Hosea
Kapitel 1
Der Name Hosea bedeutet "Befreiung" und scheint anzudeuten, daß, so schlecht
auch der Zustand des Volkes, dem er weissagte, war, der Hauptgegenstand seines
Dienstes der war, zu zeigen, wie Jehova Befreiung von diesem Zustande
herbeiführen würde. Unter der Herrschaft Uss-jas, Jothams, Ahas' und Hiskias
ward eine gewisse äußere Form der Frömmigkeit gewahrt, den inneren Zustand des
Volkes im allgemeinen jedoch stellten die Propheten bloß, er war durch große
Untreue gegen die von Jehova mit Seinem Volke aufgerichtete Beziehung
gekennzeichnet. In Vers 2 heißt es: "Das Land treibt beständig Hurerei von
Jehova hinweg." Dieser Zustand sollte in den Familienbeziehungen des Propheten
zum Ausdruck kommen, und seine Kinder stellten sinnbildlich die Folgen dieser
Untreue dar. Jisreel bedeutet '"Jehova wird säen", "und das Kapitel sagt, daß
dieses Säen Jehovas zwiefacher Art sein wird. In erster Hinsicht bringt es
Vergeltung; Untreue hat ein unabwendbares Säen und Ernten von Gericht zur Folge,
wie wir es in Vers 4, 5, 6, 8 und 9 sehen. Wenn man das aber fühlt und sich
darunter beugt, so wird Gottes Säen anderer Art, Er führt das ein, was Seinem
Erbarmen gemäß von Ihm Selbst ist; das zeigen Vers 7, 10 und 11. Der "Tag von
JisreeP ist offenbar ein Tag unumschränkten Erbarmens (V. 11).
In Vers 6 und 7 sagt Jehova, daß Er kein Erbarmen mehr mit dem Hause Israel
haben werde, daß Er Sich aber des Hauses Juda erbarmen werde. Das ward darin
geoffenbart, daß Er durch die Gefangenschaft hindurch einen Überrest Judas
bewahrte und ihn in das Land zu-
rüekführte, damit Er ihnen Christum anbiete. Vers 7 ward seinen Grundzügen nach
erfüllt, als Christus hienieden war, doch auf Seiten des Volkes ward das nicht
verstanden, und sie nahmen Ihn nicht an. Die Verwerfung Christi durch die Juden
hat mit einem Zorn geendet, der über sie als Nation bis zum Äußersten kam; doch
ein Überrest ward gesichert, von dem Petrus sagen konnte, daß sie einst nicht
ein Volk, jetzt aber ein Volk Gottes waren, sie hatten keine Barmherzigkeit
empfangen, nun aber Barmherzigkeit gefunden (1. Petr. 2, 10). Diese zwei
Gesichtspunkte betreffs Jisreel sind somit zum Ausdruck gekommen, und sie werden
weiterhin in Gottes künftigen Wegen mit Israel erkannt werden, denn einerseits
werden sie . Zwiefältiges empfangen für alle ihre Sünden (Jes. 40, 2), und
andererseits der Unumschränktheit Seines Erbarmens gemäß gesegnet werden.
Die Beziehungen Jehovas zu Israel waren wahrhaft wunderbar, sie waren ehelicher
Art. Jehova liebte sie nach Kap. 3, 1 wie ein treuer Ehegatte. Es gefiel Ihm,
als Einer gekannt zu sein, der ein Volk auf Erden auf eine durchaus persönliche
und vertraute Weise liebte, so daß der Ehebund das passende und göttlich
beabsichtigte Bild davon war. In einem nicht geringeren Verhältnis steht Er zu
den Heiligen heutzutage. Jeder Gläubige ist durch den Leib des Christus dem
Gesetz gestorben, um eines anderen zu werden, des aus den Toten Auferweckten,
damit Gott Frucht habe (Rom. 7, 4). Paulus hatte die Korinther einem Manne
verlobt, um sie als eine keusche Jungfrau dem Christus darzustellen (2. Kor. 11,
2), und es ist uns wohlbekannt, daß die Versammlung .in Epheser 5 als das Weib
des Christus dargestellt wird; das ist die von Gott eingesetzte Erziehung. Auf
Seiten Gottes haben wir die vollkommene Liebe eines Bräutigams. Keiner von uns
denkt daran, den Herrn zu bitten, uns noch mehr zu lieben als Er uns tatsächlich
liebt. Bedenken wir, was Er alles in Sich Selbst aufopfernder Liebe getan, als
Er Sich
6 ' .
Selbst für uns hingegeben 1 (Tit. 2, 14.) Seien wir dessen eingedenk, was Er
alles aus Liebe zu uns tat, als Heiland, Fürsprecher, Sachwalter (besser
"Beistand"), Priester und Haupt! Wenn wir alles dessen gedenken, dürften unsere
Herzen tief darüber bewegt sein, und doch wissen wir, wie leicht Kleinigkeiten
dazwischenkommen, die die inbrünstige Zuneigung trüben, die der ehelichen
Beziehung eigen ist.
In Israel war eine derartige Untreue, daß Jehova es völlig verstoßen mußte. Ein
solcher Zustand wird bald im christlichen Bekenntnis eintreten, so daß Christus
es voller Abscheu aus Seinem Munde ausspeien wird (Offb. 3, 16). Noch aber ist
ein Überrest vorhanden, der durch treue Liebe gekennzeichnet wird, es sind die,
die Christi Wort bewahren und Seinen Namen nicht verleugnen (Offb. 3, 10, 8).
Daß ein solcher Überrest vorhanden, ist die Frucht unumschränkter Liebe, die von
Gottes Seite aus zum Wohlgefallen der Personen der Gottheit gewirkt hat. Nach
der Untreue ganz Israels nun und ihrer Nichtanerkennung durch Jehova, bringt Er
es zustande, daß sie "Söhne des lebendigen Gottes" genannt werden (Vers 10).
Kraft einer Wesensart, die fähig ist, Gott in heiliger Liebe zugetan zu sein,
werden sie in gesicherter Familienbeziehung zu Ihm stehen. Dann wird der Ehebund
keinen Zusammenbruch mehr erleben. Gegenwärtig gibt es solche, die unseren Herrn
Jesus Christus in Unverderblichkeit lieben (Eph. 6, 24), und uns steht das
Vorrecht offen, unter ihnen erfunden zu werden. Wir mögen uns der uns inne-
wohnenden Schwachheit sehr bewußt sein, Schwachheit jedoch braucht keine Untreue
zu sein. Bewußte Schwachheit wirft uns um so mehr auf die göttliche Treue sowie
auf die Liebe Christi und Gottes. Im Bewußtsein der göttlichen Liebe
aufrechterhalten, werden wir in unseren Herzen nicht untreu sein. Der Weg der
Befreiung besteht darin, unsere eigene Nichtigkeit dadurch zu erkennen, daß wir
in der Nähe der göttlichen Liebe erhalten werden.
Kapitel 2
Jehova hatte in Kap. 1, 6 gesagt, daß Er Sich fortan des Hauses Israel nicht
mehr erbarmen werde, und Er weigerte Sich, sie als Sein Volk anzuerkennen, doch
an einem künftigen Tage sollten sie "Söhne des lebendigen Gottes" genannt werden
(V. 9 u. 10). In Vers 1 des vorliegenden Kapitels finden wir, daß trotz Jehovas
Verwerfung der Nation solche vorhanden waren, die als Sein Volk anerkannt werden
konnten und die Erbarmen erlangt hatten. Das zeigt, daß es Gott sogar dann
wohlgefällt, einen Überrest zu haben, den Er anerkennen kann, wenn der.
allgemeine Zustand so schlecht ist, daß Er das nicht vermag. So ist es auch
heute. Die vom Überrest sind'in sich selbst nicht etwa besser als die anderen,
sie haben aber durch Gottes Erbarmen Seine Wiederherstellungswege erlebt, die in
diesem Kapitel geschildert werden. Wir alle mußten die Untreue und den
Götzendienst richten lernen, zu dem wir von Natur neigen. Ich glaube, daß wir
irgendwann einmal die Erfahrung machen mußten, was es heißt, unseren Weg
verzäunt zu finden (V. 6), so daß wir den uns vorgenommenen Weg nicht
weitergehen konnten. Gott erlaubte es uns nicht, unseren selbsterwählten Pfad
mit Erfolg fortzusetzen. So handelt Er besonders mit denen, die sich von dem
abgewandt haben, was sie einst von Gott kannten. Wenn sich jemandes Herz einer
früheren Glückseligkeit erinnert, die er nun verloren hat, so ist das ein
mächtiger Ansporn, zurückzukehren. In Vers 7 heißt es: "Ich will hingehen und zu
meinem ersten Manne zurückkehren, denn damals erging es mir besser als jetzt."
Paulus fragt die Galater: "Was war denn eure Glückseligkeit?" (Kap. 4, 15) und
erinnert sie damit an die Freude, die sie nicht genossen. Es ist oft gut, an uns
die Frage zu stellen: Bin ich je glücklicher in meinen Beziehungen zu Gott
gewesen als heute? Wenn das der Fall ist, so bin ich von Ihm abgekommen und täte
besser, sofort zurückzü-
kehren. Alles, was die wahre Glückseligkeit einsichtiger Geschöpfe ausmacht, ist
in Gott Selbst zu finden. Die Folge der aufgekommenen Sünde aber ist, daß das
natürliche Herz etwas anderes Gott vorzieht. Eine törichte Neigung, eine
augenblickliche Freude, eine Form des Selbstvertrauens, der Selbstgerechtigkeit
oder des Gefallens an sich selbst in religiöser Hinsicht, kann uns ein Baal
werden und uns von der Treue gegen den allein wahren Gott und Jesum Christum,
Seinen Gesandten, abbringen (Joh. 17,3). Doch Gott kann sogar mit einem untreuen
Volke Wege der Lockung gehen, in Vers 14 heißt es: "Darum siehe, ich werde sie
locken und sie in die Wüste führen und ihr zum Herzen reden." Seine
Regierungswege und Seine Zurechtbringung haben wir in Vers 6-13. Er mußte Sein
Volk den Ernst seines Abweichens von Ihm fühlen lassen, es brachte Armut und
Enttäuschung mit sich; Er aber versagte nicht, Er unterließ es nicht, sie zu
locken und zu ihren Herzen zu reden. Er ist immer noch ein treu Liebender, der
darauf bedacht ist, Sich dem armen Herzen, das Ihn vergessen, hat, anziehend zu
machen und dessen Gegenliebe wiederzugewinnen. In die Wüste ward sie durch Sein
Locken geführt, das heißt auf eine zarte und zu Herzen gehende Weise. Sie ist
dadurch so bewegt, daß sie für eine Stellung zubereitet ist, wo sie nichts als
nur Ihn haben und keine andere Stimme als die Seine hören wird. Das entspricht
Jeremia 2,2: "Ich gedenke dir die Zuneigung deiner Jugend, die Liebe deines
Brautstandes, dein Wandeln hinter mir her in der Wüste, im unbesäten ¦ Lande."
Die göttlichen Lockungen sind ganz wunderbar; Gott will nicht nur als ein
barmherziger Wohltäter von Seinem Volke gekannt werden, sondern als einer, der
ihre Zuneigung in einer höchst vertrauten und persönlichen Weise begehrt, damit
Seine Liebe anziehender und befriedigender sei als der ganze Bereich des
Erschaffenen. Die Wüste steht hier im Gegensatz zu dem für den Baal verwendeten
Korn, Most und öl. Die göttliche Lockung
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trennt sie von alledem, so daß sie mit Jehova allein und den Kundgebungen Seiner
Liebe zufrieden ist. Jedes Herz, das diese Stellung einnimmt, wird eine Fülle
von Freuden finden, denn es heißt: "Und ich werde ihr von dort aus ihre
Weinberge geben" (V. 14). Wenn wir auf die göttliche Lockung hin damit zufrieden
sind, unser Teil an der Liebe Gottes zu haben, so wird Er uns alles das geben,
was dem Vorsatz jener Liebe entspricht. Er schätzte ihr Wandeln hinter Ihm her
in der Wüste, dem unbesäten Lande, wo es nichts Anziehendes gab und Er ihnen
genug war.
Alsdann gibt Er ihnen das Tal Achor als eine "Tür der Hoffnung" (V. 15); dort
ward die erste Verfehlung im Lande völlig gerichtet (Jos. 7, 24. 25), und das
ist immer notwendig. Wenn wir in unserem Herzen Gott wahrhaft entsprechen
wollen, so wird das immer von einem durchgreifenden Gericht dessen begleitet
sein, was uns von Gott hinwegführte; und das ist dann eine wahre Tür der
Hoffnung, sie eröffnet uns alles, was die Liebe zu geben bereit ist, und die
Folge ist: "Und sie wird daselbst singen wie in den Tagen ihrer Jugend, und wie
an dem Tage, da sie aus dem Lande Ägypten heraufzog" (V. 15). Das Singen ist
hier die Antwort auf die erkannte Liebe Gottes. Darauf erhebt sie voller Liebe
Anspruch auf Jehova als ihren Gatten (V. 16); die Baalim haben ihre Macht
verloren und werden nicht mehr erwähnt (V. 17). Jehova unternimmt es, Sein Volk
wider alle ihre Feinde zu verteidigen, und Er verlobt Sich ihnen in Ewigkeit (V.
18-20). Nun ist es ihnen eine gesegnete gekannte Wirklichkeit, daß Jehova Mensch
ward, nicht nur um Sünder zu erretten, sondern damit Er in einer
Herzensbeziehung gekannt werde, von der ein Ehegatte das schriftgemäße Bild ist.
Er hatte von Anbeginn eine Verlobung mit einem jeden von uns vor Sich; das
besagt, daß wir auf Grund dessen, daß Er ganz und gar für uns ist, ganz und gar
für Ihn sind. Er' hat ein Recht auf uns, denn Er starb für
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uns, als wir in einem Zustande des Todes waren. Wir kennen die Liebe Christi als
eine Liebe, die von uns fordert, Ihm zu leben, und diesen Anspruch erkennt die
Liebe an und handelt danach. Es ist in der Tat eine Sache der Gerechtigkeit wie
auch der Liebe, Ihm und nicht uns selbst zu leben, denn wir sind nicht unser
eigen, wir sind um einen Preis erkauft (1. Kor. 6, 19. 20).
Gerechtigkeit, Gericht, Güte, Barmherzigkeit und Treue in Vers 19 und 20 sind
kostbare Eigenschaften oder Kennzeichen Jehovas, doch in diesem Zusammenhange
besagen sie, daß die Ihm Verlobten Wesenszüge haben werden, die Ihm entsprechen,
auf den sie als Gatten Anspruch erheben. Sie sind sittliche Wesenszüge, die im
Gegensatz zu dem stehen, was 'hienieden ist, und an eine Verlobung kann man
getrennt von dem, dafür passend zu sein, nicht denken. Wir werden in Ewigkeit
Christo gleich sein, doch wenn wir dies wissen, reinigen wir uns, gleichwie Er
rein ist (1. Joh. 3, 2. 3). In Vers 21 und 22 kommt eine bemerkenswerte
Beziehung zwischen dem, was von oben und von unten ist, vor uns. Jisreel ist die
hier auf Erden betrachtete Verlobte, sie ist aber durch eine wunderbare Kette
mit Jehova in der Höhe verbunden. Es gibt keine Unstimmigkeit oder einen Mangel
an Wohlklang zwischen dem Oben und dem Unten. Es ist wunderbar, daran zu denken,
daß es hienieden etwas gibt, was im Einklänge mit dem Himmel und den göttlichen
Personen daselbst steht. Die Heiligen sind durch unendliche Gnade passend, bei
Christo droben zu sein, doch sie werden auch durch das Werk Gottes sittlich
passend für Ihn hienieden, sonst könnten sie schwerlich die Wesenszüge Verlobter
tragen. Der Weissagung bedarf es im Himmel nicht, wohl aber hienieden, und dies,
damit in den Heiligen sittliche und geistliche Zustände gestaltet werden, die
dem, was droben ist, entsprechen.
Auf diese Weise nun wird hienieden ein Zeugnis gesichert nach dem Worte: "Und
ich will sie (die Verlobte)
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mir säen in dem Lande" (V. 23). Am Tage der Zukunft wird Israel die Frucht des
Säens Gottes auf Erden sein
und Sein Lob verkündigen. Petrus jedoch, dieses Schrift wort vor Augen habend,-
wandte es auf die Fremdlinge in
der Zerstreuung an, als er sagte: "Ihr aber seid ein aus erwähltes Geschlecht,
ein königliches Priestertum, eine
heilige Nation, ein Volk zum Besitztum, damit ihr die Tugenden dessen
verkündigt, der euch berufen hat aus
der Finsternis zu seinem wunderbaren Licht; die ihr einst nicht ein Volk wäret,
jetzt aber ein Volk Gottes seid; die
ihr nicht Barmherzigkeit empfangen hattet', jetzt aber Barmherzigkeit empfangen
habt" (1. Petr. 2, 9. 10). So
mit gibt es ein gegenwärtiges Jisreel, ein gegenwärtiges Ergebnis des Säens
Gottes, das aber nur in denen zu fin
den ist, die in innigen Herzensbanden zu Christo stehen und von denen Petrus
sagen konnte: "Welchen ihr, ob
gleich ihr ihn nicht gesehen habt, liebet; an welchen glaubend, obgleich ihr ihn
jetzt nicht sehet, ihr mit unaus
sprechlicher und verherrlichter Freude frohlocket" (1. Petr. 1, 8). Solche
nennen Ihn in diesem Geiste in Wahrheit
"meinen Mann" (V. 16), sie sind Ihm tatsächlich verlobt. Die Heiligen der
Versammlung sollten aus Liebe zu Christo
sicherlich nicht weniger tätig sein als Israel am Tage der Zukunft. ¦ .
Kapitel 3
Der Prophet sollte ein Weib lieben, das "Ehebruch treibt: Wie Jehova die Kinder
Israel liebt, welche sich aber zu anderen Göttern hinwenden und Traubenkuchen
lieben" (V. 1). Daß Gott ein Volk trotz dessen Untreue liebt, ist wahrhaft
wunderbar, und daran zu denken, beugt das Herz voller Bewunderung und Anbetung.
Es ist sehr notwendig, diese Eigenart der göttlichen Liebe zu kennen; es ist
eine Liebe, die ihren Ursprung und ihre Quelle im Herzen Gottes Selbst hat, und
dies auf Grund dessen, was
12 ' ' ¦ • "
Er ist, sie kann nicht durch irgendwelche Unwürdigkeit auf Seiten des Geschöpfes
ausgelöscht oder aufgehalten werden. Jehovas Rechtsstreit mit den Kindern Israel
in den Tagen Hoseas war, daß weder Wahrheit noch Güte noch Erkenntnis Gottes im
Lande war (Kap. 4, 1). Sie wußten nicht, daß Jehova sie trotz ihrer Untreue
liebte, sonst wären ihre Herzen in Reue zusammengebrochen und hätten sich Ihm
zugewandt. Der ganze Dienst der ihnen von Jehova zugesandten Propheten besagte,
daß Er sie immer noch liebte und daß Er ihrer Gegenliebe begehrte; -als Er dann
als der Immanuel in ihre Mitte kam, sollte das in ganz unmißverständlicher Weise
kundwerden; da mußte Er sagen: "Wie oft habe ich deine Kinder versammeln wollen,
wie eine Henne ihre Küchlein versammelt unter ihre Flügel, und ihr habt nicht
gewollt!" (Matth.23,37.) Durch den letzten der alttestamentlichen Propheten sagt
Jehova ihnen: "Ich habe euch geliebt" (Mal. 1, 2), und beim letzten Zustande der
Untreue der Versammlungen sagt der Herr: "Ich überführe und züchtige, so viele
ich liebe. Sei nun eifrig und tue Buße!" (Offb. 3, 19.) Welch rührendes Zureden
von seiten göttlicher Personen l Trotz all des Abweichens und der Untreue, ja
angesichts dessen, duß die Geliebte eine Ehebrecherin ist, hält diese Liebe
stand.
Die Liebe hat sogar ihr Recht der Untreue gegenüber durch Knuf erhärtet (V. 2),
und das sollte sogar Bestand haben, wenn dem nicht entsprochen wurde. Jehova hat
Seinen Anspruch oder Sein Recht darauf, Israel zu besitzen, nicht aufgegeben,
obwohl Er lange darauf gewartet hat, Seinen Anspruch ihrerseits anerkannt zu
sehen. Die letzte Weissagung in Israel lautete, daß Jesus im Begriff stand, für
die Nation zu sterben, damit sie nicht umkomme (Joh. 11, 50-52). Er hält Sein
Recht in liebe aufrecht, und "am Ende der Tage (V. 5) werden die Kinder Israel
umkehren und Jehova, ihren Gott, und David, ihren König, suchen; und sie werden
sich zitternd
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wenden zu Jehova und zu seiner Güte". Sie werden die holdselige Güte, die in
Jesu ihren Ausdruck fand, anerkennen. Die inzwischen verflossenen zweitausend
Jahre haben' Ihn nicht verändert, und wenn sie sich zu Ihm wenden "am Ende der
Tage", werden sie finden, daß die Liebe, in der Er für sie starb, unvermindert
dieselbe geblieben ist.
Alle im christlichen Bekenntnis sind "um einen Preis erkauft'", (1. Kor. 6, 20),
Christus "ist für alle gestorben, •auf daß die, welche leben, nicht mehr sich
selbst leben, sondern dem, der für sie gestorben ist und ist auferweckt worden"
(2. Kor. 5, 15). Er ist berechtigt zu sagen: "Du sollst mir viele Tage also
bleiben, du sollst nicht huren und keines Mannes sein; und so werde auch ich
dir'gegenüber tun" (V. 3). Doch so, wie es bei Israel war, ist es in der
Christenheit gewesen, es hat "viele Tage" gegeben, während der der, Anspruch der
göttlichen Liebe mißachtet wurde, und die Folge war: Gottes Volk ist alles
dessen beraubt worden, was der Ordnung ihres Gottesdienstes vor Ihm entsprach,
und es entbehrte sogar des elenden Trostes, den betrogene Herzen in reinem
Götzendienst finden konnten. Wenn die göttliche Liebe nicht erkannt und ihr
entsprochen wird, hat man in Wahrheit nichts. Kein Teraphim kann ein Ersatz für
Gott sein, und alle, die sich von der Liebe Gottes abwenden, werden finden, daß
sie nichts haben, es an deren Stelle zu setzen. Ich denke, das ist es, was "ohne
Teraphim" sein in Vers 4 besagt. Alle Götzen sind in Wahrheit "Nichtigkeiten"
und werden sich schließlich als solche erweisen (das Wort "Götze" sollte dem
Hebräischen gemäß in 3. Mose 19,4; 26,1; Jes.2,8.18.20; 10,10.11: 19,1.3;
31,7.7; Hes. 30, 13; Hab. 2,18 mit "Nichtigkeit" wiedergegeben werden, und
ebenso "Götter" in 1. Chron. 16, 26 mit "Nichtigkeiten").
Doch die Gattenliebe Jehovas zu Israel hatte dessen Rückkehr "am Ende der Tage"
vor sich, und ich glaube,
die Liebe Christi hegt auch diesen Gedanken mit Bezug auf die Versammlung. Alle
Gläubigen haben etwas davon crfaßt; daß die Versammlung am Tage der Zukunft die
Braut, das Weib des Lammes, sein wird, und daß^ sie im verherrlichten Zustande
Seine Liebe kennen und ihr in einer Weise entsprechen wird, die Sein Herz
befriedigt. Doch nicht alle Gläubigen haben verstanden, daß Gott jetzt einen
besonderen Dienst über Christum und die Versammlung gibt, damit sich die
Heiligen der kostbaren Wirklichkeit dessen zuwenden, was Christus der
Versammlung und die Versammlung Christo ist. Niemand kann, was die gegenwärtige
Wirksamkeit Gottes anlangt, auf dem Laufenden sein, der das nicht versteht; es
kommt "am Ende der Tage" der Versammlung zustande.
Kapild 4-6
Wenn Gott einen Rechtsstreit mit Seinem Volke hat, wie auch sicherlich in der
gegenwärtigen Zeit, so handelt es sich dabei immer um die Erkenntnis Seiner
Selbst. In den Tagen Hoseas ward Sein Volk vertilgt "aus Mangel an Erkenntnis"
(V. 6), oder noch wörtlicher "aus Mangel an der Erkenntnis", nämlich der
besonderen Erkenntnis, auf die in Vers 1 hingewiesen wurde. Wie nun die
Erkenntnis Gottes erlangt werden kann, das zu erwägen ist daher für uns höchst
wichtig. Es ist klar, daß wir sie nicht dadurcli erlangen können, daß wir uns
dem Götzendienst hingeben; in Kap. 5, 4 heißt es: "Ihre Handlungen gestatten
ihnen nicht, zu ihrem Gott zurückzukehren." Das können wir 'verstehen; doch dann
heißt es weiter in Vers 6: "Mit ihrem Kleinvieh und mit ihren Rindern werden sie
hingehen, um Jehova zu suchen, und werden ihn nicht finden, er hat sich ihnen
entzogen." Auf solche Weise ist Er nicht zu finden. Viele wären bereit, große
Opfer zu bringen, wenn sie dadurch die Gunst Gottes erlangen könnten; doch
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unser Prophet, ja die ganze Schrift bezeugt,, daß Er nur durch Bedrängnis und
die Erfahrung gefunden werden kann, daß uns von keiner anderen Seite Hilfe
kommt. Die tiefste Bedrängnis, durch die jemand gehen kann, ist, der Sünde
überführt zu werden und kennenzulernen, was es besagt, daß der Tod auf ihm ist.
Erst wenn jede Hoffnung von anderer Seite abgeschnitten ist, kommen die Menschen
dahin, sich zu Gott zu wenden. Doch keiner .von uns greift bereitwillig zu, wir
schauen erst nach jeder anderen Richtung aus, es heißt in Vers 13: "Und Ephraim
sah seine Krankheit und Juda sein Geschwür; und Ephraim ging nach Assyrien und
sandte zu dem König Jareb; der aber vermag euch nicht zu heilen und wird euer
Geschwür nicht vertreiben." Assyrien war die zu der Zeit vorherrschende
menschliche Macht und stellt meiner Meinung nach das dar, was gegenwärtig die
Vorherrschaft hat. Was den heutigen Tag vornehmlich kennzeichnet, ist das
Vertrauen auf den menschlichen Verstand, die Religiosität ist noch stark in der
Christenheit, doch der Rationalismus oder Modernismus ist stärker, d. h. der
Glaube an die Erkenntnis der Vernunft und die der Neuzeit gemäße Wissenschaft.
Die überhaupt denkende Masse ist der neuzeitlichen Forschung ergeben, die
Heilige Schrift hat für sie kein maßgebendes Ansehen bei der endgültigen
Erledigung jeder Frage, man zieht menschliche Gedanken vor. Der König Jareb, auf
deutsch Streiter, stellt das Streiten des menschlichen Verstandes wider die
Wahrheit dar. Der "Mensch der Sünde" wird der größte Modernist sein, er wird
widerstehen und sich selbst erhöhen "über alles, was Gott heißt oder ein
Gegenstand der Verehrung ist": Der Mensch muß der Erhabene sein (2.Thess.2,3.4).
Doch das Eingreifen Gottes, Sein Vertilgen und Schlagen, nimmt seinen Fortgang,
bis Er als Der anerkannt wird, der um unserer Segnung willen also tut. Er wartet
nach Vers 15, bis Sein Volk die Schuld anerkannt und in der Bedrängnis Sein
Angesicht sucht. Danach gibt Er die
Zusicherung, duß Er heiien und verbinden wird (Kap. ß 1)- wir haben bloß zu Ihm
zurückzukehren, und Er wird Sich unser annehmen. Wenn wir dahin gekommen ind,
werden Wahrheit, Güte und Erkenntnis Gottes wie-ler in die Seele kommen (Kap. 4,
1). Vor dem1 jedoch
kommen noch zwei Tage, an denen wir erfahren müssen, was wir sind, es heißt: "Er
wird uns nach zwei Tagen wieder beleben'- (Kap. 6, 2). In Gottes Wegen mit
Israel gingen das Gesetz und die Propheten Christo voraus; der außerordentlichen
Unwilligkeit des Menschen halber, die Gnade zu schätzen, waren sie eine
notwendige Zubereitung auf Ihn. Das Gesetz überführte die unter ihm Stehenden
ihrer Sünden und Kraftlosigkeit, das war Gottes Absicht damit (Rom. 3, 20: 8,
3), und die Propheten vertieften dieses Werk. In Vers 5.sagt Jehova: "Darum habe
ich-sie bebauen durch die Propheten, habe sie erschlagen durch die Worte meines
Mundes; und mein Gericht geht hervor wie das Licht.'" Erschlagene müssen gerade
auf der Stätte des Todes wieder erstehen, und das geschieht hier: "Er wird uns
nach zwei Tagen wieder beleben, am dritten Tage uns aufrichten, und so werden
wir vor seinem Angesicht leben" (V. 2). Als Immanuel kam, ging denen, "die da
wohnen im Lande des Todesschattens" ein Licht auf (Jes. 7, 14; 8, 8; 9, 2). Es
findet keine Belebung statt, bis Christus kommt; wohl haben wir zubereitende
'Übungen, doch kein Wiederaufleben Gott gegenüber, bis Christus alles das
einführt, was zum Wohlgefallen Gottes ist. Die Pharisäer warfen dem Herrn vor,
daß Er mit Zöllnern und Sündern -esse, daß die Jünger Ähren am Sabbat ausrauften
(Matth. 9,13: 12, 7), doch der Herr hält ihnen jedesmal ihre Unkenntnis von
Hosea 6, 6 vor, Er sagt: "Denn an Güte habe ich Gefallen und nieht am
'Schlachtopfer, und an der Erkenntnis Gottes mehr als an Brandopfern." (Das
hebräische Wort für "Güte" wird in unserer Bibel mit "Frömmigkeit"
wiedergegeben, an den übrigen Stellen in Hos. 2, 19; 4, 1; 10, 12 und 12, 7 aber
2 Kleine Propheten
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immer mit "Güte"). Gott hat Wohlgefallen an dem, was Er für die Menschen den
Gedanken Seiner eigenen Güte gemäß sein kann, und hat das vollkommen in Christo
dargetan. Die Pharisäer wurden nicht deshalb belebt, weil sie es nicht
schätzten; sie wiesen es ganz und gar von sich. Die Jünger dagegen wurden durch
die Glückseligkeit dessen belebt, was sie in Christo gefunden hatten, nämlich
durch den lebendigen Ausdruck der Güte Gottes; Er nahm Sieh all des Elends und
der Not des Menschen lin einer derart vollkommenen Weise an, wie Gott das allein
vermochte. Wo Gott erkannt wird, findet ein wahrhaftes Wiederaufleben statt; die
Betreffenden sind dann, der Spruche des Neuen Testamentes gemäß, von neuem
geboren. Der dritte Tag jedoch scheint über die Neubelebung hinauszugehen; in
Vers 2 heißt es: "Er wird . . . am dritten Tage uns aufrichten; und so werden
wir vor seinem Angesichte leben." Da haben wir den Gedanken, vor Gott zu Seinem
Wohlgefallen zu sein; Er ist also nicht nur für uns, sondern wir sind auch für
Ihn. Israel wird noch wiederauferweckt werden, um in ehelichen Beziehungen zu
Jehova zu stehen und Söhne des lebendigen Gottes zu sein (Kap. 1, 10). Wir
erfreuen uns dessen schon im voraus, und zwar in einer höheren und himmlischen
Welse. Nach Kol. 2, 12 u. 13 wandern wir hienieden nicht nur wie in Rom. 6, 4 in
Neuheit des Lebens, sondern wir sind mit dem Christus auferweckt durch den
Glauben an die wirksame Kraft Gottes, die Ihn aus den Toten auferweckt hat, und
sind mit Ihm lebendig gemacht, so daß wir mit Christo vereinigt vor Gott als
solche leben können, die mit Ihm auferweckt sind. Alles das gehört unserem
dritten Tage an. Der Geist unterstützt uns, diesen Boden einzunehmen; denn die
Befreiung läuft darauf hinaus, daß wir also tun.
"So laßt uns Jehova erkennen, ja, laßt uns trachten nach seiner Erkenntnis! Sein
Hervortreten ist sicher wie die Morgendämmerung" (V. 3). Das sagt uns, daß wir
t n Sohn Gottes so kennen sollen, wie Er jetzt gekannt •erden kann. Jesus ist
hervorgekommen wie die Morgen-• jgflinii'rung eines ewigen Tages. Das ist etwas
Gewisses, denn Seine Lippen haben es ausgesprochen mit den Worten: "Gehe aber
hin zu meinen Brüdern und sprich .zu ihnen: Ich fahre auf zu meinem Vater und
eurem Vater, und zu meinem Gott und eurem Gott" (Joh. 20, 17). Laßt uns da Wicht
zurückblicken, laßt uns völlig nach dem trachten", was uns die göttliche Liebe
ausersehen hat, nämlich, daß der Aufgefahrene auf uns als Seine Brüder Anspruch
erhebt, damit wir mit Ihm in unumwölkter und ewiger Annahme und Verwandtschaft
vor dem Angesicht des Vaters stehen. Der Geist steht in inniger Verbindung
damit, denn Er ist hier, weil Jesus verherrlicht ist (Joh. 7, 39); der
Aufgefahrene hat Ihn herniedergesandt (Joh. 15, 26). Der Heilige Geist ist an
Christi Statt hier, in gewissem Sinne stellt Er Ihn dar, und so kommt Christus
gleichsam zu uns "wie der Spätregen die Erde benetzt" (V. 3). Der Spätregen
kommt, um die Ernte zur Reife zu bringen, und zu diesem Zwecke ist der Geist
hienieden. Das steht in Beziehung zur Vollendung jenes Werkes, das Gottes
völligen Gedanken in der geistlichen Zuneigung und Einsicht der Heiligen
hienieden entfaltet. Das ist es, wonach wir durch Gottes Gnade und Liebe
trachten sollten. Möchte uns die Betrachtung dieser kostbaren Wirklichkeiten
aufs Tiefste bewegen!
Kapitel 11
• Um diese Prophezeiung im rechten Sinne zu lesen, haben wir zu beachten, daß
ihr die Liebe Jehovas zu Seinem Volke zugrunde liegt. Diese Liebe fand einen
rührenden Ausdruck in den ergreifenden und bekümmerten Äußerungen dieses Buches
über Sein untreues Volk. 'In Kap. .6, 7 heißt es: "Sie aber haben den Bund
übertreten wie
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19
Adam", sie waren von der gesegneten Beziehung, in der sie einst standen,
abgewichen. Ephraim hatte sich mit den Völkern vermischt und war "wie ein Kuchen
geworden, der nicht umgewendet ist" (Kap. 7, 8). Er hatte sich selbst nicht
gerichtet, das Feuer hatte nie in der rechten Weise auf ihn eingewirkt; seinem
inneren Zustande nach war nichts in ihm vorhanden, was ihn vor dem Einflüsse der
Welt bewahren konnte. So hatten Fremde seihe Kraft verzehrt, ohne daß er es
gewahr ward, graue Haare zeugten von seinem Kräfteschwund, er aber wußte es
nicht (V. 9). Er glich einer einfältigen Taube "ohne Herz" (V. 11).
Infolgedessen wurden derartige "unter den Nationen wie ein Gefäß, an dem man
keinen Gefallen hat'" (Kap. 8, 8). Die mannigfachen Satzungen des Gesetzes
Gottes wurden wie Fremdes geachtet (V. 12); so war es denn kein Wunder, daß an
solche der Ruf erging: "Pflüget auf einen Neubruch; denn es ist Zeit, Jehova zu
su-. eben, bis er komme und euch Gerechtigkeit regnen lasse" . (Kap. 10, 12).
Vieles davon ist heute ebenso anwendbar wie in den Tagen Hoseas; und Gott fühlt
alles das heute ebensosehr wie damals, weil es die Folge des Abwendens von
Seiner Liebe ist. Er erinnert Israel im vorliegenden Kapitel daran, daß Er sie
von Anbeginn geliebt habe; in Kap. 11,1 heißt es: "Als Tsrael ein Kind war"',
als ihrerseits alles noch im Wachsen und unentwickelt war, liebte Gott sie wie
an eines Sohnes Statt. Und in Vers 3 heißt es dann weiter: "Und ich, ich lehrte
Ephraim gehen, - er nahm sie auf seine Arme." Welch eine väterliche Besorgnis
offenbart sich auf seiten Jehovas, als Er sie in ihrer Schwachheit
aufrechterhielt und sie lehrte, in der Wüste in Unterwürfigkeit gegen Ihn zu
wandeln und Tag für Tag von all der Güte, die sie von Ihm empfingen, abhängig zu
sein! Paulus sagt darüber in Apg. 13, 38 so rührend: "Eine Zeit von etwa vierzig
Jahren säugte er sie in der Wüste." Dennoch erkannten sie in all dieser Zeit
nicht, "daß ich
20
• I Ute" (V. 3)- Er handelte in Liebe, aber sie erkannten SU icht sondern waren
sogar offen den Götzen ergeben. Doch trotz alledem hörte Er nicht auf, sie zu
lieben, und sah in Seinem Knecht Mose einen getreuen Zeugen Sei-•r Liebe. Er tat
Mose und durch Mose Seinem Volke kund, "c zu befreien. Mose war es, der "das
Passah gefeiert und die Besprengung des Blutes, auf daß der Zerstörer der
Erstgeburt sie nicht antaste" (Hebr. 11,28). Mose war der Mittler des Bundes,
und als sich das Volk untreu erwies, verwandte er sich für sie und war willig,
ihrethalben aus dem Buche Jehovas ausgetilgt zu werden (2. Mose 32,32).
Besonders aus dem fünften Buch Mose erfahren wir, wie ihn die Gedanken Jehovas
über Sein Volk erfüllten. Mose war nicht nur ein Bild Christi, sondern der Geist
Christi kennzeichnete ihn persönlich, denn von ihm heißt es in 4. Mose 12, 3:
"Der Mann Mose aber war sehr sanftmütig, mehr als alle Menschen, die auf dem
Erdboden waren."
Alles das umfaßt das Wort unseres Kapitels: "Mit Menschenbanden zog ich sie, mit
Seilen der Liebe" (V. 4). Gott gefiel es, einen Menschen zu haben, der Ihm näher
als irgendein Prophet stand (siehe 4. Mose 12, 6-8), damit Sein Volk in die
Gedanken Seiner Liebe derart eingeweiht werde, wie sie dieser Mann erkannte und
sie in ihm ihren Ausdruck fanden. Natürlich war es Christus, der dargestellt
ward, denn durch Ihn zieht uns Gott in Liebe. Das größte Wunder von allem ist,
daß Jehova Mensch ward, um den Menschen in Seiner Liebe mehr zu sein und ihnen
zu sagen, was in Seinem Herzen ist, und dies nicht nur, indem Er Gutes tat und
alle die heilte, die vom Teufel überwältigt waren (Apg. 10, 38), sondern indem
Er auf Seinen Geist die ganze Last dessen nahm, was der Sünde halber auf dem
Menschen lastete und schließlich ein "Opfer für die Sünde" ward (Hebr. 10, 18)
und unsere Sünden an Seinem Leibe auf dem Holze trug " (l.Petr.2,24), und für
uns den Tod schmeckte (Hebr. 2,9),
" " 21
damit die Wahrhaftigkeit und Tiefe der Liebe Gottes zu den Menschen geoffenbart
und gekannt werde. Auf diese Weise zieht Gott die Menschen mit Menschenbanden
und Seilen der Liebe (V. 4). Es gefällt Ihm wohl, von 'den Menschen als auf
diesem Wege für sie eintretend gekannt zu werden. Der an dem Kreuze starb, ist
nun der lebendige Mittler der Liebe Gottes zu den Menschen, und Er dient
immerdar in Liebe, indem Er Sich in der Höhe für uns verwendet (Hebr. 7, .25).
In'Ihm, dem Verherrlichten, werden der Platz und die" Gunst in der göttlich
vollkommenen Liebe dargestellt, die den Menschen vor Gottes Angesicht haben
will. Der Mensch steht im Himmel in der höchsten Gunst bei Gott, und der große
Gegenstand des Evangeliums ist, daß die Menschen durch Gottes Liebe Christum als
ihre Gerechtigkeit haben und in dem Geliebten Gunst erlangt haben (1. Kor. 1,
30; Eph. 1, 6). Durch die Bande, die von jenem gepriesenen verherrlichten
Menschen ausgehen, zieht Gott die Menschen und bringt sie in die Erkenntnis
Seiner Selbst als eines Solchen, der Sich in Liebe geoffenbart hat. Die ganze
vergangene und gegenwärtige Untreue der Kirche hat die Liebe Gottes nicht
verändert. Die Menschen haben sich von ihr abgewandt, doch sie bleibt beim
Ziehen. In Joli. 12,32 heißt es: "Und ich, wenn ich von der Erde erhöht bin,
werde alle zu mir ziehen." Christus ist nicht abstoßend, sondern anziehend, und
die Tatsache, daß Gott hier von "Banden" und "Seilen" redet, zeigt, daß Er
vorhat, die Menschen fest mit Dem zu verbinden, in dem die Liebe Gottes ihren
Ausdruck fand. Diese Liebe kann nirgendwo anders gefunden werden, in ihrer Fülle
ist sie in Ihm, wie es aus Rom. 8, 39 hervorgeht, wo "von der Liebe Gottes, die
in Christo Jesu ist, unserem Herrn", geredet wird. Sie ist dort für ein untreues
Volk wie auch für eine verlorengehende Welt. Wenn wir der Liebe, die uns zieht,
folgen, so tut sie alles für uns. Gott kennt alles auf unserer Seite und auf
Seiten einer ungetreuen
22
Kirche, doch Er sagt gleichsam: Ich ziehe euch durch den Menschen, in dem Ich
Meine Liebe geoffenbart habe, damit ihr ausfindig macht, daß alles auf eurer
Seite Mir ine Gelegenheit bietet, Meine Liebe zu zeigen. So war s tatsächlich
immer; handelte es sich um einen nackten Sünder in Eden oder durch schwere
Lastarbeiten, bedrückte Sklaven in Ägypten (2. Mose 1, 11), oder das den Götze"
dienende Israel oder selbstgerechte Juden oder arme Heiden, die ohne Gott in der
Welt waren ((Eph. 2, 12): Gott machte Sich als ein in Liebe Handelnder kund,
damit sich das zugrunde gerichtete Geschöpf zu Ihm, der diesen Wesenszug des
Segens trug, kehre und durch Seine Erkenntnis gesegnet werde. Nun ist die große
Wahrheit dessen, was Gott dem Menschen ist, in dem Menschen Seines
Wohlgefallens, dem Sohn Seiner Liebe, zum Vorschein gekommen. Es wird nie wieder
ein derartiges Ziehen zu Gott geben, wie wir es heute haben; die Herrlichkeit
Gottes leuchtet im Angesichte Christi (2. Kor. 4, 6), und sie ist dem Menschen
überaus günstig. Einige von uns haben ein wenig davon kennengelernt, wie
anziehend sie ist; möchten wir sie in einem immer mehr zunehmenden Maße
erkennen!
Des weiteren tut es uns not, nicht nur das Anziehende der Liebe Gottes zu
kennen, sondern auch ihre befreiende Macht. Wir finden, daß wir von Natur
unfähig sind, uns den Segen, den uns Gottes Liebe ausersehen, zu eigen zu
machen; wir müssen lernen, wie Er uns freimachen kann, uns von alledem zu
nähren. In Vers 4 heißt es: "Und ich ward ihnen wie solche, die das Joch auf
ihren Kinnbacken aufheben, und sanft gegen sie, gab ich ihnen Speise." Wie
auffällig viel besagt doch dieser Ausspruch! Denn nicht nur das Passahlamm und
das damit verbundene ungesäuerte Brot, sondern auch das Teil der Priester an den
Opfern sowie das Manna und das ,alte Korn des Landes war die Speise, die Israel
zu essen bekam. Wir mögen wohl darüber reden oder es als einen Ausspruch
23
lesen; erwägen wir aber alles, wovon es im Bilde redet, wie überaus groß ist es
da!
Sodann war die Erfahrung der Wüste: "Daß der Mensch nicht von Brot allein lebt,
sondern daß der Mensch von allem lebt, was aus dem Munde Jehovas hervorgeht'"
(5. Mose 8,3); das umfaßt außerordentlich viel. Hier sei darauf hingewiesen, duß
das hebräische Wort für "Mund" öfter mit "Befehl" wiedergegeben wird, und zwar
besonders im vierten Buch Mose, dem Wustenbuch. .Was aus Gottes Munde
hervorgeht, steht 'ganz persönlich mit Ihm in Verbindung, es ist 'eine ganz
unmittelbare Mitteilung, und Er möchte, daß wir davon leben. Wenn das in
alttestamentlichen Zeiten so war, wie es das sicherlich war, wieviel mehr nun,
wo der Sohn persönlich auf Erden geredet hat und wir in den Briefen der Apostel
das haben, was in Wahrheit ein Reden Gottes vom Himmel her ist (Hebr. 12,25).
Von alledem haben wir uns zu nähren, und Gott in Seiner Liebe möchte uns "sanft"
(V. 4) darauf hinweisen, diese wunderbare geistliche Nahrung .zu essen, und wir
tun das kraft der gesegneten, befreienden Wirksamkeit Seiner Liebe. Wir
bemerkten /schon, daß dieses Buch dem Volke Gottes Herzensfreiheit 'bringen
sollte, und Freiheit, "Speise" zu sich zu nehmen, ist dabei ganz wesentlich:
denn was aus Gottes Mund hervorgeht, redet auf die eine oder andere Weise von
Seiner Liebe, sogar hinter einem Tadel oder einer Zurechtweisung steht die
Liebe. In den Evangelien wie auch in den Briefen redet jedes Wort von göttlicher
Liebe. Satan macht es nichts aus, womit wir gehen oder wovon wir uns nähren,
wenn er uns davon abbringen kann, uns von der Liebe göttlicher Personen zu
nähren, von dieser Liebe aber können wir so viel haben, wie wir begehren. In
gewissem Sinne ist es uns überlassen, wieviel uns befriedigt, und wir können es
uns zur Speise oder zum Trank machen,
¦'¦ - Kapitel 12
Auffallend in diesem Kapitel sind die Hinweise auf J kob sie haben scheinbar
wenig mit dem zu tun, wovon ¦ r Prophet redet. Er wendet sich plötzlich von all
dem cnwärtigen Versagen des Volkes ab und verweilt bei der Tatkraft, die ihren
großen Vorvater kennzeichnete. Vor der Geburt Esaus und Jakobs lautete der
Ausspruch Jehovas: "Der Ältere wird dem Jüngeren dienen" (l.Mose 25, 23);
dementsprechend ward dabei eine Tatkraft offenbar, die das von ihm Gesagte
durchzuführen versprach: Im Mutterleibe hielt er seines Bruders Ferse" (Hos.
12,3; l.Mose 25,26); deshalb wird er Jakob, das heißt "Fersenhalter" oder "Verdränger",
genannt. Das besagt, daß mit der Auswahl Gottes immer eine innewohnende Tatkraft
verbunden ist, das, was von Natur zuerst kommt, zu verdrängen oder zu enteignen.
Esau stellt das dar, was wir von Natur als Kinder Adams sind, Jakob dagegen das,
was wir durch Gottes Gnade und Auswahl sind. Das Werk Gottes in den Seelen ist
die Folge Seiner Auswahl, und Er vollführt es, um das, was dem der Zeit nach
vorausging, beiseite zu setzen, so daß die Betreffenden einen Pfad einschlagen,
den sie von Natur nicht gegangen wären. Als Israel sich von Jchova hinweg und
dem Götzendienst zuwandte, hatte es den Gedanken, den Älteren, den Esau-Menschen,
zu enteignen, ganz aufgegeben. Das war die Wurzel all des schrecklichen
Abweichens und der Un-. treue; sie waren zu dem Menschen, den Jehova haßte,
zurückgegangen (Mal. 1, 2. 3; Rom. 9, 13). Zweifellos rühmten sie sich, Jakob
zum Vater zu haben, aber sie besaßen nicht dessen Tatkraft, den Älteren zu
verdrängen. Der Unterschied zwischen dem alten und dem neuen Menschen konnte vor
dem Tode Christi nicht wahrhaft gekannt werden; wir nun können diese in Bildern
redenden Schriftworte im Lichte dessen lesen, was kundgemacht worden ist, In
Gottes Auserwählten sollte soviel Tatkraft
24
25
gewesen sein, den Menschen nach dem Fleische zu verdrängen, dann hätte es von
Seiten dieses durch das Werk Gottes verdrängten Menschen kein Abweichen, keinen
Götzendienst geben können. Das wirft bei jedem von uns die Frage auf: Haben wir
die Tatkraft, Anspruch, auf den Platz des "Jüngeren" zu haben? Das von Gott
gewirkte soll all das, was vorher da war, verdrängen. Nur auf diese Weise können
wir in unseren Herzen die Treue aufrechterhalten.
Dann finden wir, daß Jakobs Tatkraft, die seinen Bruder bei der Ferse hielt,
sich in eine solche wandelte, die sich Gott gegenüber betätigte, es heißt: "In
seiner Manneskraft kämpfte er mit Gott; er kämpfte mit dem Engel und überwand"
(V. 4 u. 5). Im geschichtlichen Bericht von 1. Mose 32 heißt es: "Es rang ein
Mann mit ihm" (V. 24), Hosea jedech verweilt nicht dabei, dem Geisl Gottes kam
es hier darauf an, die Tatkraft Jakobs vorzustellen. Wohl ist es wahr, daß er
erst, was seine natürliche Kraft anlangt,, gelähmt werden mußte, ehe er bei Gott
die Oberhand haben konnte, doch er besaß geistliche Stärke, mit Gott zu kämpfen.
Wir lesen, daß Paulus nach Kol. 2, 1 einen Kampf hatte, und in Kol. 4, 12
gebraucht er dann im Griechischen denselben Worfstamm, in dem Worte "ringen'',
von Epuphras, "der von euch ist"', also ein Kolosser war. Darin sehen wir die
große Tatkraft, die von den Heiligen Gott gegenüber aufgewendet wird. Ein
wohlbekannter Diener des Herrn pflegte denen, die ihm Fragen stellten, zu sagen:
Haben Sie je eine Nacht darüber im Gebet zugebracht? Ich denke, die meisten von
uns haben einen Mangel an Tatkraft Gott gegenüber zu beklagen, und doch ist es
gerade dies, wodurch die Erkenntnis Gottes in Kraft in die Seele kommt. Auch
Tränen haben darin ihren Platz, denn es heißt: "Er weinte und flehte zu ihm" (V.
5). Wie demütigend für das dem Götzendienst ergebene Israel, an die Tatkraft
erinnert zu werden, womit ihr großer Vorfahre Jehova zu erkennen
26
suchte, während sie Ihn jedes sich ihnen darbietenden wcrtlosen Götzen halber
aufgegeben hatten. Für manche
-"n uns ist das kaum weniger demütigend. In alledem - *"e'te Gott Israel, und
sagt es jetzt auch uns, daß Seine Aüserwählten durch die Tatkraft und den
Herzens-ntschluß ans Licht kommen, mit der sie Ihn suchen. Sodann heißt es: "Zu
Bethel fand er ihn, uiid daselbst redete er mit uns, und zwar Jehova, der Gott
der Heerscharen selbst, Jehova ist sein Gedächtnis" (V. 4 u. 5). Schon früh in
seinem Leben ward Jakob die Gunst zuteil, einen Eindruck vom Hause Gottes zu
bekommen, so daß er ihm einen Namen geben konnte (1. Mose 28, 19); doch das
geschah viele Jahre, bevor er in einem passenden Zustande dahin kam (Kap. 35).
Danach hatte er fremde Götter in seinem Haushalt, die hinweggetan werden mußten,
sowie andere Angelegenheiten, die zu ordnen waren, ehe Gott ihn in einem Bethel
angemessenen Zustande fand. Schließlich aber kam er dahin, und wenn Jakob dort
sein konnte, warum nicht ganz Israel? Aus alledem sehen wir, daß Jehova
gleichsam zu Seinem armen, den Götzen dienenden Volke sagte: "Beschäftigt euch
mit der Geschichte Jakobs und kommt dahin, wohin er kam." Weshalb sollteri
einige von uns den Götzen Raum geben und uns dadurch dem Hause Gottes
fernhalten, wo Er mit uns reden und uns zu der Glückseligkeit der Offenbarung
Seiner Selbst in Liebe bringen will? Es heißt: "Und Jakob gab dem Orte,
woselbst. Gott, mit ihm geredet hatte, den Namen Bethel" (1. Mose 35, 15). Ist
es Gott möglich, mit uns zu reden? Ganz gewiß, denn der Geist leitete Hosea zu
sagen: "Daselbst redete er mit uns" (V. 5), das zeigt, daß Gottes Reden in
Seinem Hause im Blick auf Sein ganzes Volk geschieht. Er redet daselbst, und
wenn wir Ihn hören wollen, müssen wir dahin kommen. Gottes geoffenbarter Name
ist Sein Gedächtnis; für uns ist dieses der im Sohn geoffen-barteVater. Es ist
schrecklich, wie leicht die Offenbarung Gottes genommen wird, die in Wahrheit
die größte Glück-
27
Seligkeit des Geschöpfes ausmacht. Was sind all die Götzen dieser Welt wert,
wenn wir sie vom Standpunkte dessen aus betrachten, was sich geziemt? Gott
dagegen- redet, damit wir wissen, was Er uns gegenüber im Herzen und Sinn hat,
nämlich daß zum Vorschein kommen möchte, was Er ist, und Er will, daß wir Sein
Haus als den Platz kennen, wo Er redet.
Es war "Jchova, der Gott der Heerscharen'' (V. 6), der in Seinem Hause redete,
das heißt Gott in Beziehung zu durch Ihn gesegneten "Heerscharen" (siehe auch:
2. Sam. 5,10; l.Kön.19,10.14; Jer.5,14; Arnos 5,14.15; 6,8.14). Das Reden in
Seinem Hause heutzutage empfängt seine Eigenart durch die Tatsache, daß Gott
geoffenbart worden ist, der Name des Vaters ist durch Seinen geliebten Sohn
kundgemacht. Wenn Er als Vater geoffenbart ist, so besagt das, die Menschen
sollten Ihn als in überaus großer Gunst handelnd kennen und in eine
dementsprechende Verwandtschaftsbeziehung versetzt werden. Die "Heerscharen"
sind jetzt Kinder und Söhne; "in Christo Jesu" sind sie zum Wohlgefallen Gottes.
Die Stellung und Verwandtschaft, in die sie gebracht worden sind, entspricht dem
ihnen kundgemachten Namen, und alles das ist unendlicher Gnade und Liebe zu
verdanken. Zu Pniel hatte Jakob gesagt: "Ich lasse dich nicht los, du habest
mich denn gesegnet" (1. Mose 32, 26), und aus dem Zusammenhang geht hervor, daß
Gott ihn daselbst segnete (V. 29) und sagte, daß sein Name hinfort "Israel"
heißen solle, das heißt Kämpfer oder Fürst Gottes (V. 28). Zu Bethel jedoch
bestätigt Gott dies ausdrücklich, denn in Kap. 35, 10 heißt es: "Und er gab ihm
den Namen Israel." Das besagt, er war daselbst als einer, der diesen besonderen
Namen trug, und demnach sind wir daselbst als Söhne. Zuerst müssen wir die
Übungen durchmachen, das Fleischliche und Natürliche zu verdrängen, und dann
erlangen .wir Gott gegenüber so viel Tatkraft, uns Seine Segnung zu sichern, und
bekommen einen fürstlichen Namen im Hause
28 . '
C ttes und auf diesem Boden wiU Gott mit uns reden und
Seinen Namen kundtun. Alles das wird hier als durch
Jakobs innere Übung und Tatkraft zu erlangen angesehen,
sollte unsere Herzen zu größerem Ernste anregen im Blick auf die Segnung Gottes
und unseren Platz in Seinem Hause als Söhne. Hier handelt es sich nicht um die
j2vangeliumsseite der Wahrheit, wonach wir die Sohn-schaft als Gabe Gottes
empfangen, sondern um die Tatkraft auf unserer Seite, die nicht ruht, bis wir
uns bewußt in dieser Würde im Hause Gottes befinden.
Der zweite Hinweis auf Jakob in diesem Kapitel bringt in Vers 13 eine andere
Seite der Wahrheit vor uns: "Israel diente um ein Weib und hütete um ein Weib."
Ich zweifle nicht daran, daß der Geist, als Er dies sagte, im Sinne hatte, daß
Jehova eine verlängerte Zeit diente (vgl. 1. Mose 29,27), um Sich Israel in
Weibesbeziehungen für Sich Selbst zu sichern. Die Stellung eines Weibes, zu der
Israel berufen war, hat einen ganz hervorragenden Platz in diesem Buch. In 1.
Mose 29, 20 heißt es: "Und Jakob diente .um Rahel sieben Jahre; und sie waren in
seinen Augen wie einzelne Tage, weil er sie liebte." Das war im Bilde ein
rührender Ausdruck davon, wie Jehova Israel geliebt hatte; Er hatte gleichsam
von den Tagen Moses an ge-dient, um Israel für Sich Selbst zu gewinnen. Sein
Dienst ward durch die ausgeübt, durch die' Er wirkte, wie es der nächste Vers,
Hosea 12, 14, besagt: "Und Jehova führte Israel durch einen Propheten aus
Ägypten herauf, und durch einen Propheten wurde es gehütet." Der gesamte
prophetische Dienst Gottes in Israel, von Mose bis Male-achi'im Alten Testament
und durch Johannes den Täufer und Christum im Neuen, geschah, das Volk für
Jehova zu hüten, damit sie in wahrhaft weiblicher Beziehung zu Ihm ständen. Alle
von Gott gesandten Propheten wirkten in diesem Sinne, und dennoch ward dieser
Dienst der Liebe nicht erwidert. Israel hatte sich als untreu und den Götzen
ergeben erwiesen, wie es gerade Hosea in seinen ernst-
29
I
liehen Vorstellungen und, Ermahnungen bezeugt. Der Herr Selbst mußte sagen:
"Umsonst habe' ich mich abgemüln. vergeblich und für nichts meine Kraft
verzehrt" (Jos. 49, 4); und: "Jerusalem, Jerusalem, die"da tötet die Prophe-•
ten und steinigt, die zu ihr gesandt sind! Wie oft habe icli deine Kinder
versammeln wollen, wie eine Henne ihre Küchlein versammelt unter ihre Flügel,
und ihr habt nicht gewollt!" (Matth.23,37).
Der Gedanke des Dienens um ein Weib ist nicht auf Israel beschränkt, sondern
ward in den Beziehungen Christi zur Versammlung wiederaufgenommen. Wie
weitgehend diente Er, als Er Sich Selbst für sie gab (Eph. 5, 25)1 Und des
weiteren diente Er, indem Er sie heiligte und reinigte durch die Waschung mit
Wasser durch das Wort, damit sie Ihm als Sein Weib auch entsjireche (Eph. 5,
26). Er dient durch die verliehenen Gaben. Wenn Israel um eines Weibes willen
Schafe hütete, so sagt uns das, daß all der Hirtendienst Christi an den Seinen
im Blick darauf geschieht, sie zum Weibe zu haben. Was Er an uns als Einzelnen
tut, läuft am Ende darauf hinaus, daß Seine. Liebe an der Versammlung
Befriedigung finde und von ihr, Seinem Weibe, erwidert werde. Das Buch Hosea
erhebt die Frage bei uns, ob Sein gesegneter gegenwärtiger Dienst zur Folge hat,
daß wir Ihm in wahrhaft weiblicher Zuneigung und Ergebenheit angehören. Ach! so
vieles im christlichen Bekenntnis entspricht der großen Hure von Offenbarung 19!
Israel, in fürstlicher Würde im Hause Gottes, steht im Einklänge mit dem
Gedanken der Sohnschaft, wie sie uns in diesem Buche in Kap. 1, 10 und 11, 1
entgegentritt. Das Weib, wofür Israel diente, stellt im Bilde die getreue und
erwiderte Zuneigung eines Weibes dar, deren Mangel in diesem Buche so beklagt
wird. Sohnschaft Gott gegenüber und weibliche Treue und Zuneigung Christo
gegenüber sind zwei der kostbarsten und ergreifendsten Gedanken der göttlichen
Liebe. Beide sollen in der Ver-
mlune im gegenwärtigen Zeitabschnitt zustande kom-** n und dem Dienst der
Versammlung bei ihrem Zu-""mmenkommen ihre Eigenart verleihen. Doch >vie bei |
acl so ist es auch mit der Versammlung gewesen, man ' " vo'n den großen Gedanken
der göttlichen .Liebe ab-
5 ji
iln. Deshalb ist es notwendig, umzukehren; in Vers es: "Du denn, kehre um zu
deinem Gott; bewahre Güte u^ Recht> und hoffe beständig auf deinen Gott." Das
Wort "kehre um" ist sowohl demütigend als auch ermutigend; demütigend, weil es
besagt, daß ein Abweichen stattgefunden hat, ermutigend, weil unendliche Gnade
es ermöglicht umzukehren. In höchst ergreifender Weise werden wir das im letzten
Kapitel dieses Buches sehen.
Kapitel 14
•Ein auffallender Zug dieses Buches ist, daß sich ergreifende Worte der Gnade
inmitten scharfer Bloßstellungen des Zustandes des Volkes vorfinden. Dieser
.Prophet erhebt sehr ernste Anklagen gegen ihre Untreue, keine jedoch konnte
sich, was Gnade anlangt, zarter oder mächtiger an die Herzen des Volkes wenden.
In Kap. 13,4 u. 5 heißt es: "Ich aber bin Jehova, dein Gott, vom Lande Ägypten
her; und du kennst keinen Gott außer mir, und da ist kein Retter neben mir. Ich
habe dich ja gekannt in dem Lande der Dürre." Trotz des Abweichens Seines Volkes
blieb Jehova, was Er war. Es hatte sie zugrundegerichtet, daß sie wieder Ihn,
ihre Hilfe, waren (V. 9). Trotz der langen Jahrhunderte des Frevels auf ihrer
Seite war Er noch Jehova, ihr Gott. Und so ist es heute noch.
Zu Beginn unserer Haushaltung ward der Vater ,jm Sohne geoffenbart, die Erlösung
ward durch göttliche Liebe, durch den Tod und das Blutvergießen Christi gewirkt,
damit die Gläubigen in Christo einen ganz neuen Platz vor Gott haben sollten,
sie sollten, nun der Geist
31
ihnen gegeben werden konnte, zu Gotles Wohlgefallen den Platz von Söhnen haben.
Zu Anfang von Römer 5 und ii wird das von den Heiligen genossene Teil
beschrieben, dazu im Kolosserbrief sind wir mit Christo auferstanden, und im
Epheserbrief sind wir versetzt in das Himmlische: der erste Korintherbrief
bringt des Herrn Gebote über christliche Gemeinschaft und die göttliche
Versammlungs-ordnung (1. Kor. 14, 37). Wenn wir das alles erwägen, müssen wir
zugeben, daß ein sehr großes Abweichen stattgefunden hat; Gott aber ist gewiß
nicht von Seinen ursprünglichen Gedanken abgewichen, so daß ein Umkehren zu Ihm
ein Umkehren zu dem bedeutet, was Seinem Sinn und Herzen entspricht, und das zu
tun steht Seinem ganzen Volke frei. Wir sollten nicht bloß zu dem zurück kehren,
was unsere persönliche Segnung betrifft, sondern auch zu der Wahrheit, Ordnung
und den Vorrechten der Versammlung.
Unser Kapitel beginnt mit den Worten: "Kehre um, Israel, bis zu Jehova, deinem
Gott, denn du bist gefallen durch deine Ungerechtigkeit.'' Ungerechtigkeit ist
das Abweichen von Gott und von dem, was Er im Sinn und Herzen hat, doch Er sagt:
"Kehre um." Er gibt uns auch Worte in den Mund, um es uns so leicht wie möglich
zu machen, Ihm in der rechten Weise zu nahen. Er ist ebenso bereit, die
Ungerechtigkeit des christlichen Bekenntnisses ¦zu vergeben, wie Er dies Israel
gegenüber war. In Vers 2 heißt es: "Nehmet Worte mit euch und kehret um zu
Jehova, sprechet zu Ihm: Vergib alle Ungerechtigkeit, und nimm uns gnädig an, so
werden wir dir die Fairen unserer Lippen (vgl. Kap. 13, Ende Vers 2)
darbringen." Sich von Gott abwenden und sieh selbst und den Götzen zu leben ist
etwas Schreckliches. Es ist dies heute viel schrecklicher als in den Tagen
Hoseas, weil das Licht, worin Sich Gott jetzt geoffenbart hat. viel größer ist.
Jede Form' der Ungerechtigkeit kann jedoch vergeben werden, sei es Weltlichkeit,
Selbstgerechtigkeit, in gött-
32 .•/'¦'
auf den Verstand des Menschen vertrauen, flbg des Menschen folgen oder Sekten-
. Er lchrt Sein Volk sagen: "VerSib alle uj"&erech-• teit und nimm uns gnädig
an." Er wird das sicherlich .? gegenüber tun, die sich zu Ihm wenden. Er nimmt *
s "ur auf eine Art an, seien es neu aus der Welt Bekehrte oder alte, von Seinen
Wegen Abgekommene, nämlich der Annahme Christi gemäß. Er hat für keinen eine
weite oder dritte Klasse der Annahme, Er nimmt uns der allerbesten Art gemäß
auf, wenn Er das überhaupt tut und dies im Blick auf den Opferdienst. In dem
beachtenswerten Ausdruck "Farren unserer Lippen" tritt uns eunz klar der Gedanke
geistlicher Sehlachtopf er entgegen; es handelt sich jetzt nicht um
buchstäbliche Farren, sondern darum, die Größe der Kostbarkeit Christi im Lobe
unserer Lippen vor Gott zum Ausdruck zu bringen. Wir werden als in Ihm
Angenommene aufgenommen, und als derart Befreite reden wir voller Freude von Ihm
zu Gott. Wir lehnen dann alles ab, was uns vordem ein Fallstrick gewesen,
nämlich den menschlichen Verstand, die natürliche Kraft und alles von uns selbst
Stammende (V. 3). Eben als solche, die bewußtermaßen der Unterstützung und des
Rates der Menschen beraubt sind, finden wir Erbarmen bei dem glückseligen Gott.
"Ich will ihre Abtrünnigkeit heilen" (V. 4) besagt, daß keine Narbe
zurückbleibt. Der jüngere Sohn in Lukas 15 kam in das Haus des Vaters ohne eine
Spur des ferneji Landes oder seiner früheren Wege. Daß der Vater ihn mit Küssen
bedeckte, entspricht im Neuen Testament den Worten von Hosea 14, 4: "Ich . . .
will sie willig lieben." Wenn Er uns in Christo und wie Christum' aufnimmt,
könnte es da anders sein? In Joh. 17, 23 heißt es: "Auf daß die Welt erkenne,
daß du mich gesandt und sie geliebt hast, gleichwie du mich geliebt hast."
"Ich werde für Israel sein wie der Tau" (V. 5). Derart handelt Gott denen
gegenüber, die Er aufnimmt und liebt.