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HEILIGER GEIST
der Zurückhaltende
Zahlreiche widersprüchliche Ansichten gibt
es über den Zurückhaltenden in
2Thes 2,6-7 , was deutlich macht, wie
wenig wirklich über dieses Thema bekannt
ist. Einige halten daran fest, dass der
Zurückhaltende das römische Reich, eine
andere Obrigkeitsform oder das Gesetz ist.
Andere vertreten die Meinung, dass die
Gemeinde diese zurückhaltende Kraft ist. Es
gibt sogar einige, die glauben, dass Satan
selbst der Aufhaltende ist. Verschiedene
Vertreter der Lehre von den Heilszeitaltern
haben sogar argumentiert, dass es am besten
sei, den Zurückhaltenden mit dem
Antichristen gleichzusetzen.
Das römische Reich sowie der Antichrist
werden kaum als Zurückhaltender in Frage
kommen, weil Ersteres vor Hunderten von
Jahren aufgehört hat zu existieren und weil
das Kommen Jesu Christi bzw. die Erscheinung
des Antichristen noch zukünftig ist.
Außerdem »wissen wir, dass die Trübsalszeit
eine Periode uneingeschränkter
Herrschaftsausübung ist, in der alle
sozialen, religiösen und wirtschaftlichen
Aspekte reglementiert werden« (Walvoord).
Über die Gemeinde schreibt Stanton: »Die
Gemeinde ist bestenfalls ein unpersönlicher
Organismus, der gewiss vollkommen ist in der
Stellung vor Gott, aber im praktischen Leben
vor Menschen nicht immer untadelig oder über
jeden Vorwurf erhaben ist. Wie eine
menschliche Obrigkeit wird die Gemeinde von
Gott dazu gebraucht, die volle Entfaltung
des Bösen in diesem gegenwärtigen Zeitalter
zu verhindern, sodass der tatsächlich
Aufhaltende nicht der Gläubige, sondern
derjenige ist, der den Gläubigen
bevollmächtigt: der in ihm wohnende Heilige
Geist (
Joh 16,7; 1Kor 6,19 ). Ohne seine
Gegenwart wären weder die Gemeinde noch die
Obrigkeit in der Lage, den Plan und die
Macht Satans aufzuhalten« (zitiert in: J.
Dwight Pentecost,
Bibel und Zukunft , S. 281).
Eine Prüfung des Textes hilft uns, das
Verständnis dieses Themas zu vertiefen. In
2Thes 2,6 heißt es: »Und jetzt wisst
ihr, was (ihn) zurückhält (oder aufhält),
damit er zu seiner Zeit geoffenbart wird.«
Vers 7: »Denn schon ist das Geheimnis der
Gesetzlosigkeit wirksam; nur offenbart es
sich nicht, bis der, welcher (ihn) jetzt
zurückhält (aufhält), aus dem Weg ist.« Das
griechische Verb
katecho ist ein zusammengesetztes Wort,
das aus den Bestandteilen
kata (herab) und
echo (haben oder halten) besteht. Somit
kommen wir zu der Bedeutung »zurückhalten«
oder »aufhalten«. Das
Theological Dictionary of the N.T.
definiert
katecho folgendermaßen: »eine böse
Person oder Macht davon abhalten, destruktiv
wirksam zu werden (so wie man Verbrecher
inhaftiert, um die Gesellschaft vor ihnen zu
schützen). Diese zurückhaltende Macht
hindert den Antichristen daran, vor der
festgesetzten Zeit »destruktiv wirksam zu
werden«.
Es ist interessant, dass in Vers
6 das im Neutrum stehende Partizip
Präsens
(to katechon ) gebraucht wird. Es wird
mit »das, was (ihn) zurückhält (oder
aufhält)« übersetzt, während in Vers
7 im Griechischen die maskuline Form des
Partizip Präsens
(ho katechon ) gebraucht wird, was mit
»der, welcher (ihn) jetzt zurückhält
(aufhält)« wiedergegeben wird. Allein das
schließt mit einiger Sicherheit die Gemeinde
als Zurückhaltende aus, weil sie die Braut
Christi ist und das Pronomen »sie« würde im
Femininum, nicht aber im Neutrum oder
Maskulinum stehen. Einige sind der Meinung,
dass sich das Neutrum in Vers
6 auf das römische Reich bezieht,
während das Maskulinum in Vers
7 den römischen Kaiser meint. Wie wir
jedoch zuvor aufgezeigt haben, hörte das
römische Reich vor langer Zeit auf zu
existieren. Während der Herrschaft des
Antichristen wird es eine andere
Obrigkeitsform geben.
Wer oder was nun hat die Macht, Sünde
zurückzuhalten, sodass der Mensch der Sünde
nicht geoffenbart werden kann, bis diese
aufhaltende Kraft »aus dem Weg ist«? »Nehmen
wir die Lehre von der göttlichen Vorsehung
und das Schriftzeugnis, wonach das Merkmal
des Geistes darin besteht, Sünde
zurückzuhalten und gegen sie anzukämpfen (
1Mo 6,3 ). Verbinden wir diese beiden
mit der biblischen Lehre, dass der Geist in
der Welt ständig vorhanden ist und in den
Gläubigen in diesem Zeitalter in besonderer
Weise wohnt. Dann ist der Geist Gottes die
einzige hinreichende Antwort auf die Frage,
wer der Zurückhaltende ist. Wer den Heiligen
Geist nicht als Zurückhaltenden erkennt,
zeigt, dass er die Lehre vom Heiligen Geist
im Allgemeinen und sein Werk im Blick auf
die wichtigsten vorausschauenden Handlungen
Gottes in der menschlichen Geschichte nur
unzureichend versteht« (John Walvoord).
Einer der Haupteinwände, die gegen den
Heiligen Geist als diese zurückhaltende
Macht vorgebracht werden, hat mit dem
Wechsel des Genus zu tun: Aus dem im Neutrum
stehenden Partizip
to katechon , »das, was (ihn)
zurückhält«, in V.
6 wird das im Maskulinum befindliche
Partizip
ho katechon , »der, welcher (ihn) jetzt
zurückhält«, in V.
7 . Für dieses Problem gibt es eine
einfache Lösung: Das griechische Wort für
Geist heißt
pneuma , ein im Neutrum stehendes
Substantiv. V.
6 bezieht sich auf den Geist, während V.
7 (mit der maskulinen Form des
Ausdrucks) die Person des Heiligen Geistes
meint. Diese Konstruktion kommt auch in
anderen neutestamentlichen Versen vor.
In
Joh 14,26 heißt es: »Der Beistand aber,
der Heilige Geist, den der Vater senden wird
in meinem Namen, der wird euch alles lehren
und euch an alles erinnern, was ich euch
gesagt habe.« Das Wort
ho parakletos (der Beistand) ist ein
maskulines Substantiv. Ihm folgt der Name
der angesprochenen Person, »der Heilige
Geist«, ein im Neutrum stehendes Substantiv.
Der mit »er« übersetzte Begriff
ekeinos ist ein maskulines Pronomen, das
sich auf den »Heiligen Geist« bezieht: Er,
der Heilige Geist, wird euch alles lehren.
»Der absichtliche grammatische Wechsel hebt
die Tatsache hervor, dass der Heilige Geist
eine Person ist. Es hätte keinen Grund für
einen Wechsel vom Neutrum zum Maskulinum
gegeben, wenn man den Geist nicht als Person
verstehen müsste« (Enns).
Ein anderer Einwand dagegen, dass der
Heilige Geist diese zurückhaltende Macht
ist, wird in Vers
7 gesehen: »bis der ... aus dem Weg
ist.« Viele können sich schwer vorstellen,
in welcher Hinsicht der Heilige Geist aus
dem Weg geräumt oder weggenommen werden
könnte. Doch entspricht dies dem, was der
Text sagt? Das griechische Wort, das mit
»genommen« wiedergegeben wird, heißt
genêtai. Genêtai ist Aorist Medium
Konjunktiv von
ginomai , einem Deponens. Verben im
Deponens erscheinen in der Form des Mediums
oder Passivs und werden mit der Aktivform
übersetzt. Dies bedeutet, dass das Subjekt
(in diesem Fall der Zurückhaltende) der
Handelnde ist. »Das Verb im Deponens
bezeichnet keine Wegnahme durch eine äußere
Kraft, sondern vielmehr eine willentliche
Handlung auf Seiten des Zurückhaltenden«
(Hiebert).
Ek mesou genêtai bedeutet nicht »aus dem
Weg geräumt werden« (Passiv, gemäß dem
Wortlaut der meisten Übersetzungen), sondern
»den Weg freimachen« (Lenski). Ellicotts
Übersetzung lautet: »... bis der, welcher
zurückhält, aus der Mitte verschwindet.«
Statt aus dem Weg geräumt zu werden, wird
der Heilige Geist den Weg freimachen.
Derjenige, der den Antichristen zurückhält,
ist der Heilige Geist, der durch die
Gemeinde wirkt. Nicht der Heilige Geist,
sondern die Gemeinde ist es, die weggenommen
wird.
Bei der Entrückung wird das Werk des
Heiligen Geistes, soweit es die Gemeinde
betrifft, abgeschlossen sein. »Die besondere
Gegenwart des Geistes als derjenige, der in
den Gläubigen innewohnt, wird bei der
parousia plötzlich enden, so wie sie zu
Pfingsten unvermittelt begann«
(The Expositor´s Bible Commentary ).
Nachdem die Gemeinde entrückt worden ist,
wird der Gesetzlose geoffenbart werden,
wobei der Heilige Geist die vielen Märtyrer
hindurchtragen wird, die in der Verfolgung
der Trübsal sterben. Bis die Heiligen der
Gemeinde gesammelt werden, wird der Heilige
Geist sein zurückhaltendes Werk fortsetzen.
Siehe auch:
Entrückung, bibliches Studium .
Brian K. Richards
P. Enns,
The Moody Handbook of Theology (Chicago:
Moody Press, 1989); F. E. Gaebelein, allg.
Hg.,
The Expositor´s Bible Commentary (Grand
Rapids: Zondervan, 1978); D. E. Hiebert,
1 & 2 Thessalonians (Chicago: Moody
Press, 1992); R. C. H. Lenski,
The Interpretation of St. Paul´s Epistle to
the Thessalonians (Minneapolis: Augsburg
Publishing House), 1966; G. B. Stanton,
Kept from the Hour (Miami Springs, Fla.:
Schoettle Publishing, 1991), J. F. Walvoord,
The Rapture Question (Grand Rapids:
Zondervan, 1979).
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