Hesekiel Walvoord Hesekiel (Charles H. Dyer)
2. Ein neuer Gottesdienst
( Hes 44-46 )
Nachdem er die Beschreibung des Tempels erhalten hatte, wurden Hesekiel
die täglichen Verrichtungen erläutert. Die Menschen werden während des
Tausendjährigen Reiches eine neue Art des Lebens und Dienstes
praktizieren. Indem Hesekiel die heiligen Anweisungen für den
zukünftigen Gottesdienst Israels beschrieb, forderte er zugleich die
Menschen seiner Zeit auf, ihr gegenwärtiges Tun zu überdenken. Er
erklärte die Verpflichtungen der Tempeldiener ( Hes 44 ), beschrieb die
Zuteilung von Land für die Tempelpriester ( Hes 45,1-12 ) und sprach
dann von den Opfern, die für den Herrn dargebracht werden ( Hes
45,13-46,24 ).
a. Die Tempeldiener
( Hes 44 )
Hes 44,1-3
Hesekiel stand im Innenhof des Tempels, wo er die Anweisungen über den
Altar empfing ( Hes 43,5 ). Nun wurde er aus dem Innenhof zum Osttor
des äußeren Vorhofes hinausgeführt, und es wurde geschlossen. Dieses Tor
des Vorhofes öffnete sich zum Kidrontal und dem Ölberg hin. Hesekiel
hatte gerade gesehen, wie der Herr durch es hindurch in seinen Tempel
zurückgekehrt war ( Hes 43,4 ). Gottes Gegenwart hatte das Tor
geheiligt. Deshalb sollte es geschlossen bleiben, denn der Herr, der
Gott Israels, ist durch es hindurchgegangen. Niemand darf es mehr wagen,
durch dieses Tor zu gehen, durch das Gott selbst eingetreten war.
Manche Ausleger meinen, daß das heute verschlossene "Goldene Tor" von
Jerusalem dieses Tor ist, von dem hier gesprochen wird. Aber die Ausmaße
dieses Tores stimmen nicht mit dem Tor überein, von dem Hesekiel spricht
und das noch zukünftig ist.
Nur einer wird noch durch das Osttor in den Tempelbezirk einziehen
dürfen: der Fürst selbst (vgl. Hes 46,2 ). Dieser "Fürst" ist bereits
als König David identifiziert worden (vgl. Hes 34,24; 37,24-25 ). Er
wird in dem Tor essen dürfen, vermutlich eine Anspielung auf das
Dankopfer, von dem die Gläubigen essen dürfen, nachdem sie es Gott
geopfert haben (vgl. 3Mo 7,15-21 ). Die Vorhalle öffnet sich in den
Innenhof hinein (vgl. das östliche G1 in der Skizze "Der Tempel des
Tausendjährigen Reiches" zu Hes 40,1-4 ), so daß David, vom äußeren
Vorhof her kommend, durch diesen Torkomplex ziehen wird.
Hes 44,4-9
Als Hesekiel durch das Nordtor in den Innenhof zurückging, sah er die
Herrlichkeit des HERRN (vgl. die Anmerkungen zu Hes 1,28 ), die den
Tempel des HERRN erfüllte . Hesekiel muß dem Volk, dem Haus des
Widerspruchs (vgl. Hes 2,5-6.8; 3,9.26-27; 12,3.9.25; 17,12; 24,3 ),
wegen der Heiligkeit Gottes verkündigen, daß Gott gesagt hat: Genug von
deinen Greueltaten, o Haus Israel! Gott verlangte von seinen Leuten
Heiligkeit. Er wollte, daß sie aufhören, unbeschnittene Fremde in dem
Tempel zuzulassen ( Hes 44,9 ; vgl. V. 7 ). Die Juden, die aus der
babylonischen Gefangenschaft zurückgekehrt waren, legten auf dieses
Verbot besondere Betonung (vgl. Esr 4,1-3; Neh 13,1-9 ; vgl. Apg
21,27-32 ).
Hes 44,10-14
Die Aufgaben der Leviten im neuen Tempel wurden Hesekiel erklärt. Weil
sie vor dem Fall Israels unter Babylon so gesündigt hatten, wird ihre
Stellung im neuen Tempel von Dienern zu Sklaven erniedrigt. Sie werden
als Torhüter, beim Schlachten der Opfer und als Hilfe für die Gläubigen
dienen dürfen. Aber dem Herrn werden sie nicht als Priester dienen oder
nahe an eines seiner heiligen Geräte oder Opfer kommen dürfen. Die
Aufgaben der Leviten im salomonischen Tempel waren sehr viel weiter
gespannt ( 1Chr 15,16; 16,4; 23,28-31 ).
Hes 44,15-19
Dann besprach Hesekiel die Pflichten der Priester Zadoks. Die Familie
Zadoks war eine der priesterlichen Familien, eine kleinere Gruppe von
Leviten. Während der salomonischen Regierungszeit (und damit des ersten
Tempels) war Zadok der Hohepriester, weil er König Salomo treu
unterstützt hatte (vgl. 1Kö 1,32-35; 2,26-27.35 ). Zwar hatten die
Menschen gesündigt, aber die Priester aus der Nachkommenschaft Zadoks
waren Gott treu geblieben. Deshalb werden sie auch wieder in ihre
Ehrenposition eingesetzt werden. Sie sollen die Opfer darbringen ( Hes
44,15 ), und sie alleine dürfen das Heiligtum betreten und dort dienen.
Diese Priester werden als Mittler zwischen Israel und Gott dienen,
ähnlich wie die Priester zur Zeit des Alten Testamentes.
Verschiedene mosaische Gesetze über die Priester werden von Gott
erneuert. Die priesterlichen Kleider sollen aus Leinen hergestellt
werden (vgl. 2Mo 28,39-41 ). Leinen ist leichter als Wolle, die nicht
erlaubt war, denn der Priester darf nichts tragen, was ihn zum Schwitzen
bringen konnte. Bevor die Priester unter die Menschen in den äußeren
Vorhof hinausgehen, werden sie ihre Kleider ausziehen, die sie tragen,
wenn sie vor dem Herrn dienen. Dies wird den Menschen helfen, zwischen
heilig und gemein zu unterscheiden.
Hes 44,20-23
Die Priester dürfen ihre Häupter nicht scheren oder ihr Haar lange
wachsen lassen . Das Scheren seines Hauptes war, wie auch das
ungepflegte Wachsenlassen, ein Zeichen der Trauer (vgl. 3Mo 10,6;
21,5.10 ). Die Priester dürfen keinen Wein trinken, bevor sie ihren
Dienst beginnen, damit sie nicht betrunken werden und ihre
Verpflichtungen nicht vernachlässigen (vgl. 3Mo 10,8-9 ). Auch
diejenigen, die sie heiraten dürfen, werden näher bezeichnet (vgl. 3Mo
21,7.13-15 ). Dies alles sollte ihre Heiligkeit fördern und dem Volk
helfen, den Unterschied zwischen dem Heiligen und dem Gemeinen zu sehen.
Hes 44,24-27
Die Priester werden als Richter dienen und den Anordnungen Gottes
bezüglich der Feste und des Sabbats folgen. Sie werden eine rituelle
Verunreinigung vermeiden, indem sie nicht in die Nähe eines Toten kommen
(vgl. 3Mo 21,1-4 ). Obwohl der Tod im Tausendjährigen Reich ungewöhnlich
sein wird (vgl. Jes 65,20 ), wurden Vorbereitungen getroffen für solche
Fälle. Eine Ausnahme wurde nur bei nahen Familienangehörigen gemacht,
aber dann wird der Priester sieben Tage warten müssen und muß dann
ein Sündopfer darbringen , bevor er wieder am Tempeldienst teilnimmt.
Hes 44,28-31
Um die Stellung des Priesters als Diener Gottes zu betonen, wird Gott
ihn neben den Grundstücken, die den Tempel umgaben, kein Land in Israel
besitzen lassen (vgl. Hes 45,4 ). Der Grund dafür ist, daß er das
einzige Erbe sein wird, das die Priester haben. Er wird ihr Besitz
sein . Gott wird für jene sorgen, die vor ihm dienen (vgl. 5Mo 18,1-5 ),
indem er sie leben läßt von den Opfern, die die Menschen zum Tempel
bringen werden.
b. Das Land der Tempelpriester
( 45,1 - 12 )
Weil Hesekiel so ausführlich über die Priester und Leviten gesprochen
hatte ( Hes 44,10-31 ), fügte er nun noch an, welches Erbland sie
besitzen würden (vgl. Hes 48,9-12 ). Sie werden jedoch keinen Erbbesitz
wie die Menschen der anderen Stämme Israels haben ( Hes 44,28 ). (Das
Land, das den Priestern gehören wird, ist eingezeichnet in der Karte
"Die Aufteilung des Landes im Tausendjährigen Reich" bei Hes 47,13-23 .)
Hes 45,1-6
Bei der Aufteilung des Landes soll Israel dem HERRN einen Teil des
Landes als heiliges Gebiet absondern, 25 000 Ellen lang (etwa 13 km)
und 20 000 Ellen (etwa 10,4 km) breit . Innerhalb dieses Gebietes wird
der Tempelkomplex liegen, den Hesekiel gerade beschrieben hatte ( Hes
40-43 ). Dieses Rechteck wird in zwei gleiche Teile aufgeteilt, die
beide etwa 13 km lang und 5,2 km breit sind. Der erste Teil, auf dem
das Heiligtum steht, soll den Priestern zugeteilt werden für ihre Häuser
und als heiliger Ort für das Heiligtum. Der zweite Teil gehört
den Leviten , die im Tempel dienen, als ihr Besitz, damit sie dort
wohnen. Statt in ganz Israel verstreut zu werden, wie dies früher der
Fall war ( Jos 21,1-42 ), werden die Priester und Leviten in der Nähe
ihres Gottesdienstortes wohnen.
Das Rechteck, das durch die beiden Teile der Priester und der Leviten
gebildet wird, wird zu einem Quadrat durch weiteres Land für die Stadt
Jerusalem selbst. Die Stadt soll ein Gebiet von 5 000 Ellen (etwa 2,6
km) Breite und 25 000 Ellen (etwa 13 km) Länge umfassen, das an das
heilige Gebiet angrenzt. Das Stadtgebiet wiederum wird unterteilt in die
Stadt selbst, Weide- und Ackerland (vgl. Hes 48,15-18 ).
Hes 45,7-8
Dieses Quadrat, das in jeder Richtung etwa 13 km lang ist, wird dort
liegen, wo sich das heutige Jerusalem befindet. Von der Stadt nach Osten
und nach Westen wird sich ein Landstreifen erstrecken. Der Fürst (d. h.
David; vgl. die Anmerkungen zu Hes 34,24 ) wird das Land an beiden
Seiten des heiligen Bezirkes und des Gebietes der Stadt besitzen. Dieser
Landstreifen erstreckte sich im Osten bis an den Jordan und im Westen
bis an das Mittelmeer.
Hes 45,9-12
Hesekiel benutzte die Realität der zukünftigen Segnungen Gottes als
Sprungbrett, um die Fürsten seiner Zeit zur Umkehr zu rufen. Ihr seid
weit genug gegangen, o Fürsten von Israel! (vgl. Hes 44,6 ) Hört auf mit
eurer Gewalt und Unterdrückung und tut, was recht und gerecht ist.
Israels politische Führer hatten die Rechte derer, die sie beschützen
sollten, hartherzig mißachtet (vgl. Hes 19,1-9; 22,25; 34,1-10 ). Ihr
Hauptproblem war die Habgier. Deshalb ermahnte Hesekiel sie, rechtes
Gewicht, rechten Scheffel und rechtes Maß zu benutzen . Ein Scheffel
( Efa ) war ein Trockenmaß, während ein Maß (Bat) für Flüssigkeiten
benutzt wurde. Beide entsprachen sie etwa 19 Litern (vgl. die Tabelle
"Biblische Maße und Gewichte" am Anfang des Bandes). Beide waren jeweils
ein Zehntel eines Eimers ( Homer ). Ein Eimer entsprach etwa 190 Litern
oder sechs "Faß". Das hebräische Wort HOmer ist vermutlich
mit HXmNr ("Esel") verwandt und bedeutete eine "Eselsladung".
Hesekiel sprach aber auch von den Gewichten (neben den Maßen für
Inhalte): das Lot ( Schekel ) soll aus zwanzig Gramm ( Gera ) bestehen.
Ein "Lot" (Schekel) entsprach etwas weniger als 11,5 Gramm. Das "Gramm"
(Gera) war die kleinste Gewichtseinheit in Israel. Zwanzig Gramm machten
ein Lot (vgl. 2Mo 30,13; 3Mo 27,25; 4Mo 3,47 ). Hesekiel sagte, daß 60
Lot (20+25+15) ein Pfund (Mina) ausmachen. Manche Ausleger und
Bibelübersetzungen halten dies für eine Abweichung von dem gewöhnlichen
Standard von 50 Lot für ein Pfund, wie dies in ugaritischen Texten
gesagt wird. Dennoch scheint es, daß das Pfund, zumindest in Babylon,
aus 60 Lot bestand. Daraus würde folgen, daß ein Pfund etwa 690 Gramm
war.
Die Gewichte, die man aus jener Zeit des Alten Testamentes gefunden hat,
sind zum Teil unterschiedlich. Offenbar benutzte man verschiedene
Gewichte, um einander zu betrügen. Hesekiel ermahnte die Führer Israels,
ehrliche Maße für alle Israeliten einzurichten.
c. Die Opfer
( 45,13 - 46,24 )
Nachdem er die Fürsten Israels für die falschen Gewichte und Maße
getadelt hatte, kam Hesekiel wieder auf das Tausendjährige Reich zu
sprechen, in dem der Fürst gerechte Gewichte benutzen wird, um Gott
Opfer zu bringen ( Hes 45,13-17 ). Diese Erwähnung der Opfer ließ
Hesekiel kurz das Opfersystem jener Zeit beschreiben ( Hes
45,18-46,24 ), bevor er wieder auf die Aufteilung des Landes zurückkam.
Hes 45,13-17
Hesekiel führte verschiedene Mengen von Dingen an, die die Menschen dem
Fürsten (David; vgl. die Anmerkungen zu Hes 34,24 ) bringen werden.
Die vorgeschriebene Abgabe muß in einem Verhältnis stehen zu dem
persönlichen Reichtum oder Mangel an Reichtum des einzelnen. Sie sollen
ein Sechzigstel von ihrem Weizen und ihrer Gerste geben ( Hes 45,13 ),
ein Prozent ihres Olivenöles (V. 14 ) und ein Schaf von jeweils 200
ihrer Herde (V. 15 ). Diese Abgabe müssen alle Menschen zu dem Fürsten
von Israel bringen. Als Vertreter des Volkes wird er ihre Gaben sammeln
und benutzen, um das Tempelopfer aufrechtzuerhalten, wozu Brandopfer,
Speisopfer und Trankopfer an den Festen, zum Neumond und an den
Sabbaten gehören (welche Bedeutung diese Opfer im Tausendjährigen Reich
haben, wird in den Anmerkungen zu Hes 40,38-43 erläutert).
Hes 45,18-25
Die Feste, auf denen die Gaben geopfert werden, sind das Neujahrsfest
(V. 18 - 20 ), das Passafest / Fest der ungesäuerten Brote (V. 21 - 24 )
und das sieben Tage dauernde Laubhüttenfest (V. 25 ). Die Neujahrsfeier
am 1. Nisan (Mitte April) wird dazu dienen, das Heiligtum zu
reinigen (V. 18 ). Wenn jemand ohne Vorsatz sündigt , wird ein weiteres
Mal am ersten Tag des siebten Monats zur Reinigung geopfert werden
(V. 20 ). Diese Opferungen und zeremoniellen Reinigungen werden offenbar
den großen Versöhnungstag (im siebten Monat, 3Mo 23,26-32 ) ersetzen.
Nach dieser Zeit der Reinigung wird das Passa gefeiert ( Hes 45,21-24 ),
das Fest der ungesäuerten Brote. Dieses Fest wird sieben Tage dauern, in
denen die Menschen ungesäuertes Brot essen werden. Der Fürst wird die
Opfer bringen in dieser Zeit (V. 22 - 24 ). Daß der Fürst dabei auch ein
Sündopfer für sich selbst bringen muß, zeigt, daß er nicht Christus ist.
Das dritte Fest wird im siebten Monat, am fünfzehnten Tag beginnen .
Dies ist das Laubhüttenfest, ebenfalls eine siebentägige Feier ( 3Mo
23,33-44 ), das letzte Fest in dem jährlichen Kalender Israels.
Warum ließ Hesekiel die anderen Feste Israels aus, das Pfingstfest, das
Fest der Posaunen und den großen Versöhnungstag? Es gibt hierfür zwei
mögliche Erklärungen. Die erste ist, daß er eine Veränderung in Gottes
Programm für Israel anzeigen wollte. Die Einsetzung des neuen Bundes und
die Erfüllung der Königreichs-Verheißungen haben diese Feste vielleicht
überflüssig gemacht. Deshalb werden nur drei der sechs jährlichen Feste
aus dem levitischen System (vgl. 3Mo 23,4-44 ) noch gefeiert: zwei
Feste, bei denen es um die nationale Reinigung geht (das Passafest und
das Fest der ungesäuerten Brote, die als ein Fest betrachtet werden;
vgl. den "Opferkalender" bei 4Mo 28,1-8 ), die zurückweisen auf den Tod
Christi, und das Laubhüttenfest, das Israels neue Stellung in Gottes
Tausendjährigem Reich deutlich macht. Der zweite Grund könnte sein, daß
Hesekiel durch die Erwähnung der ersten beiden Feste im Kalender Israels
(das Passafest und das Fest der ungesäuerten Brote) und des letzten
(Laubhüttenfest) die anderen Feste Israels ebenfalls mit einschloß. |