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Die Irrlehre Calvins
Johannes Calvin, Institutio, Buch III,
Kap. 21
Von der ewigen Erwählung, kraft
deren Gott die einen zum Heil, die anderen zum Verderben vorbestim
Notwendigkeit und Segenswirkung der Erwählungslehre
Nun wird aber der Bund des Lebens nicht gleichermaßen bei allen
Menschen gepredigt, und er findet auch bei denen, die seine Predigt zu hören
bekommen, nicht gleichermaßen und fortwährend den gleichen Platz. In dieser
Verschiedenheit tritt die wundersame Hoheit des göttlichen Gerichts zutage. Denn
es kann nicht zweifelhaft sein, daß auch diese Verschiedenartigkeit dem Urteil
der ewigen Erwählung Gottes dient. Ist es nun aber offenkundig, daß es
durch Gottes Wink geschieht, wenn den einen das Heil ohne ihr Zutun angeboten
wird, den anderen dagegen der Zugang zu diesem Heil verschlossen bleibt, - so
erheben sich hier gleich große und schwere Fragen, die nicht anders zu lösen
sind, als wenn die Frommen innerlich klar erfaßt haben, was sie von der
Erwählung und Vorbestimmung wissen müssen. Wahrlich, - wie es vielen scheint! –
eine verwickelte Frage: man meint, es sei doch nichts weniger sinnvoll, als daß
aus der allgemeinen Schar der Menschen die einen zum Heil, die anderen aber zum
Verderben vorbestimmt sein sollten! Wie ungeschickt sich aber die Menschen, die
dergleichen Meinungen haben, selbst Schwierigkeiten bereiten, das wird gleich
aus dem Zusammenhang deutlich werden.
Man muß auch bedenken, daß gerade in dieser Dunkelheit, die sie
erschreckt, nicht nur der Nutzen dieser Lehre, sondern auch ihre über die
Maßen süße Frucht zutage tritt. Wir werden nie und nimmer so klar, wie es
sein sollte, zu der Überzeugung gelangen, daß unser Heil aus dem Brunnquell der
unverdienten Barmherzigkeit Gottes herfließt, ehe uns nicht Gottes ewige
Erwählung kundgeworden ist; denn diese verherrlicht Gottes Gnade durch
die Ungleichheit, daß er ja nicht unterschiedslos alle Menschen zur Hoffnung auf
die Seligkeit als Kinder annimmt, sondern den einen schenkt, was er den anderen
verweigert. Wie sehr die Unkenntnis dieses Grundsatzes Gottes Ehre
mindert, und wie sehr sie der wahren Demut Abbruch tut, das liegt auf
der Hand. Nun kann aber nach Paulus diese Tatsache, die zu erkennen so hoch
vonnöten ist, gar nicht begriffen werden, wenn nicht Gott unter Beiseitelassen
jeder Rücksicht auf die Werke die Menschen erwählt, die er bei
sich zu erwählen beschlossen hat! "In dieser Zeit", sagt er, "werden die Übrigen
selig werden nach der Wahl der Gnade. Ist’s aber aus Gnaden, so ist’s
nicht aus Verdienst der Werke; sonst würde Gnade nicht Gnade sein. Ist’s
aber aus den Werken, so eben nicht aus Gnaden; sonst wäre Werk nicht Werk!"
(Röm. 11, 5. 6). Wir müssen also auf den Ursprung der Erwählung zurückverwiesen
werden, damit es feststeht, daß uns das Heil von nirgendwo anders her, als
allein aus reiner Freundlichkeit Gottes zuteil wird; wer das nun also auslöschen
will, der verdunkelt, soweit es in seiner Macht steht, in Bosheit, was
doch gewaltig und mit vollem Munde gerühmt werden sollte, ja, er reißt
auch die Wurzel der Demut aus! Paulus bezeugt deutlich: wo das Heil des
übrigbleibenden Volkes der "Wahl der Gnade" zugeschrieben wird, da wird
erst erkannt, daß Gott aus reinem Wohlgefallen selig macht, welche
er will, daß er aber nicht etwa Lohn austeilt, den er ja nicht schuldig sein
kann. Wer nun die Tore verschließt, so daß keiner es wagt, an einen Geschmack
von dieser Lehre zu kommen, der tut den Menschen nicht weniger Unrecht als Gott;
denn es gibt nichts anderes, das uns so nach Gebühr zu demütigen
vermöchte – und wir werden dann auch nicht von Herzen empfinden, wie sehr wir
Gott verpflichtet sind! Auch finden wir doch anderswo keine Stütze zu
getroster Zuversicht. So lehrt es Christus selber: um uns mitten in soviel
Gefahren, soviel Nachstellungen und tödlichen Kämpfen von aller Furcht zu
befreien und unbesieglich zu machen, verheißt er, daß alles, was er von seinem
Vater in Obhut empfangen hat, unversehrt bleiben soll (Joh. 10, 28. 29). Daraus
schließen wir: wer nicht weiß, daß er Gottes besonderes Eigentum ist, der muß
jämmerlich daran sein und aus dem Zittern nicht herauskommen. Die Leute also,
die diesen dreifachen Nutzen, von dem wir sprachen (Gewißheit, Demut,
Dankbarkeit), blind übersehen und auf diese Weise das Fundament unseres
Heils gern aufheben möchten, die tun also sich selbst und allen Gläubigen einen
sehr schlechten Dienst! Was will man denn dazu sagen, daß doch auf diesem Grunde
die Kirche sich erhebt, die man sonst, wie Bernhard richtig lehrt, gar
nicht auffinden, auch nicht unter den Kreaturen wahrnehmen könnte? Denn sie
liegt auf wundersame Weise einerseits im Schoß der seligen Vorbestimmung,
andererseits in der Masse der elenden Verdammnis verborgen! (Bernhard von
Clairvaux, Predigten zum Hohen Liede, 78).
Die erste Gefahr: der Vorwitz!
Bevor ich nun an die Sache selbst herangehe, muß ich zunächst mit
zweierlei Menschen ein zwiefaches Vorgespräch halten.
Die Erörterung über die Vorbestimmung ist zwar an sich schon einigermaßen
verzwickt; aber der Vorwitz der Menschen macht sie erst recht verwickelt und
geradezu gefährlich. Er lässt sich durch keinerlei Riegel davon abbringen, sich
auf verbotene Abwege zu verlaufen und über sich hinaus in die Höhe zu dringen;
wenn es möglich ist, so lässt er Gott kein Geheimnis übrig, das er nicht
durchforscht und durchwühlt. Wir sehen, wie viele Menschen immer wieder in diese
Vermessenheit und Schamlosigkeit geraten, auch solche, die sonst nicht übel
sind; es ist also an der Zeit, sie darauf aufmerksam zu machen, was in diesem
Stück ihre Pflicht ist.
Zunächst sollen sie sich daran erinnern, daß sie mit ihrem Forschen nach der
Vorbestimmung in die heiligen Geheimnisse der göttlichen Weisheit
eindringen; wer nun hier ohne Scheu und vermessen einbricht, der erlangt nichts,
womit er seinen Vorwitz befriedigen könnte, und er tritt in einen Irrgarten, aus
dem er keinen Ausgang finden wird! Denn es ist nicht billig, daß der Mensch
ungestraft durchforscht, was nach des Herrn Willen in ihm selber
verborgen bleiben soll, und daß er die Hoheit seiner Weisheit, die er
angebetet und nicht begriffen wissen wollte und um deretwillen er uns
ja eben wunderbar sein will, geradezu von der Ewigkeit her durchwühlt. Die
Geheimnisse seines Willens, die er uns kund-zumachen für gut erachtete, die hat
er uns durch sein Wort vor Augen gestellt. Er hat das aber soweit für gut
erachtet, als es nach seiner Vorsehung zu unserem Besten dient und uns nützlich
ist.
"Wir sind auf dem Wege des Glaubens gekommen", sagt Augustin, "so
wollen wir auch beständig auf ihm bleiben! Er führt uns zur Kammer des Königs,
in der alle Schätze der Erkenntnis und der Weisheit verborgen liegen. Denn es
war nicht etwa Missgunst, die den Herrn Christus gegenüber seinen Jüngern, die
doch groß und besonders auserwählt waren, bewegte, als er zu ihnen sprach: ‚Ich
habe euch noch viel zu sagen; aber ihr könnt es jetzt nicht tragen’ (Joh. 16,
12). Wir müssen in Bewegung sein, wir müssen weiterschreiten, wir müssen
wachsen, damit unsere Herzen fähig werden, das zu fassen, was wir jetzt noch
nicht aufnehmen können! Wenn uns der jüngste Tag fortschreitend antrifft,
so werden wir da lernen, was wir hier nicht zu lernen vermögen!"
(Predigten zum Johannesevangelium, 53). Wenn bei uns der Gedanke gilt, daß das
Wort des Herrn der einzige Weg ist, der uns zur Erforschung dessen führt,
was uns von ihm zu wissen gebührt, daß es das einzige Licht ist, das uns
voranleuchtet, damit wir sehen, was wir von ihm erschauen sollen, - dann wird er
uns mit Leichtigkeit vor allem Vorwitz bewahren und zurückhalten. Wir werden dann nämlich wissen, daß unser Lauf, sobald wir die Grenzen des Wortes
überschreiten, vom Wege abführt und in der Finsternis verläuft – und daß wir da
notwendig in die Irre gehen, fallen und immer wieder anstoßen müssen! Deshalb
wollen wir uns zuerst vor Augen halten: eine andere Erkenntnis der
Vorbestimmung zu erstreben als die, welche uns im Worte Gottes entfaltet
wird, das ist ebenso wahnwitzig, wie wenn einer weglos schreiten oder im
Finstern sehen wollte. Auch sollen wir uns nicht schämen, in einer solchen
Sache etwas nicht zu wissen, in der es eine wohlgelehrte Unwissenheit
(docta ignorantia) gibt! Nein, wir wollen vielmehr gern davon Abstand nehmen,
nach einem Wissen zu forschen, nach dem zu haschen töricht wie gefährlich, ja,
geradezu verderblich ist! Wenn uns aber der Übermut unseres Wesens kitzelt, dann
wird es von Nutzen sein, ihm stets zu seiner Dämpfung das Wort entgegenzuhalten:
"Wer zuviel Honig ißt, dem ist’s nicht gut, und das Forschen nach Ruhm wird den
Vorwitzigen nicht zum Ruhm gereichen!" (Spr. 25, 27). Denn es besteht aller
Grund, daß wir von einer Vermessenheit abgeschreckt werden, die nichts anderes
vermag, als uns ins Verderben zu stürzen!
Die zweite Gefahr: das ängstliche Schweigen von der Erwählungslehre!
Dagegen gibt es andere, die dies Übel heilen wollen und zu diesem Zweck
beinahe jede Erwähnung der Vorbestimmung zu begraben gebieten; ja, sie
lehren, man solle sich vor jeder Frage nach ihr wie vor einer Klippe hüten! Nun
ist das Maßhalten dieser Leute mit Recht zu loben, insofern sie der Ansicht
sind, man solle die Geheimnisse mit solcher Bescheidenheit erwägen. Aber sie
bleiben doch gar zu sehr hinter dem rechten Maß zurück, und deshalb richten sie
bei der menschlichen Art wenig aus; denn diese lässt sich nicht so blindlings in
Schranken weisen. Um also auch in diesem Stück die rechte Begrenzung
innezuhalten, müssen wir auf das Wort des Herrn zurückgehen, an dem wir
eine sichere Richtschnur des Erkennens haben. Denn die Schrift ist die Schule
des Heiligen Geistes, und in ihr wird nichts übergangen, was zu wissen
notwendig oder nützlich ist, es wird aber auch ebenso nichts gelehrt,
als was zu wissen förderlich ist! Was nun auch in der Schrift über die
Vorbestimmung gelehrt wird, - wir müssen uns hüten, die Gläubigen davon
fernzuhalten, damit wir nicht den Anschein erwecken, als wollten wir sie boshaft
um die Wohltat ihres Gottes betrügen oder auch den Heiligen Geist beschuldigen
und beschimpfen, er habe Dinge kundgemacht, die man nützlicherweise auf alle Art
unterdrücken sollte! Wir wollen, meine ich, dem Christen-menschen erlauben,
allen Worten Gottes, die an ihn gerichtet werden, Herz und Ohr zu öffnen,
allerdings mit solcher Zurückhaltung, daß, sobald der Herr seinen
heiligen Mund schließt, auch der Mensch sich den Weg zum Forschen
verschließt! Unsere Bescheidenheit wird dann das richtige Maß haben, wenn
wir beim Lernen nicht nur stets Gottes Leitung folgen, sondern auch da, wo er
seiner Belehrung ein Ende macht, aufhören, noch etwas wissen zu
wollen. Auch ist die Gefahr, die jene Leute fürchten, nicht so groß, daß wir
deshalb die Herzen von Gottes Offenbarungsworten abwenden dürften! Es ist
(allerdings) ein herrliches Wort des Salomo: "Es ist Gottes Ehre, ein Wort zu
verbergen" (Spr. 25, 2). Aber die Frömmigkeit und auch der gesunde
Menschenverstand leiten uns an, diese Stelle nicht unterschiedslos auf alles zu
beziehen; wir müssen also eine Unterscheidung aufsuchen, damit nicht unter dem
Deckmantel der Zurückhaltung und Bescheidenheit die grobe
Unwissenheit unser Wohlgefallen findet! Diese Unterscheidung wird nun von
Mose in wenigen Worten klar zum Ausdruck gebracht: "Das Geheimnis gehört
unserm Gott; aber dies hat er uns und unseren Kindern offenbart!" (Deut.
29, 29). Da sehen wir, wie er dem Volke die Beschäftigung mit der Lehre des
Gesetzes einzig auf den Grund des himmlischen Willens-ratschlusses ans Herz
legt, weil es eben Gott gefallen hatte, das Gesetz kundzumachen, wie er
aber zugleich das nämliche Volk in diese Schranken einschließt, und zwar
einzig aus dem Grunde, weil es den Sterblichen nicht gebührt, in Gottes
Geheimnisse einzudringen.
Ich gestehe zwar, daß unfromme Menschen bei der Behandlung der
Vorbestimmung, ehe man sich versieht, etwas erhaschen, um es zu zerpflücken,
übel zu deuten, anzubellen oder zu verspotten. Aber wenn uns die Unverschämtheit
solcher Leute schreckt, dann müssen wir von allen hochwichtigen
Glaubenslehren schweigen; denn solche Menschen oder ihresgleichen lassen fast
keine von ihnen mit ihren Lästerungen unverletzt. Ein widerspenstiger Geist wird
ebenso frech losfahren, wenn er hört, daß in Gottes Wesen drei Personen
bestehen, wie wenn er vernimmt, daß Gott, als er den Menschen schuf, auch
vorausgesehen hat, was in Zukunft mit ihm geschehen werde. Solche Menschen
werden auch ihr Gelächter nicht unterlassen, wenn sie gewahr werden, daß erst
wenig mehr als fünftausend Jahre seit der Erschaffung der Welt verflossen sind;
denn sie werden dann fragen, warum denn Gottes Kraft solange müßig und schlafend
gewesen sei! Kurz, man kann nichts vorbringen, was sie nicht mit ihrem Spott
angreifen! Wollen wir aber, um diese Lästerungen niederzuhalten, von der
Gottheit des Sohnes und des Heiligen Geistes schweigen? Wollen wir die
Erschaffung der Welt mit Stillschweigen übergehen? Nein, in diesem Stück und
auch sonst in allen ist Gottes Wahrheit zu mächtig, als daß sie die Schmähsucht
der Gottlosen zu fürchten hätte. So behauptet es auch Augustin gründlich in
seinem Werk "Von der Gabe der Beharrung" (15-20). Wir sehen doch, wie es die
falschen Apostel nicht fertiggebracht haben, den Apostel durch Verleumdung und
Beschimpfung seiner wahren Lehre dazu zu bringen, daß er sich ihrer schämte!
Töricht ist es aber auch, wenn man erklärt, diese ganze Erörterung sei auch
für fromme Gemüter gefährlich, weil sie den Ermahnungen zuwider sei, den
Glauben erschüttere und weil sie das Herz selbst verwirre und ängstige. Augustin
verhehlt nicht, daß er es gewohnt war, auf Grund solcher Ursachen beschuldigt zu
werden, weil er die Vorbestimmung gar zu frei predige; aber er widerlegt diesen
Vorwurf doch vollauf, was ihm ja sehr leicht möglich war (Von der Gabe der
Beharrung, 14). Wir wollen dagegen, da hier viele und verschiedenartige
Widersinnigkeiten vorgebracht werden, die Widerlegung jeder einzelnen bis an die
je passende Stelle aufschieben. Nur dies eine sollte, das möchte ich gerne, bei
ihnen allgemein fest stehen bleiben: Was der Herr im Geheimen hat verborgen sein
lassen, dem sollen wir nicht nachspüren, was er hat offen an den Tag treten
lassen, das sollen wir nicht vernachlässigen, damit wir nicht auf der einen
Seite um unserer allzu großen Neugierde, auf der anderen um unserer
Undankbarkeit willen verdammt werden! Denn auch das ist ein kluges Wort
Augustins: wir könnten der Schrift sicher folgen, weil sie gleichsam nach der
Art des Gangs einer Mutter langsam schreite, um unsere Schwachheit nicht hinter
sich zu lassen (Von der Genesis V, 3). Wenn aber einige so vorsichtig
oder ängstlich sind, daß sie wohl wünschten, die Vorbestimmung sei
begraben, damit sie nur ja keine schwächlichen Seelen verwirre, - mit was für
einer Farbe wollen sie denn, das möchte ich gar zu gern wissen, ihre Anmaßung
zudecken? Denn hintenherum beschuldigen sie Gott törichter Unbedachtheit, als ob
er nämlich eine Gefahr, der sie weislich zu begegnen glauben, nicht
vorhergesehen hätte! Wer also die Lehre von der Vorbestimmung mit übler Nachrede
belastet, der treibt offene Gotteslästerung – als ob Gott nämlich unbesonnen
etwas entfallen wäre, was der Kirche Schaden brächte!
Vorbestimmung und Vorherwissen Gottes
Die Vorbestimmung, kraft deren Gott die einen zur Hoffnung auf das Leben als
seine Kinder annimmt, die anderen aber dem ewigen Tode überantwortet, wagt
keiner, der als fromm gelten will, rundweg zu bestreiten, nein, man verwickelt
sie nur in viele Spitzfindigkeiten; vor allem tun das die, welche das
Vorherwissen (praescientia) für ihre Ursache erklären. Nun stellen
auch wir beides an Gott fest, wir erklären es aber für verkehrt, eines dem
anderen unterzuordnen.
Wenn wir Gott das Vorherwissen zuschreiben, so meinen wir damit:
alles ist stets vor seinen Augen gewesen und wird es auch allezeit bleiben; für
seine Erkenntnis gibt es also nichts Zukünftiges oder Vergangenes, sondern es
ist alles gegenwärtig, und zwar so gegenwärtig, daß er es sich nicht bloß
auf Grund von bildlichen Gedanken vorstellt, so wie uns die Dinge wieder
vorkommen, an die unser Sinn eine Erinnerung bewahrt, - sondern daß er diese
Dinge wirklich schaut und gewahrt, als Gegenstände, die vor ihm stehen! Dieses
Vorherwissen erstreckt sich nun auf den ganzen Umkreis der Welt und auf
alle Kreaturen.
Unter Vorbestimmung verstehen wir Gottes ewige Anordnung, vermöge
deren er bei sich beschloß, was nach seinem Willen aus jedem einzelnen Menschen
werden sollte! Denn die Menschen werden nicht alle mit der gleichen Bestimmung
erschaffen, sondern den einen wird das ewige Leben, den anderen die ewige
Verdammnis vorher zugeordnet. Wie also nun der einzelne zu dem einen oder
anderen Zweck geschaffen ist, so – sagen wir – ist er zum Leben oder zum
Tode "vorbestimmt".
Die Erwählung Israels
Diese Vorbestimmung hat nun Gott nicht bloß an den einzelnen Personen
bezeugt, sondern er hat ein Beispiel dafür an der gesamten Nachkommenschaft des
Abraham gegeben; daraus sollte offenkundig werden, daß es in seinem
Ermessen steht, wie die Stellung jedes einzelnen Volkes einmal werden soll. "Als
der Allerhöchste die Völker zerteilte und zerstreute die Kinder Adams, ... da
wurde das Volk Israel sein Teil und die Schnur seines Erbes..." (Deut. 32, 8.
9). Die Aussonderung ist vor aller Augen: In der Person des Abraham wird wie in
einem dürren Stumpf ein einziges Volk besonders erwählt, während die anderen
verworfen werden; eine Ursache aber wird nicht sichtbar – abgesehen
davon, daß Mose die Nachkommen, um ihnen jeden Anlaß zum Rühmen abzuschneiden,
lehrt, sie hätten ihre hervorragende Stellung einzig und allein aus Gottes
gnädiger Liebe! Denn er gibt als Grund ihrer Errettung an, "daß er deine
Väter geliebt und ihren Samen nach ihnen erwählt hat!" (Deut. 4, 37). Noch
ausdrücklicher finden wir das in einem anderen Kapitel: "Nicht hat euch der Herr
angenommen und euch erwählt, darum daß euer mehr wäre als alle Völker ...,
sondern darum, daß er euch geliebt hat ..." (Deut. 7, 7. 8). Mehrmals wiederholt
sich bei ihm die gleiche Ermahnung: "Siehe, der Himmel ... und die Erde und
alles, was darinnen ist, das ist des Herrn, deines Gottes; dennoch hat er allein
zu deinen Vätern Lust gehabt, daß er sie liebte, und hat ihren Samen erwählt,
... euch!" (Deut. 10, 14, 15). Ebenso wird ihnen anderwärts die Heiligung zur
Vorschrift gemacht, weil sie "erwählt" seien "zum Volk des Eigentums" (Deut. 7,
6). Und an anderer Stelle wird wiederum erklärt, Ursache des (dem Volke
gewährten) Schutzes sei die Liebe Gottes! (Deut. 23, 5). Das verkündigen
auch die Gläubigen mit einer Stimme: "Er erwählt uns unser Erbteil, die
Herrlichkeit Jakobs, den er liebt!" (Ps. 47, 5). Denn sie schreiben hier alle
Gaben, mit denen sie Gott geziert hatte, seiner unverdienten Liebe zu –
nicht nur, weil sie wußten, daß sie sie durch keinerlei Verdienste erworben
hatten, sondern auch, weil sie erkannt hatten: nicht einmal der heilige Erzvater
war mit solcher Tugend ausgerüstet, daß er damit sich und seinen Nachkommen ein
solches Ehrenvorrecht erworben hätte! Um alle Hoffart zu Boden zu stoßen, schilt
er auch das Volk, es habe sich nichts dergleichen verdient, weil es doch ein
widerspenstiges und halsstarriges Volk sei! (Deut. 9, 6; 9, 24). Die Propheten
halten den Juden oft ihre Erwählung zur Schmach und als Vorwurf vor, weil sie ja
schändlich von ihr abgefallen waren (z. B. Amos 3, 2).
Wie dem aber nun sei – es sollen doch einmal die vortreten, die Gottes
Erwählung an die Würdigkeit der Menschen oder an die Verdienste der Werke binden
wollen! Sie sehen doch, daß hier ein einziges Volk allen anderen vorgezogen
wird, und sie vernehmen, daß Gott durch keinerlei Rücksicht dazu gebracht worden
ist, gegen so wenige und unedle, dazu aber auch böse und ungehorsame Menschen
gnädig zu sein! Wollen sie nun mit ihm hadern, weil er einen solchen Beweis
seiner Barmherzigkeit hat liefern wollen? Aber sie werden wder mit ihrem lauten
Widerspruch sein Werk hindern, noch auch dadurch, daß sie die Steine
ihrer Vorwürfe gegen den Himmel schleudern, seine Gerechtigkeit treffen
und verletzen! Nein, diese Steine fallen vielmehr auf ihr eigenes Haupt
zurück!
Eben auf diesen Grundsatz des aus Gnade mit ihnen geschlossenen Bundes
werden die Israeliten zurückverwiesen, wenn es gilt, Gott Dank zu sagen
oder auch die Hoffnung für die kommende Zeit aufzurichten. "Er hat uns
gemacht, und nicht wir selbst", sagt der Prophet, "zu seinem Volk und zu Schafen
seiner Weide!" (Ps. 100, 3). Die verneinende Bemerkung ("und nicht wir selbst"),
die hinzugesetzt ist, um uns auszuschließen, ist nicht überflüssig; sie sollen
eben wissen, daß Gott nicht nur der Geber all der Gaben ist, um derentwillen sie
solch hervor-ragende Stellung genießen, sondern daß er auch die Ursache (sie
ihnen zu schenken) aus sich selber genommen hat, weil in ihnen ja nichts solcher
Ehre würdig gewesen wäre! Der Prophet gebietet ihnen auch, sich an Gottes reinem
Wohlgefallen genügen zu lassen, indem er spricht: "Ihr, der Same
Abrahams, seines Knechtes, ihr Kinder Jakobs, seines Auserwählten!" (Ps. 105,
6). Er zählt weiter Gottes fortwährende Wohltaten als Früchte der Erwählung
auf, und nachdem das geschehen ist, kommt er am Ende zu dem Schluß, Gott habe so
freigebig an ihnen gehandelt, weil er seines Bundes gedacht habe (Ps.
105, 42). Dieser Lehre entspricht der Gesang der ganzen Kirche: "Deine Recht und
das Licht deines Angesichts haben unseren Vätern das Land gegeben; denn du
hattest Wohlgefallen an ihnen!" (Ps. 44, 4; der Anfang ist Inhaltsangabe). Dabei
ist zu bemerken: wo das Land erwähnt wird, da ist es ein sichtbares
Merkzeichen der verborgenen Aussonderung, in die die Annahme in die Kindschaft
eingeschlossen ist. Zu dieser Dankbarkeit ermahnt David das Volk an
anderer Stelle: "Wohl dem Volk, des Gott der Herr ist, dem Volk, das er zum Erbe
erwählt hat!" (Ps. 33, 12). Zu fröhlicher Hoffnung aber ermuntert es
Samuel: "Gott wird euch nicht verlassen um seines großen Namens willen; denn es
hat ihm wohlgefallen, sich euch zum Volk zu erschaffen!" (1. Sam. 12, 22).
Ebenso wappnet sich auf David zum Kampfe, wenn sein Glaube angegriffen
wird: "Wohl dem, den du erwählt hast ..., daß er wohne in deinen Höfen!" (Ps.
65, 5).
Weil aber die Erwählung, die in Gott verborgen ist, durch die erste
wie die zweite Erlösung, wie auch durch andere zwischendurch geschehene
Wohltaten bekräftigt worden ist, so wird bei Jesaja das Wort "Erwählen"
auch darauf übertragen. So hören wir: "Der Herr wird sich über Jakob erbarmen
und Israel noch fürder erwählen" (Jes. 14, 1). Denn er redet hier von der
kommenden Zeit: da wird Gott das übrige Volk, das er dem Anschein nach enterbt
hat, wieder sammeln, und Jesaja erklärt dies nun für ein Zeichen der
beständigen, gewissen Erwählung, die zugleich dem Anschein nach dahingefallen
war. Wenn es dann auch anderwärts heißt: "Ich erwähle dich und verwerfe dich
nicht" (Jes. 41, 9), so rühmt er damit den fortwährenden Gang der herrlichen
Freigebigkeit des väterlichen Wohlwollens Gottes. Noch offener redet der Engel
bei Sacharja: "Gott wird Jerusalem wieder erwählen" (Sach. 2, 16); es
ist, als hätte er durch solche gar harte Züchtigung Jerusalem verworfen und als
wäre die Verbannung eine Unterbrechung der Erwählung gewesen; die Erwählung
bleibt aber dennoch unverletzt, wenn auch ihre Kennzeichen nicht immer sichtbar
sind!
Die zweite Stufe: Erwählung und Verwerfung einzelner aus Israel
Wir müssen nun weiter zu einer zweiten, enger umgrenzten Stufe der
Erwählung kommen, in der nun die mehr besondere Gnade Gottes sichtbar
wird: Gott hat nämlich aus dem gleichen Geschlecht Abrahams die einen
verworfen, die anderen aber in seiner Kirche belassen und dadurch
gezeigt, daß er sie unter seinen Kindern erhalten hat. So hatte Ismael im Anfang
die gleiche Stufe wie auch sein Bruder Isaak erlangt; denn durch das Merkzeichen
(symbolum) der Beschneidung war in ihm der geistliche Bund nicht minder
versiegelt als in seinem Bruder. Trotzdem wird er verstoßen: nach ihm dann auch
Esau, und schließlich eine unzählbare Schar und fast ganz Israel! "In Isaak"
wurde (dem Abraham) "der Same" berufen (Gen. 21, 12) – und die gleiche Berufung
dauerte bei Jakob an. Ein gleiches Beispiel hat Gott mit der Verwerfung des Saul
gegeben; das wird auch in einem Psalm herrlich gerühmt: "Und er verwarf den
Stamm Josephs und erwählte nicht den Stamm Ephraim, sondern erwählte den Stamm
Juda ...." (Ps. 78, 67. 68). Die heilige Geschichte wiederholt das mehrfach,
damit in diesem Wechsel das wunderbare Geheimnis der Gnade Gottes desto besser
offenbar werde. Ich gebe zu: Ismael, Esau und ihresgleichen fielen durch ihr
eigenes Vergehen und ihre eigene Schuld aus der Annahme in die
Kindschaft heraus; denn da ist ja die Bedingung zugesetzt, nach der sie Gottes
Bund treulich halten sollten; und sie haben diesen Bund tatsächlich treulos
verletzt! Aber trotzdem war es doch eine besondere Wohltat Gottes, daß er sich
herbeigelassen hatte, sie den anderen Völkern vorzuziehen, wie es auch in einem
Psalm heißt: "So tut er keinen Heiden, noch lässt er sie wissen seine Rechte!"
(Ps. 147, 20). Ich habe aber hier nicht ohne Bedacht gesagt, man müsse dabei
zwei Stufen beachten. Gott zeigt nämlich bereits durch die Erwählung des
ganzen Volkes, daß er in seiner reinen Freundlichkeit an keinerlei Gesetze
gebunden, sondern frei ist, so daß man also von ihm keineswegs eine
gleichmäßige Verteilung seiner Gnade verlangen kann; gerade die Ungleichheit
dieser Verteilung zeigt, daß es sich hier wahrhaftig um eine Gnadentat handelt.
Deshalb macht Maleachi Israels Undank so groß, weil es nicht bloß aus dem ganzen
Menschen-geschlecht auserwählt, sondern auch noch aus dem heiligen Hause
(Abrahams) ausgesondert war, und doch Gott, seinen so wohltätigen Vater, treulos
und unfromm verachtete. "Ist nicht Esau Jakobs Bruder?", sagt er, "Und doch habe
ich Jakob lieb und hasse Esau ..." (Mal. 1, 2. 3). Gott nimmt hier als
zugestanden an, daß schon dadurch, daß beide einem heiligen Vater
entstammten, beide Erbgenossen des Bundes und endlich Zweige aus der geheiligten
Wurzel waren, die Kinder Jakobs nicht wenig verpflichtet waren, weil Gott sie ja
zu solcher Würde angenommen hatte. Da nun aber ihr Vater Jakob, der der Natur
nach der Geringere war, unter Verwerfung des Erstgeborenen, des Esau, zum Erben
gemacht worden war, so beschuldigt er sie doppelter Undankbarkeit und beklagt
sich, daß sie sich auch durch dies doppelte Band nicht haben halten
lassen!
Die Erwählung einzelner als wirksame Erwählung
Hiermit ist nun zwar bereits vollauf klar geworden, daß Gott nach seinem
verborgenen Ratschluß frei erwählt, welche er will, und daß er die anderen
verwirft. Trotzdem ist seine gnädige Erwählung damit erst zur Hälfte deutlich
gemacht, ehe wir zu den einzelnen Personen kommen, denen Gott das Heil
nicht bloß anbietet, sondern derart versiegelt, daß die Gewißheit
seiner Wirkung nicht mehr in der Schwebe oder im Ungewissen bleibt. Diese werden
zu dem einigen Samen gerechnet, den Paulus erwähnt (Röm. 9, 8; Gal. 3, 16ff.).
Denn die Annahme in die Kindschaft wurde allerdings in Abrahams Hand gelegt;
aber von seinen Nachfahren sind viele gleichsam als faule Glieder abgeschnitten
worden: soll also die Erwählung wirksam werden, so müssen wir zu dem Haupte
emporsteigen, in welchem der himmlische Vater seine Auserwählten unter sich
vereint und durch ein unauflösliches Band an sich selber gebunden hat! So ist
zwar in der Erwählung des Geschlechts Abrahams Gottes freie Gunst, die er
anderen verwehrte, hervorgetreten; aber in den Gliedern Christi leuchtet
die Kraft seiner Gnade noch weit glänzender hervor; denn weil sie in ihr Haupt
eingefügt ist, deshalb fallen sie nie und nimmer aus dem Heil heraus. Deshalb
zieht Paulus aus der oben angeführten Stelle bei Maleachi die Folgerung: wenn
Gott den Bund des ewigen Lebens mit einem Volke aufrichtet und es zu sich
einlädt, so wirkt sich an einem Teil dieses Volkes noch eine besondere
Art von Erwählung aus, so daß er also nicht alle in unterschiedsloser Gnade
wirksam erwählt. Wenn es heißt: "Jakob habe ich geliebt" (Mal. 1, 2), so bezieht
sich das auf die gesamte Nachkommenschaft des Erzvaters, die der Prophet
hier in einem Gegensatz zu den Nachkommen Esaus stellt. Das hindert aber nicht,
daß uns in der Person eines Menschen ein Beispiel der Erwählung
vor Augen gestellt ist, die nicht vergehen kann, sondern zu ihrem Ziel kommt!
Paulus bemerkt nun nicht umsonst, daß solche Menschen als "die übrigen"
bezeichnet werden; denn die Erfahrung zeigt, daß aus der großen Menge die
meisten zu Fall kommen und vergehen, so daß also öfters nur ein kleiner Teil
übrigbleibt. Die Ursache dafür, daß die allgemeine Erwählung eines Volkes nicht
immer fest und wirksam ist, liegt auf der Hand: wenn Gott mit Menschen einen
Bund macht, so schenkt er ihnen nicht gleich den Geist der Wiedergeburt, in
dessen Kraft sie bis ans Ende in solchem Bunde beharren können; nein, diese
äußere Veränderung ohne die innere Wirksamkeit der Gnade, die stark genug
wäre, um sie zu erhalten, ist gewissermaßen ein Mittelding zwischen der
(allgemeinen) Verwerfung des Menschen-geschlechts und der Erwählung
einer geringen Zahl von Frommen. So wird das ganze Volk Israel als
Gottes Erbe bezeichnet (Deut. 32, 9; 1. Kön. 8, 51; Ps. 28, 9; 33, 12 ...);
trotzdem sind viele aus diesem Volke tatsächlich Draußen-stehende. Aber Gottes
Zusage, er werde dieses Volkes Vater und Erlöser sein, war doch nicht umsonst,
und deshalb schaute er mehr seine gnädige Gunst an, als den treulosen Abfall
vieler; durch diese war auch seine Wahrheit nicht abgetan; denn, wo er sich
einen Rest bewahrte, da zeigte er, daß ihn seine Berufung nicht gereute!
Wenn sich Gott nämlich seine Kirche immer wieder eher aus den Kindern Abrahams,
als aus den unheiligen Völkern sammelte, so nahm er dabei auf seinen Bund
Bedacht: als dieser gerade von der großen Menge verletzt war, da beschränkte er
ihn auf wenige, damit er nicht gänzlich dahinfalle! Kurz, diese allgemeine
Annahme des Samens Abrahams in die Kindschaft war gewissermaßen ein sichtbares
Abbild jener größeren Wohltat, deren Gott einige aus vielen
gewürdigt hat. Das ist der Grund, weshalb Paulus so gründlich zwischen dem Samen
Abrahams nach dem Fleisch –und dem geistlichen Samen
unterscheidet, der nach dem Vorbild des Isaak berufen ist. Nicht, als ob es eine
eitle, fruchtlose Sache gewesen wäre, einfach ein Kind Abrahams zu sein – das
könnte man nicht aussprechen, ohne damit den Bund verächtlich zu machen!
Nein, Gottes unwandelbarer Ratschluß, kraft dessen er sich die vorbestimmt hat,
welche er wollte, wurde eben an sich nur in diesen Nachkommen zum Heil
wirksam! Bevor sich also aus den Schriftstellen, die ich anführen werde, klar
ergibt, was wir hierüber zu denken haben, möchte ich die Leser ermahnen, sich
nicht nach irgendeiner Seite hin ein Vorurteil zu bilden.
Zusammenfassende Überschau der Erwählungslehre
Was demnach die Schrift klar zeigt, das sagen wir auch: Gott hat in seinem
ewigen und unwandelbaren Ratschluß einmal festgestellt, welche er einst
zum Heil annehmen und welcher er andererseits dem Verderben anheimgeben will.
Dieser Ratschluß ist, das behaupten wir, hinsichtlich der Erwählten auf
Gottes unverdientes Erbarmen begründet, ohne jede Rücksicht auf
menschliche Würdigkeit. Den Menschen aber, die er der Verdammnis überantwortet,
denen schließt er nach seinem zwar gerechten und unwiderruflichen, aber
unbe-greiflichen Gericht den Zugang zum Leben zu! Was die Auserwählten betrifft,
so halten wir dann aber weiter dafür, daß die Berufung das Zeugnis der
Erwählung ist. Ein zweites Merkzeichen zur Bekräftigung der Erwählung ist
dann die Rechtfertigung – bis wir endlich zu der Herrlichkeit
gelangen, in der die Erfüllung der Erwählung besteht. Wie aber der Herr seine
Auserwählten durch die Berufung und Rechtfertigung kenntlich macht, so gibt
er den Verworfenen durch ihren Ausschluß von der Erkenntnis seines Namens
und der Heiligung seines Geistes wie durch Zeichen bekannt, was für ein Gericht
ihrer wartet. Viele Phantasie-gebilde, die sich törichte Menschen ersonnen
haben, um die Vorbestimmung umzustoßen, werde ich hier übergehen. Denn sie
bedürfen keiner Widerlegung, weil sie, gleich wenn sie vorgebracht werden,
selbst ihre Unwahrheit vollauf beweisen. Ich werde mich nur bei solchen
aufhalten, die entweder unter den Gelehrten Gegenstand eines Streites sind, oder
die den Einfältigen Schwierigkeiten machen könnten, oder die die Gottlosigkeit
in falschem Schein zum Deckmantel nimmt, um Gottes Gerechtigkeit zu
verunglimpfen.
( Johannes Calvin, Institutio, Buch
III, Kap. 21 )