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Jesaja 18 Flügelgeschwirr

Jes 18,4 Denn so hat Jehova zu mir gesprochen:
Ich will still sein und will zuschauen in meiner Wohnstätte, wie heitere Wärme bei Sonnenschein,
wie Taugewölk in der Ernteglut.


Jes 18,1 He!<O. Wehe!> Land des Flügelgeschwirrs<O. der überschattenden Flügel.>, jenseits der Ströme<Bezeichnung des äthiop. Reiches in seiner größten Ausdehnung (wie Zeph 3,10).> von Äthiopien,

Ströme: Nah 3,8-9; Zef 3,10

Jes 18,2 das Boten entsendet auf dem Meer und in Papyrusbooten über der Wasserfläche! Geht hin, schnelle Boten, zu der Nation, die geschleppt<O. zerstreut.> und gerupft ist, zu dem Volk, wunderbar<O. furchtbar.>, seitdem es ist und weiterhin, der Nation von Vorschrift auf Vorschrift<W. Mess-Schnur auf Mess-Schnur.> und von Zertretung, deren Land Ströme beraubt haben.<Viele Übersetzer beziehen das ganze Kap. auf Äthiopien (vgl. Psalm 68,32) u. übersetzen V. 2 u. 7 dementsprechend.>

Boten: 2. Kö 19,9; Hes 30,9

Volk: 1. Mo 10,5-9; 2. Chr 12,2-4; 2. Chr 16,8

Jes 18,3 Ihr alle, Bewohner des Erdkreises und die ihr auf der Erde ansässig seid, wenn man ein Banner auf den Bergen erhebt, so seht hin; und wenn man in die Posaune stößt, so hört!

alle: Jes 1,2; Ps 49,1-2

Kriegsban.: Jes 5,26; Jes 62,10

Jes 18,4 Denn so hat Jehova zu mir gesprochen: Ich will still sein und will zuschauen in meiner Wohnstätte, wie heitere Wärme bei Sonnenschein, wie Taugewölk in der Ernteglut.

gesproch.: Am 3,7

Wohnstätte: Jes 26,21; Jes 57,15; Jes 66,1

Jes 18,5 Denn vor der Ernte, sobald die Blüte vorbei ist und die Blume<Eig. die unreife Frucht.> zur reifenden Traube wird, da wird er die Reben abschneiden mit Winzermessern und die Ranken wegtun, abhauen.

Jes 10,33-34; Jes 17,11; Hes 17,6-10

Jes 18,6 Sie werden allesamt den Raubvögeln der Berge und den Tieren der Erde überlassen werden; und die Raubvögel werden darauf übersommern, und alle Tiere der Erde werden darauf überwintern.

Jes 37,36; Hes 32,4-6; Hes 39,17-19

Jes 18,7 In jener Zeit wird Jehova  der Heerscharen ein Geschenk dargebracht werden: ein Volk, das geschleppt<O. zerstreut.> und gerupft ist, und von einem Volk<O. und zwar aus einem Volk (d.h. aus diesem bestehend).>, wunderbar<O. furchtbar.>, seitdem es ist und weiterhin, einer Nation von Vorschrift auf Vorschrift<W. Mess-Schnur auf Mess-Schnur.> und von Zertretung, deren Land Ströme beraubt haben – zur Stätte des Namens Jehova  der Heerscharen, zum Berg Zion.

Geschenk: 2. Chr 32,23; Ps 68,30; Zef 3,10

Wohnstätte: Jes 18,4; Jes 60,6-9



18,1-3: Karl Mebus
1 He (oder: Wehe)! Land des Flügelgeschwirrs, jenseits der Ströme von Äthiopien,
2 welches Boten entsendet auf dem Meer und in Rohrschiffchen über der Wasserfläche!
Geht hin, schnelle Boten, zu der Nation, die weithin geschleppt und gerupft ist, zu dem Volk, wunderbar, seitdem es ist und hinfort,
der Nation von Vorschrift auf Vorschrift und von Zertretung, deren Land Ströme beraubt haben.

3 Ihr alle, Bewohner des Erdkreises und die ihr auf der Erde ansässig seid, wenn man ein Panier auf den Bergen erhebt,
so seht hin; und wenn man in die Posaune stößt, so hört!


Das 18. Kapitel hat den Übersetzern und Auslegern seit jeher einige Schwierigkeiten bereitet.
 Es weicht von der Gewohnheit der vorhergehenden Kapitel insofern ab, als es keinen Schuldspruch gegen das hier angesprochene Äthiopien enthält
und auch über die Assyrer nichts sagt.

 Da es sich ohne Überschrift direkt an das 17. Kapitel anschließt, handelt es sich hier eher um eine Fortführung der Gedanken aus dessen letztem Abschnitt.
Dort ist von der ganzen Erde in der Endzeit die Rede.
Im letzten Satz (Kap. 17,14) sind es die von vielen Völkern beraubten Israeliten, über die sich Jehova erbarmt.
 Es ist nichts Ungewöhnliches, dass Jehova Seine Gerichtsankündigungen an die Nachbarvölker Israels unterbricht und Seine Aufmerksamkeit dem Volk und Land zuwendet, das Er liebt und erwählt hat.
Trotz des Getümmels vieler Völker, trotz manchen Umsturzes politischer Verhältnisse und trotz seiner Zerstreuung unter „alle Bewohner des Erdkreises"
wird Er Israel wieder zu seinem Land und Besitztum zurückbringen.
Zu diesem Ziel hin lenkt Er die Geschicke der Völker.


Das „He" oder „Wehe" am Anfang von Vers 1 gilt demnach den Völkern,
die Sein Volk in die ganze Welt „geschleppt und gerupft" haben (V.2).
Sie tun gut daran, Acht zu geben auf das auffällige Zeichen des „Paniers" und auf das Signal der „Posaune" für alle, die auf der Erde ansässig sind (V.3; Kap. 11,12).
Sie sollen ihr Augenmerk auf den richten, der als Richter der ganzen Erde dann „auf den Bergen" Israels in Erscheinung tritt (vergl. V. 7).
Die Völker der Erde müssen ihren Gehorsam unter Beweis stellen, indem sie dem Befehl des Herrn der Herren Folge leisten und Sein Volk zurückführen

(Kap. 11,10; 27,12.13; Joel 3,16.17; Sach2,6.7).

„Schnelle Boten" und Schiffe sind erforderlich, um Sein Volk von überallher über die Weltmeere zurückzuholen in Sein Land.
In demselben Sinn äußert sich Zephanja,
Kap. 3,10: „Von jenseits der Ströme Äthiopiens werden sie meine Flehenden, meine zerstreute Schar, als Opfergabe darbringen."
Jehovas Liebe freut sich über diese Sammlung der Gläubigen aus Israel (Zeph 3,17).
 „Jenseits der Ströme Äthiopiens" bedeutete damals so viel wie 'am Ende der Welt'.
Der Erwähnung von Äthiopien wird hier kaum eine weitergehende Bedeutung beizulegen sein.
         
Der Ausdruck „Vorschrift auf Vorschrift"
in Vers 2 spricht von einer auffallend markierten moralischen Grenzlinie, die der „Gott des Maßes" selbst gezogen hat.

Das Strafmaß bei Überschreitung dieser Grenze ist von Gott im Voraus festgelegt.
Wie das unter Seinen Vorschriften stehende Volk Israel, so wird jedes andere Volk gemäß der Richtschnur Seines Wortes beurteilt werden.
Das verlangt die Gerechtigkeit Gottes.
Er allein fällt den Schuldspruch, der zur „Zertretung" führt (V.2). 2. Könige 21,12-15 zeigt, dass Jehova dieselbe Meßschnur,
die Er bei einem früheren Gerichtsschlag über Samaria gezogen hatte, auch auf Jerusalem anwendet,
trotz dessen Sonderstellung als Seine erwählte Stadt. Gerechterweise legt Er an diese Stadt auch „das Senkblei des Hauses Ahabs" an,
das die senkrechte gerade Linie des Gerichts veranschaulicht.
Die Meßschnur und das Senkblei Gottes geben jedem Gerichtsverfahren die unveränderliche Linie göttlicher Gerechtigkeit.
Vergleiche Jes 28,17; 34,11b; Am 7,7-9.

18,4-6:
4 Denn also hat Jehova zu mir gesprochen: Ich will still sein und will zuschauen in meiner Wohnstätte, wie heitere Wärme bei Sonnenschein,
wie Taugewölk in der Ernte Glut. 5 Denn vor der Ernte, sobald die Blüte vorbei ist und die Blume zur reifenden Traube wird,
da wird er die Reben abschneiden mit Winzermessern und die Ranken hinwegtun, abhauen.

6 Sie werden allzumal den Raubvögeln der Berge und den Tieren der Erde überlassen werden;
und die Raubvögel werden darauf übersommern, und alle Tiere der Erde werden darauf überwintern.


Gott schaut zu! Das bestätigen die Psen 2,1-4 und 33,13-19. Er schaut aus „auf Böse und auf Gute" (Spr 15,3).
 Denn „kein Geschöpf ist vor ihm unsichtbar, sondern alles ist bloß und aufgedeckt vor den Augen dessen, mit dem wir es zu tun haben" (Heb



4,13; Jer 23,24). Für uns ist es schwierig, komplizierte Tatbestände richtig zu beurteilen.
Gott aber durchschaut schon bei bloßem Zuschauen alles bis ins Letzte. Die Werke der Menschen verfolgt Er aufmerksam.
Wenn Er dem Bösen nicht Einhalt gebietet, obwohl es nach menschlichem Dafürhalten notwendig wäre, dann hat Er dafür Seinen Grund.
Er kennt das Herz der Menschen. Die Anfänge, die Entwicklungsphasen und der Ausgang einer Sache sind Ihm bekannt.
Unerwartete Wendungen gibt es für den Allwissenden nicht. Zu Seiner Stunde schreitet Er ein. Der Gläubige vertraut auf Ihn.
Das gibt ihm Frieden und bewahrt ihn vor zweifelnden Überlegungen (Markus 11,23; Phil 4,7; Jak 1,6).

Prüfend beobachtet Gott die Entwicklungsstadien der Völker. Er sieht ihre zunehmende Gottlosigkeit und Verderbtheit.
Die Bilder vom Jahresablauf, von der angenehmen Wärme des ersten Sonnenscheins bis zur Gluthitze während der Ernte, von der Blütezeit bis zur Fruchtbildung,
zeigen anschaulich, dass Er das Wachsen einer Sache bis zum ausgereiften Zustand verfolgt. Läuft etwas Seinem Willen entgegen,
dann schneidet Er im geeigneten Augenblick die falschen Reben und wilden Ranken ab (V.5) und überlässt sie dem Gericht.
Sein Eingriff in das böse Treiben kommt nie verfrüht oder zu spät. Niemand kann Ihn hindern oder Ihm vorgreifen.
Nicht anders ist es in der Entscheidungsphase von Kriegen oder bei Gefahr durch Naturkatastrophen und Seuchen.

Mit der Wachsamkeit der Liebe begleitet Jehova die Geschicke Seines Eigentumsvolkes (2.Mo 2,23-25; 5.Mo 32,10-13)
und lenkt sie zu dessen Wohl. So können auch wir Seiner Liebe vertrauen. Seine Führung wird in keinem unserer Lebensumstände versagen.
Die Erprobungen sind notwendig, damit wir uns unserer Abhängigkeit von Ihm bewusst werden.
Wenn die Not groß wird und nach unserem Dafürhalten eine schlimme Endphase bevorsteht, dann kürzt unser Gott die Reihe gefürchteter Ereignisse ab,
die wir wie unabänderlich auf uns zukommen sahen. Das erlebten Hiob und Joseph, David, Daniel und viele andere, so auch die Stadt Jerusalem (Kap. 37,35).
 Was in Vers 6 als Gericht über die Gottlosen prophezeit wird, lesen wir als tatsächliches,
geschichtliches Ereignis in Kapitel 37,36 dieses Buches und als endzeitliche Erfüllung in Offenbarung 19,17.18 und Hesekiel 39,11-16.

18,7: In jener Zeit wird Jehova der Heerscharen ein Geschenk dargebracht werden: ein Volk, das weithin geschleppt und gerupft ist, und von einem Volk, wunderbar,
seitdem es ist und hinfort, einer Nation von Vorschrift zu Vorschrift und von Zertretung, deren Land Ströme beraubt haben —
nach der Stätte des Namens Jehovas der Heerscharen, nach dem Berg Zion.

Der Überrest des Volkes Israel wird bei der Wiederherstellung aller Dinge zu Beginn des Tau'sendjährigen Reiches (vergl. Kap. 19,18ff.)
ein besonders annehmliches Geschenk für Jehoya sein. Er wird es wie eine Darbringung, einem Opfer ähnlich, von den Bewohnern des Erdkreises als ihre Gabe entgegennehmen
(Kap. 66,20; Zeph 3,10),
wenn Er Seine Wohnung in Zion nimmt, um von dort aus über die ganze Erde zu regieren. Israel ist dann zu ewigem Segen mit Ihm, seinem Messias, verbunden unter dem neuen Bund.
Der Berg Zion ist die Stätte der Gnade Gottes für Sein irdisches Volk (Kap. 2,3).
Dann wird Jehova an diesem schwer geprüften Volk erneut Wunder tun.
Ihre Verhältnisse kommen wieder in Ordnung und in Übereinstimmung mit Gott.
Er erfreut sich in Seinem Reich auf der Erde der Gemeinschaft mit Israel. Wunderbar ist die Umwandlung dieses Volkes,
das vorher Seine Vorschriften missachtet hatte und deswegen ein Beispiel der „Zertretung" im Gericht geworden war (V.2).
Gegen alle Widerstände erreicht Gott Sein Ziel, und dies verherrlicht Ihn


-*-*-

Eine unheilige Allianz  A.R. E&E

Das achtzehnte Kapitel des Propheten Jesaja, dessen Thema das Volk Gottes ist,
steht wie ein Anhang oder eine Einschaltung zwischen den Aussprüchen über Damaskus
und über Ägypten. Der Abschnitt knüpft in gewisser Weise an den Anfang des vorigen
Kapitels an: Dort ist die Rede von einem Bündnis zwischen dem Zehnstämmereich
und Syrien, hier von einer Allianz der Juden mit den Nationen, die damals noch in
ferner Zukunft lag, in der Gegenwart jedoch ungefähr seit dem Ende des zweiten Weltkrieges
deutlich zu erkennen ist. Ähnlich wie in Hesekiel 37 wird hier die anfänglich im
Unglauben erfolgende Wiedererstehung eines Staates der Juden in ihrem Land
beschrieben.

Diese Weissagung, die auf unterschiedlichste Weise erklärt und von vielen Auslegern
nicht auf Israel, sondern auf Äthiopien bezogen wird, wird durch eine Aussage des Propheten
Zephanja in bemerkenswerter Weise ergänzt und teilweise erklärt. Er fasst
nämlich das Endergebnis, die vollkommene Wiederherstellung Israels im verheißenen
Land, in dem einen Satz zusammen:
„Von jenseits der Ströme Äthiopiens werden sie meine Flehenden, meine zerstreute Schar,
 mir als Opfergabe darbringen“ (vgl. Verse l und 7a mit Zeph 3,10).

Mit den Worten „He! Land des Flügelgeschwirrs [oder: Land der überschattenden Flügel],
jenseits der Ströme von Äthiopien“ wird ein Land gerufen, dessen Name nicht erwähnt
wird. Es kann sich aber kaum um Äthiopien handeln. Wenn der hebräische Name
Kusch auch meistens mit Äthiopien übersetzt wird, kann er doch Gebiete bezeichnen,
 die sowohl westlich als östlich des Roten Meeres liegen, also nicht nur in
Afrika, sondern auch in Asien (1. Mo 2,13; 1. Mose 10,6ff.; 2.Chr 21,16; Hes 29,10).
Die Ströme von Kusch scheinen daher der Nil im Westen und der Euphrat im Osten zu
sein. Diese Flüsse begrenzten das Israel umgebende Gebiet, ja, Gott hatte einst Abraham
sogar verheißen, seiner Nachkommenschaft das „Land vom Strom Ägyptens bis
an den großen Strom, den Strom Phrath“ zu geben (1. Mo 15,18).



Offenbar steht das ungenannte, ferne Land in freundschaftlicher und schutzgewährender
Beziehung zu Israel, deshalb ist statt „Land des Flügelgeschwirrs“ vielleicht „Land
der überschattenden Flügel“ zu übersetzen, denn das hebräische Verb zalal kann nicht
nur „beben, zittern“, sondern auch „dunkel werden, Schatten geben“ bedeuten. Sowohl
Schatten als auch Flügel sind oft Synonyme für Schutz. Wie liebte David den Schatten
der Flügel des Herrn (Ps 17,8; 36,7; 57,1; vgl. Jes 30,2)! Das ferne Land entsendet Boten
 auf dem Meer und Rohrschiffchen über die Wasserfläche. Aus Papyrus oder Binsen
hergestellte Boote sind als Transportmittel auf den Flüssen von Ägypten und Assyrien
bekannt, doch ist der Ausdruck hier wohl in einem allgemeineren Sinn so zu verstehen,
dass das betreffende Land keine Landverbindung zu Israel hat und
möglicherweise eine große Seemacht ist (Vers 2).

Israel ist der Gegenstand seiner Bemühungen, denn es gibt wohl kein anderes Volk auf
der Erde, auf das die nun folgende göttliche Charakterisierung besser zutreffen
könnte: Eine Nation, „die weithin geschleppt und gerupft ist“, ein Volk, „wunderbar,
seitdem es ist“, und eine Nation „von Vorschrift auf Vorschrift [oder: von Maß zu Maß;
oder: wartend, wartend] und von Zertretung, deren Land Ströme beraubt haben“.
Welches Volk außer Israel hat wohl im Lauf seiner nun jahrtausendelangen Geschichte so
viel leiden müssen und ist doch wunderbar und gefürchtet seit dem Zeitpunkt seiner
Entstehung! Es hat die Rechtsforderungen Gottes im Gesetz empfangen, die jedoch,
 als es von Ihm abfiel, zu genau bemessenen Gerichten führten, die auch jetzt noch
nicht vorüber sind (vgl. Kap. 28,13). Welches Volk ist so zertreten worden wie die
Juden, und welches Land ist so oft und grausam von mit gewaltigen Strömen zu
vergleichenden fremden Mächten beraubt worden wie Israel (vgl. Kap. 8,7)?


Allein die Existenz des seit Jahrtausenden aus seinem Land in alle Winde vertriebenen
Volkes ist ein Wunder und zugleich einer der klarsten Beweise für die Wahrheit der
Heiligen Schrift. Die Sehnsucht vieler Juden nach einer nationalen Heimstätte führte
vor ungefähr hundert Jahren zu einer stetig wachsenden Rückkehrbewegung in das
„Land der Zierde“, die – nach der größten „Zertretung“ in der Geschichte dieses Volkes
– ihren Höhepunkt in der Gründung eines unabhängigen Staates Israel im Jahr 1948
fand. Von allen Ländern sind besonders die Vereinigten Staaten dem jungen Staat zu
Hilfe gekommen, der sich in wenigen Jahrzehnten zu einem bedeutenden Industrie-
und Agrarland mit enormer militärischer Schlagkraft entwickelt hat. Doch alle
wirtschaftlichen, politischen und militärischen Erfolge sind von Unglauben im Blick auf
den Herrn Jesus als Messias Israels gekennzeichnet. Noch immer gilt die Weissagung
Jesajas in Kapitel 6,9: „Hörend hört, und versteht nicht; und sehend seht, und erkennt
nicht!“ Noch immer liegt die Decke auf ihrem Herzen, die erst dann weggetan wird,
wenn sie zum Herrn umkehren werden (2. Kor 3,14-16).

Ein Signal

Mit seinem nun folgenden Aufruf an die Bewohner der gesamten Erde: „Wenn man ein
Panier auf den Bergen erhebt, so seht hin; und wenn man in die Posaune stößt, so
hört!“ (Vers 3), scheint der Prophet den bisher beschriebenen Ereignissen ein wenig
 vorauszueilen und auf die letzte Phase der Wiederherstellung des irdischen Volkes
Gottes hinzuweisen. Schon in Kapitel 11,12 hatte er gesagt, dass Gott den Nationen
ein Panier erheben und die Vertriebenen Israels zusammenbringen, und die Zerstreuten
Judas von den vier Enden der Erde sammeln wird, und in Kapitel 27,13 ist von dem
Posaunenstoß die Rede, der die Verlorenen in Assyrien und die Vertriebenen in Ägypten
zur Rückkehr in das Land rufen wird. Diese beiden göttlichen Signale, das Panier
und die Posaune, werden die ganze Welt zum Hinschauen und Aufhorchen bringen
und die endgültige Rückführung des Volkes einleiten.

Doch bis dahin ist es noch ein schmerzlicher Weg. Zunächst sieht es zwar so aus, als
ließe Gott alles geschehen, obwohl Er in Seiner Regierung doch hinter allem steht.
Er hält sich gleichsam zurück und beobachtet die eifrigen Bemühungen zur Rückführung
der Juden unter dem Schutz des in den Versen l und 2 genannten Landes von Seiner
Wohnstätte aus „wie heitere Wärme bei Sonnenschein, wie Taugewölk in der Ernte
Glut“ (Vers 4). Noch hat Er Seine Beziehungen zu Seinem Volk nicht wieder angeknüpft,
 obwohl Er alles sieht, was in Seinem Land geschieht.

Gericht

Wie auf die Blüte die Ernte folgt, so scheint den Menschen das ersehnte Ziel jetzt in
erreichbare Nähe gerückt zu sein. Doch alle diese menschlichen Pläne werden zugrunde
gehen, denn bevor die Blume zur reifenden Traube wird und die Ernte kommt, wird
Gott – zunächst durch Gericht – Seine Beziehungen zu Seinem im Ganzen noch abtrünnigen
Volk wieder anknüpfen. Das kann jedoch erst geschehen, nachdem die Versammlung
in den Himmel entrückt ist. Die Versammlung Gottes wird nie zeitgleich mit Seinem
irdischen Volk Israel gesehen; erst „wenn die Vollzahl der Nationen eingegangen
ist, … wird ganz Israel gerettet werden“ (Röm 11,25 f.).

Dann wird die letzte der siebzig von Daniel erwähnten Jahrwochen anbrechen, in der
die von Gott zugemessenen Straf- und Läuterungsgerichte über Sein Volk kommen
werden (Dan 9,24-27). Er selbst wird die

Reben und Ranken des Eigenwillens und der Bosheit abhauen (Vers 5). Das Volk wird
eine Beute der „Raubvögel der Berge und der Tiere der Erde“, das heißt, der mächtigen
Nationen der Welt (Vers 6). In diesen Gerichten, die das Volk Gottes in seinem nun
wieder von ihm bewohnten Land treffen, werden die Gottlosen getötet und der gläubige
Überrest geläutert, wie uns viele andere Stellen des prophetischen Wortes zeigen
(vgl. Kap. 6,11-13; 10,20-23).

Ein Geschenk

Der letzte Vers zeigt, dass die hier beschriebenen Ereignisse tatsächlich in der Endzeit
stattfinden werden. „In jener Zeit wird dem Herrn der Heerscharen ein Geschenk
dargebracht werden.“ Dieses „Geschenk“ ist das Volk, das schon in Vers 2 mit fast den
gleichen Worten beschrieben wird. Doch während es dort anfänglich als „Nation“
(Heb goj, im Plural gojim „Nationen“ oder „Heiden“-Völker) bezeichnet wird, heißt es hier
„Volk“ (Heb am); Gott erkennt es dann wieder als Sein Volk an, wenn es auch danach
noch einmal – im Rückblick auf die Vergangenheit, die „Zeiten der Nationen“ – die
„Nation von Vorschrift auf Vorschrift und von Zertretung“ genannt wird.


Was für ein Geschenk wird es für den Herrn der Heerscharen sein, wenn Sein so reich
gesegnetes und doch jetzt noch so eigenwilliges irdisches Volk Ihm von allen Nationen
als Geschenk, ja als Opfergabe dargebracht werden wird (vgl. Kap. 66,20; Zeph 3,10)!
Das Volk wird ein Geschenk für Ihn sein, und nach langer Zeit der Verblendung
wird es Ihm auch durch Seinen Glauben an den Herrn Jesus als Messias ein großes
Geschenk bringen.

Nicht der Berg Sinai, der Schrecken gebietende Ort des Gesetzes und des Fluches,
sondern der Berg Zion, der liebliche Ort der Königsherrschaft und der Gnade, wird
 dann auf der Erde die „Stätte des Namens des Herrn der Heerscharen“ sein. Während
wir, die Gläubigen der Gnadenzeit, dann bereits auf ewig mit dem Sohn Gottes im Haus
Seines Vaters vereint sind, werden die Wege Gottes mit Seinem irdischen Volk ihre
Krönung gleichsam am Berg Zion finden, von wo während einer Zeit von tausend Jahren
die Herrschaft des Messias in Gerechtigkeit und Friede ausgehen wird (vgl. Kap.
2,3; PS 110,2). A. R.