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1. JOHANNESBRIEFE
Eschatologie

Der erste Johannesbrief wurde an christliche
Leser geschrieben.
Er warnt vor falscher
Lehre und ermutigt die Gläubigen, ein Leben
des Gehorsams zu führen.
Johannes schrieb
diesen Brief als Reaktion auf das Anwachsen
philosophischer Einflüsse, welche Frühformen
des Gnostizismus darstellten.
Diese
philosophische Lehre besagte, dass das Heil
allein auf Erkenntnis beruhe.
Als Irrlehre
hatte sie begonnen, in die Gemeinden
Kleinasiens einzudringen.
Johannes reagierte
auf diese Irrlehre, indem er die
Menschwerdung und das Vorbild des
menschlichen Lebens Christi hervorhob.
Die
humanistisch-philosophische Lehre der Gnosis
führte zum Doketismus (Christus hat nur
scheinbar einen menschlichen Leib besessen),
zur Askese (man kann einen höheren
geistlichen Stand durch rigorose
Selbstdisziplin und Selbstverleugnung
erreichen) und zur Gesetzlosigkeit (zu der
Überzeugung, dass allein der Glauben
heilsnotwendig sei und das Sittengesetz für
Gläubige ohne Nutzen und daher nicht
verpflichtend sei). Der zweite Johannesbrief
stellt das Liebesgebot heraus. Er warnt vor
falschen Lehrern (V.
7 ) und sagt, dass man die Irrlehrer
unnachgiebig behandeln und ihnen die
Gastfreundschaft verwehren solle. Der
Schlüsselbegriff in diesem Brief ist »die
319 Wahrheit«. Im dritten Brief werden jene
Gemeindeglieder offen zurechtgewiesen, die
Diotrephes gewähren lassen. Dieser hatte die
apostolische Autorität abgelehnt und übte
statt dessen die eigene Autorität in der
Gemeinde aus. Dieser Brief betont die
persönliche Verantwortung in einer Zeit des
Niedergangs.
Die Verfasserschaft aller drei Briefe wird
traditionell dem Apostel Johannes
zugeschrieben. Der Ton dieser Briefe lässt
erkennen, dass der Autor geistliche
Autorität besaß sowie ein Augenzeuge des
irdischen Lebens Jesu Christi war. Darüber
hinaus führen Schreiber des Frühchristentums
- darunter Irenäus, Tertullian und Clemens
von Alexandria - den Apostel Johannes als
Autor an. Alle drei Briefe wurden um 90 n.
Chr. in Ephesus geschrieben.
Von diesen drei Briefen ist der erste
Johannesbrief der einzige, der einige
prophetische Aussagen enthält. Die Schreiber
beschäftigt sich hauptsächlich mit dem
christlichen Wandel in Gemeinschaft mit
Gott, dem Vater. Zunächst wird die Tatsache,
dass der Wille Gottes ewig Bestand hat, der
Vergänglichkeit der weltliche Dinge
gegenübergestellt (
2,17 ). Dies beinhaltet eine Warnung vor
dem Abfall. Als Nächstes wird speziell vor
der Erscheinung des Antichristen gewarnt (
2,18 ). Johannes warnt vor dem Auftreten
vieler, die ihre Feindseligkeit gegenüber
Jesus Christus kundtun. Diese Warnung hat
einen realen Hintergrund und ist auch heute
gültig, da die Gläubigen die Entrückung der
Gemeinde und die Wiederkunft Jesu Christi
erwarten. Angesichts dessen werden Gläubige
ermutigt, eifrig zu sein, dem Herrn zu
dienen, sodass sie bei seiner Ankunft vor
ihm nicht beschämt werden (
2,28 ). Christen müssen dem Herrn
gegenüber vor der
Bema
, dem Richterstuhl, über ihr Leben
Rechenschaft ablegen, wo sie hinsichtlich
ihrer Werke als Gläubige beurteilt werden.
Diese Beurteilung findet nach der Entrückung
im Himmel und vor der Wiederkunft statt. Die
Beurteilung ist notwendig, damit Gläubige in
Herrschafts- und Autoritätsstellungen
berufen werden können, die sie zusammen mit
Christus in seiner Funktion als König der
Könige und Herr der Herren ausüben werden,
während er im wörtlichen Sinne auf Erden
herrscht. Diese Warnung betont, wie wichtig
es ist, ein geheiligtes Leben zu führen,
damit die Beurteilung positiv ausfällt.
Schließlich gibt Johannes die Verheißung,
dass die Gläubigen Christus gleich sein
werden (
3,2-3 ). Wenn Christus erscheint, werden
die Gläubigen ihn sehen und erleben, wie ihr
Körper in einen Herrlichkeitsleib der
Auferstehung verwandelt wird - so wie es
damals bei Christus geschah. Diese
Verheißung wird bei der Entrückung der
Gemeinde dem Herrn entgegen in die Luft
erfüllt werden (
1Kor 15,51-58 ). Dann werden die
Gläubigen Christus in seinem
Herrlichkeitsleib sehen, wie er ist. Die
Welt wird den König bis zu seiner
Wiederkunft in Macht und Herrlichkeit nicht
sehen.
Diese Prophezeiungen dienen dazu, die
Verbindung zwischen dem gegenwärtigen Leben
als Christ und der Hoffnung (Erwartung) auf
Entrückung und Wiederkunft Christi
herzustellen. Dann wird er die Gemeinde aus
der Welt herausrufen, damit sie für immer
bei ihm ist. Der zweite und dritte
Johannesbrief enthalten keinerlei
prophetische Aussagen.
Rick Bowman
Everett F. Harrison und Charles F. Pfeiffer,
Hrsg.,
Wycliffe Bible Commentary
(Chicago:
Moody Press, 1962); John F. Walvoord,
The Prophecy Knowledge Handbook
(Wheaton: Victor Books, 1990); John F.
Walvoord und Roy B. Zuck, Hrsg.,
Walvoord Bibelkommentar
(Holzgerlingen:
Hänssler-Verlag, 1992)
*-*-*
1. Johannes (Zane C. Hodges)
EINFÜHRUNG
Der 1. Johannesbrief richtet sich mit
praktischen Anweisungen an christliche
Leser. Er warnt sie vor den Gefahren
falscher Lehren und ermahnt die Gläubigen,
ein dem Gehorsam und der Nächstenliebe
verpflichtetes Leben zu führen. Sein größtes
Anliegen aber ist die Gemeinschaft mit Gott
dem Vater und seinem Sohn Jesus Christus (
1Joh 1,3 ).
Verfasserfrage
In der Überlieferung wurde der Brief dem
Apostel Johannes zugeschrieben, obwohl der
Name des Verfassers im Brief selbst nicht
genannt wird. Aus dem Ton des Briefes wird
jedoch deutlich, daß er auf jeden Fall von
einer Person mit geistlicher Autorität
stammt. Darüber hinaus bezeichnet der
Verfasser sich selbst als Augenzeugen des
irdischen Lebens des Herrn Jesus Christus (
1Joh 1,1-2 ). Auch bei den frühen
Kirchenvätern wie Irenäus, Clemens von
Alexandria und Tertullian wird Johannes als
Autor des Briefes genannt. Von daher besteht
also kein Grund, die traditionelle
Überzeugung, daß der Brief von einem Apostel
stamme, abzutun.
Hintergrund Der 1. Johannesbrief selbst
enthält keinerlei Hinweis auf die Identität
oder den Wohnort der Leser, an die er
gerichtet ist - bis auf die Tatsache, daß es
Christen sind. Da die frühkirchliche
Überlieferung Johannes mit der römischen
Provinz Asien (die heutige Westtürkei) in
Zusammenhang bringt, haben viele Exegeten
einfach vorausgesetzt, daß auch die
Adressaten seines Briefes dort lebten. Das
ist durchaus möglich, vor allem, weil eine
solche Verbindung von Offb 2 und Offb 3
bestätigt wird.
In den Gemeinden waren Irrlehrer
aufgetaucht, die Johannes als "Antichristen"
( 1Joh 2,18-26 ) bezeichnet. Was genau sie
lehrten, ist in der Forschung umstritten.
Viele Exegeten halten sie für Gnostiker, die
einen strengen Dualismus zwischen Geist und
Materie vertraten. Andere sehen in dem Brief
einen Angriff auf den Doketismus, die
Überzeugung, daß Jesu Menschsein nicht real
war und daß er nur scheinbar einen
physischen Leib besaß. Eine weitere
Intention, die dem Brief häufig
zugeschrieben wird, ist die Abwehr gegen die
Häresie des Cerinthus. Nach der kirchlichen
Überlieferung lebte Cerinthus in der
römischen Provinz Asien und vertrat einen
Standpunkt, der in extremem Gegensatz zu dem
des Apostels Johannes stand und von diesem
hart bekämpft wurde. Cerinthus lehrte, daß
Jesus nur ein Mensch gewesen und daß die
Göttlichkeit Christi erst bei der Taufe auf
Jesus herabgekommen sei und ihn vor der
Kreuzigung wieder verlassen habe.
Es läßt sich nicht mit letzter Sicherheit
bestimmen, gegen welche falsche Lehre der
Johannesbrief sich nun genau richtet. Die
einzigen Belege liefert der Inhalt des
Briefes selbst. Daraus geht eindeutig
hervor, daß die "Antichristen", wie Johannes
sie nennt, leugneten, daß Jesus der Christus
ist ( 1Joh 2,22 ). Auch die Äußerungen in
1Joh 5,6 werden auf dem Hintergrund einer
Lehre wie der des Cerinthus besonders
einsichtig. Dagegen passen die autoritativen
Aussagen in 1Joh 1,1-2 über die physische
Realität der Inkarnation gut zu einer
Doketismus-Abwehr. Schließlich fügt sich die
Betonung der "Erkenntnis" Gottes in die
Annahme, daß die bekämpften Häretiker für
sich selbst eine besondere "Erkenntnis" in
Anspruch nahmen, wie es die Gnostiker taten.
Andererseits ist der Gnostizismus erst aus
sehr viel späteren Quellen als dem 1.
Johannesbrief bekannt. Außerdem fehlen in
den Ausführungen des Briefes viele der
Charakteristika des späteren gnostischen
Denkens.
Wahrscheinlich ist es ein Fehler, überhaupt
zu versuchen, ein bestimmtes häretisches
System hinter den Angriffen des Briefes zu
sehen. Nach den Worten seines Verfassers
richtet er sich gegen "viele" falsche Lehrer
( 1Joh 2,18;4,1 ), und es ist nicht
anzunehmen, daß sie alle genau dieselben
Standpunkte vertraten. Die antike
griechisch-römische Welt war ein
Schmelztiegel der verschiedensten religiösen
Richtungen, und es ist deshalb
wahrscheinlich, daß auch die Adressaten des
Johannesbriefes mit einer breiten Vielfalt
von ihrer christlichen Einstellung
abweichender Ideen konfrontiert waren. Alle
Häretiker leugneten allerdings
übereinstimmend bestimmte Aspekte der Person
Christi, auch wenn ihre Kritik dabei
möglicherweise an ganz verschiedenen Punkten
ansetzte. Auf der Grundlage von 1Joh 2,19
läßt sich vermuten, daß sie hauptsächlich
aus Judäa kamen (vgl. den Kommentar zu 1Joh
2,19 ). Doch abgesehen von diesen wenigen
Indizien läßt sich kaum etwas über die
Beschaffenheit der Häresie oder der
Häresien, die Johannes zu seinem Brief
veranlaßten, sagen.
Daß seine Leser wirklich Christen waren,
wird aus 1Joh 2,12-14.21 sowie aus 1Joh 5,13
eindeutig klar. Der Hinweis auf die
"Salbung" - d. h. den Heiligen Geist -, die
sie besitzen ( 1Joh 2,20.27 ), läßt sich
außerdem so verstehen, daß die Adressaten
führende Positionen in der Gemeinde oder den
Gemeinden, an die Johannes schrieb,
innehatten. So wurden im Alten Testament die
Führer Israels, Propheten, Priester und
Könige, häufig für ihr Amt "gesalbt". 1Joh
2,20.27 beziehen sich demgegenüber zwar ganz
deutlich auf eine Salbung, die allen
Christen gilt, doch im übrigen Neuen
Testament spielt diese Vorstellung kaum eine
Rolle. Auch in 2Kor 1,21 gilt das Wort
"gesalbt" lediglich dem apostolischen Amt
des Paulus. Vielleicht versuchte der
Verfasser des 1. Johannesbriefes in 1Joh
2,20.27 also nur, die Kompetenz und
Autorität der Gemeindevorsteher auf dem
Gebiet der geistlichen Erkenntnis
hervorzuheben und damit auch ihre Autorität
gegenüber den falschen Lehrern zu
bekräftigen. Die Leiter der Gemeinden hatten
es nicht nötig, von irgendwelchen
menschlichen Lehrern unterwiesen zu werden,
denn sie empfingen ihre Erkenntnis durch
ihre "Salbung", d. h. durch den Heiligen
Geist.
Auch dieser Punkt kann allerdings nicht mit
dogmatischer Strenge vertreten werden.
Zweifellos kannte Johannes die Leute, an die
er schrieb. Selbst wenn er dabei
hauptsächlich an die Gemeindevorsteher
dachte, so war ihm doch klar, daß sein Brief
vor der ganzen Gemeinde bzw. den Gemeinden
verlesen würde, denn nur auf diese Weise
konnte er seine Funktion, die Autorität der
anerkannten Lehrer zu stützen, wirklich
erfüllen. Dabei konnte die breitere
Zuhörerschaft die für sie bestimmten
Anweisungen des Briefes zur Kenntnis nehmen
und wurde zugleich in ihrem Vertrauen auf
die Leitung der geisterfüllten
Gemeindevorsteher bestärkt. Eine der
wichtigsten Aufgaben der Ältesten in der
frühen Kirche war es, die "Herde" vor
geistlichen "Wölfen" zu schützen ( Apg
20,28-29; Tit 1,10-11 ). Wenn die falschen
Lehrer sich großartige geistliche Weisheit
und Autorität anmaßten, so lag es für den
unter der Führung des Heiligen Geistes
stehenden Verfasser des 1. Johannesbriefes
nahe, seinem Vertrauen auf die bestellten
Kirchenleiter Ausdruck zu geben. Das würde
ihre Position in ihrer Gemeinde bzw. ihren
Gemeinden stärken und sie für den Kampf
gegen einströmendes häretisches Gedankengut
rüsten.
Man darf jedoch auch nicht übersehen, daß
die Hinweise auf "Kinder", "Väter" und
"junge Männer" (1. Joh2,12 - 14) auf
Empfänger ganz verschiedener geistlicher
Entwicklungsstufen deuten. Wenn man das
ernst nehmen will, so kann man kaum
annehmen, daß in erster Linie die Ältesten
der Gemeinde die Adressaten des Briefes
sind. Andererseits werden alle Leser
mehrmals als "Kinder" angesprochen (z. B.
1Joh 2,1.18 ), so daß es auch denkbar wäre,
daß die Begriffe in 1Joh 2,12-14 einfach
verschiedene Anreden für dieselbe Gruppe
sind, die dabei jeweils aus einem
unterschiedlichen Blickwinkel angesprochen
wird. (Zur weiteren Erörterung dieses
Punktes vgl. den Kommentar zu den
betreffenden Versen.)
Auf jeden Fall war der Brief letztlich als
Warnung und Unterweisung für die gesamte ( n
) Gemeinde(n), an die er geschickt wurde,
gerichtet. Die Wahrheiten, die er enthält,
lassen sich darüber hinaus auf die Erfahrung
eines jeden Christen anwenden.
Datierung Es gibt im Brief so gut wie keine
Hinweise auf den Zeitpunkt seiner Abfassung.
Nach Ansicht vieler konservativer Forscher
entstand er gegen Ende des 1. Jahrhunderts,
kurz nach dem 4. Evangelium. Andererseits
läßt sich das Johannesevangelium ohne
weiteres in eine Zeit vor dem Jahre 70 n.
Chr. datieren. Wenn man von dieser Annahme
ausgeht, so besteht kein Grund anzunehmen,
daß der Johannesbrief nicht zur selben Zeit
geschrieben wurde. Wird 2,19 als Hinweis
darauf aufgefaßt, daß die falschen Lehrer
aus palästinischen Gemeinden kamen, die der
Oberaufsicht der Apostel unterstanden, dann
könnte man davon ausgehen, daß die
Auseinandersetzung in der Zeit vor den
katastrophalen Auswirkungen des jüdischen
Aufstands gegen die Römer im Jahre 66 bis 70
n. Chr. stattgefunden haben muß, denn nach
diesem Ereignis muß der positive wie
negative Einfluß der palästinischen
Christenheit auf die Gemeinden der
Heidenchristen stark abgenommen haben. Wenn
2,19 also tatsächlich auf Palästina deutet,
wäre es durchaus denkbar, daß Johannes von
Jerusalem aus schrieb, als er feststellte:
"Sie sind von uns ausgegangen."
All diese Schlußfolgerungen bleiben
letztlich spekulativ, können aber
zusammengefaßt als Hinweis auf eine
Datierung des Briefes in der Zeit zwischen
60 und 65 n. Chr. genommen werden. Man muß
jedoch einräumen, daß auch ein früheres
Abfassungsdatum denkbar wäre. Ungeachtet
dieser Datierungsfragen vermittelt der Brief
jedoch Wahrheiten von zeitlosem Wert für die
christliche Kirche.
GLIEDERUNG
Der 1.Johannesbrief ist äußerst
schwer zu gliedern. Es sind bereits viele
Versuche gemacht worden, das Schema des
Briefes zu erfassen. Die folgende Gliederung
bezieht ihre Rechtfertigung aus den
Darlegungen des Kommentars.
I. Prolog ( 1,1-4 )
II. Einleitung: Grundgedanken ( 1,5-2,11 )
A. Grundgedanken der Gemeinschaft (
1,5-2,2 )
B. Grundgedanken der Gotteserkenntnis (
2,3-11 )
III. Der Zweck des Briefes ( 2,12-27 )
A. Im Lichte der geistlichen Verfassung
der leser ( 2,12-14 )
B. Im Lichte der Verlockungen der Welt
( 2,15-17 )
C. Im Lichte der Lügen der letzten
Stunde ( 2,18-23 )
D. Im Lichte der Ppflicht der Leser zur
Standhaftigkeit ( 2,24-27 )
IV. Der Hauptteil des Briefes ( 2,28-4,19 )
A. Exposition des Thems ( 2,28 )
B. "Kinder Gottes" ( 2,29-3,10 a)
C. Die brüderliche Liebe ( 3,10 b.
11-23 )
1. Was die Liebe nicht ist ( 3,10
b. 11-15 )
2. Was die Liebe ist ( 3,16-18 )
3. Was die Liebe für die Gläubigen
tut ( 3,19-23 )
D. Der einwohnende Gott ( 3,24-4,16 )
1. Der Geist der Wahrheit (
3,24-4,6 )
2. Der Gott der Liebe ( 4,7-16 )
E. Ausführung des Themas ( 4,17-19 )
V. Schliß ( 4,20-5,17 )
A. Die Wahrheit der Liebe ( 4,20-5,3 a)
B. Die Kraft der liebe ( 5,3 b. 4-15 )
C. Die Praxis der Liebe ( 5,16-17 )
VI. Epilog ( 5,18-21 )
AUSLEGUNG
I. Prolog
( 1,1-4 )
Die ersten vier Verse des Briefes bilden den
Prolog. In diesen Zeilen bestätigt der
Schreiber die mit allen Sinnen erfaßbare
Wirklichkeit der Inkarnation Christi und
schlägt den Bogen zum eigentlichen Thema
seines Briefes, der Gemeinschaft der
Christen mit Gott und der Freude, die diese
Gemeinschaft für die Gläubigen bedeutet.
1Joh 1,1
Der Apostel macht klar, daß das, was von
Anfang an war , Gegenstand seiner
Ausführungen sein soll. Viele Ausleger haben
diese Wendung dahingehend gedeutet, daß hier
von einem absoluten Anbeginn, wie etwa in
1Mo 1,1 oder in Joh 1,1 ,die Rede ist. Das
wäre zwar denkbar, doch angesichts der
intensiven Beschäftigung des Briefes mit der
ursprünglichen Botschaft von Jesus Christus
scheint es plausibler, daß Johannes hier von
den Anfängen der Verkündigung des
Evangeliums spricht. Wenn dem so ist, hat
der Begriff "Anfang" an dieser Stelle eine
ähnliche Bedeutung wie in 1Joh 2,7.24 und
1Joh 3,11 .Der Verfasser möchte also
deutlich machen, daß das, was er im
folgenden zu sagen hat, jene Wahrheit über
den Sohn Gottes ist, die schon die Apostel,
mit denen er in direktem Kontakt stand,
bezeugt haben. Indem er sich selbst diesen
apostolischen Augenzeugen zurechnet,
kennzeichnet der Autor seine Verkündigung
als das, was wir gehört haben, was wir
gesehen haben mit unsern Augen, was wir
betrachtet haben und unsre Hände getastet
haben.
Schon in diesen einleitenden Worten greift
der Apostel die Häresie an, gegen die er mit
seinem Schreiben zu Felde ziehen will. Die
"Antichristen" brachten neue Ideen auf, die
nichts mit dem zu tun hatten, was "von
Anfang", d. h. vom Beginn der Ära des
Evangeliums an, war. Ihrer Leugnung der
Inkarnation Christi konnte er die
Erfahrungen der Augenzeugen
gegenüberstellen, deren Aussage auf dem
basierte, was sie tatsächlich "gehört",
"gesehen" und "betastet" hatten (vgl. "seht"
und "faßt an" in Lk 24,39 ). Die Botschaft
des Johannes gründet sich also fest auf eine
historische Tatsache.
Die genaue Bedeutung der Wendung "vom Wort
des Lebens" ist verschieden erklärt worden.
Sie kann als Titel des Herrn aufgefaßt
werden, wie er etwa in Joh 1,1.14 auftaucht.
Allerdings hat dieser Titel dort keine
Erweiterung ("des Lebens"). Es scheint
deshalb dem Text gemäßer, die Wendung im
Sinne von "Botschaft des Lebens" (vgl. Apg
5,20; Phil 2,16 ) zu verstehen. Wie 1Joh 1,2
zeigt, ist denn auch das Wort "Leben" und
nicht etwa der Begriff "Wort" personifiziert
eingesetzt. Johannes wollte also sagen, daß
sein Brief von den ursprünglichen und sicher
bezeugten Wahrheiten handeln wird, die die
"Botschaft des Lebens" - d. h. die Botschaft
über Gottes Sohn, der das Leben ist -
betreffen (vgl. 1Joh 5,20 ).
1Joh 1,2
Das Leben , von dem die Apostel kündeten,
ist in seinem tiefsten Wesen Person. Es ist
nicht nur erschienen, sondern es ist das
Leben, das ewig ist, das beim Vater war und
den Menschen erschienen ist . Damit ist ganz
zweifellos die Inkarnation gemeint.
1Joh 1,3
Es geht Johannes beim Schreiben über diese
entscheidenden Dinge darum, daß auch ihr ,
die Leser, mit uns , den Aposteln,
Gemeinschaft habt . Da aus einer späteren
Stelle ( 1Joh 2,12-14 ) eindeutig
hervorgeht, daß er sich in diesem Brief an
Christen wendet, war es offensichtlich nicht
sein Ziel, sie zu bekehren. Es ist eine
gefährliche Fehlinterpretation, den Begriff
"Gemeinschaft" an dieser Stelle so zu
deuten, als sei damit nichts anderes gemeint
als "Christ zu sein". Die Adressaten des
Briefes waren bereits gerettet. Trotzdem
brauchten sie die Worte des Apostels, um in
einem wirklichen gemeinschaftlichen
Austausch mit dem apostolischen Kreis zu
stehen, dem der Verfasser des Briefes
angehörte. Diese apostolische Gemeinschaft
bedeutet zugleich Gemeinschaft ... mit dem
Vater und mit seinem Sohn Jesus Christus .
Wahrscheinlich bestritten die falschen
Lehrer, daß die Adressaten des Briefes das
ewige Leben besaßen (vgl. den Kommentar zu
1Joh 2,25;5,13 ). Wenn das stimmte, und wenn
die Leser an Gottes Zusagen zu zweifeln
begannen, so war auch ihre Verbundenheit mit
dem Vater und dem Sohn in Gefahr. Das heißt
natürlich nicht, daß damit auch ihre Rettung
bedroht war - als Gläubige konnten sie das
Geschenk des Lebens, das Gott ihnen gegeben
hatte, niemals verlieren (vgl. Joh 4,14; Joh
6,35.37-40 ). Doch ihre Gemeinschaft mit
Gott wurzelte darin, daß sie "im Licht
wandelten" ( 1Joh 1,7 ). Die verführerischen
Worte der Antichristen aber zielten darauf
ab, sie ins Dunkel zu locken. Welchen Reiz
ihr verderblicher Ruf ausübte, wird im
vorliegenden Brief besonders deutlich. Es
ist Johannes deshalb ein Anliegen, seine
Leser im Fundament ihres Glaubens so zu
stärken, daß ihre Gemeinschaft mit Gott
allen Belastungen standhält.
1Joh 1,4
Zum Schluß verleiht der Apostel seinem
Prolog noch eine persönliche Note: Wenn sein
Brief bei den Lesern das vorgegebene Ziel
erreicht, so wird das ihm selbst (und den
anderen Aposteln) ein Anlaß zur Freude sein.
Und das schreiben wir, damit unsre Freude
vollkommen sei. Dieser Satz gleicht der
Aussage in 3Joh 1,4 : "Ich habe keine
größere Freude als die, zu hören, daß meine
Kinder in der Wahrheit leben." Die Apostel
hatten das Anliegen Christi so sehr zu ihrem
eigenen gemacht, daß ihr Glück untrennbar
mit dem geistlichen Wohlergehen jener
verbunden war, denen sie dienten. Wenn die
Leser des 1. Johannesbriefes ihre
Gemeinschaft mit Gott und mit den Aposteln
beibehalten können, so wird keiner
glücklicher darüber sein als Johannes
selbst.
II. Einleitung: Grundgedanken
( 1,5 - 2,11 )
Da der Gedanke der Gemeinschaft ein
zentraler Punkt des 1. Johannesbriefes ist,
ist es für den Verfasser selbstverständlich,
mit seinen Ausführungen bei diesem Punkt
anzusetzen. In 1Joh 1,5-2,11 legt er deshalb
bestimmte Grundgedanken, die das Fundament
einer wahren Beziehung zu Gott bilden, dar.
Diese Prinzipien sind von größtem
praktischen Wert für das Alltagsleben aller
Christen, die daran die Echtheit ihrer
eigenen Verbundenheit mit Gott messen und
feststellen können, wie weit sie den Gott,
mit dem sie Gemeinschaft haben, überhaupt
kennen.
A. Grundgedanken der Gemeinschaft
( 1,5 - 2,2 )
1Joh 1,5
In seinem Prolog kündigt der Verfasser des
Briefes an, daß er über Dinge schreiben
will, die er gehört, gesehen und angefaßt
hat. Er beginnt mit dem, was er gehört hat:
Und das ist die Botschaft, die wir von ihm
gehört haben und euch verkündigen . Mit
"ihm" ist zweifellos der Herr Jesus Christus
gemeint, von dessen Menschwerdung der
Apostel in Vers 1.2 sprach. Der Inhalt der
bewußten "Botschaft" lautet: Gott ist Licht,
und in ihm ist keine Finsternis . Diese
Aussage findet sich zwar nicht unter den
überlieferten Herrenworten, doch Johannes
war ein Apostel und Augenzeuge und hörte
sicherlich weit mehr, als schließlich
"aufgeschrieben" wurde (vgl. Joh 21,25 ). Es
besteht deshalb kein Grund, seine Worte zu
bezweifeln oder ihnen eine andere Deutung
unterzuschieben. Johannes hatte diese Worte
vom Herrn gehört.
Johannes beschrieb Gott häufig als "Licht" (
Joh 1,4-5.7-9;3,19-21;8,12;9,5;12,35-36.46;
Offb 21,23 ). Er dachte dabei wohl an Gott
als den Offenbarer seiner Heiligkeit. Beide
Aspekte der göttlichen Natur spielen in der
Auseinandersetzung mit Sünde und
Gemeinschaft in 1Joh 1,6-10 eine Rolle. Als
das "Licht" macht Gott die Sünden der
Menschen sichtbar und verurteilt sie
zugleich. Wenn jemand im Dunkel agiert, so
versteckt er sich vor der Wahrheit, die das
Licht enthüllt (vgl. Joh 3,19-20 ).
Offenbarungsbegriffe wie "die Wahrheit" und
"sein Wort" kehren in 1Joh 1,6.8.10 wieder.
Wichtig ist, daß Johannes dieselbe
Botschaft, die er gehört hat, an seine Leser
weitergeben will ("die wir ... euch
verkündigen"). Manche Exegeten gehen davon
aus, daß die "Lügen", die in Vers 6.8.10
verworfen werden, von den falschen Lehrern
oder Antichristen stammten, mit denen sich
Johannes im weiteren Verlauf des Briefes
auseinandersetzt, doch das läßt sich nicht
beweisen. Der Apostel bleibt weiterhin bei
der "wir"-Form, als ob er sowohl für sich
selbst als auch für seine ganze Leserschaft
spräche. Bei genauerer Betrachtung fällt
auf, daß die falschen Behauptungen, die
Johannes hier zurückweist, tatsächlich sehr
gut von Christen kommen könnten, die den
Kontakt zur geistlichen Wirklichkeit und zu
Gott verloren haben. Von daher gibt es keine
angemessene exegetische Basis für die
Annahme, die Verse 6 - 10 richteten sich
gegen die Doktrinen der Häretiker.
1Joh 1,6
Da "Gott Licht ist", kann ein Christ,
solange er im Dunkel lebt, nicht wirklich
die Gemeinschaft mit ihm wollen. Johannes
betont denn auch: Wenn wir sagen, daß wir
Gemeinschaft mit ihm haben, und wandeln in
der Finsternis, so lügen wir und tun nicht
die Wahrheit . Johannes wußte wie jeder
einfühlsame Gemeindehirte, daß Christen
manchmal Frömmigkeit heucheln, während sie
gleichzeitig die Gebote ihres Glaubens
verletzen. Als der Apostel Paulus es in der
Gemeinde von Korinth mit einem Fall von
Inzest zu tun hatte ( 1Kor 5,1-5 ), stellte
er eine Liste von bestimmten Vergehen auf,
für die die Gemeindemitglieder mit der
Kirchendisziplin bestraft werden sollten (
1Kor 5,9-13 ). Derartige Vergehen unter dem
Deckmantel der Frömmigkeit und der engen
Gemeinschaft mit Gott sind eine traurige
Realität in der ganzen Geschichte der
Christenheit.
Ein Christ, der behauptet, mit Gott (der
"Licht ist") verbunden zu sein, ihm aber
nicht gehorcht (indem er "in der Finsternis"
wandelt), lügt (vgl. 1Joh 2,4 ). Zehnmal
gebraucht Johannes in seinen Schriften den
Begriff "Finsternis" für die Sünde ( Joh
1,5;3,19;12,35 [zweimal]; 1Joh
1,5-6;2,8-9.11 [zweimal]).
1Joh 1,7
Es gibt nur eine Sphäre, in der es wirklich
zur Gemeinschaft mit Gott kommen kann - das
Licht. Deshalb betont der Apostel
ausdrücklich: Wenn wir aber im Licht
wandeln, wie er im Licht ist, so haben wir
Gemeinschaft untereinander . Seltsamerweise
haben viele Exegeten das Wort
"untereinander" als einen Hinweis auf die
Verbundenheit mit anderen Christen
verstanden. Doch darum geht es in diesem
Zusammenhang nicht. Das griechische Pronomen
allElOn kann sich auf die beiden Partner,
die in der ersten Hälfte des Satzes genannt
werden, beziehen: auf Gott und den Christen.
Worauf Johannes hinaus will, ist, daß eine
wechselseitige Beziehung zwischen Gott und
den Christen möglich ist. Wenn sie ebenfalls
im Licht leben, wo Gott ist, haben sie
Gemeinschaft mit ihm und er mit ihnen. Das
Licht ist die fundamentale Realität, der sie
beide angehören. Die echte Kommunion mit
Gott besteht also in einem Leben in dem
Bereich, wo die eigene Erfahrung von der
Wahrheit dessen, was Gott ist, erleuchtet
wird - einem Leben, das offen ist für seine
Offenbarung in Jesus Christus. Wie Johannes
kurz darauf feststellt (V. 9 ), gehört dazu
auch, daß die Gläubigen alles bekennen, was
das Licht in ihrem Leben Falsches enthüllt.
Es ist wichtig, sich klarzumachen, daß
Johannes hier davon spricht, im Licht zu
leben und nicht gemäß oder in
Übereinstimmung mit dem Licht. Ein Leben in
Übereinstimmung mit dem Licht würde sündlose
Vollkommenheit verlangen und damit den
sündigen Menschen die Gemeinschaft mit Gott
unmöglich machen. Im Licht zu leben bedeutet
dagegen lediglich Offenheit und
Empfänglichkeit für das Licht. Der Apostel
stellt sich die Christen, auch wenn sie im
Licht wandeln, keineswegs sündlos vor. Das
zeigt der Schluß des Verses ganz deutlich,
wo er ausdrücklich hinzufügt, daß das Blut
Jesu, seines Sohnes ... uns von aller Sünde
reinigt. Grammatikalisch gesehen ist diese
Wendung der vorangehenden "so haben wir
Gemeinschaft untereinander" beigeordnet. Die
Gesamtaussage von Vers 7 hält damit zwei
Aspekte fest, die für Gläubige, die im Licht
wandeln, gelten: (a) Sie haben Gemeinschaft
mit Gott, und (b) sie werden von aller Sünde
rein gemacht. Solange er sich dem Licht der
göttlichen Wahrheit aussetzt, stehen alle
Verfehlungen des Christen unter der
reinigenden Kraft des Blutes Christi. Allein
aufgrund der Erlösungstat des Heilandes am
Kreuz gibt es Gemeinschaft zwischen den
unvollkommenen Geschöpfen und ihrem
vollkommenen Schöpfer.
1Joh 1,8
In dem Moment, in dem ein Gläubiger wahre
Gemeinschaft mit Gott erfährt, ist er jedoch
auch schon in Gefahr, zu denken oder zu
sagen, daß er - zumindest für diesen
Augenblick - ohne Sünde sei. Vor dieser
Selbsttäuschung warnt der Apostel. Wenn wir
sagen, wir haben keine Sünde, so betrügen
wir uns selbst, und die Wahrheit ist nicht
in uns (vgl. V. 6 ; 1Joh 2,4 ). Wenn die
Christen recht begreifen, was Gottes Wort
über die Verderbtheit des menschlichen
Herzens lehrt, dann wissen sie, daß die
Tatsache, daß sie sich ihrer Sünde nicht
bewußt sind, noch lange nicht bedeutet, daß
sie auch wirklich frei von ihr sind. Wenn
jedoch die Wahrheit "in" ihnen ist als eine
steuernde, motivierende Macht, dann kann es
gar nicht erst zu einer solchen
Selbsttäuschung kommen. Ganz gleich, ob
jemand sich kurzzeitig oder dauernd für
sündlos hält - er hat unrecht.
1Joh 1,9
Deshalb sollen Christen immer bereit sein,
die Fehler zu bekennen, die Gottes Licht
ihnen zeigt. Denn, wie Johannes schreibt:
Wenn wir aber unsere Sünden bekennen, so ist
er treu und gerecht, daß er uns die Sünden
vergibt und reinigt uns von aller
Ungerechtigkeit. Der Artikel in der Wendung
tas hamartias bezieht sich ganz eindeutig
auf die vorstehende Wendung "unsere Sünden"
zurück. Es besteht also ein gewisser
Unterschied zwischen dieser Formulierung
("die Sünden") und der nachfolgenden Wendung
"aller Ungerechtigkeit". Man könnte den
Gedankengang des Apostels vielleicht so
wiedergeben: "Wenn wir unsere Sünden
bekennen, wird er ... uns die Sünden, die
wir bekennen, vergeben und uns darüber
hinaus auch von aller anderen
Ungerechtigkeit reinigen." Natürlich kennt
nur Gott zu jedem Zeitpunkt das volle Ausmaß
der Ungerechtigkeit eines Menschen. Ein
Christ ist jedoch verpflichtet
"anzuerkennen" oder "zuzugestehen"(das ist
die eigentliche Bedeutung von "bekennen",
homologOmen ; vgl. 1Joh 2,23;4,3 ), was
immer das Licht ihm bewußt macht, und wenn
er dies tut, so ist ihm eine vollkommene
Reinigung sicher. Er hat es also nicht
nötig, sich über Sünden zu grämen, die ihm
nicht bewußt sind.
Es ist tröstlich zu erfahren, daß die hier
verheißene Vergebung absolut gewiß ist (denn
Gott "ist treu") und der Heiligkeit Gottes
nicht widerspricht (er ist "gerecht"). Das
Wort für "gerecht", dikaios , ist in 1Joh
2,1 ein Messiastitel ("der gerecht ist") und
steht in 1Joh 2,29 und 1Joh 3,7 für Gott
(den Vater wie den Sohn). Offensichtlich
entspricht es der "Gerechtigkeit" Gottes,
wenn er dem Gläubigen aufgrund des
"Sühneopfers", das der Herr Jesus
dargebracht hat, seine Sünden vergibt (vgl.
1Joh 2,2 ). Wie bereits aus 1Joh 1,7
hervorging, ist die Gemeinschaft des
Christen mit Gott untrennbar mit der Wirkung
des Blutes verbunden, das Jesus für ihn
vergossen hat.
In neuerer Zeit wurde manchmal in Abrede
gestellt, daß die Christen ihre Sünden
bekennen und um Vergebung bitten müssen. Es
wurde gesagt, daß ein Gläubiger der
Vergebung in Christus bereits teilhaftig ist
( Eph 1,7 ). Diese Sichtweise verwechselt
jedoch die Vollkommenheit, die ein Christ in
Gottes Sohn (durch den er sogar "mit
eingesetzt (ist) im Himmel"; Eph 2,6 ) hat,
mit seinen Bedürfnissen als fehlbarer
irdischer Mensch. Die Vergebung, von der in
1Joh 1,9 die Rede ist, ist eine Vergebung
"in der Familie". Es ist nichts
Außergewöhnliches, daß ein Sohn seinen Vater
für seine Fehler um Verzeihung bittet; seine
Stellung innerhalb der Familie ist damit
auch nicht im leisesten gefährdet. Ein
Christ, der seinen himmlischen Vater niemals
um Verzeihung für seine Sünden bittet, kann
kaum ein Gespür dafür entwickeln, durch
welche Dinge er diesem Vater Kummer
bereitet. Außerdem lehrte Jesus selbst seine
Jünger, in einem Gebet um die Vergebung
ihrer Sünden zu bitten, das offensichtlich
für den täglichen Gebrauch bestimmt war
(vgl. "unser tägliches Brot gib uns heute"
vor "und vergib uns unsere Schuld"; Mt
6,11-12 ). Es ist deshalb ein Irrtum, daß
Christen Gott nicht jeden Tag um Vergebung
bitten sollen. Ganz abgesehen davon ist das
Sündenbekenntnis bei Johannes nirgends mit
der Erlangung des ewigen Lebens verbunden,
die grundsätzlich vom Glauben abhängt. Der
Satz in 1Joh 1,9 richtet sich also nicht an
diejenigen, die noch nicht gerettet sind,
und jeder Versuch, ihn in eine
soteriologische Aussage umzudeuten, führt in
die Irre.
Wenn der Gedanke des Wandelns im Licht oder
in der Finsternis richtig verstanden wird
und Eingang in die Erfahrung findet, bieten
beide Begriffe ohnehin keine Schwierigkeit
mehr. "Finsternis" hat eine ethische
Konnotation. Wenn ein Gläubiger den
persönlichen Kontakt zu dem Gott des Lichtes
verliert, fällt er in die Dunkelheit zurück.
Ein freies Sündenbekenntnis aber kann ihn
wieder ins Licht führen.
1Joh 1,10
Ein Gläubiger, der sündigt, darf seine Sünde
niemals leugnen. Wenn wir sagen, wir haben
nicht gesündigt, so machen wir ihn zum
Lügner, und sein Wort ist nicht in uns .
Diese Feststellung sollte in direktem
Zusammenhang mit Vers 9 gelesen werden. Wenn
ein Sünder durch Gottes Wort mit seiner
eigenen Sündhaftigkeit konfrontiert wird,
dann soll er sie eingestehen und nicht
abstreiten. Seine persönlichen Sünden
angesichts Gottes gegenteiliger Aussage zu
leugnen hieße, Gott "zum Lügner zu machen".
Wer aber dem Wort Gottes widerspricht,
verwirft es und räumt ihm nicht den rechten
Stellenwert in seinem Leben ein.
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