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Johannesevangelium Walvoord  Edwin A. Blum


Johannes Kapitel 5



Johannes 5 Zusammenfassung:

  1. Bethesda: Jesus heilt einen Gelähmten am Teich Bethesda.
  2. Sabbat: Die Heilung geschieht am Sabbat, was Kontroversen auslöst.
  3. Kritik der Juden: Die Juden kritisieren Jesus wegen der Sabbatheilung.
  4. Vollmacht Jesu: Jesus spricht über seine Vollmacht, die er vom Vater hat.
  5. Leben geben: Jesus hat die Vollmacht, Leben zu geben.
  6. Gericht halten: Jesus hat die Vollmacht, Gericht zu halten.
  7. Ehre des Vaters: Jesus fordert, dass man den Sohn ehrt, wie man den Vater ehrt.
  8. Wort hören: Wer Jesu Wort hört und dem glaubt, der ihn gesandt hat, hat ewiges Leben.
  9. Auferstehung: Jesus spricht von der Auferstehung der Toten.
  10. Zeugnis für Jesus: Jesus spricht über die Zeugen, die für ihn sprechen.
  11. Johannes der Täufer: Johannes der Täufer hat für Jesus Zeugnis abgelegt.
  12. Werke Jesu: Jesu Werke zeugen von ihm.
  13. Der Vater zeugt: Der Vater selbst zeugt von Jesus.
  14. Schriften zeugen: Die Schriften zeugen von Jesus.
  15. Unglaube der Juden: Jesus kritisiert den Unglauben der Juden.


 

B. Jesu Kontroverse in Jerusalem

( Joh 5 )

 

1. Die Heilung eines Gelähmten

( 5,1 - 15 )

 

Joh 5,1

 

Danach war ein Fest der Juden, und Jesus zog hinauf nach Jerusalem . Dieses "Fest" wird nicht genauer bezeichnet (in manchen Handschriften fehlt der Hinweis darauf sogar ganz), doch es ist möglich, daß es sich um das Passafest handelte. Jesus nahm noch an drei weiteren Passafesten teil ( Joh 2,23;6,4;11,55 ). Wahrscheinlich wollte Johannes hier nur begründen, warum Jesus sich in Jerusalem aufhielt.

 

 

Joh 5,2

 

Nördlich des Tempelbezirks befand sich ein Teich, der heißt hebräisch Betesda (vgl. die Karte zur Lage des Teiches). Ausgrabungen eines Brunnens in der Nähe des Schaftores haben fünf Säulenhallen bzw. überdachte Hallen zutage gefördert, die die Genauigkeit dieser Beschreibung bestätigen. Betesda bestand genaugenommen aus zwei Brunnen, die direkt nebeneinander lagen.

 

 

Joh 5,3 a

 

Die vielen Kranken sind zugleich ein Bild für die große geistliche Not in der Welt.

 

 

Joh 5,3-4 (Joh 5,3b-4)

 

In den frühesten Handschriften fehlen diese Verse. Wahrscheinlich wurden sie später eingefügt als Erklärung, warum das Wasser des Teiches sich "bewegte" (V. 7 ). Die Menschen glaubten, daß in regelmäßigen Abständen ein Engel käme und das Wasser berühre. Nach der Überlieferung sollte der erste, der danach hineinstieg, geheilt werden. In der Bibel ist allerdings nirgendwo sonst von diesem Aberglauben, einer Situation, die wohl jedesmal in einen für die meisten Kranken sehr grausamen Wettkampf ausartete, die Rede. Keine einzige Handschrift vor 400 n. Chr. enthält einen Hinweis darauf.

 

 

 

 

Joh 5,5

 

Am Sabbat (V. 9 ) dieses Festes nun wandte Jesus sich einem Menschen zu, der bereits seit achtunddreißig Jahren krank war. Johannes sagt nicht, an welcher Krankheit er litt oder ob er von Geburt an krank war. Auf jeden Fall war seine Lage aussichtslos.

 

 

Joh 5,6

 

Das Wort vernahm bedeutet nicht, daß Jesus von anderen erfuhr, daß der Mann schon so lange krank war, sondern daß er es einfach wußte (im Griechischen gnous , "wissend"; vgl. Joh 1,48;2,24-25;4,18 ). Seine so seltsam klingende Frage " willst du gesund werden? " diente dazu, die Aufmerksamkeit des Mannes auf sich zu lenken und seinen Willen und seine Hoffnung zu wecken. Das größte Problem in geistlicher Hinsicht ist ja immer wieder, daß die Menschen entweder nicht erkennen, daß sie krank sind (vgl. Jes 1,5-6; Lk 5,31 ), oder nicht geheilt werden wollen. Meistens sind sie - zumindest für eine Weile - ganz glücklich in ihrer Sünde.

 

 

Joh 5,7

 

Der Mann antwortete, daß ihm nicht der Wunsch, geheilt zu werden, fehle, sondern die Möglichkeit dazu, denn er hatte keinen Menschen, der ihn in den Teich brachte, wenn das Wasser sich bewegte . Er hatte es versucht, war jedoch immer zu spät gekommen.

 

Joh 5,8

 

Da sprach Jesus zu ihm: Steh auf, nimm dein Bett und geh hin! Zugleich mit dem Aussprechen dieses Befehls wurde der Mann in die Lage versetzt, ihm zu gehorchen. Wie bei dem toten Lazarus ( Joh 11,43 ) bewirkte Jesu Wort gleichzeitig auch seine Erfüllung - ein Bild für die Bekehrung. In dem Menschen, der Gottes Forderung zu glauben gehorcht, wirkt Gott durch sein Wort.

 

 

Joh 5,9-10

 

In der sofortigen Heilung des Mannes trat Gottes übernatürliche Macht zutage, denn er nahm sein Bett und ging hin . Die so lange gelähmten Muskeln waren urplötzlich wieder voll funktionsfähig. Schon Jesaja hatte prophezeit, daß die Lahmen in den Tagen des Messias "springen (werden) wie ein Hirsch" ( Jes 35,1-7 ). Hier in Jerusalem geschah nun das öffentliche Zeichen, daß der Messias gekommen war.

Der Sabbat gab ständig Anlaß zu Streitigkeiten zwischen Jesus und seinen theologischen Gegnern (vgl. Mk 2,23-3,4 ). Das mosaische Gesetz verbot jegliche Arbeit am siebten Tag der Woche. Die späteren jüdischen religiösen Machthaber fügten dem weitere, außerordentlich komplizierte und beschwerliche Gesetze hinzu. Häufig verschleierten diese menschlichen Überlieferungen die ursprüngliche Absicht, die den Geboten Gottes zugrunde lag. "Der Sabbat ist um des Menschen willen gemacht" ( Mk 2,27 ), an diesem Tag soll er sich ausruhen und Zeit zum Gottesdienst und zur Freude haben. Die strengen Traditionen der Juden (nicht etwa das Alte Testament) schrieben vor, daß, wer an einem Sabbat etwas aus einem bestimmten Zweck von einem öffentlichen an einen privaten Ort beförderte, zu steinigen sei. Der Mann, den Jesus soeben geheilt hatte, war also in Gefahr, sein Leben zu verlieren.

 

 

Joh 5,11

 

Der Geheilte wußte das jedoch und kam dem Vorwurf, die Tradition verletzt zu haben, zuvor, indem er sagte, daß er nur einen Befehl ausgeführt habe.

 

 

Joh 5,12-13

 

Natürlich waren die Machthaber an der Identität dieses Menschen, der dem Invaliden quasi befohlen hatte, ihre Regeln zu übertreten, interessiert. Der aber gesund geworden war, wußte nicht, wer es war ; es scheint sich hier also um eine Heilung gehandelt zu haben, bei der der Glaube keine Rolle spielte. Der Gelähmte war von Jesus aus Gnade erwählt worden, weil er in Not war und weil Jesus Gottes Herrlichkeit an ihm erweisen wollte. Unmittelbar darauf war Jesus entwichen, da so viel Volk an dem Ort war (vgl. Joh 8,59;10,39;12,36 ). Daher wußte niemand, wer den Mann geheilt hatte.

 

 

Joh 5,14-15

 

Später fand Jesus den Geheilten im Tempel . Das Verb "finden" setzt voraus, daß er ihn suchte, weil er mit ihm sprechen wollte. Doch der vormals Gelähmte schien Jesus nicht besonders dankbar zu sein; sein Verhalten setzt ihn jedenfalls in ziemlich schlechtes Licht. Jesu Warnung ( sündige hinfort nicht mehr, daß dir nicht etwas Schlimmeres widerfahre ) bedeutet nicht, daß die Lähmung durch eine bestimmte Sünde hervorgerufen wurde (vgl. Joh 9,3 ), wenngleich alle Krankheit und auch der Tod letztlich aus der Sünde kommen, sondern sollte ihn darauf hinweisen, daß sein tragisches Leben - 38 Jahre der Krankheit - nichts waren angesichts der Verdammung in der Hölle, die ihm drohte, wenn er weiter sündigte. Jesus wollte nicht nur den Körper heilen, weit wichtiger war ihm die Heilung der Seele.

 

 

2. Die Lehre Jesu

( 5,16-47 )

 

Joh 5,16

 

All dies hatte Jesus am Sabbat getan . Außer von der Heilung des Gelähmten ( Joh 5,1-15 ) berichtet Johannes später noch von der Heilung eines Blinden, die ebenfalls am Sabbat geschah ( Joh 9 ). Auch das Ährenraufen ( Mk 2,23-28 ), die Heilung des Mannes mit der verdorrten Hand ( Mk 3,1-5 ), die Heilung der Frau, die 18 Jahre gelähmt gewesen war ( Lk 13,10-17 ), und die Heilung des Wassersüchtigen ( Lk 14,1-6 ) fanden am Sabbat statt. Hier zeigt sich, daß Jesus eine völlig andere Auffassung vom Sabbat hatte als seine Widersacher. Letzere mußten im Laufe der Kontroversen immer häufiger Niederlagen einstecken, während die Menge sich immer stärker Jesus zuwandte. Doch das führte lediglich dazu, daß sie ihn nun verfolgten und zu töten versuchten ( Joh 5,16.18;7,19.25 ).

 

 

Joh 5,17

 

Am siebten Tag ruhte Gott von seinem Schöpfungswerk ( 1Mo 2,2-3 ). Doch Jesus wies zur Rechtfertigung dafür, daß er am Sabbat heilte, auf das ständige Wirken Gottes hin. In jeder Sekunde erhält Gott das Universum, bringt neues Leben hervor und sucht die Menschen heim. Daher konnte es auch kein Unrecht sein, wenn sein Sohn am Sabbat Werke der Gnade und Barmherzigkeit tat. Vor allem die Worte mein Vater sind wichtig. Jesus sagte nicht "euer" oder wenigstens "unser Vater". Der Anspruch auf Gottheit, der sich darin manifestierte, entging seinen Gegnern nicht.

 

 

Joh 5,18

 

Hatte bereits der Streit um den Sabbat genügt, um den Haß der religiösen Machthaber gegen Jesus zu schüren, so konnten sie seinen implizit zum Ausdruck gebrachten Anspruch, daß Gott sein Vater sei, auf keinen Fall hinnehmen. Für die Juden ist Gott einer und einzig, niemand kommt ihm gleich. Was Jesus hier behauptete, war deshalb in ihren Augen eine ungeheuerliche Gotteslästerung. Wer behauptete, Gott gleich zu sein, postulierte im Grunde genommen den Polytheismus. Die anmaßende und arrogante Unabhängigkeit, die in dieser Aussage steckte, war zutiefst zu verurteilen. Im Talmud wurden vier Menschen als hochmütig gebrandmarkt, weil sie sich Gott gleichgesetzt hatten: der heidnische Herrscher Hiram, Nebukadnezar, Pharao und der jüdische König Joasch.

 

 

Joh 5,19

 

Doch Jesus erklärte gleichzeitig, daß er keinesfalls unabhängig vom Vater sei oder sich ihm widersetze. Er tat nichts von sich aus . Der Vater hat den Sohn gesandt und leitet ihn. Das Wirken des Sohnes ahmt das Wirken des Vaters nach, beide sind immer zusammen am Werk. (Zu der Wendung wahrlich, wahrlich, ich sage euch vgl. den Kommentar zu Joh 1,51 .)

 

 

Joh 5,20

 

Der Sohn ist in nichts unabhängig vom Vater oder lehnt sich gar gegen ihn auf. Sie sind in beständiger Liebe miteinander verbunden. Der Sohn tut nicht einfach einen Teil von Gottes Willen; er weiß um alles, was der Vater tut. Durch den Vater sollte Jesus noch weit überraschendere Werke vollbringen, als es die Heilungen waren.

 

 

Joh 5,21

 

Eines der Vorrechte der Gottheit ist die Macht über Leben und Tod. (Ein König von Israel fragte Naaman: "Bin ich denn Gott, daß ich töten und lebendig machen könnte?"; 2Kö 5,7 .) Zu den größten Wundern ( Joh 5,20 ), die Jesus tat, zählte, daß er den Menschen das Leben brachte. Der Sohn (macht) lebendig, welche er will - so wie er auch aus der Menge der Kranken, die ihn umgaben, einen auswählte, um ihn zu heilen. Zum Geschenk des Lebens gehören das geistliche (ewige) Leben und der auferstandene Körper, wie die Auferweckung des Lazarus zeigt ( Joh 11 ).

 

 

Joh 5,22

 

Die Macht des Sohnes, das Leben zu bringen, ist allerdings auch unlösbar verbunden mit seinem Recht, die Menschheit zu richten (vgl. V. 27 ). Der Vater hat sein eschatologisches Vorrecht in Jesu Hände gelegt.

 

 

Joh 5,23

 

Jesu Einheit mit seinem Vater ist so vollkommen, daß die Ehre Gottes an ihn gebunden ist. Gott, den Sohn , zu verwerfen oder ihm nicht die Ehre zu geben, heißt, Gott, den Vater , abzulehnen oder zu mißachten.

 

 

Joh 5,24

 

Da Jesus eins mit Gott ist und die göttlichen Vorrechte, von denen in 19-23 die Rede war, besitzt, hat, wer seiner Botschaft und seinem Vater vertraut, schon jetzt das ewige Leben (vgl. Joh 3,36 ). Er wird am Ende der Zeit nicht dem Gericht übergeben werden ("er wird nicht gerichtet"; vgl. Joh 3,18; Röm 6,13; 8,1 ), weil er schon jetzt aus demeinen Reich - dem Tod - in das andere - das Leben - eingegangen ist (vgl. Eph 2,1.5 ). Nur noch ein einziges Mal im Neuen Testament (in 1Joh 3,14 ) steht die Wendung "daß wir aus dem Tode in das Leben gekommen sind".

 

 

Joh 5,25

 

Jesu lebenschenkende Macht kann einen Menschen vom Tod auferwecken ( Joh 11,43 ), alle, die in den Gräbern sind ( Joh 5,28-29 ), auferstehen lassen und einen jeden aus dem geistlichen Tod in das ewige Leben (V. 24 ) berufen. (Die Worte es kommt die Stunde stehen viermal im Johannesevangelium: Joh 4,21.23;5,25.28 .)

 

 

Joh 5,26-27

 

Hier sprach Jesus nochmals von den beiden wichtigsten Vorrechten, die ihm Gott übertragen hat: der Macht über Leben und Tod (V. 21.24 - 26 ) und der Vollmacht zum Gericht (vgl. V. 22.24 - 25.27 ). Beide besaß er, weil der Vater ... das Leben ... dem Sohn ... gegeben hat. Das gilt für Zeit und Ewigkeit. Christus, der Logos , besitzt in sich selbst das Leben als ewiges Geschenk seines Vaters ( Joh 1,4 ), und in der Inkarnation wurde ihm zusätzlich die Vollmacht gegeben, das Gericht zu halten . Als der Menschensohn (vgl. Dan 7,13 ) hat er also alle Vollmacht.

 

 

Joh 5,28-29

 

Seine Hörer sollten sich nicht wundern , daß diejenigen, die glauben, vom Tode zum Leben hindurchdringen (V. 24 ), denn in der Zukunft werden alle auf sein Gebot hin auferstehen. Von dieser universalen Auferstehung ist bereits in Dan 12,1 - 2 die Rede. Andere Textstellen sprechen davon, daß die Auferstehung zum Leben, "die erste Auferstehung", in Stufen vor sich gehen wird: die Gemeinde wird entrückt werden, die Heiligen aus der Zeit der großen Trübsal werden beim zweiten Kommen des Herrn am Ende dieser Zeit auferstehen. Die Auferstehung derer, die gerichtet werden, wird dann am Ende des Tausendjährigen Reiches erfolgen ( Offb 20,11-15 ). Joh 5,28-29 ist eine der wenigen Stellen im Johannesevangelium, die einen ausdrücklich eschatologischen Inhalt haben.

 

 

Die Formulierungen "die Gutes getan haben" und "die aber Böses getan haben" ( ta phaula , "nichtsnutzige Dinge; vgl. Joh 3,20 ) mögen, für sich betrachtet, vielleicht zu der Schlußfolgerung verführen, daß man durch "gute Werke" gerettet oder aufgrund böser Taten verdammt wird, doch wenn man die johanneische Theologie im Zusammenhang betrachtet, verbietet sich ein solcher Gedanke (vgl. Joh 3,17-21;6,28-29 ). Die, die wirklich wiedergeboren sind, leben ein anderes Leben. Sie gehorchen Gott ( Joh 14,15 ), sie verlassen sich auf ihn ( Joh 15,5-7 ), und sie wandeln im Licht ( Joh 8,12; 1Joh 1,7 ). Sie sind gerettet durch das Lamm Gottes, das stellvertretend für sie die Strafe ihrer Sünde auf sich nimmt. Rettung bringt nur der Glaube an Christus. Doch wer den Sohn Gottes verwirft, verfällt dem Gericht ( Joh 3,36 ).

 

 

Joh 5,30

 

Dieser Vers bildet eine Überleitung; er beschließt die Aussagen über die Einheit Jesu mit dem Vater (V. 19 - 30 ). Der Abschnitt endet, wie er begann: mit dem Hinweis, daß der Sohn nichts von sich aus tut (vgl. V. 19 ). Das Gericht , das er halten wird, geht, wie alles, was er tut, auf den ausdrücklichen Willen des Vaters zurück. Er ist das Sprachrohr des Vaters, dessen Willen er ausführt. Sein Wille ist es, den Willen des Vaters zu tun (vgl. Joh 4,34;8,29 ) - ein Beweis dafür, daß er selbst göttlichen Wesens ist.

 

 

Joh 5,31-32

 

Auf das Thema der Einheit Jesu mit dem Vater folgt nun das Zeugnis des Vaters für Jesus. Dabei scheinen sich Joh 5,31 und Joh 8,14 zu widersprechen, in Wirklichkeit sprechen sie jedoch nur von verschiedenen Dingen. In Joh 5,31 ging es Jesus darum, daß er, wenn er für sich selbst zeugte, von den jüdischen Machthabern nicht akzeptiert würde. Sie würden sein Zeugnis als anmaßende Selbsterhöhung sehen. In einem anderen Umfeld ( 8, 14 ) ist sein Zeugnis für sich selbst jedoch vollkommen gültig, da der Mensch selbst seine eigenen Erfahrungen immer am besten kennt. Jesus versicherte, daß es ihm nicht um unabhängige Selbstbestätigung ging. Er unterwarf sich dem Willen des Vaters und ließ sich vom Vater bezeugen.

 

 

Joh 5,33-34

 

Wie bereits erwähnt (vgl. Joh 1,7 ), spielt der Begriff des "Zeugnisses" im Johannesevangelium eine wichtige Rolle (vgl. dazu auch die Tabelle zum Begriff "Zeugnis").

So war es die Aufgabe Johannes' des Täufers, Zeugnis zu geben. Ein guter Zeuge sagt die Wahrheit nach bestem Wissen und Gewissen. Das Zeugnis des Täufers für Jesus ist unvergänglich ( hat bezeugt ist im Griechischen Perfekt). Doch nicht Jesus bedurfte des Zeugnisses von einem Menschen ; Johannes half damit vielmehr den Menschen: Er wies ihnen, die in Finsternis lebten, das Licht, damit ihr selig werdet . Die große Bewegung, die er im Volk hervorrief, war nur eine antizipatorische, die auf Jesus als Lamm Gottes vorauswies.

 

 

Joh 5,35

 

Johannes war nur ein brennendes und scheinendes Licht , noch nicht das wahre Licht ( Joh 1,9 ). Für eine kleine Weile wurde das jüdische Volk von ihm aufgerüttelt und freute sich an seiner Botschaft. Eine kurze Zeitlang glaubten die Menschen, mit ihm sei das messianische Zeitalter angebrochen. Obwohl seine Predigt in einigen Punkten scharf mit ihnen ins Gericht ging, versetzte sie das Volk in freudige Erregung. Israel wurde zwar zurechtgewiesen, doch die Menschen hofften auch, daß nun die Feinde endlich vernichtet würden.

 

 

Joh 5,36

 

Johannes der Täufer ließ zwar seine Stimme für Gott erschallen, doch er tat keine Wunder ( Joh 10,41 ). Die "Zeichen" waren besondere Werke, die zu vollbringen Gott allein dem Sohn vorbehalten hatte. Bereits im Alten Testament waren diese Wunder prophezeit worden ( Jes 35,5-6 ). Sie waren der Beweis, daß Gott mit Jesus war und durch ihn wirkte (vgl. Nikodemus' Worte, Joh 3,2; Jesu Ausführungen in Mk 3,23-29 und die Aussage eines vormals Blinden, Joh 9,30-33 ).

 

 

Joh 5,37-38

 

Gott tritt als Zeuge für seinen Sohn auf. Der Vater, der mich gesandt hat, hat von mir Zeugnis gegeben . Doch wann und wie gab bzw. gibt der Vater Zeugnis vom Sohn? Hier sind anzuführen: (1) bei Jesu Taufe ( Mt 3,17 ), (2) bei seiner Verklärung ( Mt 17,5 ), (3) beim Einzug in Jerusalem ( Joh 12,28 ), (4) in Jesu Werken ( Joh 3,2 ), (5) im Geist und Herzen der Menschen ( Joh 6,45 ). Höchstwahrscheinlich bezog sich Jesus an dieser Stelle auf das innere Wirken Gottes, der den Menschen bewußt macht, daß Jesus die Wahrheit ist ( Joh 6,45; 1Joh 5,9-12 ). Im Gegensatz dazu wissen Jesu Widersacher nichts von Gott. Sie haben keine Vorstellung von ihm und wenden sich nicht an ihn. Sie haben sein Wort , die Heilsbotschaft, nicht gehört ( habt ihr nicht in euch wohnen [ menonta , von menO , "bleiben, bewahren"], weil sie Jesus ablehnen.

 

 

Joh 5,39-40

 

Die Domäne der jüdischen Religionsführer war das Alte Testament. Sie glaubten, daß der, der die Worte dieses Buches verstand, sich damit ein Anrecht auf die zukünftige Welt verschaffe. Wer das Gesetz nicht kannte, lebte in ihren Augen unter einem Fluch ( Joh 7,49 ). Auch heute noch ist das Lesen in der Bibel für manche Menschen Selbstzweck und nicht eine Möglichkeit, etwas über Gott und sein Wesen zu erfahren. In gewisser Weise waren die Augen dieser jüdischen Gelehrten gehalten ( 2Kor 3,15 ); sie sahen nicht, daß Jesus der Verheißene war, die Erfüllung des alttestamentlichen Opfersystems, der wahre, gerechte Gottesknecht, der kommende Prophet, der Menschensohn, der davidische König und der verheißene Sohn Gottes und Hohepriester. Trotz der Eindeutigkeit der Offenbarung weigerten sie sich, zu ihm zu kommen und das Leben zu finden (vgl. Joh 3,19-20 ).

 

 

Joh 5,41-42

 

Vielleicht dachten die Juden, daß Jesus darüber aufgebracht war, daß er bei ihrer Führungsschicht keine offizielle Anerkennung fand. Doch er bestritt das. Sie glaubten seine Motivation zu kennen, doch es war vielmehr so, daß er sie und auch den Grund für ihren Unglauben kannte (vgl. Joh 2,24-25 ): sie hatten nicht Gottes Liebe (d. h. die Liebe zu Gott, nicht die Liebe von Gott) in sich. Das größte Gebot aber lautet, Gott zu lieben ( 2Mo 20,4; 5Mo 6,5 ); die größte Sünde ist es demgemäß, ihn abzulehnen und statt seiner "das Geschöpf" zu lieben und ihm zu dienen ( Röm 1,25 ).

 

Joh 5,43-44

 

An zwei Dingen zeigte sich die mangelnde Liebe der Menschen zu Gott. (1) Sie lehnten Christus, den "Stellvertreter" des Vaters, ab. Einen Botschafter zu schmähen oder zurückzuweisen ist eine Zurückweisung dessen, der ihn gesandt hat. (2) Sie hörten auf falsche Lehrer oder Propheten - ein Zeichen, daß sie keinen Bezug zur Wahrheit hatten. Hinzu kam ihr Wunsch, von der Welt - den sündigen Menschen - akzeptiert und anerkannt zu werden, während sie die Gnade und den Willen des alleinigen Gottes ablehnten. Sie besaßen überhaupt nicht die Fähigkeit zu wahrem Glauben, weil sie sich an der falschen Stelle orientierten: an den Menschen, nicht an Gott.

 

Joh 5,45-47

 

Jesus kam als Retter, nicht als Richter (vgl. Joh 3,17 ). Er wollte die Menschen nicht verklagen . Mose, dem sie angeblich nachfolgten, hätte sie verurteilt, weil sie den Bund, den er geschlossen hatte, gebrochen hatten und nicht auf den, von dem er ihnen gekündet hatte, hörten. Die Wendung "auf den ihr hofft" impliziert, daß sie glaubten, durch ihre "guten Werke", d. h. das Halten der Gebote, gerettet zu werden.

Doch wenn die Juden Mose wirklich geglaubt hätten, hätten sie auch Christus geglaubt, denn Mose hatte über ihn geschrieben . Damit bezog sich Jesus nicht auf einen bestimmten Text im Alten Testament (vgl. 1Mo 3,15;22,18;49,10; 4Mo 24,17; 5Mo 18,15 ) oder auf ein bestimmtes Ereignis, einen Gegenstand oder eine Einrichtung (wie z. B. das Passafest, das Manna, den Felsen, die Opfer oder die Hohepriesterschaft). Da die Juden jedoch Moses Offenbarung abgelehnt hatten (vgl. Lk 16,29-31 ), lehnten sie nun auch Jesu Worte ab. An einer anderen Stelle führte Jesus auch Jesaja als alttestamentlichen Zeugen an ( Mt 13,14.15 ).

 

 

C. Jesu Offenbarung in Galiläa

( 6,1 - 7,9 )

 

1. Jesu Zeichen an Land und auf dem See

( 6,1 - 21 )

 

a. Die Speisung der Fünftausend

( 6,1 - 15 ) ( Mt 14,13-21; Mk 6,30-44; Lk 9,10-17 )

 

Die Speisung der Fünftausend ist neben der Auferstehung Jesu das einzige Wundergeschehen, von dem in allen vier Evangelien berichtet wird. Schon daran wird deutlich, wie wichtig es war. Jesus selbst legte es in einer langen Rede aus (V. 22 - 55 ). Eine der Folgen dieses spektakulären Wunders, das die messianischen Erwartungen des Volkes erneut anheizte, war jedoch, daß sich viele der Jünger danach von Jesus abwandten (V. 66 ).