Gebet, Flehen,
Anbetung
»Mit allem Gebet und Flehen betet zu jeder
Zeit im Geist, und wacht hierzu
in allem Anhalten und Flehen für alle
FieiHgen« (Eph 6,18).
»Es kommt aber die Stunde und ist jetzt, da
die wahren Anbeter den Vater
In Geist und Wahrheit anbeten werden;
denn auch der Vater sucht solche
als seine Anbeter. Gott ist Geist, und die
ihn anbeten, müssen in Geist
und Wahrheit anbeten« (Joh 4,23f-)

Wie das
Telefon Menschen miteinander verbindet, so verbindet dasGebetden
Menschen mit Gott. Es setzt als ein Akt des Zu-ihm-in-Beziehung-
Tretens Glauben voraus, d.h. sich in irgendeinem Sinn ihm
anzuvertrauen. Gebet ist keine »Einbahnstraße«, sondern kann der
Antwort Gottes gewiss sein. w Beten, Flehen Erhörung Das Gebet
(hebt, scha’ah, griech. aitema, deesis, proseuche) nimmt im
Glauben die zukünftige Erhörung schon als gegenwärtig
geschehenes Ereignis entge gen: »Alles, um was ihr auch betet
und bittet, glaubt, dass ihr es empfangen habt, und es wird euch
werden« (Mk 11,24; vgl. Mt 21,22). Es ist von Freude begleitet
und geschieht unter der Ermutigung des Apostels: »Freut euch
allezeit! Betet unablässig« (1.Thess 5,16f.). »Seid um nichts
besorgt, sondern in allem sollen durch Gebet und Flehen mit
Danksagung eure Anliegen vor Gott kundwerden« (Phil 4,6). Das
nahezu synonym mit Gebet verwendete und oft zusätzlich
dabeistehende Wort Flehen soll dessen Dringlichkeit zwar zum Aus
druck bringen, es sol l aber kein enthusiastisches
Außer-sich-Sein bedeuten, sondern ein Akt der Besonnenheit
bleiben.' Darum die Ermahnung: »Seid nun besonnen und seid
nüchtern zum Gebet« (1 Petr 4,7).
Jesus betet für uns
Es sind ganz unterschiedliche Situationen, in
denen vom Beten Jesu zu Gott berichtet wird: entweder für sich
allein auf einem Berg und die ganze Nacht über oder auch
zusammen mitzwei seiner jünger (vgl. Mt 14,23; Mk 1,35; 6,46; Lk
6,12; 9,28). Sicher sind sol che darin oft die Gegenstände
seiner Fürbitte, wenn es um den Ausgang geht, »den er in
Jerusalem erfüllen sollte«. Die konkrete Fürbitte für einen
einzelnen Jünger wird allerdings lediglich in Bezug auf Petrus
erwähnt, nämlich als dieser seine Verführbarkeit zur Verleugnung
des Herrn bestreitet: »Ich aber habe für dich gebetet, dass dein
Glaube nicht au/fiöre« (Lk 22,32).
Dagegen befiehlt Jesus in der letzten Nacht, bevor er
überliefert wird, die Gesamtheit der Jünger - und darüber hinaus
alle, die der Vater ihm gegeben hatseiner Bewahrung an (vgl.
Joh 17):
»Dies redete Jesus und hob seine Augen auf zum Himmel und
sprach« ist die Umschreibung seines Betens. Das Ziel ist Freude
im Einssein mit dem Vater, dem Sohn und miteinander und im
Anschauen der Herrlichkeit seiner Liebe. Erst danach, im Garten
Gethsemane, gerät er in Angst betreffs seines eigenen Weges,
nämlich »zur Sünde gemacht
zuwerden«(vgl.2Kor5,2i);»yesi./s_fie/au/se/fi Angesicht und
betete und sprach: Mein Vater, wenn es möglich ist, so gehe
dieser Kelch an mir vorüber!« (Mt 26,39; vgl. Lk 22,4lf 44).
Die Anliegen der Gebete Für den Umfang der
Gebete steckt der Apostel Paulus den weitestmöglichen Raum ab:
" Ichermahne nun vor allen Dingen, dass Flehen, Gebete,
Fürbitten, Danksagungen getan werden für alle Menschen, für
Könige und alle, die In Hoheit sind... Dies ist gut und angenehm
vor unserem Heiland-Gott, der will, dass alle Menschen errettet
werden und zur Erkenntnis der Wahrheit kommen« (iTim 2,1-4).
Dies schließt auch solche Menschen nicht aus, die uns übel
gesinnt sind: »Betet für die, die euch verfolgen« (Mt 5,44; vgl.
Lk 6,28). Das Gebet schweigt aber auch nicht, wenn wir uns wie
Paulus und Silas in einer bedauernswerten Lage be finden: »Um
Mitternacht aber beteten Paulus und Silas und lobsangen Gott«
(Apg 16,25). Sie gingen dabei noch über die Ermahnung des
Apostels Jakobus hin aus, der seine Adressaten auffordert:
»Leidet jemand unter euch? Er bete« (Jak 5,13)-
Gegenstand und Weise der Gebete
Im Neuen Testament sind keine bestimmten Gebets zeiten
angeordnet, sondern der Herr ruft auf: »Wacht nun und betet zu
aller Zelt, dass ihr imstande seid, ... vor dem Sohn des
Menschen zu stehen!« (Lk 21,36). Die gläubig gewordenen
Judenchristen entsprachen dieser Weisung: »Sie verharrten
aber... in den Gebeten« (Apg 2,42), und ganz besonders
eindringlich geschah ihre gemeinsame Fürbitte für Brüder, die
wie Petrus in der Gewalt ihrer Feinde waren: »Von der Gemeinde
aber geschah ein anhaltendes Gebet für [Petrus]« (Apg 12,5; vgl.
V. 12). Das persönliche Gebet soll indessen nicht zur
Zurschaustellung der eigenen Frömmigkeit missbraucht werden:
»Wenn du aber betest, so geh in deine Kam-
[[[Ein Unterschied besteht insofern, als Flehen auch an höher
gestellte Personen gerichtet sein kann (vgl. 1.Mo 42,21;
Est 8,3; Jer 38,26), wohingegen Beten sich ausschließlich auf
Gott bezieht. ]]
mer, und nachdem du deine Tür geschlossen hast, bete zu deinem
Vater, der im Verborgenen ist!« (Mt 6,6). Für das Gebet in der
Gemeinde aber soll als Richtschnur die Aussage des Apostels
beispielhaft sein; »Ich will beten mit dem Geist, aber ich will
auch beten mit dem Verstand« {1.Kor 14.15). Für ein fruchtbares
geschwisterliches Miteinander sind das gegenseitige
Sündenbekenntnis und das Ge bet füreinander unabdingbar:
»Bekennt nun einander die Sünden und betet füreinander, damit
ihr geheilt werdet! Viel vermag eines Gerechten Gebet in seiner
Wirkung« (Jak 5,16). Aber auch für jeden Einzelnen von
unsgiltjesu heilsame Ermahnung: »Wacht und betet, damit ihr
nicht in Versuchung kommt!« (Mt 26,41; vgl. Mk 14,38;
Lk22,40.46). Die Weise, auf die Jesus Gebetsanliegen erfüllt,
kann allerdingsfürden menschlichen Verstand unbegreiflich sein
und scheinbar Nichterhörung bedeuten, so z. B. wenn Paulus um
die Wegnahme seines »Doms für das Fleisch« bittet: »Für dieses
flehte ich dreimal zum Herrn, damit er von mir abstehen möge.
Und er hat zu mir gesagt:
Meine Gnade genügt dir, denn meine Kraft wird in Schwachheit
vollbracht«{2-Kön2,8ELB-csv).
Für den Glauben des Apostels ist diese Antwort allerdings ein
Grund zum Rühmen;
«Denn wenn ich schwach bin, dann bin ich stark« (2. Kor 12,10).
Kurzer Rückblick auf Gebete im Alten Testament
Gottes Fürsorge ist von der Erschaffung an auf den Menschen
gerichtet und für das Gespräch mit ihm offen: »Deshalb soll
jeder Fromme zu dir beten, zur Zeit, da du zu finden bist« (Ps
32,6). Dies gilt sogar für die im Exil Verbannten:
»Ruft ihr mich an, geht ihr hin und betet zu mir, dann werde ich
auf euch hö ren« (Jer 29,12).
Die vor allem im sog. »Gebetbuch des Alten Testaments«
aufgezeichneten Hilferufe {»Horche auf die Stimme meines
Schreiens, denn zu dir
bete Ich«, Ps 5,3; vgl. 17,1; 28,2; 39,13; 54,4; 55,2; 61,2;
[[2 Das am häufigsten vorkommende Wort proskyneo ist von
»Hund« (griech. kyon) abgeleitet und könnte etwa als »an-
hündeln«, d.h. die Demutsgebärde eines Hundes annehmen,
wiedergegeben werden. Es hat die im profanen Gebrauch
ursprünglich vielleicht mitenthaltene abwertende Bedeutung
aber in der Anwendung der Heiligen Schrift vollkommen verloren.
3 Vgl. den Beitrag »Miteinander«,Zeit&Schrift 5/2010,
S.13- 18. ]]

84,9; 86,6; 102,2; 143,1) finden bei Gott stets Gehör. Selbst
wenn ein Beter in aussichtslos scheinen der Bedrängnis an Gottes
Nähe verzagt (»Auch wenn ich schrie und um Hilfe rief verschloss
er sein Ohr vor meinem Gebet... Du hast dich in eine Wolke
gehüllt, sodass kein Gebet hindurchdrang«, KIgl 3,8.44), muss
er nicht darin bleiben, sondern kann schließlich dank bar
ausrufen: »Der Herr hat mein Flehen gehört; mein Gebet nimmt der
Herr an« (Ps 6,10; vgl. 2Chr 30,27). Ein ganz besonderes
Gebetsanliegen für das Volk ist die Eürbitte für seinen König:
»Man soll beständig für ihn beten, den ganzen Tag ihn segnen«
(Ps 72,15). Aber auch die aus der Gefangenschaft nach Jerusa lem
freigelassenen Juden werden von dem heidni schen König Darius
durch materielle Zuwendungen privilegiert, »damit sie für das
Leben des Königsund seiner Söhne beten« (Esr 6,10). An die nach
Babel weg geführten Juden ergeht durch den Propheten Jeremia das
Wort des FIerrn der Fleerscharen, des Gottes Isra els: »Sucht
den Frieden der Stadt, in die ich euch gefan gen weggeführt
habe, und betet für sie zum Herrn! Denn In ihrem Frieden werdet
ihr Frieden haben« (Jer 29,7).
Anbeten, huldigen
Anders als im Deutschen sind die hebräischen und griechischen
Wörter für anbeten (hebr. schachah; griechisch
.gonypeteo,proskgneo)sprachlich nicht aus den Wörtern für Beten
abgeleitet, sondern bedeuten wie das analoge Huldigen
»kniefällig verehren«.(2)
Dagegen sind sie häufig mit Opfern verbunden, etwa ge mäß der
Aufforderung Davids:
»Bringt Speisopfer und kommt vor sein Angesicht! Betet den Herrn
an in heiliger Pracht!« (iChr 16,29; vgl. Ps 29,2; 96,7-9) sowie
der späteren Aufforderung des Apostels Paulus: »Ich er-

mahne euch nun, Brüder, durch die Erbarmungen Got tes, eure
Leiber darzustellen als ein lebendiges, heiliges, Gott
wohlgefälliges Opfer, was euer vernünftiger Gottesdienst ist«
(Rörm 12,1).
Dies wird zuerst in herzbewegender Weise deut
lich, wenn Abraham auf dem Weg nach Morija, wo er seinen
einzigen Sohn zu opfern bereit ist, zu den begleitenden Knechten
sagt: »Ich aber und der junge wollen dorthin gehen und anbeten
und zu euch zurück kehren« (1. Mose 22,5) (3)
Dieser Brauch wird dann auch re gelmäßig geübt wie z. B. von
Elkana,dem Mann Hannas: »Dieser Mann ging Jahr für Jahr aus
seiner Stadt hinauf um den Herrn der Heerscharen anzubeten und
ihm in Silo zu opfern« (1. Sam 1,3; vgl. V. 19).
Aber auch besondere Hilfszusagen Gottes können ein Grund zur
Anbetung sein, so für die Israeliten: »Als sie hörten, dass der
Herr die Söhne Israels heimgesucht und ihr Elend gesehen habe,
da warfen sie sich nieder und beteten an« (2.Mo4,31; vgl.
12,27). Oder das situationsbezogene Kommen des »Obersten des
Heeres des FIerrn« gegenüber Josua: »Dafiel Josua aufsein
Angesicht zur Erde und huldigte ihm« (Jos 5,14). Ein Stern
schließlich führte die Magier aus dem Osten nach Bethlehem, um
das neugeborene Jesuskind anzubeten: »Wir haben seinen Stern im
Morgenland gesehen und sind gekommen, ihm zu huldigen« (Mt
2,2;vgl.V.8.i).Undein Engel wurdezu Philippus gesandt, damit
dieser auf einem öden Weg dem äthiopischen Kämmerer, der in
Jerusalem hatte anbeten wollen, das Evangelium von Jesus
verkündigte, woraufhin der Kämmerer getauft wurde und seine
Straße mit Freuden zog (vgl. Apg 8,26-39).
Jesus selbst aber weist die dreimalige Versuchung des Teufels
(»Dies alles will ich dir geben, wenn du nie
derfallen und mich anbeten willst», Mt 4,9; vgl. Lk 4,7f.)
mittels Zitaten aus dem Alten Testament nachhaltig ab (vgl. Mt
4,10; Lk4,8.12f.). Und er erduldet schwei gend die Verhöhnung
der ihn misshandelnden Sol daten, die vor ihm »die Knie beugten
und ihm huldigten« (vgl. Mk 15,i9). Dagegen
offenbartderHerrJesus der Frau bei der Jakobsquelle von Sychar,
die ihn nach dem rechten Ort der Anbetung fragt (vgl. Joh 4,20),
die in unserem zweiten Leitvers (Joh 4,23f.) zitierte, neu
anbrechende Stunde der Anbetung in Geist und Wahrheit.
In ihrer Vollendung werden »alle Nationen, die du gemacht hast,
kommen und vor dir anbeten« (Ps 86,9; vgl. Offb 15,4). »Die
ganze Erde wird dich anbeten und dir Psalmen singen» (Ps 66,4).
»Die vierundzwanzig Ältesten werden niederfallen vordem, der auf
dem Thron sitzt, und den anbeten, der von Ewigkeit zu Ewigkeit
lebt« (Offb 4,10), zugleich aber auch vor dem Lamm, das
geschlachtet worden ist (vgl. Offb 5,8), zuletzt gar im Einklang
mit den Engeln (vgl. Hebr 1,6) und der ganzen Schöpfung. Hören
wir doch auch heute schon den Ruf des Psalmisten:
»Kommt, lasst uns an beten und uns neigen, lasst uns niederknien
vor dem Herrn, der uns gemacht hat!« (Ps 95,5) ~ zugleich mit
Jesus Christus,
dem Sohn, der aus Liebe für uns am Kreuz gestorben ist.
Stimmen wir darum mit in den Lobpreis eines Liedes ein, dessen
erste Strophe von Johann Caspar Lavater (1741-1801)
stammt und dessen zweite Strophe von Rudolf Brockhaus
(1856-1932) dazugedichtet worden ist:
Anbetung Dirl Sei hoch
gepriesen
für Deine Liebe,
Jesus Christ!
Die Du an Sündern
hast bewiesen,
da Du für uns
gestorben bist.
Wie viel hast Du
für uns getan!
Wir beten dankend,
Herr Dich an.
Anbetung Dir! So
wird es schallen
im neuen Liede fort
und fort.
Anbetung Dir! Das
schwache Lallen
wird bald zum
mächt’gen Chore dort,
wo bei dergoldnen
Flarfen Klang
Dir tönt der ew’ge
Lobgesang.
https://bibelkreis.ch/Singetdemherrnkomplett_23_09_2019/Gesitliche%20Lieder%20alle%20Strophen%20im%20Notensatz/Geitliche%20Lieder%20by%20Christoph%20Scan/015_001.jpg
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Hanswalter Giesekus
Gebet, Flehen, Anbetung
aus Zeit und Schrift 5-2021
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