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17.05.2025
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1  Johannes Briefe Eschatelogie Kapitel 1
Walvoord Zane C. Hodges


1.  JOHANNESBRIEFE
Eschatologie

Der erste Johannesbrief wurde an christliche Leser geschrieben.
Er warnt vor falscher Lehre und ermutigt die Gläubigen, ein Leben des Gehorsams zu führen.
Johannes schrieb diesen Brief als Reaktion auf das Anwachsen philosophischer Einflüsse, welche Frühformen des Gnostizismus darstellten.
Diese philosophische Lehre besagte, dass das Heil allein auf Erkenntnis beruhe.

Als Irrlehre hatte sie begonnen, in die Gemeinden Kleinasiens einzudringen.
Johannes reagierte auf diese Irrlehre, indem er die Menschwerdung und das Vorbild des menschlichen Lebens Christi hervorhob.
Die humanistisch-philosophische Lehre der Gnosis führte zum Doketismus (Christus hat nur scheinbar einen menschlichen Leib besessen), zur Askese (man kann einen höheren geistlichen Stand durch rigorose Selbstdisziplin und Selbstverleugnung erreichen) und zur Gesetzlosigkeit (zu der Überzeugung, dass allein der Glauben heilsnotwendig sei und das Sittengesetz für Gläubige ohne Nutzen und daher nicht verpflichtend sei). Der zweite Johannesbrief stellt das Liebesgebot heraus. Er warnt vor falschen Lehrern (V. 7 ) und sagt, dass man die Irrlehrer unnachgiebig behandeln und ihnen die Gastfreundschaft verwehren solle. Der Schlüsselbegriff in diesem Brief ist »die 319 Wahrheit«. Im dritten Brief werden jene Gemeindeglieder offen zurechtgewiesen, die Diotrephes gewähren lassen. Dieser hatte die apostolische Autorität abgelehnt und übte statt dessen die eigene Autorität in der Gemeinde aus. Dieser Brief betont die persönliche Verantwortung in einer Zeit des Niedergangs.

Die Verfasserschaft aller drei Briefe wird traditionell dem Apostel Johannes zugeschrieben. Der Ton dieser Briefe lässt erkennen, dass der Autor geistliche Autorität besaß sowie ein Augenzeuge des irdischen Lebens Jesu Christi war. Darüber hinaus führen Schreiber des Frühchristentums - darunter Irenäus, Tertullian und Clemens von Alexandria - den Apostel Johannes als Autor an. Alle drei Briefe wurden um 90 n. Chr. in Ephesus geschrieben.

Von diesen drei Briefen ist der erste Johannesbrief der einzige, der einige prophetische Aussagen enthält. Die Schreiber beschäftigt sich hauptsächlich mit dem christlichen Wandel in Gemeinschaft mit Gott, dem Vater. Zunächst wird die Tatsache, dass der Wille Gottes ewig Bestand hat, der Vergänglichkeit der weltliche Dinge gegenübergestellt ( 2,17 ). Dies beinhaltet eine Warnung vor dem Abfall. Als Nächstes wird speziell vor der Erscheinung des Antichristen gewarnt ( 2,18 ). Johannes warnt vor dem Auftreten vieler, die ihre Feindseligkeit gegenüber Jesus Christus kundtun. Diese Warnung hat einen realen Hintergrund und ist auch heute gültig, da die Gläubigen die Entrückung der Gemeinde und die Wiederkunft Jesu Christi erwarten. Angesichts dessen werden Gläubige ermutigt, eifrig zu sein, dem Herrn zu dienen, sodass sie bei seiner Ankunft vor ihm nicht beschämt werden ( 2,28 ). Christen müssen dem Herrn gegenüber vor der Bema , dem Richterstuhl, über ihr Leben Rechenschaft ablegen, wo sie hinsichtlich ihrer Werke als Gläubige beurteilt werden. Diese Beurteilung findet nach der Entrückung im Himmel und vor der Wiederkunft statt. Die Beurteilung ist notwendig, damit Gläubige in Herrschafts- und Autoritätsstellungen berufen werden können, die sie zusammen mit Christus in seiner Funktion als König der Könige und Herr der Herren ausüben werden, während er im wörtlichen Sinne auf Erden herrscht. Diese Warnung betont, wie wichtig es ist, ein geheiligtes Leben zu führen, damit die Beurteilung positiv ausfällt. Schließlich gibt Johannes die Verheißung, dass die Gläubigen Christus gleich sein werden ( 3,2-3 ). Wenn Christus erscheint, werden die Gläubigen ihn sehen und erleben, wie ihr Körper in einen Herrlichkeitsleib der Auferstehung verwandelt wird - so wie es damals bei Christus geschah. Diese Verheißung wird bei der Entrückung der Gemeinde dem Herrn entgegen in die Luft erfüllt werden ( 1Kor 15,51-58 ). Dann werden die Gläubigen Christus in seinem Herrlichkeitsleib sehen, wie er ist. Die Welt wird den König bis zu seiner Wiederkunft in Macht und Herrlichkeit nicht sehen.

Diese Prophezeiungen dienen dazu, die Verbindung zwischen dem gegenwärtigen Leben als Christ und der Hoffnung (Erwartung) auf Entrückung und Wiederkunft Christi herzustellen. Dann wird er die Gemeinde aus der Welt herausrufen, damit sie für immer bei ihm ist. Der zweite und dritte Johannesbrief enthalten keinerlei prophetische Aussagen.

 

Rick Bowman

Everett F. Harrison und Charles F. Pfeiffer, Hrsg., Wycliffe Bible Commentary (Chicago: Moody Press, 1962); John F. Walvoord, The Prophecy Knowledge Handbook (Wheaton: Victor Books, 1990); John F. Walvoord und Roy B. Zuck, Hrsg., Walvoord Bibelkommentar (Holzgerlingen: Hänssler-Verlag, 1992)

*-*-*


1. Johannes (Zane C. Hodges)

 

EINFÜHRUNG

 

Der 1. Johannesbrief richtet sich mit praktischen Anweisungen an christliche Leser. Er warnt sie vor den Gefahren falscher Lehren und ermahnt die Gläubigen, ein dem Gehorsam und der Nächstenliebe verpflichtetes Leben zu führen. Sein größtes Anliegen aber ist die Gemeinschaft mit Gott dem Vater und seinem Sohn Jesus Christus ( 1Joh 1,3 ).

 

Verfasserfrage

 

In der Überlieferung wurde der Brief dem Apostel Johannes zugeschrieben, obwohl der Name des Verfassers im Brief selbst nicht genannt wird. Aus dem Ton des Briefes wird jedoch deutlich, daß er auf jeden Fall von einer Person mit geistlicher Autorität stammt. Darüber hinaus bezeichnet der Verfasser sich selbst als Augenzeugen des irdischen Lebens des Herrn Jesus Christus ( 1Joh 1,1-2 ). Auch bei den frühen Kirchenvätern wie Irenäus, Clemens von Alexandria und Tertullian wird Johannes als Autor des Briefes genannt. Von daher besteht also kein Grund, die traditionelle Überzeugung, daß der Brief von einem Apostel stamme, abzutun.

 

Hintergrund Der 1. Johannesbrief selbst enthält keinerlei Hinweis auf die Identität oder den Wohnort der Leser, an die er gerichtet ist - bis auf die Tatsache, daß es Christen sind. Da die frühkirchliche Überlieferung Johannes mit der römischen Provinz Asien (die heutige Westtürkei) in Zusammenhang bringt, haben viele Exegeten einfach vorausgesetzt, daß auch die Adressaten seines Briefes dort lebten. Das ist durchaus möglich, vor allem, weil eine solche Verbindung von Offb 2 und Offb 3 bestätigt wird.

In den Gemeinden waren Irrlehrer aufgetaucht, die Johannes als "Antichristen" ( 1Joh 2,18-26 ) bezeichnet. Was genau sie lehrten, ist in der Forschung umstritten. Viele Exegeten halten sie für Gnostiker, die einen strengen Dualismus zwischen Geist und Materie vertraten. Andere sehen in dem Brief einen Angriff auf den Doketismus, die Überzeugung, daß Jesu Menschsein nicht real war und daß er nur scheinbar einen physischen Leib besaß. Eine weitere Intention, die dem Brief häufig zugeschrieben wird, ist die Abwehr gegen die Häresie des Cerinthus. Nach der kirchlichen Überlieferung lebte Cerinthus in der römischen Provinz Asien und vertrat einen Standpunkt, der in extremem Gegensatz zu dem des Apostels Johannes stand und von diesem hart bekämpft wurde. Cerinthus lehrte, daß Jesus nur ein Mensch gewesen und daß die Göttlichkeit Christi erst bei der Taufe auf Jesus herabgekommen sei und ihn vor der Kreuzigung wieder verlassen habe.

Es läßt sich nicht mit letzter Sicherheit bestimmen, gegen welche falsche Lehre der Johannesbrief sich nun genau richtet. Die einzigen Belege liefert der Inhalt des Briefes selbst. Daraus geht eindeutig hervor, daß die "Antichristen", wie Johannes sie nennt, leugneten, daß Jesus der Christus ist ( 1Joh 2,22 ). Auch die Äußerungen in 1Joh 5,6 werden auf dem Hintergrund einer Lehre wie der des Cerinthus besonders einsichtig. Dagegen passen die autoritativen Aussagen in 1Joh 1,1-2 über die physische Realität der Inkarnation gut zu einer Doketismus-Abwehr. Schließlich fügt sich die Betonung der "Erkenntnis" Gottes in die Annahme, daß die bekämpften Häretiker für sich selbst eine besondere "Erkenntnis" in Anspruch nahmen, wie es die Gnostiker taten. Andererseits ist der Gnostizismus erst aus sehr viel späteren Quellen als dem 1. Johannesbrief bekannt. Außerdem fehlen in den Ausführungen des Briefes viele der Charakteristika des späteren gnostischen Denkens.

Wahrscheinlich ist es ein Fehler, überhaupt zu versuchen, ein bestimmtes häretisches System hinter den Angriffen des Briefes zu sehen. Nach den Worten seines Verfassers richtet er sich gegen "viele" falsche Lehrer ( 1Joh 2,18;4,1 ), und es ist nicht anzunehmen, daß sie alle genau dieselben Standpunkte vertraten. Die antike griechisch-römische Welt war ein Schmelztiegel der verschiedensten religiösen Richtungen, und es ist deshalb wahrscheinlich, daß auch die Adressaten des Johannesbriefes mit einer breiten Vielfalt von ihrer christlichen Einstellung abweichender Ideen konfrontiert waren. Alle Häretiker leugneten allerdings übereinstimmend bestimmte Aspekte der Person Christi, auch wenn ihre Kritik dabei möglicherweise an ganz verschiedenen Punkten ansetzte. Auf der Grundlage von 1Joh 2,19 läßt sich vermuten, daß sie hauptsächlich aus Judäa kamen (vgl. den Kommentar zu 1Joh 2,19 ). Doch abgesehen von diesen wenigen Indizien läßt sich kaum etwas über die Beschaffenheit der Häresie oder der Häresien, die Johannes zu seinem Brief veranlaßten, sagen.

Daß seine Leser wirklich Christen waren, wird aus 1Joh 2,12-14.21 sowie aus 1Joh 5,13 eindeutig klar. Der Hinweis auf die "Salbung" - d. h. den Heiligen Geist -, die sie besitzen ( 1Joh 2,20.27 ), läßt sich außerdem so verstehen, daß die Adressaten führende Positionen in der Gemeinde oder den Gemeinden, an die Johannes schrieb, innehatten. So wurden im Alten Testament die Führer Israels, Propheten, Priester und Könige, häufig für ihr Amt "gesalbt". 1Joh 2,20.27 beziehen sich demgegenüber zwar ganz deutlich auf eine Salbung, die allen Christen gilt, doch im übrigen Neuen Testament spielt diese Vorstellung kaum eine Rolle. Auch in 2Kor 1,21 gilt das Wort "gesalbt" lediglich dem apostolischen Amt des Paulus. Vielleicht versuchte der Verfasser des 1. Johannesbriefes in 1Joh 2,20.27 also nur, die Kompetenz und Autorität der Gemeindevorsteher auf dem Gebiet der geistlichen Erkenntnis hervorzuheben und damit auch ihre Autorität gegenüber den falschen Lehrern zu bekräftigen. Die Leiter der Gemeinden hatten es nicht nötig, von irgendwelchen menschlichen Lehrern unterwiesen zu werden, denn sie empfingen ihre Erkenntnis durch ihre "Salbung", d. h. durch den Heiligen Geist.

Auch dieser Punkt kann allerdings nicht mit dogmatischer Strenge vertreten werden. Zweifellos kannte Johannes die Leute, an die er schrieb. Selbst wenn er dabei hauptsächlich an die Gemeindevorsteher dachte, so war ihm doch klar, daß sein Brief vor der ganzen Gemeinde bzw. den Gemeinden verlesen würde, denn nur auf diese Weise konnte er seine Funktion, die Autorität der anerkannten Lehrer zu stützen, wirklich erfüllen. Dabei konnte die breitere Zuhörerschaft die für sie bestimmten Anweisungen des Briefes zur Kenntnis nehmen und wurde zugleich in ihrem Vertrauen auf die Leitung der geisterfüllten Gemeindevorsteher bestärkt. Eine der wichtigsten Aufgaben der Ältesten in der frühen Kirche war es, die "Herde" vor geistlichen "Wölfen" zu schützen ( Apg 20,28-29; Tit 1,10-11 ). Wenn die falschen Lehrer sich großartige geistliche Weisheit und Autorität anmaßten, so lag es für den unter der Führung des Heiligen Geistes stehenden Verfasser des 1. Johannesbriefes nahe, seinem Vertrauen auf die bestellten Kirchenleiter Ausdruck zu geben. Das würde ihre Position in ihrer Gemeinde bzw. ihren Gemeinden stärken und sie für den Kampf gegen einströmendes häretisches Gedankengut rüsten.

Man darf jedoch auch nicht übersehen, daß die Hinweise auf "Kinder", "Väter" und "junge Männer" (1. Joh2,12 - 14) auf Empfänger ganz verschiedener geistlicher Entwicklungsstufen deuten. Wenn man das ernst nehmen will, so kann man kaum annehmen, daß in erster Linie die Ältesten der Gemeinde die Adressaten des Briefes sind. Andererseits werden alle Leser mehrmals als "Kinder" angesprochen (z. B. 1Joh 2,1.18 ), so daß es auch denkbar wäre, daß die Begriffe in 1Joh 2,12-14 einfach verschiedene Anreden für dieselbe Gruppe sind, die dabei jeweils aus einem unterschiedlichen Blickwinkel angesprochen wird. (Zur weiteren Erörterung dieses Punktes vgl. den Kommentar zu den betreffenden Versen.)

Auf jeden Fall war der Brief letztlich als Warnung und Unterweisung für die gesamte ( n ) Gemeinde(n), an die er geschickt wurde, gerichtet. Die Wahrheiten, die er enthält, lassen sich darüber hinaus auf die Erfahrung eines jeden Christen anwenden.

 

Datierung Es gibt im Brief so gut wie keine Hinweise auf den Zeitpunkt seiner Abfassung. Nach Ansicht vieler konservativer Forscher entstand er gegen Ende des 1. Jahrhunderts, kurz nach dem 4. Evangelium. Andererseits läßt sich das Johannesevangelium ohne weiteres in eine Zeit vor dem Jahre 70 n. Chr. datieren. Wenn man von dieser Annahme ausgeht, so besteht kein Grund anzunehmen, daß der Johannesbrief nicht zur selben Zeit geschrieben wurde. Wird 2,19 als Hinweis darauf aufgefaßt, daß die falschen Lehrer aus palästinischen Gemeinden kamen, die der Oberaufsicht der Apostel unterstanden, dann könnte man davon ausgehen, daß die Auseinandersetzung in der Zeit vor den katastrophalen Auswirkungen des jüdischen Aufstands gegen die Römer im Jahre 66 bis 70 n. Chr. stattgefunden haben muß, denn nach diesem Ereignis muß der positive wie negative Einfluß der palästinischen Christenheit auf die Gemeinden der Heidenchristen stark abgenommen haben. Wenn 2,19 also tatsächlich auf Palästina deutet, wäre es durchaus denkbar, daß Johannes von Jerusalem aus schrieb, als er feststellte: "Sie sind von uns ausgegangen."

All diese Schlußfolgerungen bleiben letztlich spekulativ, können aber zusammengefaßt als Hinweis auf eine Datierung des Briefes in der Zeit zwischen 60 und 65 n. Chr. genommen werden. Man muß jedoch einräumen, daß auch ein früheres Abfassungsdatum denkbar wäre. Ungeachtet dieser Datierungsfragen vermittelt der Brief jedoch Wahrheiten von zeitlosem Wert für die christliche Kirche.

 

GLIEDERUNG

 

          Der 1.Johannesbrief ist äußerst schwer zu gliedern. Es sind bereits viele Versuche gemacht worden, das Schema des Briefes zu erfassen. Die folgende Gliederung bezieht ihre Rechtfertigung aus den Darlegungen des Kommentars.

 

I. Prolog ( 1,1-4 )

 

II. Einleitung: Grundgedanken ( 1,5-2,11 )

 

     A. Grundgedanken der Gemeinschaft ( 1,5-2,2 )

     B. Grundgedanken der Gotteserkenntnis ( 2,3-11 )

 

III. Der Zweck des Briefes ( 2,12-27 )

 

     A. Im Lichte der geistlichen Verfassung der leser ( 2,12-14 )

     B. Im Lichte der Verlockungen der Welt ( 2,15-17 )

     C. Im Lichte der Lügen der letzten Stunde ( 2,18-23 )

     D. Im Lichte der Ppflicht der Leser zur Standhaftigkeit ( 2,24-27 )

 

IV. Der Hauptteil des Briefes ( 2,28-4,19 )

 

     A. Exposition des Thems ( 2,28 )

     B. "Kinder Gottes" ( 2,29-3,10 a)

     C. Die brüderliche Liebe ( 3,10 b. 11-23 )

          1. Was die Liebe nicht ist ( 3,10 b. 11-15 )

          2. Was die Liebe ist ( 3,16-18 )

          3. Was die Liebe für die Gläubigen tut ( 3,19-23 )

 

     D. Der einwohnende Gott ( 3,24-4,16 )

          1. Der Geist der Wahrheit ( 3,24-4,6 )

          2. Der Gott der Liebe ( 4,7-16 )

 

     E. Ausführung des Themas ( 4,17-19 )

 

V. Schliß ( 4,20-5,17 )

 

     A. Die Wahrheit der Liebe ( 4,20-5,3 a)

     B. Die Kraft der liebe ( 5,3 b. 4-15 )

     C. Die Praxis der Liebe ( 5,16-17 )

 

VI. Epilog ( 5,18-21 )

 

AUSLEGUNG

 

I. Prolog

( 1,1-4 )

 

Die ersten vier Verse des Briefes bilden den Prolog. In diesen Zeilen bestätigt der Schreiber die mit allen Sinnen erfaßbare Wirklichkeit der Inkarnation Christi und schlägt den Bogen zum eigentlichen Thema seines Briefes, der Gemeinschaft der Christen mit Gott und der Freude, die diese Gemeinschaft für die Gläubigen bedeutet.

 

 

1Joh 1,1

Der Apostel macht klar, daß das, was von Anfang an war , Gegenstand seiner Ausführungen sein soll. Viele Ausleger haben diese Wendung dahingehend gedeutet, daß hier von einem absoluten Anbeginn, wie etwa in 1Mo 1,1 oder in Joh 1,1 ,die Rede ist. Das wäre zwar denkbar, doch angesichts der intensiven Beschäftigung des Briefes mit der ursprünglichen Botschaft von Jesus Christus scheint es plausibler, daß Johannes hier von den Anfängen der Verkündigung des Evangeliums spricht. Wenn dem so ist, hat der Begriff "Anfang" an dieser Stelle eine ähnliche Bedeutung wie in 1Joh 2,7.24 und 1Joh 3,11 .Der Verfasser möchte also deutlich machen, daß das, was er im folgenden zu sagen hat, jene Wahrheit über den Sohn Gottes ist, die schon die Apostel, mit denen er in direktem Kontakt stand, bezeugt haben. Indem er sich selbst diesen apostolischen Augenzeugen zurechnet, kennzeichnet der Autor seine Verkündigung als das, was wir gehört haben, was wir gesehen haben mit unsern Augen, was wir betrachtet haben und unsre Hände getastet haben.

Schon in diesen einleitenden Worten greift der Apostel die Häresie an, gegen die er mit seinem Schreiben zu Felde ziehen will. Die "Antichristen" brachten neue Ideen auf, die nichts mit dem zu tun hatten, was "von Anfang", d. h. vom Beginn der Ära des Evangeliums an, war. Ihrer Leugnung der Inkarnation Christi konnte er die Erfahrungen der Augenzeugen gegenüberstellen, deren Aussage auf dem basierte, was sie tatsächlich "gehört", "gesehen" und "betastet" hatten (vgl. "seht" und "faßt an" in Lk 24,39 ). Die Botschaft des Johannes gründet sich also fest auf eine historische Tatsache.

Die genaue Bedeutung der Wendung "vom Wort des Lebens" ist verschieden erklärt worden. Sie kann als Titel des Herrn aufgefaßt werden, wie er etwa in Joh 1,1.14 auftaucht. Allerdings hat dieser Titel dort keine Erweiterung ("des Lebens"). Es scheint deshalb dem Text gemäßer, die Wendung im Sinne von "Botschaft des Lebens" (vgl. Apg 5,20; Phil 2,16 ) zu verstehen. Wie 1Joh 1,2 zeigt, ist denn auch das Wort "Leben" und nicht etwa der Begriff "Wort" personifiziert eingesetzt. Johannes wollte also sagen, daß sein Brief von den ursprünglichen und sicher bezeugten Wahrheiten handeln wird, die die "Botschaft des Lebens" - d. h. die Botschaft über Gottes Sohn, der das Leben ist - betreffen (vgl. 1Joh 5,20 ).

 

1Joh 1,2

Das Leben , von dem die Apostel kündeten, ist in seinem tiefsten Wesen Person. Es ist nicht nur erschienen, sondern es ist das Leben, das ewig ist, das beim Vater war und den Menschen erschienen ist . Damit ist ganz zweifellos die Inkarnation gemeint.

 

1Joh 1,3

Es geht Johannes beim Schreiben über diese entscheidenden Dinge darum, daß auch ihr , die Leser, mit uns , den Aposteln, Gemeinschaft habt . Da aus einer späteren Stelle ( 1Joh 2,12-14 ) eindeutig hervorgeht, daß er sich in diesem Brief an Christen wendet, war es offensichtlich nicht sein Ziel, sie zu bekehren. Es ist eine gefährliche Fehlinterpretation, den Begriff "Gemeinschaft" an dieser Stelle so zu deuten, als sei damit nichts anderes gemeint als "Christ zu sein". Die Adressaten des Briefes waren bereits gerettet. Trotzdem brauchten sie die Worte des Apostels, um in einem wirklichen gemeinschaftlichen Austausch mit dem apostolischen Kreis zu stehen, dem der Verfasser des Briefes angehörte. Diese apostolische Gemeinschaft bedeutet zugleich Gemeinschaft ... mit dem Vater und mit seinem Sohn Jesus Christus .

Wahrscheinlich bestritten die falschen Lehrer, daß die Adressaten des Briefes das ewige Leben besaßen (vgl. den Kommentar zu 1Joh 2,25;5,13 ). Wenn das stimmte, und wenn die Leser an Gottes Zusagen zu zweifeln begannen, so war auch ihre Verbundenheit mit dem Vater und dem Sohn in Gefahr. Das heißt natürlich nicht, daß damit auch ihre Rettung bedroht war - als Gläubige konnten sie das Geschenk des Lebens, das Gott ihnen gegeben hatte, niemals verlieren (vgl. Joh 4,14; Joh 6,35.37-40 ). Doch ihre Gemeinschaft mit Gott wurzelte darin, daß sie "im Licht wandelten" ( 1Joh 1,7 ). Die verführerischen Worte der Antichristen aber zielten darauf ab, sie ins Dunkel zu locken. Welchen Reiz ihr verderblicher Ruf ausübte, wird im vorliegenden Brief besonders deutlich. Es ist Johannes deshalb ein Anliegen, seine Leser im Fundament ihres Glaubens so zu stärken, daß ihre Gemeinschaft mit Gott allen Belastungen standhält.

 

1Joh 1,4

 

Zum Schluß verleiht der Apostel seinem Prolog noch eine persönliche Note: Wenn sein Brief bei den Lesern das vorgegebene Ziel erreicht, so wird das ihm selbst (und den anderen Aposteln) ein Anlaß zur Freude sein. Und das schreiben wir, damit unsre Freude vollkommen sei. Dieser Satz gleicht der Aussage in 3Joh 1,4 : "Ich habe keine größere Freude als die, zu hören, daß meine Kinder in der Wahrheit leben." Die Apostel hatten das Anliegen Christi so sehr zu ihrem eigenen gemacht, daß ihr Glück untrennbar mit dem geistlichen Wohlergehen jener verbunden war, denen sie dienten. Wenn die Leser des 1. Johannesbriefes ihre Gemeinschaft mit Gott und mit den Aposteln beibehalten können, so wird keiner glücklicher darüber sein als Johannes selbst.

 

II. Einleitung: Grundgedanken

( 1,5 - 2,11 )

 

Da der Gedanke der Gemeinschaft ein zentraler Punkt des 1. Johannesbriefes ist, ist es für den Verfasser selbstverständlich, mit seinen Ausführungen bei diesem Punkt anzusetzen. In 1Joh 1,5-2,11 legt er deshalb bestimmte Grundgedanken, die das Fundament einer wahren Beziehung zu Gott bilden, dar. Diese Prinzipien sind von größtem praktischen Wert für das Alltagsleben aller Christen, die daran die Echtheit ihrer eigenen Verbundenheit mit Gott messen und feststellen können, wie weit sie den Gott, mit dem sie Gemeinschaft haben, überhaupt kennen.

 

 

A. Grundgedanken der Gemeinschaft

( 1,5 - 2,2 )

 

1Joh 1,5

 

In seinem Prolog kündigt der Verfasser des Briefes an, daß er über Dinge schreiben will, die er gehört, gesehen und angefaßt hat. Er beginnt mit dem, was er gehört hat: Und das ist die Botschaft, die wir von ihm gehört haben und euch verkündigen . Mit "ihm" ist zweifellos der Herr Jesus Christus gemeint, von dessen Menschwerdung der Apostel in Vers 1.2 sprach. Der Inhalt der bewußten "Botschaft" lautet: Gott ist Licht, und in ihm ist keine Finsternis . Diese Aussage findet sich zwar nicht unter den überlieferten Herrenworten, doch Johannes war ein Apostel und Augenzeuge und hörte sicherlich weit mehr, als schließlich "aufgeschrieben" wurde (vgl. Joh 21,25 ). Es besteht deshalb kein Grund, seine Worte zu bezweifeln oder ihnen eine andere Deutung unterzuschieben. Johannes hatte diese Worte vom Herrn gehört.

Johannes beschrieb Gott häufig als "Licht" ( Joh 1,4-5.7-9;3,19-21;8,12;9,5;12,35-36.46; Offb 21,23 ). Er dachte dabei wohl an Gott als den Offenbarer seiner Heiligkeit. Beide Aspekte der göttlichen Natur spielen in der Auseinandersetzung mit Sünde und Gemeinschaft in 1Joh 1,6-10 eine Rolle. Als das "Licht" macht Gott die Sünden der Menschen sichtbar und verurteilt sie zugleich. Wenn jemand im Dunkel agiert, so versteckt er sich vor der Wahrheit, die das Licht enthüllt (vgl. Joh 3,19-20 ). Offenbarungsbegriffe wie "die Wahrheit" und "sein Wort" kehren in 1Joh 1,6.8.10 wieder.

Wichtig ist, daß Johannes dieselbe Botschaft, die er gehört hat, an seine Leser weitergeben will ("die wir ... euch verkündigen"). Manche Exegeten gehen davon aus, daß die "Lügen", die in Vers 6.8.10 verworfen werden, von den falschen Lehrern oder Antichristen stammten, mit denen sich Johannes im weiteren Verlauf des Briefes auseinandersetzt, doch das läßt sich nicht beweisen. Der Apostel bleibt weiterhin bei der "wir"-Form, als ob er sowohl für sich selbst als auch für seine ganze Leserschaft spräche. Bei genauerer Betrachtung fällt auf, daß die falschen Behauptungen, die Johannes hier zurückweist, tatsächlich sehr gut von Christen kommen könnten, die den Kontakt zur geistlichen Wirklichkeit und zu Gott verloren haben. Von daher gibt es keine angemessene exegetische Basis für die Annahme, die Verse 6 - 10 richteten sich gegen die Doktrinen der Häretiker.

 

1Joh 1,6

 

Da "Gott Licht ist", kann ein Christ, solange er im Dunkel lebt, nicht wirklich die Gemeinschaft mit ihm wollen. Johannes betont denn auch: Wenn wir sagen, daß wir Gemeinschaft mit ihm haben, und wandeln in der Finsternis, so lügen wir und tun nicht die Wahrheit . Johannes wußte wie jeder einfühlsame Gemeindehirte, daß Christen manchmal Frömmigkeit heucheln, während sie gleichzeitig die Gebote ihres Glaubens verletzen. Als der Apostel Paulus es in der Gemeinde von Korinth mit einem Fall von Inzest zu tun hatte ( 1Kor 5,1-5 ), stellte er eine Liste von bestimmten Vergehen auf, für die die Gemeindemitglieder mit der Kirchendisziplin bestraft werden sollten ( 1Kor 5,9-13 ). Derartige Vergehen unter dem Deckmantel der Frömmigkeit und der engen Gemeinschaft mit Gott sind eine traurige Realität in der ganzen Geschichte der Christenheit.

Ein Christ, der behauptet, mit Gott (der "Licht ist") verbunden zu sein, ihm aber nicht gehorcht (indem er "in der Finsternis" wandelt), lügt (vgl. 1Joh 2,4 ). Zehnmal gebraucht Johannes in seinen Schriften den Begriff "Finsternis" für die Sünde ( Joh 1,5;3,19;12,35 [zweimal]; 1Joh 1,5-6;2,8-9.11 [zweimal]).

1Joh 1,7

 

Es gibt nur eine Sphäre, in der es wirklich zur Gemeinschaft mit Gott kommen kann - das Licht. Deshalb betont der Apostel ausdrücklich: Wenn wir aber im Licht wandeln, wie er im Licht ist, so haben wir Gemeinschaft untereinander . Seltsamerweise haben viele Exegeten das Wort "untereinander" als einen Hinweis auf die Verbundenheit mit anderen Christen verstanden. Doch darum geht es in diesem Zusammenhang nicht. Das griechische Pronomen allElOn kann sich auf die beiden Partner, die in der ersten Hälfte des Satzes genannt werden, beziehen: auf Gott und den Christen. Worauf Johannes hinaus will, ist, daß eine wechselseitige Beziehung zwischen Gott und den Christen möglich ist. Wenn sie ebenfalls im Licht leben, wo Gott ist, haben sie Gemeinschaft mit ihm und er mit ihnen. Das Licht ist die fundamentale Realität, der sie beide angehören. Die echte Kommunion mit Gott besteht also in einem Leben in dem Bereich, wo die eigene Erfahrung von der Wahrheit dessen, was Gott ist, erleuchtet wird - einem Leben, das offen ist für seine Offenbarung in Jesus Christus. Wie Johannes kurz darauf feststellt (V. 9 ), gehört dazu auch, daß die Gläubigen alles bekennen, was das Licht in ihrem Leben Falsches enthüllt.

Es ist wichtig, sich klarzumachen, daß Johannes hier davon spricht, im Licht zu leben und nicht gemäß oder in Übereinstimmung mit dem Licht. Ein Leben in Übereinstimmung mit dem Licht würde sündlose Vollkommenheit verlangen und damit den sündigen Menschen die Gemeinschaft mit Gott unmöglich machen. Im Licht zu leben bedeutet dagegen lediglich Offenheit und Empfänglichkeit für das Licht. Der Apostel stellt sich die Christen, auch wenn sie im Licht wandeln, keineswegs sündlos vor. Das zeigt der Schluß des Verses ganz deutlich, wo er ausdrücklich hinzufügt, daß das Blut Jesu, seines Sohnes ... uns von aller Sünde reinigt. Grammatikalisch gesehen ist diese Wendung der vorangehenden "so haben wir Gemeinschaft untereinander" beigeordnet. Die Gesamtaussage von Vers 7 hält damit zwei Aspekte fest, die für Gläubige, die im Licht wandeln, gelten: (a) Sie haben Gemeinschaft mit Gott, und (b) sie werden von aller Sünde rein gemacht. Solange er sich dem Licht der göttlichen Wahrheit aussetzt, stehen alle Verfehlungen des Christen unter der reinigenden Kraft des Blutes Christi. Allein aufgrund der Erlösungstat des Heilandes am Kreuz gibt es Gemeinschaft zwischen den unvollkommenen Geschöpfen und ihrem vollkommenen Schöpfer.

 

1Joh 1,8

 

In dem Moment, in dem ein Gläubiger wahre Gemeinschaft mit Gott erfährt, ist er jedoch auch schon in Gefahr, zu denken oder zu sagen, daß er - zumindest für diesen Augenblick - ohne Sünde sei. Vor dieser Selbsttäuschung warnt der Apostel. Wenn wir sagen, wir haben keine Sünde, so betrügen wir uns selbst, und die Wahrheit ist nicht in uns (vgl. V. 6 ; 1Joh 2,4 ). Wenn die Christen recht begreifen, was Gottes Wort über die Verderbtheit des menschlichen Herzens lehrt, dann wissen sie, daß die Tatsache, daß sie sich ihrer Sünde nicht bewußt sind, noch lange nicht bedeutet, daß sie auch wirklich frei von ihr sind. Wenn jedoch die Wahrheit "in" ihnen ist als eine steuernde, motivierende Macht, dann kann es gar nicht erst zu einer solchen Selbsttäuschung kommen. Ganz gleich, ob jemand sich kurzzeitig oder dauernd für sündlos hält - er hat unrecht.

 

1Joh 1,9

 

Deshalb sollen Christen immer bereit sein, die Fehler zu bekennen, die Gottes Licht ihnen zeigt. Denn, wie Johannes schreibt: Wenn wir aber unsere Sünden bekennen, so ist er treu und gerecht, daß er uns die Sünden vergibt und reinigt uns von aller Ungerechtigkeit. Der Artikel in der Wendung tas hamartias bezieht sich ganz eindeutig auf die vorstehende Wendung "unsere Sünden" zurück. Es besteht also ein gewisser Unterschied zwischen dieser Formulierung ("die Sünden") und der nachfolgenden Wendung "aller Ungerechtigkeit". Man könnte den Gedankengang des Apostels vielleicht so wiedergeben: "Wenn wir unsere Sünden bekennen, wird er ... uns die Sünden, die wir bekennen, vergeben und uns darüber hinaus auch von aller anderen Ungerechtigkeit reinigen." Natürlich kennt nur Gott zu jedem Zeitpunkt das volle Ausmaß der Ungerechtigkeit eines Menschen. Ein Christ ist jedoch verpflichtet "anzuerkennen" oder "zuzugestehen"(das ist die eigentliche Bedeutung von "bekennen", homologOmen ; vgl. 1Joh 2,23;4,3 ), was immer das Licht ihm bewußt macht, und wenn er dies tut, so ist ihm eine vollkommene Reinigung sicher. Er hat es also nicht nötig, sich über Sünden zu grämen, die ihm nicht bewußt sind.

Es ist tröstlich zu erfahren, daß die hier verheißene Vergebung absolut gewiß ist (denn Gott "ist treu") und der Heiligkeit Gottes nicht widerspricht (er ist "gerecht"). Das Wort für "gerecht", dikaios , ist in 1Joh 2,1 ein Messiastitel ("der gerecht ist") und steht in 1Joh 2,29 und 1Joh 3,7 für Gott (den Vater wie den Sohn). Offensichtlich entspricht es der "Gerechtigkeit" Gottes, wenn er dem Gläubigen aufgrund des "Sühneopfers", das der Herr Jesus dargebracht hat, seine Sünden vergibt (vgl. 1Joh 2,2 ). Wie bereits aus 1Joh 1,7 hervorging, ist die Gemeinschaft des Christen mit Gott untrennbar mit der Wirkung des Blutes verbunden, das Jesus für ihn vergossen hat.

In neuerer Zeit wurde manchmal in Abrede gestellt, daß die Christen ihre Sünden bekennen und um Vergebung bitten müssen. Es wurde gesagt, daß ein Gläubiger der Vergebung in Christus bereits teilhaftig ist ( Eph 1,7 ). Diese Sichtweise verwechselt jedoch die Vollkommenheit, die ein Christ in Gottes Sohn (durch den er sogar "mit eingesetzt (ist) im Himmel"; Eph 2,6 ) hat, mit seinen Bedürfnissen als fehlbarer irdischer Mensch. Die Vergebung, von der in 1Joh 1,9 die Rede ist, ist eine Vergebung "in der Familie". Es ist nichts Außergewöhnliches, daß ein Sohn seinen Vater für seine Fehler um Verzeihung bittet; seine Stellung innerhalb der Familie ist damit auch nicht im leisesten gefährdet. Ein Christ, der seinen himmlischen Vater niemals um Verzeihung für seine Sünden bittet, kann kaum ein Gespür dafür entwickeln, durch welche Dinge er diesem Vater Kummer bereitet. Außerdem lehrte Jesus selbst seine Jünger, in einem Gebet um die Vergebung ihrer Sünden zu bitten, das offensichtlich für den täglichen Gebrauch bestimmt war (vgl. "unser tägliches Brot gib uns heute" vor "und vergib uns unsere Schuld"; Mt 6,11-12 ). Es ist deshalb ein Irrtum, daß Christen Gott nicht jeden Tag um Vergebung bitten sollen. Ganz abgesehen davon ist das Sündenbekenntnis bei Johannes nirgends mit der Erlangung des ewigen Lebens verbunden, die grundsätzlich vom Glauben abhängt. Der Satz in 1Joh 1,9 richtet sich also nicht an diejenigen, die noch nicht gerettet sind, und jeder Versuch, ihn in eine soteriologische Aussage umzudeuten, führt in die Irre.

Wenn der Gedanke des Wandelns im Licht oder in der Finsternis richtig verstanden wird und Eingang in die Erfahrung findet, bieten beide Begriffe ohnehin keine Schwierigkeit mehr. "Finsternis" hat eine ethische Konnotation. Wenn ein Gläubiger den persönlichen Kontakt zu dem Gott des Lichtes verliert, fällt er in die Dunkelheit zurück. Ein freies Sündenbekenntnis aber kann ihn wieder ins Licht führen.

 

1Joh 1,10

 

Ein Gläubiger, der sündigt, darf seine Sünde niemals leugnen. Wenn wir sagen, wir haben nicht gesündigt, so machen wir ihn zum Lügner, und sein Wort ist nicht in uns . Diese Feststellung sollte in direktem Zusammenhang mit Vers 9 gelesen werden. Wenn ein Sünder durch Gottes Wort mit seiner eigenen Sündhaftigkeit konfrontiert wird, dann soll er sie eingestehen und nicht abstreiten. Seine persönlichen Sünden angesichts Gottes gegenteiliger Aussage zu leugnen hieße, Gott "zum Lügner zu machen". Wer aber dem Wort Gottes widerspricht, verwirft es und räumt ihm nicht den rechten Stellenwert in seinem Leben ein.