Der Evangelist, Lehrer und Pastor H.
A. Ironside (1876-1951) hat einige
der am meisten zu Herzen gehenden
und in Ehren gehaltenen erbaulichen
Kommentare in der Geschichte der
Lehre von den Heilszeiten verfasst.
Sie haben Tausenden von Menschen in
der englischsprachigen Welt
geholfen, die Heilszeiten zu
verstehen. In einem christlichen
Elternhaus großgeworden und als
junger Mann zum Glauben an Christus
gekommen, schloss sich Ironside der
Heilsarmee an. Nach einigen Jahren
verließ er jedoch diese
Gemeinschaft, weil er nach dem
Versuch frustriert war, auf der
Grundlage ihrer Ansichten zur
Heiligung die Stellung eines
»Perfektionisten« beizubehalten. Er
fand Frieden und Sicherheit in der
stärker auf der Bibel gegründeten
Sicht von der unvergleichlichen
Gnade Gottes. Sein Bekehrungszeugnis
und seine späteren Ansichten zur
Heiligungslehre finden sich in
Holiness: The False and the True (1912; deutsche Ausgabe:
Heiligung - Zerrbild und Wirklichkei
t).
Ironside musste weithin ohne
formelle Ausbildung auskommen und
war statt dessen ein Autodidakt. Das
Wheaton College verlieh ihm im
Jahre 1930 die Ehrendoktorwürde in
Literaturwissenschaften. Ironside
wurde ein landesweit bekannter
Bibelausleger, der auf seinen Reisen
biblische Lehre vermittelte und
damit anderen führenden Vertretern
der Heilszeitenlehre der ersten
Hälfte des 20. Jahrhunderts wie Arno
C. Gaebelein ähnelte. Zu Ironsides
Reisedienst gehörte die Teilnahme an
Bibelkonferenzen und Vortragsreihen
zu Lehrthemen an Einrichtungen
überall in den USA, so z. B. am
Moody Bible Institute und am
Evangelical College (heute
Dallas Theological Seminary ).
Von 1930 bis 1948 war Ironside
Pastor an der bekannten Moody
Memorial Church in Chicago, deren
Sendeanlagen er mehrere Jahre lang
für Rundfunkpredigten nutzte. Er gab
den Verkündigungsdienst in dieser
bekannten Gemeinde auf, um sich dem
vollzeitlichen Dienst als Autor und
Konferenzredner zu widmen. Dieser
Dienst ging bis zu seinem Tod im
Jahre 1951 weiter.
Das größte Vermächtnis von H. A.
Ironside umfasst die umfangreiche
Sammlung von Schriften, die er
hinterlassen hat. Er schrieb über 60
Bücher, zu denen noch zahlreiche
Broschüren und Artikel hinzukommen.
Sein Stil wird durch folgende
Merkmale charakterisiert: (1)
erbauliche Auslegung, (2) die
einfache Darstellung komplizierter
Fragen, (3) eine schöpferische
Fähigkeit, anregende Formulierungen
und Veranschaulichungen zu finden,
die darauf abzielen, zu Herzen zu
gehen und das Leben zu verändern,
und (4) eine Weiterführung des Erbes
der schlichten Bibelauslegung, die
auf den Niagara-Bibelkonferenzen am
Ende des 19. Jahrhunderts betont
wurde.
Ironsides Schriften beschäftigten
sich mit einer breiten Palette von
Themen. Seine Bibelkommentare
erfassen den gesamten Inhalt der
neutestamentlichen Bücher sowie
jedes prophetische Buch im Alten
Testament. Außerdem sprach er
themenbezogene Fragen wie die Taufe,
die Wiederkunft, die Entrückung der
Gemeinde, den Heiligen Geist,
Probleme der Heiligung und das Gebet
an. In
A Historical Sketch of the Brethren
Movement (1942, »Eine
historische Skizzierung der
Brüderbewegung«) stellte er seine
Fähigkeiten als Historiker unter
Beweis. Das Werk hebt die
Entwicklung dieser Bewegung hervor,
die zum großen Teil für die
Verbreitung der von John Nelson
Darby gelehrten Lehre von den
Heilszeiten verantwortlich war, die
Ironside selbst vertrat. In
Random Reminiscences from Fifty
Years of Ministry (1939,
»Zusammengestellte Erinnerungen auf
Fünfzig Jahren Predigtdienst«) gab
Ironside anekdotenhafte Einblicke in
sein Leben und seinen Dienst. Das
Herz eines Pastors kann man in
Full Assurance (»Völlige
Gewissheit«) sehen - einem Werk, das
die Zuversicht der Gläubigen zu
vergrößern suchte. Ironside besaß
auch den Eifer eines Evangelisten,
wie man in seiner Veröffentlichung
The Only Two Religions and Other
Gospel Papers (»Die Einzigen
Beiden Religionen und Andere
Heilsbotschaften«) erkennen kann.
Viele der publizierten Werke und
Kommentare gingen auf Predigtreihen
zurück. Sein Dienst umfasste
annähernd sechzig Jahre fruchtbaren
Wirkens. Letztendlich war er als
geliebter Lehrer bekannt, der sich
der wörtlichen prophetischen
Auslegung widmete. Daraus leitete er
den Glauben und die Hoffnung
hinsichtlich des Kommens Jesu
Christi im Sinne des
Prämillennialismus - eines Kommens
vor der Trübsal - ab.
E. Schuyler English,
Ordained of the Lord: H. A.
Ironside: A Biography (Neptune,
N.J.: Loizeaux Brothers, 1976); H.
A. Ironside,
Four Golden Hours with Dr. Harry
Ironside (London: Marshall,
Morgan & Scott Ltd., 1939);
derselbe,
Heiligung - Zerrbild und
Wirklichkeit (Bielefeld: CLV,
1989); derselbe,
In the Heavenlies: Practical
Expository Addresses on the Epistle
to the Ephesians (Neptune, N.J.:
Loizeaux Brothers, 1937); derselbe,
Notes on the Minor Prophets (Neptune, N.J.: Loizeaux Brothers,
1909); L. I. Koppin, Hrsg.,
The Best of H. A. Ironside (Grand Rapids: Baker, 1981); George
M. Marsden,
Fundamentalism and American Culture
(New York: Oxford University
Press, 1980).
ISRAEL UND DIE GEMEINDE
Unterschiede
Eines der großen theologischen
Schlachtfelder des traditionellen
Christentums in all den
Jahrhunderten war die Natur und
Wesensart der Gemeinde, insbesondere
in ihrer Beziehung zu ihrem
biblischem Vorgänger Israel. Die
beiden diesbezüglichen
Hauptansichten sind, dass (1) die
Gemeinde die Linie Israels
weiterführt, und dass sich (2) die
Gemeinde von Israel völlig
unterscheidet.
ISRAEL UND DIE GEMEINDE
Unterschiede
Erste Ansicht: Die Gemeinde ist
gleichbedeutend mit Israel
Die vorherrschende Sichtweise hat
darin bestanden, dass die Gemeinde
das »neue« Israel verkörpert - dies
ist eine Fortsetzung des
Heilskonzepts, das im Alten
Testament mit Israel eingeführt
wurde. Nach dieser Ansicht stellt
die Gemeinde eine Verbesserung und
Weiterentwicklung des mit Israel
begonnenen Konzepts dar. Alle
Verheißungen, die Israel in der
Schrift gegeben wurden, finden in
der Gemeinde ihre Erfüllung. Somit
werden diejenigen Prophetien, die
sich auf die Segnung und
Wiederherstellung Israels im
Gelobten Land beziehen, als
vergeistigte Segenszusagen an die
Gemeinde verstanden. Die mit
Verurteilung und Gericht verbundenen
Prophetien würden jedoch weiterhin
im wörtlichen Sinne dem Volk Israel
gelten.
Diese Ansicht wird manchmal als
»Ersatztheologie«
(Substitutionstheologie) bezeichnet,
weil man die Gemeinde als Ersatz für
Israel in Gottes Haushaltung sieht.
Eines der mit dieser Sichtweise
verbundenen Probleme ist u.a. die
fortdauernde Existenz des jüdischen
Volkes, besonders im Blick auf die
in unserer Zeit erfolgte Neugründung
des Staates Israel. Wenn Israel zum
Aussterben verurteilt ist und es
keine göttlich bestimmte Zukunft für
es gibt, stellt sich die Frage: Wie
erklärt man die Tatsache, dass das
jüdische Volk seit der Gründung der
Gemeinde fast zweitausend Jahre lang
entgegen allen Erwartungen
fortbesteht? Wie erklärt man
außerdem die Rückkehr Israels in die
Völkerfamilie, in der es als
unabhängige Nation besteht - als ein
Volk, das in mehreren Kriegen
siegreich war und wirtschaftliche
Erfolge erzielt?
ISRAEL UND DIE GEMEINDE
Unterschiede
Zweite Ansicht: Israel und die
Gemeinde unterscheiden sich
voneinander
Die andere Sichtweise wird unserer
Meinung nach im Neuen Testament
eindeutig gelehrt, ist aber während
des größten Teils der
Kirchengeschichte nicht beachtet
worden. Diese Ansicht ist, dass die
Gemeinde sich von Israel völlig
unterscheidet sowie abhebt und beide
nicht miteinander verwechselt werden
sollten. Ja, die Gemeinde stellt
eine ganz neue Schöpfung dar, die am
Pfingsttag ins Leben gerufen wurde,
nachdem Christus aus den Toten
auferstanden war. Sie wird bis zu
ihrer Aufnahme in den Himmel auf
Erden fortbestehen - und zwar bis zu
dem Zeitpunkt, da der Herr
wiederkommt, um sie zu entrücken (
Eph 1,9-11 ). Keines der Fluch-
oder Segensworte, die über Israel
ausgesprochen wurden, bezieht sich
direkt auf die Gemeinde. Nur
dadurch, dass Gott es so gefügt hat,
und nicht aufgrund ursprünglicher
Auslegung ist die Gemeinde
beispielsweise Teilhaber des
Abrahamitischen und des Neuen
Bundes.
Damit bleiben alle Israel geltenden
Bundesschlüsse, Verheißungen und
Warnungen unangetastet. Israel, das
jüdische Volk im natürlichen Sinne,
ist noch immer das, was es war.
Sicher ist Israel während der
vergangenen 19 Jahrhunderte der
Zerstreuung an den Rand gedrängt
worden. Die Gemeinde hat im
Mittelpunkt des Handelns des Herrn
gestanden, als sich das Evangelium
auf der ganzen Welt ausgebreitet
hat. Trotzdem achtet Gott sehr auf
das jüdische Volk - obwohl es sich
im Unglauben befindet - indem er es
in Nöten und Verfolgungen aller Art
bewahrt. Mitunter hat die
Namenschristenheit selbst (dies muss
man zu unserer Beschämung sagen)
diese Verfolgungen der Juden
veranlasst.
Gott hat das jüdische Volk nicht nur
bewahrt, sondern auch seine
Verheißung erfüllt, einen Überrest
Israels in jeder Generation zu
erhalten. Der Überrest Israels in
diesem Zeitalter ist die Gesamtheit
der Juden, die an Christus glauben,
an der Seite der nichtjüdischen
Gläubigen stehen und mit ihnen die
Gemeinde, den Leib Christi (
Röm 11,5 ), bilden. In dieser
Hinsicht überschneidet sich demnach
ein Teil der Angehörigen des Volkes
Israel (der gläubige Überrest)
während des Gemeindezeitalters mit
der Gemeinde. Doch dies rechtfertigt
keine Gleichsetzung Israels mit der
Gemeinde oder umgekehrt.
Zukünftig werden sowohl die Israel
geltenden Warnungen Gottes als auch
seine Verheißungen in Erfüllung
gehen. Nachdem der Herr seinen Plan
im Gemeindezeitalter ausgeführt und
die Gemeinde bei der Entrückung in
den Himmel gebracht hat (
1Thes 4,16-18 ), wird Gott
Israel auf den Hauptschauplatz des
von ihm bestimmten Weltgeschehens
zurückführen. Zunächst kommt die
verheerende Zeit der Bedrängnis für
Jakob (
Jer 30,7 ), auch als »große
Trübsal« bekannt. Dies ist eine
schreckliche siebenjährige Zeit, die
in der ersten Hälfte relativ harmlos
beginnt, deren Furchtbarkeit sich
aber während der zweiten Hälfte bis
zum letzten Höhepunkt hin steigert.
Während dieser Zeit wird die Welt
dafür gerichtet, dass sie Christus
verworfen hat. Doch im spezielleren
Sinne wird Israel gerichtet,
geläutert und durch die Feuerproben
der großen Trübsal auf die
Wiederkunft des Messias vorbereitet.
Dies ist das Unangenehme daran.
Das Schöne daran ist, dass zu dem
Zeitpunkt, da Christus am Ende der
Trübsal auf die Erde zurückkehrt,
die Angehörigen des Volkes Israel
bereit, willig und darauf
ausgerichtet sein werden ihn
anzunehmen. Dann werden sie
verkünden: »Gepriesen sei, der da
kommt im Namen des Herrn« (
Mt 23,39 ). So wie durch das
Straucheln Israels der Welt beim
ersten Kommen Christi Segen zuteil
wurde, wird die Tatsache, dass
Christus Israel bei seiner
Wiederkunft annimmt, wie Leben aus
den Toten sein (
Röm 11,15 ). Die nach der
Trübsal noch lebenden Angehörigen
des Überrests Israels (etwa ein
Drittel des jüdischen Volkes, das in
die Trübsal geht) werden errettet
werden. Dann wird der Herr sein
Reich in der Hauptstadt Jerusalem
und auf Erden - genau auf den
Schauplätzen seiner Jahrhunderte
zuvor erfolgten Verwerfung -
aufrichten. Israel wird das Haupt
der Nationen und nicht mehr der
Schwanz sein, wobei alle Nationen
Vertreter nach Jerusalem entsenden
werden, um den König der Könige und
den Herrn der Herren zu ehren und
anzubeten (
Jes 2,2-3; Mi 4,1 ). Die
Gemeinde wird mit Christus
zurückkehren und mit ihm eintausend
Jahre lang herrschen (
Offb 20,1-5 ). Er selbst sagte
seinen Jüngern, dass sie in der
Wiedergeburt über die zwölf Stämme
Israels herrschen würden (
Mt 19,28 ). Somit ist Israel in
Gottes Plan nicht vergessen worden.
Obwohl das jüdische Volk noch eine
dunkle Zeit vor sich hat, gibt es
einen herrlichen Schlussakkord
seiner langen Geschichte.
ISRAEL UND DIE GEMEINDE
Unterschiede
Wie entstand in der Gemeinde die
Ansicht, die Zeit Israels sei
vorbei?
Die neutestamentliche Gemeinde war
von den Höhen und Tiefen im Leben
des jüdischen Volkes betroffen.
Jesus war ein Jude, was auch für
alle Apostel galt. Die Anliegen
Israels in geistlicher und
politischer Hinsicht bildeten einen
sehr wichtigen Bestandteil ihres
Lebens. Die größten Kämpfe der
Urgemeinde wurden um die Beziehung
zwischen Israel und der Gemeinde,
zwischen Gesetz und Gnade sowie um
die Gemeinschaft zwischen jüdischen
und nichtjüdischen Christusgläubigen
ausgetragen (Galaterbrief). Viele
der jüdischen Gläubigen akzeptierten
zunächst kaum die nichtjüdischen
Geschwister. Im Laufe der Zeit, als
die Nichtjuden die zahlenmäßig
dominierende Gruppe in der Gemeinde
wurden, kehrte sich die Haltung um.
Der Galaterbrief zeigt, wie die
Judenchristen versuchten, den
Heidenchristen das mosaische Gesetz
aufzubürden, während der Römerbrief
erkennen lässt, wie die
nichtjüdischen Christen begannen,
sich gegenüber den
(herausgebrochenen) Zweigen zu
rühmen (
Röm 11,18 ), indem sie gegen die
Stellung Israels in Geschichte und
Theologie Vorbehalte hatten.
Immerhin begann schon nach einer
gewissen Zeit, vielleicht bereits
nach einigen Jahrhunderten, die
überwältigende Mehrheit der
Nichtjuden in der Gemeinde, Israel
als Überbleibsel anzusehen, das sich
überlebt hatte. Ja, die
vorherrschende christ liche Sicht
bestand darin, dass die 70 n. Chr.
durch die Römer erfolgte Zerstörung
Jerusalems und des Tempels das
offizielle und göttlich bestimmte
Ende des jüdischen Volkes sei, das
nie wieder seine nationale
Eigenständigkeit erlangen sollte.
Die Tatsache, dass Jerusalem in
Trümmern lag und das jüdische Volk
über die ganze Welt zerstreut war,
wurde als schlüssiger Beweis dafür
angesehen, dass Gott mit Israel als
Volk für immer abgeschlossen hatte.
Die Existenz des jüdischen Volkes
hatte nur noch den Zweck, die Welt
daran zu erinnern, welch ein
schweres Gericht Gott an einem
ungehorsamen Volk vollstreckt.
Israel
Gemeinde
Geburt: Leiblich
Geburt: Geistlich
Beschneidung des
Fleisches Verheißung:
Himmel als Erbe
Beschneidung des Herzens
Verheißung: Land als
Erbe
Leitung: Davidische
Monarchie
Priester
Gemeinwesen
(Nationalstaat)
Tempelgottesdienst
Leitung: Apostel
Hirten
Leib Christi
Dezentralisierter
Gottesdienst
Tieropfer
Mahl des Herrn
Bestimmung:
Tausendjähriges Reich
Bestimmung:
Entrückung/Herrschaft
Messianischer König
Messianischer Retter
Frau Gottes, ihm in der
Wüste angetraut
Braut
des Lammes, ihm
verlobt
Levitisches Priestertum
Melchisedekisches
Priestertum
Jerusalem im Mittelpunkt
Mission im Mittelpunkt
Gläubiger Überrest
Geistliche Minderheit
Hält den Sabbat
Feiert den Tag des Herrn
Feiert die Feste
Besitzt die Erfüllung
der Feste
Ewigkeit: Tore/Neues
Jerusalem
Ewigkeit: Grundsteine
des Neuen Jerusalem
Es stellt sich jedoch die Frage: Was
geschieht mit den alttestamentlichen
Verheißungen Gottes an Israel, wenn
diese rigorose Sicht im Blick auf
Israel zutreffen würde? Für
diejenigen, die behaupteten, an die
ganze Bibel als Wort Gottes zu glau
ben, war dies ein großes Problem.
Wie konnte ein treuer Gott
hinsichtlich seiner Verheißungen an
sein altes Volk wortbrüchig werden?
Um diese Problem zu lösen, musste
man theologisch außerordentlich
gewandt sein und tief in die
theologische Trickkiste greifen.
Diese Theologen vertraten die
Meinung, dass mit dem biblischen
Israel nicht wirklich Israel gemeint
sei - insbesondere dann nicht, wenn
es um die Verheißungen ewigen Segens
geht. Stattdessen sei mit Israel
etwas anderes gemeint - nämlich ein
Gebilde, das dann im Neuen Testament
als Gemeinde bekannt wurde. Die
Gemeinde wurde zum neuen Israel,
wobei man im Rahmen dieser
bemerkenswerten Umwandlung den
Segen, wo immer er im Alten
Testament Israel verheißen wurde,
nun auf die Gemeinde bezog. Dies ist
eine Ersatztheologie
(Substitutionstheologie): Die
Gemeinde hat die Stelle Israels
eingenommen.
Die Substitutionstheologie gab es
bereits vor dem Ende des ersten
Jahrhunderts, wurde aber erst am
Ende des vierten Jahrhunderts zur
offiziellen Position führender
kirchlicher Persönlichkeiten. Damals
verhalf Augustinus diesem Konzept
zum Durchbruch, und zwar
hauptsächlich in seinem Werk
Der Gottesstaat . Darin zeigt
Augustinus eigentlich, dass er
vorher Chiliast gewesen sei, d.h.
dass er an die tausendjährige
Herrschaft Christi auf Erden nach
seiner Wiederkunft geglaubt habe.
Diese Lehre entspricht unserer
heutigen Darstellung des
Prämillennialismus. Augustinus war
jedoch zu der Schlussfolgerung
gekommen, dass diese Ansicht
fleischlich sei. Daraufhin hatte er
die Anschauung übernommen, dass die
Herrschaft Christi eher geistlich
ausgerichtet und im Grunde während
des Zeitalters der Gemeinde
einzuordnen sei. Solch eine
Auffassung bedingte die
heilsgeschichtliche Ausschaltung
Israels und die Aufgabe aller
Verheißungen, die Gott dem jüdischen
Volk gegeben hat. Diese
Segensverheißungen würden jetzt
innerhalb des kirchlichen Rahmens
erfüllt werden.
Diese Ansicht, die in der
Christenheit unterschwellig
vorhanden gewesen war, gewann jetzt
in der gesamten kirchlichen Welt an
Einfluss. Von da an wurde die
theologische Verwurzelung in der
Geschichte Israels aufgegeben, wobei
die vorherrschende Sicht des
Christentums darin bestand, dass es
für Israel keine Zukunft gebe. Die
Substitutionstheologie war die
Lehre, die kirchengeschichtlich
gesehen das Mittelalter, die
Kreuzfahrerzeit und die Reformation
überdauert hat. Erst während des 19.
Jahrhunderts ist die Sicht von der
Vorentrückung und der Zukunft
Israels in der evangelikalen
Christenheit in den Vordergrund
getreten. Trotzdem beinhaltet es die
Ansicht einer Minderheit.
ISRAEL UND DIE GEMEINDE
Unterschiede
Schmälert Israels Zukunft die
Herrlichkeit der Gemeinde?
Es gibt die Ansicht, dass die
Stellung der Gemeinde irgendwie
beeinträchtigt wird, wenn Israel in
seiner Bundesbeziehung zu Gott nicht
aufgehört hat zu existieren und wenn
es im göttlichen Heilsplan noch
einer Zukunft entgegensieht. Ist
solch ein Einwand berechtigt? Wer
ihn vorbringt, erweckt fast den
Eindruck, als sei die Gemeinde auf
Israel eifersüchtig und fürchte, sie
und Christus würden irgendetwas
einbüßen, wenn sie Israels künftige
Verheißungen anerkenne. Nichts
könnte weiter von der Wahrheit
entfernt sein.
Vielmehr wird da, wo die Gemeinde
Israels Stellung anerkennt, die
wahre Einzigartigkeit und
Herrlichkeit des Leibes Christi
sichtbar. Dieser herausgerufene
Leib, der aus gläubigen Juden und
Heiden während des
Gemeindezeitalters besteht, ist das
Höchste, was der Herr geschaffen hat
- höher als das Universum, als all
die Engel, die Nationen und Israel.
Unser Haupt, unser Bräutigam, unser
Freund ist der Sohn Gottes selbst.
Wir werden mit ihm regieren, wenn er
auf Erden herrscht, und die 12
Apostel werden über die 12 Stämme
Israels regieren. Ja, in Ewigkeit
werden die Engel, die wir richten
werden, uns anschauen, weil sie in
uns den größten Erweis der Gnade
Gottes sehen. Das ist unsere
Bestimmung. Warum sollten wir uns
dann angesichts dessen, was Gott dem
jüdischen Volk verheißen hat, aus
der Fassung bringen lassen? Weshalb
sollten wir angesichts der künftigen
Bestimmung Israels eifersüchtig
sein? Wie kurzsichtig wären wir
dann! Ja, die größte und erhabenste
Stunde der Gemeinde wird kommen,
wenn Israel in nationaler und
geistlicher Hinsicht bei der
Wiederkunft des Herrn zu ihm
zurückgeführt wird! Wir werden als
seine herrliche Braut aus dem Himmel
auf die Erde zurückkehren, um über
Israel und die Welt zu herrschen.
Wenn wir daher nicht an geistlicher
Kurzsichtigkeit leiden wollen,
müssen wir anerkennen, was der Herr
mit Israel tut, statt davor die
Augen zu verschließen, als würde
dies mit unseren eigenen Interessen
kollidieren. Vielmehr sollten wir
uns über diese Entwicklungen von
ganzem Herzen freuen, weil unsere
eigene Erlösung immer näher rückt.
Die Übersicht oben zeigt einige der
vielen Aspekte, in denen sich Israel
und die Gemeinde unterscheiden.
Obwohl beide eine Bundesbeziehung
zum Herrn haben, sind die
Unterschiede zwischen den Merkmalen
dieser Bundesschlüsse derart groß,
dass sie nicht miteinander
verwechselt werden dürfen.
Thomas S. McCall
ISRAELOGIE
Lehre
Die Israelogie bezieht sich auf
einen Teilbereich der systematischen
Theologie (hier auf die
systematische Theologie der Lehre
der HEilszeiten beschränkt). Sie
schließt alle theologischen Lehren
ein, die das Volk Israel in
Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft
betreffen.
ISRAELOGIE
Lehre
Israels Vergangenheit
Israels Erwählung
Die Erwählung Israels wird in der
Schrift eindeutig gelehrt (
5Mo 4,37; 7,6-8; 14,2; 26,18 ).
Die Grundlage für Israels Erwählung
als Volk bildet Gottes
Bundesbeziehung zu den Erzvätern (
5Mo 10, 15-16 ). Der Zweck der
Auserwählung Israels ist u.a. die
Berufung, ein Königreich von
Priestern zu sein (
2Mo 19,6 ). Ferner sollte es der
Empfänger göttlicher Offenbarungen
sein (
5Mo 4,5-8; 6,6-9; Röm 3, 1-2 ),
die Lehre von dem einen Gott
verbreiten (
Jes 43,10-12 ) und Ursprungsvolk
des Messias sein (
Röm 9,5; Hebr 2,16-17; 7,13-14
).
ISRAELOGIE
Lehre
Israels Vergangenheit
Die bedingungslosen Bundesschlüsse
Zweitens betrifft es die vier
bedingungslosen Bündnisse, die Gott
mit Israel geschlossen hat (als
Abrahamitischer Bund, Bund der
Landverheißung, Davidischer Bund und
Neuer Bund bekannt; im Blick auf
Einzelheiten siehe die Ausführungen
unter den jeweiligen Überschriften).
ISRAELOGIE
Lehre
Israels Vergangenheit
Der mosaische Bund
Drittens ist der mosaische Bund und
das Gesetz des Mose betroffen. Das
Schlüsselelement des mosaischen
Gesetzes stellte das blutige Opfer
dar (
2Mo 17,11 ). Das Blut der
Opfertiere konnte jedoch die Sünde
der alttestamentlichen Heiligen nur
bedecken und nicht wegnehmen. Der
Inhalt des mosaischen Bundes war das
Gesetz des Mose, das weder den
Nationen noch der Gemeinde, sondern
ausschließlich Israel gegeben wurde
(
2Mo 19,3-8; 5Mo 4,7-8; Ps 147,19-20;
Mal 3,22 ). Zu den Aufgaben des
Gesetzes gehörte nie, Heilsmittel zu
sein, da die Rettung immer aus Gnade
durch Glauben erfolgt. Dennoch wurde
uns Aufschluss darüber gegeben, dass
das Gesetz mindestens neun Ziele
hatte:
1. Das Gesetz sollte die Heiligkeit
Gottes und den Maßstab der von ihm
geforderten Gerechtigkeit offenbaren
(
3Mo 19,1-2.37; 11,44; 1.Pet 1,15-16
). Aus diesem Grund war das
Gesetz selbst heilig, gerecht und
gut (
Röm 7,12 ).
2. Das Gesetz sollte die Lebensregel
für die alttestamentlichen Gläubigen
sein (
3Mo 11,44-45; 19,2; 20,7-8.26 ).
Für den alttestamentlichen Gläubigen
war das Gesetz der Mittelpunkt
seines individuellen geistlichen
Lebens und seiner Freude (
Ps 119 ).
3. Das Gesetz sollte für Israel
Anlässe zur individuellen und
gemeinschaftlichen Anbetung
schaffen, wofür die sieben heiligen
Feste in
3Mo 23 ein Beispiel sind.
4. Das Gesetz sollte die Israeliten
als eigenständiges Volk erhalten (
3Mo 11,44-45; 5Mo 7,6; 14,1-2 ).
Dies war der Grund für viele
spezielle Gesetze hinsichtlich der
Ernährung, Kleidung und anderer
Bereiche ihres täglichen Lebens.
5. Als Zwischenwand der Umzäunung
sollte das Gesetz den Angehörigen
der Nationen zeigen, wie fern sie
vom Genuss der geistlichen Segnungen
der Bundesschlüsse Israels waren (
Eph 2,11-16 ).
8. Das Gesetz sollte zeigen, dass
der Sünder von sich aus nichts tun
konnte, um Gott zu gefallen, und
nicht imstande war, es vollkommen zu
halten, um die Gerechtigkeit des
Gesetzes zu erlangen (
Röm 7,14-25 ).
9. Das Gesetz sollte den Sünder zum
Glauben, letztendlich zum Glauben an
den Messias, leiten (
Röm 8,1-4 ; Gala
3,24-25 ).
Das Zeichen des mosaischen Bundes
war der Sabbat (
2Mo 31,12-17 ). Er war ein
Symbol dafür, dass Gott Israel aus
dem Land Ägypten herausgeführt
hatte, ein Symbol des Auszugs (
5Mo 5,12-15; Hes 20,12.20 ).
ISRAELOGIE
Lehre
Israels Vergangenheit
Der Überrest Israels
Viertens betrifft es die Existenz
des Überrests Israels. Dies
bedeutet, dass es innerhalb des
Volkes Israel immer einige gibt, die
glauben, wobei alle Glaubenden
Israels den Überrest dieses Volkes
umfassen. Obwohl der Überrest an
einem beliebigen Punkt der
Geschichte klein oder groß sein mag,
gab es nie eine Zeit, in der er
verschwunden war. Nur Gläubige, und
zwar jüdische Gläubige, bilden den
Überrest. Außerdem gehört der
Überrest immer zum Volk. Nie ist er
als separates Gebilde vom Volk
getrennt. Dieser Überrest besitzt
eine Eigenständigkeit, aber eben
innerhalb des Volkes. Der
Grundgedanke des Überrests ist seit
den geschichtlichen Anfängen Israels
zu finden - seit der Zeit, da sich
die Angehörigen dieses Volkes
vermehrten. Als Lehre entstand die
eigentliche Theologie des Überrests
jedoch mit dem Propheten Elia (
1Kö 17-19 ) und wurde dann von
den anderen Propheten
weiterentwickelt.
ISRAELOGIE
Lehre
Israels Gegenwart
Der Heilsplan des Reiches Gottes
Das Konzept des Reiches Gottes wird
im Wesentlichen als »Gottes
Herrschaft« definiert. Dazu gehören
Gott als König und das Reich,
worüber er herrscht. Obwohl Begriffe
wie »Reich Gottes« und »Reich der
Himmel« Synonyme sind, gibt es fünf
Facetten im Heilsplan des Reiches
Gottes: das allumfassende bzw. ewige
Reich; das geistliche Reich; das
theokratische Reich; das
messianische bzw. Tausendjährige
Reich und die geheimnisvolle Gestalt
des Reiches (siehe auch
Reich Gottes, Reich der Himmel; Allumfassendes Reich und Reich
des Mittlers; Gleichnisse des
Reiches; und
Theokratisches Reich ).
ISRAELOGIE
Lehre
Israels Gegenwart
Die Verwerfung von Jesus als Messias
und die daraus resultierenden
Ergebnisse sowie Konsequenzen
In
Mt 12-13 verwerfen die Juden
offiziell Jesus als Messias, indem
sie ihn beschuldigen, von Dämonen
besessen zu sein. Zu diesem
Zeitpunkt wird das Angebot des
messianischen Reiches zurückgezogen.
An seiner Stelle wird der Plan des
verborgenen Reiches eingeführt. Die
Konsequenz für Israel besteht in der
kommenden Zerstörung Jerusalems und
des Tempels - ein Ereignis, das 70
n. Chr. stattfand. Die unvergebbare
Sünde bzw. die Lästerung des
Heiligen Geistes wird daher als die
Tatsache definiert, dass die Juden
als Volk die Messianität Jesu
verwarfen, während er unter ihnen
weilte, und sie behaupteten, er sei
von Dämonen besessen.
ISRAELOGIE
Lehre
Israels Gegenwart
Die bedingungslosen Bundesschlüsse
Der dritte Aspekt hat mit der Frage
zu tun, inwiefern die
bedingungslosen Bundesschlüsse
Israels in der Gegenwart gelten -
der Zeit zwischen seiner Verwerfung
und seiner Annahme von Jesus als
Messias. Eine andere Schlüsselfrage
ist, in welcher Beziehung die
Gemeinde zu den bedingungslosen
Bundesschlüssen steht, insbesondere
zum Neuen Bund (siehe auch:
Neuer Bund ). Hier spielen
Fragen hinein wie z.B. die
Verpflichtung der gläubig gewordenen
Heiden gegenüber jüdischen Gläubigen
(
Röm 15,25-27 ), das Ziel der
Errettung von Heiden, also die
Sammlung eines aus den Nationen
genommenen Volkes, das Gottes Namen
verherrlicht (
Apg 15,13-18 ). Außerdem geht es
darum, dass einzelne Juden zur
Eifersucht gereizt werden, so dass
sie zum Glauben kommen und zu
Angehörigen des heutigen Überrests
Israels werden (
Röm 11,11-14 ).
ISRAELOGIE
Lehre
Israels Gegenwart
Der mosaische Bund und das Gesetz
des Mose
Welche Stellung haben der mosaische
Bund und das Gesetz des Mose? Die
Israelogie lehnt jeden Versuch ab,
das Gesetz aufzuspalten, ob nun in
zwei Teile (die Zehn Gebote und die
603 Einzelgebote) oder in drei (das
Zeremonial-, Sitten- und
Zivilgesetz). All diese Versuche
sollen dazu dienen, einen Teil des
Gesetzes als noch gültig
beizubehalten und die anderen Teile
außer Kraft zu setzen. Die
Israelogie betont nachdrücklich,
dass das mosaische Gesetz eine
großartige Einheit ist und dass der
Verstoß selbst gegen ein Gebot
bedeutet, das ganze Gesetz gebrochen
zu haben (
Jak 2,10 ). Gemäß dem Neuen
Testament ist mit dem Tod des
Messias das gesamte mosaische Gesetz
ungültig geworden ist (
Röm 10,4; Gal 2,19; 3,23-4,7; Hebr
7, 11-18; Eph 2,14-15; 2Kor 3,2-11
). Obwohl es keine Verpflichtung
mehr gibt, das mosaische Gesetz zu
halten, bedeutet das nicht, dass die
an der Heilszeitenlehre orientierte
Israelogie gegen das Gesetz sei,
denn sie lehrt eindeutig, dass es
ein neues Gesetz gibt, das »Gesetz
des Christus« genannt wird (
Gal 6,2 ; vgl.
Röm 8,2 ). Wie das mosaische
Gesetz hat das Gesetz des Christus
viele Einzelgebote, von denen einige
den des mosaischen Gesetzes
entsprechen, während andere sich
davon unterscheiden oder
entsprechenden Geboten im mosaischen
Gesetz gar widersprechen. Da
außerdem der Sabbat das Zeichen des
mosaischen Bundes war, hat auch
seine gesetzlich vorgeschriebene
Einhaltung als Ruhetag aufgehört.
Somit ist der Wochentag, an dem wir
ruhen sollen, im Zeitalter der Gnade
nicht näher angegeben, obwohl die
Gemeinde verpflichtet ist,
regelmäßig als Gemeinschaft
zusammenzukommen (
Hebr 10,26 ). Dabei gibt es im
Blick auf den Sonntag nichts, was an
ihm besonders heilig ist. Auf ihn
wird auch nie als Sabbat oder als
Tag des Herrn, sondern nur als
»erster Tag der Woche« Bezug
genommen.
ISRAELOGIE
Lehre
Israels Gegenwart
Israel und die Gemeinde
Fünftens ist die Unterscheidung
zwischen Israel und der Gemeinde
betroffen (siehe: Israel und die
Gemeinde, Unterschiede.)
ISRAELOGIE
Lehre
Israels Gegenwart
Der moderne Staat Israel
Sechstens ist der moderne Staat
Israel betroffen, der im Jahre 1948
entstand. Die Israelogie sieht
dieses Ereignis als eindeutige
Erfüllung der Prophetie, obwohl
damit nicht die endgültige, in den
Schriften vorausgesagte
Wiederherstellung (Rückführung) in
Erfüllung ging. Israelologen
erkennen an, dass die Bibel von zwei
weltweiten Rückführungen des
jüdischen Volkes spricht. Zunächst
soll es eine Rückführung im
Unglauben geben, womit das Gericht
in der Trübsal vorbereitet wird.
Dann wird es eine weltweite
Rückführung im Glauben geben in
Vorbereitung auf den Segen des
messianischen Reiches. Obwohl der
Staat Israel keine Erfüllung der
Prophetien hinsichtlich der zweiten
Rückführung ist, gehen mit ihm
gewiss Weissagungen bezüglich der
ersten in Erfüllung (
Hes 20,33-38; 22,17-22; Zeph 2,1-2
; im Blick auf daraus
resultierende Belegstellen siehe
Hes 36,22-24 und
Jes 11,11-12 ).
In
Röm 9-11 findet sich die Lehre
des Paulus, die sich mit dem
Überrest Israels und dem Ölbaum
befasst. Diesbezügliche Erörterungen
sollte man in einer Wechselbeziehung
zu
1Petr 2,1-10 sehen. Der dortige
Text lehrt uns, dass Israel zwar als
Ganzes hinsichtlich seiner Berufung
von
2Mo 19 versagt hat, dies aber
nicht für den Überrest gilt. Es ist
daher der Überrest, der das
auserwählte Geschlecht, das
königliche Priestertum, die heilige
Nation und ein Volk zum Besitztum
Gottes ist. In
Röm 9-11 geht es um Folgendes:
Die Tatsache, dass Israels Jesus als
Messias verwarf, hat Gott nicht
überrascht, sondern gehörte sogar zu
Gottes Plan (
9,1-29 ). Heute, im
gegenwärtigen Zeitalter, wirkt Gott
nicht auf nationaler, sondern auf
individueller Ebene. Daher wird
jeder Einzelne - Jude oder Heide -
der den Namen des Herrn anruft,
errettet werden (
9,30-10,21 ). Paulus weist dann
darauf hin, dass Israel nicht völlig
beiseite gesetzt ist, weil es noch
immer einen Überrest gibt, der zum
Glauben kommt (
11,1-11 ). Daher ist der Gedanke
des Überrests aus dem Alten
Testament in das Neue Testament
hinübergenommen worden. Der heutige
Überrest besteht aus Juden, die an
Jesus als Messias glauben. Israel
strauchelte, damit das Heil zu den
Nationen hinausgelangen konnte (
11,11-15 ). Dennoch ist das Heil
der Heiden der Errettung der Juden
dahin gehend nachgeordnet, als das
Heil der Heiden die Juden zur
Eifersucht reizen soll. Indem
Gläubige aus den Nationen Juden zur
Eifersucht reizen, schenkt es Gott,
dass Juden zu Angehörigen des
heutigen Überrests werden.
Im Bild des Ölbaums (
11,16-24 ) verkörpert der Baum
nicht Israel, da Israel durch die
natürlichen Zweige dargestellt wird.
Auch ist der Ölbaum kein Bild für
die Gemeinde oder die Heiden in der
Gemeinde, weil diese durch die
wilden Zweige des Ölbaums verkörpert
werden. Vielmehr stellt der Ölbaum
einen Ort geistlicher Segnungen dar,
die den bedingungslosen
Bundesschlüssen Israels entspringen,
wobei jetzt jüdische und heidnische
Gläubige daran Anteil haben. Der
Baum selbst jedoch gehört weiterhin
dem jüdischen Volk. Weil sie im
Besitz des Ölbaums sind, ist die
Erwartung berechtigt, dass es
schließlich eine nationale
Rückführung geben wird.
ISRAELOGIE
Lehre
Israels Gegenwart
Hebräerchristentum oder messianische
Juden
Achtens ist das Hebräerchristentum
betroffen bzw. die heutigen
messianischen Juden und ihre
Doppelfunktion - als Angehörige des
Überrests Israels und als Glieder
der Gemeinde, des Leibes des
Messias. Juden, die an Jesus
glauben, bleiben Juden. Ebenso
bleiben Heiden, die zum Glauben an
Jesus kommen, Heiden, ohne eine Art
geistlichethnischer
Identitätsumwandlung zu geistlichen
Juden oder zu einem geistlichen
Israel zu erleben. Jüdische Gläubige
unserer Zeit haben nicht nur am Leib
des Messias und daher an seinen
Verpflichtungen Anteil, sondern
besitzen auch eine jüdische
Identität, die ihnen andere
Pflichten wie die Beschneidung des
Abrahamitischen Bundes auferlegt.
Obwohl messianische Juden von der
Verpflichtung gegenüber dem
mosaischen Gesetz befreit sind,
bedeutet Freiheit für sie auch, dass
sie frei sind, Dinge zu befolgen,
die sie aus freiem Entschluss
einhalten wollen.
ISRAELOGIE
Lehre
Israels Gegenwart
Die an Hebräerchristen bzw.
messianische Juden gerichteten
Schriften des Neuen Testaments
Zu guter Letzt sind die Schriften
betroffen, die an Hebräerchristen
bzw. messianische Juden gerichtet
sind - jene neutestamentliche
Bücher, die besonders für jüdische
Gläubige relevant und/oder an sie
gerichtet sind. Dazu gehören das
Matthäusevangelium, das an Juden
geschrieben wurde und jüdische
Fragen anspricht - insbesondere den
Heilsplan des Reiches Gottes und das
Problem, wie dieser durch die
Verwerfung des Messias beeinflusst
wurde. Außerdem sind die ersten 15
Kapitel der Apostelgeschichte für
die Israelogie von besonderem
Interesse, da sie sich auf die
jüdische Urgemeinde und letztlich
auf die Frage konzentrieren, in
welcher Beziehung sie zum
Heidenchristentum steht. Von den 21
Briefen wurden fünf speziell an
jüdische Gläubige geschrieben:
Hebräer-, Jakobus-, 1. und 2.
Petrusbrief sowie Judas. Schließlich
geht das Buch der Offenbarung
vorwiegend in den
Kapiteln 7; 12 auf Israel ein.
ISRAELOGIE
Lehre
Israels Zukunft
Israel und das Zeitalter der
Gemeinde
Aufgrund der Schriften muss es vor
dem Beginn der Trübsal eindeutig
eine Rückführung Israels geben. Dies
ging 1948 in Erfüllung. Als Israel
1967 die Altstadt Jerusalems
eroberte, war dies ein weiterer
Meilenstein biblischer Prophetie im
Zeitalter der Gemeinde.
ISRAELOGIE
Lehre
Israels Zukunft
Israel und die Trübsal
Israel steht in mancher Hinsicht in
einer Beziehung zur Trübsal. Zu den
verschiedenen Zielen der Trübsal
gehören mindestens zwei, die direkt
mit der Lehre von Israel zu tun
haben. Es wird durch das Wirken der
144000 Juden zu einer großen,
weltweiten Erweckung kommen (
Mt 24, 14; Offb 7,1-17 ).
Außerdem besteht ein Hauptziel der
Trübsal darin, den Eigenwillen der
Angehörigen des Volkes Israel zu
brechen (
Dan 12,5-7 ), um sie zu
veranlassen, an den Messias zu
glauben (
Hes 20,33-38 ). Somit geht es in
der Trübsal vor allem darum, Israels
Errettung als Volk herbeizuführen.
Die Trübsal kann erst beginnen, wenn
der auf sieben Jahre hin angelegte
Vertrag zwischen Israel und dem
Antichristen unterzeichnet worden
ist (
Dan 9,24-27; Jes 28,14-22 ). Ein
großer Teil der Prophetie hebt
Israels Rolle in der Trübsal hervor
- einer von ihm als einmalig
beschriebenen Zeit, der »Zeit der
Bedrängnis für Jakob« (
Jer 30,4-7 ). Eine allgemeine
Beschreibung Israels in der Trübsal
kann man in
Jesaja 3,1-4,1 finden. Eine
Reihe von Stellen zum »Tag des
HERRN« gelten in einzigartiger Weise
für Israel (
Hes 13, 1-7; Joe 2,1-11; 4,14-17; Am
5,18-20; Zeph 1,7-13 ). Er wird
als Zeit des globalen Antisemitismus
und einer weltweiten Judenverfolgung
dargestellt (
Mt 24,15-28; Offb 12,1-17 ). Die
letztgenannte Stelle lässt erkennen,
dass Satan einen besonderen Krieg
gegen die Juden führen und versuchen
wird, alle Angehörigen dieses Volkes
ein für alle Mal auszurotten.
Andererseits weist
Dan 12,1 darauf hin, dass der
Erzengel Michael für Israel kämpfen
wird, um zu gewährleisten, dass
Israel als Volk überlebt. Die Bilanz
für die in der Trübsal lebenden
Juden wird sein, dass zwei Drittel
seiner Bevölkerung in der zweiten
Hälfte der Trübsal umkommen, doch
das überlebende Drittel wird die
Errettung Israels als Volk erleben (
Sach 13, 8-9 ). Außerdem wird
offenbart, dass während der Trübsal
die überlebenden Juden einen Ort
bzw. eine Stätte haben werden, an
der sie Zuflucht nehmen können (
Jes 33,13-16; Mt 24,16; Offb 12,16
). Ebenso heißt es, dass der
Ort, wo der Überrest Israels
versteckt werden wird, die Stadt
Bozra ist (
Mi 2,12 ). Dies ist ein im Land
Edom gelegener Ort, das heute dem
Gebiet südlich des Toten Meeres
entspricht (
Dan 11,40-45 ). Viele nehmen an,
dass Bozra die moderne Stadt Petra
ist.
Schließlich muss man sich auf den
Gedanken des Überrests
konzentrieren, wenn man sich mit den
Juden in der Trübsal befasst. Auch
dann wird es einen Teil des
jüdischen Volkes geben, der aus
Gläubigen besteht. Darunter werden
die 144000 Versiegelten (
Offb 7,1-8 ) und die beiden
Zeugen (
Offb 11,3 ) sein. Die Tatsache
des Überrests wird in
Jesaja 10,20-23 dargelegt. Seine
Angehörigen werden imstande sein,
die Trübsal zu überleben, weil sie
von Gott geschützt (
Jes 41,8-16 ) und versorgt
werden (
Jes 41,17-20; 65,8-16 ).
ISRAELOGIE
Lehre
Israels Zukunft
Israel und die Wiederkunft
Die Bibel lehrt nachdrücklich, dass
für die Entrückung der Gemeinde
keine Vorbedingungen irgendwelcher
Art nötig sind und dieses Ereignis
unmittelbar bevorsteht, während die
Wiederkunft erst erfolgen kann, wenn
Israel als Volk errettet worden ist.
Bis ganz Israel errettet ist, wird
es keine Wiederkunft oder kein
messianisches Reich geben (
3Mo 26,40-42; Jer 3,11-18; Hos
5,15-6,3; Sach 12,10-13,1; Mt 23,
37-39 u.a.). Schließlich werden
aufgrund der Trübsalsgerichte viele
Angehörige des Volkes Israel die
Wiedergeburt erleben (
Hos 6,1-3 ). An diesem Punkt
kommt der restliche Teil der
paulinischen Lehre von Israel hinzu
(
Röm 11,25-36 ), worin er
eindeutig voraussagt, dass - nachdem
die Vollzahl der Nationen
eingegangen ist - Gott wieder mit
Israel handelt, bis ganz Israel
errettet ist. Wenn die Angehörigen
dieses Volkes errettet werden, indem
sie sich dem Messias zuwenden,
werden sie ihn inständig bitten
wiederzukommen (
Ps 79; 80; Jes 63,19-64,11; Joe
3,1-5; Sach 12,10-13,1.7-9 ).
Weil der Überrest Israels aus allen
gläubigen Juden besteht und weil
unmittelbar vor der Wiederkunft ganz
Israel errettet werden wird, sind
»ganz Israel« und »der Überrest
Israels« letztendlich synonyme
Begriffe - eine Tatsache, auf die in
Micha 2,12-13 hingedeutet wird.
Ein weiter von der Israelogie
hervorgehobener Punkt ist der, dass
es bei der Wiederkunft das Gericht
über die Nationen geben wird. Diese
Angehörigen der Nationen werden
aufgrund ihrer Judenfeindlichkeit
oder -freundlichkeit gerichtet - ein
Tatbestand, welcher der Beweis ihres
vorhandenen oder fehlenden Glaubens
ist. Er entscheidet weiterhin
darüber, wer unter den Heiden in das
messianische Reich eingehen und wer
unter ihnen ausgeschlossen werden
wird (
Joe 4,1-3; Mt 25,31-46 ).
Schließlich wird damit auch die
Auferstehung der alttestamentlichen
Gläubigen einhergehen, die dann -
zusammen mit den überlebenden
Angehörigen des Volkes Israel -
Anteil am messianischen Reich haben
werden (
Jes 26,19; Dan 12,2 ).
ISRAELOGIE
Lehre
Israels Zukunft
Israel und das messianische Reich
In der Israelogie beruht der Glauben
an das messianische Reich auf zwei
Sachverhalten: den unerfüllten
Verheißungen des bedingungslosen
Bundes und den noch ausstehenden
Erfüllungen der Weissagungen
jüdischer Propheten. Sie bestreitet,
dass die Grundlage für den Glauben
an das messianische Reich
ausschließlich in
Offb 20 zu finden ist. Außerdem
gibt es vier Aspekte der letzten
Wiederherstellung Israels, wobei
jeder Aspekt auf einem speziellen
Bund beruht: die Wiedergeburt
(geistliche Erneuerung) Israels
gründet sich auf den neuen Bund. Die
Rückführung Israels beruht auf dem
Bund der Landverheißung. Der Besitz
des Landes stützt sich auf den
Abrahamitischen Bund, während sich
die Wiederaufrichtung des
davidischen Throns auf den
davidischen Bund gründet. Jede
dieser noch nicht erfüllten
Bundesverheißungen wird von den
Propheten weiter entfaltet.
Andere Merkmale der letzten
Wiederherstellung Israels werden
darin bestehen, dass die Angehörigen
dieses Volkes wiedervereinigt werden
(
Jer 3,18; Hes 37, 1-23 ). Alle
Heiden werden dann auf sie sehen (
Jes 14,1-2; 49,22-23; 60,1-3;
61,4-9; Mi 7,14-17; Zeph 3,20; Sach
8,23 ). Außerdem wird Israel als
Volk über die Nationen herrschen (
5Mo 15,6; 28,13; Jes 49,22-23;
61,6-7 ). Die Angehörigen des
Gottesvolkes werden von
Gerechtigkeit, Heiligkeit, Frieden,
Gewissheit, Freude und Fröhlichkeit
gekennzeichnet sein (
Jes 32,16-20; 35,5-10; 51,3;
55,12-13; 61,10-11 ). Dann wird
es auch einen neuen Berg in der
Mitte des Landes geben, der als »der
Berg des Hauses des HERRN« bekannt
ist (
Jes 2,2-4; 27,13; 56,6-8; 66,20; Mi
4,1-2; Hes 17,22-24; 20,40-41;
41,1-4; 45,1-8; 48,8-22 ). Es
wird ferner einen Tempel des
Tausendjährigen Reiches geben (Hesl
40,5-43,27 ), zu dem eine
entsprechende Priester- und
Opferordnung gehört (
Hes 44,1-46,24 ). Dies wird für
Israel ein sichtbares
Erinnerungszeichen dafür sein, was
Christus am Kreuz getan hat, und
zwar genauso, wie dies Brot und
Kelch für die Gemeinde im
gegenwärtigen Zeitalter tun.
Außerdem kann dies auch dazu dienen,
dass der Gläubige des
Tausendjährigen Reiches, der
gesündigt hat, in die Gemeinschaft
zurückgebracht wird. Darüber hinaus
wird es einen Strom des
Tausendjährigen Reiches geben (
Hes 47,1-12 ), dessen Quelle
sich im Tempelbereich (
Joe 4,18 ) südlich von Jerusalem
befinden wird (
Sach 14,8 ). Dort wird er sich
in zwei Teile teilen, wobei eine
Hälfte zum Mittelmeer hin und die
andere Hälfte zum Toten Meer hin
fließt. Das jüdische Volk wird sich
wieder sammeln und das Land in den
einzelnen Stammesgebieten von neuem
besiedeln (
Hes 47,13-48,29 ). Die
Beschreibung Jerusalems im
Tausendjährigen Reich ist ein
Hauptthema der alttestamentlichen
Prophetie.
Die Tatsache, dass ganz Israel
während des gesamten messianischen
Reiches ein errettetes Volk bleiben
wird, bedeutet schließlich auch,
dass ganz Israel dem Überrest
Israels in der gesamten Zeit des
Reiches entsprechen wird.
ISRAELOGIE
Lehre
Israels Zukunft
Israel und die Ewigkeit
Selbst im Neuen Jerusalem der
Ewigkeit wird es Unterschiede
zwischen Israel (den Heiligen des
Alten Testaments) und der Gemeinde
geben (
Hebr 12,22-24 ). Außerdem werden
die zwölf Tore des Neuen Jerusalems
der Ewigkeit nach den zwölf Stämmen
Israels genannt werden (
Offb 21,12-13 ). So wird man in
alle Ewigkeit an diese jüdischen
Namen denken. Durch diese Tore
werden die Gerechten der Nationen
ihre Herrlichkeit hineinbringen (
Offb 21,25-26 ). Die Erwähnung
der Nationen (auch in V.
24 ) zeigt, dass die
Besonderheiten Israels und der
Nationen bis in alle Ewigkeit
beibehalten werden.
ISRAELOGIE
Lehre
Andere relevante Themen
Die Israelogie betrifft auch Fragen
in Zusammenhang mit Israel, die man
nicht in diese drei Zeitebenen
einordnen kann.
Antisemitismus wird als Hass gegen
die Juden allein aufgrund der
Tatsache definiert, dass sie Juden
sind. Der Urheber des Antisemitismus
ist Satan (
Offb 12,1-17 ). Wer des
Antisemitismus schuldig ist, wird
unter die Fluchbestimmungen des
Abrahamitischen Bundes fallen (
1Mo 12,3 ).
ISRAELOGIE
Lehre
Andere relevante Themen
Beziehung der Israelogie zur
systematischen Theologie
Inwiefern überschneidet sich die
Israelogie mit anderen Teilbereichen
der systematischen Theologie? Im
Bereich der Bibelwissenschaft weist
die Israelogie darauf hin, dass Gott
das jüdische Volk gebrauchte, um die
Heilige Schrift zu verfassen (
5Mo 4,8; 29,28; Ps 147,10; Röm
3,1-2; 9,4 ). Außerdem geht es
der Israelogie hier um die Frage,
wie das Neue Testament
alttestamentliche Stellen zitiert.
Statt zu lehren, dass das Neue
Testament die Bedeutung des Alten
Testaments verändert oder
uminterpretiert, sollte man betonen,
dass das Neue Testament die
alttestamentlichen Stellen nur
zitiert. Es tut dies in vierfacher
Hinsicht, ohne die ursprüngliche
Bedeutung zu verändern oder
umzuinterpretieren, als gelte die
Originalbedeutung nicht mehr.
Im Bereich der eigentlichen
Theologie, die sich insbesondere auf
die erste Person der Dreieinheit -
Gott, den Vater - konzentriert,
verweist die Israelogie darauf, dass
die Vaterschaft Gottes die
Vaterschaft für Israel sowie für die
einzelnen Gläubigen einschließt.
Ferner gehört zum Bereich der
eigentlichen Theologie die
Auserwählung, wobei die Israelogie
den Tatbestand der nationalen
Erwählung hervorhebt.
Im Bereich der Christologie betont
die Israelogie, dass der Messias
Jude war. Zwei seiner vielen Titel
heben sein Judesein hervor: Er ist
der Sohn Abrahams und der Sohn
Davids (
Mt 1,1 ). Hinsichtlich der
Versuchung Jesu hat er nicht nur
alle Menschen, sondern insbesondere
auch Israel vertreten. Wo Israel
versagte, hielt der vollkommene
Israelit stand. Die Israelogie
betont ferner das Wesen des von
Jesus angebotenen Reiches. Es ist
nicht nur ein geistliches, sondern
auch ein irdisches Reich im
wörtlichen Sinne. Außerdem galt der
irdische Dienst Jesu vorrangig
Israel (
Mt 15,24 ), wobei er Israel als
Erretter gesandt war (
Apg 13,23 ). Aus diesem Grund
verbot er während seines
öffentlichen Dienstes den Jüngern,
zu den Samaritanern und Heiden zu
gehen. Vielmehr begrenzte er ihren
Dienst auf die verlorenen Schafe des
Hauses Israel (
Mt 10,6 ).
Im Bereich der Pneumatologie, der
Lehre vom Heiligen Geist, hebt die
Israelogie hervor, dass es künftig
eine Ausgießung des Heiligen Geistes
auf das ganze Volk Israel geben
wird, die unmittelbar vor der
Wiederkunft dazu führen wird, dass
die Angehörigen dieses Volkes
errettet werden (
Jes 32,15; 44,3; Hes 39,29; Joe 3,1;
Sach 12,10 ).
Im Bereich der Lehre von den Engeln
verweist die Israelogie darauf, dass
Michael als Erzengel gleichzeitig
der über Israel gesetzte Fürst und
daher der himmlische Wächter über
das Volk Israel ist (
Dan 10,13.21; 12,1 ).
In der Lehre von Satan und seinem
Wirken betont die Israelogie, dass
Satan einen besonders feindseligen
Krieg gegen die Juden führt. Sein
Ziel besteht darin, die Juden
auszurotten, um die Wiederkunft zu
verhindern. Deshalb wird sein Wirken
während der Trübsal hauptsächlich
darin bestehen, die Vernichtung der
Juden ein für alle Mal anzustreben (
Offb 12,6-17
). Er wird
heidnischen Armeen in der Schlacht
von Harmagedon sammeln, die gegen
die Juden marschieren (
Offb 16,12-16 ). Außerdem ist
Satan gegenwärtig noch vor dem Thron
Gottes, um das jüdische Volk zu
verklagen (
Sach 3,1-2 ).
Obwohl die Israelogie auf dem Gebiet
der Anthropologie keine eigenen
Beiträge liefert, konzentriert sie
sich im Bereich der Lehre von der
Sünde vorrangig auf die unvergebbare
Sünde und die Lästerung des Heiligen
Geistes. Diese versteht sie so, dass
Israel als Volk Jesus als Messias
während seines Erdenlebens verwarf,
indem es ihn beschuldigte, dämonisch
besessen zu sein. Dies hatte eine
Aufhebung des Angebotes des
messianischen Reiches und die
Einführung des verborgenen Reiches
zur Folge. Es führte zu radikalen
Veränderungen in Jesu Dienst für die
restliche Zeit seines Erdenlebens.
Letztendlich führte es zum Gericht
im Jahre 70 n. Chr.
Im Bereich der Soteriologie, der
Lehre von der Erlösung, verweist die
Israelogie auf
Joh 4,22 . Dort wird erklärt,
dass das Heil aus den Juden kommt.
Im Blick auf den Inhalt des Glaubens
betont die Israelogie nachdrücklich,
dass man das Neue Testament nicht in
das Alte Testament hineinlesen darf.
Obwohl die Errettung immer aus Gnade
durch Glauben erfolgte, veränderte
sich der Inhalt des Glaubens auf der
Grundlage dessen, was Gott bis zu
diesem Zeitpunkt geoffenbart hatte.
Die Israelogie befasst sich hier
auch mit der Errettung Israels als
Volk vor der Wiederkunft. Außerdem
hebt sie die Tatsache hervor, dass
mit dem Tod des Messias das Gesetz
seine Gültigkeit verlor. Im
Gegensatz zu denen, die eine
begrenzte Sühnung vertreten und ihre
Argumentation auf
Mt 1,21 (»sein Volk«) gründen,
verweist die Israelogie darauf, dass
dies Begriffe sind, die für Israel -
sowohl für die Erwählten als auch
für die Nichterwählten - verwendet
werden.
Im Bereich der Ekklesiologie, der
Lehre von der Gemeinde, betont die
Israelogie nachdrücklich den
Unterschied zwischen Israel und der
Gemeinde. Sie bestreitet, dass die
Gemeinde mit Israel bzw. dem
geistlichen Israel gleichbedeutend
sei oder dass die Gemeinde das
Israel Gottes verkörpere. Obwohl die
Gemeinde an den geistlichen
Segnungen der Bundesschlüsse Israels
Anteil hat, tritt sie in diesen
Bünden nicht an die Stelle Israels.
Ein Hauptzweck der Existenz der
Gemeinde ist Juden zur Eifersucht zu
reizen (
Röm 11,11-14 ) und den
Missionsauftrag auszuführen (
Mt 28,18-20 ). Dies muss sie
jedoch so tun, dass sie »dem Juden
zuerst« (
Röm 1,16 ) das Evangelium
verkündigt. Überdies haben Gläubige
aus den Nationen als Glieder am Leib
eine besondere Verpflichtung,
judenchristliche Gemeindearbeit
finanziell zu unterstützen (
Röm 15,25-27 ).
Im Bereich der Eschatologie geht es
schließlich um ein Gebiet, auf dem
die Israelogie eine Hauptrolle
spielt.
JAHR-TAG-TRADITION
millennialistische
Als einer der frühesten Ansätze der
Heilsgeschichte unter den frühen
"Kirchenvätern" kann der Gedanke des
Jahr-Tag-Prinzips angesehen werden.
Das war der heilsgeschichtliche
Rahmen für erste Versuche einiger
Kirchenväter, ein
heilsgeschichtliches Verständnis für
Gottes Erlösungshandeln durch die
Zeitalter hindurch zu entwickeln.
Diese Tradition gründete sich auf
drei Beobachtungen: 1. Den sechs
Tagen der Schöpfung folgte ein
siebenter, ein Ruhetag (
1Mo 2 ). 2. Im Hebräerbrief ist
von einer Sabbatruhe die Rede (siehe
Hebr 3,11; 4,1.3.5.8-9.11 ) und
3. in der biblischen Chronologie
kann ein Tag tausend Jahre
repräsentieren (vgl.
2Petr 3,8; Ps 90,4 ).
Viele der Kirchenväter verstanden
diese Textstellen durch Analogien
und durch prophetischen Symbolismus
so, dass unsere Welt eine Dauer von
sechstausend Jahren habe
(dargestellt durch die sechs Tage
der Schöpfung) und dann eine
tausendjährige Sabbatruhe folge
(dargestellt durch den der Schöpfung
folgenden siebenten Tag, den
Ruhetag). Einige Kirchenväter fügten
dem noch einen achten Tag hinzu, um
die Ewigkeit darzustellen. Nahezu
jeder vornicäische Kirchenvater, der
sich der Jahr-Tag-Tradition
verpflichtet fühlte, vertrat auch
den Prämillennialismus. Befürworter
der Jahr-Tag-Theorie, die nicht
gleichzeitig Prämillennialisten
waren (z.B. Augustinus), gab es erst
in der nachnicäischen Periode,
nämlich nachdem der vergeistigende
Einfluss (Allegorisierung) der
alexandrinischen Schule zur
dominierenden Kraft in der
Bibelauslegung geworden war.
Schon vor der Heilszeit der Gemeinde
hielten Juden und andere an der
Jahr-Tag-Tradition fest. Aber der
Brief des Barnabas (verfasst ca.
70/117-138 n.Chr.) zeigt den Eingang
dieser Tradition in die christliche
Literatur. Barnabas umriss die
Menschheitsgeschichte (siehe Brief
des Barnabas 15) so:
1.-5. Tag (5000 Jahre) = die
vergangene Menschheitsgeschichte;
6. Tag (1000 Jahre) = die Gegenwart
(auf der Grundlage seines Glaubens
an die unmittelbar bevorstehende
Rückkehr Christi ordnete Barnabas
sich selbst und die Gemeinde am Ende
des 6. Tages ein);
7. Tag (1000 Jahre) = das
Tausendjährige Reich;
8. Tag (ohne Ende) = die Ewigkeit.
Barnabas teilte lediglich die
Geschichte der Welt in sieben gleich
lange Tausend-Jahre- Zeitalter auf
und verwies auf Gottes besonderes
Handeln mit der Menschheit nur in
der siebenten Ära, also auf
Geschehnisse, die sich während des
Ruhetages ereignen würden.
Jedenfalls führte seine Darstellung
der Jahr-Tag-Tradition zu einem
tieferen Verständnis des Handelns
Gottes mit der Menschheit bei den
Autoren, die ihm folgten.
Larry V. Crutchfield
A. D. Ehlert:
A Bibliographic History of
Dispensationalism (Grand Rapids
1965, Baker); L. Crutchfield: »Ages
& Dispensations in the Ante-Nicene
Fathers« in:
Vit al Prophetic Issues (Grand
Rapids 1995, Kregel), S. 44-60; J.
Quasten und J. C. Plumpe:
Ancient Christian Writers: The
Didache, The Epistle of Barnabas,
The Epistles and The Martyrdom of
St. Polycarp, The Fragments of
Papias, The Epistle to Diognetus,
übers. v. James A. Kleist (New
York 1946, Newman Press, Ramsey
N.J.), S. 27-65.