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Dispensationalismus

DISPENSATIONALISMUS

Das Wort »Dispensation« ist eingedeutscht aus dem lateinischen dispensatio, das in der Vulgata verwendet wird, um das griechische Wort oikonomia zu übersetzen. Das lateinische Wort bedeutet »abwiegen« oder »verteilen, dosieren«. Mit der Bedeutung des Begriffs Dispensation sind drei grundsätzliche Vorstellungen verbunden: (1) der Vorgang des Verteilens oder Gliederns, (2) der Vorgang des Verwaltens, Ordnens oder Bewirtschaftens; ein System, mittels dessen die Dinge verwaltet werden und (3) der Vorgang des Verteilens (oder Dosierens) nach bestimmten Voraussetzungen. Untersuchen wir weiter, wie das Wort gebraucht wird, dann finden wir im englischen Oxford-Wörterbuch die Erklärung, eine Dispensation ist »eine Stufe in der fortschreitenden Offenbarung, ausdrücklich den Bedürfnissen eines einzelnen Volkes oder einem bestimmten Zeitraum angepasst ... Auch das Zeitalter oder der Zeitraum, während derer ein bestimmtes System überwogen hat.«

Das griechische Wort oikonomia kommt von einem Verb, das die Bedeutungen »managen«, »regeln«, »verwalten« und »planen« vermittelt. Das Wort selbst ist zusammengesetzt, seine einzelnen Teile bedeuten wörtlich »teilen«, »aufteilen/aufschlüsseln«, »die Angelegenheiten eines bewohnten Hauses managen oder verwalten«. In den Papyri wurde der Beamte (oikonomos), der einen Haushalt verwaltete, als Haushofmeister oder Verwalter eines Besitzes beschrieben, oder als Schatzmeister. Daher ist die zentrale Vorstellung in dem Wort Dispensation die der Verwaltung oder Beaufsichtigung der Angelegenheiten eines Haushalts.

Im Neuen Testament wird das Wort Dispensation in verschiedenen Formen zwanzigmal gebraucht. Das Verb oikonomeo kommt einmal in Lk 16,2 vor, wo es mit »ein Verwalter sein« übersetzt wird. Das Substantiv oikonomos erscheint zehnmal ( Lk 12,42; 16,1.3.8; Röm 16,23; 1Kor 4,1.2; Gal 4,2; Tit 1,7; 1Petr 4,10 ) und wird dort üblicherweise mit »Verwalter« oder »Aufseher« übersetzt (aber als »Schatzmeister« in Röm 16,23 ). Das Substantiv oikonomia kommt neunmal vor ( Lk 16,2.3.4; 1Kor 9,17; Eph 1,10; 3,2.9; Kol 1,25; 1Tim 1,4 ). Es wird an diesen Stellen unterschiedlich übersetzt, mit »Verwaltung«, »Haushalt«, »Haushalterschaft«.

 

Theologisches System

Die Dispensationalistische Theologie ist ein System, das zwei grundlegende Vorstellungen verkörpert: (1) Die Gemeinde muss von Israel unterschieden werden und (2) Gottes allumfassendes Ziel ist es, sich selbst zu verherrlichen ( Eph 1,6.12.14 ).

Die Gemeinde ist aus zwei Gründen von Israel zu unterscheiden. Der erste liegt in ihrem unterschiedlichen Wesen. Im Alten Testament handelte Gott hauptsächlich mit dem Volk Israel, das aus den Nachkommen Abrahams durch Isaak und Jakob bestand. Die Gemeinde andererseits besteht aus gläubigen Juden und Nichtjuden, die in den Leib Christi hineingetauft wurden ( 1Kor 12,13 ) und denen der Heilige Geist innewohnt. Außerdem gibt es eine zeitliche Unterscheidung zwischen der Gemeinde und Israel. Das Gemeindezeitalter begann nach der Auferstehung Jesu Christi ( Eph 1,20-22 ) und seiner Himmelfahrt ( Eph 4,7-12 ). Da folglich alle Gläubigen dieses Zeitalters in den Leib Christi hineingetauft wurden ( 1Kor 12,13 ), begann das Gemeindezeitalter mit der Taufe des Heiligen Geistes am Tag der Pfingsten ( Apg 2; 11,15-16 ).

Die Gemeinde ist ein Geheimnis, das den vorangegangenen Generationen nicht offenbart wurde ( Eph 3,3-5.9; Kol 1,26-27 ). Dieses Geheimnis, jetzt offenbar, beinhaltet die Vereinigung jüdischer und nichtjüdischer Gläubiger, die alle Christus in sich tragen, und die künftige Entrückung dieses vereinigten Leibes ( 1Kor 15,50-58 ).

Diese Unterscheidung zwischen Israel und der Gemeinde ist die Folge der historisch- grammatikalischen Auslegung. Wörtliche Auslegung wird nicht ausschließlich von Dispensationalisten angewandt, wohl aber ihre konsequente Anwendung in allen Bereichen biblischer Auslegung.

Die zweite grundlegende Vorstellung ist die, dass es Gottes Ziel ist, sich selbst zu verherrlichen. In der Heiligen Schrift steht nicht der Mensch im Mittelpunkt, obwohl das Heil das wichtigste Thema darstellt. Die Bibel ist vielmehr auf Gott als zentrale Figur ausgerichtet, weil seine Verherrlichung im Mittelpunkt steht. Die Verherrlichung Gottes ist das wichtigste biblische Prinzip, das alle Heilszeiten auf ein Ziel hin ausrichtet. Der Heilsplan ist nur eines der Mittel, durch die sich Gott selbst verherrlicht. Jede fortlaufende Offenbarung im Plan Gottes für die Zeitalter und jedes Handeln Gottes mit den Auserwählten, den nicht Erwählten, den Engeln und den Nationen bekunden seine Herrlichkeit.

 

Hermeneutik

Die Grundlage der dispensationalistischen Hermeneutik ist die wörtliche Auslegung, die jedem biblischen Wort die Bedeutung zumisst, die es in seinem normalen sprachlichen Gebrauch transportiert. Das nennt man auch die grammatikalischhistorische Methode der Auslegung. Dieses Prinzip basiert auf der normalen Bedeutung der Worte als Mittel zu deren Verständnis. Sie ist auch bekannt unter dem Begriff einfache Auslegung , weil sie Symbole, Sprachbilder und Typen nicht von der Auslegung ausschließt. Diese werden ganz schlicht ausgelegt, um dem Leser ihre beabsichtigte Bedeutung zu vermitteln. Symbole, Sprachbilder und Typen sind normale literarische Werkzeuge, die verwendet werden, um Gedanken und Vorstellungen zu verdeutlichen oder zu betonen.

Dieser Standpunkt wird folgendermaßen untermauert:

1. Gott schuf die Sprache, um mit der Menschheit zu kommunizieren. Deshalb spricht Gott auch auf verständliche Weist zu uns - wörtlich und normal. Gott hat viele Anstrengungen unternommen, um sich den Menschen zu offenbaren, also ist es unwahrscheinlich, dass seine Offenbarung die Menschen nur verwirrt und in ihrem Verständnis darüber verunsichert, wer Gott ist und wie er wirkt.

2. Die alttestamentlichen Prophetien hinsichtlich Christi Geburt und Erziehung, seines Dienstes, seines Todes und seiner Auferstehung wurden samt und sonders wörtlich erfüllt.

3. Die wörtliche Auslegungsmethode muss angewandt werden, um sachlich bleiben zu können. Damit wird Unvoreingenommenheit sichergestellt und der Ausleger davor bewahrt, biblische Wahrheiten mit seinen eigenen Gedanken zu vermischen.

Normativer Dispensationalismus ist also das Ergebnis der konsequenten Anwendung des grundlegenden hermeneutischen Prinzips der wörtlichen Auslegung. Diesen Anspruch kann kein anderes theologisches System für sich selbst erheben.

Wörtliche Auslegung führt dazu, dass der biblische Text mit seinem Nominalwert akzeptiert wird. Das beinhaltet die Anerkennung von Unterscheidungen, die die Bibel trifft. Der bei seinem Nominalwert erfasste Text und die Anerkennung von Unterscheidungen im Fortgang der Offenbarung fördert die unterschiedlichen Haushaltungen Gottes zutage, die er zur Wirksamkeit seines Planes verwendet. Das konsequent angewandte hermeneutische Prinzip der einfachen oder wörtlichen Auslegung ist die Grundlage des Dispensationalismus.

Seine Gegner sagen, der Dispensationalismus unterteile die Bibel mit dem Effekt, ihre Einheit zu zerstören. Nichts könnte der Wahrheit ferner liegen. C. I. Scofield fand sieben Beweise dafür, dass die Bibel ein einheitliches Buch ist: (1) von 1Mo an bezeugt sie einen Gott; (2) sie entwickelt eine fortlaufende Geschichte; (3) sie macht die unwahrscheinlichsten Zukunftsvoraussagen; (4) sie ist eine fortlaufende Entfaltung der Wahrheit; (5) vom Anfang bis zum Ende der Bibel bezeugt sie eine Erlösung; (6) ihr großes, durchgehendes Thema ist Person und Wirken Jesu Christi und (7) haben die vierundvierzig Autoren der Bibel über einen Zeitraum von sechzehn Jahrhunderten in fortschreitender Entfaltung eine vollkommene Harmonie der Lehre hervorgebracht (A Panoramic View of the Bible [»Ein Panoramablick auf die Bibel«] in der Einleitung zur Scofield Reference Bible ).

Der Dispensationalismus verschleiert die biblische Einheit nicht, sondern er hilft, sie zu verdeutlichen. Er rückt die fortschreitende Entfaltung von Gottes die Zeitalter überspannenden Plan in den Mittelpunkt des Blickfeldes. Er ist die Enthüllung der absoluten Wahrheit Gottes, die im direkten Widerspruch zum modernen, egozentrischen Relativismus steht. So betrachtet der Dispensationalismus die Einheit, die Vielfalt und den fortschreitenden Charakter der Ziele Gottes mit der Welt wie kein anderes theologisches System. Durch diese fortschreitenden Stufen wird Gott verherrlicht.

 

Die Heilszeiten

Die erste Heilszeit wird üblicherweise als Unschuld bezeichnet. Adam war die Schlüsselfigur. Er war verantwortlich für die Pflege des Gartens und sollte nicht vom Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen essen. Durch sein Versagen bei dieser Prüfung kamen weit reichende Gerichte über ihn, seine Frau, die ganze Menschheit, die Schlange und die ganze Schöpfung. Die Heilige Schrift berichtet von dieser Haushaltung in 1Mo 1,28-3,6 .

Die zweite Heilszeit wird Gewissen genannt. Damit soll nicht angedeutet werden, dass die Menschen vor oder nach dieser Zeitepoche kein Gewissen hätten, sondern dass dies die von Gott erwählte Weise war, die Menschen zu zügeln. Sie waren selbst dafür verantwortlich, dem Diktat ihres Gewissens zu gehorchen. In dieser Zeit kam es zum Mord ( 1Mo 4,8 ), zu widernatürlichen sexuellen Handlungen ( 1Mo 6,2 ) und zu weit verbreiteten bösen Begierden und Herzenswünschen ( 1Mo 6,5 ). Gott beendete diese Zeitepoche mit der weltweiten Flut. Er verschonte Noah, seine Frau, seine Söhne und deren Frauen in Gnade ( 1Mo 6,8 ). Von dieser Epoche berichtet die Heilige Schrift in 1Mo 4,1-8,14 .

Darauf folgte die Heilszeit der menschlichen Verwaltung . Diese Epoche begann nach der Flut. Von nun an hatten die Tiere Angst vor dem Menschen und wurden zu dessen Nahrungsquelle, Gott gab das Versprechen, dass es nie wieder eine weltweite Flut geben werde und führte die Todesstrafe ein. Gott gab den Menschen das Recht, anderen Menschen das Leben zu nehmen und schuf damit die Grundlage für das Herrschaftsrecht von Menschen über andere Menschen. Bei dieser Prüfung versagte der Mensch von Anfang an, als Noah sich mit Wein betrank und so regierungsunfähig wurde. Diese Zeitepoche endete mit dem Turmbau zu Babel. Die Heilige Schrift berichtet über diese Zeit in 1Mo 8,15-11,9 .

Die vierte Heilszeit ist die der Verheißung oder der Patriarchen . Während dieser Zeit erwählte Gott eine Familie und ein Volk, die er als repräsentative Testpersonen für alle einsetzte. Bis zu dieser Heilszeit war die ganze Menschheit direkt mit Gottes Verwaltungsprinzipien verbunden gewesen. Die Pflicht der Patriarchen bestand darin, Gott zu glauben und ihm zu dienen, und Gott gewährte viele materielle und geistliche Belohnungen. Ein besonderes Land wurde verheißen und Segen, solange die Israeliten in diesem Land bleiben würden. Das Versagen der Nation endete in der ägyptischen Sklaverei. Die Bibel berichtet über diese Epoche von 1Mo 11,10 bis 2Mo 18,27 .

Die fünfte Heilszeit ist die des Mosaischen Gesetzes . Die Menschen waren verantwortlich, das ganze Gesetz zu erfüllen ( Jak 2,10 ), aber sie versagten ( Röm 10,1-3 ). Das zog Gottes Gericht nach sich: Die zehn Stämme des Nordreiches wurden in die assyrische Gefangenschaft verschleppt, die zwei des Südreiches in babylonische, und schließlich wurden sie alle über die ganze Welt zerstreut ( Mt 23,37-39 ), weil sie Jesus Christus zurückgewiesen hatten. Die Heilige Schrift berichtet über diese Heilszeit von 2Mo 19,1 bis Apg 1,26 .

Der sechste Zeitabschnitt ist die Heilszeit der Gnad e. Der Apostel Paulus war der wichtigste Vermittler der Offenbarung von der Gnade Gottes für diese Dispensation. Unter der Gnade hat der Mensch die Verantwortung, das von Gott großzügig allen Menschen angebotene Geschenk der Rechtfertigung anzunehmen ( Röm 5, 15-18 ). Folgende Eigenschaften hat die Gnade Gottes in dieser Heilszeit: (1) das Heil ist ganz und gar Gnade und (2) die Gnade ist für alle erhältlich. Gott befasst sich nicht mehr nur mit einem Volk, sondern mit der ganzen Menschheit. Diese Heilszeit wird mit dem zweiten Kommen Christi enden. Die Heilige Schrift berichtet darüber von Apg 2,1 bis Offb 19,21 .

Die siebte und letzte Heilszeit ist die des Millenniums (des Tausendjährigen Reichs ). Nach Christi zweitem Kommen wird das Tausendjährige Reich in Erfüllung aller Verheißungen aufgerichtet, die im Alten und im Neuen Testament gegeben wurden. Der Herr Jesus Christus selbst wird in der Verantwortung stehen und die Angelegenheiten der Welt während dieser Epoche verwalten. Diese Heilszeit wird tausend Jahre andauern, und die Verantwortung des Menschen wird der Gehorsam gegenüber dem König und seinen Gesetzen sein. Satan wird gebunden sein, Christus wird herrschen, Gerechtigkeit wird überwiegen und offensichtlicher Ungehorsam wird schnell bestraft werden. Diese Heilszeit endet mit einem erfolglosen Aufstand gegen die Regierung Christi. Das führt dazu, dass die Rebellen zur ewigen Strafe verbannt werden. Die Heilige Schrift berichtet über diese Heilszeit in Offb 20,1-15 .

Die Verantwortung der Verwaltung liegt auf allen, die in einer Heilszeit leben. Diese Verantwortung bedeutet die aktive Teilhabe aller, die die Prinzipien der Verwaltung akzeptieren, und Gericht für all jene, die die Vorschriften verwerfen.

Einzelne Aspekte einer Heilszeit enden nicht notwendigerweise, wenn eine neue Heilszeit beginnt. Es gibt Verheißungen, die in einer Heilszeit gegeben, aber nicht im Lauf dieser Dispensation erfüllt wurden. Beispielsweise wurden die im Alten Testament gegebenen Verheißungen über das erste Kommen Christi nicht erfüllt, bevor er kam. Auch gibt es Dinge, die in einer Heilszeit eingesetzt wurden und durch alle weiteren Zeitalter hindurch andauern, etwa die Erschaffung des Menschen im Bilde Gottes. Und es gibt Dinge, die in einer Heilszeit ausgesetzt werden und dann in einer anderen wieder Gültigkeit erlangen. So wurden neun der zehn Gebote des Gesetzes als Teil der Heilszeit der Gnade neu formuliert, obwohl Einschränkungen bezüglich gewiesser Nahrungsmittel abgetan wurden.

Die Bedingung des Heils bleibt in allen Heilszeiten die gleiche. Das Heil kommt durch den Glauben, aber der Inhalt des Glaubens unterscheidet sich in verschiedenen Heilszeiten.

 

Progressiver Dispensationalismus

Der progressive Dispensationalismus nahm am 20. November 1986 in der dispensationalistischen Studiengruppe beim Jahrestreffen der Evangelical Theological Seminary in Atlanta (Georgia) seinen Anfang. Das Label »Progressiver Dispensationalismus« wurde jedoch erst beim Jahrestreffen dieser Gruppe im Jahr 1991 eingeführt. Es wurde gebraucht, um die kennzeichnenden Änderungen zu beschreiben, die zu dieser Zeit im Dispenasationalismus stattgefunden hatten. Zu den »Frontkämpfern« dieser Bewegung gehören Darrell L. Bock (Professor für Neues Testament am Dallas Theological Seminary ), Craigh A. Blaising (Professor für Systematische Theologie am Southern Baptist Theological Seminary ) und Robert L. Saucy (Professor für Systematische Theologie am Talbot Theological Seminary ).

Die grundlegenden Überzeugungen des progressiven Dispensationalismus beinhalten Folgendes:

1. Das Reich Gottes ist das vereinigende Thema der biblischen Geschichte. Dieses Reich ist aber nicht eindeutig definiert. Jene, die daran glauben, beschreiben es vage als Herrschaft Gottes über die ganze Erde. Diese alles einschließende Definition verwischt wesentliche Unterscheidungen zwischen verschiedenen Reichen.

2. In der biblischen Geschichte gibt es vier heilszeitliche Epochen, nämlich die patriarchalische, die mosaische, die kirchliche und die zionische. Das patriarchalische Zeitalter tilgt die Vereinbarungen, die Gott mit Adam und Eva vor und nach dem Sündenfall eingegangen ist, soweit sie von der Haushalterschaft abweichen, die Gott mit Abraham vereinbart hat.

Das verbindet jedoch die Zeit vor und die nach dem Sündenfall mit dem Abrahamitischen Bund unter einer verbundenen Haushalterschaft. Die progressiven Dispensationalisten sehen die mosaische Heilszeit eher mit der Himmelfahrt Christi beendet als mit seinem Tod ( Kol 2,14 ). Die kirchliche Heilszeit ist das gegenwärtige Gemeindezeitalter und das angetretene davidische Königreich. Die zionische Heilszeit ist aufgeteilt in das Tausendjährige und das Ewige Reich. Das Tausendjährige Reich wird als eine Übergangszeit zwischen der angetretenen davidischen Herrschaft (jetzt im Himmel) und der Fülle des Reiches Gottes auf der neuen Erde betrachtet.

3. Christus hat bereits die davidische Herrschaft im Himmel zur Rechten des Vaters angetreten, was dem Thron Davids entspricht, obwohl er jetzt noch nicht als davidischer König das Tausendjährige Reich auf der Erde regiert.

Dieser Standpunkt lässt aber die Tatsache außer Acht, dass Christi erste Handlung nach seiner Himmelfahrt die Herabsendung des Heiligen Geistes war ( Apg 2,33 ), was an keiner Stelle des davidischen Bundes erwähnt wird. Die Heilige Schrift stellt in Hebr 12,2 eindeutig fest, dass sich Christus an der rechten Seite des Thrones Gottes niedergesetzt hat, nicht auf dem Thron Davids. Auch handelt Christus gegenwärtig nur als Priester. Er wird nicht vor seinem zweiten Kommen als davidischer König tätig werden ( Offb 1,5; 11,15; 12,10; 17,14; 19,16 ). Dann wird er der absolute Herrscher des Reichs der Erde sein.

4. Desgleichen ist der Neue Bund bereits in Kraft getreten, obwohl die Segnungen vor dem Tausendjährigen Reich noch nicht völlig in Kraft treten.

Der Neue Bund ist jedoch in Jer 31,31-34 dem Haus Israel und dem Haus Juda verheißen. Er gründet sich auf den Tod Christi, der die Bezahlung für die Sünden aller Zeitalter ist. Für Israel noch Zukunft, verheißt dieses Bündnis Vergebung für das Volk Israel, Widerherstellung Israels zum Gefallen Gottes, Frieden und den Wiederaufbau des Heiligtums Gottes.

5. Die Vorstellung, die Gemeinde sei völlig von Israel zu unterscheiden und als ein Geheimnis zu betrachten, das im Alten Testament verborgen blieb, muss verworfen werden, ebenso der Gedanke, dass es zwei Völker Gottes und daher zwei Ziele gibt.

Israel wird allerdings als ein Volk angesprochen, im Gensatz zu den Heiden nach der Aufrichtung der Gemeinde am Pfingsttag ( Apg 3,12; 4,8.10; 5,21.31.35; 21,28 ). Paulus betete für Israel ( Röm 10,1 ), wobei er es eindeutig als ein Volk betrachtete, das von der Gemeinde zu unterscheiden und abzusondern ist. Die Gemeinde steht in eindeutiger Beziehung zu ihrem lebendigen Herrn Jesus Christus ( Eph 1, 22-23; Kol 1,18; 1Kor 12,27 ). Die Vereinigung gläubiger Juden und Heiden im Leib Christi ist ein Geheimnis, das vorangegangenen Generationen nicht offenbart wurde ( Eph 3,5-6 ). Die Gemeinde wird von Christus selbst bewohnt ( Kol 1,27 ). Sie hat, wie Paulus feststellt ( Eph 2,15 ), eine bestimmte Epoche, was nur durch den Tod Christi möglich wurde. Und schließlich war es die Taufe des Heiligen Geistes, die die Gemeinde ins Leben rief ( Apg 11, 15-16 ). An Pfingsten wurden Menschen zum ersten Mal in den Leib Christi berufen, und da die Gemeinde der Leib Christi ist ( Kol 1,18 ) wird deutlich, dass die Gemeinde nicht vor diesem Ereignis existiert hat.

6. Ergänzende Hermeneutik bedeutet, dass das Neue Testament alttestamentlichen Verheißungen verändernde Ergänzungen hinzufügt, ohne die ursprünglichen Verheißungen zu verwerfen.

Diese Anschauung lässt vergeistigende Auffassungen neutestamentlicher Vorstellungen zu, so als füge das Neue Testament Ergänzungen zu den Verheißungen hinzu. Der Hinweis auf einen Tempel in Offb 11,1-2 ist beispielsweise nach der wörtlichen Hermeneutik ein buchstäbliches, wirkliches Gebäude. Diese ergänzende Hermeneutik lässt den Schluss zu, dass es sich um einen Hinweis auf die Körperschaft der Gläubigen handelt, und zwar anhand der Tatsache, dass die Worte an einer anderen Stelle des Neuen Testaments in dieser Weise gebraucht werden. Dieser Standpunkt birgt eine Gefahr: Wo sind die Grenzen, und wer bestimmt sie?

7. Der eine göttliche Plan der holistischen (ganzheitlichen) Erlösung schließt alle Menschen und alle Bereiche menschlichen Lebens ein - persönlich, sozial, kulturell und politisch.

Aber der Umfang holistischer Erlösung kann leicht zu irrigen Prioritäten führen. Die Heilige Schrift lehrt soziale Verantwortung wie den Gebrauch des Geldes, Berufungen und öffentliche Pflichten. Sie ruft die Gläubigen auch auf, der gemeindlichen, nicht der staatlichen, Ethik zu gehorchen und Gutes zu tun - besonders den Gläubigen ( Gal 6,10 ).

Progressive Dispensationalisten scheinen weniger eine Entwicklung innerhalb des normativen Dispensationalismus darzustellen als vielmehr eine völlige Abwendung von diesem. Wohin das führen oder welche Bedeutung es haben wird, kann nicht vorausgesagt werden.

 

Ultradispensationalismus

Die Vorsilbe ultra bezeichnet schlicht jemanden, dessen Standpunkt noch extremer ist als der desjenigen, der den Begriff gebraucht. Der Hauptunterschied zwischen Ultradispensationalismus und normativem Dispensationalismus liegt in der Frage, wann die Gemeinde, der Leib Christi, historisch ihren Anfang genommen hat. Die Ultradispensationalisten glauben, dass sie mit Paulus einige Zeit nach Pfingsten begann, während die normalen Dispensationalisten daran festhalten, dass die Gemeinde ihren Anfang an Pfingsten hatte ( Apg 2 ). Dieser Unterschied beeinflusst, welche Verordnungen praktiziert werden und welche Bibeltexte unmittelbar die Gemeinde betreffen.

Es gibt zwei Ausformungen des Ultradispensationalismus, die extreme und die gemäßigte. Es besteht Übereinstimmung zwischen beiden über sechs Punkte: (1) Der Missionsbefehl in den Evangelien betrifft die Juden, und nicht die Gemeinde. (2) Der Dienst der Zwölf war eine Fortsetzung des irdischen Dienstes Christi. (3) Die Gemeinde nahm nicht zu Pfingsten ihren Anfang. (4) Die Wassertaufe gilt nicht für dieses Gemeindezeitalter. (5) Es gibt einen Unterschied zwischen dem früheren und dem späteren Dienst des Paulus. (6) Israel, und nicht die Gemeinde, ist die Braut Christi.

Keine Übereinstimmung herrscht zwischen beiden Ausformungen über die folgenden vier Punkte:

1. Wann begann die Gemeinde? Extreme: Apg 28 Gemäßigte: vor Apg 28

2. Wie lange währt die Übergangszeit in der Apostelgeschichte? Extreme: bis Apg 28 Gemäßigte: bis Apg 9 oder Apg 13

3. Wo ist der richtige Platz für die Abendmahlsfeier? Extreme: nirgendwo Gemäßigte: in der Gemeinde

4. Welche der Heiligen Schriften sind wirklich in erster Linie für die Gemeinde geschrieben? Extreme: Nur die Gefängnisbriefe Gemäßigte: auch alle anderen Paulinischen Briefe

Die Schwäche des Ultradispensationalismus besteht darin, dass etwas Wesentliches übersehen wird. Man erkennt nicht, dass sich das Wesen einer Heilszeit auf das gründet, was Gott tut, und nicht auf das menschliche Verstehen seiner Ziele. Der Irrtum des Ultradispensationalismus liegt in der fehlerhaften Vorstellung von einer Heilszeit, in einer fehlerhaften Auslegung von Schlüsselstellen, in einem fehlerhaften Verständnis darüber, wann das Geheimnis offenbart wurde, und in einer falschen Ansicht über die Taufe des Heiligen Geistes. Von den biblischen Texten wird der Ultradispensationalismus nicht gestützt.

Charles C. Ryrie

Charles C. Ryrie, Dispensationalism (Chicago: Moody Press, 1995); Wesley R. Willis und John R. Master (Hrsg.), Issues In Dispensationalism , beratender Mit-Hrsg. Charles C. Ryrie (Chicago: Moody Press, 1994).

 

 

progressiver

Progressive Dispensationalisten sehen sich selbst in der Tradition der dispensationalistischen Theologie. Aber sie erkennen die Heilszeiten nicht als voneinander zu unterscheidende Vereinbarungen zwischen Gott und der menschlichen Rasse, wie der traditionelle Dispensationalismus. Sie sehen darin vielmehr aufeinander folgende Vereinbarungen in der fortschreitenden Offenbarung und Erfüllung der Erlösung. Gleichzeitig streben sie danach, einen mittleren Standpunkt zwischen dem Dispensationalismus und seinem eindeutigen Gegenteil einzunehmen. Durch die Einverleibung neuer Elemente in ihr theologisches System sind sie nahezu am gleichen Punkt angekommen wie die historischen Prämillennialisten, die im Allgemeinen ausgesprochene Gegner des Dispensationalismus sind.

Das Emporkommen des progressiven Dispensationalismus ist einem Wechsel der Auslegungsmethode zuzuschreiben. Anstatt einem traditionellen grammatikalisch- historischen System zu folgen, das Dispensationalismus zur Folge hat, verfechten sie eine historisch-grammatikalisch- wörtlich-theologische Hermeneutik bei der Auslegung der Heiligen Schrift. Das neue System unterscheidet sich von der traditionellen wörtlichen Auslegung in folgenden Punkten:

1. Es ersetzt das Streben nach Objektivität durch die Konzentration auf das Vorverständnis des Auslegers als Ausgangspunkt der Auslegung.

2. Anstatt die Textbedeutung auf die Vorgabe des Textzusammenhanges zu begrenzen, lässt es »ergänzende« Bedeutungen zu, die einem Text Jahre und sogar Jahrzehnte später hinzugefügt wurden, nachdem der biblische Autor den Text niederschrieb.

3. Traditionell suchen die Ausleger stets nach der Bedeutung, die der Autor des jeweiligen Textes im Sinn hatte. Der progressive Dispensationalismus nimmt jedoch den Standpunkt ein, dass später hinzugefügte Bedeutungen zuzulassen sind, die den ursprünglich vom Autor gewünschten Sinn des Textes verändern.

4. In der Geschichte haben die protestantischen Ausleger stets geleugnet, dass ein Text eine erweiterte Bedeutung haben könnte, die über den ursprünglichen Sinn hinausgeht. Die neuerdings befürwortete Methodologie lässt jedoch zu, dass eine erweiterte Bedeutung über den ursprünglichen Sinn des Textes gestellt wird.

5. Grammatikalischhistorische Ausleger haben darauf bestanden, jedem Text auf der Basis einer gründlichen Untersuchung seine eigene Bedeutung zuzuordnen. Progressive Dispensationalisten geben jedoch nur schwerpunktmäßige Kommentare über einen Bibeltext, anstatt ihn durch und durch zu behandeln und vertreten einen vorgefassten, aber exegetisch unhaltbaren Standpunkt.

Im Licht dieser fünf Tendenzen wird offenbar, dass der Hauptunterschied zwischen Dispensationalismus und progressivem Dispensationalismus ein hermeneutischer ist. Die progressiven Dispensationalisten wenden sich von der grammatikalisch-his-torischen Methode ab, die vom Dispensationalismus vertreten wird.

Siehe auch: Hermeneutik, moderne biblische .

R. L. Thomas

Craig A. Blaising und D. Bock, Progressive Dispensationalism (Wheaton: Victor Books, 1993); Charles C. Ryrie: Dispensationalism (Chicago: Moody Press, 1995); R.L.Saucy, The Case for Progressive Dispensationalism (Grand Rapids: Zondervan, 1993); R. L. Thomas, A Critique of Progressive Dispensational Hermeneutics in: When the Trumpet Sounds hrsg. von Thomas Ice und Timothy Demy, S. 413-425 (Eugene, Oreg.: Harvest House, 1995).

 

EDWARDS