
Das bringt das Sonnenvitamin wirklich
Ist Vitamin D ein Alleskönner? Oder wird seine Wirkung überschätzt? Eine
Studie unter Schweizer Leitung hat sich mit dem Nutzen für Senioren
befasst. Die Resultate überraschen.
In der aufwendigen Studie «Do-Health» brachte Vitamin D bei
gesunden Personen über 70 Jahre keine Vorteile für das
Knochenbruchrisiko, die Muskeln und das Gedächtnis.
Schon lange werden grosse Hoffnungen in das vermeintliche Allheilmittel
Vitamin D gesetzt. Tatsächlich haben Laborversuche und Studien mit
kleinen Patientenzahlen vielversprechende Resultate geliefert. Doch
liessen sich diese in grossen Untersuchungen mit Kontrollgruppe kaum je
bestätigen. Inzwischen ist der potenzielle Nutzen sehr überschaubar
geworden. Das Sonnenvitamin, das vor allem der Körper in unseren
Breitengraden im Sommer mithilfe von Licht produziert, verliert seinen
Nimbus.
Dazu trägt nun auch die aufwendige europäische Studie «Do-Health» unter
der Leitung der Zürcher Altersmedizinerin Heike Bischoff-Ferrari bei,
die soeben in der Fachzeitschrift «Jama» erschienen ist. Demnach bringt
Vitamin D bei gesunden Personen über 70 Jahre keine Vorteile für das
Knochenbruchrisiko, die Muskeln und das Gedächtnis. Die 2157 Teilnehmer
wurden während drei Jahren an sieben Studienzentren in der Schweiz,
Deutschland, Österreich, Frankreich und Portugal jährlich eingehend
untersucht und zusätzlich alle drei Monate am Telefon befragt. Rund die
Hälfte hatte dabei gemäss offiziellen Empfehlungen einen
Vitamin-D-Mangel.
Ein gewisser Schutz vor Infektionen
Neben
der täglichen Einnahme von 2000 Internationalen Einheiten (IE) Vitamin
D3 brachten auch ein Gramm Omega-3-Fettsäuren pro Tag und/oder ein
einfaches Krafttraining zu Hause nicht den erhofften Vorteil im
Vergleich zur Kontrollgruppe. «Unsere Studienteilnehmer waren gesünder
und sportlich aktiver als erwartet», sagt die Studienleiterin
Bischoff-Ferrari, Professorin für Geriatrie und Altersforschung der
Universität Zürich und Klinikdirektorin am Universitätsspital Zürich.
Sie war überrascht, dass es in der Kontrollgruppe nicht zu mehr
Knochenbrüchen kam. Immerhin: Die Omega-3-Fettsäuren verringerten das
Risiko von Infekten um rund 10 Prozent; Vitamin D senkte den Blutdruck
bei Männern moderat (2,5 mmHg) sowie das Infektionsrisiko bei den 70-
bis 74-Jährigen (16 Prozent).
Bereits im vergangenen Jahr fand eine grosse Studie in den USA, dass
Vitamin D und Omega-3-Fettsäuren das Risiko für Krebs und alle
Herz-Kreislauf-Ereignisse bei 50-Jährigen nicht reduzieren können.
Andere positive Wirkungen, die Vitamin D zugeschrieben werden, bleiben
ebenfalls fraglich. Diabetes, Depression, Schizophrenie,
Fruchtbarkeitsprobleme, Testosteronmangel, Übergewicht: «Für diese
Erkrankungen gibt es bisher keine ausreichenden Belege für einen Nutzen
von Vitamin D», bestätigt Bischoff-Ferrari.
Vitamin D gegen das Coronavirus?
Die
Schweizerische Gesellschaft für Ernährung (SGE) empfiehlt derzeit
zusätzliches Vitamin D für Personen ab 65 Jahren, Schwangere und
stillende Frauen sowie Säuglinge und Kleinkinder. Die Einnahme von
Supplementen soll jedoch immer mit der Ärztin oder dem Arzt abgesprochen
werden, so die SGE. Diese Empfehlungen seien nicht infrage gestellt,
sagt Bischoff-Ferrari.
Bleibt die Frage, inwieweit bei Vitamin D überhaupt noch von Mangel
gesprochen werden kann, wenn tiefere Werte zu keinen gesundheitlichen
Beeinträchtigungen führen.
Für die
Normalbevölkerung bleibt letztlich noch ein allfälliger leichter Schutz
vor Infektionen als möglicher Nutzen. Dieser zeigt sich nicht nur in der
«Do-Health»-Studie, sondern auch eine Metaanalyse von 25 Studien deutet
darauf hin. Bischoff-Ferrari findet deshalb, dass während der aktuellen
Pandemie der Ausgleich eines Vitamin-D-Mangels sinnvoll ist. Die SGE hat
eine entsprechende Empfehlung kürzlich
wieder zurückgenommen.
Bleibt
die Frage, inwieweit bei Vitamin D überhaupt noch von Mangel gesprochen
werden kann, wenn tiefere Werte zu keinen gesundheitlichen
Beeinträchtigungen führen. «Die Diskussion läuft derzeit», sagt die
Altersforscherin. Nach heutigen Grenzwerten (20 Nanogramm Vitamin D pro
Milliliter), wie sie beispielsweise die SGE empfiehlt, hätte hierzulande
rund die Hälfte der Bevölkerung am Ende des Winters das gespeicherte
Vitamin D aufgebraucht und einen Mangel. Die Richtwerte von 2011
basieren auf biochemischen Parametern, die unter Fachleuten schon länger
kontrovers diskutiert werden.
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"Immerhin: Die Omega-3-Fettsäuren verringerten das Risiko von Infekten um rund 10 Prozent;
Vitamin D senkte den Blutdruck bei Männern moderat (2,5 mmHg)
sowie das Infektionsrisiko bei den 70- bis 74-Jährigen (16 Prozent)." Ein super Resultat!
Übrigens:
Frau Prof. Bischoff-Ferrari ist absolut vertrauenswürdig, das kann ich versprechen!