TEMPEL
Geschichte
Die Geschichte des jüdischen Tempels beginnt und
endet mit prophetischen Aussagen.
Als Abraham auf dem Berg Morija war, wurde ihm das
Heiligtum
(ein Begriff für Gottes Wohnung in all ihren
Formen) als Stätte des Opferdienstes und als ständiger
gottesdienstlicher Ort prophetisch offenbart ( 1Mo 22,2.14 ).
Eine Ausweitung der Abraham gegebenen Verheißung
empfängt Mose zur Zeit des Auszugs in prophetischen Anweisungen, die
Israels Verhältnis zu diesem Heiligtum betreffen ( 2Mo 15,17 ).
Am Berg Sinai bekommt er später den himmlischen Bauplan für das
Heiligtum und seine Geräte ( 2Mo 25,8-9.40 ).
Der Vers 8 ist bedeutsam:
Er zeigt, dass das göttliche Ideal des Heiligtums darin besteht, dass
Gott unter seinem Volk wirklich anwesend sein will (vgl. Sach 2,14-16 im
Blick auf das Heiligtum des Tausendjährigen Reiches).
Außerdem zeigt er, dass das gleiche himmlische Urbild (V. 9.14 ) sowohl
für die Stiftshütte als auch für den Tempel benutzt wurde (vgl. 1.Chr
28,11-19 ; vgl. Offb 15,5 ).
Die Stiftshütte unterschied sich vom Tempel dadurch, dass es eine
tragbare und zeitweilige Stätte der Gegenwart Gottes war ( 2Mo 40,36-38
; vgl. 2Sam 7,6 ),
wohingegen der Tempel eine ständige und ewige Wohnstätte sein sollte (
2Chr 7,16; Hes 37,26-28 ).
Als Zeichen dafür, dass beide zusamengehörten, wurde bei der
Fertigstellung des ersten Tempels offensichtlich die Stiftshütte in
diesen überführt ( 1Kö 8,4; 2Chr 5,5 ).
König David war es, der beim Nachsinnen über das
göttliche Ideal (vgl. Ps 132 ) veranlasst wurde, den Bau des ersten
Tempels in Angriff zu nehmen ( 2Sam 7,2; 1Chr 17,1 ).
Der Tempel sollte jedoch für den allumfassenden
Frieden stehen, der durch Gottes Gegenwart während des Tausendjährigen
Reiches auf Erden herbeigeführt werden würde
(David verstand diesen Grundgedanken nur in beschränktem Maße; vgl. 2Sam
7,1 ).
Daher konnte der Tempel nur von jemandem gebaut werden, der Gottes
Heilsplan des Friedens hinreichend verkörperte ( 1Kö 3,3-14; 4,17 ).
Dennoch stand David, prophetisch gesehen, in der
Reihe derer, denen Gott bereits zuvor das Programm des Tempels offenbart
hatte.
Dies erkennt man daran, dass Gott David an die
abrahamitische Verheißung erinnert ( 2Sam 7,10 ) und ihm gegenüber die
mosaische Offenbarung wiederholt ( 1Chr 28,11.19 ).
Daher war David zwar nicht als Erbauer, aber als Gründer berechtigt,
finanzielle und materielle Vorbereitungen für den Tempelbau zu treffen (
1Chr 29 ).
Salomo (d.h. »sein Friede«) jedoch sollte den Tempel nach den
Bedingungen des mit seinem Vater geschlossenen Bundes bauen ( 2Sam
7,12-13; 1Kö 5,19; 6,12-13 ).
In seinem Gebet zur Einweihung ( 1Kö 8 ) werden das göttliche Ideal des
Tempels als Stätte der Gegenwart Gottes (V. 27-34 )
und auch seine umfassende (auf das Tausendjährige Reich bezogene)
Funktion offenbart (V. 41-43.56-60 ).
Dennoch war der davidische Bund, nach dessen
Bestimmungen es immer einen Tempel in Jerusalem geben sollte, vom
Gehorsam des Volkes abhängig.
Dies bedeutete, dass künftig immer dann, wenn Israel dem Bund gegenüber
untreu oder treu war, der Tempel weggenommen oder die Möglichkeit zum
Wiederaufbau gegeben wurde.
Im Laufe der Geschichte wurde der erste Tempel 586 v. Chr. zerstört, was
sich direkt darauf zurückführen ließ, dass Israel wiederholt den Bund
brach.
Die Abwärtsentwicklung setzte bereits in der Zeit Salomos ein ( 1Kö
11,1-13 ),
erreichte mit König Manasse ihren Höhepunkt ( 2Kö 21,7-14 ) und hatte
besonders in der Missachtung des Sabbats einen langen Vorlauf ( 2Chr
36,21 ).
Ein Neuanfang wurde mit der Rückkehr und dem
Wiederaufbau des Tempels unter Serubbabel im Jahr 515 v. Chr. gemacht (
Esr 1-6 ),
doch weil das Volk wiederholt den Bund brach (vgl. Esr 9; Neh 13; Mal
1-3 ), wurde die von den Propheten (vgl. Hes 40-48 ) beschriebene
Wiederherstellung im Tausendjährigen Reich (vgl. Hag 2,1-9 ) verschoben.
Ein halbes Jahrtausend später - etwa ein Jahrzehnt, bevor Jesus in Judäa
geboren wurde - war der zweite Tempel in einem solch schlechten Zustand,
dass der damals herrschende König, Herodes der Große, ihn vollständig
renovierte und sogar erweiterte. Das Gebäude war nun wiederhergestellt,
£es galten aber für den Tempeldienst noch die gleichen Bedingungen des
alten Bundesverhältnisses.
Dem Tempel drohte gar eine erneute Verwüstung, weil
die meisten Angehörigen des Volkes Jesus als Messias verwarfen. Alle
Ankündigungen Jesu über die Tempelzerstörung ( Mt 24,2; Mk 13,2; Lk
21,6.20-24 )
müssen in diesem Licht gesehen werden. Darin darf man keinesfalls eine
Verwerfung oder Ablösung der legitimen Tempelordnung sehen. Ja, an Jesu
Ankündigung der Tempelverwüstung ( Mt 21,38 )
schließt sich unmittelbar seine (im Wort »bis« erkennbare) Verheißung
der Wiederherstellung Israels (und des Tempels) an ( Mt 23,39 ).
Diese Tatsache und die sonstigen, eindeutigen Aussagen Jesu bezüglich
des Tempels ( Mt 12,4; 17,24-27; 23,16-21; Joh 2,16-17 ),
besonders in seiner Ölbergrede ( Mt 24,15; Mk 13,14 ) bieten die Gewähr
dafür, dass die prophetische Verheißung über die Zukunft des Tempels
erfüllt wird.
Siehe auch: Tempel, künftiger .
J. Randall Price
TEMPEL künftiger
Die Prophetie über einen künftigen jüdischen Tempel
in Jerusalem (siehe Tempel, Geschichte) gehört zu einer umfassenden
Wiederherstellungsverheißung, die Israel als Volk gegeben wurde.
Diese Verheißung, die Gott am Ende der Zeit des ersten Tempels gab
(vgl. Jes 1,24-2,4; 4,2-6; 11,1-12,6; 25-27; 32; 34-35; 40-66; Jer
30-33; Hes 36-48; Am 9,11-15; Joe 3,1-4,21; Mi 4-5; 7,11-20; Zeph 3,9-20
),
wurde von den Propheten wiederholt, die nach der Rückkehr aus der
Gefangenschaft weissagten (vgl. Dan 9-12; Hag 2,5-9; Sach 8-14; Mal 3 ),
und im Neuen Testament bestätigt (vgl. Apg 3,19-26; Röm 11,1-32 ).
Untrennbar mit der Verheißung verbunden waren Einzelheiten im Umfeld
ihrer Erfüllung: die Rückkehr des Volkes Israel in sein Land (im
Unglauben); die Zeit der Bedrängnis für Jakob (Trübsal),
die sie dort erleben würden; der Wiederaufbau des Tempels, die
Wiederkunft des Messias, die Erlösung Israels und die Wiederherstellung
der Herrlichkeit Israels
(Tausendjähriges Reich).
Bibeltexte, die Grundlage dieser Verheißung sind, belegen im Allgemeinen
auch den künftigen Wiederaufbau des Tempels.
Der zukünftige Tempel steht immer im Blickfeld der
biblischen Verfasser, wenn sie über diese Zeit weissagen, die mit der
Prophetie von der Siebzigsten Woche Daniels (siehe Daniel,
Siebzig Wochen) beginnt und sich bis zum Zeitalter der Reiches
erstreckt. Das war zu erwarten, da der Tempel Sinnbild sowohl der
nationalen als auch der geistlichen Existenz Israels ist,
wobei zu diesem Programm sowohl die Entweihung des Nationalheiligtums
(Trübsal) als auch die geistliche Wiederherstellung (Tausendjähriges
Reich) gehören.
Beide Sachverhalte hat Israel, historisch gesehen, im Blick auf seinen
Tempel erlebt
(vgl. Entweihung: 2Kö 24,3-4 ; vgl. Jer 7,1-8,3; Hes 8,6-18; Zeph 1,9;
Esr 5,11-12 ; Wiederherstellung: 2Chr 36,20-23; Esr 1,1-4; 6,14.22; Hag
1,7-9 mit 2,15-19 ; Sach 1,15-16; Mal 3,7-12 ).
Man muss im Kontext des Alten Testaments jeweils
unterscheiden, ob an den künftigen Tempel der Trübsal oder an den Tempel
des Tausendjährigen Reiches gedacht ist.
Der Tempel der Trübsal wird von ungläubigen Juden
errichtet und vom Antichristen entweiht werden ( Dan 9,27 ; vgl.
11,36-45 ).
Der Tempel des Tausendjährigen Reiches wird vom
Messias und von erlösten Juden gebaut werden ( Sach 6,12-13 ).
Ein besonderes Zeichen der Wiederherstellung ist
die Tatsache, dass Vertreter nichtjüdischer Völker mithelfen werden (
Sach 6,15; Hag 2,7 ; vgl. Jes 60,10 ).
Er wird sich als Tempel der Wiederherstellung vom Tempel der Trübsal
dadurch unterscheiden, dass die Schechina der Herrlichkeit Gottes in ihn
zurückkehrt
( Hes 43,1-7 ; vgl. Hes 10,4.18-19; 11,22-23 )
und im Tempel auch Heiden anbeten ( Jes 60,6; Zeph 3,10; Sach 2,15;
8,22; 14,16-19 ). Diese Eigenschaften unterscheiden den
Tempel des Tausendjährigen Reiches auch von den Tempeln der
Vergangenheit (im ersten Tempel gab es keine nichtjüdischen Anbeter,
während im zweiten Tempel die Schechina fehlte).
Außerdem sind die Abmessungen des eigentlichen Tempels dieses Reiches
sowie die Beschreibungen,
die sich mit seinem Aufbau und seinen Zeremonien befassen, absolut
einzigartig. Die wichtigste alttestamentliche Stelle, die unmittelbar
über den Tempel der Trübsal spricht, ist Dan 9,27 (vgl. 12,11 ).
Auf die Existenz des Tempels wird allerdings auch in anderen Stellen,
die mit der Trübsal zusammenhängen, hingewiesen oder indirekt
hingedeutet (vgl. Jes 24,2.23; Mal 3,1-3 ).
Zu speziellen Texten, die den Tempel des Tausendjährigen Reiches
betreffen, gehören
Jes 2,2-4; 60,7.13; Jer 33,18; Hes 37,26-28; 40-48; Hag 2,9; Sach
6,12-13; 14,20 .
In Einklang mit dem für Israels Wiederherstellung
erwarteten Heilsplan des Alten Testaments reden Jesus und auch die
neutestamentlichen Verfasser von einem wiederaufgebauten Tempel in
Jerusalem,
wenn sie ihren eschatologischen Heilsplan vorstellen. Jesus bezieht
seine Auslegung auf Daniels Prophetie ( Dan 9,27 ), und für ihn weisen
die Ereignisse um den Tempel, insbesondere der so genannte "Gräuel der
Verwüstung", auf die Geburtswehen der Trübsal hin, die der Großen
Trübsal vorausgehen ( Mt 24,15; Mk 13,14 ). Auch Paulus gründet sich auf
Daniels Weissagung ( Dan 9; 11 ), als er davon spricht, wie der
Antichrist den Tempel der Trübsal entweiht ( 2Thes 2,4 ). Ebenso
beschreibt Johannes, der mit einem kommenden Antichristen rechnet ( 1Joh
2,18 ), die Verwüstung der Tempelvorhöfe durch die heidnische
Streitmacht des Antichristen während der letzten Hälfte der Trübsalszeit
( Offb 11,1-2 ).
J. Randall Price