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DIDACHE
Die Didache, so der kurz gefasste Titel der
»Lehre des Herrn für die Nationen durch die
zwölf Apostel«, war ein Erziehungshandbuch
für die Nationen, das sich mit Fragen der
Moral, der Liturgie und des Gemeindelebens
befasst. Die Entdeckung dieses ältesten
Handbuchs zur Gemeindeordnung und zum
Benehmen im Jahr 1873 verursachte eine Flut
gelehrter Debatten und Auseinandersetzungen.
Aber bis heute ist der Autor (oder
Bearbeiter) unbekannt geblieben und auch
über den Ort der Abfassung (Syrien,
Palästina oder Ägypten) kann nur spekuliert
werden. Die Zeit der Abfassung wird auf
einen Zeitraum zwischen den Jahren 60 und 90
n.Chr. geschätzt. Das vielleicht älteste
noch vorhandene nichtkanonische Dokument
könnte verfasst worden sein, noch ehe der
Apostel Johannes zu schreiben aufhörte. Es
bietet uns daher Belege für Ansichten und
Vorstellungen, die in der frühesten Zeit der
Kirche geglaubt und gelehrt wurden.
Durch auslegende Vorgehensweise versuchte
der Autor der Didache den mit der Materie
nicht Vertrauten die Grundgebote und
-praktiken des christlichen Glaubens ohne
Übertreibungen oder Phantasiegebilde
vorzustellen. Der krasse Allegorismus, den
man in anderen Werken dieser Art findet, wie
etwa dem
Barnabasbrief
und der Schrift
Hirte des Hermas
, fehlt in der Didache
erstaunlicherweise völlig. Prophetische
Passagen werden in direkter, unkomplizierter
Art ausgelegt, frei von jeder vergeistigten
Spekulation.
Die Didache ist eines der besten frühen
Beispiele für außerbiblische Lehre über das
zweite Kommen Christi und die damit in
Verbindung stehenden Ereignisse. Eine der
wichtigsten eschatologischen Annahmen in
diesem Werk ist das des baldigen
Bevorstehens. Der Schreiber der Didache
rechnet jeden Augenblick mit dem möglichen
Erscheinen des Herrn und drängt deswegen auf
die Wachsamkeit der Gläubigen (Did 10,6;
16,1-2; vgl.
1Kor 16,22 und
Offb 22,20 ), auf regelmäßige
Gemeinschaft und auf gegenseitige Erbauung,
um den Angriffen der »Verführer und falschen
Propheten« in der letzten Zeit
entgegenzutreten (Did 16,2-3).
Die Didache legt die vollständigste
Darstellung der kommenden Ereignisse in den
Schriften der frühen Kirchenväter dieser
Zeit vor. Der Autor legt dar, nach dem
Auftreten der vielen falschen Propheten und
Verführer werde der »Weltbetrüger« kommen
und feurige Prüfungen über die ganze
Menschheit bringen. Dadurch würden viele
straucheln und umkommen, »aber jene, die im
Glauben durchhalten, würden unter dem Fluch
hinweg gerettet werden« (Did 16,3-5).
Der Zeit des Antichristen wird nach den
Worten des Autors der Didache die
Offenbarung von drei Zeichen der Wahrheit
folgen. Das letzte dieser Zeichen wird die
»Auferstehung der Toten sein, aber nicht von
allen, denn es ist gesagt: Der Herr wird
kommen, und all seine Heiligen mit ihm [
Sach 14,5 ]« (Did 16,8). Obwohl es nicht
ausdrücklich gesagt wird, scheint die
Gesellschaft »all seiner Heiligen« die
Gesamtheit der Gläubigen des
Gemeinde-Zeitalters zu beinhalten;
Auferstehung und Entrückung sind bereits
vorüber. Schließlich wird die ganze Welt die
Ankunft des Herrn »auf den Wolken des
Himmels« miterleben (Did 16,6-8). Die
Parallelstelle in den »Constitutiones der
Heiligen Apostel« (entstanden zwischen dem
frühen dritten und der Mitte des vierten
Jahrhunderts) findet sich im Kapitel 32. Der
Bearbeiter scheint die Didache als Quelle
verwendet zu haben. Im Kapitel 32 fügt er
Hinweise auf ein Jüngstes Gericht und auf
die darauf folgende Ewigkeit hinzu.
Wie viele andere Autoren unter den frühen
Kirchenvätern glaubte der Schreiber des
Didache an einen bevorstehenden Zeitpunkt
innerhalb der Trübsalszeit, in der er die
zeitgenössische Verfolgung einordnete und so
mit den Ereignissen der letzten Trübsal
verwechselte. Christus, so glaubte man,
werde plötzlich inmitten der römischen
Verfolgung erscheinen, um die Heiligen
aufzuerwecken und zu entrücken. So werde das
Tausendjährige Reich eingeläutet.
Es gibt keine direkte Aussage hinsichtlich
des Tausendjährigen Reichs in der Didache.
Es ist sehr gut möglich, dass das Buch der
Offenbarung zum Zeitpunkt der Abfassung des
Didache noch nicht geschrieben war. Daher
ist es höchst wahrscheinlich, dass die
Didache eher auf Paulinischer Eschatologie
aufbaut als auf der des Johannes. Eine ganze
Reihe der frühen Kirchenväter spricht nur
von der Tatsache einer Auferstehung aller
Menschen aus den Toten. Der verblüffende
Hinweis des Autors der Didache auf »die
Auferstehung der Toten;
aber nicht alle
r« legt ein Verständnis
der mehrstufigen Natur des göttlichen
Auferstehungsprogramms nahe -
konsequenterweise in Verbindung mit einem
dazwischen eingeschobenen tausendjährigen
Zeitalter.
Larry V. Crutchfield
L.Crutchfield,
The Blessed Hope and the Tribulation in the
Apostolic Fathers
in:
When the Trumpet Sounds
, hrsg. von
Thomas Ice und Timothy Demy, S. 85-103
(Eugene, Oregon: Harvest House, 1995); J.
Quasten und J. C. Plumpe,
Ancient Christian Writers: The Didache, The
Epistle of Barnabas, The Epistles and The
Martyrdom of St. Polycarp, The Fragments of
Papias, The Epistle to Diognetu
s; (New
York: Newman Press, 1946), Bd. 6, S. 2- 25;
A. Roberts und J. Donaldson (Hrsg.),
The Ante-Nicene
, Bd. 7, S. 369-387
(Grand Rapids: Eerdmans, o.J.).
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