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Johannesevangelium Walvoord  Edwin A. Blum

Johannes Kapitel 19

Johannes 19 Zusammenfassung

  1. Pilatus: Jesus wird von Pilatus verhört.
  2. Geißelung: Jesus wird gegeißelt.
  3. Dornenkrone: Jesus wird eine Dornenkrone aufgesetzt.
  4. Purpurmantel: Jesus wird ein Purpurmantel umgelegt.
  5. Kreuzigung: Jesus wird zur Kreuzigung verurteilt.
  6. Golgatha: Jesus wird nach Golgatha geführt.
  7. Kreuz: Jesus wird gekreuzigt.
  8. Inschrift: Eine Inschrift wird über Jesus' Kreuz angebracht: "Jesus von Nazareth, der König der Juden."
  9. Soldaten: Die Soldaten teilen Jesu Kleider unter sich auf.
  10. Mutter Jesu: Jesus übergibt seine Mutter dem Jünger, den er liebte.
  11. Durst: Jesus sagt: "Mich dürstet."
  12. Essig: Jesus wird Essig zu trinken gegeben.
  13. Es ist vollbracht: Jesus sagt: "Es ist vollbracht."
  14. Tod: Jesus stirbt.
  15. Grablegung: Jesus wird ins Grab gelegt.


 

Joh 19,1-3

 

Als drittes ließ Pilatus Jesus geißeln . Das war, nach Lukas ( Lk 23,16 ), ein weiterer Versuch, einen Kompromiß herbeizuführen. Er hoffte, die Menge mit dem Anblick von etwas Blut zufriedenzustellen. Die römische Geißelung wurde mit einer Lederpeitsche, an deren Enden sich kleine Metallstücke befanden, durchgeführt, eine Methode, die häufig zum Tod des Delinquenten führte. Die Geißelung, die Krone aus Dornen, das Purpurgewand , der Spott, der darin lag, ihm als König der Juden zu huldigen, und die Schläge ins Gesicht - sie alle waren Teil von Jesu tiefer Erniedrigung, die er erlitt, weil er als der Gottesknecht mit der Sünde der Menschen identifiziert wurde (vgl. Jes 50,6;52,14-53,6 ). (Matthäus und Markus fügen noch hinzu, daß die Soldaten Jesus anspuckten [ Mt 27,30; Mk 15,19 ]). Die Dornenkrone erinnert an den Fluch der Dornen und Disteln, den die Sünde der Menschen nach sich zog ( 1Mo 3,18 ).

 

 

Joh 19,4-5

 

Doch auch dieser Versuch des Pilatus, Jesus freizubekommen, schlug fehl. Der Blutdurst der Menge war noch nicht gestillt. Pilatus' Worte "Seht, welch ein Mensch!" (lat.: Ecce homo ) sind, wie seltsamerweise auch mehrere andere seiner Aussprüche, unsterblich geworden. Jesus muß damals einen ergreifenden Anblick geboten haben: blutüberströmt, mit der Dornenkrone auf dem Haupt und in das Purpurgewand gekleidet.

 

 

Joh 19,6-7

 

Wieder flammte der Haß der jüdischen Machthaber auf, und sie schrieen: Kreuzige, kreuzige! Die Kreuzigung war eine schmachvolle Todesart, die gewöhnlich nur über Schwerverbrecher, Sklaven und vor allem Aufständische verhängt wurde. Als Pilatus sich noch immer weigerte, sich anstelle der Juden zum Henker machen zu lassen, nannten sie ihm ihren wahren Grund: Er hat sich selbst zu Gottes Sohn gemacht. Nach dem Gesetz stand auf Gotteslästerung, wenn sie bewiesen werden konnte, die Todesstrafe ( 3Mo 24,16 ). Etwa um diese Zeit sandte Pilatus' Frau ihm die seltsame Nachricht: "Habe du nichts zu schaffen mit diesem Gerechten; denn ich habe heute viel erlitten im Traum um seinetwillen" ( Mt 27,19 ).

 

 

Joh 19,8-11

 

Die Reaktion des Statthalters zeigte, daß er sich fürchtete. Als Heide hatte er Geschichten von Göttern in Menschengestalt gehört, die die Menschen heimsuchten und richteten. Vielleicht beeindruckte ihn auch die Würde dieses Mannes, der den Anspruch erhob, die Wahrheit zu sein. Jesu Weigerung, die Frage nach seiner Herkunft ( woher bist du? ) zu beantworten, war die Erfüllung der Prophezeiung in Jes 53,7 .

Pilatus hatte seine Chance, die Wahrheit zu finden, doch er nützte sie nicht. Irritiert durch Jesu Schweigen fragte er: Weißt du nicht, daß ich Macht habe ...? Das stimmt, Pilatus hatte Macht, doch auch er war nur eine Schachfigur im Plan Gottes. Dennoch trug er gleichzeitig die volle Verantwortung für seine Entschlüsse (vgl. Apg 4,27-28; 1Kor 2,8 ). In Wirklichkeit ist Gott der einzige, der Macht hat. Auch Pilatus stand nach den Worten Jesu unter Gottes Willen und war ihm verantwortlich: Der mich dir überantwortet hat, der hat größere Sünde. Meinte Jesus damit Judas, Satan, Kaiphas, die Priester oder das jüdische Volk? Kaiphas ist vielleicht am plausibelsten, da er es war, der Jesus Pilatus übergab. Pilatus war schuldig (vgl. die Worte im Glaubensbekenntnis: "gelitten unter Pontius Pilatus"), doch Jesus schrieb die größere Verantwortung Kaiphas zu (vgl. Joh 11,49-50;18,13-14 ).

 

 

Joh 19,12-13

 

Pilatus, wahrscheinlich überzeugt von Jesu Unschuld, wollte ihn freilassen, doch die Juden unternahmen einen neuen Vorstoß. Wenn er Jesus freiließe, so argumentierten sie, bewiese er damit seine Illoyalität gegenüber dem Kaiser. Der Titel "des Kaisers Freund" (lat.: amicus Caesaris ) war für Pilatus sehr wichtig. Die Drohung, die der Hinweis der Juden enthielt, ließ ihn seinen Entschluß nochmals überdenken. Tiberius, der römische Kaiser, war krank, mißtrauisch und konnte sehr grausam sein. Pilatus, der viel vor ihm zu verbergen hatte, wollte nicht, daß etwa ein ungünstiger Bericht an seinen Vorgesetzten abging. Wenn erzwischen der Loyalitätsbezeugung gegenüber Rom und der Parteinahme für einen verachteten, seltsamen Juden zu wählen hatte, gab es für ihn keine Frage. Das Dilemma mußte endlich zum Abschluß gebracht werden, daher fällte Pilatus nun eine offizielle Entscheidung.

 

Joh 19,14-16

 

Die sechste Stunde könnte nach römischer Zeitrechnung sechs Uhr morgens gewesen sein (manche Forscher sind allerdings der Ansicht, daß es zwölf Uhr mittags war; vgl. den Kommentar zu Joh 1,39;4,6 ). Es war am Rüsttag für das Passafest (d. i. Freitag), also der Tag des eigentlichen Passafestes, der Tag, an dem Christus starb. An diesem Tag wurden die Vorbereitungen für das siebentägige Fest der Ungesäuerten Brote, das unmittelbar auf das Passafest folgte und manchmal die Passawoche genannt wurde (vgl. Lk 2,41;22,1.7;12,3-4; vgl. den Kommentar zu Lk 22,7-38 ), getroffen.

Pilatus sagte: Seht, das ist euer König! Auch darin liegt Ironie. (Johannes ist der einzige Evangelist, der über diesen Zwischenfall berichtet.) Pilatus glaubte nicht, daß Jesus der König der Juden war, doch er nannte ihn so, um sie zu ärgern. Für Johannes war das sehr wichtig, denn Jesus würde als König seines Volkes, als Messias, für sein Volk sterben. Pilatus konnte es nicht lassen, die Juden zu reizen: Soll ich euren König kreuzigen? Als ob Rom einen jüdischen König verschonen würde! Die Erwiderung der Juden "wir haben keinen König als den Kaiser" war ebenfalls voller Ironie. Die aufständischen Juden gaben vor, Rom treu ergeben zu sein, während sie ihren Messias nicht anerkannten (vgl. Ps 2,1-3 ).

 

 

D. Die Kreuzigung

( 19,17 - 30 )

 

Joh 19,17-18

 

Und er trug sein Kreuz und ging hinaus. Das war die Erfüllung zweier alttestamentlicher Symbole bzw. Vorbilder. Auch Isaak trug das Holz ( 1Mo 22,6 ), mit dem er als Sühneopfer vor der Stadt bzw. vor dem Lager verbrannt werden sollte, selbst hinaus (vgl. Hebr 13,11-13 ). So wurde Jesus zur Sünde gemacht ( 2Kor 5,21 ). Der Ort der Kreuzigung war Golgatha , die Schädelstätte ; er hieß so, weil der kahle, steinige Hügel entfernt an einen Schädel erinnerte. Die zwei anderen Männer, die mit Jesus gekreuzigt wurden, erwähnt Johannes, um den folgenden Bericht - daß ihnen, nicht aber Jesus, die Beine gebrochen wurden - verständlich zu machen (vgl. Joh 19,32-33 ). Lukas fügt noch hinzu, daß es sich bei den beiden um "Übeltäter" handelte ( Lk 23,32 ), und Matthäus bezeichnet sie als "Räuber" ( Mt 27,44 ).

 

 

Joh 19,19-20

 

Als nächstes wandte sich die Spannung zwischen Pilatus und den Priestern der Aufschrift (griechisch: titlon , lateinisch: titulus ) zu, die normalerweise am Kreuz eines Verbrechers angebracht wurde. Bei Jesus lautete sie: Jesus von Nazareth, der König der Juden. Da sie in drei Sprachen - hebräisch, lateinisch und griechisch - geschrieben war und die Kreuzigung an einer öffentlichen Stätte stattfand, enthielt sie für alle, die lesen konnten, eine ganz klare Aussage.

 

 

Joh 19,21-22

 

Die Hohenpriester hatten natürlich nicht beabsichtigt, daß dieser Sachverhalt solcherart - als Tatsache - verkündet wurde. Daher protestierten sie vor Pilatus und verlangten, daß die Inschrift geändert werde. Doch er lehnte ihre Forderung ab. Zweifellos war er der Ansicht, daß er lange genug die Dreckarbeit für die jüdischen Machthaber getan hatte und freute sich über seinen boshaften kleinen Scherz. Seine hochmütige Antwort "Was ich geschrieben habe, das habe ich geschrieben" war die letzte seiner bemerkenswerten Äußerungen (vgl. Joh 18,38;19,5.14-15; Mt 27,24 ). Johannes erkannte, daß zwar Pilatus diese Worte schreiben ließ, daß es letztlich jedoch Gottes Plan war, daß sein Sohn mit dieser Aufschrift an seinem Kreuz starb. Im Grunde hatte sich Pilatus mit diesen Worten selbst gerichtet. Er hatte seine Aufgabe erfüllt und seine Gelegenheit zur Erkenntnis gehabt. Doch er, ein Heide, wird - seiner Tat entsprechend - vom König der Juden gerichtet werden!

 

 

Joh 19,23-24

 

Daß die Soldaten Jesus entkleideten und seine Kleider dann untereinander aufteilten, entsprach der Grausamkeit der damaligen Zeit. Kleidungsstücke waren handgefertigt und daher - im Vergleich zu den Kleidern heutzutage - sehr teuer. Die Schergen empfingen ihren Anteil aus dem Besitz des Delinquenten als etwas ihnen Zustehendes. Das ungenähte Gewand war insofern von großer Bedeutung, als auch der Hohepriester ein solches Kleidungsstück trug, doch Johannes geht auf diesen Punkt nicht näher ein. Für ihn lag die Bedeutung des Gewandes in der Erfüllung von Ps 22,18 ,wo - gewissermaßen als lyrische Parallele zu diesem Vers - über die Teilung der Kleider Jesu gesagt wird: (a) Sie haben meine Kleider unter sich geteilt, und (b) sie haben über mein Gewand das Los geworfen . Daß Jesus nackt starb, gehörte zu der Schande, die er erlitt für unsere Sünden. Gleichzeitig war er der letzte Adam, der den Sündern die Kleidung der Gerechtigkeit zur Verfügung stellte.

 

 

Joh 19,25-27

 

In schroffem Kontrast zu der Grausamkeit und Gleichgültigkeit der Soldaten beobachtete eine Gruppe von vier Frauen, die Jesus gefolgt waren und ihn liebten, tiefbekümmert die Vorgänge am Kreuz. Der Schmerz der Mutter Jesu war die Erfüllung der Prophezeiung von Simeon: "Und auch durch deine Seele wird ein Schwert dringen" ( Lk 2,35 ). Jesus, der ihren Kummer sah, ehrte seine Mutter , indem er sie der Fürsorge von Johannes, dem geliebten Jünger, anvertraute. Seine Brüder und Schwestern lebten in Galiläa und waren nicht in der Lage, für sie zu sorgen oder sie zu trösten. Jesu Worte zu Maria und zu dem Jünger, den er lieb hatte, waren seine dritte Äußerung am Kreuz (die erste, von der Johannes berichtet). In den anderen Evangelien hatte er bereits den römischen Soldaten, die ihn kreuzigten, und auch dem einen der beiden Diebe, die mit ihm gekreuzigt wurden, vergeben (vgl. Lk 23,34.42-43 ).

 

 

Joh 19,28-29

 

Auch von Jesu viertem seiner sieben Aussprüche am Kreuz, "mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen", berichtet Johannes nicht (vgl. Mt 27,46; Mk 15,34 ). Er erwähnt erst wieder den fünften: Mich dürstet. Das ist ein Hinweis, daß Jesus bei vollem Bewußtsein und bereit war, alle Einzelheiten der Prophezeiungen zu erfüllen ( Ps 42,1-2;63,2 ). Das Paradoxon, daß der, der das Wasser des Lebens ist ( Joh 4,14;7,38 ), im Sterben Durst litt, ist beeindruckend. Auf seine Klage hin wurde ihm, in Erfüllung von Ps 69,21 ,Essig - ein sehr saurer Wein - gereicht. Die Prozedur, einen mit Essig gefüllten Schwamm auf ein Ysoprohr zu stecken, mutet seltsam an. Dieses Detail weist vielleicht darauf hin, daß Jesus als wahres Passalamm starb, denn Ysop wurde auch bei den Passafeierlichkeiten benutzt (vgl. 2Mo 12,22 ).

 

 

Joh 19,30

 

Der sechste Ausspruch Jesu am Kreuz bestand in dem einzigen griechischen Wort tetelestai , das bedeutet: Es ist vollbracht! Man fand es auf Papyrusquittungen für Steuern, als Empfangsbestätigung für die Zahlung. Daß Jesus gerade mit diesem Wort auf den Lippen starb, war ebenfalls von großer Bedeutung. Der Satz "es ist vollbracht" bezog sich auf die Vollendung seines Erlösungswerkes. Er war für die Menschen zur Sünde gemacht worden ( 2Kor 5,21 ) und hatte die Strafe für diese Sünde erlitten. Noch im Augenblick seines Todes blieb Jesus derjenige, der sein Leben bewußt aufgab (vgl. Joh 10,11.15.17-18 ). Er neigte das Haupt (und sagte das siebte Wort: "Vater, ich befehle meinen Geist in deine Hände"; Lk 23,46 ) und verschied . Das unterscheidet sich von der langsam eintretenden Bewußtlosigkeit, die die Gekreuzigten normalerweise erlebten.

 

 

E. Das Begräbnis

( 19,31 - 42 )

 

Joh 19,31-32

 

In dem einzigen archäologischen Fund, der Aufschluß über den Vorgang der Kreuzigung gibt, aus dem Jahr 1968, zeigen die Skelettreste, daß die Unterschenkel des Gekreuzigten mit einem einzigen Schlag gebrochenworden waren. Das erklärt die folgende Passage. Nach dem Gesetz ( 5Mo 21,22-23 ) war es verboten, einen Leichnam über Nacht oder gar bis zum Sabbat an einem Baum (oder Holzkreuz) hängen zu lassen. Denn ein Mensch, der gekreuzigt worden war, stand unter dem Fluch Gottes, und wenn man seinen Leichnam nicht entfernte, würde er das ganze Land verunreinigen (vgl. 5Mo 21,23; Gal 3,13 ).

Der lateinische Fachausdruck für das Zerschlagen der Unterschenkel war crurifragium . Es führte durch den Schock, den Blutverlust und die Atemnot (wenn die Beine gebrochen waren, mußte der Brustkorb das gesamte Körpergewicht tragen) sehr rasch zum Tod. Ohne diese Prozedur lebte der Verurteilte noch stunden-, manchmal sogar tagelang. Das crurifragium wurde an den beiden Dieben, die mit Jesus gekreuzigt worden waren, vollzogen.

 

 

Joh 19,33-34

 

Doch Jesus war bereits gestorben, daher wurden ihm die Beine nicht gebrochen. Statt dessen stieß einer der Soldaten Jesus zur Sicherheit mit dem Speer in seine Seite, und sogleich kam Blut und Wasser heraus . Das wurde ebenfalls auf mehrere Arten erklärt. Manche Forscher sehen in dieser Flüssigkeitsabsonderung einen Beleg dafür, daß Jesus an Herzversagen starb, bei dem der Herzbeutel mit Blut und Lymphflüssigkeit angefüllt ist. Für andere hat sie symbolische oder sakramentale Bedeutung. Plausibler ist jedoch, diese Erscheinung als Beleg dafür zu nehmen, daß Jesus ein wirklicher Mensch war, der eines wirklichen Todes starb. Möglicherweise durchstach der Speer den Magen und das Herz. "Der das gesehen hat" (V. 35 ), sah darin jedenfalls ein Zeichen der Rettung. Zur Zeit der Entstehung des Johannesevangeliums hatte die Urkirche große Probleme mit der Gnosis und dem Doketismus. Beide leugneten die Realität der Inkarnation und des Todes Jesu. Doch das Blut und das Wasser, die aus der Seite Jesu kamen, widerlegen diese Häresien.

 

 

Joh 19,35-37

 

Der folgende Abschnitt berichtet von dem Zeugnis eines Augenzeugen des Geschehens, der höchstwahrscheinlich mit dem Verfasser des Evangeliums, dem Jünger Johannes, identisch ist (vgl. Joh 13,23;21,20-24 ). Der Wert seines Zeugnisses liegt in dem Anspruch auf Wahrheit , den es erhebt und der die anderen dazu bringen soll, die Vorgänge am Kreuz und ihre Bedeutung zu verstehen (vgl. Joh 20,31 ). Johannes erklärte, daß die Tatsache, daß die Soldaten Jesus nicht die Beine brachen, sondern ihm die Seite durchstießen, zwei Prophezeiungen erfüllte. Jesus als dem wahren Passalamm wurde kein Bein zerbrochen ( 2Mo 12,46; 4Mo 9,12; Ps 34,21 ), und in der Zukunft werden die Menschen auf den sehen, den sie durchbohrt haben ( Sach 12,10; vgl. Offb 1,7 ).

 

 

Joh 19,38-39

 

Josef von Arimathäa war ein reicher Mann ( Mt 27,57 ), der auf das Gottesreich wartete ( Mk 15,43 ). (Arimathäa lag etwa 30 Kilometer nordwestlich von Jerusalem.) Obwohl er Mitglied des Hohen Rates war, war er "ein guter und frommer Mann und hatte ihren Rat und ihr Handeln nicht gebilligt" ( Lk 23,50-51 ). Nach der Kreuzigung überließen die Römer den Leichnam gewöhnlich den wilden Tieren - die letzte Demütigung, die zur Kreuzigung gehörte. Die Juden nahmen den Toten jedoch ab und begruben ihn (vgl. den Kommentar zu Joh 19,31-32 ).

Josef bat um die Erlaubnis, den Leichnam Jesu abnehmen zu dürfen . Zusammen mit einem anderen einflußreichen Mann ( Nikodemus ; vgl. Joh 3,1; Joh 7,50-51 ) traf er die notwendigen Vorbereitungen. Etwa hundert Pfund Myrrhe gemischt mit Aloe waren eine unglaubliche Menge von Kräutern, mit denen die Leiche für das Begräbnis vorbereitet wurde. Vielleicht verstand Nikodemus nun die Lehre Jesu, daß er erhöht würde und daß ein Mensch im Glauben zu ihm aufsehen und leben könne (vgl. Joh 3,14 ). Beide Männer waren bisher im geheimen Jünger Jesu gewesen, doch nun trat ihre Überzeugung an den Tag.

 

 

Joh 19,40-42

 

Weil es schon beinahe Sabbat war (er begann bei Sonnenuntergang), mußte das Begräbnis rasch bewerkstelligt werden. Zu den jüdischen Begräbnisriten gehörte weder die Mumifizierung noch die Einbalsamierung, bei der das Blut und die Organe aus der Leiche entfernt wurden. Der Leichnam wurde nur gewaschen und mit Tüchern und wohlriechenden Ölen bedeckt. Die Übersetzung von othoniois mit "Leinenbinden" hat einiges für sich. Manche katholischen Exegeten bevorzugen jedoch die Übersetzung "Leinentücher" (wie auch Luther schreibt), da auch Matthäus von einem Leinentuch spricht, in das Jesu Leichnam gewickelt wurde ( Mt 27,59; sindOn ).

Die neuere Diskussion über das Grabtuch von Turin ließen die Kontroversen wieder aufleben, denn die Übersetzung mit "Leinenbinden" spräche gegen die Echtheit des Turiner Tuches. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt sollte man sich jedoch aller dogmatischen Urteile enthalten, da wir viel zu wenig über die jüdischen Begräbnispraktiken, die Bedeutung des Wortes othoniois und den Fund des Grabtuches von Turin wissen. Jesu Leiche wurde in ein neues Grab in einem Garten , nicht in einem Friedhof, gelegt. Matthäus schreibt, daß es sich dabei um Josefs eigenes Grab handelte, "das er in einen Felsen hatte hauen lassen" ( Mt 27,60 ). Jesaja hatte prophezeit, daß der Messias, der leidende Gottesknecht, wenngleich von den Menschen verachtet und verworfen, sein Grab bei Reichen finden würde ( Jes 53,9 ).

Daß Jesus begraben wurde, gehört zur frohen Botschaft des Evangeliums ("daß er begraben worden ist"; 1Kor 15,4 ). Die Bedeutung des Begräbnisses liegt in der Tatsache, daß damit Jesu Leiden und Erniedrigung endgültig abgeschlossen waren. Darüber hinaus weist der Bericht über diesen Vorgang auf die Wirklichkeit seines Todes hin und wirft zugleich ein erstes Licht auf die Auferstehung. In seinem Begräbnis identifizierte Jesus sich mit den Gläubigen, die sterben und begraben werden.

Das Liebeswerk des Josef und des Nikodemus war für sie gefährlich und kostspielig und brachte ihnen keinerlei persönlichen Vorteil. Ebenso mutig und opferbereit sollte auch der Dienst der Christen für ihren lebendigen Herrn sein, denn ihre Mühe ist nicht umsonst ( 1Kor 15,58 ).