewiesen ist.
Wir sind daher davon überzeugt, dass diese Lücke keine „Theorie“,
sondern durch die Schrift gestützte Wahrheit ist.
Gibt es gar zwei Lücken?
Walter Scott, E. Schuyler English und andere schlagen gar vor, dass es
zwei Lücken gegeben haben könnte! Sie beharren nicht dogmatisch auf
diesem Gedanken, aber sie schlagen ihn vor, um zu zeigen, dass wir
wirklich nicht über das hinausgehen können, was in der Heiligen Schrift
geschrieben steht. Im ersten Vers heißt es, dass Gott die Himmel und die
Erde schuf; es wird nicht gesagt, wie lange sie in diesem unberührten
Zustand bestehen blieb. Das ist also die erste Lücke. Dann heißt es,
dass die Erde durch eine Umwälzung oder ein Gericht verwüstet wurde.
Auch hier wird nicht gesagt, wie lange die Erde in diesem Zustand blieb.
Folglich haben wir es mit einer weiteren undefinierten Zeitspanne zu
tun, einer zweiten Lücke.
Abschließende Bemerkungen und Schlussfolgerungen
Im Zusammenhang mit der Sichtweise einer „jungen Erde“ in 1.
Mose 1 sind noch einige Punkte zu bedenken. Die
Dinge, die wir jetzt ansprechen, berühren die Grundsätze, mit denen
diese Vorstellung zu tun hat; ja, die unserer Auffassung nach ihre
Grundlage bilden.
Das Konzept einer jungen Erde fußt stärker auf der Wissenschaft als auf
dem Wort Gottes
Es scheint, dass die Auffassung von einer „jungen Erde“ mehr auf
wissenschaftlichen Untersuchungen und geologischen Erkenntnissen beruht
als auf dem, was die Schrift sagt. … Es bedeutet, der Wissenschaft den
Vorrang vor dem Wort Gottes zu geben. Es hat den Anschein, dass Christen
heute lieber dem Urteilsvermögen von Wissenschaftlern vertrauen als dem
Urteilsvermögen gottesfürchtiger Bibellehrer! Die eigentliche Frage ist:
Beruht unser Verständnis der Schöpfung auf der Wissenschaft oder auf
dem, was das Wort Gottes sagt? Die Bibel sagt nicht: „Durch Wissenschaft verstehen
wir“, sondern: „Durch Glauben verstehen
wir, dass die Welten durch Gottes Wort bereitet worden sind“ (Heb
11,3). Kenntnisse wahrer Wissenschaft werden das Wort Gottes
bestätigen, aber die nur „fälschlich so genannte Kenntnis“ steht dem
Wort Gottes entgegen (1Tim
6,20). Letztlich sehen wir ein unangemessenes Vertrauen in „die
unsichere Wissenschaft der Geologie“ (W. Kelly, The
Creation, S. 7) und einen traurigen Mangel an
Vertrauen in das, was uns aus Gottes Wort durch zuverlässigste
Bibellehrer vorgestellt wurde. […]
Wenn die Wissenschaft mit der Heiligen Schrift in Konflikt steht, muss
der Christ an der Bibel festhalten und das, was die (sogenannte)
Wissenschaft sagt, beiseitelassen. Der Grund dafür: Die Erkenntnisse,
die als Wissenschaft bezeichnet werden, sind möglicherweise nicht wahre
Erkenntnis, sondern Dinge, die Menschen gelernt haben, die aber falsch
sein können. Die Verse der Bibel sind hingegen niemals falsch. C.H.
Mackintosh hat es kurz und bündig formuliert:
Mögen die Geologen das Innere der Erde
erforschen und von dort Ergebnisse zutage fördern, welche die
göttliche Urkunde zu vervollständigen oder ihr auch zu widersprechen
scheinen; mögen sie ihre Forschungen über versteinerte Körper
anstellen – der Jünger des Herrn beugt sich mit heiliger Freude über
das göttlich eingegebene Wort.[18]
Die Junge-Erde-Kreationisten tun dies oftmals nicht. Sie halten sich an
das, was ihrer Meinung nach die Wissenschaft sagt (sofern diese eine
junge Erde zu befürworten scheint), und versuchen, die Schrift so
auszulegen, dass sie ihre falschen Schlussfolgerungen unterstützt.
Das Konzept einer jungen Erde scheint auf arminianischen Vorstellungen
zu basieren
Wenn wir einen Schritt zurücktreten, um die Argumentation hinter der
Lehre einer jungen Erde zu betrachten, sehen wir, dass es ein
gutgemeinter Versuch ist, die Ideen der Evolution zu entkräften mit dem
Ziel, das Evangelium für die Welt überzeugender zu machen. Die Leugnung
der wissenschaftlichen Schlussfolgerungen dieser Kreationisten über die
Schöpfung empfinden diese Christen als einen schrecklichen Kompromiss
mit der Evolutionslehre. Sie glauben, dass wir – wenn wir behaupten,
dass es eine unbestimmte Zeitspanne (eine Lücke) gibt, bevor Gott
begann, diese Erde zu machen – den Menschen die Tür öffneten, damit sie
glauben, dass die Evolution doch richtig sei. In ihren Augen untergräbt
dies die Botschaft des Evangeliums.
R. Radebaugh fasste die Bewegung der Schöpfungswissenschaft als „eine
reflexartige Reaktion auf die Evolution“ zusammen. In der
Junge-Erde-Bewegung sehen wir Christen, die versuchen, den Atheisten und
Ungläubigen dieser Welt zu beweisen, dass sie mit der Evolution im
Unrecht sind und dass sie sich zur Erlösung an Christus wenden sollten.
[…] Die Schrift beschreibt den Zustand eines verlorenen Menschen (eines
Ungläubigen) jedoch als geistlich „tot“ (Eph
2,1-5; Kol
2,12.13), d.h., er hat kein geistliches Vermögen, die Botschaft
des Evangeliums zu hören und zu glauben. Die Schrift macht folgende
Aussagen über den Menschen in seinem natürlichen Zustand im Fleisch:
- Er kann das
Reich Gottes nicht „sehen“ (d.h. verstehen) (Joh
3,3).
- Er kann ins
Reich Gottes nicht „eingehen“ (Joh
3,5).
- Er kann das
Zeugnis Gottes über seinen Sohn nicht „empfangen“ (Joh
3,27; 1Kor
2,14).
- Er kann
keinen einzigen Schritt gehen, um zu Christus zu „kommen“ (Joh
6,44.65).
- Er kann die
Wahrheit nicht „wissen“ (Joh
8,14).
- Er kann die
Wahrheit nicht „hören“ (Joh
8,43.47).
- Er kann
Gott nicht „gefallen“ (Röm
8,8).
Daher fordert die Schrift Christen an keiner Stelle auf, mit Atheisten
oder Ungläubigen über die verschiedenen Aspekte ihres Unglaubens zu
diskutieren oder zu streiten. Tatsächlich warnt sie sogar vor dieser
Methode (2Tim
2,14). Wir sind
nicht dazu berufen, die Menschen, die im Fleisch sind, von der Existenz
Gottes und seiner Schöpfung zu überzeugen. Die Bibel
versucht nicht, dies zu erklären, sondern setzt bei allen, die sie
lesen, Glauben voraus (Heb
11,6). Wenn wir Menschen, die nicht wiedergeboren sind,
intellektuell davon überzeugen könnten, ihre falschen Vorstellungen von
der Evolution aufzugeben und an den Herrn Jesus zu glauben, dann würde
ihr „Glaube“ auf „Menschenweisheit“ beruhen und nicht auf „Gottes Kraft“
(1Kor
2,5). Kluge wissenschaftliche Argumente können Ungläubige nicht
davon überzeugen, den Herrn Jesus Christus anzunehmen. Denn die Menschen
haben in ihrem natürlichen Zustand nicht das geistige Vermögen, die
Wahrheit zu verstehen; es ist alles Torheit für sie (1Kor
2,14). Wenn jemand dem Evangelium glaubt, so ist es einzig und
allein aufgrund Gottes lebendig machender Kraft. Bei der Neugeburt
wendet der Geist Gottes das Wort Gottes auf die Seelen an und vermittelt
ihnen dadurch das göttliche Leben. So wird ihnen die Fähigkeit
verliehen, den Ruf Gottes im Evangelium zu hören und darauf zu
antworten. Unsere Verantwortung bei der Evangeliumsverkündigung besteht
daher darin, die Botschaft der erlösenden Gnade aus dem Wort Gottes
klar, einfach und leidenschaftlich zu verkünden und die Ergebnisse dem
Geist Gottes zu überlassen. Er allein hat die Macht, Leben zu geben und
Menschen zur Umkehr und zum Glauben an den Herrn Jesus zu führen. In der
Bibel lesen wir: „Es glaubten, so viele zum ewigen Leben bestimmt waren“
(Apg
13,48).
Die Prämisse der Junge-Erde-Kreationisten steht [möglicherweise] also
auf einem verkehrten Fundament. Sie scheint auf arminianischen
Missverständnissen über den gefallenen Zustand des Menschen zu beruhen.
Jacobus Arminius (1560–1609) lehrte, dass alle Menschen verdorbene
Sünder sind. Doch er sah nicht, dass ihre Verdorbenheit so groß ist,
dass sie sich nicht für den Glauben an das Evangelium entscheiden
können. Er lehrte, dass der Mensch, obwohl er ein gefallenes Geschöpf
ist, dennoch ein moralisch frei handelnder Akteur sei und somit die
Macht habe, an das Evangelium zu glauben, wenn er sich so entscheiden
wolle. (Die Wahrheit ist, dass der nicht wiedergeborene Mensch keinen freien
Willen hat; er kann in den gewöhnlichen Dingen des Lebens Entscheidungen
treffen, aber er wird sich niemals für Christus entscheiden.)
Wir sagen nicht, dass jeder Junge-Erde-Kreationist in seinem
Erlösungsverständnis arminianisch denkt, sondern dass der Arminianismus
viele Christen dazu gebracht hat, zu glauben, es sei ihre Pflicht, mit
den Atheisten und den Ungläubigen aus der Welt zu argumentieren und zu
versuchen, sie davon zu überzeugen, dass ihre Ideen falsch sind und dass
sie an Christus glauben sollten. Die meisten evangelikalen Christen sind
heute arminianisch eingestellt und sehen daher nichts Falsches in der
intellektuellen Darstellung des Evangeliums durch die wissenschaftlichen
Ergebnisse der Junge-Erde-Kreationisten. Doch auch wenn ihre Motive gut
sein mögen: Das ganze Unterfangen ist ein grundlegendes Missverständnis
über die völlige Verdorbenheit
des Menschen. Es setzt voraus, dass der gefallene Mensch noch einen
Funken Gutes in sich trägt, der ihm die Macht gibt, sich für den Glauben
zu entscheiden – sofern er es nur will. Deshalb meinen sie, versuchen zu
müssen, mit den Menschen zu argumentieren und sie durch Wissenschaften
wie Geologie von der Wahrheit zu überzeugen. Wenn dem so wäre, dann wäre
der gefallene Mensch nicht völlig verdorben und er wäre auch nicht tot!
[…] Wir glauben, dass es sicherer ist, die Wissenschaft außen vor zu
lassen und sich an eine solide Auslegung der Heiligen Schrift zu halten,
die von angesehenen Bibelgelehrten über viele Jahre hinweg bestätigt
worden ist. […]
Anhang
Es folgen noch einige Auszüge aus einem Briefwechsel, den der Autor zu
obigem Text hatte:
1. Über 1. Mose 1,31
Du erwähnst 1.
Mose 1,31. Dabei handelt es sich um einen Lieblingsvers der
Junge-Erde-Kreationisten. Sie führen ihn an, um eine Art Schlussstrich
unter die ganze Diskussion zu ziehen. Tatsächlich aber zeigt sich dabei
nur, dass sie den Vers nicht sorgfältig gelesen haben. Sie lehnen die
Vorstellung ab, dass es Sünde und Tod schon gegeben habe, bevor Adam
sündigte, weil es heißt: „Und Gott sah alles, was er gemacht hatte, und
siehe, es war sehr gut.“ Sie meinen, Gott würde so etwas nicht sagen,
wenn die Erdkruste voller Fossilien wäre, die die Zeichen von Krankheit,
Gewalt, Tod und Verfall tragen, und stellen die Frage: „Wie kann Gott so
eine Erde sehr gut nennen?“ Beachtet man jedoch die genaue Formulierung
des Verses, fällt auf: Gott äußerte sich zu dem, was Er in den sechs
Tagen des Wiederaufbaus „gemacht“ hatte, und nicht zu dem, was zuvor
zerstört worden war. Gott sagte, dass „es“ (das, was Er in den sechs
Tagen gemacht hatte[19])
sehr gut sei. Ein genaues Lesen ist hier ausreichend.
2. Über die Behauptung, der Gedanke einer Lücke sei eine Reaktion auf
die Evolutionslehre
Häufig bin ich in Artikeln von Junge-Erde-Kreationisten auf die
Behauptung gestoßen, dass solche, die an eine Lücke glauben, diese aus
dem Grund in die Schrift „eingefügt“ hätten, weil sie sich dann besser
gegen die mittlerweile entstandene Idee der Evolution verteidigen
könnten. Doch dies ist gleich in doppelter Hinsicht unzutreffend:
-
Erstens hatte die christliche Welt ganz allgemein akzeptiert, dass
es eine nicht näher bezeichnete Zeitspanne (eine Lücke) zwischen 1.
Mose 1,2 und 3 gibt, lange bevor Darwin in den
1860er Jahren mit seiner Evolutionstheorie an die Öffentlichkeit
trat. (Es mag hier und da Menschen gegeben haben, die vor Darwin
evolutionäre Ideen hatten, aber es ist allgemein anerkannt, dass die
Evolution offiziell nicht als wissenschaftliches Lehrsystem
angesehen wurde, ehe Darwin sie vorstellte.) Die Vorstellung, dass
die Lücke erfunden worden sei, um die Evolution zu bekämpfen,
entspricht also nicht den historischen Tatsachen.
-
Zweitens fügen Christen, die der Ansicht sind, dass zwischen den
beiden Werken Gottes in 1.
Mose 1 eine nicht näher bezeichnete Zeitspanne
liegt, der Schrift nichts hinzu; sie stellen lediglich fest, dass
Gott uns nicht mitgeteilt hat, wann Er mit seinem Schöpfungswerk
begann und wie lange es in einem gefallenen Zustand gelegen hatte,
bevor Er mit seinem Werk des Wiederaufbaus begann. Sie sind der
Meinung, es ginge über die Schrift hinaus, wenn man sagt, dass 1.
Mose 1,1.2 Teil desselben Werkes sei wie 1.
Mose 1,3-31 und dass beide zur gleichen Zeit
geschehen seien. Dies gilt ganz besonders deswegen, weil sie in der
Schrift Beweise für eine Unterbrechung von Gottes Schöpfungswerk an
dieser Stelle des Kapitels sehen, wie ich [in meinen Ausführungen
oben] gezeigt habe. Die Junge-Erde-Kreationisten gehen davon aus,
dass diese beiden Teile des Kapitels (1Mo
1,1.2 und 1Mo
1,3-31) – da sie im Wort Gottes nebeneinanderstehen – sich
auf dasselbe Ereignis bezögen. Doch hier wird „das Wort der
Wahrheit“ nicht richtig geteilt (2Tim
2,15). Stattdessen wird etwas „in den Text hinein“
geschlussfolgert. Meiner Meinung nach sind es also die
Junge-Erde-Kreationisten, die etwas hinzufügen. Sie bringen eine
Vermutung in den Text hinein und ziehen daraus eine falsche
Schlussfolgerung.
3. Über die argumentativen Grundlagen derer, die an eine Lücke, und
derer, die an eine junge Erde glauben
Der Hauptunterschied, den ich zwischen den Vertretern einer Lücke und
den Junge-Erde-Kreationisten sehe, besteht darin, dass Erstere das, was
sie für die Wahrheit halten, fast ausschließlich aus dem Wort Gottes
schöpfen – zumindest auf die Seriösen unter ihnen trifft dies zu.
Junge-Erde-Kreationisten hingegen stützen ihre Überzeugungen auf
sogenannte wissenschaftliche Hypothesen und geologische Erkenntnisse
sowie auf einige (meiner Meinung nach) falsch angewandte Verse aus der
Bibel.
Was ich meine, ist Folgendes: Wenn jemand zu einem Seminar eines
Kreationisten geht, der die Vorstellung einer jungen Erde vorstellen
will, würde er eine Menge außerbiblischer Materialien, Filme usw. und
etwas auch aus der Bibel zu sehen bekommen. Aber wenn jemand zu einem
Vortrag über die Schöpfung geht, den ein Bibellehrer hält, der an die
Lücke glaubt, wird es im Großen und Ganzen eine Präsentation aus der
Bibel sein. Was ich damit einfach sagen möchte: Der Schwerpunkt des
einen liegt überwiegend auf wissenschaftlichen Erkenntnissen und
entsprechenden Hilfsmitteln, während der Schwerpunkt des anderen auf der
Bibel und ihren Aussagen liegt. Welch ein Unterschied!
Wie ich geschrieben habe, spiegelt der Junge-Erde-Kreationismus im
Grunde ein unangemessenes Vertrauen in „die unsichere Wissenschaft der
Geologie“ (W. Kelly) und einen traurigen Mangel an Vertrauen in das, was
die Bibel lehrt. Es hat den Anschein, dass Christen heute ihren Glauben
an die Schöpfung lieber auf das stützen, was Wissenschaftler sagen, als
auf das, was die Bibel sagt. Meine Schlussfolgerung: Bei ihrem Versuch,
die Evolution zu entlarven und das Zeugnis des Evangeliums zu fördern,
sind die Junge-Erde-Kreationisten aus dem Gleichgewicht geraten, weil
sie sich zu sehr auf die Wissenschaft stützen. Außerdem hat ihre
inkonsequente Argumentation dazu geführt, dass die Menschen über sie
lachen. Sie denken wahrscheinlich, dass sie das Zeugnis des Evangeliums
unterstützten, aber ich habe den Eindruck, dass sich die Menschen
dadurch eher vom Evangelium abwenden könnten. Es mag natürlich Ausnahmen
geben.
Es scheint mir ein wenig wie der Wagen zu sein, mit dem David versuchte,
die Lade Gottes nach Jerusalem zu bringen (1Chr
13). David hatte gute Motive, weil er etwas für Gott tun wollte,
aber es konnte nicht unter dem Segen Gottes stehen, weil es im Prinzip
eine Philistersache war. Es ist traurig, weil dabei jemand ums Leben
kam. Wahre Wissenschaft wird das Wort Gottes bestätigen, aber die Idee
von einer „jungen Erde“ steht meiner Meinung nach im Widerspruch zum
Wort Gottes. Es ist fast so, als ob die Junge-Erde-Kreationisten die
Auffassung vertreten, dass ein Gläubiger die Wahrheit über die Schöpfung
erst dann vollständig kennen konnte, als die Wissenschaft ihr Licht auf
die Heilige Schrift warf! R. Radebaugh hat die Bewegung der
Schöpfungswissenschaft kurz und bündig zusammengefasst mit den Worten:
„Die ganze Sache ist eine reflexartige Reaktion auf die Evolution.“
Originaltitel: The
Gap in 1.
Mose 1 – Is It a Theory?
Surrey, B.C. (Christian Truth Publishing) 32018.
Anhang: „Correspondence Regarding the Gap in 1.
Mose 1. Answers to Objections and Questions“, 2013
Übersetzung: David Hildenbrand
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