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Johannesevangelium Walvoord
Edwin A. Blum
Johannes Kp 1
Johannes 1 Zusammenfassung:
( 1,1 - 5 )
Joh 1,1
In einer Zeit, die so weit zurückliegt, wie der Mensch nur denken kann
- im Anfang - war das Wort . Für den theologischen Terminus "Wort" steht
hier der ganz normale griechische Begriff logos , der einfach "Sprechen,
Botschaft oder Wörter" bedeutet. Er war sowohl in der griechischen
Philosophie als auch in der jüdischen Weisheitsliteratur wohlbekannt.
Wahrscheinlich wählte Johannes diesen Ausdruck, weil er seinen Lesern so
vertraut war; doch er verlieh ihm eine ganz eigene Bedeutung, die gleich
im Prolog entwickelt wird.
Das Wort war bei Gott , d. h., es hatte innerhalb der Trinität eine ganz
besondere Beziehung ewiger Gemeinschaft mit Gott. "Bei" ist die
Übersetzung des griechischen pros , hier im Sinne von "Gemeinschaft
haben mit" (vgl. dieselbe Bedeutung von pros in Joh 1,2; 1Thes 3,4; 1Joh
1,2 ). Dann fügt Johannes hinzu: Gott war das Wort . Die Zeugen Jehovas
schreiben: "das Wort war ein Gott" - eine falsche Übersetzung, die -
logisch zu Ende gedacht - zum Polytheismus führt. In anderen
Bibelversionen steht "das Wort war göttlich", wasjedoch ebenfalls nicht
ganz eindeutig ist und zu einem falschen Verständnis von Jesus führen
könnte. Richtig übersetzt kann dieser Vers dagegen die Lehre von der
Trinität ganz entscheidend erhellen. Das Wort ist ewig; es steht in
Beziehung zu Gott (dem Vater); und es ist Gott.
Joh 1,2
Das Wort war schon immer bei Gott . Christi Existenz begann nicht
irgendwann innerhalb der Zeit, genausowenig wie er erst zu irgendeinem
Zeitpunkt in Beziehung zum Vater trat. Der Vater (Gott) und der Sohn
(das Wort) sind seit Ewigkeit eine liebende Einheit. Sowohl Vater als
auch Sohn sind Gott, und dennoch gibt es nicht zwei Götter.
s
Joh 1,3
Warum gibt es etwas und nicht nichts? Auf diese berühmte Frage der
Philosophie antwortet das Christentum mit Gott. Er ist ewig und der
Schöpfer aller Dinge. Das Werkzeug der Schöpfung aber war das Wort
(vgl. 1Kor 8,6; Kol 1,16; Hebr 1,2 ). Die ganze Schöpfung wurde gemacht:
vom Vater, durch das Wort, mit der Hilfe des Geistes. Im
Johannesevangelium steht das Wort im Mittelpunkt. Es kam, um den
Menschen den Vater zu offenbaren ( Joh 1,14.18 ). Im Grunde begann das
Offenbarungswerk bereits in der Schöpfung, denn auch die Schöpfung
offenbart Gott ( Ps 19,1-6; Röm 1,19-20 ).
Joh 1,4
Das Leben ist das Wertvollste, was der Mensch besitzt. Der Verlust des
Lebens ist tragisch. Johannes bestätigt das: In ihm (Christus) war das
Leben . Christus verdanken die Menschen ihr physisches und ihr
geistliches Leben. (Zu Johannes' Lehre über das Leben vgl. Joh
5,26;6,57;10,10;11,25;14,6;17,3;20,31 .) Jesus, die "Quelle des Lebens"
(vgl. Joh 11,25 ), ist das Licht der Menschen (vgl. Joh 8,12 ). Das
Licht ist in der Bibel ein Emblem Gottes; die Finsternis wird gemeinhin
mit Tod, Beschränktheit, Unwissenheit, Sünde und Getrenntsein von Gott
identifiziert. Jesaja beschrieb die Rettung als das Kommen eines großen
Lichtes, das die Menschen, die in Finsternis leben, erblicken werden
( Jes 9,1; vgl. Mt 4,16 ).
Joh 1,5
Es liegt im Wesen des Lichts, das Dunkle hell zu machen - die
Finsternis, die in diesem Vers gleichsam personifiziert ist, zu
vertreiben. Die Finsternis ist nicht in der Lage, das Licht zu
begreifen. In diesem einen Satz hat Johannes sein ganzes Evangelium
zusammengefaßt: (a) Das Licht wird in das Reich der Finsternis kommen;
(b) Satan, der Herrscher dieses Reiches, und seine Untertanen werden
sich dem Licht widersetzen, doch sie werden seiner Macht nichts anhaben
können; (c) das Wort wird gegen alle Widerstände siegen.
B. Das Zeugnis Johannes' des Täufers
( 1,6 - 8 )
Joh 1,6
Bevor jedoch das ewige Wort kam, betrat ein Mensch die Bühne der
Geschichte: der hieß Johannes . Bei diesem Johannes handelte es sich
nicht um den Verfasser des Johannesevangeliums, sondern um den berühmten
Wegbereiter Jesu, Johannes den Täufer. Er war v on Gott gesandt - und
hierin liegt auch das Geheimnis seiner Bedeutung. Gott selbst hatte ihn
- wie früher die Propheten des Alten Testaments - für seinen besonderen
Auftrag ausgestattet und bevollmächtigt.
Joh 1,7
Das Zeugnis (sowohl als Substantiv, martyria , als auch als
Verb, martyreO ) ist ebenfalls ein Schlüsselbegriff des
Johannesevangeliums (vgl. V. 15.32.34 ; Joh 3,11.26;5,31-34.36-37; Joh
18,37;19,35; usw.). (Vgl. auch die Karte beim Kommentar zu Joh
5,33-34 .) Johannes der Täufer war gesandt, um die Menschen auf Jesus
vorzubereiten, um ihnen von der Wahrheit Jesu, dem Offenbarer des
Vaters, zu verkünden, denn sie lebten in so tiefer Finsternis der Sünde,
daß sie jemanden brauchten, der ihnen sagte, was Licht überhaupt ist.
Johannes' Ziel war es, alle Menschen zum Glauben an Jesus zu führen.
Joh 1,8
Johannes der Täufer war zwar groß, doch er war nicht das Licht . Es gibt
Hinweise darauf, daß die Bewegung, die mit dem Täufer begann, nach
seinem Tod und auch nach dem Todund der Auferstehung Jesu
weiterexistierte ( Joh 4,1; vgl. Mk 6,29; Lk 5,33 ). Zwanzig Jahre nach
Jesu Auferstehung (vgl. Apg 18,25;19,1-7 ) traf Paulus, als er nach
Ephesus kam, dort etwa zwölf Jünger Johannes' des Täufers, und noch
heute gibt es im Gebiet südlich von Bagdad eine mandäische Sekte, die -
obwohl sie dem Christentum feindlich gegenübersteht - nach eigener
Aussage auf den Täufer zurückgeht.
C. Das Kommen des Lichts
( 1,9 - 13 )
Joh 1,9
Dieser Vers wird auch der "Quäkertext" genannt, weil die Gründer dieser
Sekte eine irrtümliche Schlußfolgerung daraus zogen: sie stellten das
"innere Licht" in den Mittelpunkt ihrer Lehre. (In manchen Bibelausgaben
wurde das "Kommen" [ erchomenon ] nicht auf die Menschen, sondern auf
Christus, das wahre Licht, zurückbezogen und als Hinweis auf die
Inkarnation verstanden.)
Christus erleuchtet alle Menschen . Das bedeutet nicht, daß er sich
allen offenbart, daß alle gerettet werden, oder auch nur, daß allen eine
innere Erleuchtung zuteil wird. Es besagt lediglich, daß Christus, das
Licht, jedem Menschen leuchtet ( phOtizei ), ihm die Augen für seine
Sünde und das kommende Gericht öffnet ( Joh 3,18-21;9,39-41; 16,8-11 )
und ihn rettet, wenn er Christus annimmt.
Joh 1,10
Mit der Welt ( kosmos ) ist hier die Welt, in der die Menschen leben,
und die menschliche Gesellschaft gemeint, die Gott ungehorsam ist und
unter der Herrschaft Satans steht (vgl. Joh 14,30 ). Der Logos kam zu
den Menschen durch die Inkarnation, doch die
Menschheit erkannte ( egnO , kennen) den, der sie gemacht
hatte, nicht (vgl. Jes 1,2-3 ). Ihr Versagen war nicht darauf
zurückzuführen, daß das Wesen Gottes irgendwo im Menschen "verborgen"
war, wie manche behaupten. Es war vielmehr eine Folge der durch die
Sünde bedingten Unwissenheit und Blindheit der Menschen ( Joh 12,37 ).
Joh 1,11
Der Logos kam in sein Eigentum, doch die Seinen nahmen ihn nicht auf .
In gewisser Weise ist das einer der traurigsten Verse der Bibel. Jesus
kam zu seinem Volk, doch Israel verwarf ihn. Das jüdische Volk weigerte
sich, Jesus als die vom Vater gesandte Offenbarung anzuerkennen und
seinen Geboten zu gehorchen. Schon Jesaja hatte vor langer Zeit diesen
Unglauben Israels vorausgesagt: "Aber wer glaubt dem, was uns verkündet
wurde?" ( Jes 53,1 ).
Joh 1,12
Doch nicht alle waren ungläubig. Manche nahmen Jesu Einladung, die der
ganzen Menschheit galt, an. Allen, die ihn als den Offenbarer des
Willens des Vaters und als Sühneopfer akzeptierten, gab er Macht, Gottes
Kinder zu werden . Das Wort "Kinder" ( tekna ) ist der Übersetzung
"Söhne" vorzuziehen. Die Menschen sind nicht von Natur aus Kinder
Gottes, doch sie können es werden, wenn sie das Geschenk ihrer
Wiedergeburt annehmen.
Joh 1,13
Diese Wiedergeburt kommt nicht aus dem Blut noch aus dem Willen des
Fleisches noch aus dem Willen eines Mannes , ist also weder eine dem
Menschen in die Wiege gelegte Vorherbestimmung noch auf den natürlichen
Wunsch der Menschen nach Kindern zurückzuführen. Die Geburt eines
Gotteskindes ist keine natürliche Geburt; sie ist ein übernatürliches
Werk von Gott, eine "Wiedergeburt" bzw. Erneuerung. Wenn ein Mensch
Jesus annimmt und ihm in Glauben und Gehorsam antwortet, so ist das ein
Geheimnis, dessen "Ursache" im Wirken des Heiligen Geistes liegt ( Joh
3,5-8 ).
D. Die Inkarnation und Offenbarung
( 1,14 - 18 )
Joh 1,14
Das Wort ( Logos ; vgl. V. 1 ) ward Fleisch . Christus, der
ewige Logos , der Gott ist, kam als Mensch auf die Erde. Doch
er erschien nicht nur in Gestalt eines Menschen; er wurde Mensch
(vgl. Phil 2,6-8 ). Das Menschsein wurde der Gottheit Christi
hinzugefügt. Und doch wandelte Christussich nicht, als er "Fleisch"
wurde; daher ist das "ward" ( egeneto ) vielleicht besser mit "nahm auf
sich" oder "kam als" zu übersetzen.
"Fleisch" bedeutet in diesem Vers "menschliche Natur", nicht
Sündhaftigkeit oder Schwäche. Im Griechischen erinnert die Wendung und
wohnte unter uns an die Zeit des Alten Testaments, in der Gott sich im
Tempel, mitten unter seinem Volk, aufhielt. Das griechische Wort für
"wohnte" ist eskEnOsen , von skEnE ("Stiftshütte"). So wie Gott in der
Stiftshütte anwesend war ( 2Mo 40,34 ), wohnte auch Jesus unter den
Menschen.
Wir sahen impliziert selbstverständlich, daß der Autor dieses
Evangeliums ein Augenzeuge war. S eine Herrlichkeit bezieht sich auf die
einzigartige Größe, die in Jesu Leben - in seinen Wundern, seinem Tod
und seiner Auferstehung - zutage traten. Die Wendung des eingeborenen
Sohnes ( monogenous ; vgl. Joh 1,18;3,16.18; 1Joh 4,9 ) bedeutet, daß
Jesus von Anbeginn der Welt an auf eine Art und Weise der Sohn Gottes
ist, die sich grundlegend von der Art und Weise unterscheidet, wie ein
Mensch, der glaubt, ein Kind Gottes wird . Jesu Sohnschaft ist
einzigartig, denn er ist ewig und eines Wesens mit dem Vater . Die
herrliche Offenbarung Gottes, die der Logos verkörperte, war voller
Gnade und Wahrheit , d. h., sie war eine gnädige und wahre Offenbarung
(vgl. Joh 1,17 ).
Joh 1,15
Johannes der Täufer gab ein bleibendes Zeugnis von Jesus, wie das
Präsens der Verben gibt Zeugnis und ruft im Griechischen und auch im
Deutschen deutlich macht. Jesus, der jünger war als Johannes, begann
sein Wirken später als dieser. Doch Johannes sagte, daß Jesus aufgrund
seiner Präexistenz (also aufgrund seiner wahren Natur) eher war als er.
Joh 1,16
Das fleischgewordene Wort ist die Quelle der Gnade ( charin ), die die
Summe allen Segens ist, den Gott den Menschen gibt. Die Wendung wir
alle bezieht sich auf die Christen, einschließlich des Verfassers des
Evangeliums, Johannes. Aufgrund seiner (Christi) Fülle wird den
Christen Gnade um Gnade ( charin anti charitos , wörtlich: "Gnade auf
Gnade") zuteil - ebenso unaufhörlich, wie die Wellen des Meeres ans Ufer
schlagen. Das Leben der Christen wird getragen von Beweisen der Gnade
Gottes, die sie immer wieder empfangen.
Joh 1,17
Das größte Geschenk, das Gott seinem Volk vor dem Kommen Jesu gemacht
hatte, war das Gesetz, das er ihm durch Mose , seinen Knecht, gegeben
hatte. Keinem anderen Volk wurde ein solches Privileg zuteil. Die
Herrlichkeit der Kirche heute aber besteht darin, daß sie die
Offenbarung von Gottes Gnade und Wahrheit durch Jesus Christus besitzt
(vgl. V. 14 ).
Joh 1,18
Die Aussage "niemand hat Gott jemals gesehen" (vgl. 1Joh 4,12 ) scheint
ein Problem aufzuwerfen. Sagte nicht Jesaja: "Ich habe den König, den
Herrn Zebaoth, gesehen mit meinen Augen" ( Jes 6,5 )? Und doch ist Gott
von seinem Wesen her unsichtbar ( 1Tim 1,17 ). Er ist der, "den kein
Mensch gesehen hat noch sehen kann" ( 1Tim 6,16 ). Was Johannes hier
( Joh 1,18 ) eigentlich meinte, war also wohl, daß "kein Mensch
je Gottes wahres Wesen gesehen hat". Gott kann sich wohl in einer
Theophanie in anthropomorpher Gestalt zeigen (wie es Jesaja geschah),
doch sein inneres bzw. eigentliches Wesen offenbart sich nur in Jesus.
Der Eingeborene, der Gott ist heißt wörtlich "der einzige Gott" oder
"der eingeborene Gott" ( monogenEs theos ; vgl. monogenous , "des
eingeborenen Sohnes", in V. 14 ). Mit der Rückkehr zu der Wahrheit von
Vers 1 , daß das Wort Gott ist, schließt sich der Kreis des
Johannesprologs. Vers 18 ist eine erneute Bekräftigung der Gottheit
Christi: Christus ist der eine und einzige Gott. Der Sohn ist in des
Vaters Schoß - ein Zeichen für die enge Beziehung zwischen Gott Vater
und Gott Sohn (vgl. das Wort "bei" in V. 1 - 2 ). Dieser Sohn hat uns
den Vater verkündigt ( exEgEsato ). Der Sohn ist der "Exeget" des
Vaters, er manifestiert in seiner Person das Wesen des unsichtbaren
Vaters (vgl. Joh 6,46 ).
II. Jesu Manifestation vor dem Volk
( Joh 1,19-12,50 )
Dieser Abschnitt, der den größten Teil des Johannesevangeliums ausmacht,
beschreibt das öffentliche Wirken Jesu für das Volk Israel. Man könnte
ihn ein "Buch der Zeichen" nennen, denn er erzählt von sieben Wundern,
die Jesus vollbrachte und die ihn als den Messias ausweisen. An die
Wunder schließen sich jeweils Reden und Auslegungen an. Darüber hinaus
enthält der Abschnitt noch zwei lange Privatgespräche ( Joh 3-4 ).
A. Jesu frühes Wirken
( 1,19 - 4,54 )
1. Frühe Zeugnisse für Jesus
( 1,19 - 34 )
a. Johannes' erstes Zeugnis
( 1,19 - 28 )
Joh 1,19
Wie die synoptischen Evangelien berichtet auch Johannes von dem Wirken
Johannes des Täufers, der so großen Erfolg hatte, daß die religiösen
Machthaber in Jerusalem auf ihn aufmerksam wurden. Die Juden ist die
Bezeichnung des Evangelisten für die politischen und religiösen Führer
der Stadt Jerusalem. Die Priester und Leviten fragten Johannes also nach
seiner Taufe und Identität.
Joh 1,20-21
Johannes antwortete ihnen: Ich bin nicht der Christus (d. h. der
Messias). (Zur Bedeutung des Titels "Messias" vgl. den Kommentar zu
V. 40 - 41 .) Seine Aussage hat, wie an der Wiederholung des Verbs
"bekannte" deutlich wird, Bekenntnischarakter.
Interessanterweise wurden die Entgegnungen des Täufers auf die Fragen,
die ihm gestellt wurden, von Mal zu Mal kürzer: "Ich bin nicht der
Christus" (V. 20 ). Ich bin's nicht (V. 21 ). Nein (V. 21 ). Johannes
wollte nicht von sich selbst sprechen, seine Aufgabe war es vielmehr,
auf einen anderen hinzuweisen. Sein Amt kam dem Elias gleich. Ebenso
unvermutet wie dieser erschien er auf der Bühne der Geschichte, und er
kleidete sich auch wie Elia. Wie Elia zu seiner Zeit versuchte auch er,
die Menschen zu Gott zu bekehren. Da Maleachi vorausgesagt hatte, daß
Elia zurückkehren werde, bevor der Messias käme ( Mal 3,23 ), stellten
viele Menschen Vermutungen darüber an, ob Johannes vielleicht Elia sei.
Den Propheten dagegen erwarteten die Menschen aufgrund einer
Prophezeiung von 5Mo 18,15 ,die sich auf Christus bezog (vgl. Joh
1,45 ), jedoch von vielen dahingehend mißverstanden wurde, daß der
Prophet und der Messias zwei Personen seien (V. 23 ; Joh 7,40-41 ).
Joh 1,22-23
Johannes antwortete, daß er keiner dieser erwarteten Propheten sei, daß
aber auch sein Amt bereits im Alten Testament beschrieben worden sei. Er
war die Stimme ( phOne ), Jesus war das Wort ( Logos ). Johannes hatte
die Aufgabe, die Menschen auf das Wort vorzubereiten, und er erfüllte
sie in der Wüste . (Zur Bedeutung von Johannes' Zitat aus Jes 40,3 vgl.
den Kommentar zu Mt 3,3 .)
Joh 1,24-25
Die Pharisäe r waren eine wichtige jüdische Sekte, die etwa sechstausend
Mitglieder zählte und außerordentlich einflußreich war. Sie lebten nach
ihrer eigenen, sehr strengen Auffassung des Gesetzes und hielten sich
außerdem noch an viele mündliche Traditionen. Die Pharisäer überlebten
als einzige kleinere Gruppe den jüdischen Krieg von 66 - 70 n. Chr., und
ihre Lehre wurde zur Grundlage des talmudischen Judentums. Diese
wichtigen Vertreter des Judentums fragten nun den Täufer: "Wenn du
keinen offiziellen Titel hast, warum taufst du denn? "
Joh 1,26-27
Johannes wußte, daß seine Taufe nur die Vorwegnahme der eigentlichen
Taufe war. Er erklärte ihnen, daß ein anderer kommen werde, den sie
nicht kannten. Dieser Kommende werde so groß sein, daß er, Johannes,
sich nicht für wert hielt, ihm auch nur die niedrigsten Dienste zu
erweisen (wie z. B. seine Schuhriemen zu lösen ).
Joh 1,28
Wo das Betanien jenseits des Jordan lag, wissen wir nicht. (Es darf
jedoch nicht mit dem anderen Betanien, der Heimatstadt von Maria, Marta
und Lazarus, in der Nähe von Jerusalem, verwechselt werden.) Schon
Origenes, der um 200 n. Chr. Palästina besuchte, konnte es nicht mehr
finden. In Frage käme eine Ortschaft gegenüber von Jericho.
b. Johannes' zweites Zeugnis
( 1,29 - 34 )
Joh 1,29
Als nächstes ist von einer Reihe von Tagen die Rede (vgl. "am nächsten
Tag" in V. 29.35.43 ; "am dritten Tage" in Joh 2,1 ), an deren ersten
beiden Johannes erneut Zeugnis über Jesus ablegte. Am zweiten dieser
Tage berief Jesus seine ersten Jünger, die ihm glaubten und nachfolgten.
Johannes identifizierte Jesus als Gottes Lamm (vgl. Joh 1,36; 1Pet
1,19 ) - eine Bezeichnung, die auf die Opferungen des Alten Testaments
verweist. Im allgemeinen wurden in Israel Lämmer geopfert, doch das
Opfertier, das am Versöhnungstag die Sünde des Volkes trug, war ein
Ziegenbock ( 3Mo 16 ). Vielleicht dachte Johannes bei seinen Worten aber
auch an das Passalamm ( 2Mo 12 ) und an eine Aussage Jesajas, der von
der Ähnlichkeit des Messias mit einem Lamm sprach ( Jes 53,7 ). In jedem
Fall zeigte ihm der Heilige Geist Jesus als das Sühneopfer, das für der
Welt Sünde sterben mußte (vgl. Jes 53,12 ).
Joh 1,30-31
Dann wiederholte Johannes nochmals, was er bereits früher über Jesus
gesagt hatte (V. 15.27 ). Sein Ruhm sollte noch vom Ruhm Jesu
übertroffen werden, dessen Vorrangstellung in seiner Präexistenz
begründet liegt: Er war eher als ich. Doch warum sagte Johannes "und ich
kannte ihn nicht "? Obwohl Johannes und Jesus durch Maria und Elisabeth
miteinander verwandt waren ( Lk 1,36 ), wissen wir nichts darüber, ob
sie sich vielleicht in ihrer Kindheit oder Jugend bereits begegnet
waren. Jedenfalls wußte Johannes erst dann, daß Jesus der war, der da
kommen sollte, als er ihm vom Vater als Messias offenbart wurde. Bis
dahin wußte er nur, daß er dem, auf den alle warteten, durch die Taufe
mit Wasser den Weg bereiten sollte. Gott würde Israel seinen Erlöser zur
gegebenen Zeit senden.
Joh 1,32
Das Johannesevangelium sagt nichts darüber, daß Jesus getauft wurde,
doch es setzt die Erzählungen aus den synoptischen Evangelien voraus
(vgl. "Die Besonderheiten des Johannesevangeliums" in der Einleitung).
Es ist auch nicht die Rede davon, daß der Heilige Geist bei der
Taufe wie eine Taube auf Jesus herabkam. Wichtig ist dem Evangelisten
vielmehr, daß der unsichtbare Geist vom Himmel herabfuhr und sich
körperlich manifestierte (in Gestalt einer Taube). Johannes sah, daß der
Geist als Taube auf Jesus blieb (vgl. Jes 11,2; Mk 1,10 ).
Joh 1,33
Er hatte von Gott (der ihn sandte) erfahren, daß derjenige, auf den die
Taube herabkäme, der Auserwählte sei, der mit dem Heiligen Geist
taufen würde. Die Reinigung durch Wasser ist eine Sache, doch die
Reinigung durch den Heiligen Geist ist eine andere. Später an Pfingsten,
fünfzig Tage nach Jesu Auferstehung, leitete die Taufe mit dem Heiligen
Geist ein neues Zeitalter ein ( Apg 1,5;2,1-4 ) - das Kirchenzeitalter,
das Zeitalter "des Geistes" (vgl. 1Kor 12,13 ).
Joh 1,34
Das Zeugnis des Täufers lautete, daß dieser Gottes Sohn sei. Der
prophezeite davidische König war der Sohn Gottes ( 1Sam 7,13-14 a), und
der messianische König ist in einzigartiger Weise Gottes Sohn ( Ps
2,7 ). Der Titel "Sohn Gottes" geht über die Vorstellung des Gehorsams
und des messianischen Königs hinaus und verweist auf das wahre Wesen
Jesu. Deshalb werden die gläubigen Menschen im Johannesevangelium denn
auch an keiner Stelle als "Söhne" Gottes bezeichnet. Sie sind die
"Kinder" ( tekna ; z. B. Joh 1,12 ) Gottes, der Titel "Sohn" ( hyios )
gebührt nur Jesus.
2. Jesu Jünger
( 1,35 - 51 )
a. Jesu erste Jünger
( 1,35 - 42 )
Joh 1,35-36
Der nächste Tag bezieht sich auf den zweiten Tag in der zeitlichen
Abfolge (vgl. V. 29.35.43 ; Joh 2,1 ).Wahrscheinlich legt der Evangelist
so großen Wert auf die Chronologie, weil er zeigen will, wie einige
Jünger des Täufers zu Jüngern Jesu wurden. Die Zeiten der Verben in Joh
1,35-36 sind ungewöhnlich. Johannes stand da (Imperfekt), während Jesus
vorüber geht (Präsens). Das Gesetz des Handelns geht nun von Johannes
dem Täufer auf Jesus über. Johannes selbst wies seine Jünger auf ihn hin
und sprach: Siehe, das ist Gottes Lamm (vgl. den Kommentar zu V. 29 ).
Joh 1,37
Zwei seiner Jünger hörten diese Worte und folgten Jesus nach . Das Verb
"folgen" hat hier wahrscheinlich doppelte Bedeutung: Sie folgten ihm in
wörtlichem Sinne - gingen hinter ihm her - und als seine Jünger, d. h.,
sie waren von diesem Tag an Anhänger Jesu.
Joh 1,38
Die ersten Worte, die die Jünger von Jesus hörten, lauteten: "Was sucht
ihr?" Das war eine ganz simple Frage, und die Jünger antworteten mit der
Gegenfrage, wo er wohne. Doch der Evangelist scheint noch mehr mit
dieser Frage zu beabsichtigen. Vielleicht meinte Jesus auch: "Was sucht
ihr in eurem Leben?" Das Wort, das hier mit Herberge ( menO ) übersetzt
ist und an dieser Stelle zum ersten Mal auftaucht, ist einer der
Lieblingsbegriffe des Evangelisten. Von den 112 Stellen im Neuen
Testament, an denen er steht, finden sich 66 in seinen Schriften - 40 im
Johannesevangelium, 23 im 1. und drei im 2. Johannesbrief (William F.
Arndt und F. Wilbur Gingrich, A Greek-English Lexicon of the New
Testament and Other Early Christian Literature . Chicago 1957, S. 504 -
505). Manchmal hat er, wie hier, die Bedeutung von "bleiben oder
wohnen", ein paarmal heißt er "bleiben oder fortsetzen", doch meistens
ist er im theologischen Sinn von "(bestehen) bleiben, fortfahren,
festhalten" gemeint (z. B. Joh 15,4-7 ).
Joh 1,39
Jesus antwortete ihnen mit den einladenden Worten: Kommt und seht! Ein
Mensch muß zunächst zu ihm kommen, dann wird er sehen. Doch sie sollten
nicht nur sehen, wo er wohnte; auch diese Worte hatten einen tieferen
theologischen Sinn. Die beiden Jünger blieben diesen Tag bei ihm - ab
der zehnten Stunde , d. h. ab vier Uhr nachmittags oder zehn Uhr
vormittags, je nachdem, ob der Evangelist die Tage von sechs Uhr morgens
(wie es die Synoptiker gewöhnlich tun) oder von Mitternacht bzw. Mittag
an zählt. Zehn Uhr vormittags - also nach der offiziellen römischen
Zeitrechnung (vgl. den Kommentar zu Joh 4,6;19,14 ) gerechnet - scheint
jedoch plausibler.
Joh 1,40-41
Andreas , einer der beiden Jünger, die Jesus nachgefolgt waren , war der
erste, der Jesus als Messias verkündigte. Dem hebräischen "Messias",
"der Gesalbte", entspricht der griechische Begriff "Christus" ( ho
Christos ). Er stammt aus der alttestamentlichen Praxis, Priester und
Könige mit Öl zu salben, ein Symbol des Heiligen Geistes, das auf den
vorauswies, der kommen sollte (vgl. Jes 61,1 ). "Messias" war ein Titel
des zukünftigen davidischen Königs (vgl. Mt 1,1; Joh 6,15 ). Kein Mensch
in der Geschichte des Christentums erwies der Kirche je einen größeren
Dienst als Andreas, als er seinen Bruder Simon Petrus zu Jesus brachte.
Andreas tritt noch zweimal im Johannesevangelium in Erscheinung ( Joh
6,8-9;12,20-22 ); beide Male bringt er jemanden zu Jesus. Hinter dem
ungenannten Jünger vermuteten die Neutestamentler gewöhnlich Johannes,
einen Sohn des Zebedäus und Bruder von Jakobus, der auch als Verfasser
des Johannesevangeliums angesehen wird. In Mk 1,16-20 beruft Jesus zwei
Brüderpaare (Simon und Andreas und Johannes und Jakobus), allesamt
Fischer.
Joh 1,42
Sofort, als Jesus Simon sah (vgl. V. 47 ), erkannte er seine Bestimmung.
Er gab ihm den aramäischen Beinamen Kephas , griechisch Petrus (Fels).
Im Hebräischen lautete der Name Simon wahrscheinlich Simeon (griechisch
in Apg 15,14; 2Pet 1,1 ). Für die Änderung seines Namens von Simon in
Kephas wird hier kein Grund angegeben. Im allgemeinen gehen die Forscher
davon aus, daß der Beiname ein Hinweis auf das war, was Gott inseiner
Gnade mit Petrus vorhatte: er sollte in den Anfangsjahren des
Christentums zum "Felsen" der Kirche werden (vgl. Mt 16,18; Lk 22,31-32;
Joh 21,15-19;2-5;10-12 ).
b. Die Berufung von Philippus und Nathanael
( 1,43 - 51 )
Joh 1,43-44
Die ersten Jünger stammten aus Galiläa, doch berufen hatte Jesus sie in
Judäa, aus dem Gefolge des Täufers. Auf dem Weg nach Norden,
nach Galiläa , berief er dann Philippus , dessen Heimatstadt Betsaida
war, wo auch Andreas und Petrus herstammten. Betsaida lag am Nordostufer
des Sees Genezareth ( Joh 12,21 ), politisch gesehen also im Süden der
Provinz Gaulanitis, die zum Herrschaftsbereich des Herodes Philippus
(Josephus, Ant. 18. 2. 1) gehörte. Aus Philippus' griechischem Namen
sollten keine Schlußfolgerungen über seine Nationalität gezogen werden.
Joh 1,45
Philippus bezeugte gegenüber Nathanael , daß Jesus der Verheißene sei,
von dem Mose ( 5Mo 18,18-19; vgl. Joh 1,21.25 ) und die Propheten ( Jes
52,13-53,12; Dan 7,13; Mi 5,1; Sach 9,9 ) schrieben. Überraschenderweise
nannte er Jesus Josefs Sohn - zu diesem Zeitpunkt waren die Jünger also
noch davon überzeugt, daß Jesus der leibliche Sohn Josefs war. Doch
Nathanael sollte schon bald erkennen, daß Jesus " Gottes Sohn" war ( Joh
1,49 ).
Joh 1,46
Nathanael stockte kurz angesichts der niedrigen Herkunft des
Messias. Was kann aus Nazareth Gutes kommen! Wie alle Juden kannte er
den schlechten Ruf dieser Stadt und war davon überzeugt, daß der Messias
aus Jerusalem, Hebron oder einer anderen berühmten Stadt kommen würde.
Die Herablassung Jesu ist noch heute für viele Menschen unbegreiflich.
Wie kann überhaupt der Logos ein Mensch werden? Doch Philippus war klug
genug, sich nicht auf ein Streitgespräch einzulassen, er lud seinen
Freund einfach ein, Jesus kennenzulernen: Komm und sieh es! Er wußte,
daß Nathanaels Fragen dann eine Antwort finden würden.
Joh 1,47
Jesus, der übernatürliches Wissen besaß (vgl. V. 42 ), nannte
Nathanael einen rechten Israeliten, in dem kein Falsch ( dolos ,
"Täuschung") ist im Gegensatz zu Jakob (vgl. V. 51 mit 1Mo 28,12 ).
Joh 1,48
Nathanael war erstaunt, daß Jesus ihn kannte, ja sogar ganz genau wußte,
womit er beschäftigt war, als Philippus ihn traf: Er war unter einem
Feigenbaum . Der Feigenbaum war eine Metapher für Muße und Sicherheit
(vgl. 1Kö 5,5; Mi 4,4; Sach 3,10 ); vielleicht ein Ort der Meditation
(vgl. den Kommentar zu Joh 1,50-51 ). Ps 139 führt das Thema, daß Gott
das Leben eines Menschen bis in jede Einzelheit kennt, genauer aus.
Joh 1,49
Jesu übernatürliches Wissen brachte Nathanael dazu, ihn als Gottes
Sohn und König von Israel zu bekennen. Das heißt nicht, daß er bereits
zu diesem frühen Zeitpunkt die Trinität oder die Inkarnation völlig
verstanden hatte. Doch er hatte verstanden, daß Jesus der Sohn Gottes,
der erwartete Messias, war (vgl. Ps 2,6-7 ). Auf diesem zukünftigen
davidischen König sollte der Geist Gottes ruhen ( Jes 11,1-2 ).
Joh 1,50-51
Doch Jesus verhieß Nathanael noch Größeres , wobei er vielleicht von den
Wundern in Kapitel 2 - 13 sprach. Vers 48.51 sind vielleicht Hinweise
darauf, daß Nathanael sich gedanklich mit Jakob, insbesondere mit dem
Zwischenfall, über den 1Mo 28,12 berichtet, beschäftigte. Dort wird
erzählt, daß Jakob in einem Traum sah, wie Engel eine Leiter hinauf- und
hinabgingen. Nathanael aber sollte die Engel Gottes hinauf- und
herabfahren (sehen) über dem Menschensohn . So wie Jakob sah, daß die
Engel vom Himmel mit der Erde in Verbindung standen, so sollte Nathanael
(und die anderen; das du in Joh 1,50 ist zwar Singular, doch in
V. 51 steht dann Plural, ihr ) Jesus als den göttlichen Mittler zwischen
Himmel und Erde erfahren. Der Menschensohn, der die Stelle der Leiter
einnimmt, ist Gottes Verbindungsglied zur Erde (vgl. Dan 7,13; Mt
26,64 ). Vielleicht ist hierin auch ein Hinweis Jesu zu sehen, daß er
das neue "Bethel", das neue Haus Gottes, war ( 1Mo 18,17; Joh 1,14 ).
Als Menschensohn verließ Jesus den Himmel und kam auf die Erde. Er selbst benutzte diesen Terminus über 80mal. Er ist ein Symbol seiner Menschlichkeit und seines Leidens sowie seines Wirkens als "vollkommener Mensch". Wahrlich, wahrlich, ich sage euch steht 25mal im Johannesevangelium und lenkt stets die Aufmerksamkeit auf wichtige Aussagen: Joh 1,51;3,3.5.11;5,19.24-25;6,26.32.47.53;8,34.51.58;10,1.7;12,24;13,16.20-21.38;14,12;16,20.23;21,18 .Interessanterweise findet sich dieses doppelte "Amen" bei den Synoptikern überhaupt nicht. |