JESUS VON NAZARETH Wer
ist Er?
A. W.
"Das von Jesus, dem Nazaräer, der ein Prophet war,
mächtig im Werk und Wort vor Gott und dem ganzen Volk". Luk 24:19
Die geschichtliche Tatsache, daß Jesus von Nazareth
zu Beginn des christlichen Zeitalters gelebt hat, steht außer Frage.
Sie wurde bezeugt von Menschen, die nicht an ihn glaubten,
wie von denen, die an ihn glaubten.
Wie haben wir uns zu dieser geschichtlichen Persönlichkeit und dem
Anspruch, den sie erhob, zu stellen?
Zunächst ergeben sich drei Möglichkeiten:
Entweder war er ein Verführer, der etwas für sich beanspruchte, von dem
er wußte, daß es nicht wahr war;
oder er war ein Selbstbetrüger, ernsthaft, aber einer Illusion
verfallen, ein Mann, der an irgendwelchen Halluzinationen litt;
oder aber er war ein Mann, dessen Worte und Ansprüche die reine Wahrheit
waren.
Einige Juden seiner Zeit sagten, er sei ein Verführer gewesen. Für wen
hältst du den Mann, der die Bergpredigt hielt?
Glaubst du, daß der Einfluß, den er auf die Welt hatte, der eines
Verführers war?
Andere beschuldigten ihn, er habe sich Illusionen hingegeben, er sei
nicht ganz bei Sinnen, sei "verrückt" gewesen.
Glaubst du, daß der Einfluß Jesu von Nazareth der eines nicht ganz
normalen Menschen war? Hätte ein solcher Mann so sprechen können, daß
sich das Volk über seine Lehre entsetzte?
Hätte er seinen Kritikern so antworten können, daß sie zum Schweigen
gebracht wurden und nicht mehr wagten, irgendwelche weiteren Fragen zu
stellen? Hätte er seine Feinde dazu bringen können, daß sie anerkennen
mußten:
"Nie hat ein Mensch so geredet"?
Wenn wir diese beiden Möglichkeiten beiseite lassen, bleibt uns nur die
dritte, und wir müssen feststellen, daß er ein wahrhaftiger Mensch war,
der die reine Wahrheit sprach.
Das Neue Testament gibt den einzigen Originalbericht vom Leben und
Wirken Christi.
Die Bibel erhebt den Anspruch, Wort Gottes zu sein. Es ist hier nicht
unsere Aufgabe, diesen Anspruch zu prüfen - mit dieser Frage haben sich
viele fähige Männer Gottes befaßt -, sondern wir wollen ihre
Glaubwürdigkeit anerkennen und nur ihre Lehre in Bezug auf Jesus von
Nazareth untersuchen.
Wenn wir also anerkennen, daß das, was Jesus selbst lehrte und was die
Bibel von ihm sagt, wahr ist, wie haben wir es dann zu verstehen? Nahm
er wirklich für sich in Anspruch, Mensch gewordener Gott zu sein, wie
die Christenheit im allgemeinen behauptet? Oder entspräche es eher den
Tatsachen, wenn wir annehmen, daß er wohl der auserwählte Gesandte
Gottes war, nicht jedoch Gott selbst? War er die göttliche, nicht
geschaffene, zweite Person des ewigen Gottes, oder war er nur das
höchste Geschöpf, das nicht Gott gleich, sondern geringer war als er,
wenn er auch eine auserwählte Stellung innerhalb seiner Schöpfung
einnahm?
"Macht das denn viel aus?"
wird mancher fragen.
"Haben wir Zeit, uns mit theologischen Spitzfindigkeiten zu verwirren oder
Haarspaltereien mit feinen Lehrunterschieden zu treiben?" Wir meinen,
daß es sich hier um eine Frage von äußerster Wichtigkeit handelt.
Wenn Jesus Christus Gott ist, dann müssen wir ihm die gleiche Verehrung
wie Gott zuteil werden lassen; wenn wir sie ihm verwehrten, hieße das,
Gott zu leugnen. Falls Jesus Christus aber nicht Gott ist, wäre es
Lästerung und Abgötterei, ihn als Gott zu verehren, wobei es gleich ist,
wie erhaben und hochgestellt er als Geschöpf auch immer sein mag. Falls
Jesus Christus Gott ist, ist er von Ewigkeit her, und zwischen ihm und
dem höchsten Geschöpf ist ein unendlich großer Abgrund.
Falls Jesus Christus nicht Gott ist, dann besteht - unabhängig davon,
wie hoch und auserwählt wir ihn einschätzen - diese gleiche unendliche
Kluft zwischen ihm und Jehova.
Nehmen wir ein Bild zu Hilfe:
Ein Bergsteiger auf der Spitze des Mount Everest mag als sehr hoch
angesehen werden gegenüber einem Tiefsee-forscher, der den Grund des
Meeres untersucht. Aber in Wirklichkeit ist die Entfernung zwischen
ihnen beiden unendlich klein, gemessen etwa an der endlosen Strecke, die
die beiden gemeinsam von einem Stern trennt, der vielleicht Millionen
Lichtjahre von der Erde entfernt ist. Berggipfel und Meeresgrund gehören
beide zum Bereich der Erde, und ihre Höhe und Tiefe kann gemessen und
miteinander verglichen werden; der Stern gehört zur Himmelssphäre, und
daher ist kein vernünftiger Vergleich mit irdischen Dingen möglich. Auf
unsere Frage angewandt: Haben wir Jesus Christus mit dem Stern oder mit
der Bergspitze zu vergleichen?
Die tiefe Kluft, die Gott von der Menschheit, den Schöpfer vom Geschöpf,
den Ewigen vom Vergänglichen trennt - trennt diese Kluft Jesus von Gott,
oder trennt sie Jesus vom Menschen?
Die Aufgabe
Eine Untersuchung wie diese ist notwendig; denn es gibt Menschen, die zu
glauben behaupten, daß die Bibel Gottes Wort an den Menschen ist, und
die dabei doch völlig unterschiedlicher Meinung sind darüber, wie Gottes
Wort zu verstehen sei hinsichtlich der Person, die darin den Mittelpunkt
bildet, Jesus von Nazareth.
Es ist klar, daß Jesus den Anspruch erhob, der Sohn
Gottes zu sein,
und daß die neutestamentlichen Schriften diesen Anspruch bekräftigen. Aber
was bedeutet denn dieser Ausdruck "der Sohn Gottes"? Für die einen ist
er gleichbedeutend mit dem Ausspruch, Gott der Sohn zu sein, zur
Gottheit zu gehören, dem Vater gleichgestellt zu sein; und das würde
unzweifelhaft seine Göttlichkeit bestätigen. Die anderen behaupten
hartnäckig, daß es so nicht ist; sie sagen, daß Engel auch Söhne Gottes
sind, und doch nicht von göttlicher Natur (Hiob 1,6).
Gläubige können ebenfalls Kinder Gottes genannt werden, aber sie haben
keinen Anspruch auf Göttlichkeit (Römer 8,14).
Die einen weisen auf Jesu außergewöhnliche Feststellung hin: "Ich und
der Vater sind eins" (Joh. 10,30). Was ist das anderes, als der
Anspruch, Gott gleich zu sein? sagen sie. Die anderen entgegnen dem, daß
Jesus damit nur sein Einvernehmen, seine innere Übereinstimmung mit dem
Vater betonen wollte, und führen als Beweis dafür Joh. 17, 21 an, oder
erinnern an Jesu Worte: "Mein Vater ist größer als ich" (Joh. 14,28).
Die einen sagen, daß Jesus den Anspruch erhob, ewig und ungeschaffen zu
sein, als er sagte:
"Ehe Abraham ward, bin ich" (Joh. 8,58).
Die anderen versichern, daß er nur das erste der von Gott geschaffenen
Lebewesen ist, denn - sagt er nicht von sich selbst, er sei "der Anfang
der Schöpfung Gottes" (Offb. 3,14)?
Es ist klar, daß diese beiden Ansichten sich gegenseitig ausschließen.
Sie können nicht beide richtig sein; es kann keine Grade von
Göttlichkeit geben; entweder: Jesus Christus war Gott, oder: er war
nicht Gott. Die Verfechter beider Auffassungen berufen sich auf die
Bibel - wie sollen wir da entscheiden, welche Auslegung die richtige
ist? Die Tatsache, daß derartig widersprüchliche Ansichten bestehen,
sollte uns zeigen, wie fehlbar der menschliche Geist ist, dort wo es um
die Auslegung der göttlichen Offenbarung geht.
Sie sollte uns daran erinnern, daß wir ganz darauf angewiesen sind, daß
der göttliche Verfasser der Bibel auch ihr Aus-leger ist. Wenn wir uns
an den Herrn selbst um Antwort auf diese Frage wenden - und wir können
uns an keine andere Autorität wenden - wollen wir dabei drei wichtige
Grundsätze im Auge behalten. Erstens ist ein ernsthafter und offener
Sinn nötig, der bereit ist, sich von der Wahrheit überzeugen zu lassen;
wie Jesus selbst sagte: "Wenn jemand seinen (Gottes) Willen tun will, so
wird er von der Lehre wissen, ob sie aus Gott ist" (Joh. 7,17).
Zweitens müssen wir jeden Schriftabschnitt unbedingt im Licht seines
Zusammenhanges betrachten, wenn wir ihn richtig verstehen wollen, und
auch im Licht der anderen Schriftstellen, die das gleiche Thema
behandeln; wenn wir darauf nicht achten, können wir aus der Bibel
herauslesen, was wir wollen. Schließlich sollten wir unsere Arbeit mit
der Bibel stets beginnen mit der demütigen Bitte zu Gott um seine
Erleuchtung: "Leite mich in deiner Wahrheit und lehre mich, denn du bist
der Gott meines Heils" (Psalm 25,5).
Beim Lesen des Alten Testamentes werden wir auf das
Neue Testament vorbereitet. Was wir in voller Blüte im Neuen Testament
finden, ist im Alten erst als Samenkorn enthalten.
Das Samenkorn mag klein sein, versteckt, eingehüllt im Verborgenen -
aber es ist da. Das trifft vor allem auch zu hinsichtlich Jesu von
Nazareth. Auf jenem Gang nach Emmaus geschah es: "Von Moses und von
allen Propheten anfangend, erklärte er ihnen in allen Schriften, das,
was ihn (Jesus) betraf." (Luk.24,27). Da wir herausfinden wollen, wer er
wirklich ist, müssen wir vom Alten Testament erwarten, daß es uns den
Weg weist, der zur Wahrheit führt, daß es uns vorbereitet auf die
völligere Offenbarung, die folgen sollte.
Jeder Jude wußte aus den heiligen hebräischen Schriften, daß der Mensch
Gott nicht ansehen durfte:
"Du vermagst nicht mein Angesicht zu sehen, denn nicht kann ein Mensch
mich sehen und leben" (2. Mose 33,20).
Das Neue Testament lehrt das gleiche:
"Niemand hat Gott jemals gesehen" (Joh. 1,18) -
"der ein unzugängliches Licht bewohnt, den keiner der Menschen gesehen
hat noch sehen kann" (1. Tim. 6,16).
Deshalb müssen wir untersuchen, wer dem Abraham als "der Gott der
Herrlichkeit" (Apg. 7,2) erschien, oder der Hagar in der Wüste als "der
Engel Jehovas", von dem sie sagte:
"Du bist ein Gott, der sich schauen läßt... Habe ich nicht auch hier
geschaut, nachdem er sich hat schauen lassen?" (1. Mose 16,13)
Wer war es, der Jakob bei Pniel erschien, von dem Jakob sagte:
"Ich habe Gott von Angesicht zu Angesicht gesehen, und meine Seele ist
gerettet worden!" (1. Mose 32,30)?
Wer erschien dem Mose am brennenden Busch als der "Ich bin", so daß er
"sein Angesicht verbarg, denn er fürchtete sich Gott anzuschauen"
(2. Mose 3,6), oder dem Josua bei Jericho als "der Oberste des Heeres
Jehovas" (Josua 15,4), so daß Josua "auf sein Angesicht zur Erde fiel
und huldigte".
Wer war es, der Gideon unter der Eiche zu Ophra erschien, der einmal als
"der Engel Jehovas" und dann als "Jehova" (Richter 6,11 u. 14)
beschrieben wird. Wer erschien dem Manoah und seiner Frau, den Eltern
Simsons, die "auf ihr Angesicht zur Erde fielen ... (Richter 13,20) Und
Manoah sprach zu seinem Weibe: Wir werden gewißlich sterben, denn wir
haben Gott gesehen!" (Richter 13,22)?
Diese Begebenheiten aus der alttestamentlichen Geschichte müssen bei
denkenden Menschen brennende Fragen wachrufen.
Es ist klar, daß diese gläubigen Menschen von Furcht überwältigt wurden,
da sie überzeugt waren, Gott gesehen zu haben. Sie berichteten nach
ihrer Überzeugung, und die Schrift billigt ihr Zeugnis, ohne es zu
erklären.
Einige glaubten, sie müßten sterben und waren erstaunt darüber, daß sie
am Leben blieben.
Ihr Erstaunen darüber, daß sie verschont blieben, nahm ihnen nicht die
Überzeugung, daß sie Gott gesehen hatten, noch beseitigte es ihre
Verwirrung darüber, daß sie ihn gesehen hatten und doch lebten. Wenn sie
Gott nicht wirklich gesehen hätten, warum sagt die Schrift dann, daß sie
ihn gesehen haben? Wenn sie aber Gott gesehen haben, warum starben sie
dann nicht auf Grund von 2. Mose 33, 20?
Warum ist derjenige, der Gideon erschien, einmal als Gottes Engel und
dann als Gott selbst beschrieben?
Und wie kann der betagte Patriarch Jakob, als er die Söhne Josephs
segnet, Gott gleichsetzen mit dem Engel, der ihn erlöste?
Denn er sagt:
"Der Gott, vor dessen Angesicht meine Väter, Abraham und Isaak, gewandelt
haben, der Gott, der mich geweidet hat, seitdem ich bin bis auf diesen
Tag, der Engel, der mich erlöst hat von allem Übel, segne die Knaben"
(1. Mose 48,15-16).
Warum gebot dieser Engel Mose und Josua, ihre Schuhe auszuziehen (Josua
5,14)?
Warum wurde er angebetet, während der Apostel Johannes, als er vor einem
Engel niederfiel, um ihn anzubeten, gesagt bekam:
"Siehe zu, tue es nicht... bete Gott an" (Offb. 19,10).
Die Person Jesu, der der Messias ist, gibt die einzige Erklärung für
dieses Rätsel, daß anscheinend Gott im Alten Testament in Gestalt dieses
geheimnisvollen Engels des Bundes erschienen ist.
Er war es, der "im Anfang bei Gott" (Joh. 1,2) war und seinen Ruhm
teilte, ehe die Welt war (Joh. 17,5).
Falls dieser Engel Jehovas (oder Engel des Bundes) Gottes Sohn war, dann
ist eins klar, nämlich daß die Offenbarungen des Sohnes im Alten
Testament dargestellt werden als Offenbarungen Gottes; das erklärt dann
auch, warum Jesus im Neuen Testament sagen konnte:
"Wer mich gesehen hat, hat den Vater gesehen" (Joh. 14,9).
Daß dieser Engel Jehovas ebenfalls Jehova genannt wird, läßt uns fragen,
ob dieser Name Jehova nicht ebenso gut auf den Sohn wie auf den Vater
angewandt werden kann; das würde den zahlreichen Stellen im Alten
Testament entsprechen, die von Gott reden, die aber,
wenn sie im Neuen Testament zitiert werden, direkt auf Christus bezogen
sind (siehe Anhang). Das würde auch einen Vers wie Maleachi 3, l
erklären: "Und plötzlich wird zu seinem Tempel kommen der Herr, den ihr
suchet."
Wer könnte das anders sein als Jehova? Aber der Prophet fährt fort:"...
und der Engel des Bundes, den ihr begehret: siehe, er kommt". Wir
stellen also abschließend fest, daß, obwohl kein sterbliches Auge
Gott-Vater gesehen hat noch sehen kann, dennoch Menschen Gott - in der
Gestalt seines Sohnes, der das wahre Abbild seines Wesens ist -
wahrhaftig gesehen haben.
Der Ausdruck der Liebe Gottes
Das Opfer des Sohnes zu unserer Erlösung ist offensichtlich der Ausdruck
der Liebe, die Gott zum Menschen hat.
"Denn so sehr hat Gott die Welt geliebt, daß er seinen eingeborenen Sohn
gab" (Joh. 3,16).
- "Gott erweist seine Liebe gegen uns darin, daß Christus, da wir noch
Sünder waren, für uns gestorben ist" (Römer 5,8).
Solche Stellen geben uns einen tiefen Eindruck von der unendlichen Größe
der Liebe Gottes, wie sie sich ausdrückt in dem, der
"seine unaussprechliche Gabe" (2. Kor. 9,15) ist.
Hier ist eine Liebe, die jedes Wissen übersteigt, Höhen, die wir niemals
messen, Tiefen, die wir niemals ausloten können. Ist es möglich, daß
Gott uns mit diesem unermeßlichen Geschenk nur ein Geschöpf gibt, das er
schuf? Wenn Gott zu Abraham sagte:
"Nimm deinen Sohn, deinen einzigen, den du lieb hast, den Isaak, ....
und opfere ihn daselbst als Brandopfer" (1. Mose 22,2),
so gab er uns damit eine kleine Andeutung eines unendlich viel größeren
Opfers, das er selbst später einmal bringen wollte.
Gott forderte Abraham nicht einfach auf, irgend etwas von seinem Besitz
herzugeben oder von seiner Arbeit - was im Vergleich dazu ein
unbedeutendes Opfer gewesen wäre -, sondern seinen einzigen Sohn, den er
herzlich liebte, der ein Teil von ihm selbst war.
Gott forderte von ihm das größtmögliche Opfer angesichts der Verheißung:
"In Isaak soll dein Same genannt werden" (Hebr. 11,18);
und in seinem unbedingten Gehorsam und unbedingten Glauben gab Abraham
Gott seinen einzigen Sohn hin.
In dem Abraham "den Einziggeborenen darbrachte" (Hebr. 11,17),
brachte er sich selbst dar - mehr konnte er nicht geben.
Falls aber Jesus nur etwas Geschaffenes wäre, das nicht die Göttlichkeit
seines Vaters geteilt hätte, wie Isaak seines Vaters Menschlichkeit
teilte, dann bestünde keine Vergleichsebene zwischen beiden; dann hätten
wir im Gegenteil viel mehr Bewunderung aufzubringen für das Opfer
Abrahams auf Morija als für das Opfer Gottes auf Golgatha, da Abraham
sich selbst gab, Gott jedoch nur ein Geschöpf gegeben hätte, das er
geschaffen hatte. Wie könnte uns Gott "in ihm seine Liebe erweisen?",
wie könnte es wahr sein, daß Gott am Kreuz sich selbst opferte, daß er
"in Christo war, die Welt mit sich selbst versöhnend" (2. Kor. 5,19)?
Wenn Gott einen vollkommenen Sohn schaffen und ihn dann zur Erlösung des
Menschen hingeben konnte, könnte er in seiner Allmacht nicht tausend
andere schaffen, die ihn ersetzen würden? Wie könnte dies "seine viele
Liebe, womit er uns geliebt hat" (Eph. 2,4) sein, von dem die
entsprechende Liebe des Menschen, sogar die Abrahams, nur ein schwacher,
blasser Widerschein ist?
Das Wort
Nur der ewige Gott steht außerhalb der Zeit. Alle Geschöpfe gehören in
die Zeit, da sie einen Anfang haben. In dem Augenblick, als Gott seine
Schöpferkraft in Tätigkeit setzte, fing die Zeit an.
Dieser Anfang der Zeit ist es, der durch den Satz "Im Anfang war das
Wort" (Joh. 1,1) ausgedrückt wird. Der Zusammenhang zeigt, daß unter dem
Ausdruck "das Wort" Gottes Sohn zu verstehen ist. Genauso wie die
Gedanken eines Menschen unbekannt und unerkennbar bleiben, solange er
sie nicht ausdrückt, so ist uns der ewige, unsichtbare Gott nur bekannt
durch den Sohn, der seine Äußerung, sein Wort ist. Der Vers sagt uns:
"Im Anfang war das Wort." Er lautet nicht: "
Im Anfang entstand das Wort" oder:
"Im Anfang wurde das Wort geschaffen."
Nichts wäre einfacher gewesen als der Gebrauch eines derartigen Ausdrucks,
wenn er die Wahrheit wiedergäbe. Da das erste Buch Mose mit der
Feststellung beginnt: "Im Anfang schuf Gott die Himmel und die Erde",
warum hätte das Evangelium des Johannes nicht entsprechend beginnen
können mit den Worten: "Im Anfang schuf Gott das Wort?" Warum sagt es
ausdrücklich: "Im Anfang war das Wort?"
Warum erklärt es, daß, als die Zeit anfing, das Wort schon existierte?
Es kann nur eine Antwort darauf geben: Er ist ewig.
Es ist bezeichnend, daß der Sohn nicht ein Wort
genannt wird, sondern das Wort: Die
Heilige Schrift nennt kein anderes Mittel, durch das Gott sich
ausdrückt, als den Sohn. Er, und er allein ist "der Abglanz seiner
Herrlichkeit und der Abdruck seines Wesens" (Hebr. 1,3).
Der Plan Gottes, der in der Erschaffung der Welt (Joh. 1,3),
in der Erhaltung der Welt (Kol. 1,17),
in der Erlösung der Welt (Kol. 1,14) zum Ausdruck kommt, ist ausgeführt
worden durch das Handeln des "Wortes".
Soweit wir aus der Bibel ersehen können, ist Gott nie anders in
Erscheinung getreten als durch das Wort. Können wir uns dann vorstellen,
daß es eine Zeit gegeben hätte, zu der das Wort noch nicht war, zu der
der ewige Gott ohne Möglichkeit war, sich auszudrücken? Sollten wir
glauben, daß er gezwungen war, das Wort zu erschaffen, um sich
aus-drücken zu können? So etwas ist ganz undenkbar.
Die Aussage, mit der die Schrift beginnt: "Im Anfang ... Gott", findet
ihre Entsprechung am Anfang des Johannes-Evangeliums: "Im Anfang war das
Wort", und bereitet uns darauf vor, die unvorstellbar große Aussage, die
folgt, anzu-erkennen - und zwar sie anzuerkennen, ohne sie zu fälschen,
um sie einer Theorie anzupassen -: "Und das Wort war Gott" (Joh. 1,1).
Der Vater und der Sohn
Im Kreuzverhör eines Zeugen sind es oft die zufällig erwähnten
Tatsachen, die die überzeugendste Aussage zur Wahrheit liefern, gerade
weil sie ungewollt sind, anstatt berechnet und vorbereitet zu sein. Das
gleiche gilt in diesem Zusammenhang auch für die Bibel. Nicht nur in den
großen lehrhaften Abschnitten, über die so oft gestritten wird, sondern
gerade in den gelegentlichen Hinweisen und scheinbar zufälligen
Bemerkungen, die in der ganzen Schrift verstreut sind, finden wir
Wegweiser zur Wahrheit. Z. B. gibt es Abschnitte, in denen der Name des
Sohnes mit dem des Vaters in einer Weise verknüpft ist, die einen
Menschen, der ehrlich nach der Wahrheit sucht, auf keinen Fall im
Zweifel darüber läßt, wer der Sohn Gottes ist. Wir wollen einige davon
betrachten.
]esus sagte: "Wenn jemand mich liebt, so wird er
mein Wort halten, und mein Vater wird ihn lieben, und wir werden zu ihm
kommen und Wohnung bei ihm machen" (Joh. 14,23), und: "Jetzt aber haben
sie gesehen und gehaßt sowohl mich als auch meinen Vater" (Joh. 15,24).
In den Briefen lesen wir dann: "Gnade euch und Friede von Gott, unserem
Vater, und dem Herrn Jesus Christus!" (Römer 1,7) - "Unser Gott und
Vater selbst aber und unser Herr Jesus richte unseren Weg zu euch"
(1.Thess. 3,11). - "... indem wir erwarten die glückselige Hoffnung und
Erscheinung der Herrlichkeit unseres großen Gottes und Heilandes Jesus
Christus" (Tit. 2,13). Schließlich finden wir in der Of-fenbarung: "Das
Heil unserem Gott, der auf dem Throne sitzt, und dem Lamme!" (Offb.
7,10)
Dies sind nur wenige Beispiele aus der Vielzahl, die aufgeführt werden
könnten. Hinterlassen sie nicht im Leser ganz klar den Eindruck, daß
diese beiden Personen auf die gleiche Ebene, in die gleiche
Lebensordnung gehören? Wie würde es sich anhören, wenn in der Bibel zu
lesen wäre: ,Gnade euch und Friede von Gott, unserem Vater, und Michael,
seinem Erzengel', oder wenn die Schrift uns anhalten würde, zu bekennen:
,Das Heil unserm Gott, der auf dem Throne sitzt, und seinem Engel Gabriel?'
- Deshalb wollen wir dem die Ehre geben, der in den oben angeführten
Schriftstellen gesehen wird als der, der zusammen mit dem Vater Wohnung
macht in denen, die an ihn glauben und ihm gehorchen, und der gemeinsam
mit dem Vater die Quelle der Gnade und des Friedens für die Gläubigen
ist, gemeinsam mit ihm der Lenker der Schritte seiner Diener, gemeinsam
mit ihm das Ziel ihrer Anbetung. Sollte er nur ein besonders hohes
geschaffenes Geistwesen sein? Sollte er nur eine Art von Super-Erzengel
sein, der einen Anfang in der Zeit hatte und ein Ende haben könnte,
falls es sein Schöpfer so wünschte?
Christus und der Heilige Geist
"Wer hat den Geist Jehovas gelenkt, und wer als sein Ratgeber ihn
unterwiesen?" (Jes. 40,13) fragt der Prophet.
Bei dieser Frage ist die Antwort eindeutig vorausgesetzt:
Nur Jehova selbst - wie der Rest des Kapitels mit Nachdruck betont.
Niemand außer Gott konnte die Autorität besitzen, den Geist Gottes zu
lenken. Aber wenn das so ist, wie erklären wir dann die Worte Jesu, daß
er vom Tröster, dem Heiligen Geist, spricht als demjenigen, den ich euch
von dem Vater senden werde" (Joh. 15,26)? Und: "Wenn ich aber hingehe,
werde ich ihn zu euch senden" (Joh.
16,7).
Es war ebenfalls Jesus, der die Apostel anblies und in Vorwegnahme von
Pfingsten sagte: "Empfanget den Heiligen Geist" (Joh. 20,22). Diese
Handlung des Anblasens war vielleicht symbolisch zu verstehen, aber sie
wäre auch irreführend und eine Täuschung gewesen, hätte Jesus nicht die
Vollmacht gehabt, Gottes Geist zu verleihen.
Es ist bedeutsam, daß Jesaja 40,13 ebenfalls übersetzt werden kann als:
"Wer hat den Geist des Herrn zugemessen!" Christus
hat das ge-tan, wie Petrus berichtet, am Pfingsttag, denn "nachdem er
nun durch die Rechte Gottes erhöht worden ist und die Verheißung des
Heiligen Geistes vom Vater empfangen hat, hat er (Jesus) dieses
ausgegossen (oder: zugemessen), was ihr sehet und höret" (Apg. 2,33).
Für Petrus war es nur die Erfüllung des Versprechens, das er persönlich
von Jesus erhalten hatte: "Siehe, ich sende die Verheißung meines Vaters
auf euch" (Luk. 24.49). Ebenso hatte Johannes der Täufer, der größte der
Propheten, von Jesus als dem Verleiher des Geistes Zeugnis abgelegt: "Es
kommt aber, der stärker ist als ich, dessen ich nicht würdig bin, ihm
den Riemen seiner Sandalen zu lösen; er wird
euch mit Heiligem Geiste und Feuer taufen" (Luk. 3,16). Wenn aber nur
Gott den Geist Gottes lenken kann und doch die Bibel so klar von Jesus
als dem Lenker (Geber) des Geistes Gottes spricht, wie können wir uns
dann der Schlußfolgerung entziehen, daß Christus Gott ist?
Eine weitere Bestätigung dafür finden wir darin, daß der Geist Gottes,
der die Propheten erfüllte, von Petrus
"der Geist Christi, der in ihnen war" (1.Petr. 1,11),
genannt wird;
und an anderen Stellen wird der Geist Gottes beschrieben als der "Geist
seines Sohnes" (Gal. 4,6),
der "Geist Jesu Christi" (Phil. 1,19),
"der Geist Jesu" (Apg. 16,7).
Das Neue Testament offenbart uns ferner, daß die besondere Wirksamkeit des
Geistes Gottes sich auf Christus richtet, daß es nämlich seine besondere
Aufgabe ist, von Christus Zeugnis abzulegen (Joh. 15,26), Christus zu
verherrlichen, von Christi Dingen zu nehmen (Joh. 16,14)
und sie uns zu verkündigen (Joh. 16,15). Wie könnte dann Jesus, der nicht
nur den göttlichen Geist verleiht, sondern auch der ist, den der Geist
verherrlicht, geringer sein als Gott?
Christus und die Schöpfung
Die Bibel hat einen bezeichnenden Ausdruck für das gesamte Universum,
für alle geschaffenen Dinge,
seien sie belebt oder unbelebt, nämlich: "alle Dinge", "alles". - "Alles ward
durch dasselbe (Wort, d. h. durch den Sohn)" (Joh. 1,3). - "Denn durch
ihn sind alle Dinge geschaffen worden
... Und er ist vor allem" (Kol.
1,16-17). Wie konnte Christus existieren vor "allem", vor dem gesamten
erschaffenen Universum, und "alle Dinge" erschaffen, wenn er
gleichzeitig ein Teil von ihnen wäre. Das wäre dann der Fall, wenn er
selbst von Gott erschaffen worden wäre. Wir wollen beachten, wie die
Bibel die zeitlose Gegenwartsform gebraucht, die sich auf die ewige
Existenz Gottes bezieht, wenn sie sagt: "er ist (nicht:
war) vor allem (Geschaffenen)".
Wir erfahren aus dem gleichen Abschnitt des Kolosserbriefes, daß "alle
Dinge" "durch ihn,, und "für ihn"
geschaffen wurden. "Durch ihn" weist darauf hin, daß er das Werkzeug des
Vaters bei der Schöpfung war (vgl. Hebr. l, 2); aber damit wir nicht
denken, es wäre damit gemeint, daß der Sohn ,ein untergeordneter
Handlanger war, der nur zum Ruhm eines höheren Meisters, eines ihm
überlegenen Gottes' schuf, wird ausdrücklich festgestellt: alle Dinge
sind durch ihn und für ihn geschaffen",
das heißt doch: zu seinem Besitz, seiner Freude, seinem Ruhm. Gott ist
das Ziel aller geschaffenen Dinge, wie der Apostel sagt: "Denn von ihm
und durch ihn und für ihn sind alle
Dinge" (Römer 11,36). Aber hier im Kolosserbrief sehen wir, daß Christus
das Ziel aller geschaffenen Dinge ist, daß sie "für ihn" geschaffen
wurden. Wie können wir dann um die Schlußfolgerung herumkommen, daß
Christus Gott ist?
Die Bibel lehrt uns, daß die Schöpfung Gottes Werk ist, in dem er sich
selbst und seinen Ruhm den Menschen offenbart: "Ich bin Jehova, und
sonst ist keiner, außer mir ist kein Gott,... der ich das Licht bilde
und die Finsternis schaffe, den Frieden mache und das Unglück schaffe;
ich, Jehova, bin es, der dieses alles wirkt" (Jes. 45,5-7). - "... denn
das Unsichtbare von ihm, sowohl seine ewige Kraft als auch seine
Göttlichkeit, die von Erschaffung der Welt an in dem Gemachten
wahrgenommen werden, wird geschaut -, damit sie ohne Entschuldigung
seien" (Römer 1,20). - "Fürchtet Gott und gebet ihm Ehre,.... und betet
den an, der den Himmel und die Erde gemacht hat und das Meer und die
Wasserquellen" (Offb. 14,7). Hätte Gott die Welt erschaffen durch ein
ihm unterstelltes Wesen, das selbst geschaffen worden wäre, wie konnte
die Schöpfung dann das besondere göttliche Werk sein, das uns zeigt, daß
Jehova allein Gott ist, der einzige, der verehrt und angebetet werden
soll, und der allein seine ewige Macht und Göttlichkeit offenbart, wie
diese Verse zeigen? Wäre Christus wirklich nur ein Geschöpf, hätte Gott
dann nicht dadurch, daß er ihm solche Weisheit und Macht verlieh, die
nötig ist, um alle Dinge zu erschaffen, die Menschheit der schweren
Versuchung ausgesetzt, den anzubeten, durch den alle Dinge geschaffen
wurden? Wäre Jesus Christus nicht Gott, dann hätte dieses Werk der
Schöpfung, das dazu bestimmt war, die Menschen zu der Erkenntnis des
wahren, Gottes zu bringen, sie geradezu verleiten müssen, dem Geschöpf
Christus zu dienen und es anzubeten an Stelle des Schöpfers, Gott (Römer
1,25).
Christus der Erlöser
Im ganzen Alten Testament finden wir, daß ausschließlich Jehova der
Erlöser und Heiland seines Volkes ist. Wie bezeichnend sind solche
Feststellungen wie: "Ich, ich bin Jehova, und außer mir ist kein
Heiland" (Jes. 43,11). - "Von Jehova ist die Rettung" (Psalm 3,8). -
"... daß ich, Jehova, dein Heiland bin, und ich, der Mächtige Jakobs,
dein Erlöser" (Jes. 49,26). Heidnischen Völkern wird andrerseits als
Torheit vorgeworfen, daß sie Götter anbeten, die nicht erlösen können
(Jes. 44,17; 45,20). Aber im Neuen Testament sind Rettung und Erlösung
Christus zugeschrieben, der ausdrücklich dazu auf die Erde kam, um sein
Volk "von ihren Sünden zu erretten" (Matth. 1,21), und der zweimal
bezeichnet wird als "der Heiland der Welt" (Joh. 4,42). Wenn also kein
anderer Heiland ist als Gott, und wenn dann doch Jesus "der Heiland der
Welt" (1.Joh. 4,14) ist, so ist es unmöglich, die Schlußfolgerung zu
umgehen, daß Jesus Gott ist. Der Heiland Jehova des Alten Testaments ist
der Heiland Christus des Neuen. Das wird bestätigt durch Jesaja 44, 6,
wo es heißt: "So spricht Jehova, der König Israels, und sein
Erlöser, Jehova, der Heerscharen: Ich bin der Erste und bin der Letzte" (Offb.
1,17; 2,8; 22,13); denn diese Beschreibung von
Jehova, dem Erlöser, wird in der Offenbarung dreimal auf Christus
angewandt.
Hiobs wunderbarer prophetischer Hinweis auf den Erlöser ist klar und
überzeugend: "Und ich, ich weiß, daß mein Erlöser lebt, und als der
Letzte wird er auf der Erde stehen; und ist nach meiner Haut dieses da
zerstört, so werde ich aus meinem Fleische Gott anschauen, welchen ich
selbst mir anschauen, und den meine Augen sehen werden, und kein
anderer" (Hiob 19,25-27). Diese Aussage enthält zwei wesentliche
Tatsachen: derjenige, den Hiob als "mein Erlöser" beschreibt, muß Jesus
Christus sein, denn er soll am Ende auf der Erde stehen, d. h. von der
Erde auferstehen, und Hiob soll ihn mit eigenen Augen sehen; und
zweitens: dieser Erlöser ist Gott.
Christus der Richter
"Sollte der Richter der ganzen Erde nicht Recht üben?" (1.Mose 18,25)
Die meisten Menschen - mag auch ihre Vorstellung von Gott noch so
schwach sein - haben eine angeborene Überzeugung, daß es einen
richtenden Gott gibt, der das Leben der Menschen überwacht. Aber wenn
wir erfahren, daß "Gott wird jedes Werk, es sei gut oder böse, in das
Gericht über alles Verborgene bringen" (Pred. 12,14), denken wir mit
Verwunderung an den riesigen Umfang der Aufgabe. "Denn ein Gott des
Wissens ist Jehova, und von ihm werden die Handlungen gewogen" (1.Sam.
2,3). Es gibt kein rohes und leichtfertiges Urteil im himmlischen
Gericht, sondern der göttliche Richter erwägt jede Handlung und urteilt
mit vollkommener Gerechtigkeit. Jede geistige, charakterliche und
körperliche Voraussetzung muß mit in Betracht gezogen werden, jede Tat
muß im Licht der Vererbung und Umwelt beurteilt werden, unter
Berücksichtigung der Einsicht und des Verständ-nisses, das der
Betreffende hatte, der guten und schlechten Einflüsse, der Beweggründe
und Möglichkeiten, seiner Befürchtungen und deren Folgen. Wer anders als
der allwissende, über alle Maßen weise Gott ist fähig, auch nur ein
einziges Leben, ja, eine einzige Tat eines Lebens genau zu beurteilen?
Aber wir erfahren, daß der Vater auf alles Richten verzichtet und
veranlaßt hat, daß alles auf den Sohn übergeht: "Denn der Vater richtet
auch niemand, sondern das ganze Gericht hat er dem Sohne gegeben" (Joh.
5,22); er, und er allein "wird richten Lebendige und Tote" (2.Tim. 4,1),
er wird "das Verborgene der Menschen richten" (Römer 2,16), und "einem
jeden nach euren Werken geben" (Offb. 2,23). Stellen wir uns einmal vor,
welche Unzahl von Wesen mit sittlicher Verantwortung, himmlische und
menschliche, da vor ihn kommen werden! Denken wir daran, daß in seinen
Händen die Entscheidung über ihr ewiges Leben und Schicksal liegen wird!
Denken wir einmal nach über den Satz: "Das ganze Gericht hat er dem
Sohne gegeben"! Es wird keine komplizierten Fälle geben, die er zu
beurteilen nicht fähig wäre, die er an eine höhere Instanz überweisen
müßte. Stellen wir uns einmal das höchste Gericht der Welt vor, dem er
Vorsitzen wird, und den-ken wir an das Schicksal jener Unzählbaren, an
deren endlose Seligkeit oder endlose Leiden! All das liegt in seinen
Händen! Es wird kein Berufungsverfahren geben, seine Entscheidungen
werden endgültig, unwiderruflich und ewig sein. Vom Angesicht des
Menschensohnes, der auf seinem erhabenen Thron sitzt, werden sie
"hingehen in die ewige Pein, die Gerechten aber in das ewige Leben"
(Matth. 25,46). Wenn wir der Heiligen Schrift glauben, daß dieser
Mensch, Jesus Christus, solch ein Amt ausüben wird, dann muß dieser
Mensch Gott sein.
Das Wesen Christi
Es kann nicht geleugnet werden, daß die Bibel an allen Stellen die
absolute Vollkommenheit des Wesens Christi bezeugt. Wenn es anders wäre,
hätte Christus niemals das Abbild von Gottes Herrlichkeit und der
Abglanz seines Wesens sein können. Wenn wir diesen einen betrachten, der
"heilig, unschuldig, unbefleckt, abgesondert von den
Sündern" (Hebr. 7,26) ist, der "ein Lamm ohne Fehl und ohne Flecken"
(1.Petr. 1,19) ist, "welcher keine
Sünde tat" (1.Petr. 2,22),
"der Sünde nicht kannte" (2.Kor. 5,21),
" Und Suende ist
nicht in IHM" (1.Joh. 3,5),
dann müssen wir uns fragen, welche moralischen und geistlichen
Vollkommenheiten Jehova hat, die nicht ebenso von Christus bezeugt
werden. Er ist der, der in aller Ruhe erklärte: "Ich bin das Licht der
Welt" (Joh. 8,12). Er ist es, der mit einer entscheidenden Frage, mit
durchdringendem Blick seine Gegner dahin brachte, daß sie - von ihrem
eigenen Gewissen überführt - sich heimlich davonschlichen (Joh. 8,7-9);
er war es, der sie sprachlos machte durch die nicht zu beantwortende
Herausforderung: "Wer von euch überführt mich einer Sünde?" (Joh. 8,46)
Er war es, der Pilatus das unfreiwillige Zugeständnis abrang: "Ich finde
keine Schuld an diesem Menschen" (Luk. 23,4), und einen heidnischen
Hauptmann dazu brachte, erstaunt auszurufen: "Fürwahr, dieser Mensch war
gerecht!" (Luk. 23,47) Er war es, der auf dem Höhepunkt seines Leidens
den Verbrecher, der an seiner Seite starb, so überzeugen konnte, daß
dieser erklärte: "Dieser (Jesus) aber hat nichts Ungeziemendes getan"
(Luk. 23,41). Stellt das Alte Testament uns Jehova als den Heiligen vor
(Jes. 40,25), so wird Jesus im Neuen Testament mit gleichem Nachdruck so
genannt (Apg. 3,14). Wie könnte Jesus aber eins sein mit Jehova in
moralischer und geistlicher Vollkommenheit, wie die Bibel ihn darstellt,
wenn er gleichzeitig von ihm getrennt wäre durch die unendliche Kluft,
die Gott von jedem anderen Wesen trennt?
Das Gespräch Jesu mit dem reichen jungen Obersten ist bezeichnend:
"Guter Lehrer, was muß ich getan haben, um ewiges Leben zu ererben?
Jesus aber sprach zu ihm: was heißest du mich gut? Niemand ist gut als
nur einer, Gott" (Luk. 18,18-19). Hier muß festgestellt werden, daß
Jesus nicht verneinte, daß er gut sei, noch dem eifrig Fragenden verbat,
ihn gut zu nennen. Er fragte ihn nur, warum er ihn so nenne. In der
Ausdrucksweise des jungen Mannes lag ein verborgener Widerspruch, den
Jesus durch seine Gegenfrage aufdeckte. Der Sinn der Frage des Herrn
könnte so umschrieben werden: ,Du sprichst mich mit dem menschlichen
Titel "Lehrer" (vgl. Luk. 3, 12) an, und dennoch nennst du mich gut; nur
Gott ist gut, und wenn mich jemand für wahrhaft gut hält, dann muß er
mich auch als wahrhaften Gott anerkennen.' - Die Heilige Schrift spricht
nicht nur von der absoluten Güte Jesu Christi, sondern sie zeigt auch,
daß absolute Güte und absolute Göttlichkeit nicht voneinander zu trennen
sind. Die hier zitierten Worte Christi machen ganz klar, daß man, wenn
man die Göttlichkeit Christi leugnet, damit auch leugnet, daß er ein
"sehr guter Mensch" gewesen ist. Diese beiden Tatsachen, seine
Göttlichkeit einerseits und seine Güte und menschliche Größe
andrerseits, stehen und fallen zusammen.
Der Anspruch Christi
Im Johannesevangelium gibt es drei Beispiele dafür, daß Jesus
beansprucht, der Sohn Gottes zu sein. Es ist sehr wichtig zu sehen, wie
dieser Anspruch verstanden wurde: "Darum nun suchten die Juden noch
mehr, ihn zu töten, weil er nicht allein den Sabbath brach, sondern auch
Gott seinen eigenen Vater nannte, sich selbst Gott gleichmachend" (Joh.
5,18). - "Die Juden antworteten ihm: Wegen eines guten Werkes steinigen
wir dich nicht, sondern wegen Lästerung und weil du, der du ein Mensch
bist, dich selbst zu Gott machst" (Joh. 10,33). - "Die Juden antworteten
ihm (Pilatus): Wir haben ein Gesetz, und nach unserem Gesetz muß er
sterben, weil er sich selbst zu Gottes Sohn gemacht hat" (Joh. 19,7).
Zweierlei wird durch diese Worte ohne Zweifel bestätigt: erstens, daß
die Juden es für ausgemacht hielten, daß der besondere Anspruch Jesu,
der Sohn Gottes zu sein, und daß er Gott "seinen eigenen Vater" nannte,
nicht weniger bedeutete, als daß er für sich in Anspruch nahm, Gott
gleich zu sein, oder daß er sich selbst zu Gott machte. Wir wollen
beachten, daß Jesus nicht versuchte, ihrer Behauptung zu widersprechen
oder ihnen zu zeigen, daß sie seinen Anspruch falsch ausgelegt hätten!
Zweitens wurde dieser Anspruch, Gottes Sohn zu sein, der von den Juden
einfach als Anspruch auf Göttlichkeit verstanden wurde, der
Hauptanklagepunkt in der Gerichtsverhandlung vor dem Hohen Rat. Er
führte zu seiner Kreuzigung. Ein bekannter Jude, M. Salvador, weist in
seinem Buch Jesus Christus nach, daß
ein Jude, der an seinen Gott glaubte, angesichts des Anspruches Jesu
folgerichtig nichts anderes fühlen konnte, als die unbedingte
Verpflichtung, ihn zu töten. Es ist klar, daß die Juden ihn nicht
verurteilten, weil sie seinen Anspruch nicht richtig verstanden hätten.
Aus den Be-richten geht vielmehr deutlich hervor, daß sie ihn
verurteilten und töteten, gerade weil sie den Anspruch, den er erhob,
klar verstanden und sich weigerten, ihn anzuerkennen. Hieran erinnert
sie Petrus kurze Zeit später: "Ihr aber habt den Heiligen und Gerechten verleugnet!" (Apg.
3,14)
Eng verbunden mit diesem Anspruch, Gottes Sohn zu sein, war sein
Anspruch, der Christus oder Messias zu sein. Was für einen Messias
durften die Juden nach ihren Propheten erwarten? Jesaja hatte den
Kommenden als "Immanuel" (Jes. 7,14) - Gott mit uns -, als "den starken
Gott, Vater der Ewigkeit" (Jes. 9,6) beschrieben. Jeremia nannte ihn:
"Jehova, unsere Gerechtigkeit" (Jer. 23,5-6). Micha sprach von seiner
Existenz von Ewigkeit her (Micha 5,1). Daniel sagte seine immerwährende
Gewalt und sein Königreich voraus (Dan. 7,14). Durch Sacharja
bezeichnete Gott ihn als den "Mann, der mein Genösse ist" (Sach. 13,7).
In Maleachi wird er beschrieben als der Herr, der plötzlich zu seinem
Tempel kommen wird (Mal. 3,1). Daß die Juden den Anspruch Jesu, Gottes
Sohn zu sein, als einen Anspruch auf Göttlichkeit deuteten, haben wir
schon gesehen. Es ist klar, daß für sie dieser Anspruch Jesu
gleichbedeutend war mit dem Anspruch, der Messias zu sein. Das können
wir aus der feier-lichen Eidesformel entnehmen, die der Hohepriester ihm
gegenüber anwandte: "Ich beschwöre dich bei dem lebendigen Gott, daß du
uns sagest, ob du der Christus (Messias) bist, der Sohn Gottes!" (Matth.
26,63) Vom Jüdischen Standpunkt aus war das Schicksal Jesu besiegelt
durch die prompte Antwort: "Du hast es gesagt" (Matth. 26,64).
Christus und die Menschheit
Wir haben versucht, aus der Bibel zu erfahren, ob diese unüberwindliche
Kluft, die den Unendlichen von den Sterblichen, den Ursprünglichen von
den Geschöpfen trennt - ob diese Kluft Christus zugleich mit allen
Geschöpfen von Gott trennt, oder ob sie zwischen Gott und Christus
einerseits und allen Geschöpfen andrerseits liegt. Die angeführten
Schriftstellen haben ohne Frage gezeigt, daß niemals solch ein Abgrund
zwischen ihm und dem Vater bestanden hat, sondern daß Christus
wesensgleich mit dem Vater ist als der "einziggeborene Sohn". Daher muß
diese un-überwindliche Kluft zwischen ihm und allen Geschöpfen liegen.
Ist dies das Zeugnis der Bibel? Zeigt die Bibel, daß der Mensch zu
Christus im gleichen Verhältnis steht wie zu Gott? Verlangt sie, daß der
Mensch dem Sohn die gleiche Huldigung darbringt wie dem Vater, zu der er
als Geschöpf dem Schöpfer gegenüber verpflichtet ist? Ein Satz wird als
Antwort genügen, vielleicht der wichtigste Satz, der in dieser Hinsicht
in der Bibel zu finden ist; denn es ist wirklich nicht möglich, etwas
anderes daraus zu lesen, als was er besagt. Aus dem Munde Jesu selbst
erfahren wir, daß es das ausdrückliche Verlangen des Vaters ist, "daß
alle den Sohn ehren, wie sie den Vater ehren. Wer den Sohn nicht ehrt,
ehrt den Vater nicht, der ihn gesandt hat" (Joh. 5,23).
Ein eifriger Diener der Religion, der die Göttlichkeit Christi leugnete,
sagte einmal zu einem gläubigen Freund des Verfassers: "Der Unterschied
zwischen uns ist der: sie machen viel von Christus, und wir machen viel
von Jehova." Hätte dieser Mann die Bedeutung des zitierten Verses
erfaßt, dann hätte er merken müssen, daß er die Ehre, die dem Sohn zu
geben er sich weigerte, damit auch dem Vater vorenthielt. Der Apostel
Petrus würde zu einem solchen Menschen sagen, was er den tiefreligiösen
Menschen seiner Zeit sagte: "Ihr aber habt den Heiligen und Ge-rechten
verleugnet", - wenn er auch sicher fortfahren würde: "Ich weiß, daß ihr
in Unwissenheit gehandelt habt, gleichwie auch eure Obersten" (Apg. 3,14
u. 17). Daß die Ehre, die dem Vater gebührt, auch dem Sohn zusteht, wird
jedoch nicht nur von dem einen Schriftwort bezeugt, sondern diese
Wahr-heit finden wir überall in der ganzen neutestamentlichen
Christusoffenbarung. Das soll im folgenden an Hand von vier Beziehungen
aufgezeigt werden:
Christus erkennen Christus vertrauen
Zu Christus beten Christus anbeten.
Christus erkennen
Geistliches Leben, ewiges Leben ist abhängig von geistlicher Erkenntnis.
Dabei geht es nicht um bloßes Wissen biblischer Tatsachen, nicht um die
Kenntnis eines Systems von Lehren, sondern darum, daß wir den einzigen
wahren Gott erkennen (Jer. 31,34). Die Vergeltung Gottes wird die
treffen, die ihn nicht kennen (2.Thess. 1,8).. Aber die Bibel setzt die
Erkenntnis des Sohnes auf die gleiche Stufe mit der Erkenntnis des
Vaters und bezeichnet sie als eben-so wesentlich zur Erlangung des
ewigen Lebens: "Dies aber ist das ewige Leben, daß sie dich, den allein
wahren Gott, und den du gesandt hast, Jesum Christum, erkennen" (Joh.
17,3). - "Wenn ihr mich erkannt hättet, so wür-det ihr auch meinen Vater
erkannt haben" (Joh. 14,7) (Siehe auch 2.Petr. l, 2.). Auch ist die
Kenntnis des Vaters abhängig vom Willen des Sohnes, ihn zu offenbaren,
denn "niemand erkennt... den Vater als nur der Sohn, und wem irgend der
Sohn ihn offenbaren will" (Matth. 11,27). Darum liegt es in der Hand des
Sohnes, ob er Menschen ewiges Leben schenkt (Joh. 10,28; 17,2).
Paulus zeigt uns, daß sein größter Wunsch und sein innigstes Sehnen eine
größere Erkenntnis Christi ist: "Aber was irgend mir Gewinn war, das
habe ich um Christi willen für Verlust
geachtet; ja wahrlich, ich achte auch alles für Verlust wegen der
Vortrefflichkeit der Erkenntnis Christi Jesu, meines
Herrn, um dessentwillen ich alles eingebüßt habe und es für Dreck achte, auf
daß Ich Christum gewinne ... um ihn zu erkennen und die
Kraft seiner Auferstehung und die Gemeinschaft seiner Leiden" (Phil.
3,7-10). Es ist bezeichnend für die Lehre aller Apostel, daß sie
betonen, daß nicht nur die Errettung, sondern auch die volle geistliche
Reife abhängig ist von der Erkenntnis Christi: "... bis wir alle
hingelangen zu der Einheit des Glaubens und zur Erkenntnis
des Sohnes Gottes, zu dem erwachsenen Manne, zu dem Maße
des vollen Wuchses, der Fülle des Christus" (Eph.
4,12-13). Da nun die Erkenntnis des Sohnes der Schlüssel zur Erkenntnis
des Vaters ist, und da letztlich ebensoviel Nachdruck auf die Erkenntnis
des Einen wie des Anderen gelegt wird, wie können wir da den Schluß
umgehen, daß Christus Gott ist?
Christus vertrauen
Das Neue Testament bietet uns die Seligkeit nicht an, als etwas, das im
Namen Jehovas zu erhalten ist, sondern im Namen Jesu Christi von
Nazareth: "Denn auch kein anderer Name ist unter dem Himmel, der unter
den Menschen gegeben ist, in welchem wir errettet werden müssen" (Apg.
4,10-12). Nur der Glaube an Christus rechtfertigt den Menschen vor Gott
und erlöst ihn von seinen Sünden (Römer 3,22 u. 26). Aber dieser
errettende Glaube ist mehr als ein intellektuelles Anerkennen der
Wahrheit, dass Christus existiert. Es ist auch mehr als eine bloße
Anerkennung des Erlösungswerkes (Apg. 16,31). "Du glaubst, daß Gott
einer ist, du tust wohl; auch die Dämonen glauben und - zittern" (Jak.
2,19). Solch ein Glaube befreit Dämonen nicht von ihrer Qual, noch
rettet er die Menschen von ihrer Sünde. Denn "mit dem
Herzen wird geglaubt zur Gerechtigkeit" (Römer 10,10),
und das Herz umfaßt nicht nur den Verstand, sondern auch das Gefühl und
den Willen. Der Verstand nimmt den wahr, der der Gegenstand des Glaubens
ist, das Gefühl ergreift ihn, der Wille ergibt sich ihm. So ist das Herz
- Verstand, Gefühl und Wille - gefangen genommen durch den, an den es
glaubt. In einer Weise geht der Gläubige auf in dem, an den er glaubt,
er ist "eines anderen geworden" (Römer 7,4), nämlich des Christus und
ist "in Christus" (2.Kor. 5,17), - dieser und ähnliche Ausdrücke finden
sich etwa einhundertmal in den Schriften des Paulus - so daß er sagen
kann: "Christus lebt in mir" (Gal. 2,20).
Wenn es so ist, wie die Schrift sagt, daß Christus der ist, auf den sich
der errettende Glaube richtet, und wenn dieser errettende Glaube die
freiwillige Unterwerfung des ganzen inneren Menschen - Verstand, Ge-fühl
und Wille - unter ihn in sich schließt, so daß man in ein neues
geistliches Reich versetzt wird, "in Christus", und umgewandelt wird in
"eine neue Schöpfung" (2.Kor. 5,17), - können wir dann wirklich
annehmen, daß dieser Eine, dem man so vertrauen darf, von dem man so
abhängig ist, dem man sich so völlig zu unterwerfen hat, der so zum
Lebensraum un-seres geistlichen Lebens wird, - daß dieser Eine geringer
ist als Gott? Welches Maß an Vertrauen soll der Gläubige dem
Allmächtigen entgegen-bringen über das hinaus, daß die Heilige Schrift
von ihm fordert dem Sohn Gottes gegenüber?
Zu Christus beten
Ein Gebet darf - das nämlich bedeutet das Wort Gebet - rechtmäßig nur an
Gott gerichtet sein. Hierin stimmen die Unitarier, die Christi
Gött-lichkeit leugnen, und die Trinitarier, die sie bezeugen, überein.
Doch sollte nach Meinung der ersteren das Gebet nicht an Christus
gerichtet werden, da er nicht Gott wäre; nach Auffassung der letzteren
aber darf das Gebet an Christus gerichtet werden, da er Gott ist. Was
sagt die Bibel? Finden wir irgendwelche Beispiele für Gebete zu
Christus? Wird es den Gläubigen verboten oder ans Herz gelegt zu ihm zu
beten?
In den Berichten der Evangelien gibt es viele, die kamen und Jesus
"baten" (Matth. 14,36); aber dürfen wir sicher sein, daß dies ein Beten
war, Gebete, die zu ihm als an Gott gerichtet waren? Er sagte zu der
Frau am Jakobsbrunnen: "Wenn du die Gabe Gottes kenntest, und wer es
ist, der zu dir spricht: Gib mir zu trinken, so würdest du ihn gebeten
haben, und er hätte dir lebendiges Wasser gegeben" (Joh. 4,10). Wenn wir
glauben, daß diese Gabe auch heute noch zu den gleichen Bedingungen wie
damals zu haben ist, worin unterscheidet sich dann die Bitte an
Christus, uns "lebendiges Wasser" zu geben, im Grund genommen von dem
Gebet zu Gott um seinen Segen? Worin unterscheidet sich im Grunde das
Gebet Davids: "Sei mir gnädig, o Gott!" (Psalm 51,1) vom Schrei des
Bartimäus: "O Sohn Davids, Jesu, erbarme dich meiner!" (Mark. 10,47) Aus
ähnlichen Worten bestand sicherlich das Gebet sehr vieler Menschen um
Erlösung, durch das sie zu Christus, aus dem Tod in das Leben kamen.
Sicher war das Gebet des Paulus zu Christus: "Was soll ich tun, Herr?"
(Apg. 22,10) die entscheidende Wende in seinem Bekehrungserleben. Wenn
es uns demnach erlaubt ist, Christus um Erlösung anzurufen, sollten wir
ihn dann später nie wieder anrufen dürfen? Stephanus, der erste
christliche Märtyrer, gibt uns darauf eine Antwort: "Voll Heiligen
Geistes" (Apg. 7,55) beendete er seinen Christenlauf so, wie Paulus ihn
begann, nämlich mit einem Gebet zu Christus: "Herr Jesus, nimm meinen
Geist auf!" (Apg. 7,59) Fast die gleichen Worte wie die, die Jesus am
Kreuz zum Vater sprach, betete Stephanus zu Christus bei seinem
Märtyrertod.
Es gibt tatsächlich viele Schriftbeweise dafür, daß das Beten zu
Christus nicht eine Ausnahme, sondern die Regel bei den ersten Christen
war. Sie werden sehr treffend beschrieben als solche, "die den Namen
unseres Herrn Jesus Christus anrufen" (1.Kor. 1,2; Apg. 9,14 u. 20-21;
22,16). Dann haben wir auch die Zeugnisse der heiligen Schreiber des
Neuen Testaments, die in sich selbst Gebete sind: "Ich hoffe aber in dem
Herrn Jesus" (Phil. 2,19), "Ich danke Christo Jesu, unserem Herrn"
(1.Tim. 1,12). Ja, das letzte Gebet in der Bibel, das zum Ausdruck
bringt, was das Anliegen der Gemeinde zu aller Zeit war, ist ein Gebet
zu Christus: "Komm, Herr Jesus!" (Offb. 22,20) Jesaja weist mit Recht
darauf hin: "Es haben keine Erkenntnis, die... zu einem Gott flehen, der
nicht retten kann" (Jesaja 45,20). Aber diejenigen, die Christus
anrufen, beten zu einem, der "völlig zu erretten vermag, die durch ihn
Gott nahen" (Hebr. 7,25). Diejenigen, die Ihn anriefen und denen er in
seiner Gnade Antwort gab, können nicht bezweifeln, daß sie in Wahrheit
mit Gott gesprochen haben.
Christus anbeten
Die Anbetung von seiten der Geschöpfe gebührt Jehova und ihm allein,
denn die Heilige Schrift sagt: "Du sollst den Herrn, deinen Gott,
anbeten und ihm allein dienen" (Matth. 4,9-10). Die Verehrung jedes
anderen Gottes, sei er Geist, Engel oder von Menschenhand geschaffenes
Bild, ist Götzendienst. Wenn aus der Bibel nachgewiesen werden könnte,
daß die Menschen angehalten werden, Christus nicht anzubeten, und daß er
selbst diese Anbetung, die Gott allein gebührt, abgelehnt hätte, dann
wäre das ein starker Hinweis darauf, daß Christus nicht wahrhaft
göttlich wäre. Wenn aber die Bibel überzeugend zum Ausdruck bringt, daß
die Menschen ihn als Gott verehrten, und daß er dies willig
entgegennahm, und wenn wir finden, daß Gott die Menschen auffordert, ihn
zu verehren, dann ist da-mit der Beweis seiner Göttlichkeit endgültig
gegeben.
Das Wort für Anbetung im griechischen Testament (proskyneo) kommt
ungefähr sechzigmal vor und wird immer wieder gebraucht in bezug auf die
Anbetung, die Gott gebührt, die aber manchmal die Menschen in ihrer
Unwissenheit anderen Menschen darbringen, oder die sie in ihrer Dummheit
Göttern entgegenbringen, die sie selbst geschaffen haben. Wir finden
gottesfürchtige Menschen, die solche Verehrung von ihren Mit-menschen
ablehnten, wie Petrus die Verehrung durch Kornelius ablehnte (Apg.
10,25-26), oder wie Paulus und Barnabas in großer Bestürzung den
Bewohnern von Lystra verbaten, ihnen zu opfern (Apg. 14,14-15). Genauso
verhielten sich auch die Engel: Zweimal wollte Johannes, als er auf
Patmos die Offenbarung empfing, den Engel anbeten, der Ihm solch große
Offenbarungen gezeigt hatte. Aber beidemal stieß er auf die gleiche
feste Ablehnung: "Siehe zu, tue es nicht! ... Bete Gott an!"
(Offb. 19,10; 22,8-9) Aber die Anbetung, die die Engel von Menschen
anzunehmen sich weigerten, gab "eine Menge der himmlischen Heerscharen"
(Luk. 2,13-14) willig dem Jesuskind bei seiner Geburt, und das auf
ausdrücklichen Befehl: "Und alle Engel Gottes sollen ihn anbeten!"
(Hebr. 1,6) Was Jesus entschlossen dem Satan verweigerte, das taten die
Weisen dem neugeborenen Sohn Gottes: "Sie fielen nieder und huldigten
ihm" (Matth. 2,11). Die Evangelien berichten immer wieder davon, wie
Menschen Jesus Christus anbeten: der Aussätzige (Matth. 8, 2), der
jüdische Vorsteher (Matth. 9,18), der Blinde (Joh. 9,38), die Jünger im
Schiff (Matth. 14, 33), die Kanaaniterin (Matth. 15, 25), die Mutter von
Johannes und Jakobus (Matth. 20, 20), der besessene Gardarener (Mark. 5,
6); bei der Auferstehung beteten ihn die beiden Marien an (Matth. 28,
9), bei der Himmelfahrt die elf Jünger (Matth. 28,17).
Sollten wir annehmen, daß diese Anbetung Christi nur eine Ehrerbietung
einem großen Lehrer gegenüber sein sollte oder eine Ehren-bezeugung für
einen großen Wohltäter, der sie reichlich gesegnet hatte dadurch, daß er
ihre Leiber geheilt oder ihre Seelen gerettet hatte, und der dabei
geringer als Gott gewesen wäre. Eine solche Ansicht stößt auf
unüberwindliche Schwierigkeiten. Der Blindgeborene betete nicht den an,
der ihn geheilt hatte; er huldigte ihm nicht, bis Jesus ihm sagte, wer
er war; aber als er wußte, daß Jesus der Sohn Gottes war, dann "warf er
sich vor ihm nieder" (Joh. 9,35-38). Daraus ist deutlich zu erkennen,
daß er ihn nicht anbetete für das, was er getan hatte, sondern für das,
was er war. Kann man da noch meinen, diese Verehrung Christi, des
Messias, sei etwas Geringeres gewesen, als die an Jehova gerichtete
Anbetung? Die Offenbarung gibt die entscheidende Antwort, denn sie ist
die Offenbarung einer Person, die mehrmals beschrieben wird als der
Erste und der Letzte, das Alpha und das Omega, der König der Könige und
Herr der Herren, das Lamm, das mitten auf dem Thron sitzt. Schon der
erste Anblick seiner Herrlichkeit war derartig, daß Johannes berichtet:
"Und als ich ihn sah, fiel ich zu seinen Füßen wie tot" (Offb. 1,17). Er
schreibt ihm "die Herrlichkeit und die Macht von Ewigkeit zu Ewigkeit"
(Offb. 1,5-6) zu. Unzählige Engel um den Thron herum werden uns gezeigt,
"die mit lauter Stimme sprachen: Würdig ist das Lamm, das geschlachtet
worden ist, zu empfangen die Macht und Reichtum und Weisheit und Stärke
und Ehre und Herrlichkeit und Segnung" (Offb. 5,11-12). Würden wir einen
solchen Lobpreis von Geschöpfen einem anderen Geschöpf gegenüber
erwarten, wie erhaben es als Geschöpf auch immer sein könnte? Ist diese
Anbetung geringer als die, die dem Allmächtigen dargebracht wird?
Wir wollen beachten, wie es in der Offenbarung weiter heißt: "Und jedes
Geschöpf, das in dem Himmel und auf der Erde und unter der Erde und auf
dem Meere ist, und alles, was in ihnen ist, hörte ich sagen: Dem, der
auf dem Throne sitzt, und dem Lamme die
Segnung und die Ehre und die Herrlichkeit und die Macht von Ewigkeit zu
Ewigkeit!" (Offb. 5,13) Wir wol-len festhalten, daß die ganze Schöpfung
hier ihrem Schöpfer Huldigung erweist. Ist das Lamm auch unter denen,
die ihrem Schöpfer huldigen? Oder sehen wir, daß ihm hier von allen
Geschöpfen die gleiche Huldigung, die gleiche Anbetung dargebracht wird
wie dem Allmächtigen? (vergl. Offb. 7,10) Vorher angeführte Aussagen der
Schrift sollten uns auf ein solches Erleben vor-bereitet haben. Jesus
hatte uns enthüllt, daß es der ausdrückliche Wunsch des Vaters sei, "daß
alle den Sohn ehren, wie sie den Vater ehren" (Joh. 5,23). Pau-lus
erinnert uns daran, daß Gott beschlossen hat, "daß in dem Namen Jesu
jedes Knie sich beuge, der Himmlischen und Irdischen und
Unter-irdischen, und jede Zunge bekenne, daß Jesus Christus Herr ist,
zur Verherrlichung Gottes des Vaters" (Phil. 2,10-11). Wie klar beweisen
diese Verse doch, daß die Ehre des Vaters für immer mit der Ehre des
Sohnes verbunden ist.
Hat Gott nicht gesagt: "Ich bin Jehova, das ist mein Name; und meine
Ehre gebe ich keinem anderen" (Jes. 42,8)? Wie kommt es dann, daß er
diese Ehre mit dem Lamm inmitten des Thrones teilt? Es kann nur so sein,
daß er seinen Sohn nicht als "einen anderen", einen geringeren, ansieht,
son-dern als "den Mann, der mein Genösse ist" (Sach. 13,7), als
ebenbürtig und daher berechtigt, die Ehre und den Ruhm, die Gott
darzubringen sind, zu emp-fangen. Es ist deutlich zu sehen, daß Paulus
es so verstanden hat, denn an einer Stelle ermahnt er: "Wer sich rühmt,
der rühme sich des Herrn" (1.Kor. 1,31). Und an anderer Stelle zeigt er,
daß es ein typischer Charakterzug der Heiligen ist, daß sie sich "rühmen
in Christo Jesu" (Phil. 3,3; 1,26).
Sir John Kennaway, Bart., von Escot, der Großvater des jetzigen Sir
John, war vorbildlich als Mensch und als Christ. Eines Tages wurde er
von einem Freund des Verfassers versehentlich mit "My Lord" angeredet.
Sofort erwiderte er: "Das steht mir nicht zu." Das war die Reaktion
eines aufrichtigen und bescheidenen Mannes, eine Ehre sofort
zurückzuweisen, die ihm nicht zukam. Als aber Jesus von Thomas mit den
Worten angebetet wurde: "Mein Herr und mein Gott!" nahm er die Anbetung
nicht nur an, sondern tadelte sogar Thomas ein wenig, daß er so lange
gebraucht hatte, bis er an die Wahrheit glaubte. Hast du, mein Leser,
ihn jemals so angebetet? Oder gehörst du zu der Menge derer, die - teils
aus religiösen, teils aus anderen Gründen - den Sohn nicht anbeten und
damit auch den Vater nicht ehren, der ihn gesandt hat.
Christus unsere Versöhnung
Ob Christus angebetet werden soll oder nicht, ist nicht das einzige, das
auf dem Spiel steht, wenn jemand bezweifelt, daß er Gott ist. Etwas viel
Grundsätzlicheres wird noch sehr wesentlich davon berührt, denn die
ganze Frage der Versöhnung des Menschen mit Gott hängt davon ab, wer
Jesus ist. Die eigene Errettung des Lesers steht auf dem Spiel, denn der
Herr Jesus sagt heute noch, was er vor langer Zeit religiösen Menschen
sagte: "Denn wenn ihr nicht glauben werdet, daß ich es bin, so werdet
ihr in euren Sünden sterben" (Joh. 8,24). Offenbarte Jesus nicht, daß
gerade das Bekenntnis des Petrus: "Du bist der Christus (Messias), der
Sohn des lebendigen Gottes" (Matth. 16,16-19) der Fels ist, auf den die
Gemeinde auferbaut wird?
Jahrhunderte bevor Jesus kam, gab Hiob seiner Sehnsucht nach einem
Vermittler Ausdruck, nach einem, der ihn mit Gott aussöhnen würde. Der
Allmächtige schien Hiob zu erhaben, zu weit entfernt, als daß er es
hätte wagen können, direkt mit ihm zu verhandeln: "Denn er ist nicht ein
Mann wie ich, daß ich ihm antworten dürfte, daß wir miteinander vor
Gericht gehen könnten. Es gilt zwischen uns keinen Schiedsmann, daß er
seine Hand auf uns beide legte" (Hiob 9,32-33). Hiobs Verlangen nach
einem Schiedsmann fand Erfüllung in dem "einen Mittler
zwischen Gott und Menschen, der Mensch Christus Jesus" (1.Tim. 2,5). Er
ist es, und er allein, der seine Hand auf beide legen kann, denn er ist
"in Gestalt Gottes" und "in seiner Gestalt wie ein Mensch erfunden"
(Phil. 2,6-8), und so kam es, daß "das Wort (das Gott war) ward Fleisch
und wohnte unter uns" (Joh. 1,1 u. 14). Um seine Hand auf Gott und
Menschen zu legen, wie Hiob es ausdrückte, mußte er fähig sein,
persönlich Kontakt im himmlischen Bereich mit Gott und im irdischen
Bereich mit Menschen aufzunehmen. So geschah es dann, als die Zeit
erfüllt war, das Jesus, "der in des Vaters Schoß ist" (Joh. 1,18), kam,
"geboren von einem Weibe" (Gal. 4,4). Hinsichtlich seiner Erkenntnis
Gottes bezeugt er: "Niemand erkennt. .. den Vater, als nur der Sohn"
(Matth. 11,27); hinsichtlich seiner Erkenntnis des Menschen bedurfte er
nicht, "daß jemand Zeugnis gäbe von dem Menschen; denn er selbst wußte,
was in dem Menschen war" (Joh. 2,25). Nur als der Gott-Mensch konnte der
Sohn ein wirklicher Vermittler sein, indem er Gott vor den Menschen
ebenso vertrat, wie die Menschen vor Gott.
Einige vertreten die Ansicht, daß nur ein vollkommener, nicht ein
göttlicher Mensch nötig sei, um die Menschen von der Macht der Sünde zu
erlösen, weil der Apostel sagt: "Denn gleichwie durch des einen Menschen
Ungehorsam die Vielen in die Stellung von Sündern gesetzt worden sind,
so werden auch durch den Gehorsam des Einen (Jesus) die Vielen in die
Stellung von Gerechten gesetzt werden" (Römer 5,19). Diese Ansicht wurde
in dem Buch "Gott bleibt wahrhaftig" ("Let God be True";
'Wachtturm Bibel- und Traktatgesellschafl) folgendermaßen formuliert:
"Was verloren ging, war vollkommenes menschliches Leben samt seinen
Rechten und Irdi-schen Aussichten, und was erlöst oder zurückgekauft
wurde, Ist das, was verlorenging, nämlich ebenfalls vollkommenes
menschliches Leben samt seinen Rechten und irdischen Aussichten. Gottes
in 5. Mose 19, 21 aufgezeichnetes, gerechtes Gesetz forderte Gleiches
für Gleiches. Somit sollte ein vollkommenes Menschenleben für ein
verlorengegangenes vollkommenes Menschenleben geopfert werden" (S. 123).
»Es gefiel Gott, sich von all den treuen Geschöpfen im Himmel dieses
Einen zu bedienen, der ihm am liebsten war, indem er ihn auf die Erde
sandte, damit er ein vollkommener Mensch werde und außer anderen Dingen
das Loskaufswerk vollbringe" (S. 124). "Als vollkommener Mensch nahm
Jesus eine ähnliche Stellung ein wie einst Adam, der vollkommene Mensch,
im Garten Eden" (S. 128).
Daß ein ,vollkommenes Menschenleben' nötig war für das Werk der
Erlösung, ist wohl wahr; wo aber können wir außerhalb von Gott solche
Vollkommenheit finden? Das sahen wir oben schon bei der Betrachtung des
Wesens Jesu und seiner eigenen Worte: "Niemand ist gut, als nur einer,
Gott!" (Luk. 18,19) Ein vollkommenes Menschenleben ist geistlich und
moralisch gesehen eine Unmöglichkeit, wenn nicht Gott selbst Mensch,
wenn Gott nicht Fleisch wird. Vollkommen zu sein, bedeutet mehr als ohne
Schuld, ja, mehr als ohne Sünde zu sein, wie es der Zustand Adams war
vor dem Fall. Es gehört vielmehr dazu, daß man in seiner Sündlosigkeit
versucht wurde und überwunden hat. Christus hat sündlos über die
Versuchung triumphiert: "Er litt.... und vollendet worden (durch die
Anfechtung), ist er allen, die ihm gehorchen, der Urheber ewigen Heils
geworden" (Hebr. 5,8-9). Von dem ,vollkommenen Menschen Adam im
Paradies' zu sprechen, heißt Unschuld und Vollkommenheit zu verwechseln
und das Wesen der Vollkommenheit Christi, die ihn zur Erlösung
befähigte, völlig mißzuverstehen. Die Aussage ,Gleiches mit Gleichem
vergelten' (5.Mose 19,21) bezieht sich auf zeitliche Strafe für die
Sünde und nicht auf die Erlösung des Menschen durch Christus. Adams
Sünde war begrenzt, obwohl sie in ihrer Auswirkung weit ging; Christi
Opfer ist unbegrenzt, unendlich. Römer 5 zeigt, daß es sich hier nicht
um ,Gleiches mit Gleichem vergelten' oder um ,das Opfer eines
vollkommenen menschlichen Lebens für ein verlorengegangenes vollkommenes
menschliches Leben handelt'. Lies einmal:
"Aber es verhält sich mit dem Sündenfall nicht wie
mit der Gnaden-gabe. Denn wenn durch des einen Sündenfall die Vielen
gestorben sind, wieviel mehr ist die
Gnade Gottes und das Gnadengeschenk durch den einen Menschen Jesus
Christus den vielen reichlich zuteil
geworden. Und es verhält sich mit der Sünde durch den einen nicht wie
mit dem Ge-schenk. Denn das Urteil wurde wegen des einen zur
Verurteilung; die Gnadengabe aber wird trotz vieler Sündenfälle zur
Rechtfertigung. Denn wenn infolge des Sündenfalles des einen der Tod zur
Herrschaft kam durch den einen, wieviel mehr werden
die, welche den Überfluß der Gnade und
der Gabe der Gerechtigkeit empfangen, im Leben herrschen durch den
Einen, Jesus Christus" (Römer 5,15-17)! (Übersetzung F. E. Schlachter.)
Wäre Römer 5, 19 im Lichte dieses Zusammenhanges ausgelegt worden, hätte
die oben erwähnte Ansicht niemals vertreten werden können, denn sie ist
die Umkehrung der Worte des Apostels. Er vergleicht nicht einfach, was
uns durch den Gehorsam Christi verliehen wurde, gegenüber. Be-achte,
was wir an Christus haben können, nach seinen Worten: "wieviel mehr!" -
"Überfluß der Gnade" - "im Leben herrschen". Was wußte Adam davon vor
seinem Fall? Der Apostel faßt es mit folgenden Worten zusammen (Vers
20): "Wo aber das Maß der Sünde vollgeworden ist, da ist die Gnade
überfließend geworden." - Hier können wir singen:
Die Söhne Adams rühmen sich,
daß sie in Christ empfangen haben
mehr Segen
als in Adam sie verloren.
Falls, wie einige meinen, das Opfer Christi nur dazu diente, den Zustand
Adams vor dem Fall für die Erlösten wiederherzustellen, dann besteht die
entsetzliche Möglichkeit, daß sie erneut straucheln wie er und ewig
verloren gehen. Wäre das dann die "so große Errettung", die uns Christus
zu solch einem Preis erworben hat, die der Apostel beschreibt mit den
Worten "wieviel mehr!" - "Überfluß der Gnade" - "im Leben herrschen"?
Sicher wird keiner, der diese Erlösung persönlich erfahren hat, jemals
versucht sein, so zu denken.
Wenn es stimmen würde, daß Gleiches mit Gleichem vergolten werden und
daß das Opfer des Erlösers mindestens gleichwertig sein mußte mit dem
oder den Wesen, die er erlösen sollte, dann folgt doch daraus, daß das
Opfer eines vollkommenen, doch begrenzten Lebens - falls so etwas
existieren könnte - nur ausreichen würde, um die Sünde eines einzigen
anderen begrenzten Lebens zu sühnen. Dann könnte Christus höchstens als
der Sühner für die Sünde Adams angesehen werden, aber nicht für die
seiner Nachkommen. Aber die Heilige Schrift lehrt, daß Jesus "der
Heiland der Welt" (Joh. 4,12) ist; er
wurde gesandt, "daß die Welt durch ihn
errettet werde" (1.Joh. 4,14). - "Und er ist die Sühnung für unsere
Sünden, nicht allein aber für die unseren, sondern auch für die ganze
Welt" (Joh. 3,17; 1.Joh. 2,2). Außerdem steht fest, daß die Engel und
sogar die Himmel selbst unrein sind, und daß das Opfer Christi auch
diesen zur Reinigung dienen soll (Hiob 4,18; 15,15; 25,5).
Stell dir für einen Augenblick das kosmische Ausmaß dieser Erlösung vor,
daß ein Opfer benötigt wurde, das hinreichend war für die Millionen und
aber Millionen von Geschöpfen der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft,
ein Opfer, das die Himmel reinigen und mit Gott versöhnen würde (Kol.
1,20; Hebr. 9,23). Hätte dies dadurch erreicht werden können, daß ein
sündloser Adam sein Blut vergossen hätte? Hätte ein Michael oder ein
Gabriel, selbst wenn er ohne Tadel und unbefleckt wäre, Menschengestalt
annehmen, gehorsam werden bis zum Tode und dadurch solch große Erlösung
bewirken können? Die Aufgabe war ja nicht nur, Seelen vom Tode zu
erretten, sondern "viele Söhne zur Herrlichkeit zu bringen" (Hebr.
2,10), sein Volk von aller Bosheit und Ungerechtigkeit zu erlösen und
"daß er die Versammlung sich selbst verherrlicht darstellte, die nicht
Flecken oder Runzel oder etwas dergleichen habe" (Eph. 5,27). Mach dir
dieses Wunder klar, und du wirst nie mehr zweifeln an der Göttlichkeit
dessen, der es vollbrachte! Eine unendliche Erlösung erfordert einen
unendlichen Erlöser: "Ich, der mächtige Jakobs, dein Erlöser" (Jes.
49,26).
Laßt uns nun einige Einwände kritisch betrachten, die von denen
vorgebracht werden, die leugnen, daß Christus Gott ist.
Der Anfang der Schöpfung Gottes
Offenbarung 3,14 wird manchmal zitiert als Beweis dafür, daß Jesus
Christus geschaffen wurde und daß er somit niedriger wäre als Gott. Es
heißt an dieser Stelle: "Und dem Engel der Versammlung in Laodicea
schreibe: dieses sagt der Amen, der treue und wahrhaftige Zeuge, der
Anfang der Schöpfung Gottes" (Offb. 3,14). Diese letzte
Aussage wird aufgefaßt, als bedeute sie, daß Jesus das erste Wesen war,
das Gott erschuf. Wir wollen das untersuchen. Das mit "anfangen"
übersetzte Wort (griechisch: arche) wird in der Offenbarung sonst nur an
zwei Stellen gebraucht. In Kapitel 21, 6 sagt Gott: "Ich bin das Alpha
und das Omega, der Anfang und das Ende." Niemand, der überhaupt an Gott
glaubt, wird aber annehmen, daß Gott einen Anfang hatte oder daß er
eines Tages ein Ende haben wird, sondern vielmehr, daß er der Anfang und
das Ende aller Dinge ist, der Urheber
und Beender aller Existenz.
Die andere Stelle, an der dieses Wort vorkommt, ist Kapitel 22, 13. Sie
lautet hier fast gleich: "Ich bin das Alpha und das Omega, der Erste und
der Letzte, der Anfang und das Ende." Aber der das sagt, ist diesmal
der, der im Vers davor gesagt hat: "Siehe, ich komme bald!", und dem
sein Volk Vers 20 antwortet: "Amen; komm, Herr Jesus!" So ist der Sohn
mit dem Vater zusammen auch der Urheber und Beender, der Urgrund, der
alles, was er begonnen hat, zum Abschluß bringen wird. Wie kann er dann
selbst geschaffen worden sein? Nein, das in Offenbarung 3, 14 mit
"Anfang" übersetzte Wort heißt in erster Linie "Ursprung", wie auch in
den anderen beiden Stellen der Offenbarung; Jesus Christus ist "der
Ursprung der Schöpfung Gottes" (Joh. 1,3), derjenige, der der Schöpfung
den Anfang gab (Kol. 1,15). Diese Tatsache bezeugt die Heilige Schrift
übereinstimmend. Er ist auch "der Erstgeborene aller Schöpfung" (Kol.
1,15-16; Hebr. 1,2). das betont seine Stellung als Erbe. Er ist
bestimmt, alles zu erben, was er erschuf. Darum fährt die Schrift fort:
"Alle Dinge sind durch ihn und für
ihn geschaffen."
Christus hoch erhoben
Manchen verursacht das Wort: "Darum hat Gott ihn (Jesus) auch hoch
erhoben" (Phil. 2,9) Schwierigkeiten. Sie sagen: ,Wenn Christus Gott
ist, dann hat er doch schon den Platz absoluter Herrschaft im All inne;
wie könnte er dann noch erhoben werden?' Wir brauchen den Abschnitt nur
im Zusammenhang zu betrachten, und die Schwierigkeit ist behoben. Die
beiden vorangehenden Verse regen eine andere Frage an, durch die die
eben genannte Frage beantwortet wird, nämlich: Wie kann einer, den die
Schrift darstellt als "in Gestalt Gottes", "bei Gott" und "war Gott",
sich selbst "zu nichts machen" und "erniedrigen"? Die Antwort: indem er
"Knechtsgestalt annahm, indem er in Gleichheit der Menschen geworden
ist..., indem er gehorsam ward bis zum Tode" (Phil. 2,6-8). Das war das
Äußerste an Selbsterniedrigung, das die Welt jemals sah oder sehen wird.
Und darum geht es an dieser Stelle. Auf dieses höchste Beispiel
göttlicher Demut weist der Apostel die Christen in Philipp! hin. Daß
Gott "ihn hoch erhoben" hat, ist nur die andere Seite der Wahrheit, ist
nur das, was wir in dem Fall auch hätten erwarten sollen. Was uns in
Erstaunen versetzen sollte, ist nicht die Tatsache, daß er hoch erhöht
wurde, sondern daß er, der "in Gestalt Gottes war", sich so erniedrigt
hat zur Errettung der sündigen Menschen. Ist es nicht ganz in der
Ordnung, daß "ihr nun den Sohn des Menschen dahin auffahren sehet, so er
zuvor war" (Joh. 6,62)? Darum hat er ja den Vater gebeten, als er sagte:
"Und nun verherrliche du, Vater, mich bei dir selbst mit der
Herrlichkeit, die ich bei dir hatte, ehe die Welt war" (Joh. 17,5). -
Vor einigen Jahren hatte ein Diener Gottes nach einem Gottesdienst in
einer Kirche in Chikago ein Gespräch mit einem gebildeten jungen Mann
aus Deutschland, dem Sohne eines rationalistischen Theologen. Er merkte,
daß er ernsthaft nach der Wahrheit suchte, aber große Schwierigkeiten
mit dem Neuen Testament hatte, z. B. mit den scheinbaren Widersprüchen
in den Zeugnissen Christi über sich selbst: "Er sagte an einer Stelle,
,Ich und der Vater sind eins' und ,Wer mich gesehen hat, hat den Vater
gesehen'. Aber er sagt bei anderer Gelegenheit, daß sein Vater größer
war als er. Nun kann er doch nicht einerseits eins sein mit Gott und
gleichzeitig geringer als Gott. Und er sagt, ,mir ist alle Gewalt
gegeben'. Das ist aber ein Zugeständnis, daß er selbst keine Gewalt
hatte, sondern diese ihm gegeben wurde; und natürlich ist der, der Macht
erhält, geringer als der, der sie gibt. Sind das nicht Widersprüche in
seinem eigenen Zeugnis?"
Der Christ las die Stellen laut vor und sagte dann: "Angenommen, Sie
hätten gelebt, als Jesus auf der Erde war, und hätten von ihm diese sich
widersprechenden Worte gehört und hätten ihn gefragt. Und nehmen Sie an,
er hätte geantwortet: ,Mein Kind, wenn ich nun, um dich von der Sünde
und dem Fluch des Gesetzes zu erlösen, freiwillig meinen Ruhm, den ich
von Ewigkeit her hatte, abgelegt und es auf mich genommen habe, von
einer Frau geboren zu werden; wenn ich mich dem Gesetz untertan gemacht
und mir so die Beschränkung eures begrenzten Wesens auferlegt habe,
damit ich in dieser Gestalt Gott ein Opfer für die Sünde darbringen
kann, auf Grund dessen er Vergebung der Sünden für die ganze Welt
verkünden kann; kannst du dann nicht begreifen, daß kein Widerspruch in
diesen meinen Worten ist? Denn ich bin eins
mit dem Vater, und wer mich gesehen hat, hat den Vater gesehen; aber um
der Versöhnung willen habe ich freiwillig eine untergeordnete Stellung
eingenommen, damit ich an eurer Stelle sterben kann. Das hätte ich nicht
gekonnt, ohne mich zu erniedrigen, ja, ohne wirklich eure Art
anzunehmen. So spreche ich einmal von meinem ewigen Verhältnis zu Gott
und ein andermal von meinem Verhältnis zu ihm als der Bote des Bundes,
der abgesandt ist, um zu erlösen:"
Der Junge Mann hörte aufmerksam zu und sagte dann, wie zu sich selbst:
"Ja, das könnte sein. Das stimmt, so könnte das sein. Aber gab Christus
jemals eine solche Erklärung? Ist das die Theorie von Christi
Unterordnung unter den Vater?"
Der Christ schlug Philipper 2 auf und antwortete: "Hier haben wir wohl
die Erklärung; denn sehen sie, Paulus versuchte hier Demut zu leh-ren,
indem er die Philipper ermahnte, sich einander freiwillig unterzuordnen,
obwohl sie vielleicht mit Fug und Recht sagen konnten, daß sie
untereinander gleich waren. Er bekräftigte seine Ermahnung damit, dass
er auf Jesus Bezug nahm. ,Denn diese Gesinnung sei in euch, die auch in
Christo Jesu war, welcher, da er in Gestalt Gottes war, es nicht für
einen Raub achtete, Gott gleich zu sein, sondern sich selbst zu nichts
machte und Knechtsgestalt annahm, indem er in Gleichheit der Menschen
geworden ist, und in seiner Gestalt wie ein Mensch erfunden, sich selbst
erniedrigte, indem er gehorsam ward bis zum Tode, ja, zum Tode am
Kreuze'."
Der junge Mann nahm die Bibel in die Hand und las die Stelle mehrmals
leise. Dann sagte er: "Wunderbar! Wunderbar!", und während er noch die
Bibel in der Hand hielt, sagte er mit zitternder Stimme und feuchten
Augen: "Ja, der Sohn Gottes gab um meinetwillen seine
Stellung auf, nahm meine Gestalt an und starb am Kreuz für mich'." Und
dann sah er den Christen an und sagte: "Was muß ich Jetzt tun?"
"Nehmen Sie ihn an; und glauben Sie an ihn; und bekennen Sie ihn als
Ihren Heiland." "Darf ich das?"
Der Diener Gottes schlug die Bibel auf und las Römer 10, Vers 9: " ...
daß, wenn du mit deinem Munde Jesum als deinen Herrn bekennen und in
deinem Herzen glauben wirst, daß Gott ihn aus den Toten auferweckt hat,
du errettet werden wirst."
"Darf ich das mal sehen?"
Er nahm die Bibel und las die Stelle laut; dann sagte er: "Ja, ich
glaube in meinem Herzen, daß Gott ihn auferweckt hat von den Toten, und
ich erkenne ihn als meinen Heiland an."
Gemeinsam beugten sie die Knie, und der Diener Gottes dankte für die
Bekehrung des Mannes und empfahl ihn der Bewahrung Gottes. (Nach C. T.
Trumbull)
Christi Fürsprache
Christus wurde wegen seiner Fürsprache für sein Volk oft als Gott
unterstellt angesehen. Wie kann er Gott demütig bitten, wenn er Gott
gleich ist? Da aber seine Fürbitte eine direkte Folge davon ist, daß er
Mensch wurde, ist die Frage oben schon mit beantwortet worden. Wir haben
in der Heiligen Schrift keine Andeutung davon gefunden, daß er solche
Fürbitte tat, ehe er Fleisch geworden war. Aber nachdem er in seiner
Gestalt wie ein Mensch erfunden war, nachdem er um der Sünde willen
gelitten hatte und auferstanden war, ist er eingegangen "in den Himmel
selbst, um jetzt vor dem Angesicht Gottes für uns zu erscheinen" (Hebr.
9,24). Die Bibel betont, daß wir im Himmel vertreten werden, nicht durch
ein ruhmreiches Geistwesen, sondern durch einen verherrlichten Menschen,
den Menschen Christus Jesus. Die Schrift betont ausdrücklich, daß es
"der Sohn des Menschen" (Apg. 7,56) war, den Stefanus zur Rechten Gottes
sitzen sah und daß es "der Sohn des Menschen" ist, den der Mensch einst
wird "kommen sehen auf den Wolken des Himmels" (Matth. 26,64). Unser
gegenwärtiger Vermittler ist (nicht: war) "der
Mensch Christus Jesus" (1.Tim. 2,5). Seine Fürbitte ist ein Teil seines
Vermittlerwerkes und folgt aus seinem Leiden als Mensch. Er hätte
niemals als unser großer Hohepriester Fürsprache tun können, wäre er
nicht ein Mensch gewesen. "Denn jeder aus Menschen
genommene Hohepriester wird für Menschen bestellt in
den Sachen mit Gott... Also .. . auch der Christus ..." (Hebr. 5,1 u. 5)
Nur als Mensch vermag er wirklich "Mitleid zu haben mit unseren
Schwachheiten" (Hebr. 4,15).
Aber es muß betont werden, daß allein schon die Anwesenheit Christi bei
Gott seine Fürbitte ausmacht. "Er beugt sich nicht als ein Flehender vor
der Heiligkeit Gottes, er ist ein Priester auf dem Thron (Sach. 6,13).
Daß der Vater ihn beständig vor sich sieht, das macht seine Fürbitte
aus" (Liddon). Daß Christus immerdar lebt, um sich für uns zu verwenden
(Hebr. 7,25), heißt, daß sein Leben in der Gegenwart Gottes in der
ganzen Erhabenheit seiner Person und der Vollkommenheit seines
vollbrachten Werkes eine beständige Fürsprache zugunsten seines Volkes
darstellt. Schon sein Erscheinen vor dem Angesicht Gottes ist "für uns"
(Hebr. 9,24). Wir haben die Art seiner Fürbitte betrachtet und gesehen,
daß sie sich auf sein Menschsein gründet, welches wiederum von dem
großen Wunder abhängt, daß er "die Gestalt Gottes" mit der
"Knechtsgestalt" vertauschte. Dies ist kein Grund, seine Person und
seine Stellung als geringer anzusehen, vielmehr sollte es uns dazu
führen, die Größe seiner Gnade zu preisen. "Denn ihr kennet die Gnade
unseres Herrn Jesus Christus, daß er, da er reich war, um euretwillen
arm wurde, auf daß ihr durch seine Armut reich würdet" (2.Kor. 8,9).
Ein Gott
Einige haben vielleicht trotz allem noch große Schwierigkeiten, die
Gött-lichkeit Christi anzuerkennen. Sie anzuerkennen heißt, auf Gottes
Thron neben dem Vater sich noch jemanden vorzustellen, und das scheint
der ausgesprochenen Einheit Gottes, wie die Schrift sie lehrt, mit den
Worten: "Jehova, unser Gott, ist nur ein Jehova!" (5.Mose 6,4; vergl.
Jak. 2,19), zu widersprechen. Diesen Vers zitierte Jesus selbst trotz
seines klaren, unzweideutigen Anspruchs auf Göttlichkeit.
Augenscheinlich sah er nichts Unvereinbares oder Un-verträgliches in
diesen beiden Wahrheiten; auch wir werden nichts Unvereinbares darin
finden, wenn wir das Wesen der Einheit Gottes richtig verstehen.
Diejenigen, die an die Göttlichkeit Jesu Christi glauben, sind keine
Polytheisten (Menschen, die an mehrere Götter glauben); sie glauben an einen Gott, einen Jehova,
sie glauben daran, daß die Einheit Gottes ab-solut ist. Aber sie haben
in der Bibel nichts gefunden, wonach Jehova, unser Gott, eine
Person wäre. Eine derartige Behauptung würde der
gesamten biblischen Offenbarung hinsichtlich des Wesens Gottes
widersprechen. Jesus sagte: "Ich und der Vater sind eins", aber nicht:
eine Person. Wenn die Schrift sagt "ein Jehova", so bedeutet dieses
"ein" nicht eine einfache, sondern eine zusammengesetzte Einheit, die in
gleicher Weise zu verstehen ist wie die Aussage der Schrift über die
Bindung der Ehe: "Die zwei werden ein Fleisch sein" (Matth. 19,5).
Niemand wird dies so auffassen, als wären Mann und Frau nicht mehr zwei
verschiedene Personen.
Die Bibel beginnt mit der Feststellung, daß im Anfang "Elohim" war, was
ein Mehrzahlwort für Gott ist und uns auf den geheimnisvollen Vers
vorbereitet, in dem Gott mit sich selbst in der Mehrzahl spricht:
"Lasset uns Menschen machen in unserem Bilde,
nach unserem Gleichnis" (1.Mose 1,26).
War-um dieses "uns"? Wie bringen wir dieses "in unserem Bilde, nach
unserem Gleichnis" in Einklang mit dem nächsten Vers: "Und Gott schuf
den Menschen in seinem Bilde"? Die
Schlange sagte von dem verbotenen Baum: "... daß welches Tages ihr davon
esset... ihr sein werdet wie Gott, erkennend Gutes und Böses" (1.Mose
3,5 u. 22); und nachdem sie davon geges-sen hatten, heißt es: "Und
Jehova Gott sprach: Siehe, der Mensch ist ge-worden wie unser einer,
zu erkennen Gutes und Böses." Derartige Abschnitte lassen sich nicht in
Einklang bringen mit der unitarischen An-sicht, die darauf besteht, daß
Gott eine einzige Person ist. - Eine der bedeutendsten der biblischen
Aussagen, die sich auf das Wesen Gottes beziehen, ist: "Gott ist Liebe".
Diese Aussage galt schon vor Beginn aller Zeiten, vor der Erschaffung
des ersten Geschöpfes. Aber wie kann Liebe bestehen in völliger
Isolierung? Der Leser möge über Augustins Gedanken weckenden Ausspruch
nachsinnen: "Wenn Gott Liebe ist, dann muß in ihm ein Liebender, ein
Geliebter und ein Geist der Liebe sein."
Ein islamischer Jurastudent hatte ein Johannes-Evangelium bekommen. Er
brachte es zurück mit der Bitte, ihm den ersten Vers zu erklären. Er
sagte: "Dieses Buch spricht von einem, der das Wort Gottes genannt wird,
und sagt, daß er sowohl bei Gott als auch Gott selbst sei. Wie kann
jemand bei sich selbst sein?" Ein Christ antwortete ihm: "Wenn Sie eine
Mathematikaufgabe vor sich hätten, die sie nicht lösen könnten, und Sie
gingen damit zu Ihrem Lehrer, und der könnte sie auch nicht lösen, dann
wäre zumindest so viel gewiß, daß weder Sie noch der Lehrer diese
Aufgabe erfunden haben. Nun liegt hier keine mathematische, sondern eine
theologische Frage vor, nämlich die Existenz und das We-sen Gottes als
Dreieinigkeit. Tausende der fähigsten Köpfe haben im Lauf der
Jahrhunderte über dieses Problem nachgedacht, und keiner war je in der
Lage, es zu erklären. Wer erfand es denn? Was der Mensch erfindet, kann
der Mensch lösen; was der Mensch nicht erklären kann, kann er nicht
erfunden haben. Es muß eine Offenbarung sein." Es braucht kaum gesagt zu
werden, daß der Student keine Antwort darauf geben konnte.
Einige betrachten die Lehre von der Dreieinigkeit mit Geringschätzung,
nur weil sie ein Geheimnis ist. Das würde voraussetzen, daß für sie
nichts Unerklärliches an Gott ist; alles ist ganz einfach. Sie verehren
an-scheinend einen Gott, den sie in die engen Grenzen ihres kleinen
Verstandes fassen können. "Kannst du die Tiefe Gottes erreichen, oder
das Wesen des Allmächtigen ergründen? Himmelhoch sind sie - was kannst
du tun? tiefer als der Scheol - was kannst du wissen?" (Hiob 11,7-8)
Wenn uns jemand einen "Gott" präsentiert, den wir begreifen und erklären
können, dessen unendliches Wesen nicht mehr in Geheimnisse gehüllt ist,
dann weigern wir uns, diese Schöpfung des begrenzten Menschen-verstandes
anzubeten, und von seiner heiligen Wohnung herab wird der Gott des
Himmels zürnen: "Du dachtest, ich sei ganz wie du. Ich werde dich
strafen!" (Psalm 50,21)
Schlußfolgerungen
Vor dem ersten Kommen Christi konnten die Menschen ihre wahre Hal-tung
dem Allmächtigen gegenüber verbergen, da sie leicht behaupten konnten,
an einen unsichtbaren, nicht näher zu erfassenden Gott zu glauben. Die
Vorstellung, die sie von Gott hatten, war oft recht unbestimmt,
schemenhaft, unwirklich. "Als aber die Fülle der Zeit gekommen war,
sandte Gott seinen Sohn, geboren von einem Weibe" (Gal. 4,4). Da wurde
der Un-sichtbare sichtbar, der Nicht-Wahrnehmbare wurde Fleisch, das die
Menschen betasten (1.Joh. 1,1) oder auch mißhandeln konnten, wenn sie
wollten. Gott, der Geist ist, war Fleisch geworden in der Gestalt seines
Sohnes, der "der Abglanz seines Wesens" ist, das genaue Abbild Gottes.
Nun stand einer mitten unter ihnen, den sie nicht kannten, aber der ohne
Bedenken erklärte: "Wer mich gesehen hat, hat den Vater gesehen" (Joh.
14,9). Nun konnte die wahre Herzenseinstellung der Menschen ihrem Gott
und Schöpfer gegenüber nicht mehr länger verborgen werden hinter der
un-verbindlichen Versicherung, daß man ihn liebe oder an ihn glaube.
Gott hat den Menschen eingeholt, hat ihm seine Maske heruntergerissen;
seit-dem muß der Mensch seine Einstellung zu Gott unmißverständlich zu
er-kennen geben durch seine Haltung gegenüber dem Menschen Jesus
Christus.
Diese wichtige Wahrheit wird in den Schriften des Apostels Johannes
wiederholt betont: Wenn du den Sohn Christus kennst, so kennst du auch
den Vater (Joh. 8,19); wenn du an Christus glaubst, glaubst du damit an
den, der ihn gesandt hat (Joh. 14,6-7; 12,44); wenn du den Sohn
bekennst, dann hast du auch den Vater (1.Joh. 2,23).. Wenn du
andrerseits den Sohn nicht ehrst, so ehrst du auch den Vater nicht (Joh.
5,23); wenn du den Sohn leugnest, hast du den Vater nicht; wenn du den
Sohn hassest, so hassest du auch den Vater (Joh. 15,23). Es ist daher
unmög-lich, Gott gegenüber eine andere Haltung einzunehmen, als Christus
gegenüber. Du kannst nicht die Göttlichkeit des Vaters anerkennen und
die Göttlichkeit des Sohnes leugnen, denn die Leugnung des Sohnes ist
die Leugnung des Vaters. Ob du das verstehst, ob du das glaubst oder
nicht, das ändert nichts an der Tatsache als solcher, daß dein
Verhältnis zu Christus dein Verhältnis zu Gott ist. "Was hälst du von
Christus?" ist die Frage, an der sich dein Verhältnis zu Gott
entscheidet; und deine Antwort auf diese Frage bestimmt dein ewiges
Schicksal. Hör auf sein heiliges Wort: "Denn wenn ihr nicht glauben
werdet, daß ich es bin, so werdet ihr in euren Sünden sterben" (Joh.
8,24).
"Was hältst du von Christus?" ist die Frage,
der Test für deinen Standpunkt, deinen Blick.
Du kannst nicht richtig stehen,
kannst nichts wissen,
wenn du ihn nicht recht erkennst.
Was Christus für dich ist -
ob du ihn liebst, ob du ihn hassest -
ist Gott für dich.
Und seine Gnade oder sein Zorn
ist dein Los.
Einige meinen, er sei Geschöpf,
ein Mensch vielleicht oder Engel.
Doch das ist er nicht.
Ob sie nicht wissen,
daß sie verdammt, verloren sind?
So schuldig, hilflos ich bin,
nicht dürfte ich vertrauen auf sein Blut,
nicht verlassen mich auf ihn -
wenn ich nicht wüßte, daß er Gott ist.
Nach John Newton
Jede Lehre, die leugnet, daß der Sohn Gottes wirklich Gott und dabei
wirklich Mensch ist, ist ein Glauben ohne Fundament; bei einem solchen
Glauben sind auch alle übrigen Lehrsätze zweifelhaft.
Ein bekannter Bildhauer, Joh. Dannecker (1758-1841), wollte gern der
Nachwelt ein Meisterwerk hinterlassen, das immer seinen Wert behielte.
Betend sann er darüber nach. Eines Abends, als er im Neuen Testament
las, stieß er auf die Worte: "Und anerkannt groß ist das Geheimnis der
Gottseligkeit." Dies Wort ließ ihm keine Ruhe mehr, er las es wieder und
wieder. "Wenn ich nur den Sinn erfassen und ihn dann in Marmor umsetzen
könnte!", sagte er zu sich selbst. Er bat Gott um Gnade und Führung und
widmete sich dann ganz dieser Aufgabe.
Schließlich vollendete Dannecker seine Statue vom göttlichen Christus.
Er lud eine Gruppe Kinder ein, in sein Atelier zu kommen. Sie sollten
seine Arbeit besehen. Bewundernd betrachteten die Kinder die stattliche
Figur, und ein Junge meinte: "Das muß ein sehr großer Mann
sein!" Dannecker war bitter enttäuscht. Den Eindruck der Größe hatte er
nicht schaffen wollen. Er dankte den Kindern und ließ sie gehen. Dann
machte er sich an die Arbeit und schuf ein zweites Standbild. Wieder
ließ er eine Gruppe Kinder kommen. Diese wurden wie magnetisch zu der
wunderbaren Gestalt dort auf dem Sockel hingezogen. Der Ausdruck ihrer
Gesichter verriet, daß das Kunstwerk zu ihnen sprach. Ein Mädchen brach
schließlich das Schweigen: "Das muß ein sehr guter Mann
gewesen sein." Dannecker war ermutigt, aber noch keineswegs befriedigt.
Er entschloß sich, noch einen Versuch zu wagen. Als er dann die dritte
Statue vollen-det hatte, ließ er noch einmal einige Kinder kommen. In
seinem weißen Kittel stand er im Atelier und forschte in den Gesichtern
der eintretenden Kinder. Diesmal sah er, wie die Jungen mit angehaltenem
Atem ihre Müt-zen abnahmen; ein Mädchen fiel auf die Knie. Dannecker
fühlte, daß er endlich die Verehrung hatte
ausdrücken können, die sein Herz erfüllte.
Auf den vorliegenden Seiten ist ein Bild Christi gezeichnet worden -
nicht mit dem Geschick eines Bildhauers, noch mit dem Pinsel eines
Künst-lers, sondern mit der Feder eines Jüngers. Der Leser wird zugeben
müssen, daß die Linienführung dieses Bildes nicht aus einigen wenigen
Beweisstellen oder aus dem Zusammenhang gerissenen Schriftabschnitten
hergeholt ist, sondern daß das Bild gewonnen ist aus der gesamten
Offenbarung Christi, wie die Bibel sie darstellt. Was hälst du von
Christus? Stehe still und betrachte ihn noch einmal! Er wird das A und 0
genannt, der Erste und der Letzte, der König der Könige und Herr der
Herren, der mächtige Gott, der Vater der Ewigkeit, der Herr der
Herrlichkeit, der Fürst und Urheber des Lebens, der Herr über alles.
Betrachte ihn, wie er beim Vater war, ehe die Zeit begann, der Ausdruck
seiner Herrlichkeit, das Ebenbild seines Wesens! In ihm wohnt die ganze
Fülle der Gottheit leibhaftig. Betrachte ihn, der der Schöpfer des Alls
ist, ohne den nichts gemacht ist, was gemacht ist; ihn, den Erhalter
aller Dinge, der die Her-zen erforscht, Sünden vergibt, ihn, der für die
Menschen bittet und sie erlöst, der ewiges Leben verleiht, der den
Heiligen Geist ausgießt, der die Toten zu neuem Leben erweckt, ihn, der
die Schlüssel des Todes und des Totenreiches hat, den Richter des Alls.
Denk daran, daß er den Anspruch erhebt, allein Kenntnis vom Vater zu
haben und allein die Macht, ihn den Menschen zu offenbaren; daß er auf
ewig die Ehre, die dem Vater gebührt, mit dem Vater teilt und wie der
Vater erwartet, daß das Geschöpf Mensch ihm vertraut, mit seinen Bitten
zu ihm kommt, ihn an-betet. Wolltest du es wagen zu behaupten, daß er
nur ein Geschöpf sei, von seinem eigenen Schöpfer durch eine unendliche
Kluft getrennt? Woll-test du ihn nur als einen guten Menschen achten?
Oder willst du ihn als den Gott-Menschen lieben und anbeten?
Sei es, daß du zum erstenmal erkannt hast, wer Jesus ist; oder sei es,
daß dir nie in den Sinn gekommen ist, daran zu zweifeln, daß er der
göttliche Christus ist - wo immer auch dein geistlicher Standort sein
mag, prüfe, ob du im Glauben stehst! Es könnte sein, daß du ihm und
seiner Lehre wohl verstandesmäßig zustimmst, daß dein Glaube aber nicht
der Glaube des Herzens ist, der Glaube, der rettet und verwandelt, der
dich in die Gemeinschaft bringt mit dem, an den du glaubst, der Glaube,
der dich hinführt zu Gott. Der neue Herrschaftsbereich, in dem der lebt,
der glaubt, ist: "in Christus" (2.Kor. 5,17). Bist du "in Christus"?
"Daher, wenn Jemand in Christo ist, da ist eine neue Schöpfung." - Bist
du eine neue Schöpfung? "Das Alte ist vergangen, siehe, alles ist neu
geworden." Ist das bei dir Erfahrung geworden? Du kannst es dir nicht
leisten, dieser Frage auf Leben und Tod auszuweichen, in dieser
Angelegenheit anders als kristallklar zu sein. Deine Herzenshaltung
Christus gegenüber entscheidet über dein ewiges Schicksal!
Vor dir steht Christus, wie er vor langer Zeit seinen ersten Jüngern
erschien als der Gekreuzigte und Auferstandene. Er ist kein
Hirngespinst, keine Illusion, nicht ein Geist. Er sagt: "Betastet mich
und sehet, denn ein Geist hat nicht Fleisch und Bein, wie ihr sehet, daß
ich habe" (Luk. 24,39). Ja, er ist es wirklich, und er kommt zu uns mit
den Malen seines Leidens an seinem Auferstehungsleib. Dieser göttliche
Retter wurde um deiner Übertretungen willen verwundet, um deiner Bosheit
willen geschlagen. Die Strafe - der Preis für deinen Frieden - wurde auf
ihn gelegt, und durch seine Wunden bist du geheilt (Jes. 53,5). Die
Liebe, die ihn um deinetwillen vom Thron der Ehre ans Kreuz der Schande
brachte, ist in den vergangenen Jahrhunderten nicht geringer geworden.
Er sagt: "Komm zu mir." Willst du nicht vor seinen durchbohrten Füßen
niederfallen in wahrer Reue, in lebendigem Glauben, in freudiger
Unterwerfung, und mit Thomas sagen: "Mein Herr und mein Gott!" (Joh.
20,28)?
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