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Johannesevangelium Walvoord
Edwin A. Blum
Johannes Kapitel 19
Johannes 19 Zusammenfassung
Joh 19,1-3
Als drittes ließ Pilatus Jesus geißeln . Das war, nach Lukas ( Lk
23,16 ), ein weiterer Versuch, einen Kompromiß herbeizuführen. Er
hoffte, die Menge mit dem Anblick von etwas Blut zufriedenzustellen. Die
römische Geißelung wurde mit einer Lederpeitsche, an deren Enden sich
kleine Metallstücke befanden, durchgeführt, eine Methode, die häufig zum
Tod des Delinquenten führte. Die Geißelung, die Krone aus Dornen, das
Purpurgewand , der Spott, der darin lag, ihm als König der Juden zu
huldigen, und die Schläge ins Gesicht - sie alle waren Teil von Jesu
tiefer Erniedrigung, die er erlitt, weil er als der Gottesknecht mit der
Sünde der Menschen identifiziert wurde (vgl. Jes 50,6;52,14-53,6 ).
(Matthäus und Markus fügen noch hinzu, daß die Soldaten Jesus anspuckten
[ Mt 27,30; Mk 15,19 ]). Die Dornenkrone erinnert an den Fluch der
Dornen und Disteln, den die Sünde der Menschen nach sich zog ( 1Mo
3,18 ).
Joh 19,4-5
Doch auch dieser Versuch des Pilatus, Jesus freizubekommen, schlug fehl.
Der Blutdurst der Menge war noch nicht gestillt. Pilatus' Worte "Seht,
welch ein Mensch!" (lat.: Ecce homo ) sind, wie seltsamerweise auch
mehrere andere seiner Aussprüche, unsterblich geworden. Jesus muß damals
einen ergreifenden Anblick geboten haben: blutüberströmt, mit der
Dornenkrone auf dem Haupt und in das Purpurgewand gekleidet.
Joh 19,6-7
Wieder flammte der Haß der jüdischen Machthaber auf, und sie
schrieen: Kreuzige, kreuzige! Die Kreuzigung war eine schmachvolle
Todesart, die gewöhnlich nur über Schwerverbrecher, Sklaven und vor
allem Aufständische verhängt wurde. Als Pilatus sich noch immer
weigerte, sich anstelle der Juden zum Henker machen zu lassen, nannten
sie ihm ihren wahren Grund: Er hat sich selbst zu Gottes Sohn gemacht.
Nach dem Gesetz stand auf Gotteslästerung, wenn sie bewiesen werden
konnte, die Todesstrafe ( 3Mo 24,16 ). Etwa um diese Zeit sandte
Pilatus' Frau ihm die seltsame Nachricht: "Habe du nichts zu schaffen
mit diesem Gerechten; denn ich habe heute viel erlitten im Traum um
seinetwillen" ( Mt 27,19 ).
Joh 19,8-11
Die Reaktion des Statthalters zeigte, daß er sich fürchtete. Als Heide
hatte er Geschichten von Göttern in Menschengestalt gehört, die die
Menschen heimsuchten und richteten. Vielleicht beeindruckte ihn auch die
Würde dieses Mannes, der den Anspruch erhob, die Wahrheit zu sein. Jesu
Weigerung, die Frage nach seiner Herkunft ( woher bist du? ) zu
beantworten, war die Erfüllung der Prophezeiung in Jes 53,7 .
Pilatus hatte seine Chance, die Wahrheit zu finden, doch er nützte sie
nicht. Irritiert durch Jesu Schweigen fragte er: Weißt du nicht, daß ich
Macht habe ...? Das stimmt, Pilatus hatte Macht, doch auch er war nur
eine Schachfigur im Plan Gottes. Dennoch trug er gleichzeitig die volle
Verantwortung für seine Entschlüsse (vgl. Apg 4,27-28; 1Kor 2,8 ). In
Wirklichkeit ist Gott der einzige, der Macht hat. Auch Pilatus stand
nach den Worten Jesu unter Gottes Willen und war ihm verantwortlich: Der
mich dir überantwortet hat, der hat größere Sünde. Meinte Jesus damit
Judas, Satan, Kaiphas, die Priester oder das jüdische Volk? Kaiphas ist
vielleicht am plausibelsten, da er es war, der Jesus Pilatus übergab.
Pilatus war schuldig (vgl. die Worte im Glaubensbekenntnis: "gelitten
unter Pontius Pilatus"), doch Jesus schrieb die größere Verantwortung
Kaiphas zu (vgl. Joh 11,49-50;18,13-14 ).
Joh 19,12-13
Pilatus, wahrscheinlich überzeugt von Jesu Unschuld, wollte ihn
freilassen, doch die Juden unternahmen einen neuen Vorstoß. Wenn er
Jesus freiließe, so argumentierten sie, bewiese er damit seine
Illoyalität gegenüber dem Kaiser. Der Titel "des Kaisers
Freund" (lat.: amicus Caesaris ) war für Pilatus sehr wichtig. Die
Drohung, die der Hinweis der Juden enthielt, ließ ihn seinen Entschluß
nochmals überdenken. Tiberius, der römische Kaiser, war krank,
mißtrauisch und konnte sehr grausam sein. Pilatus, der viel vor ihm zu
verbergen hatte, wollte nicht, daß etwa ein ungünstiger Bericht an
seinen Vorgesetzten abging. Wenn erzwischen der Loyalitätsbezeugung
gegenüber Rom und der Parteinahme für einen verachteten, seltsamen Juden
zu wählen hatte, gab es für ihn keine Frage. Das Dilemma mußte endlich
zum Abschluß gebracht werden, daher fällte Pilatus nun eine offizielle
Entscheidung.
Joh 19,14-16
Die sechste Stunde könnte nach römischer Zeitrechnung sechs Uhr morgens
gewesen sein (manche Forscher sind allerdings der Ansicht, daß es zwölf
Uhr mittags war; vgl. den Kommentar zu Joh 1,39;4,6 ). Es war am Rüsttag
für das Passafest (d. i. Freitag), also der Tag des eigentlichen
Passafestes, der Tag, an dem Christus starb. An diesem Tag wurden die
Vorbereitungen für das siebentägige Fest der Ungesäuerten Brote, das
unmittelbar auf das Passafest folgte und manchmal die Passawoche genannt
wurde (vgl. Lk 2,41;22,1.7;12,3-4; vgl. den Kommentar zu Lk 22,7-38 ),
getroffen.
Pilatus sagte: Seht, das ist euer König! Auch darin liegt Ironie.
(Johannes ist der einzige Evangelist, der über diesen Zwischenfall
berichtet.) Pilatus glaubte nicht, daß Jesus der König der Juden war,
doch er nannte ihn so, um sie zu ärgern. Für Johannes war das sehr
wichtig, denn Jesus würde als König seines Volkes, als Messias, für sein
Volk sterben. Pilatus konnte es nicht lassen, die Juden zu reizen: Soll
ich euren König kreuzigen? Als ob Rom einen jüdischen König verschonen
würde! Die Erwiderung der Juden "wir haben keinen König als den
Kaiser" war ebenfalls voller Ironie. Die aufständischen Juden gaben vor,
Rom treu ergeben zu sein, während sie ihren Messias nicht anerkannten
(vgl. Ps 2,1-3 ).
D. Die Kreuzigung
( 19,17 - 30 )
Joh 19,17-18
Und er trug sein Kreuz und ging hinaus. Das war die Erfüllung zweier
alttestamentlicher Symbole bzw. Vorbilder. Auch Isaak trug das Holz
( 1Mo 22,6 ), mit dem er als Sühneopfer vor der Stadt bzw. vor dem Lager
verbrannt werden sollte, selbst hinaus (vgl. Hebr 13,11-13 ). So wurde
Jesus zur Sünde gemacht ( 2Kor 5,21 ). Der Ort der Kreuzigung
war Golgatha , die Schädelstätte ; er hieß so, weil der kahle, steinige
Hügel entfernt an einen Schädel erinnerte. Die zwei anderen Männer, die
mit Jesus gekreuzigt wurden, erwähnt Johannes, um den folgenden Bericht
- daß ihnen, nicht aber Jesus, die Beine gebrochen wurden - verständlich
zu machen (vgl. Joh 19,32-33 ). Lukas fügt noch hinzu, daß es sich bei
den beiden um "Übeltäter" handelte ( Lk 23,32 ), und Matthäus bezeichnet
sie als "Räuber" ( Mt 27,44 ).
Joh 19,19-20
Als nächstes wandte sich die Spannung zwischen Pilatus und den Priestern
der Aufschrift (griechisch: titlon , lateinisch: titulus ) zu, die
normalerweise am Kreuz eines Verbrechers angebracht wurde. Bei Jesus
lautete sie: Jesus von Nazareth, der König der Juden. Da sie in drei
Sprachen - hebräisch, lateinisch und griechisch - geschrieben war und
die Kreuzigung an einer öffentlichen Stätte stattfand, enthielt sie für
alle, die lesen konnten, eine ganz klare Aussage.
Joh 19,21-22
Die Hohenpriester hatten natürlich nicht beabsichtigt, daß dieser
Sachverhalt solcherart - als Tatsache - verkündet wurde. Daher
protestierten sie vor Pilatus und verlangten, daß die Inschrift geändert
werde. Doch er lehnte ihre Forderung ab. Zweifellos war er der Ansicht,
daß er lange genug die Dreckarbeit für die jüdischen Machthaber getan
hatte und freute sich über seinen boshaften kleinen Scherz. Seine
hochmütige Antwort "Was ich geschrieben habe, das habe ich
geschrieben" war die letzte seiner bemerkenswerten Äußerungen (vgl. Joh
18,38;19,5.14-15; Mt 27,24 ). Johannes erkannte, daß zwar Pilatus diese
Worte schreiben ließ, daß es letztlich jedoch Gottes Plan war, daß sein
Sohn mit dieser Aufschrift an seinem Kreuz starb. Im Grunde hatte sich
Pilatus mit diesen Worten selbst gerichtet. Er hatte seine Aufgabe
erfüllt und seine Gelegenheit zur Erkenntnis gehabt. Doch er, ein Heide,
wird - seiner Tat entsprechend - vom König der Juden gerichtet werden!
Joh 19,23-24
Daß die Soldaten Jesus entkleideten und seine Kleider dann untereinander
aufteilten, entsprach der Grausamkeit der damaligen Zeit.
Kleidungsstücke waren handgefertigt und daher - im Vergleich zu den
Kleidern heutzutage - sehr teuer. Die Schergen empfingen ihren Anteil
aus dem Besitz des Delinquenten als etwas ihnen Zustehendes.
Das ungenähte Gewand war insofern von großer Bedeutung, als auch der
Hohepriester ein solches Kleidungsstück trug, doch Johannes geht auf
diesen Punkt nicht näher ein. Für ihn lag die Bedeutung des Gewandes in
der Erfüllung von Ps 22,18 ,wo - gewissermaßen als lyrische Parallele zu
diesem Vers - über die Teilung der Kleider Jesu gesagt wird: (a) Sie
haben meine Kleider unter sich geteilt, und (b) sie haben über mein
Gewand das Los geworfen . Daß Jesus nackt starb, gehörte zu der Schande,
die er erlitt für unsere Sünden. Gleichzeitig war er der letzte Adam,
der den Sündern die Kleidung der Gerechtigkeit zur Verfügung stellte.
Joh 19,25-27
In schroffem Kontrast zu der Grausamkeit und Gleichgültigkeit der
Soldaten beobachtete eine Gruppe von vier Frauen, die Jesus gefolgt
waren und ihn liebten, tiefbekümmert die Vorgänge am Kreuz. Der Schmerz
der Mutter Jesu war die Erfüllung der Prophezeiung von Simeon: "Und auch
durch deine Seele wird ein Schwert dringen" ( Lk 2,35 ). Jesus, der
ihren Kummer sah, ehrte seine Mutter , indem er sie der Fürsorge von
Johannes, dem geliebten Jünger, anvertraute. Seine Brüder und Schwestern
lebten in Galiläa und waren nicht in der Lage, für sie zu sorgen oder
sie zu trösten. Jesu Worte zu Maria und zu dem Jünger, den er lieb
hatte, waren seine dritte Äußerung am Kreuz (die erste, von der Johannes
berichtet). In den anderen Evangelien hatte er bereits den römischen
Soldaten, die ihn kreuzigten, und auch dem einen der beiden Diebe, die
mit ihm gekreuzigt wurden, vergeben (vgl. Lk 23,34.42-43 ).
Joh 19,28-29
Auch von Jesu viertem seiner sieben Aussprüche am Kreuz, "mein Gott,
mein Gott, warum hast du mich verlassen", berichtet Johannes nicht
(vgl. Mt 27,46; Mk 15,34 ). Er erwähnt erst wieder den fünften: Mich
dürstet. Das ist ein Hinweis, daß Jesus bei vollem Bewußtsein und bereit
war, alle Einzelheiten der Prophezeiungen zu erfüllen ( Ps
42,1-2;63,2 ). Das Paradoxon, daß der, der das Wasser des Lebens ist
( Joh 4,14;7,38 ), im Sterben Durst litt, ist beeindruckend. Auf seine
Klage hin wurde ihm, in Erfüllung von Ps 69,21 ,Essig - ein sehr saurer
Wein - gereicht. Die Prozedur, einen mit Essig gefüllten Schwamm auf ein
Ysoprohr zu stecken, mutet seltsam an. Dieses Detail weist vielleicht
darauf hin, daß Jesus als wahres Passalamm starb, denn Ysop wurde auch
bei den Passafeierlichkeiten benutzt (vgl. 2Mo 12,22 ).
Joh 19,30
Der sechste Ausspruch Jesu am Kreuz bestand in dem einzigen griechischen
Wort tetelestai , das bedeutet: Es ist vollbracht! Man fand es auf
Papyrusquittungen für Steuern, als Empfangsbestätigung für die Zahlung.
Daß Jesus gerade mit diesem Wort auf den Lippen starb, war ebenfalls von
großer Bedeutung. Der Satz "es ist vollbracht" bezog sich auf die
Vollendung seines Erlösungswerkes. Er war für die Menschen zur Sünde
gemacht worden ( 2Kor 5,21 ) und hatte die Strafe für diese Sünde
erlitten. Noch im Augenblick seines Todes blieb Jesus derjenige, der
sein Leben bewußt aufgab (vgl. Joh 10,11.15.17-18 ). Er neigte das
Haupt (und sagte das siebte Wort: "Vater, ich befehle meinen Geist in
deine Hände"; Lk 23,46 ) und verschied . Das unterscheidet sich von der
langsam eintretenden Bewußtlosigkeit, die die Gekreuzigten normalerweise
erlebten.
E. Das Begräbnis
( 19,31 - 42 )
Joh 19,31-32
In dem einzigen archäologischen Fund, der Aufschluß über den Vorgang der
Kreuzigung gibt, aus dem Jahr 1968, zeigen die Skelettreste, daß die
Unterschenkel des Gekreuzigten mit einem einzigen Schlag gebrochenworden
waren. Das erklärt die folgende Passage. Nach dem Gesetz ( 5Mo
21,22-23 ) war es verboten, einen Leichnam über Nacht oder gar bis zum
Sabbat an einem Baum (oder Holzkreuz) hängen zu lassen. Denn ein Mensch,
der gekreuzigt worden war, stand unter dem Fluch Gottes, und wenn man
seinen Leichnam nicht entfernte, würde er das ganze Land verunreinigen
(vgl. 5Mo 21,23; Gal 3,13 ).
Der lateinische Fachausdruck für das Zerschlagen der Unterschenkel
war crurifragium . Es führte durch den Schock, den Blutverlust und die
Atemnot (wenn die Beine gebrochen waren, mußte der Brustkorb das gesamte
Körpergewicht tragen) sehr rasch zum Tod. Ohne diese Prozedur lebte der
Verurteilte noch stunden-, manchmal sogar tagelang.
Das crurifragium wurde an den beiden Dieben, die mit Jesus gekreuzigt
worden waren, vollzogen.
Joh 19,33-34
Doch Jesus war bereits gestorben, daher wurden ihm die Beine nicht
gebrochen. Statt dessen stieß einer der Soldaten Jesus zur
Sicherheit mit dem Speer in seine Seite, und sogleich kam Blut und
Wasser heraus . Das wurde ebenfalls auf mehrere Arten erklärt. Manche
Forscher sehen in dieser Flüssigkeitsabsonderung einen Beleg dafür, daß
Jesus an Herzversagen starb, bei dem der Herzbeutel mit Blut und
Lymphflüssigkeit angefüllt ist. Für andere hat sie symbolische oder
sakramentale Bedeutung. Plausibler ist jedoch, diese Erscheinung als
Beleg dafür zu nehmen, daß Jesus ein wirklicher Mensch war, der eines
wirklichen Todes starb. Möglicherweise durchstach der Speer den Magen
und das Herz. "Der das gesehen hat" (V. 35 ), sah darin jedenfalls ein
Zeichen der Rettung. Zur Zeit der Entstehung des Johannesevangeliums
hatte die Urkirche große Probleme mit der Gnosis und dem Doketismus.
Beide leugneten die Realität der Inkarnation und des Todes Jesu. Doch
das Blut und das Wasser, die aus der Seite Jesu kamen, widerlegen diese
Häresien.
Joh 19,35-37
Der folgende Abschnitt berichtet von dem Zeugnis eines Augenzeugen des
Geschehens, der höchstwahrscheinlich mit dem Verfasser des Evangeliums,
dem Jünger Johannes, identisch ist (vgl. Joh 13,23;21,20-24 ). Der Wert
seines Zeugnisses liegt in dem Anspruch auf Wahrheit , den es erhebt und
der die anderen dazu bringen soll, die Vorgänge am Kreuz und ihre
Bedeutung zu verstehen (vgl. Joh 20,31 ). Johannes erklärte, daß die
Tatsache, daß die Soldaten Jesus nicht die Beine brachen, sondern ihm
die Seite durchstießen, zwei Prophezeiungen erfüllte. Jesus als dem
wahren Passalamm wurde kein Bein zerbrochen ( 2Mo 12,46; 4Mo 9,12; Ps
34,21 ), und in der Zukunft werden die Menschen auf den sehen, den sie
durchbohrt haben ( Sach 12,10; vgl. Offb 1,7 ).
Joh 19,38-39
Josef von Arimathäa war ein reicher Mann ( Mt 27,57 ), der auf das
Gottesreich wartete ( Mk 15,43 ). (Arimathäa lag etwa 30 Kilometer
nordwestlich von Jerusalem.) Obwohl er Mitglied des Hohen Rates war, war
er "ein guter und frommer Mann und hatte ihren Rat und ihr Handeln nicht
gebilligt" ( Lk 23,50-51 ). Nach der Kreuzigung überließen die Römer den
Leichnam gewöhnlich den wilden Tieren - die letzte Demütigung, die zur
Kreuzigung gehörte. Die Juden nahmen den Toten jedoch ab und begruben
ihn (vgl. den Kommentar zu Joh 19,31-32 ).
Josef bat um die Erlaubnis, den Leichnam Jesu abnehmen zu dürfen .
Zusammen mit einem anderen einflußreichen Mann ( Nikodemus ; vgl. Joh
3,1; Joh 7,50-51 ) traf er die notwendigen Vorbereitungen. Etwa hundert
Pfund Myrrhe gemischt mit Aloe waren eine unglaubliche Menge von
Kräutern, mit denen die Leiche für das Begräbnis vorbereitet wurde.
Vielleicht verstand Nikodemus nun die Lehre Jesu, daß er erhöht würde
und daß ein Mensch im Glauben zu ihm aufsehen und leben könne (vgl. Joh
3,14 ). Beide Männer waren bisher im geheimen Jünger Jesu gewesen, doch
nun trat ihre Überzeugung an den Tag.
Joh 19,40-42
Weil es schon beinahe Sabbat war (er begann bei Sonnenuntergang), mußte
das Begräbnis rasch bewerkstelligt werden. Zu den jüdischen
Begräbnisriten gehörte weder die Mumifizierung noch die Einbalsamierung,
bei der das Blut und die Organe aus der Leiche entfernt wurden. Der
Leichnam wurde nur gewaschen und mit Tüchern und wohlriechenden
Ölen bedeckt. Die Übersetzung von othoniois mit "Leinenbinden" hat
einiges für sich. Manche katholischen Exegeten bevorzugen jedoch die
Übersetzung "Leinentücher" (wie auch Luther schreibt), da auch Matthäus
von einem Leinentuch spricht, in das Jesu Leichnam gewickelt wurde ( Mt
27,59; sindOn ).
Die neuere Diskussion über das Grabtuch von Turin ließen die
Kontroversen wieder aufleben, denn die Übersetzung mit "Leinenbinden"
spräche gegen die Echtheit des Turiner Tuches. Zum gegenwärtigen
Zeitpunkt sollte man sich jedoch aller dogmatischen Urteile enthalten,
da wir viel zu wenig über die jüdischen Begräbnispraktiken, die
Bedeutung des Wortes othoniois und den Fund des Grabtuches von Turin
wissen. Jesu Leiche wurde in ein neues Grab in einem Garten , nicht in
einem Friedhof, gelegt. Matthäus schreibt, daß es sich dabei um Josefs
eigenes Grab handelte, "das er in einen Felsen hatte hauen lassen" ( Mt
27,60 ). Jesaja hatte prophezeit, daß der Messias, der leidende
Gottesknecht, wenngleich von den Menschen verachtet und verworfen, sein
Grab bei Reichen finden würde ( Jes 53,9 ).
Daß Jesus begraben wurde, gehört zur frohen Botschaft des Evangeliums
("daß er begraben worden ist"; 1Kor 15,4 ). Die Bedeutung des
Begräbnisses liegt in der Tatsache, daß damit Jesu Leiden und
Erniedrigung endgültig abgeschlossen waren. Darüber hinaus weist der
Bericht über diesen Vorgang auf die Wirklichkeit seines Todes hin und
wirft zugleich ein erstes Licht auf die Auferstehung. In seinem
Begräbnis identifizierte Jesus sich mit den Gläubigen, die sterben und
begraben werden.
Das Liebeswerk des Josef und des Nikodemus war für sie gefährlich und
kostspielig und brachte ihnen keinerlei persönlichen Vorteil. Ebenso
mutig und opferbereit sollte auch der Dienst der Christen für ihren
lebendigen Herrn sein, denn ihre Mühe ist nicht umsonst ( 1Kor 15,58 ). |