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Johannesevangelium Walvoord  Edwin A. Blum

Johannes Kapitel 08

Johannes 8Zusammenfassung:

  1. Ehebrecherin: Jesus begegnet einer Frau, die beim Ehebruch ertappt wurde.
  2. Steinigung: Die Pharisäer wollen die Frau steinigen.
  3. Wer ohne Sünde ist: Jesus fordert die Anwesenden auf, den ersten Stein zu werfen, wer ohne Sünde ist.
  4. Vergebung: Jesus vergibt der Frau ihre Sünde.
  5. Ich bin das Licht der Welt: Jesus offenbart sich als das Licht der Welt.
  6. Zeugnis Jesu: Jesus spricht über sein Zeugnis und das Zeugnis des Vaters.
  7. Vater kennen: Jesus sagt, dass die Pharisäer weder ihn noch seinen Vater kennen.
  8. Freiheit: Jesus spricht über die Freiheit, die er den Gläubigen schenkt.
  9. Abrahams Nachkommen: Die Juden behaupten, Abrahams Nachkommen zu sein.
  10. Wahrheit: Jesus sagt, die Wahrheit wird sie frei machen.
  11. Teufel als Vater: Jesus sagt, dass ihr Vater der Teufel ist, weil sie seine Werke tun.
  12. "Ich bin": Jesus verwendet den göttlichen Namen "Ich bin".
  13. Vor Abraham war ich: Jesus betont seine Präexistenz.
  14. Steinigung Jesu: Die Juden versuchen, Jesus zu steinigen.
  15. Jesus entkommt: Jesus entzieht sich ihren Händen und geht aus dem Tempel.






Benedikt Peters schreibt dazu:   {{ Zürcher 1931 und 2007 behaupten sogar, der Abschnitt stamme nicht von Johannes.}}
Einleitende Abklärung zu 8,1-11
In verschiedenen Bibelausgaben wird Joh 7,53-8,11 in Klammem gesetzt
(z. B. Elberfelder 1905); die revidierte Elbcrfelder sagt in einer Fussnote:
 »ln den wichtigsten Handschriften ist der Abschnitt nicht ent halten ...«'”
Folgende Beobachtungen zeigen, dass der Abschnitt zum Evangelium gehört:
1. der Textzusammenhang:
a. Wenn wir von 7,52 kommend direkt bei 8,12 weiterlesen, ergibt sich kein Zusammenhang. Worauf soll sich dann das »Wiederum nun redete Jesus« (V. 12) beziehen?
Es passt aber ganz organisch
zu V. 2. Der Herr hatte im Tempel gelehrt, wurde dann von den Schriftgelehrten und Pharisäern unterbrochen; nachdem diese weggegangen waren, setzte er seine Lehrtätigkeit wieder fort,
b. Wie in Kap. 5 und Kap. 6 folgt auch hier auf ein Werk des Herrn eine erläuternde Rede.
In Kap. 5 hatte der Herr am Sabbat geheilt und darauf sein Wirken damit erklärt, dass auch sein Vater noch am Wirken sei (5,17),
In Kap, 6 hatte der Herr die Brote gemehrt und darauf das Zeichen erläutert: Er war das Brot des Lebens, von dem der Mensch essen muss, um ewig zu leben.
Hier hat der Herr eine Frau, die in der Finsternis der Sünde gefangen war, samt ihren Klägern eben ins Licht gestellt, und darauf sagt er, dass er das Licht der Welt ist, dem man folgen muss, wenn man das Licht des Lebens haben will,
2. die Aussage des Textes selbst:
a. Wie der Herr hier dargestellt wird, stimmt vollkommen überein mit allem, was das Neue Testament über ihn sagt:
Er ist der Heiland der Sünder, wie er gemäß Lk 7,36-50 an einer besonderen Frau demonstriert; und er ist der Heilige, der Sünde verurteilt und vor Sünde und ihren Folgen warnt (V. 11; siehe auch 5,14; Mt 5,29.30; Lk 13,1-5).
b. Die List der Feinde Jesu ist gerade die, dass sie ihm einen Fall präsentieren, von dem sie erwarten, dass er sich in einen Widerspruch verstricken müsse: Er hatte behauptet, er sei nicht ge kommen, um zu richten (3,17), sondern um zu retten.
Das soll er nun an dieser Frau demonstrieren, die des Ehebruchs schuldig war. Würde er sie aber nicht verurteilen, hätte er bewiesen, dass er das Gesetz ignoriert (siche V. 5).
Die Aussage, dass der Herr gekommen sei, zu retten und nicht zu richten, findet sich nur im Johannesevangelium.
Darum darf der hier berichtete Fall in diesem Evangelium nicht fehlen; hier wird nämlich die Frage beantwortet,
wie sich das mit dem Gesetz und mehr noch mit der Gerechtigkeit des Gesetzgebers vertrage.
»Es ist hinlänglich bekannt, dass diese Geschichte den alten griechischen Kirchen unbekannt war. Daraus folgern einige, sie sei von anderswo eingeßigt worden.
Da sie aber von den lateinischen Kirchen immer anerkannt war und in vielen alten grie chischen Handschriften vorliegt und auch nichts enthält,
was des apostolischen Geistes unwürdig wäre, gibt es keine Ursache, warum wir uns weigern sollten, den Nutzen aus ihm zu ziehen» (Calvin).

1. Christus und die Ehebrecherin (8,1-11)
2. Christus, das Licht der Welt (8,12-20)
3. Christus, der treue Zeuge (8,21-30)
4. Christus und seine wahren Jünger (8,31-36)
5. Die Kinder Abrahams, Gottes und des Teufels (8,37-47)
6. Christus, Sohn und Herr Abrahams (8,48-59)

Im letzten Kapitel war es hauptsächlich darum gegangen, wer Jesus ist;
hier geht es darum, wie er ist. Dort drehten sich die Fragen um seine Identität, hier um seine Eigenschaften:
Er ist gnädig (V, 11),
Er ist Licht (V. 12),
Er ist von oben (V. 23a), Er ist nicht von dieser Welt (V. 23b),
Er ist wahrhaftig, d. h. er ist genau das, was er von sich sagt (V. 25),
Er ist von Gott abhängig in allem, was er sagt (V. 26),
Er ist sündlos (V. 46), und er ist ewig (V. 58).
Der erste Abschnitt lehrt uns vor allem, dass er Gnade ist (siehe V. 11),
der zweite und dritte betont, dass er Licht ist (siehe V. 12). In ihm sind Gnade und Wahrheit vereint (1,17).
In seinem Licht wird die Natur des Menschen noch deutlicher olfenbar als bisher;
Der Herr führt die sündigen Regungen, Worte und Anschläge des Menschen zurück auf dessen Herkunft.
Er hat seine Art von seinem Vater, und sein Vater ist ein Lügner und Mörder (V. 44). Am Anfang des Kapitels sagen die Widersacher des Herrn, dass man Ehebrecher steinigen müsse (V. 4.5);
am Ende des Kapitel heben sie Steine auf und wollen ihn steinigen (V. 59).
»Jesus gab das ewige Lehen durch sein iVort; er selbst war die Erfüllung der Verheissungen, aber er war Gott in dieser Welt:
Leben und Wahrheit waren auf dieser, Mord und Lüge auf jener Seite. Das ist es. was unserem Kapitel diesen außergewöhnlichen Ernst gibt ... die Wahrheit und das Leben,
vom Vater gesandt und im Fleisch offenhart inmitten von Hass auf die Wahrheit und auf Gott — diese beiden werden in diesem einen Kapitel in denkbar größter Dichte einander gegenuhergestellt« (J. N. Darby).

ex wdbl

IV. »Ich bin« verworfen (8,1-59)
1. Die Frau nicht verurteilt (8,1-11)
1_Wir haben diesen Vers bereits am Ende des vorangegangenen Kapitels kommen- tiert. Es muss zugegeben werden, dass der Abschnitt 7,53-8,11 in den sogenannten ältesten griechischen Handschriften des NT nicht vorkommt, der TR ihn aber aufweist. Weder die AV, JND noch Luther ’12 wei- sen in irgend einer Weise auf diese Tatsa- che hin, und der Abschnitt erscheint an seiner üblichen Stelle ohne Kommentar. Elberf führt den Text in eckigen Klammern an; Rev.Elberf bemerkt in einer Fußnote, dass der Abschnitt in den wichtigsten alten Manuskripten fehlt. Zürcher enthält den Abschnitt, hat aber eine Fußnote mit dem Kommentar: »Dieser Abschnitt, Kap. 7,53- 8,11, ist eine Einschaltung von anderer Hand.« Wir möchten dazu folgenden Kom- mentar geben:
1._Am Ende von Kapitel 7 – V. 53 aus- genommen – sprach der Herr zur Volks- menge im Vorhof des Tempels (Verse 28-31), während die Pharisäer sich in ihrem Rat versammelt hatten (Verse 45-52). Wenn man den umstrittenen Abschnitt auslässt, müssen wir bei 8,12 mit folgenden Worten weiterfahren: »Wiederum nun redete Jesus zu ihnen«, nämlich zu den Pharisäern im Tempel (8,12-13). Das wür- de zu einem unlogischen Bruch führen, der allerdings behoben wird, wenn wir den umstrittenen Abschnitt belassen, denn dort finden wir am darauffolgenden Tag die Pharisäer im Tempel mit dem Herrn.
2._Wenn die Handschriften Unsicherheiten bieten, dann weiß sich der Verfasser
stets zum Werk von Ivan Panin hingezogen, zu seinem New Testament in the Original Greek. The Text established by Means of Bibel Numerics (Das Neue Testa ment in der griechischen Ursprache.
Der durch Bibelnumerik festgelegte Text.) Ivan Panin entdeckte ein Zahlenmuster, das jeden Abschnitt, jeden Satz und jedes Wort des NT durchzieht. Wenn man irgendwo im NT nur so viel wie ein Wort versetzt, verändert oder auslässt, wird das Muster zerstört. Durch dieses Mittel konnte Panin die Gültigkeit oder Ungültigkeit jedes umstrittenen Abschnittes, Satzes oder Wortes, aus den Varianten der Hunderte griechischer Handschriften demonstrieren.
Als Ergebnis dieses das Ganze durchzie- hende Zahlenmusters schloss Panin, dass der Abschnitt Joh 7,53-8,11 zum Text des NT gehört;
denn ohne ihn wäre das Muster – offenkundiges Ergebnis göttlicher In- spiration – zerstört.
2_
Der Herr hat uns ein Beispiel gegeben: Früh aufstehen und sich in den Dienst begeben führt zu guten Ergebnissen. Aber auch wenn man früh aufsteht, braucht man Weisheit, sonst kann das Ergebnis »ihm als Verwünschung« (Spr 27,14) angerechnet werden. Im AT sorgte Gott selbst für das gute Beispiel, als Er durch Seine Knechte, die Propheten, wirkte. Besonders das Buch Jeremia enthält mehr Hinweise auf das sich früh Aufmachen als irgend ein anderes alttestamentliches Buch. So lesen wir in Jer 25,4: »Und der Herr hat alle seine Knechte, die Propheten, zu euch gesandt, früh sich aufmachend und redend, aber ihr hörtet nicht.« Man schlage mit Hilfe einer Konkordanz alle ähnlichen Stellen nach.
Es war die Gewohnheit des Herrn, in den Vorhöfen des Tempels zu lehren, wenn Er in Jerusalem war. »Und das ganze Volk kam frühmorgens im Tempel zu ihm, ihn
zu hören« (Lk 21,38), und er verblieb den ganzen Tag dort und lehrte (V. 37). Vor Seiner Verurteilung rief er den Priestern diese Seine Gewohnheit in Erinnerung (22,53). Auch in dieser späten Phase Seines irdischen Lebens »hing das ganze Volk an seinem Mund« (19,48). Lehren bildet einen der wichtigsten Bestandteile im Dienst einer örtlichen Gemeinde. Eine Gemeinde ohne gehaltvolle Lehre ist eine verhungern- de Gemeinde, wiewohl ihre Glieder in ihrer geistlichen Schwachheit das nicht merken mögen. Das ist der Grund, warum die Gemeinde in Antiochien in Syrien solches Gedeihen hatte; denn dort hatten Paulus und Barnabas »eine zahlreiche Menge« gelehrt (Apg 11,26).

3_
Die Schriftgelehrten und die Pharisäer waren zu dieser frühen Stunde bereit, dem Herrn eine Falle zu stellen. Sie lauerten ständig auf einen Anlass, um die Antwort des Herrn darauf kritisieren zu können. Dass sie eine Frau beim Ehebruch »auf der Tat selbst« erwischt hatten, zeigt, dass sie mancherorts ihre Späher hatten. Sie hatten den Buchstaben des Gesetzes auf ihrer Seite, nämlich eines der Zehn Gebote (2Mo 20,14), und die entsprechende Strafe war klar formuliert (3Mo 20,10). Sie übersahen aber ruhig die Tatsache, dass im AT weit mehr von Ehebruch in übertragenem Sinn gesprochen wurde, nämlich vom religiösen Götzendienst (Jer 3,8-9 usw.). So konnten sich die Pharisäer rühmen, sie seien keine Ehebrecher (Lk 18,11), obwohl sie in heuchlerischer Weise von der Tatsache wegsahen, dass der Herr sie »ein ehebre- cherisches Geschlecht« genannt hatte (Mt 12,39; 16,4). Mit anderen Worten, weit davon entfernt vor ihrer eigenen Haustür zu kehren, beließen sie den Balken in ihrem Auge, während sie sich mit dem Splitter im Auge der Frau beschäftigten (Mt 7,1-5).Johannes 8,1-11
942

4-5_
Die Schriftgelehrten und die Pharisäer sprechen. Sie behaupteten vor dem Herrn, sie hätten Sünde aufgedeckt, und indem sie auf »Mose« und das »Gesetz« hinwiesen, wollten sie vom Herrn Sein Urteil zu dieser Sache hören. Sie dachten gewiss an 5Mo 22,23-24 »ihr sollt [...] sie steinigen, dass sie sterben«, und sollte der Herr nicht einverstanden sein, wären sie bereit gewe- sen, Ihn statt der Frau zu steinigen (Joh 8,59). Diese Praxis war eingebürgerte Sitte aber der Häufigkeit des Vergehens wegen nicht mehr in Gebrauch. Ähnlich verhielt es sich mit Arbeit am Sabbat; der Über- treter sollte außerhalb des Lagers gesteinigt werden (4Mo 15,35). Sie wollten den Herrn in ihrer List dazu verleiten, die Steinigung wieder einzuführen; denn dann hätten sie Ihn wegen Wunderwirkens am Sabbat steinigen können. Sie versuchten den Herrn mit der römischen Besatzungsmacht in Konflikt zu bringen; denn damals erlaubten die Römer den Juden nicht, jemand durch Steinigung zu töten. Nur sie, die Römer, hatten das Recht, jemanden durch Kreuzi- gung hinzurichten (Joh 18,31).
Die Sünde des Ehebruchs ist heute ver- breitet, sowohl im buchstäblichen als auch im geistlichen Sinn. In vielen Teilen der Welt ist Ehebruch gesetzlich sanktioniert, da Scheidung legal ist. Es ist eine Sache einfacher Routine geworden; kein Mensch beruft sich noch auf die Bibel. Das gleiche gilt für sexuelle Vergehungen. Paulus machte es deutlich, dass Ehebruch eines der Werke des Fleisches ist (Gal 5,19). Es war das Verlangen des Apostels, die Korin- ther auf geistlicher Ebene einem Gatten zu verloben, um sie als eine keusche Jungfrau Christus darzustellen (2Kor 11,2). Er muss- te aber hinzufügen, »ich fürchte«, womit er zeigte, dass er um die Möglichkeit wusste, dass auch in christlichen Kreisen ein Abweichen in ehebrecherischer Weise mög-
lich war, indem sich die Menschen einem
»anderen Jesus« hingaben. Reinheit im Dienst und in der Gemeinschaft einer örtli- chen Versammlung haben für solche keinerlei Gewicht, die kein Verlangen haben, auf Gottes in der Bibel geoffenbarte Ge- danken zu achten.

6_
Die Absicht der Pharisäer war nicht, unter den Juden die Moral zu schützen, sondern vielmehr einen Anlass zu finden, um den Herrn anzuklagen. In Mt 22,15 versuchten sie, den Herrn in Seiner Rede zu fangen; freilich stopfte Er mit jeder Ant- wort diesen Leuten den Mund. Am Ende fanden sie in ihrer Arglist doch zwei fal- sche Zeugen, die bereit waren, die Worte des Herrn verzerrt zu zitieren: »Ich kann den Tempel Gottes abbrechen« (Mt 26,61).
Man beachte, dass in V. 6 die Worte in der AV »als ob er sie nicht hörte« kursiv gedruckt sind. Sie gehören nicht in den griechischen Text und werden von der RV und von JND ausgelassen, wie auch von den deutschen Versionen. Sie wurden von den Übersetzern der AV hinzugefügt, als ob sie zum Textverständnis notwendig wären. Es braucht aber keine hinzugefügten Worte, um dem Text einen Sinn zu geben, wiewohl erklärt werden muss, was es be- deutet, dass der Herr sich niederbückte und mit Seinem Finger auf die Erde schrieb.
Die Erklärungen der Ausleger zu dieser gleichnishaften Handlung des Herrn sind vielfältig. Die Pharisäer wollten, dass der Herr in einer Sache Richter sei; Er aber hatte gesagt, dass Er nicht in die Welt gekommen sei, um ihr Richter zu sein. Vielmehr waren die Schriften des AT der Richter der Menschen, und der Herr wollte das den Schriftgelehrten deutlich machen, die sich stets des Gesetzes Moses rühmten (V. 5). In Jer 17,13 steht: »Alle, die dich verlassen, werden beschämt werden. Und943
Johannes 8,1-11
die von mir weichen, werden in die Erde geschrieben werden; denn sie haben den Born lebendigen Wassers, den HERRN, verlassen.« Der Herr zeigte so den Abstand zwischen Ihm und den Pharisäern an, et- was, das bereits in Joh 7,53 demonstriert worden war. Sie waren mit ihren ungehei- ligten Lippen nahe, »aber ihr Herz ist weit entfernt von mir« (Mt 15,8).

7-8_
Der Herr spricht. Die Tatsache, dass die Pharisäer »fortfuhren, ihn zu fragen«, zeigt, dass sie den Sinn ihrer eigenen alt- testamentlichen Schriften nicht kannten. In der Tat fuhren sie mit ihrer eigenen Ver- urteilung der Frau fort und rühmten sich damit des Gesetzes, wiewohl sie Gott dadurch entehrten, dass sie selbst es bra- chen (Röm 2,23). Der Herr musste nur einen erhabenen Satz sprechen, um die Sackgasse zu öffnen: »Wer von euch ohne Sünde ist, werfe zuerst den Stein auf sie.« Nachdem Er diese Worte gesprochen hatte, die zeigten, dass nicht Er es war, der die Pharisäer verurteilte (sie würden sich selbst verurteilen durch ihre nachfolgenden Ta- ten, und die alttestamentlichen Schriften würden es tun), schrieb Er weiter auf die Erde. Auf diese Weise ließ Er die Schriften des AT wiederum auf sie wirken.
Die Aussage des Herrn bezieht sich auf einen einzelnen Menschen, da sie in der Einzahl ist. Zweifelsohne dachte Er an 5Mo 17,7, wo wir von der Hand lesen, die
»zuerst« einen Stein werfen sollte, worauf die Hände der übrigen folgen sollten. In diesem Abschnitt des AT musste die erste Hand die des Zeugen der Tat des todeswür- digen Sünders sein, aber der Herr fügte hinzu: »Wer von euch ohne Sünde ist«, der, und nicht der Zeuge, sollte der Erste sein. Zudem sagte er »von euch«, womit Er sich selbst ausschloss. Denn Er war ohne Sün- de, und Er hätte aus sittlichen Gründen den
ersten Stein werfen dürfen. Aber göttliches Erbarmen war größer als die vom Gesetz geforderte Strafe. Zudem musste der Mann, der den ersten Stein warf, selbst ohne einen Balken oder auch nur einen Splitter im Auge sein, oder er wäre ein Heuchler ge- wesen.

9_
Die Worte des Herrn »ohne Sünde« sind nicht die gleichen wie »keinen leiblichen Ehebruch begangen haben«; denn dessen hätten sich viele rühmen können (Mt 19,18-20). Der Herr drang ins Herz und Gewissen dieser Männer vor, und sie aner- kannten ihren Zustand vor dem Gesetz, wenn auch nicht vor Gott. »Wenn wir sagen, dass wir keine Sünde haben, so betrügen wir uns selbst« (1Jo 1,8); »da ist keiner, der Gutes tue, nicht einer« (Ps 14,3; Röm 3,10-12). So erwies sich das Wort Gottes als wirksam, als »schärfer als jedes zweischneidige Schwert« (Hebr 4,12). Die Ältesten als die am meisten Verantwortli- chen gingen zuerst hinaus, dann folgen die übrigen. Sie stellten sich selbst ins Abseits, aber es scheint, dass sie bald wieder zurück waren, um den Herrn mit Steinen hinauszu- werfen (V. 59).
Der Herr blieb mit der Frau allein zu- rück – sie stand, aber der Herr bückte sich noch immer auf die Erde, bis die Pharisäer gegangen waren. Mit anderen Worten, Errettung ist eine persönliche Angelegen- heit zwischen dem Sünder und dem Herrn. In seinem Evangelium hat Johannes diese persönlichen Begegnungen mit dem Herrn besonders hervorgehoben; siehe 3,1; 4,7; 5,5; 9,1; 11,1; 20,11; 21,15.
10_Der Herr spricht. Wenn Gott nicht verurteilte, dann konnte es vonseiten der Menschen keine gerechtfertigte Verurtei- lung geben. Der Herr verwendete in Seiner Anrede an die Frau das gleiche Wort, dasJohannes 8,12-20
944
Er gegenüber Seiner Mutter in Joh 2,4 gebraucht hatte. Er gewann sofort ihr Ver- trauen. Das ist die Wahrheit, die Paulus in Röm 8,34 hervorhebt: »Wer ist es, der verdamme?«; denn nichts vermag uns »zu scheiden von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus, unserem Herrn, ist«.

11_
Die Frau spricht. Als sie sagte »nie- mand, Herr«, bezog sie sich auf die Phari- säer, die vorübergehend verschwunden waren. Aber sie dachte offenkundig nicht an die göttliche Seite. Das hat im Eng- lischen dazu geführt, dass man das grie- chische kyrie verschieden übersetzt hat. Die AV und die RV verwenden beide den Titel »Lord« (Herr), aber JND und NEB übersetzen »Sir«. Der Zusammenhang muss entscheiden, und bis zur abschließen- den Bemerkung des Herrn können wir nicht feststellen, dass diese Frau irgendwelche Erkenntnis Seiner göttlichen Person hatte.
Der Herr spricht. Es stand kein religiö- ser Führer, kein Pharisäer, vor ihr, der ihr sagte, dass keine Verurteilung sie traf. Vielmehr stand da ein einzigartiger Mensch, der diese Wahrheit aussprach, der Er den Befehl hinzufügte: »Sündige nicht mehr« (siehe 5,14). Die Erkenntnis der Frau von Ihm muss bei dieser Aussage gewaltig zugenommen haben, wiewohl wir nicht sagen können, wie weit ihr Glaube gediehen war. Die Wahrheit von Röm 8,33- 39, dass keine Verdammnis ist, ist eng mit Röm 6-7 verknüpft, wo Paulus lehrte, dass die Rechtfertigung durch den Glauben auch beinhaltet, dass man nicht mehr in der Sünde fortfährt, wobei er in diesen beiden Kapiteln vier verschiedene Methoden verwendet, um diese wichtige Wahrheit ins Herz zu schreiben.
Die Kap. 8-11 in Johannes enthalten Grundsätze, die auf die Juden anzuwenden sind:
1._Kap. 8, Ehebruch, wie er auf die Juden anzuwenden ist (Jer 3,6-10).
2._Kap. 9, Blindheit, die Israel wider- fahren ist (Röm 11,25).
3._Kap. 10, »Er wird seine Herde wei- den wie ein Hirt« (Jes 40,11).
4._Kap. 11, »Leben aus den Toten« (Röm 11,15).


d. Jesus als das Licht der Welt

( 8,12 - 59 )

 

Ein wichtiger Bestandteil des Laubhüttenfestes war das Anzünden riesiger Lampen im Frauenhof des Tempels (vgl. die Skizze des Tempelbereichs). Die Dochte für die Kerzen wurden aus den abgelegten Kleidungsstücken der Priester gefertigt. Ihr Licht erhellte den gesamten Tempelbereich, wo die Menschen sich versammelten, um zu beten und zu tanzen. Das Fest sollte die Juden daran erinnern, wie Gott sie auf ihrer Wanderung durch die Wüste in einer Wolkensäule, die nachts zur Feuersäule wurde, begleitet hatte ( 4Mo 9,15-23 ).

 

 

Joh 8,12

 

Diese Rede ist die Fortsetzung der öffentlichen Rede, die Jesus im Tempel in Jerusalem hielt. Sehr passend zum Laubhüttenfest, an dem die großen Lampen brannten, sagte er: Ich bin das Licht der Welt (vgl. Joh 1,4.9;12,35.46 ). Er sprach damit von der Rettung der Welt. Die Welt lebte in Finsternis - ein Symbol für das Böse, die Sünde und Unwissenheit ( Jes 9,2; Mt 4,16;27,45; Joh 3,19 ). Das "Licht" ist in der Bibel ein Symbol Gottes und seiner Heiligkeit ( Apg 9,3; 1Joh 1,5 ). Jesus nun ist " das Licht" schlechthin, nicht nur ein Licht bzw. ein Licht unter vielen. Er ist das einzige Licht, "das wahre Licht" ( Joh 1,9 ) der ganzen Welt. Mit wer mir nachfolgt meinte er die Gläubigen, alle, die ihm gehorchten (vgl. Joh 10,4-5.27;12,26;21,19-20.22 ).

 

 

Zu Christus zu kommen, um gerettet zu werden, heißt, von nun an ein anderes Leben zu führen. Ein Glaubender wird nicht wandeln in der Finsternis , d. h., er wird nicht in der Finsternis leben (vgl. Joh 12,46; 1Joh 1,6-7 ). Er steht nicht mehr unter der Herrschaft des Bösen und der Unwissenheit ( Joh 12,46 ), denn Christus ist sein Licht und sein Heil (vgl. Ps 36,10 ).

 

 

Joh 8,13

 

Wieder erhoben die Pharisäer Einspruch. Da Jesus hier als sein eigener Zeuge auftrat, behaupteten sie, sein Zeugnis sei nicht wahr. Es stimmt, daß ein solches Selbstzeugnis in manchen Fällen nicht akzeptiert werden kann. So verlangte das jüdische Gesetz bei schweren Verbrechen zwei unabhängige Zeugen ( 5Mo 17,6; 5Mo 19,15; Joh 8,17 ). Auch in der rabbinischen Tradition hatte eine Aussage zu den eigenen Gunsten keinen Wert.

 

 

Joh 8,14

 

Manchmal ist ein solches Zeugnis jedoch der einzige Weg zur Wahrheit, weil nur der Betreffende die Wahrheit über sich selbst kennt. Für Gott kann nur Gott selbst Zeugnis ablegen. Auch Jesus war qualifiziert, wahres Zeugnis über sich abzulegen, weil er selbst Gott war und wußte, woher er kam und wohin er gehen würde ( Joh 7,29 ). Die Pharisäer glaubten zwar, Jesus zu kennen, doch in Wirklichkeit wußten sie nichts über seine Herkunft vom Himmel und seine Bestimmung (vgl. Joh 7,33-34 ) und waren daher keineswegs geeignet, über ihn zu richten.

 

 

Joh 8,15

 

Ihr Urteil richtete sich, wie Jesus sagte, nach dem Fleisch , d. h., sie beschränkten sich auf das oberflächliche Erscheinungsbild. Auch bei Jesus sahen sie nur das "Fleisch", die irdische Erscheinung, nicht seine Gottheit, und gingen deshalb verhängnisvoll in die Irre. Doch Jesus war nicht gekommen, um die Menschen zu richten , sondern um sie zu retten ( Joh 3,17 ). Wenn er richten wird - in der Zukunft - wird er auf der Grundlage der Wahrheit und des Gesetzes den Willen des Vaters ausführen (vgl. Joh 5,27.45 ). Er selbst wird niemand richten .

 

 

Joh 8,16

 

Jesu Richteramt unterschied sich also vollkommen von dem der Pharisäer. Sie steckten voller Vorurteile und Wahrnehmungsfehler. Er aber richtet nicht von sich aus, sondern aufgrund seiner einzigartigen Einheit mit dem Vater . So zeugte er auch nicht allein für sich, sondern mit göttlicher Autorität.

 

 

Joh 8,17-18

 

Die Wendung "in eurem Gesetz" bezieht sich wahrscheinlich auf 5Mo 17,6 und 5Mo 19,15 (oder auch auf rabbinische Vorschriften), nach denen eine Aussage jeweils von zwei Zeugen bestätigt werden mußte. Jesus konnte jedoch nur von Gott bestätigt werden. Gott, der Sohn, und Gott, der Vater, sind die beiden Zeugen, die notwendig sind, um die Tatsache der Messianität Jesu zu bestätigen. Der Vater sandte Jesus und legitimierte ihn durch die Zeichen (Wunder), die er vollbrachte.

Johannes

 

Joh 8,19

 

Jesu Aussage, daß Gott sein Vater sei, war sehr ungewöhnlich (vgl. Joh 5,18 ), und die Juden waren denn auch völlig verwirrt von dieser vertrauten Anrede für einen Gott, dessen Namen sie kaum auszusprechen wagten. Sie fragten: "Wo ist dein Vater?" Sprach Jesus, wie es den Anschein hatte, von Gott, oder von seinem menschlichen Vater? Ihre Unwissenheit in bezug auf Jesus offenbarte auch ihre Unwissenheit in bezug auf Gott, denn Jesus war die Offenbarung des Vaters (vgl. Joh 1,14.18;14,7.9 ).

 

 

Joh 8,20

 

Diese Worte redete Jesus an dem Gotteskasten, als er lehrte im Tempel . Jesus war einfach in den Tempel, höchstwahrscheinlich in den Frauenhof (vgl. die Skizze bei Joh 8,12; vgl. Mk 12,41-42 ), gegangen und hatte begonnen, die Menschen zu lehren. Und niemand ergriff ( piazO ) ihn (vgl. Joh 7,30.32.44;10,39 ), denn, wie Johannes immer wieder hervorhebt, er richtete sich ganz nach dem Willen und Zeitplan seines Vaters (vgl. Joh 2,4;7,6.30;12,23.27;13,1;17,1 ).

 

 

Joh 8,21

 

Da die Zeit seines Aufenthalts auf der Erde kurz war, war auch die Gelegenheit für die Menschen, zum Glauben an ihn zu finden, begrenzt. Schon bald würde er zu seinem Vater zurückgehen, wohin sie ihm nicht folgen konnten (vgl. Joh 7,33-34 ). Ihr werdet in eurer Sünde sterben . Der Singular "Sünde" bezieht sich auf die Sünde, den, der ihnen die Rettung bringen wollte, verworfen zu haben (vgl. Joh 16,9 ). Sie würden "sterben", weil sie weiterhin unter der Herrschaft der Sünde lebten. Doch der physische Tod sollte nur das Vorspiel für die ewige Trennung von Gott sein.

 

 

Joh 8,22

 

Ihre Frage "will er sich denn selbst töten?" beruhte auf einem Mißverständnis und war zugleich eine ironische Prophezeiung. Sie fragten sich, ob Jesus vorhatte, Selbstmord zu begehen und sich auf diese Weise ihrem Zugriff zu entziehen. (Zuvor hatten sie gedacht, er spreche davon, zu den Heiden in andere Länder zu gehen und sie zu lehren; Joh 7,35 .) Jesus tötete sich zwar nicht selbst, doch er ließ sein Leben ( Joh 10,11.18 ).

 

 

Joh 8,23

 

Wieder wies Jesus sie auf seine Herkunft vom Himmel und auf sein wirkliches Zuhause hin ( von oben ... nicht von dieser Welt ). Die Menschen gehörten in diese Welt ( von unten ), er jedoch nicht.

 

 

Joh 8,24

 

Zweimal sagte er ihnen, daß sie sterben werden in ihren Sünden (vgl. diesen Plural mit dem Singular "Sünde" in V. 21 ). Wenn sie den, der dieSünde auf sich nehmen wollte ( Joh 1,29 ), ablehnten, würden sie unter der Herrschaft der Sünde bleiben und sich ihrer einzigen Hoffnung auf Rettung berauben. Wenn ihr nicht glaubt, daß ich es bin bezieht sich auf das rätselhafte "Ich bin", eine Selbstaussage Gottes in ganz bestimmten Situationen (vgl. Jes 43,10-11 ,LXX).

 

 

Joh 8,25

 

Diese "Ich bin"-Offenbarung Jesu verwirrte die Juden jedoch nur noch mehr, und seine Worte über die Sünde ärgerten sie vermutlich. Sie fragten ihn: Wer bist du denn? Und er antwortete: Zuerst das, was ich euch auch sage. (In anderen Übersetzungen wurde aus diesem problematischen griechischen Satz manchmal eine Frage oder auch ein Ausruf gemacht.)

 

Joh 8,26-27

 

Jesus hätte noch viel mehr sagen und seine Zuhörer auch verurteilen können, doch er war gekommen, ihnen und der Welt Nachricht von dem, der ihn gesandt hatte, zu bringen. Seine Botschaft war wahr, weil der, von dem er sie gehört hat, wahrhaftig ist (vgl. Joh 7,18.28 ). Der Evangelist fügt noch hinzu, daß die Menschen nicht verstanden, daß er zu ihnen vom Vater sprach . Weil sie nichts von Gott wußten, verstanden sie auch Jesus nicht (vgl. Joh 1,18 ).

 

 

Joh 8,28

 

Im Moment war Jesus den Menschen noch unbekannt. Erst die Kreuzigung ( wenn ihr den Menschensohn erhöhen werdet ; vgl. Joh 3,14;12,32 ) sollte ihnen die Augen dafür öffnen, wer er wirklich war. Das Kreuz bedeutete nicht, daß alle gerettet würden, doch es würde den Menschen offenbaren, daß Jesus das Wort Gottes (der Logos ) war und daß er sie lehrte, was ihn der Vater gelehrt hat .

 

 

Joh 8,29

 

Jesu Einheit mit dem Vater beruht auf Liebe und fortgesetztem Gehorsam (vgl. Joh 4,34;5,30 ). Die Menschen verwarfen Jesus, doch der Vater wird ihn nie verlassen. Jesus ist niemals allein und wurde selbst am Kreuz vom Vater verherrlicht (vgl. Joh 16,32;17,5 ).

 

 

Joh 8,30

 

Trotz des weitverbreiteten Unglaubens und der offiziellen Ablehnung brachte Jesus durch sein Wirken viele Menschen zum Glauben (vgl. Joh 7,31 ). Doch dieser Glaube mußte noch geprüft und geläutert werden. Die Worte "viele glaubten an ihn" stehen im Gegensatz zum folgenden Vers. Viele nahmen Jesus zwar an, doch viele fielen auch von ihm ab.

 

 

Joh 8,31-32

 

Die Wendung "Juden, die an ihn glaubten" deutet darauf hin, daß manche Menschen Jesus zwar zuhörten, sich ihm jedoch nicht persönlich verpflichteten (vgl. Joh 6,53 ). Es war möglich, an die Botschaft der Buße und des kommenden Gottesreiches zu "glauben", ohne wiedergeboren zu werden. Das Merkmal der wahren Nachfolger und Jünger ist es jedoch, in der Wahrheit zu bleiben. Wenn sie seine Botschaft wirklich verstanden hatten, würden sie die rettende Wahrheit finden und ihr Wissen würde sie von der Knechtschaft der Sünde befreien.

 

 

Joh 8,33

 

Doch die Antwort der Menschen auf diese befreiende Botschaft war ein Beweis dafür, wie wenig sie Christus verstanden hatten. Obwohl die Juden unter römischer Verwaltung lebten, bestanden sie darauf, daß sie als Abrahams Kinder frei seien. Wie konnte Jesus sie aber befreien, wenn sie niemandes Knechte waren? Sie hatten kein Gefühl für die Sünde, in der sie gefangen waren.

 

 

Joh 8,34

 

Dreimal in diesem Kapitel (V. 34.51.58 ) gebrauchte Jesus die Wendung "wahrlich, wahrlich, ich sage euch" (vgl. den Kommentar zu Joh 1,51 ). Wer sündigt, beweist damit, daß er unter der Knechtschaft der Sünde steht. Die Sünde ist ein grausamer Herr. Auch Paulus verwendete dieses Bild später ( Röm 6,15-23 ).

 

 

Joh 8,35

 

Wie Ismael, Abrahams Sohn von der Sklavin Hagar, aus dem Haus getrieben wurde ( 1Mo 21,8-21 ), so sind die, die in der Knechtschaft der Sünde leben, in Gefahr. Isaak aber war der Sohn, der zum Haus gehörte und daher auch im Haus blieb. Waren die Juden nun wie Ismael oder wie Isaak? Hier ging es nicht um die Abstammung, sondern um die geistige Verwandtschaft.

 

 

Joh 8,36

 

Jesus ist der wahre Sohn und Nachkomme Abrahams ( Gal 3,16 ). Erbleibt im Haus und herrscht über seinen Besitz ( Hebr 3,6 ). Wenn die Menschen durch den Glauben an Christus, den Sohn, Söhne Gottes werden, können sie wirklich frei werden ( Gal 3,25-26 ).

 

Joh 8,37

 

Von der Abstammung her gesehen sind die Juden selbstverständlich Abrahams Kinder . Doch ihr Versuch, Jesus, den wahren Sohn Abrahams, zu töten, zeigte, daß sie nicht Abrahams geistliche Nachkommen waren (vgl. Röm 2,28-29; 9,6-8; Gal 3,29 ). Sie verwarfen Jesu Botschaft ( mein Wort ).

 

Joh 8,38

 

Jesus redete, was er vom Vater gesehen hatte (vgl. V. 28 ), daher waren seine Worte Gottes Wahrheit. Die Menschen aber waren dem abgeneigt, was er sagte, weil sie auf ihren Vater (Satan; V. 44 ) hörten und ihm folgten. Noch hatte Jesus ihren Vater zwar nicht beim Namen genannt, doch es war klar, von wem er sprach.

 

 

Joh 8,39

 

Auf dieses Argument hin hielten die Juden ihm entgegen, daß Abraham ihr Vater sei, doch Jesus antwortete ihnen, daß die geistlichen Nachkommen Abrahams auch die Werke Abrahams täten, d. h., daß sie Gott glaubten und ihm gehorchten. Sie sollten in Glauben auf die Botschaft vom Himmel reagieren und tun, was er sagte. Johannes der Täufer hatte sie bereits vor der Gefahr, sich allzusehr auf ihre abrahamitische Abstammung zu verlassen, gewarnt ( Lk 3,8 ).

 

Joh 8,40

 

Statt diesen eindringlichen Mahnungen zu gehorchen, verwarfen die Menschen den Boten vom Himmel und versuchten, den zu töten, der ihnen Gottes Wort brachte. Das hat Abraham nicht getan ; er hatte den Geboten Gottes gehorcht (vgl. 1Mo 12,1-9;15,6;22,1-19 ).

 

 

Joh 8,41

 

Da also die Werke der Juden anders waren, mußte auch ihr Vater (vgl. V. 38 ) ein anderer sein. Sie konnten Jesu zwingender Logik nur ausweichen, indem sie bestritten, illegitime Nachkommen eines irdischen Vaters zu sein, und statt dessen einen himmlischen Vater für sich beanspruchten. Mit ihrer Leugnung "wir sind nicht unehelich geboren" spielten sie möglicherweise auf Jesu Geburt an.

 

 

Joh 8,42

 

In einer wirklichen Familie lieben die Menschen einander jedoch ( 1Joh 5,1 ). Wenn Gott also tatsächlich der Vater der Juden wäre und sie ihn wirklich liebten (die griechische Formulierung geht davon aus, daß sie das nicht tun), hätten sie auch Jesus geliebt, denn er ist von Gott ausgegangen . Wieder bekräftigte Jesus sein Amt als Stellvertreter Gottes: Der Vater hat ihn gesandt .

 

 

Joh 8,43

 

Jesus, der Logos , sprach zu den Menschen, doch ihr prinzipielles Widerstreben ließ sie ihn ständig mißverstehen. Weil ihr mein Wort nicht hören könnt , bezieht sich auf ihre grundsätzliche geistliche Unfähigkeit, richtig auf Jesus zu reagieren. Paulus schrieb später: "Der natürliche Mensch aber vernimmt nichts vom Geist Gottes; es ist ihm eine Torheit, und er kann es nicht erkennen" ( 1Kor 2,14 ).

 

 

Joh 8,44

 

Der Teufel ist der Feind des Lebens und der Wahrheit. Durch eine Lüge brachte er den Menschen den geistlichen und den physischen Tod (vgl. 1Mo 3,4.13; 1Joh 3,8.10-15 ). Noch heute verdreht er die Wahrheit ( denn die Wahrheit ist nicht in ihm ... er ist ein Lügner und der Vater der Lüge ) und versucht, die Menschen von Gott, der Quelle der Wahrheit und des Lebens, abzubringen ( 2Kor 4,4 ). Daß die hier anwesenden Juden Jesu Tod wollten, die Wahrheit verwarfen und sich der Lüge zuwandten, war der Beweis, daß sie im Grunde Nachkommen Satans waren und seinen Wünschen gehorchten. Wie anders hätten sie sich verhalten, wäre Abraham ihr Vater gewesen!

 

 

Joh 8,45

 

Im Gegensatz zu ihnen lebte Jesus in der Wahrheit, die er auch verkündete. Da die Ungläubigen die Finsternis, nicht das Licht (vgl. Joh 3,19-20 ) - die Lüge, nicht die Wahrheit - liebten, verwarfen sie ihn.

 

 

Joh 8,46

 

Gegen Jesus wurden viele Anschuldigungen erhoben (vgl. Joh 7,12 b. 20 ). Doch er tat so ausschließlich den Willen Gottes ("denn ich tue allezeit, was ihm gefällt"; Joh 8,29 ), daß es unmöglich war, ihm irgendeine Verbindung mit der Sünde nachzuweisen: "Wer voneuch kann mich einer Sünde zeihen?" Auch daran hätte man seine Herkunft vom Himmel erkennen können. Seine zweite Frage: warum glaubt ihr mir nicht?, wird im nächsten Vers beantwortet.

 

 

Joh 8,47

 

Die Zugehörigkeit zu Gott ist die Grundlage dafür, ihn hören zu können. Es dreht sich hier nicht darum, Geräusche wahrzunehmen, sondern um den Gehorsam gegenüber den Geboten Gottes. Daß die Menschen in Jesus auch das göttliche Wort so voll und ganz verwarfen, zeigte deutlich, daß sie nicht von Gott waren.

 

 

Joh 8,48

 

Die Samariter waren ein Mischvolk, deren Religion in den Augen der Juden in die Abtrünnigkeit geführt hatte (vgl. den Kommentar zu Joh 4,4 ). Jesus einen Samariter zu nennen war daher eine Beschimpfung, die ihn zum Häretiker oder Irrlehrer abstempelte. Der gleichzeitige Vorwurf, daß er einen bösen Geist habe (vgl. Joh 7,20;8,52;10,20 ), deutet darauf hin, daß seine Gegner ihn für verrückt, unrein und böse hielten. Auch hier springt die Ironie ins Auge: Nachdem Jesus den Menschen gesagt hatte, daß ihr Vater der Teufel sei ( Joh 8,44 ), warfen sie ihm vor, er sei von Dämonen besessen!

 

 

Joh 8,49-50

 

Doch Jesu Aussagen waren nicht die eines Besessenen. Ihm ging es nicht um Selbsterhöhung, sondern darum, seinen Vater zu ehren . Der Versuch der Menschen, dem Sohn die Ehre zu nehmen , war gleichzeitig ein Angriff auf den Vater. (Vgl. Hanuns Schändung der Boten Davids, die gleichzeitig eine Schändung des Königs war; 1Sam 10,1-6 .)

Als er angeklagt wurde, unternahm Jesus nichts, um sich zu rechtfertigen (vgl. Joh 8,54 ). Er übergab seinen Fall dem himmlischen Richter, in dem Wissen, daß sein Vater, wenn die Menschen ihn zu Unrecht verurteilten, das Urteil aufheben und ihn rechtfertigen würde.

 

 

Joh 8,51

 

Wieder sprach Jesus: Wahrlich, wahrlich, ich sage euch (vgl. den Kommentar zu Joh 1,51 ). Wer mein Wort hält , ist eine Umschreibung für die positive Antwort der Menschen auf seine Botschaft. (Ähnliche Formulierungen sind: sein Wort "hören", Joh 5,24 und an seinem Wort "bleiben", Joh 8,31; sie sind gleichbedeutend mit dem "Befolgen" oder "Erfüllen" des Wortes.) Wer Jesus gehorcht, der wird den Tod nicht sehen in Ewigkeit , d. h., er wird nicht für immer von Gott getrennt werden (vgl. Joh 3,16;5,24 ).

 

 

Joh 8,52-53

 

Jesu Widersacher glaubten jedoch, daß er vom physischen Tod spräche. "Den Tod nicht sehen" bedeutet, den Tod nicht zu schmecken (vgl. Hebr 2,9 ). Weil Abraham und die Propheten jedoch gestorben waren, kamen sie zu dem Schluß, daß Jesus geisteskrank sei oder einen bösen Geist habe (vgl. Joh 7,20;8,48;10,20 ). Im Griechischen erfordert ihre erste Frage in Joh 8,53 eine negative Antwort: "Du bist doch wohl nicht mehr als unser Vater Abraham , oder?" Die Ironie liegt darin, daß Jesus selbstverständlich mehr war. Doch er war nicht gekommen, um seine Größe zur Schau zu stellen.

 

 

Joh 8,54

 

Wenn er sich selbst ehrte (vgl. V. 50 ), so wäre seine Ehre nichts . Doch er wird von seinem Vater gerechtfertigt werden. Wenn die, die nicht an ihn glaubten und ihm feindlich gesonnen waren, von Gott sagten " er ist unser Gott " irrten sie. Gott war der Vater von Jesus; ihr Vater war Satan.

 

Joh 8,55

 

Jesus, der mit Gott verbunden, ja eins mit ihm ist, kennt ( oida , "von innen heraus oder intuitiv kennen") ihn auch, doch seine Feinde, die keine Beziehung zu Gott haben, kennen (ginosko, "aufgrund von Erfahrung oder Beobachtung kennen") ihn nicht. Wenn Jesus Gott verleugnete, würde er zum Lügner, wie auch die Menschen logen. Aber Jesus kannte den Vater und gehorchte ihm ( halte sein Wort ; vgl. V. 52 ).

 

 

Joh 8,56

 

Die ungläubigen Juden waren keineswegs Abrahams geistliche Nachkommen (V. 39 ); wenn Jesus von ihrem Vater Abraham sprach, so bezog er sich damit lediglich auf ihre physische Abstammung. Abraham wurde froh, daß er seinen Tag , d. h. die von Gott verheißene Rettung durch den Messias ("in dir sollen gesegnet werden alle Geschlechter auf Erden, 1Mo 12,3 ), sehen sollte . Weil er glaubte, wurde ihm ein Sohn geschenkt, Isaak, durch den der Same (Christus) kommen sollte. Was und wieviel Gott seinem Freund Abraham über die messianische Zeit offenbarte, wissen wir nicht; doch es ist sicher, daß er von der Rettung wußte, sich darüber freute und auf ihr Kommen wartete.

 

 

Joh 8,57

 

Die ungläubigen Juden wandten ein, daß jemand, der so jung war wie Jesus ( du bist noch nicht fünfzig Jahre alt ), auf keinen Fall Abraham gesehen haben konnte. (Aus dieser Bemerkung sollten jedoch keine Schlußfolgerungen auf Jesu Alter gezogen werden.) Sie konnten nicht verstehen, wie es möglich war, daß Abraham und Jesus einander begegnet waren.

 

 

Joh 8,58

 

Dann bekräftigte Jesus nochmals seine Überlegenheit über die Propheten und Abraham. Abraham kam ins Leben; doch als er wurde, existierte Jesus bereits. "Ich bin" ist ein Titel Gottes (vgl. 2Mo 3,14; Jes 41,4;43,11-13; Joh 8,28 ), und die heftige Reaktion der Juden (V. 59 ) bewies, daß sie genau verstanden, was diese Äußerung bedeutete. Da Jesus gleichen Wesens mit Gott war ( Joh 5,18;20,28; Phil 2,6; Kol 2,9 ), existierte er von Ewigkeit her ( Joh 1,1 ).

 

 

Joh 8,59

 

Diese eindeutige Aussage Jesu führte zu einer Krise. Die Menschen mußten nun entscheiden, ob er war, was er zu sein behauptete, oder ob seine Worte Gotteslästerung waren (vgl. Joh 5,18 ). Auf die Sünde der Gotteslästerung aber stand die Todesstrafe. Die Worte " aber Jesus verbarg sich " weisen möglicherweise auf eine übernatürliche Flucht Jesu hin, denn seine Stunde war noch immer nicht gekommen (vgl. Joh 2,4;7,6.8.30;8,20 ).

 

 

2. Die Heilung eines Blindgeborenen

( Joh 9 )

 

Jesaja hatte vorhergesagt, daß in der Zeit, in der der Messias auf Erden weilen würde, viele Zeichen geschehen würden. Er würde unter anderem auch "die Augen der Blinden öffnen" ( Jes 42,7; vgl. Jes 29,18; 35,5 ).

 

 

Tatsächlich heilte Jesus viele Blinde (vgl. Mt 9,27-31;12,22;15,30;20,29-34;21,14 ). Das Wunder in Joh 9 ist deshalb sehr wichtig, weil Jesus sich zuvor als "Licht der Welt" ( Joh 8,12 ) bezeichnet hatte. Als öffentliche Demonstration dieses Anspruchs schenkte er sodann einem Blindgeborenen das Augenlicht.