Das Buch Hesekiel ist für Bibelleser gewöhnlich nur eine verwirrende Ansammlung unzusammenhängender Visionen - ein Kaleidoskop sich drehender Räder und trockener Knochen, die er weder einordnen noch deuten kann. Dieser Eindruck hält viele Leser von dem Studium dieses Buches ab, und so entgeht ihnen eines der literarisch und geistlich großen Bücher des Alten Testamentes. |
Der Autor dieses Buches ist "Hesekiel, der Priester, der Sohn des Busi" ( Hes 1,3 ). Der Name Hesekiel bedeutet "Gott wird stärken" oder "Gott wird hart machen". Wie Jeremia ( Jer 1,1 ) und Sacharja ( Sach 1,1 ; vgl. Neh 12,4.16 ) war Hesekiel ein Priester ( Hes 1,3 ). Sein Vater Busi wird nur in Hes 1,3 erwähnt. Jeremia, Sacharja und Hesekiel sind die einzigen Priester-Propheten im AT, und alle drei weissagten während oder nach dem Exil. Hesekiels priesterlicher Hintergrund erklärt zum Teil sein Interesse für den Tempel in Jerusalem, die Herrlichkeit des Herrn, die Taten der Priester Jerusalems und Gottes zukünftigen Tempel. Die Zeit der Wirksamkeit Hesekiels läßt sich aus den chronologischen Anmerkungen in seinem Buch ersehen ( Hes 1,2;8,1;20,1;24,1;29,1.17;30,20;31,1;32,1.17;33,21;40,1 ). Alle Weissagungen Hesekiels (außer den beiden Weissagungen, die in Hes 29,1.17 eingeleitet werden) sind chronologisch geordnet (angefangen von "dem fünften Jahr der Gefangenschaft" ( Hes 1,2 ) bis zu "dem fünfundzwanzigsten Jahr unser Gefangenschaft"; Hes 40,1 ). Die beiden Ausnahmen lassen sich durch ihre inhaltliche Zusammengehörigkeit mit den Weissagungen gegen Ägypten in Kapitel 29 - 32 erklären. Hesekiels Dienst begann "im vierten Monat am fünften Tag" im "fünften Jahr der Gefangenschaft von König Jojachin" ( Hes 1,1-2 ). Jojachin bestieg den Thron im Dezember 597 V. Chr., nachdem Jojakim gestorben war ( 2Kö 24,1-12 ). Nach nur dreimonatiger Regierungszeit wurde Jojachin durch Nebukadnezar gefangengenommen und nach Babylon gebracht. Das fünfte Jahr seiner Gefangenschaft war also 593 V. Chr., und der vierte Monat war der Monat Tammuz. Nach Richard A. Parker und Waldo H. Dubberstein ( Babylonian Chronology: 626 B.C. - A.D. 75. Providence, R.I.: Brown University Press, 1956) begann der Monat Tammuz (Akk. Duzu ) am 27. Juli 593 V. Chr. Hesekiel begann seine Wirksamkeit also am 31. Juli 593 V. Chr. (der "fünfte Tag" ist inklusiv zu verstehen, d. h. der 27. und der 31. Juli werden mitgezählt). Hesekiel sagt aber auch, daß sein Dienst "im dreißigsten Jahr" begann ( Hes 1,1 ). Unter Auslegern gibt es Uneinigkeit über die genaue Bedeutung dieser Aussage. Viele halten sie für einen Hinweis auf das Alter Hesekiels. Wenn das so wäre, dann wurde er im gleichen Alter zum Propheten berufen, in dem er zur Priesterschaft zugelassen wurde (vgl. 4Mo 4,3 ). Die letzte datierte Weissagung in Hesekiel geschah "im siebenundzwanzigsten Jahr, im ersten Monat, am ersten Tag" ( Hes 29,17 ). Da Hesekiel im Jahre 593 zu weissagen begann (dem fünften Jahr der Gefangenschaft Jojachins; Hes 1,2 ), stammt die letzte Weissagung aus dem Jahr 571 V. Chr. (26. März). Seine prophetische Wirksamkeit erstreckte sich also über 22 Jahre (593 - 571 V. Chr.). Wenn Hesekiel bei Beginn 30 Jahre alt war, dann weissagte er bis ins Alter von 52. Nur wenige Theologen haben bisher die Einheit, Autorschaft oder exilische Entstehungszeit des Buches Hesekiel in Frage gestellt. Argumente, die dies tun, wurden von konservativen Theologen hinreichend widerlegt (z. B. Gleason L. Archer, Jr., A Survey of Old Testament Introduction . Überarb. Aufl., Chicago: Moody Press, 1974, S. 368 - 376; und John B. Taylor, Ezekiel: An Introduction and Commentary , S. 13 - 20). |
Der historische Hintergrund Judas zur Zeit des Propheten Hesekiel wird in der Einführung zu Jeremia unter "Historischer Hintergrund" ausführlich beleuchtet. Das Buch Hesekiel wurde während der Knechtschaft Judas in Babylon unter der Herrschaft Nebukadnezars geschrieben. Hesekiel lebte mit einer Gruppe Gefangener in Tel-Abib, das an dem Fluß Kebar ( Hes 3,15 ) im babylonischen Reich lag. Den genauen Lageort dieser Siedlung kennen wir nicht, aber der Fluß Kebar war der Große Kanal (Akk. naru kabaru ) nahe bei Babel. Dieser Kanal zweigte kurz oberhalb von Babylon vom Euphrat ab und lief östlich der Stadt vorbei und durch die Stadt Nippur, bis er schließlich wieder in der Nähe von Uruk (dem biblischen Erech) in den Euphrat mündete. Während der letzten Jahre Judas wirkte Hesekiel in Babylon und sagte den kommenden Fall Jerusalems voraus. Seine Botschaft traf auf taube Ohren, bis schließlich die Kunde von der Zerstörung der Stadt in Babylon verbreitet wurde. Der Untergang der Stadt führte zu einer Veränderung in Hesekiels prophetischer Botschaft. Vor dem Fall Jerusalems hatte Hesekiel hauptsächlich von Judas zukünftiger Zerstörung wegen dessen Sünde gesprochen. Nach Jerusalems Fall drehte sich seine Botschaft um die zukünftige Wiederherstellung Judas. |
Struktur und Stil des Buches Hesekiel tragen vier große Kennzeichen. 1. Die chronologische Anordnung Wie schon unter "Autor und Entstehungszeit" angemerkt, ist innerhalb des Buches eine konkrete chronologische Entwicklung sichtbar. Hesekiel ist der einzige der großen Propheten, der eine solch strikte chronologische Ordnung hat. Bei den kleinen Propheten haben Haggai und Sacharja ähnliche Strukturmerkmale. 2. Strukturelle Ausgewogenheit Neben der chronologischen Anordnung finden wir im Buch Hesekiel auch im Aufbau eine strukturelle Ordnung und Harmonie. Die ersten 24 Kapitel sprechen vom Gericht über Juda. Die Kapitel 33 - 48 reden von der Wiederherstellung Judas. Diese beiden Pole werden von den Kap. 25-32 verbunden, in denen es um Gottes Gericht über andere Völker geht. Die Herrlichkeit des Herrn verläßt den Tempel im Gericht ( Hes 9,3; 10,4.18-19; 11,22-25 ) und kehrt wieder zum Segen in ihn zurück ( Hes 43,1-5 ). Hesekiel erhielt zunächst den Auftrag, eine Botschaft des Gerichts zu verkünden ( Hes 2-3 ) und später, eine Botschaft der Befreiung zu sagen ( Hes 33 ). 3. Die Betonung der Herrlichkeit und des Wesens Gottes Hesekiel betont die Herrlichkeit und das Wesen Gottes. Bevor er berufen wurde, empfing er eine Vision der Herrlichkeit Gottes, und im ganzen Buch spricht er immer wieder von dieser Herrlichkeit ( Hes 1,28; 3,12.23; 8,4; 9,3; 10,4.18-19; 11,22-23; 39,13.21; 43,2-5; 44,4 ). Gottes Wesen bestimmt durch das ganze Buch hindurch sein Verhalten. Fünfzehnmal erklärt er, daß er um seines Names willen gehandelt hat, damit sein Name nicht enheiligt werde ( Hes 20,9.14.22.39.44;36,20-23 [zweimal in V. 23 ]; Hes 39,7.25 [zweimal]; Hes 43,7-8 ). Über 60mal sagt Gott, daß er so gehandelt hat, damit das Volk "erkennt, daß ich der Herr bin" (z. B. Hes 6,7.10.13-14 ). 4. Der Gebrauch literarischer Mittel Hesekiel benutzt einzigartige literarische Mittel, um seine Botschaft einem "verhärteten und widerspenstigen" Volk nahezubringen. Hierzu gehören Sprüche ( Hes 12,22-23;16,44;18,2-3 ), Visionen ( Hes 1-3;8-11;37;40-48 ), Gleichnisse ( Hes 17; 24,1-14 ), symbolische Handlungen ( Hes 4-5;12; 24,15-27 ) und Allegorien ( Hes 16 ). Auf diese verschiedenen Arten verkündet Hesekiel seine Botschaft dramatisch und kraftvoll, um so die Aufmerksamkeit der Menschen zu erreichen und sie auf eine Antwort darauf zu bewegen. |
I. Gericht über Juda ( Kap. 1-24 ) A. Hesekiels Vorbereitung ( Kap. 1-3 ) 1. Einleitung ( 1,1-3 ) 2. Die Visionen für sein Wirken ( 1,4-2,7 ) 3. Dei Botschaft für sein Wirken ( 2,8-3,11 ) 4. die Motivation für sein Wirken ( 3,12-27 ) B. Hesekiels Weissagungen gegen Juda und Jerusalem ( Kap. 4-24 ) 1. Die Unausweichlichkeit des Gericht wegen des Ungehorsams ( Kap.4-11 ) 2. Die Nutzlosigkeit eines falsches Optimismus ( Kap. 12-19 ) 3. Die Gesichte der Verdorbenheit Judas ( Kap. 20-24 ) II. Gericht über heidnische Völker ( Kap. 25-32 ) A. Gericht über Ammon ( 25,1-7 ) B. Gericht über Moab ( 25,8-11 ) C. Gericht über Edom ( 25,12-14 ) D. Gericht über die Philister ( 26,1-28,19 ) 1. Zerstörung der Stadt ( Kap. 26 ) 2. Klagelied über die Stadt ( Kap. 27 ) 3. Untergang des Fürsten der Stadt ( 28,1-19 ) F. Gericht über Sidon ( 28,20-26 ) G. Gericht über Ägypten ( Kap. 29-32 ) 1. Die Sünde Ägyptens ( 29, 1-16 ) 2. Die Niederlage Ägyptens unter die Babylonier ( 29,17-21 ) 3. Die Zerstörung Ägyptens und seiner Verbündeten ( 30,1-19 ) 4. Die Zerstreuung Ägyptens ( 30,20-26 ) 5. Die Ähnliechkeit zwischen Ägypten und Assyrien ( Kap.31 ) 6. Das Klagelied über den Pharao ( 32,1-16 ) 7. Der Abstieg Ägyptens in den Scheol ( 32,17-32 ) III. Segen über Israel ( Kap. 33-48 ) A. Neues Leben für Israel ( Kap. 33-39 ) 1. Der Wächter Hesekiel wird erneut berufen ( Kap. 33 ) 2. Die gegenwärtigen falsches Hirten im Gegensatz zu dem kommenden wahren Hirten ( Kap. 34 ) 3. Der Feind (Edom) wird Zerstört ( Kap.35 ) 4. Der Volk wird gesegnet ( Kap.36 ) 5. Die Nation wird wiederhergestellt ( Kap.37 ) 6. Der Angriff durch Gog wird zurückgeschlagen ( Kap.38-39 ) B. Neue Ordnung für Israel ( Kap.40-48 ) 1. Ein neuer Tempel ( Kap.40-43 ) 2. Ein neuer Gottesdienst ( Kap.47-48 ) 3. Ein neues Land ( Kap. 47-48 ) |
( Hes 1-24 ) Die erste Hälfte des Buches Hesekiel spricht von Gottes kommendem Gericht über Juda. Gottes Schwert war zum Schlag gezogen, und Hesekiel erhielt den Auftrag, den bereits in der Gefangenschaft befindlichen Menschen zu erklären, was Gottes Gericht mit sich bringt und warum es kommt. ( Hes 1-3 ) Der Bericht der Berufung Hesekiels ist die längste unter den Berufungsgeschichten der Bibel (vgl. Jes 6; Jer 1 ). Hesekiel wird, wie Jesaja und Jeremia, für seinen Dienst vorbereitet, indem er eine Vision der Herrlichkeit und Majestät Gottes erhält, bevor er berufen wird, dem Herrn zu dienen. ( 1,1 - 3 ) Als Gott Hesekiel erschien, um ihn zum prophetischen Dienst einzusetzen, war dies im dreißigsten Jahr, im vierten Monat, am fünften Tag , was gleichzeitig das fünfte Jahr der Gefangenschaft von König Jojachin war. Wie unter "Autor und Entstehungszeit" in der Einführung geschrieben, war dies vermutlich der 31. Juli 593 V. Chr. "Das dreißigste Jahr" bezieht sich wohl auf das Alter Hesekiels. Als Priester (V. 3 ) war dies das Alter, in dem er normalerweise in den Dienst des Herrn getreten wäre. Hesekiel war mit König Jojachin im März 597 gefangengenommen worden. Er gehörte zu den Weggeführten, die man am Fluß Kebar angesiedelt hatte, einem Kanal aus dem Euphrat, der östlich von Babel vorbeiführte (vgl. "Historischer Hintergrund" in der Einführung ). Ich sah Visionen von Gott ist Hesekiels zusammenfassender Kommentar der Gesichte, die er in Hes 1,4-2,7 im einzelnen beschreibt. Diese Sicht der Herrlichkeit Gottes hat ihn stark beeinflußt. |
Das Wort des Herrn weist auf die Quelle der Botschaft Hesekiels hin. Hesekiel empfing die Botschaft, von der Gott wollte, daß er sie weitersagt. Dies führt er später noch näher aus ( Hes 2,8-3,11 ). Die Hand des Herrn bezeichnete Hesekiels Vollmacht für seinen Dienst. Er handelte nicht auf eigene Initiative hin, sondern wurde von Gott zu seinem Dienst berufen, wie er es etwas später deutlich macht ( Hes 3,12-27 ). |
( 1,4 - 2,7 ) In diesem Abschnitt behandelt Hesekiel im einzelnen die Visionen, die er in Hes 1,1 kurz erwähnt hat. Er beschreibt die Visionen ( Hes 1,4-28 ) und dann ihre Aussage ( Hes 2,1-7 ). ( 1,4 - 14 ) Als Hesekiel in Richtung Norden sah, bemerkte er einen herannahenden Wirbelsturm. In dem Sturm waren eine große Wolke , starke Winde und Blitze . Während der Sturm jedoch immer näher kam, verlagerte sich Hesekiels Blick von dem Dunkel des Sturms hin zu dem Licht , das aus seiner Mitte hervorstrahlte. Dieses Licht sah aus wie glühendes Metall . Das hebräische Wort ( HaSmAl ) kommt im AT nur bei Hesekiel (hier und in V. 27 und Hes 8,2 ) vor. Es scheint eine leuchtende Substanz zu meinen. An den beiden anderen Stellen bezieht es sich auf Gottes leuchtenden Glanz. |
In der Mitte des Feuers entdeckte Hesekiel vier Lebewesen . Diese Wesen werden in Kapitel 10 als Cherubim identifiziert, eine besondere Art von Engelswesen. Sie haben besonderen Zugang zu Gott (vgl. Hes 28,14.16 ) und sind Träger von Gottes Thronwagen. Auf der Bundeslade in der Stiftshütte bewachten goldene Statuen von Cherubim mit ausgestreckten Flügeln den Gnadenthron, wo sich die Herrlichkeit des Herrn niederließ ( 2Mo 25,17-22; 4Mo 7,89 ). Gott "thronte über den Cherubim" auf der Bundeslade ( 1Sam 4,4; 6,2; Ps 80,2; 99,1; Jes 37,16 ). Da das irdische Heiligtum und der Tempel ein Abbild der himmlischen Wirklichkeit waren ( Hebr 8,5 ), war diese Vision Hesekiels eine Vision des tatsächlichen Thronwagens Gottes, der von Cherubim getragen wurde. Die allgemeine Erscheinung der Lebewesen war etwa die eines Mannes . Aber man darf sie doch nicht für Menschen halten. Jedes von ihnen hatte vier Gesichter und vier Flügel . (Der Prophet erklärt diese Aussagen in Hes 1,10-11 im einzelnen.) Die Beine der Cherubim waren gerade , das bedeutet, sie standen aufrecht, aber ihre Füße waren wie Stierfüße und wie blinkendes (hochpoliertes) Kupfer . Außerdem läßt Hesekiel uns noch wissen, daß die vier Cherubim Hände wie Menschenhände hatten. |
Hesekiel erklärt nun, wie die vier Wesen als Einheit zusammenwirkten. Zwei der vier Flügel jedes Wesens waren ausgestreckt, so daß ihre Flügel einander berührten und ein Viereck bildeten. Da sie vier Gesichter an den vier Seiten ihrer Köpfe hatten und im Viereck miteinander verbunden waren, konnten sie sich in jede Richtung geradeaus bewegen und die Richtung wechseln, ohne sich zu drehen. Deshalb drehten sie sich nicht, als sie vorangingen . |
Nun berichtet Hesekiel noch mehr Einzelheiten über die Cherubim (V. 10 - 14 ). Zunächst beschreibt er ihre Gesichter. Vorne hatte jeder Cherub das Gesicht eines Menschen und auf der rechten Seite das Gesicht eines Löwen . Die linke Seite war das Gesicht eines Stieres , das Gesicht eines Adlers befand sich dann offensichtlich auf der Rückseite. Manche Ausleger meinen, daß sich in diesen vier Gesichtern Intelligenz (Mensch), Macht (Löwe), Dienst (Stier) und Schnelligkeit (Adler) ausdrücken. Es ist jedoch eher wahrscheinlich, daß wir hier die höchsten Formen des Lebens haben, die Gott geschaffen hat. Der Mensch wird zuerst erwähnt, weil er der Höhepunkt der Schöpfung Gottes ist. Ihm folgt der Löwe, "König" unter den wilden Tieren, der Stier, eines der stärksten Haustiere, und der Adler, der "Herr" der Vögel. |
Hesekiel beschreibt nun die Flügel der Cherubim. Zwei der vier Flügel jedes Cherubs waren nach oben ausgebreitet. Sie streckten sich über den Cherub hinaus und berührten einander. Dies ergab ein großes viereckiges "Gehäuse", bei dem je ein Cherub an einer Ecke stand. Die anderen beiden Flügel benutzten die Cherubim, um ihren Leib zu bedekken . Weil diese Wesen in Gottes heiliger Gegenwart dienten, bedeckten sie in Verehrung ihre Leiber (vgl. Jes 6,1-3 ). |
Die Cherubim bewegten sich immer vorwärts. Sie konnten in jede Richtung gehen, ohne ihre Gesichter zu drehen . In ihren Bewegungen wurden sie durch den Geist , der wohl Gottes Geist ist, geleitet. Diese Wesen, die bereits als "helles Licht ... glühendes Metall ... blendendes Kuper" (V. 4.7 ) beschrieben wurden, werden auch wie brennende Kohlen im Feuer oder wie Fackeln geschildert. Die glühenden Kohlen wurden von Feuer durchzuckt, das zwischen den Wesen hin und her fuhr . Dies scheint eine Vordeutung auf Hesekiels Botschaft des brennenden Gerichtes Gottes über Juda zu sein. |
( 1,15 - 21 ) Unter den Cherubim sah Hesekiel etwas, das Rädern glich. Er beschreibt diese Räder zunächst allgemein (V. 15 -18 ) und sagt dann, wie diese Räder mit den Cherubim in Verbindung standen (V. 19 - 21 ). Auf dem Boden neben jedem Cherub war ein Rad . Jedes Rad funkelte wie Chrysolith ( tarSIS ). Welcher kostbare Stein mit diesem hebräischen Wort gemeint ist, läßt sich nicht genau bestimmen. Es könnte sich umeinen gelben Jaspis oder einen anderen goldfarbigen Stein, einen Beryll, der gewöhnlich blaßgrün ist, oder um einen Chrysolith gehandelt haben, der durchsichtig gelb oder grün ist. Jedenfalls funkelten die Räder mit gelbgrünem Glanz. Die beiden Räder jedes Cherub hatten eine ungewöhnliche Form. Ein Rad griff rechtwinklig in das andere Rad hinein. So konnten sie in vier Richtungen rollen, ohne sich zu wenden, und sich so mit den Cherubim bewegen. Die große, unheimliche (vgl. V. 22 ) Höhe der Räder ließ sie furchteinflößend aussehen. Dieses unheimliche Aussehen wurde noch dadurch verstärkt, daß die Felgen der Räder rundherum voller Augen waren. Dieses ungewöhnliche Merkmal soll vermutlich die göttliche Allwissenheit darstellen (vgl. 2Chr 16,9; Spr 15,3 ), wobei die Augen den alles-sehenden Einen versinnbildlichen, der auf dem Thronwagen saß. |
Die Aussage, der Geist der Lebewesen war in den Rädern , könnte bedeuten, daß die Räder wie Erweiterungen der Cherubim an Gottes Thronwagen waren. Hesekiel sieht den Gott des Universums auf einer mobilen Plattform. So wie er die Cherubim dirigierte, bewegten sie die Räder und der Wagen zog seinen Weg. |
( 1,22 - 24 ) Die ausgestreckten Flügel der Cherubim berührten einander. Über ihren Flügeln war ein Gebiet, das nach Hesekiel wie eine Ausdehnung ( rAqIaZ ) aussah. Es handelt sich hier um keinen leeren Raum. Das gleiche Wort wird benutzt, um die Ausdehnung zu beschreiben, die Gott am zweiten Tag der Schöpfung geschaffen hat ( 1Mo 1,6-7 ). Diese "Ausdehnung" wird dort als etwas Festes gesehen ( rAqIaZ kommt von rAqaZ , "stoßen", "stampfen", "breit schlagen", "ausbreiten"), das die Wasser oberhalb trug. Der leuchtende Glanz der Ausdehnung über den Cherubim erinnerte Hesekiel an Eiskristalle , die im Licht der Sonne glitzern. Interessant ist, daß der Apostel Johannes die Ausdehnung um Gottes Thron herum "klar wie Kristall" sah ( Offb 4,6 ). Wenn die Flügel der Cherubim sich bewegten, hatten sie einen Klang wie Wasserrauschen eines Wassers, das in einem Gebirgsbach fließt; ein Geräusch, das so intensiv war wie die Stimme Gottes (vermutlich eine Anspielung auf den Donner, der hin und wieder als Gottes Stimme gesehen wird; Hi 37,4-5;40,14; Ps 18,14; 104,7 ). Dieser Mißklang erinnerte Hesekiel an das Geräusch eines Heeres im Kampf. Wenn die Cherubim stehenblieben, senkten sie ihre Flügel . |
( 1,25 - 28 ) Als die Cherubim anhielten und der Klang ihrer Flügel aufhörte, wurde sich Hesekiel eines anderen Geräusches bewußt. Es war eine Stimme von oben , über der Ausdehnung über ihren Köpfen . Dies war die Stimme Gottes, der auf dem Thron saß. Als Hesekiel instinktiv nach oben blickte, sah er über der Ausdehnung etwas, das wie ein Thron aus Saphir aussah. "Saphir" ( ?eBen-sappIr ) oder, was richtiger ist, lapis lazuli ist ein azurblauer Stein, der seit ältesten Zeiten als wertvoll gilt. Er wird geschnitten und poliert und als Schmuck benutzt. Auf diesem blauschimmernden Thron saß einer, der wie ein Mensch aussah. Hesekiels Blick wurde zuerst von dem oberen Teil seines Körpers und dann von dem unteren Teil gefangengenommen. Obwohl Hesekiel die Cherubim sehr detailliert beschreiben konnte, konnte er von Gott nur sagen, daß er aussah wie glühendes Metall und Feuer . Der Glanz seiner Herrlichkeit war so groß, daß Hesekiel nur seine Form sehen konnte, bevor er gezwungen war, niederzuschauen. Dann bemerkte Hesekiel einen Schein um die Gestalt herum, der wie ein Regenbogen aussah. Die bunten Farben des Regenbogens strahlten aus dem hellen Licht der Herrlichkeit Gottes hervor. Der Apostel Johannes beschreibt die gleiche Herrlichkeit in seiner Vision des Thrones Gottes im Himmel ( Offb 4,3 ). Damit nun niemand daran zweifelte, was Hesekiel sah, machte er deutlich, daß es die Erscheinung der Herrlichkeit des HERRN war. Die Herrlichkeit des Herrn wird 16mal im Buch Hesekiel erwähnt ( Hes 1,28; 3,12.23; 8,4; 9,3; 10,4.18-19; 11,22-23; 39,21; 43,2 [zweimal] 43,4-5; 44,4 ; vgl. die Anmerkungen unter "Struktur und Stil" in der Einführung ). Hesekiel sah eine Theophanie, eine Erscheinung Gottes in einer Vision. Durch die Worte "Erscheinung" und "Gleichheit" machte Hesekiel deutlich, daß er Gott nicht direkt gesehen hat. Dies hätte seinen unmittelbaren Tod bedeutet (vgl. 2Mo 33,18-23; Joh 1,18 ). Hesekiel antwortete auf diese Vision durch demütige Unterwerfung, er fiel auf sein Angesicht (vgl. Hes 3,23 ). Als er sich selbst vor Gottes Majestät zu Boden warf, hörte er Gott sprechen. Dies war vermutlich die gleiche Stimme, die bereits in Hes 1,25 erwähnt wird. |
( 2,1 - 7 ) Als Gott sprach ( Hes 1,28 ), gab er Hesekiel Vollmacht ( Hes 2,1-2 ), ließ ihn seine Bestimmung wissen (V. 3 - 5 ) und ermahnte ihn, treu zu sein (V. 6 - 7 ). Gott sagte Hesekiel, daß er aufstehen und seine Botschaft empfangen solle. Sohn der Menschen ( ben-?AdAm ) erscheint 93mal im Buch Hesekiel als Bezeichnung des Propheten. Es betont seine Menschlichkeit vor Gott und scheint die Distanz zwischen Mensch und Gott zu unterstreichen. Das Wort "Sohn" spricht von einem familiären und erblichen Verhältnis, übersteigt aber häufig das rein biologische und meint eine Zugehörigkeit und Identifikation mit jemandem oder etwas (vgl. "Söhne Gottes"; 1Mo 6,2.4 ; "Söhne des Morgensterns"; Jes 14,12 ). Durch diesen Titel betonte Gott Hesekiels Zugehörigkeit zum menschlichen Geschlecht. Als Gott Hesekiel sagte, daß er aufstehen solle, befähigte er ihn auch durch den Heiligen Geist zu stehen. In alttestamentlichen Zeiten wohnte der Heilige Geist nicht in allen Gläubigen, sondern nahm zeitweise von Personen, die für den Dienst Gottes auserwählt waren, Besitz (vgl. 2Mo 31,1-11; 1Sam 10,9-11; Ps 51,12; Hes 3,24 ). |
Hesekiels Aufgabe war schwierig. Seine Botschaft sollte sich an ein abtrünniges Volk richten ("abtrünnig" kommt in Hes 2 und 3 achtmal und auch im restlichen Buch Hesekiel achtmal vor), an Menschen, die verhärtet (vgl. Hes 3,7 ) und verstockt waren. Statt Gottes Gericht anzuerkennen und ihre Sünden zu bekennen, sahen die jüdischen Weggeführten ihre Gefangenschaft in Babylon als eine zeitlich begrenzte Sache an, die schon bald durch ihre Rückkehr nach Jerusalem ein Ende haben würde. Sie wollten ihre Sünde nicht zugeben oder glauben, daß das Gericht über ihr ungehorsames Volk so bald kommen würde. Hesekiels Aufgabe war, Gottes Wort zu verkünden. Ob sie darauf eingingen, stand in der Verantwortung der Menschen selbst. Am Ende aber (wenn die Ereignisse eintraten) würden sie (das abtrünnige Haus ; vgl. die Anmerkungen zu Hes 3,9 ) wissen, daß ein Prophet in ihrer Mitte gewesen war. Als Prophet würde Hesekiel ein Werkzeug für den allmächtigen HERRN ( ?ADOnAy Yahweh ) sein. Hesekiel benutzt diesen Titel Gottes 217mal. An anderen Stellen im AT kommt er nur 103mal vor ( Theological Dictionary of the Old Testament . Grand Rapids: Wm. B. Eerdmans Publishing Co., s. u. ?ADNn , ?ADOnAy , 1:62-63). Dieser Name betont sowohl Gottes höchste Autorität als auch seine Bündnistreue. |
Dreimal sagte Gott Hesekiel: fürchte dich nicht . Er brauchte diese Ermutigung, denn die Aufgabe war schwierig ( Gestrüpp und Dornen sind um dich herum ) und sogar gefährlich ( du lebst unter Skorpionen ). Hesekiel lernte seine Lektion gut. Nirgendwo im Buch gibt es einen Hinweis darauf, daß er feige war oder zögerte, Gottes Botschaft zu verkünden. Gott sagte Hesekiel, daß er seine Worte sprechen soll. Die Verse 7 - 8 bilden eine Brücke zwischen zwei Hauptabschnitten. Der erste Abschnitt ( Hes 1,4-2,7 ) berichtet uns die Vision, während der nächste Abschnitt ( Hes 2,8-3,11 ) die Botschaft Hesekiels enthält. Dieser Eine, der Hesekiel die Worte gab, die er sagen sollte, war der allmächtige Herr, den Hesekiel gerade in der Vision gesehen hatte. |
( 2,8 - 3,11 ) Hesekiels Vision der Herrlichkeit Gottes bot die Perspektive und Motivation für seine Aufgabe. Aber er benötigte auch eine Botschaft, deren Inhalt von Gott stammte (vgl. das "Wort des Herrn"; Hes 1,3 ). Der Prophet sollte Gottes Wort empfangen ( Hes 2,8-3,3 ) und dann weitersagen ( Hes 3,4-11 ). ( 2,8 - 3,3 ) Israel hatte sich gegen Gottes Anweisungen gesträubt und sich gegen Gott und sein Wort aufgelehnt (V. 3 ). Aber Hesekiel sollte seinen Mund auftun und essen , was Gott ihm gab. Er sollte empfänglich sein und Gottes Wort tun. |
Nun wurde Hesekiel die Botschaft selbst offenbart. Eine Hand (vermutlich die Hand Gottes) streckte sich vom Thron mit einer Rolle zu ihm aus. Derjenige, der sprach, gab Hesekiel die Rolle ( Hes 3,2 ). Diese Schriftrolle war auf beiden Seiten beschrieben. Solche Rollen waren das gewöhnliche Schreibmedium, auf dem man in Israel Gottes Wort aufschrieb und bewahrte. Blätter aus Leder, Papyrus oder Pergament wurden zu langen Rollen zusammengefügt. Man schrieb in vertikalen Spalten. Nur sehr selten wurden beide Seiten einer Rolle beschrieben (aber vgl. Offb 5,1 ). Es hat schon viele Auslegungsversuche dazu gegeben, warum hier beide Seiten beschrieben waren. Die beste und einfachste scheint zu sein, daß Gott soviel zu sagen hatte, was Hesekiel Israel weitergeben sollte, daß er beide Seiten beschreiben mußte. Die Botschaft bestand aus Worten von Klage, Ach und Wehe . Dies trifft sehr genau den Inhalt von Hes 4-32 .Es ist jedoch nicht mit dem Rest des Buches in Übereinstimmung zu bringen, in dem der Prophet von der Wiederherstellung Israels spricht. Dies könnte zum Teil erklären, warum Hesekiel noch einmal berufen wurde ( Hes 33 ) - der Inhalt seiner Botschaft wurde in seinem Kern geändert, nachdem seine Botschaft des Wehe erfüllt worden war. |
Gott hatte dem Propheten bereits geboten, zu essen, was er ihm geben werde ( Hes 2,8 ). Nun wiederholte Gott seine Anordnung und sagte ihm, daß er die Rolle, die er gerade erhalten habe, essen solle. Der Zweck dieses Tuns war, daß er dann gehen und zu dem Haus Israel (vgl. die Anmerkungen zu Hes 3,4 über "Israel") sprechen konnte. Seine Aufgabe als Prophet war, Gottes Wort an Gottes Volk zu überbringen. Als Hesekiel die Rolle aß, schmeckte sie süß wie Honig . Obwohl es eine Botschaft des Gerichts war, war sie doch Gottes Wort. Die Süße kam nicht aus dem Inhalt dieser Worte (Gericht), sondern aus deren Quelle (Gott). Die gleiche Aussage finden wir bei David ( Ps 19,11 ), Jeremia ( Jer 15,16 ) und dem Apostel Johannes ( Offb 10,9-11 ). |
( 3,4 - 11 ) Nachdem er Gottes Wort empfangen hatte, erhielt Hesekiel den Auftrag, es zu verkünden. Der Empfänger dieser Botschaft sollte das Haus Israel sein. Bezog sich dies auf ganz Israel (auch die, die noch in Palästina lebten) oder nur auf die Israeliten in der babylonischen Gefangenschaft? Der parallele Befehl in Vers 11 weist darauf hin, daß im wesentlichen nur die "in der Wegführung" im Blickfeld sind. Aber dennoch darf der Ausdruck "Haus Israel" nicht auf sie eingeschränkt werden. An vielen der 101 Stellen im Buch Hesekiel meint dieser Ausdruck (oder Abwandlungen desselben) mehr als nur die Israeliten in der Gefangenschaft (vgl. Hes 6,11; Hes 8,11-12 ). Hesekiels Botschaft gilt dem gesamten "Haus" (d. h. Volk) Israel, auch wenn er sie nur einem kleinen Teil dieses Hauses, der in der Gefangenschaft lebte, direkt überbracht hatte. Gottes besondere Aufgabe für Hesekiel war, seine (Gottes) Worte zu ihnen (Israel) zu reden . Auf den ersten Blick scheinen diese Verse 2.3 - 7 zu wiederholen, aber der Blickwinkel hier ist anders. In Hes2,3-7 war Hesekiel zum Propheten berufen worden, in Hes 3,4-9 wird er für diese Aufgabe ausgerüstet. |
Zu Hesekiels Aufgabe gehörte es nicht, Sprachbarrieren zu überwinden. Er wurde zu keinem Volk mit unbekannten Worten und schwieriger Sprache geschickt . Unbekannte (wörtl.: "tiefe") Worte meinen Worte, die unverständlich oder zumindest schwierig zu verstehen sind (z. B. die Sprache der Assyrer; Jes 33,19 ). Die Worte schwierige Sprache (wörtl.: "schwere Zunge") können eine schwerfällige oder zähe Aussprache meinen. Mose benutzte diesen Ausdruck, um seine fehlende Redegabe zu umschreiben ( 2Mo 4,10 ). Hier in Hes. Hes.3,5 ist vermutlich gemeint, daß die Worte aufgrund der sprachlichen Barriere schwer zu verstehen sind (V. 6 ). Hesekiel mußte keine solche Schwierigkeiten überwinden. Seine Botschaft galt keinem fernen Land mit einer exotischen Sprache. Sie galt Israel. Aber obwohl es wegen des Sprachproblemes schwer gewesen wäre, in eine andere Kultur und Nation zu gehen, wären die Ergebnisse anderswo lohnender gewesen. Wäre Hesekiel zu einem anderen Volk gegangen, hätte es auf ihn gehört . Die nichts von dem wahren Gott des Universums wissen, wären empfänglicher für seine Worte gewesen als die, die sich nach seinem Namen nennen. |
Schließlich warnte Gott Hesekiel noch, keine dramatischen Ergebnisse von seinem Dienst zu erwarten (vgl. Jes 6,8-13; Jer 1,11-19 ). Anders als bei fremden Nationen, wo Hesekiel offen empfangen worden wäre, war Israel nicht bereit, auf ihn zu hören. Israel würde ihn abweisen , weil es Gott abgewiesen hatte. Die Menschen waren nicht bereit, zu "hören" oder auf Hesekiel einzugehen, weil sie nicht bereit waren, auf Gott zu hören . Ihre geistliche Taubheit hatten sie sich über lange Jahre der Begegnung mit und Ablehnung von Gottes Wort erworben, das ihnen in den Propheten immer wieder begegnet ist. Israels Antwort auf Gott in der Vergangenheit war ein Vorbote der Antwort, die auch Hesekiel erwarten konnte. Die Krankheit des Volkes erstreckte sich auf das ganze Haus Israel . Damit ist nicht gemeint, daß jeder einzelne Israelit Gott verworfen hatte, denn Habakuk, Jeremia, Hesekiel und Daniel z. B. dienten ihrem Gott treu. Gott sprach hier von allen Teilen Israels, nicht von jedem Israeliten. Der Abfall war in das königliche Haus, den Tempel, die Gerichte und in jede Stadt im ganzen Land gekommen. Auch wenn hier und da einzelne immer noch zu Gott standen, hatte sich das Volk als Ganzes von ihm abgewandt. |
Gottes Botschaft des Gerichts einem unbeugsamen Volk zu bringen, war eine schwere Aufgabe. Gott ermutigte Hesekiel, indem er ihm die nötige Kraft anbot. Der Prophet brauchte sich nicht vor der Schwere seiner Aufgabe zu fürchten. Gott versprach, ihn so unbeugsam und hart zu machen, wie die Menschen es waren. Das Wort für "hart" ( HAzAq ) ist das gleiche Wort, das auch in Hesekiels Namen verwendet wird - y+=HezqE?l , "Gott wird stärken" oder "Gott wird hart machen". Jedesmal wenn Hesekiel seinen Namen hörte, wurde er an Gottes verheißene Kraft erinnert. |
Gott sagte auch, daß er Hesekiels Stirn wie den härtesten Stein machen würde, härter als Kiesel . Im Bild bedeutet die "Stirn" einen festen Vorsatz oder ein hartes Vorgehen (vgl. Jes 48,4; 50,7 ; "Gesicht" heißt hier wörtl.: "Stirn"; Jer 3,3 ; "der freche Blick einer Hure" heißt wörtl.: "die Stirn einer Hure"; Hes 48,45 ). Hesekiels Entschlossenheit würde nicht wanken, wenn er Widerstand begegnete. "Kiesel" oder "Feuerstein" ist der härteste Stein in Palästina. Die Israeliten stellten daraus Messer (vgl. Jos 5,2-3 ) und andere Werkzeuge her. Hesekiels Stärke und Entschlossenheit, die Gott ihm verliehen hatte, würde jeder Gegnerschaft widerstehen können (vgl. Jer 1,18 ). Weil Gott Hesekiel Kraft gab, konnte er ihn nun ermahnen, nicht erschrocken zu sein vor ihnen oder sich vor ihnen zu entsetzen (vgl. Jer 1,17 ). Obwohl der Widerstand sicher kommen würde, hatte Hesekiel nichts zu fürchten. Gottes Macht war mehr als ausreichend, um die erwartete Gegnerschaft zu überwinden. Haus des Widerspruchs ist ein Ausdruck für Israel, den Hesekiel zwölfmal benutzt ( Hes 2,5-6.8; 3,9.26-27; 12,3.9.25; 17,12; 24,3; 44,6 ), und mit dem er offensichtlich die Ablehnung der Menschen gegen Gott deutlich machen will. |
Um ein genauer Überbringer von Gottes Offenbarung zu sein, sollte Hesekiel sorgfältig hören und sich Gottes Wort zu Herzen nehmen. Die Empfänger seiner Botschaft waren seine Landsleute in der Gefangenschaft, auch wenn die Breite seiner Ankündigungen über diese Gruppe hinausging und ganz Israel einschloß. Hesekiel sollte diesen Weggeführten verkünden: Dies ist, was der Höchste, der HERR, sagt . Mit Worten, die an Hes 2,4-5 erinnern, wird Hesekiel noch einmal an seine Aufgabe erinnert. Er mußte Gottes Wort genau verkünden, gleichgültig welche Reaktionen er darauf erhielt. Einige würden hören, sie würden gehorchen, andere würden nicht hören, sie würden den Gehorsam verweigern (vgl. Hes 2,5 ). |
( 3,12 - 27 ) Hesekiels Vision der Herrlichkeit Gottes hatte ihm die nötige Perspektive für seine Aufgabe gegeben ( Hes 1,4-2,7 ). Auch die Botschaft , die er überbringen sollte, hatte Gott für ihn bereitet ( Hes 2,8-3,11 ). Nun brauchte er die Motivation , die ihn in seiner Aufgabe antreiben konnte. Diese Motivation erhielt er durch die "Hand des Herrn" (vgl. Hes 1,3 ). Zuerst wurde er von dem Geist zu seinem Dienstort geführt ( Hes 3,12-15 ), dann setzte Gott ihn als Wächter über Israel in sein Amt ein (V. 16 - 21 ) und schließlich auferlegte dieser dem Propheten einige physische Beschränkungen (V. 22 -27 ). ( 3,12 - 15 ) Nachdem er die Vision von Gott geschaut hatte, wurde Hesekiel durch den heiligen Geist nach Tel-Abib (V. 15 ) zurückgebracht. (Vgl. die Anmerkungen zu Tel-Abib unter "Historischer Hintergrund" in der Einführung .) Dies geschah, als der Geist ihn aufhob . Der "Geist", der Hesekiel emporhob, ist der gleiche Geist, der in ihn gekommen war ( Hes 2,2 ). Dies ist der Heilige Geist, der Gottes Knechte in alttestamentlicher Zeit göttlich bevollmächtigte. Mehrmals brachte der Heilige Geist Hesekiel (wohl geistig, nicht körperlich; vgl. Hes 8,3; 11,1.24; 37,1; 43,5 ) an verschiedene Orte und gab ihm Informationen. Hesekiel begann, dieses Emporheben durch den Heiligen Geist zu beschreiben ( Hes 3,12 ), kam aber später nicht mehr darauf zu sprechen (V. 14 ), weil er durch ein lautes, rauschendes Getöse abgelenkt wurde. Nach einem eingeschobenen Lobpreis (V. 12 b) erklärte Hesekiel, daß dieses rauschende Getöse von den Flügeln der Cherubim kam, die gegeneinander schlugen, und von den Rädern. Hesekiel wurde durch den Geist auf Gottes Thronwagen hinweggeführt und war durch das Geräusch, das bei dieser Bewegung entstand, überrascht (vgl. Hes 1,24 ). In seiner Beschreibung dieses "Transportes" durch den Geist Gottes fügte Hesekiel ein: " Möge die Herrlichkeit des HERRN (vgl. die Anmerkungen zu Hes 1,28 ) gepriesen sein in seinem Wohnort (so V. 12 b in einigen Übersetzungen). Überwältigt von dem Anblick und dem Geräusch der Herrlichkeit Gottes antwortete er mit diesem spontanen Lob Gottes. |
Als Hesekiel durch den Heiligen Geist zurückgebracht wurde, war sein eigener Geist grimmig. Er sagte: Ich ging in Bitterkeit und Ärger meines Geistes . "Bitterkeit" ( mar ) vereinigt in sich Schmerz ( 1Mo 27,34 ), Unzufriedenheit ( 1Sam 22,2 ) und wütenden Zorn ( 1Sam 17,8 ). Von diesen drei Bedeutungen ist hier aufgrund des parallelen "Ärger ( HEmCh , "Hitze", "Wut") meines Geistes" wohl am stärksten der wütende Zorn Hesekiels gemeint. Als er sich mit Gott verband, hatte er die gleichen Empfindungen gegenüber der Sünde Israels wie Gott. Hesekiel wurde in seinem Dienst durch die mächtige Hand des HERRN geführt. "Die Hand des Herrn" wird auch in Hes 1,3; 3,22; 8,1; 33,22; 37,1 erwähnt. Die Vorstellung der "Hand des Herrn" (oder "Gottes") - die fast 190mal im Alten Testament vorkommt - spricht von Gottes Macht oder Autorität. Hesekiel kehrte zu den Weggeführten in Tel-Abib nahe dem Flusse Kebar zurück (vgl. Hes 1,3 und siehe den Abschnitt "Historischer Hintergrund" in der Einführung ). Er saß unter ihnen sieben Tage lang - überwältigt . Der Charakter der Vision, die er gerade erlebt hatte, und die Größe der Aufgabe, die vor ihm stand, überwältigten ihn. Er brauchte Zeit, seine Gedanken zu sammeln und sich für seinen Dienst vorzubereiten. |
( 3,16 - 21 ) Nach sieben Tagen der Stille wurde Hesekiels Einsamkeit durch Gottes Worte unterbrochen. Gott ernannte ihn zum Wächter für das Haus Israel . "Wächter" wird mehrere Male von Propheten benutzt (vgl. Jes 56,10; Jer 6,17 ). Wächter standen auf den Stadtmauern, auf Hügelkuppen oder besonderen Wachttürmen. Ein Wächter mußte auf herannahende Feinde achten und die Bevölkerung der Stadt vor einem drohenden Angriff warnen. So konnten außerhalb der Stadt wohnende Menschen in ihr Schutz suchen, und die Menschen in der Stadt hatten genügend Zeit, ihre Tore zu schließen und die Verteidigung einzurichten. In ähnlicher Weise war Hesekiel als Wächter Gottes dafür zuständig, Israel vor dem kommenden Gericht zu warnen. Er sollte sowohl die Gottlosen ( Hes 3,18-19 ) als auch die Gerechten (V. 20 - 21 ) warnen. Ein Gottloser sollte gewarnt werden, von seinen bösen Wegen umzukehren, um sein Leben zu retten . Obwohl das AT wie das NT sehr deutlich die geistlichen Folgen der Sünde aufzeigen, stehen hier stärker die physischen Folgen im Mittelpunkt. Ein Gottloser, der sich nicht an Gottes Warnung halten wollte, würde für seine Sünde sterben . Da alle Menschen von Geburt an geistlich tot sind, geht es hier offensichtlich um den physischen Tod. Wenn die Armeen Nebukadnezars kommen würden, erwartete den Gottlosen der Tod durch die Hand der Feinde. |
Der Gerechte mußte ebenfalls gewarnt werden, damit er sich nicht von seiner Gerechtigkeit abwandte und Böses tat . Wenn ein Gerechter den Pfad der Gerechtigkeit verließ, dann erwartete auch ihn der Tod. Damit ist nicht gemeint, daß ein einzelner seine Errettung verliert. Der "Gerechte", der hier beschrieben wird, ist jemand, der sich äußerlich an Gottes Anordnungen hält, und der "Tod" ist hier der physische Tod (vgl. die Anmerkungen zu V. 18 - 19 ). Wer Gottes Gesetz gehorsam war, würde während dem kommenden Gericht bewahrt werden. Wer aber das Gesetz brach, würde sterben. Wenn Hesekiel nicht vor der herannahenden Gefahr warnen würde, würde Gott von seiner Hand das Blut der Menschen fordern . Das Prinzip der Verantwortung für das Blut anderer wird in 1Mo 9,5-6 aufgerichtet. Wenn Hesekiel die Menschen nicht warnen würde, würde er als ihr Mörder gelten, so, als hätte er sie selbst getötet. Wenn er jedoch seine Aufgabe erfüllte, dann würde er sich selbst gerettet haben ( Hes 3,19.21 ). Das Wort "retten" ( nAQal , "befreien", "herausreißen", "retten") sollte hier mit "befreien" übersetzt werden, da es nicht von einer ewigen Errettung spricht. Vielmehr sollte Hesekiel durch seine Warnung sich selbst von jeder Verantwortung für das kommende Elend freimachen. Alle Menschen, die auf diese Warnung nicht hören wollten, waren dann selbst an ihrem Untergang schuld. |
( 3,22 - 27 ) Hesekiel wurde in die Ebene hinausgerufen , um Gott zu begegnen. "Ebene" ( biqZCh ) bedeutet eigentlich "Tal". Es bezieht sich auf eines der vielen weiten Täler im mesopotamischen Stromgebiet (vgl. 1Mo 11,2 ). Wo diese "Ebene" genau lag, auf die Hesekiel hinausgerufen wurde, wissen wir nicht. In der Ebene sah Hesekiel die Herrlichkeit des HERRN (vgl. die Anmerkungen zu Hes 1,28 ) zum zweiten Mal Wieder reagierte er darauf mit demütiger Unterwerfung - er fiel auf sein Angesicht (vgl. Hes 1,28 ). |
Dann kam der Geist in ihn und ließ ihn aufstehen. Zur Zeit des AT war die Innewohnung des Heiligen Geistes nicht dauerhaft (vgl. die Anmerkungen zu Hes 2,2 ). Der Geist fuhr erneut in Hesekiel, um ihm für seinen Dienst Kraft und Vollmacht zu verleihen. Gott auferlegte dem Propheten nun verschiedene Beschränkungen. Die erste war, daß er sich in seinem Haus einschließen sollte. Das bedeutete nicht, daß Hesekiel sein Haus nie verlassen durfte (vgl. Hes 5,2; 12,3 ), sondern daß er keine öffentliche Gemeinschaft mit den Menschen haben sollte. Oft kamen die Führer zu ihm in sein Haus, um dort Gottes Wort zu empfangen (vgl. Hes 8,1; 14,1; 20,1 ). |
Hesekiel würde in seinem Haus bleiben, da ihn die Leute mit Seilen binden würden, so daß er nicht mehr unter die Leute gehen konnte. Manche Ausleger schließen daraus, daß Gott Hesekiel aus der Sorge um seine physische Sicherheit gesagt habe, zuhause zu bleiben, denn seine Widersacher würden sonst versuchen, ihn physisch von der Verkündigung des Wortes Gottes abzuhalten. Aber er gibt keinerlei Hinweis darauf, daß Hesekiel irgendwann einmal physisch gebunden oder mit Gewalt zurückgehalten wurde. Viel wahrscheinlicher ist, daß es sich hier um Bildsprache handelt. Hesekiel war gebunden. Er durfte nicht unter den Menschen leben, sondern war wegen ihrer Feindschaft gegen seine Botschaft auf sein Haus beschränkt. Es war eine von Gott auferlegte Beschränkung, die den Menschen ihre Auflehnung zeigen sollte. |
Gott ließ Hesekiel noch von einer anderen Beschränkung wissen: Seine Zunge würde an seinem Gaumen kleben . Hesekiel war zeitweise stumm, so daß er nicht mehr zu den Menschen reden konnte. Dies war jedoch kein Dauerzustand (V. 27 , vgl. Hes 33,22 ). Es war ein Zeichen für das Haus des Widerspruchs (vgl. Hes 3,27 und die Anmerkungen zu Hes 2,3 und Hes 3,9 ), für ihre Sünde. |
Manche sehen zwischen Hesekiels Berufung zum Wächter (V. 16 - 21 ) und seinem Verbot, zu den Menschen zu sprechen (V. 26 ), einen Widerspruch. Die Lösung dieses Problemes finden wir in Vers 27 . Hesekiels Schweigen war ihm als Mensch auferlegt. Von nun an sprach Hesekiel nur noch, wenn Gott es ihm sagte. Gott sagte: Aber wenn ich zu dir rede, will ich deinen Mund öffnen . Wenn er schwieg, dann weil Gott nicht gesprochen hatte. Wenn er sprach, dann weil Gott ihm eine Botschaft gegeben hatte. Als Wächter sollte er seinen Mund öffnen und sagen: Dies ist, was der Höchste, der HERR, sagt . Der Abschnitt schließt: Wer auch immer hören will, soll hören, und wer es ablehnt, der soll es ablehnen . Der erste Teil des Satzes heißt wörtlich: "Laß den Hörer hören" oder "Der, der hört, wird hören". Gemeint ist, daß die Aufnahme oder Verwerfung der Botschaft Hesekiels davon bestimmt würde, ob ein Mensch offen war für Gott oder nicht. Wer für Gott ein offenes Ohr hatte, würde auch die Botschaft Hesekiels annehmen. Wer dagegen Gott verwarf, würde auch seine Botschaft verwerfen. Diese Worte sind dem sehr ähnlich, was Christus während seines Dienstes auf dieser Erde gesagt hat: "Wer Ohren hat zu hören, der höre" ( Mt 11,15; 13,9.43; Mk 4,9.23; Lk 8,8; 14,35 ). |
( Hes 4-24 ) Hesekiels Dienst begann mit einer persönlichen Begegnung mit Gott. Dann erschien Gott Hesekiel und gab ihm sein Wort des Gerichtes für Israel. Er setzte Hesekiel als Wächter ein, der den Auftrag hatte, Alarm zu schlagen. Die Kapitel 4 - 24 enthalten diesen Schrei des Wächters. In den Kap. 4 - 11 spricht Hesekiel von der Notwendigkeit des Gerichtes, das wegen des Ungehorsams des Volkes kommen mußte. Dann griff der Prophet die Nutzlosigkeit eines falschen Optimismus an ( Hes 12-19 ) und stellte schließlich dessen gegenwärtigen Ungehorsam und das zukünftige Gericht in das rechte Licht, indem er die Geschichte des Verfalls von Juda noch einmal schilderte ( Hes 20-24 ). ( Hes 4-11 ) Hesekiels Aufgabe war, Israel mit seiner Sünde zu konfrontieren und es vor der drohenden Zerstörung zu warnen (vgl. Hes 3,17 ). Hesekiel benutzte verschiedene Mittel, um zu zeigen, daß das Gericht unausweichlich geworden war. Dazu gehörten Zeichen ( Hes 4-5 ), Predigten ( Hes 6-7 ) und Visionen ( Hes 8-11 ). Immer betonte er dabei die Sünde und das Leiden, das sie mit sich bringt. ( Hes 4-5 ) Obwohl Hesekiel in seinem Haus bleiben mußte ( Hes 3,24 ), erwartete Gott dennoch von ihm, daß er seine Gerichtsbotschaft überbrachte. Um das Interesse zu wecken, benutzte Hesekiel Gegenstände und Bild-Handlungen, die er vermutlich auf seinem Hof oder im Eingang seines Hauses den Leuten zeigte. Sie waren Zeichen der kommenden Belagerung gegen Jerusalem. (1) Das Zeichen des Ziegelsteines ( Hes 4,1-3 ) Auf einen Ziegelstein sollte Hesekiel die Umrisse der Stadt Jerusalem zeichnen. Der "Ziegelstein" ( l+BEnCh ) könnte eine jener weichen Tontafeln gewesen sein, die von den Babyloniern als Schreibtafeln benutzt wurden, es könnte jedoch auch einfach ein großer, in der Sonne gebackener Ziegelstein, der in Babylon zum Hausbau benutzt wurde (vgl. 1Mo 11,3 ), gewesen sein. Vermutlich handelte es sich um letzteres, was dem gewöhnlichen Gebrauch dieses Wortes entspricht. Der Umriß von Jerusalem war so eindeutig, daß Hesekiel ihn mit wenigen Strichen zeichnen konnte und alle ihn sofort erkannten. |
Dann sollte Hesekiel eine Belagerung um den Ziegelstein bauen. Weil Jerusalem eine so gut befestigte Stadt war, würde es Monate dauern, bis Babylon sie eingenommen hatte. Der Zweck einer Belagerung war, die Feinde auszuhungern und durch die Unterbrechung des Nachschubes an Nahrung, Hilfsgütern und Waffen zu zermürben. Vielleicht hatte Hesekiel kleine Holzmodelle oder auch Lehmklumpen benutzt, um die babylonische Armee darzustellen, die Jerusalem und belagert. Zuerst sollte er Bollwerke ( dAyEq ) gegen seine "Stadt" errichten. "Bollwerke" waren Türme oder Wälle aus Erde, die um ganz Jerusalem herum errichtet wurden (vgl. 2Kö 25,1; Jer 52,4 ). Sie schützten die angreifenden Truppen vor Pfeilen, die von den Mauern heruntergeschossen wurden, und gaben den Angreifern zusätzliche Höhe, um ihre eigenen Pfeile über die Stadtmauern schießen zu können. Dann sollte Hesekiel einen Wall gegen die Ziegelstein-Stadt bauen. Der "Wall", auch "Rampe" genannt, war eine relativ sanft ansteigende Erhöhung, über die man Belagerungstürme und Sturmböcke schieben konnte. Außerdem gab der Wall den Angreifern die Gelegenheit, über die großen und unbeweglichen Grundsteine der Stadtmauer zu gelangen und die kleineren und verletzlicheren oberen Steine mit den Sturmböcken zu erreichen. Um den Nachschub und die Unterstützung in die Stadt hinein und die Flucht Überlebender aus ihr heraus zu verhindern, errichtete eine angreifende Armee Heerlager rund um sie herum. Hesekiel sollte dies an seinem Modell ebenfalls tun. Später umlagerte Nebukadnezar mit seinem Heer Jerusalem und ließ keinerlei Unterstützung oder Flucht zu. Als dies nun alles geschehen war, wurden die Sturmböcke herangebracht, um ihren Angriff zu beginnen. Ihr ständiges Hämmern schwächte die Mauern der Stadt Schlag für Schlag. |
Wenn Nebukadnezars Belagerung (durch Hesekiel im Modell dargestellt) seinen Griff um Jerusalem geschlossen hatte, dann würden die Menschen Gott um Befreiung anrufen. Hesekiel stellte die Vergeblichkeit dieses Rufens dadurch dar, daß er eine eiserne Pfanne wie eine eiserne Mauer zwischen sich und die Stadt stellt. Die "Pfanne" (oder "Platte", maHXBaT ) war vermutlich eine Eisenplatte, die von den Israeliten benutzt wurde, um Brot oder Kuchen darauf zu backen (vgl. 3Mo 2,5 ). Einige Ausleger meinen, daß die Eisenpfanne aufgestellt werden sollte, um die Härte oder Unausweichlichkeit der Belagerung deutlich zu machen, aber die lebendige Schilderung der Belagerung ( Hes 4,2 ) macht eine solche Annahme unnötig. Wahrscheinlicher ist, daß die Pfanne eine wegen ihrer Sünde undurchdringliche Grenze darstellte zwischen Gott und Jerusalem ( Jes 59,2; Kl 3,44 ). Wenn die Belagerung andauerte, würde Jerusalem um Hilfe schreien, aber Gott würde ihre Gebete nicht erhören. |
(2) Das Zeichen von Hesekiel, der auf der Seite
liegt (
Hes 4,4-8 )
Gott sagte Hesekiel, daß er sich auf seine linke Seite legen und die Sünde des Hauses Israel auf sich selbst nehmen solle. Wenn Hesekiel sich mit seinem Kopf in Richtung Jerusalem niederlegte (vgl. Dan 6,10 ), sah er nach Norden, wenn er auf seiner linken Seite lag (und nach Süden, wenn er auf seiner rechten Seite lag; Hes 4,6 ). Seine Ausrichtung nach Norden, was Israel, das Nordreich, versinnbildlichte, sollte 390 Tage dauern. Allerdings blieb Hesekiel nicht 24 Stunden am Tag in dieser Lage, denn das nächste Zeichen bereits (V. 9 - 17 ) machte einige Aktionen nötig, die er in dieser Zeit tun mußte. Vermutlich blieb er an jedem Tag eine bestimmte Zeit lang in dieser Position. Nachdem er 390 Tage lang auf der linken Seite gelegen hatte, sollte er sich auf seine rechte Seite legen und die Sünde des Hauses Juda tragen . Sein Blick nach Süden bedeutet das Südreich Juda. Es sollte 40 Tage dauern. Um das Eingeschlossensein während der Belagerung zu verdeutlichen, ließ Gott Hesekiel mit Seilen binden (V. 8 ). Offenbar war Hesekiel nur während der Zeit des Tages gebunden, die er auf seiner Seite lag. Die Bedeutung des Tuns von Hesekiel ist nicht ganz klar. Die Septuaginta (die griech. Übers. des AT) bringt noch mehr Verwirrung dazu, weil sie aus den 390 Tagen 190 Tage macht (V. 5.9 ). Diese Veränderung des Textes sollte offenbar diesen sinnvoller machen. Dies zeigt, daß auch die Übersetzer der Septuaginta mit dem Verständnis dieser Stelle Schwierigkeiten hatten. Das erste Zeichen (V. 1 - 3 ) machte die kommende Belagerung Jerusalems sichtbar, das dritte und vierte Zeichen (V. 9 - 17 und Hes 5 ) die Folgen der Belagerung. Deshalb sprach auch dieses zweite Zeichen vermutlich in irgendeiner Weise von der Belagerung und Eroberung Jerusalems. Zwei Dinge machen dies zusätzlich wahrscheinlich: (1) Die 390 Tage und die 40 Tage werden der Tag deiner Belagerung ( Hes 4,8 ) genannt. (2) Im dritten Zeichen rationierte Hesekiel Nahrung und Wasser während der Zeit, die er auf seiner Seite lag, um den Mangel an Nahrung und Wasser während der Belagerung zu verdeutlichen (V. 9.16 - 17 ). Aber warum nahm Gott die beiden Zahlen 390 und 40? Die Tage stellen die Jahre deiner Sünde (V. 5 ) dar. Jeder Tag stand also für ein Jahr in Israels und Judas Geschichte. Aber waren die Jahre Vergangenheit oder Zukunft? Wenn sie sich auf die Vergangenheit bezogen, dann zeigten sie die Zahl der Jahre, die Israel und Juda gesündigt hatten, bevor dieses Gericht über es kam. Wenn sie sich auf die Zukunft bezogen, wollte Hesekiel die Zahl der Jahre beschreiben, die das Volk durch Heiden unterdrückt würde, nachdem es unter Babylon gefallen war. Viele Theologen, die der letzten Auslegung zustimmen, haben versucht, einen Punkt in der Geschichte zu finden, der dieses Zeichen erfüllt. Andere wiederum verstehen die Zahlen "symbolisch" als Hinweis auf das Ende der babylonischen Gefangenschaft, aber die genaue Angabe und ihre Beziehung zu Israel und Juda macht dies unwahrscheinlich. Wieder andere Ausleger behaupten, die Zahlen würden von 430 Jahren heidnischer Herrschaft reden, angefangen mit dem Exil Jojachins im Jahr 597 V. Chr. bis 167 V. Chr., dem Jahr, in dem der Aufstand der Makkabäer begann. Diese Sicht enthält jedoch mehrere Schwierigkeiten. Erstens gibt es keinen Grund, warum 597 der Ausgangspunkt sein sollte und nicht 592 (das Jahr, in dem Hesekiel diese Weissagung machte) oder 586 (das Jahr, in dem die Stadt tatsächlich unterging). Zweitens erklärt diese Sicht nicht, warum Israel 390 Jahre zugeschrieben werden. Es war bereits 125 Jahre vor 597 in die Verbannung gebracht worden (nach Assyrien; 722 V. Chr.). Drittens ist nicht klar, ob 167 V. Chr. tatsächlich das Jahr war, das Israel aus dem Joch Syriens befreite. Dieses Jahr markiert nur den Beginn des Kampfes. Vermutlich ist die beste Möglichkeit, die Zahlen als Bezugnahme auf die Vergangenheit zu sehen. Die 390 Tage sprechen von "den Jahren ihrer Sünde" (V. 5 ), nicht den Jahren ihrer Strafe. Allerdings läßt sich dann kein besonderes Jahr als Ausgangspunkt festlegen. Aber wenn auch die Einzelheiten unklar sind, ist doch die Botschaft eindeutig - Babylon würde Jerusalem wegen seiner Sünde belagern, und die Länge der Belagerung würde in einem Zusammenhang mit den Jahren ihrer Sünde stehen. |
(3) Das Zeichen der unreinen Speise (
Hes 4,9-17 )
Hesekiel sollte das Gemisch während den 390 Tagen essen, die er auf seiner linken Seite lag . Er sollte sich für jeden Tag 20 Schekel Speise zum Essen abwiegen . Diese tägliche Ration wog etwa 230 Gramm. Außerdem durfte er ein Sechstel einer Kanne (etwa 2/3 Liter) Wasser trinken. Durch diese mageren Rationen sollte der Mangel an Nahrung und Wasser während der Belagerung in Jerusalem gezeigt werden (Vgl. Hes 4,16-17 ). Das Zeichen sollte aber auch die Verunreinigung und Entheiligung zeigen, die das Volk erleben würde. Hesekiel erhielt daher den Auftrag, sein Brot vor den Leuten zu backen , indem er Menschenkot als Brennmaterial nahm. Kot nahm man im gesamten Mittleren Osten als Brennmaterial, da Holz relativ knapp war. Er wurde mit Stroh gemischt, dann ließ man ihn trocknen. Der getrocknete Kot brannte langsam und gab einen unangenehmen Geruch ab. Dennoch war der Gebrauch von Tierkot nicht verboten. Menschlicher Kot jedoch galt als anstößig. Hesekiel verstand, was diese Handlung bedeuten sollte, aber sie war ihm widerwärtig. Er konnte sich nicht überwinden, dies zu tun. Er antwortete: Nicht so, HERR HERR! Ich habe mich noch nie verunreinigt. Hesekiel hatte sich immer an Gottes Speisegebote gehalten ( 5Mo 14 ). Als Priester ( Hes 1,3 ) achtete er darauf, sich selbst rein zu halten (vgl. 3Mo 22,8; Hes 44,31 ). Zwar verbot das Gesetz den Gebrauch von menschlichem Kot als Brennmaterial zum Kochen nicht ausdrücklich, aber die Aussagen über die Beseitigung menschlicher Exkremente ließen diesen Schluß zu (vgl. 5Mo 23,13-15 ). Der Herr erklärte die Symbolik des menschlichen Kotes: Das Volk von Israel wird unreine Speise essen unter den Völkern, unter die ich sie vertreiben werde ( Hes 4,13 ). Die Belagerung (und schließliche Eroberung) würde die Israeliten zwingen, unreine Speise zu essen und so kultisch unrein zu werden. |
Dennoch ging Gott auf die Bitte Hesekiels ein. Ich will dich dein Brot backen lassen auf Kuhdung, statt auf Menschenkot. Der Gebrauch von Kuhdung galt als weniger anstößig, und so ließ Gott Hesekiel diesen benutzen. Der Mangel an Nahrung und Wasser während der babylonischen Belagerung von Jerusalem (vgl. Kl 1,11; 2,11-12.19; 4,4-5.9 ) und die Angst (vgl. Hes 12,19 ) und Auszehrung der Menschen (vgl. Kl 4,8 ) kamen nur wegen ihrer Sünde (vgl. Kl 4,13;5,16 ). |
(4) Das Zeichen des geschorenen Hauptes und des
geteilten Haares (
Hes 5 )
Nachdem sich Hesekiel die Haare abgeschnitten hatte, sollte er eine Waage nehmen, das Haar in drei gleiche Teile aufteilen und ein paar Strähnen übrig lassen. Vermutlich geschah dies irgendwann gegen Ende der beiden ersten Zeichen. Aber bis zum Ende der 430 Tage seiner symbolischen Belagerung geschah sonst nichts. |
Erst jetzt wurde das Haar, das er zur Seite gelegt hatte, benutzt. Hesekiel sollte ein Drittel seines Haares in die Mitte der Stadt tragen und dort verbrennen . Dies sollte, so wird in Vers 12 erklärt, zeigen, daß ein Drittel der Menschen in Jerusalem durch Pest oder Hungersnot sterben würde. Als die Truppen Nebukadnezars schließlich in die Stadt einbrachen, fanden sie eine durch den Hunger stark dezimierte Bevölkerung vor. Die Lebensmittelknappheit war so groß, daß die Menschen zum Teil zum Kannibalismus übergingen (V. 10 ). Diese schreckliche Notlage war durch Mose ( 5Mo 28,52-57 ) bereits vorausgesagt und ist durch Jeremia bestätigt worden ( Kl 2,20; 4,10 ). Wer die Hungersnot überlebt hatte, den fand das Schwert. Nachdem Hesekiel das erste Drittel seines Haares verbrannt hatte, sollte er nun mit dem zweiten Drittel durch die Stadt gehen und es mit seinem Schwert schlagen. Dies bedeutete, daß ein Drittel der Bevölkerung Jerusalems durch das Schwert sterben würde ( Hes 5,12 ). Aber auch das letzte Drittel der Bewohner Jerusalems, das die Belagerung überleben würde, war noch in Gefahr. Dies zeigte Hesekiel, indem er ein Drittel seines Haares im Wind verstreute. Wer den Untergang Jerusalems überleben würde, der würde den Babyloniern in die Hand fallen und in die Gefangenschaft weggeführt werden, wo er in Furcht und Angst leben mußte. |
Nachdem Hesekiel sein Haar verbrannt, mit dem Schwert geschlagen und verstreut hatte, waren noch ein paar Strähnen übrig. Gott sagte ihm, daß er sie in die Falten seines Mantels binden solle. Diese wenigen Haare standen für einen Überrest, den Gott mitten im Gericht bewahren würde. Der "Mantel" war eine Tunika, ein langer Umhang, den Männer trugen. Er wurde durch einen Gürtel oder eine Schärpe zusammengehalten. Man nahm dabei die untere Spitze und steckte sie in den Gürtel, um so einen Beutel zu haben, in dem man Gegenstände transportieren konnte. Vermutlich sollte Hesekiel die Haare in diesen Beutel legen. Die wenigen Haare in Hesekiels Kleidung blieben aber dennoch nicht ganz verschont. Hesekiel sollte ein paar von ihnen nehmen und sie ins Feuer werfen. Manche Ausleger meinen, daß sich dies auf ein reinigendes Gericht bezog, das den Überrest in der Gefangenschaft reinigte (vgl. Hes 6,8-10 ). Das Feuer ( Hes 5,4 ) jedenfalls schien sich (wie in V. 2 ) auf das Leiden und den Tod zu beziehen, die diese Menschen erwarteten. Das Gericht galt dem ganzen Haus Israel . Selbst der Überrest in der Gefangenschaft würde den Flammen der Unterdrückung nicht entkommen. |
Gottes Strafe über Jerusalem entsprang nicht irgendeiner Willkür. Sie kam wegen der Rebellion des Volkes. Gott hatte Jerusalem in die Mitte der Völker gestellt und unter die Länder ringsumher . Aber trotz dieser hervorgehobenen Stellung (die vielleicht auch die zentrale Lage des Landes im Mittleren Osten meint) hatte sich Israel gegen die Gebote Gottes aufgelehnt (vgl. Hes 2,3 ) und es schlimmer als die umliegenden Heiden getrieben. Jerusalem war der Empfänger des Wortes Gottes, der Wohnort seiner Herrlichkeit und der Gegenstand seiner Liebe gewesen. Der Glanz seiner Gunst aber ließ die Finsternis ihrer Taten nur umso deutlicher werden. Statt ihren Gott zu ehren, rebellierten sie gegen ihn. Ja, Israels Verhalten war schlimmer als die Ordnungen der heidnischen Völker . |
Gottes Zorn richtete sich gegen Jerusalem , die Haupstadt des Volkes, weil es gesündigt hatte. Die Stadt würde das Gericht vor den Augen der Nationen erleben. Das Objekt der besonderen Gunst Gottes würde schon bald zum Objekt seines besonderen Gerichtes werden. |
In drei kurzen Bildern machte Hesekiel deutlich, daß Gottes Gericht dauern würde, bis der Grimm seines Zorn vergangen sei. Hesekiel unterstrich die göttliche Herkunft jedes Gerichtes durch die Worte Gottes: Ich, der HERR, habe gesprochen (V. 13.15.17 ). In der ersten Aussage (V. 13 ) zeigte Hesekiel, daß Gottes Gericht erst dann vollendet und zum Ziel gekommen sein würde, wenn er seinen Zorn über sie ausgegossen hätte. Die zweite Aussage (V. 14 - 15 ) betonte die Demütigung, die Jerusalem durch das Gericht Gottes erleben würde. Andere Völker würden sie schmähen und verspotten (vgl. Kl 2,15 ). Aber diese höhnenden Völker würden über das, was an Jerusalem geschehen würde, erschrocken sein. Das Blutbad, das über die Stadt kommen würde, war zugleich eine Warnung für sie. Die dritte Aussage ( Hes 5,16-17 ) zeigt Gott als Bogenschütze, der seine zerstörerischen Pfeile (vgl. 5Mo 32,23 ) gegen Jerusalem abschoß. Gottes "Pfeile" des Gerichtes sind z. B. Hungersnot, wilde Tiere, Pest und das Schwert - Trübsale, die auf einzigartige Weise mit dem göttlichen Gericht über Gottes ungehorsames Volk verbunden sind (vgl. 5Mo 32,23-25; Hes 14,21 ). |
( Hes 6-7 ) Nachdem er seine vier dramatischen Zeichen überbracht hatte, erhielt Hesekiel zwei Predigten, die beide mit den gleichen Worten beginnen: "Das Wort des Herrn geschah zu mir" ( Hes 6,1; 7,1 ). Gott ist die Quelle der Worte, die Hesekiel verkündigte. Die erste Botschaft ( Hes 6 ) behandelte Israels Götzendienst, den Grund für das Gericht. Die zweite Botschaft ( Hes 7 ) sprach von der Art des Gerichts. (1) Der Götzendienst als Grund für das Gericht ( Hes 6 ) Gott befahl dem Propheten, sein Angesicht gegen die Berge von Israel zu richten. Die Präposition "gegen" ( ?el ) meint eine Bewegung auf etwas zu. Der Ausdruck "das Gesicht richten gegen" wird benutzt, um eine Richtung ( 1Mo 31,21 ; "zog nach"; 4Mo 24,1 ), die Bestimmung oder den Zweck ( 2Kö 12,18 ; "wandte sich gegen") oder feindliche Absichten ( 3Mo 17,10; 20,3.5-6 ) zu bezeichnen. Hesekiel benutzte diesen Ausdruck 14mal ( Hes 4,3.7; 6,2; 13,17; 14,8; 15,7 [zweimal]; Hes 21,2; 21,7; 25,2; 28,21; 29,2; 35,2; 38,2 ). Jedesmal bedeutete es, sein Angesicht mit feindlicher Absicht gegen jemanden oder etwas zu richten. Gott richtete das Werkzeug seines Gerichtes gegen sein Ziel. Interessant ist noch, daß Hesekiel später noch einmal den "Bergen von Israel" weissagte ( Hes 36,1-15 ). Dort jedoch ist seine Botschaft eine Prophetie des Segens. |
Hesekiel sollte auch gegen Israels Schluchten und Täler weissagen. Die Bedeutung dieser Aussage kann nur im Licht der kanaanitischen Religionspraktiken verstanden werden, die von Israel übernommen wurden (vgl. Jer 2,20-28; 17,1-3; 32,35 ). Israel sollte den Gott des Himmels nur in seinem Tempel in Jerusalem anbeten, aber das Volk stellte im ganzen Land falschen Göttern Schreine auf (vgl. 2Kö 21,2-6.10-15 ). Indem sich Hesekiel hier an das Land selbst wandte, machte er die gottlose Verwendung desselben durch die Menschen deutlich. Gottes Schwert (vgl. Hes 5,1.12 ) würde Israels Höhen zerstören . Eine "Höhe" ( bAmCh ) war gewöhnlich (allerdings nicht immer; vgl. 2Kö 23,8 ) ein Ort der Anbetung auf einem Hügel oder Berg. Die erhöhte Stellung sollte die Menschen näher zu ihren Göttern bringen. Auf einem solchen Platz konnte zwar auch ein Tempel stehen ( 1Kö 12,31 ), aber gewöhnlich bestanden Höhen nur aus Altären, auf denen man opferte. In Kanaan gab es schon Höhen, bevor Israel ins Land kam, und Gott befahl, diese zu zerstören ( 4Mo 33,52 ). Israel sollte Gott nur im Heiligtum, das in Silo stand, anbeten (vgl. 5Mo 12,2-14; 1Sam 1,3 ). Nach der Zerstörung von Silo (vermutlich durch die Philister) und vor dem Bau des Tempels in Jerusalem hatte Israel keinen zentralen Ort für den Gottesdienst. Der Altar und die Stiftshütte wurden nach Gibeon gebracht ( 2Chr 1,1-3 ), und die Bundeslade kam nach Kirjat-Jearim ( 1Sam 6,21-7,1 ). Der Tisch für das Brot der Gegenwart stand offensichtlich in Nob ( 1Sam 21,2-7 ). Während dieser Zeit ließ Gott den Gebrauch von Höhen als vorläufige Anbetungsorte zu (vgl. 1Kö 3,2 ). Sowohl Samuel ( 1Sam 9,12-14 ) als auch Salomo ( 1Kö 3,3 ) beteten Gott auf Höhen an. Nachdem der Tempel in Jerusalem vollendet war, wurde der Gottesdienst auf den Höhen erneut verboten. Die meisten noch im Land befindlichen Höhen waren falschen Göttern geweiht ( 1Kö 11,7-10 ). Der Konflikt zwischen dem wahren und dem falschen Gottesdienst zeigte sich oft in der Behandlung dieser Höhen. Die Könige, die Gott folgten, versuchten, die Höhen zu zerstören (z. B. Hiskia, 2Kö 18,3-4 ; Josia, 2Kö 23,8-9 ), während die Könige, die Gott nicht folgten, sie wieder aufbauten (z. B. Manasse, 2Kö 21,1-6 ). Zur Zeit Hesekiels gab es wieder überall in Juda solche Höhen. Dort standen Altäre für das Schlachtopfer von Tieren für die Götzen, Räucheraltäre für das Opfern von Räucherwerk und Statuen von Götzen, die die Götter sozusagen physisch repräsentieren sollten ( Hes 6,4 ). Israels hartnäckiger Götzendienst war ein Krebsgeschwür, das ausgemerzt werden mußte. Gottes Gericht würde schnell und gründlich sein. Sowohl die falschen Orte der Anbetung als auch ihre Erbauer und die Menschen, die hier anbeteten, würden vernichtet werden. Gott würde eingreifen, so daß die Höhen, Altäre, Götzen und Räucheraltäre allesamt ausgelöscht werden. Die Menschen, die sie gebaut hatten, würden getötet und ihre toten Körper würden neben die zerschlagenen Götzen und Altäre gestreut werden (V. 5 ). Dann würde das Volk erkennen, daß diese Götter falsche Götter gewesen sind. Sie würden, so sagte Gott, wissen, daß ich der HERR bin . Dieser Ausdruck kommt im Buch Hesekiel 63mal vor. Durch den Bundesnamen Gottes, Jahwe, richtete Hesekiel die Aufmerksamkeit auf die Untreue und den Abfall des Volkes. |
Inmitten des Gerichts erfolgte nun eine Verheißung der Barmherzigkeit. Gott würde einige verschonen (vgl. Hes 5,3-5; Hes 12,16 ). Nicht alle Israeliten würden vernichtet werden, denn einige würden dem Schwert entkommen , wenn Israel unter die Heiden zerstreut würde. Die drohende Niederlage Israels unter Babylon war nicht das Ende der Bundesverheißungen Gottes für Israel. Gott wandte sich nicht von seinen Verheißungen ab. Einige Israeliten in der Gefangenschaft würden sich an Gott erinnern. Sie würden an sein Wesen denken - wie er über sie in ihrem Götzendienst bekümmert war. Die Worte ihre ehebrecherischen Herzen beziehen sich auf ihren Götzendienst, der ein Akt der Untreue ist, ähnlich dem eines untreuen Ehegatten, der Ehebruch begeht. Sie würden sich auch an Gottes Treue gegenüber seinen Verheißungen erinnern, besonders an jene, in denen er versprach, Ungehorsam zu bestrafen. Die Weggeführten in der Gefangenschaft würden sich vor sich selbst wegen all ihrer verwerflichen Taten ekeln . Die traurigen Folgen der Sünde würden eine späte, aber notwendige Reue schaffen. Indem sie ihre Sünde und die Gerechtigkeit ihres Gerichts anerkannten, würden sie wieder zu Gott zurückgebracht - sie werden wissen, daß ich der HERR bin . Ihre persönliche Erkenntnis Gottes würde aus dem Elend der Gefangenschaft stammen. Gott brachte die Gefangenschaft nicht vergeblich über Israel. |
Der letzte Abschnitt (V. 11 - 14 ) dieser Predigt beginnt, indem Gott Hesekiel anwies, seine Hände zusammenzuschlagen, mit seinen Füßen zu stampfen und zu rufen: Wehe ! Das Zusammenschlagen der Hände, klatschen, war ein Zeichen der Freude ( 2Kö11,12 ) oder des Spottes ( Hi 27,23; Kl 2,15; Hes 21,19.22; 22,13; 25,6; Nah 3,19 ). Hier ist wohl ein Ausdruck des Spottes gemeint (vgl. Hes 25,6 ). Hesekiel sollte diesen Spott wegen all der gottlosen und verwerflichen Praktiken des Hauses Israel zeigen. Zerstörung durch Schwert, Hunger und Pest war die Zusammenfassung des Gerichtes, das bereits im vierten Zeichen des Propheten ( Hes 5 ) angekündigt worden war. Die Bewohner Jerusalems, die einem der Unheile entronnen waren, würden durch das nächste getroffen werden ( Hes 6,12 ). |
Das Bild in Vers 1 - 7 wiederholte sich hier, wenn Gott ankündigte, daß er die Leute zwischen ihren Altären , auf jedem hohen Hügel und unter jedem grünen Baum und allen dichten Eichen erschlagen würde. Oft wurden auf den Höhen Altäre unter mächtigen Bäumen aufgebaut, die Wachstum und vielleicht auch Fruchtbarkeit symbolisierten (vgl. Hos 4,13 ). Die "Eiche" ( ?ElCh ) ist eigentlich die Terebinthe. Die Terebinthe ist ein Laubbaum, der in Palästina häufig vorkommt und etwa 10 - 12 Meter hoch wird. Das Tal Ela, wo David Goliat erschlug, erhielt seinen Namen vermutlich durch die vielen Bäume dieser Art, die dort wuchsen ( 1Sam 17,2.19 ). Gott hatte Israel ein Land voller "grüner" Bäume und "dichter" Eichen gegeben, aber die Menschen hatten seine Gabe verdorben, indem sie diese Bilder seiner Größe und seines Reichtums zu Orten gemacht hatten, an denen sie all ihren Götzen lieblichen Opferduft darbrachten. Deshalb würde Gott ihr reiches Land zu Geröll und Schutt werden lassen - verlassen und öde von der Wüste bis nach Dibla. Statt "Dibla" lesen einige Manuskripte "Ribla" (siehe auch einige deutsche Übersetzungen), eine Stadt am Fluß Orontes in Syrien. Wenn diese Lesart richtig ist, dann spricht Hesekiel von dem ganzen Land, von der Wüste im Süden bis nach Ribla im Norden. Dies scheint aus zwei Gründen zu stimmen. Erstens kennen wir keine Stadt namens Dibla in Juda. (Obwohl dies natürlich ein argumentum e silentio ist, scheint es doch unwahrscheinlich, daß Hesekiel eine wenig bekannte Stadt benutzt, um das Ausmaß des Gerichtes Gottes deutlich zu machen.) Zweitens läßt sich die Änderung von Ribla zu Dibla durch die ähnliche Form der hebräischen Buchstaben d und r erklären. Ein Abschreiber kann sich hier leicht geirrt und aus Versehen die beiden Buchstaben verwechselt haben. Zum dritten Mal in diesem Kapitel sagte Hesekiel, daß es eine Folge des Gerichtes sein würde, daß Israel wissen würde, daß er der HERR sei (vgl. Hes 6,7.10.14 ), daß Israel also seine höchste Autorität anerkennen würde. |
(2) Das Wesen des Gerichtes (
Hes 7 )
Hesekiels Botschaft war, daß das Ende gekommen ist über die vier Enden des Landes . Das Wort "Ende" wird fünfmal zu Anfang dieser Predigt benutzt ( Hes 7,2 [zweimal]<1--BB=Hes--> 7,3.6 [zweimal]). Der Prophet Amos benutzte dieses Wort auf ähnliche Weise, um den Fall des Nordreiches, 722 V. Chr., zu bezeichnen ( Am 8,2 ; "das Ende ist gekommen"). Hesekiel wiederholte die gleiche Botschaft für das Südreich. "Die vier Enden des Landes" machten deutlich, daß dem Gericht Gottes nichts entkommen würde. Die Ereignisse, die sich über Israel entladen würden, brachten eine neue Offenbarung des Wesens Gottes mit sich. Die Menschen würden erkennen, daß Gott, der gerecht ist, Sünde bestraft. Gott würde seinen Zorn gegen Israel ohne Erbarmen (V. 4 ) entladen ( Hes 7,3 ). Er würde es nach seinem Verhalten richten (vgl. V. 4.8 - 9.27 ) und es für seine verwerflichen Taten bezahlen lassen (vgl. V. 8 - 9 ). Dies wird zweimal ausgesagt (V. 3 - 4 ), um es zu betonen. Dann würde Israel wissen, daß Gott der HERR ist . Am Ende der Predigt wird die gleiche Aussage noch einmal wiederholt. |
Der Herr war wie ein Herold, der in die Stadt gelaufen war, um außer Atem vor dem kommenden Unheil zu warnen (V. 5 - 9 ). Im Hebräischen sind die Sätze kurz und stoßweise, und die Worte "kommt" oder "kam" tauchen sechsmal in den Versen 5 - 7 auf. Zuerst verkündete der Wächter: Unheil! Ein noch nie gehörtes Unheil käme . Was auf Jerusalem zukam, hatte in der Geschichte bisher keine Parallele. Was genau an Unheil über Jerusalem kommen sollte, zeigt die Wiederholung der Worte das Ende ist gekommen (V. 6 ). Im Hebräischen werden die beiden Worte im ersten Teil, das Ende ist gekommen, im zweiten Teil umgekehrt. Hesekiel zeigte in Form eines Wortspieles: Das Ende hat sich gegen dich erhoben . Die Worte "Ende" ( qEQ und haqqEQ ) und "erhoben" ( hEqIQ ) in Vers 6 klingen so ähnlich, daß sie die Aufmerksamkeit auf sich zogen. Das Unheil war durch Micha bereits über Jerusalem vorausgesagt worden ( Mi 3,12 ), aber diese Weissagung blieb über 100 Jahre lang unerfüllt. Nun stand das Ende Jerusalems vor der Tür. |
Hesekiel beschrieb die kommende Zerstörung Jerusalems als eine Zeit des Jammers ( haQQPIrCh ; vgl. V. 10 ). Dieses Wort kann "Krone" oder "Diadem" bedeuten (vgl. Jes 28,5 ), aber nicht in diesem Zusammenhang. Ein ähnliches Wort im Aramäischen bedeutet "Morgen". Diese Bedeutung ist von manchen Übersetzungen übernommen worden. Sie paßt jedoch ebenfalls nicht in den Zusammenhang, denn "Morgen" trägt ja auch die Bedeutung des Segens, während der Kontext eindeutig vom Unheil spricht. Vermutlich ist die Ableitung aus dem Akkadischen QabAru , "Zerstörung", zutreffend. Wenn der Tag des Gerichtes näherkommen würde, dann würde er Schrecken und nicht Freude auf den Bergen mit sich bringen. Die sich bisher an ihrem Götzendienst auf den Höhen (vgl. die Anmerkungen zu Hes 6,6 ) erfreut hatten, würden nun, wenn das Gericht über sie kommt, in einen Zustand der Erstarrung versetzt werden. Hesekiel wiederholte seine Aussage über das drohende Unheil noch einmal ( Hes 7,8-9 ist fast identisch mit V. 3 - 4 ). Die Zerstörung würde wie vorausgesagt eintreten, so daß die Betroffenen wissen würden, daß der HERR den Schlag ausgeführt hatte. Dies ist eine Abänderung der anderen Aussagen über das Kennen des Herrn ( Hes 6,7.10.14; 7,4.27 ). Diejenigen, die vorgaben, ihn bei seinen anderen Namen zu kennen (vgl. 1Mo 22,14;33,20; 2Mo 17,15 ), würden ihn nun bei seinem Namen Yahweh - makkeH , "der Herr, der den Schlag führt", kennenlernen. |
Die Nähe des Tages des Gerichts wurde nun mit einem blühenden Stock verglichen. Das Verderben ist aufgebrochen , der Stock ist aufgeblüht , der Hochmut grünt . Hesekiels Bild könnte von dem Stab Aarons entlehnt sein, der zu blühen begonnen hatte ( 4Mo 17 ), oder von Jeremias Bild eines blühenden Mandelbaumes ( Jer 1,11-12 ). Wenn auf den Stab Aarons angespielt wurde, dann soll damit gesagt werden, daß genauso, wie dieser blühende Stab Aaron als von Gott zum Dienst auserwählt zeigte, das Blühen des Stabes Israels nun zeigte, daß Gott Israel zum Untergang erwählt hatte. Wenn der Prophet auf den blühenden Mandelbaum Jeremias anspielte, dann sollte durch dieses Blühen einfach deutlich gemacht werden, daß das Gericht Gottes über Israel mit Sicherheit kommen würde. |
In Vers 10 ist die "Rute" ein Bild für die Blüte der Gottlosigkeit in Israel. In Vers 11 dagegen wird sie zu einer Rute des Gerichtes, mit dem das ungehorsame Volk geschlagen wird, ein Stock zur Strafe für Gottlosigkeit. Gottes Gericht würde ökonomische Folgen haben. Wenn es zuschlägt, würde keiner aus dem Volk übrig bleiben, keiner aus diesem Reichtum ("Reichtum", der hier vermutlich spöttisch gemeint ist, wird in V. 11 - 14 viermal benutzt). Nichts von Wert würde übrigbleiben. Wegen der Gefangenschaft seien Reichtum und materieller Besitz wertlos. Jeder Besitz würde beschlagnahmt und die Eigentümer aus ihrem Land vertrieben und nach Babylon gebracht werden. Hesekiel ermahnte deshalb: Der Käufer möge sich nicht freuen und der Verkäufer nicht trauern . Ein Käufer, der sich gewöhnlich über einen guten Kauf freuen würde, sollte nicht froh sein, weil er das Land, das er gekauft hatte, nicht besitzen würde. Wer gezwungen wurde, sein Land zu verkaufen, sollte nicht darüber trauern, denn er hätte es ohnehin verloren. Wenn in Israel Land verkauft wurde, dann galt ein solcher Handel immer nur für eine bestimmte Zeit. Jedes fünfzigste Jahr war ein Jubeljahr, in dem der Besitz wieder an seinen ursprünglichen Eigentümer zurückging ( 3Mo 25,10.13-17 ). Gottes Gericht jedoch wird alle ursprünglichen Eigentümer daran hindern, ihren Anspruch auf ihr Land anzumelden, da sie, zusammen mit den Käufern, in Gefangenschaft sein würden. Keine menschliche Anstrengung konnte Gott davon abhalten, seinen Plan durchzuführen. Obwohl sie mit der Trompete Soldaten auf das Schlachtfeld rufen würden, würde niemand in den Kampf gehen . Jerusalem würde versuchen, sich zu verteidigen, aber doch ohne großen Widerstand fallen. |
Israel würde feststellen, daß es keine Verteidigungsmöglichkeit gegen das Gericht Gottes besitzt und keine Fluchtmöglichkeit vor diesem Gericht. Außen würde das Schwert sein, innen Pest und Hunger (vgl. Hes 5,12 ). Wer versuchte, außerhalb von Jerusalems Mauern zu entkommen, würde von den babylonischen Truppen gejagt und ermordet werden. Wer innerhalb der Mauern Schutz suchen würde, würde sich Hungersnot und Krankheiten gegenübersehen. Die Mehrheit der Menschen würde sterben, und auch die Überlebenden würden einen Preis bezahlen müssen. Das elende Heulen derer, die sich in den Bergen versteckten und die über ihre Sünden und materiellen Verluste heulten, wird wie jammernde Tauben klingen. |
In Vers 17 - 19 sehen wir die Reaktion Israels auf Gottes Angriff. Die Hände würden herabsinken und die Knie so schwach wie Wasser werden (vgl. ähnliche Aussagen in Hes 21,7 ; siehe auch Jer 6,24 ). Den Verteidigern der Stadt blieb nichts anderes, als ihren elenden Zustand zu bejammern ( Hes 7,18 ) und das Hindernis des Materialismus zu entfernen, das sie zu Fall gebracht hatte (V. 19 - 22 ). Bei ihrer Klage würden sie Sackleinen anziehen und ihre Häupter scheren . "Sackleinen" war Kleidung aus grobem Stoff, der aus den langen Haaren von Ziegen oder Kamelen hergestellt wurde. Wegen seiner dunklen Farbe galt Sackleinen als angemessen für ernste, schwermütige Anlässe. Sich "Sackleinen anzuziehen" war ein Zeichen für Trauer oder Klage ( 1Mo 37,34; 2Sam 3,31; Hi 16,15; Jer 6,26 ) und Buße ( Jes 58,5; Dan 9,3-4; Jon 3,5-9; Mt 11,21 ). Hesekiel sprach offensichtlich von einer Trauer, die mit Schrecken vermischt ist und die Israel erleben würde, wenn der Feind sein Land zerstören würde. Auch das Scheren des Hauptes ist ein Bild für Trauer, Demütigung und Reue (vgl. die Anmerkungen zu Hes 5,1 ). |
Die Menschen würden nicht nur ihren Verlust bejammern, sondern auch die Dinge entfernen, die ihn verursacht hatten (V. 19 - 22 ). Sie würden ihr Silber auf die Straßen werfen , und ihr Gold würde wie Unrat sein . Ihre Götzen, die sie aus dem Metall ihres Schmuckes gemacht hatten, würden ebenfalls wie Unrat sein. Dinge, die einmal als wertvoll geachtet waren, würden nun verachtet sein. Das Wort für "Unrat" ( niddCh , "unreine Sache") wurde auch für die kultische Unreinheit durch die Menstruation ( 3Mo 15,19-33 ) und das Berühren eines Toten ( 4Mo 19,13-21 ) benutzt. Es zeigt, welch eine Ablehnung Israel gegenüber seinem eigenen Reichtum empfinden würde. Warum würden die Menschen so plötzlich ihre materiellen Güter verwerfen? Ein Grund dafür war die Unfähigkeit von Silber und Gold , ihnen die Sicherheit zu geben, um deretwillen sie ursprünglich angehäuft worden waren. Reichtum war nicht fähig, sie zu retten. Gott konnte man nicht "bestechen". Ein anderer Grund für die plötzliche Ablehnung des Reichtums war, daß Silber und Gold sie nicht in die Lage versetzten, Nahrung zu kaufen und ihren Hunger während der Hungersnot zu stillen. |
Israels Reichtum war nicht nur machtlos, wenn es um die Befreiung aus Gottes Gericht ging, er war auch nur vorläufig. Alles, was die Menschen sich angesammelt hatten, würde nach Babylon gebracht werden. Sein ganzer Reichtum würde von Fremden geraubt werden. Noch beunruhigender als der Verlust des Reichtums aber war Gottes Ankündigung über den Tempel: Ich werde mein Angesicht von ihnen abwenden, und sie werden mein Kleinod entheiligen; Räuber werden hineingehen und es entheiligen . Viele Israeliten sahen in dem Tempel Gottes ihre Hoffnung auf Rettung. Sie dachten, daß Gott sein Heiligtum niemals zerstören lassen würde (vgl. Jer 7,1-5 ). Aber Israels Sünde war so groß, daß nicht einmal der Tempel dem Gericht Gottes entgehen würde (vgl. Mi 3,12 ). |
Die Menschen, die für ihr Blutvergießen und ihre Gewalttaten bekannt waren, würden mit Ketten in die Gefangenschaft geführt werden (vgl. Hes 8,17; 12,19 ). Gottes Plan zum Angriff war zur Ausführung bereit: Ich werde die gottloseste der Nationen herbeibringen, um Besitz von ihren Häusern zu ergreifen . Babylon, eine ruchlose und grausame Nation (vgl. die Anmerkungen zu Hes 28,7 ), war von Gott auserwählt, um Israel arm zu machen (vgl. Hab 1,5-11 ). Israels hochmütiger Stolz und seine religiöse Hurerei würde unter den schweren Stiefeln der babylonischen Armee zertreten werden. |
Israels Reaktion auf das Gericht zeigte die Angst, Furcht und Verzweiflung, die durch die Sünde über das Volk kommen würden. Israel dachte, daß es niemals fallen werde. Wenn es schließlich den Schrecken seines Schicksales erkennen würde, dann würde es zu spät sein. Vergeblich würde es Befreiung und Frieden suchen. Gott sagte: Elend wird über Elend kommen und Gerücht über Gerücht . Die Schicksalsschläge würden ohne Pause einer nach dem anderen über das Volk hereinbrechen. Das Wort für "Elend" ( hOwCh ) wird nur hier und in Jes 47,11 benutzt. Es trägt die Bedeutung des Unterganges oder Unglückes. Wie bei Hiob (vgl. Hi 1,13-19 ) würde eine Katastrophe noch nicht verkündet sein, wenn schon die nächste käme. Gerüchte über Verbündete und Befreier, Revolten und Umstürze in Babylon würden sie in Jerusalem verbreiten - und jedes Geschwätz dieser Art würde von einem verschreckten und ängstlichen Volk begierig aufgenommen werden. Neben dem Hören auf die vielen falschen Gerüchte, die durch die Stadt laufen würden, würden die Menschen auch die Propheten, Priester und Ältesten aufsuchen, um Anweisungen von Gott zu erhalten. Aber auch dies würde vergeblich sein. Sie hatten nicht auf die Warnungen der wahren Zeugen Gottes hören wollen. Wenn sie nun verzweifelt nach einer Antwort suchen, würde keine mehr gegeben werden. |
Weil Gott ihnen nicht mehr helfen würde, würde der König, so sagte Hesekiel, klagen, der Fürst würde bekleidet sein mit Verzweiflung und die Hände der Menschen im Land würden zittern . Wer ist "der König" und "der Fürst"? Gewöhnlich benutzte Hesekiel das Wort "Fürst", wenn er Zedekia meinte ( Hes 12,10.12; 21,25 ), und sprach nie von ihm als "König". Der einzige Israelit, den Hesekiel "König" nannte, war Jojachin, der als Gefangener in Babylon lebte ( Hes 1,2 ). "König" Jojachin beklagte bereits in der Gefangenschaft den sicheren Untergang Jerusalems, während "Fürst" Zedekia in Jerusalem über seine Misere verzweifelt war. Deshalb zitterten die Menschen vor Furcht über ihr ungewisses Schicksal. Wieder sagte Gott, daß ihre Strafe nach ihrem Verhalten kommen werde (fünfmal wird dies in Hes 7 betont [V. 3-4.8-9.27 ]). |
( Hes 8-11 ) Wiederholt hatte Hesekiel darauf hingewiesen, daß das kommende Gericht durch die Sünden des Volkes bedingt war. Aber was hatten die Menschen von Jerusalem getan, daß sie eine solche Strafe verdient hatten? Gott nahm Hesekiel in einer Vision mit nach Jerusalem und zeigte ihm die Gottlosigkeit dort ( Hes 8-11 ). Diese Vision geschah "im sechsten Jahr" (der Gefangenschaft Jojachins; vgl. die Anmerkungen zu Hes 1,2 ), "im sechsten Monat, am fünften Tag" ( Hes 8,1 ). Dies war der 17. September 592 V. Chr., genau 14 Monate nach der ersten Vision Hesekiels ( Hes 1,1-2 ). In der Zwischenzeit hatte Hesekiel eine Vision Gottes erlebt ( Hes 1-3 ), vier Zeichen durchgeführt ( Hes 4-5 ) und zwei Botschaften des Gerichts verkündigt ( Hes 6-7 ). Nun gab Gott ihm erneut eine Vision. Die Vision, die in Kapitel 8 - 11 berichtet wird, ist eine geschlossene Einheit, die sich aber in vier Abschnitte einteilen läßt. Zunächst wurde Hesekiel mit der Gottlosigkeit der Menschen im Tempel konfrontiert ( Hes 8 ), dann sah er das Blutbad unter den Menschen Jerusalems ( Hes 9 ). Jerusalem war so gottlos, daß die Herrlichkeit Gottes den Tempel verließ ( Hes 10 ). Als Gottes Herrlichkeit die Stadt verließ, wurde das Gericht über die Herrscher der Stadt verkündet ( Hes 11 ). (1) Die Gottlosigkeit im Tempel ( Hes 8 ) Hesekiel nennt das Datum, um zu zeigen, wann die Hand des HERRN über ihn kam (vgl. Hes 1,3; 3,14.22 ). Es war, als er in seinem Haus war und die Ältesten von Juda mit ihm dort saßen . Hesekiels äußere Beweglichkeit war noch immer eingeschränkt (vgl. Hes 3,24 ), so daß die Ältesten der Gemeinschaft zu ihm in sein Haus kommen mußten. Vermutlich waren sie gekommen, um seinen Rat zu holen, vielleicht über das Schicksal Jerusalems. Die Vision war Gottes Antwort, die Hesekiel ihnen übermittelte (vgl. Hes 11,24-25 ). |
Als Hesekiel so vor den Ältesten saß, sah er eine Gestalt wie die eines Mannes . Diese Gestalt war eine Manifestation Gottes, eine Theophanie, wie die in Hes 1,26 beschriebene Erscheinung auch. Von seiner Hüfte an abwärts war er wie Feuer , und von dort an aufwärts war seine Erscheinung so glänzend wie glühendes Metall (vgl. Hes 1,27 ). Wie in Kapitel 1 ist die Beschreibung, die uns Hesekiel liefert, bewußt ungenau. Um nicht der Anklage zu verfallen, daß er sich ein Bild von Gott mache, formulierte Hesekiel unter der Leitung des Heiligen Geistes seine Beschreibungen äußerst vorsichtig. Gott hat keinen menschlichen Körper, seine Erscheinung war nur "eine Gestalt wie die eines Mannes". Er streckte auch nicht eine wirkliche, menschliche Hand zu Hesekiel aus: Er streckte etwas aus, das wie eine Hand aussah . Was Hesekiel in Kapitel 8 - 11 beschreibt, ereignete sich in Visionen, d. h. es geschah nicht im physischen Bereich. Als Hesekiel nach Jerusalem gebracht wurde (vgl. Hes 3,14; 11,1.24; 37,1; 43,5 ), blieb sein physischer Körper in Babylon. Die Ältesten, die vor ihm saßen, konnten die Theophanie von Gott nicht sehen. Erst als die Vision Hesekiel verließ ( Hes 11,24 b), beschrieb er sie den Ältesten. In seiner Vision wurde Hesekiel zwischen Erde und Himmel emporgehoben und nach Jerusalem gebracht. Nachdem er so von Babylon nach Jerusalem "geflogen" war, landete der Prophet bei dem Eingang des Nordtores im inneren Hof (vgl. die Zeichnung "Grundriß des salomonischen Tempels" zu 1Kö 6 ). Das Nordtor war eines der drei Tore, die von dem äußeren Hof zu dem inneren Hof führten. Die beiden anderen Tore lagen auf der Ost- und der Südseite. Da Hesekiel im "Eingang" des Nordtores stand, befand er sich vermutlich im äußeren Hof und schaute in Richtung Innenhof. Neben dem Nordeingang zum inneren Hof des Tempels stand das Bild, das zur Eifersucht reizt . Hesekiel nennt es auch das Bild, das für den HERRN ein Ärgernis war ( Hes 8,5 ), vermutlich weil er es als ein Affront gegen Gott ansah. Dieses Bild verletzte das zweite der zehn Gebote ( 2Mo 20,4 ; vgl. 5Mo 4,23-24 ). Gott wurde zur Eifersucht gereizt, weil ein fremder Götze die Verehrung erhielt, die nur ihm alleine zustand. Diese Gottheit wird nicht mit Namen genannt, aber es könnte Aschera gewesen sein, die kanaanitische Fruchtbarkeitsgöttin. König Manasse hatte während seiner Regierungszeit ein geschnitztes Bild der Aschera im Tempel aufstellen lassen ( 2Kö 21,7 ; vgl. 5Mo 16,21 ), aber es später wieder entfernt ( 2Chr 33,13.15 ). Nach dem Tod Manasses wurde erneut eine Säule der Aschera in den Tempel gebracht und von Josia während seiner Reform wieder entfernt ( 2Kö 23,6 ). Er verbrannte sie im Kidron-Tal außerhalb Jerusalems in der Hoffnung, diesen Götzendienst dadurch für immer auszurotten. Aber bald nach dem vorzeitigen Tod Josias kehrte das Volk wieder zu seinem Götzendienst zurück. Offensichtlich wurde ein neues Bild der Aschera gemacht und ebenfalls im Tempel aufgestellt. Als Hesekiel auf dieses Bild sah, war plötzlich neben ihm die Herrlichkeit des Gottes Israels (vgl. die Anmerkungen zu Hes 1,28 ). Gottes moralische Entrüstung zeigte sich in seiner rhetorischen Frage an Hesekiel: Siehst du, was sie tun, verwerfliche Dinge, die mich fern aus meinem Heiligtum treiben werden? Gott würde seine Herrlichkeit nicht mit einem Götzen teilen (vgl. Jes 42,8 ). Wenn der Götze im Tempel stand, würde Gott diesen verlassen. Der Schrecken darüber, daß in Gottes Haus ein Götzenbild stand, mußte Hesekiel in die Glieder gefahren sein. Doch war dies noch nicht alles, was Israel getan hatte, um Gott zu reizen. Hesekiel würde Dinge sehen, die noch abscheulicher waren (vgl. Hes 8,13.15 ). |
Gott führte Hesekiel nun durch das Tor an den Eingang des Hofes , vermutlich des inneren Hofes. Hesekiel sah ein Loch in der Mauer , die diesen Hof umgab. Gott befahl ihm, sich durch die Mauer zu graben. Als Hesekiel dies tat, sah er eine Tür dort. Hesekiel ging in die Kammer hinein und blickte sich um. Hier sah er auf allen Wänden alle Arten von kriechenden Wesen und unreinen Tieren und alle Götzen des Hauses Israel gemalt . Die Ausleger streiten sich darüber, ob das die Götter Ägyptens, Kanaans oder Babylons waren. Vielleicht waren alle diese Länder in diesem Pantheon des Götzendienstes vertreten. Siebzig Älteste und Jaasanja, der Sohn Schafans , standen hier mit Räucherwerk auf ihren Schalen vor den Bildern an der Wand. Diese 70 Ältesten waren nicht der Sanhedrin, der in Israel nach der babylonischen Gefangenschaft regierte, sondern stellten die führenden Männer Jerusalems dar. Als Mose sich Helfer aus dem Volk auswählte, um die Menschen zu leiten, ordnete Gott die Zahl 70 an ( 4Mo 11,16-17 ). Vielleicht hatte sich diese Tradition erhalten und die 70 Ältesten, die Hesekiel sah, waren die Männer der Stadt, die zur offiziellen Führungsschicht gehörten. Unter diesen 70 Ältesten erkannte Hesekiel Jaasanja, einen Mann, dessen Verwandte in den Angelegenheiten des Staates während der letzten Jahre Judas eine wichtige Rolle spielten (vgl. die Tabelle "Die Nachkommen Schafans" zu Jer 26,24 ). Jaasanjas Gegenwart überraschte Hesekiel sehr, denn alle anderen Familienmitglieder in Jaasanjas Familie waren dem Herrn treu geblieben. Räucherwerk diente manchmal dazu, die Gläubigen vor der Gegenwart Gottes zu schützen (vgl. 3Mo 16,12-13 ). Bei anderen Gelegenheiten war es ein Bild für die Gebete der Gläubigen, die zu Gott emporstiegen (vgl. Offb 5,8 ). Was auch immer hier der Grund für das Räucheropfer war, jedenfalls hatten die Führer Israels den wahren Gott verlassen und beteten Götzen an - jeder in der Kammer seines eigenen Bildes . Offenbar hatten die Ältesten jeweils ihre eigenen Lieblingsgötter. Gott, der die Herzen kennt, erklärte Hesekiel, daß die Ältesten ihre Sünde zu rechtfertigen suchten, indem sie sagten: Der HERR sieht uns nicht; der HERR hat das Land verlassen . Die Ältesten waren der Ansicht, daß alles, was sie in ihrer dunklen Kammer taten, vor Gott verborgen bliebe. Sie hielten ihn für einen unbedeutenden Gott, der sein Volk verlassen hatte. Deshalb verehrten sie nun andere Götter, die ihnen helfen sollten. Die Einstellung dieser Ältesten übertrug sich schnell auf das ganze Volk (vgl. Hes 9,9 ). Der fortschreitende Götzendienst im Volk ging von der öffentlichen Zurschaustellung der Götzen bis zur geheimen Anbetung, direkt unter dem Schatten des Allmächtigen. Doch auch dies war noch nicht das ganze Ausmaß der Gottlosigkeit Israels, denn sie taten Dinge, die noch abscheulicher waren (vgl. Hes 8,6.15 ). |
Hesekiel wurde hinaus zu dem Eingang des Nordtores des Tempels gebracht. Vermutlich war dies der Zugang zu dem äußeren Hof des Tempels. Neben diesem Tor sah Hesekiel Frauen um Tammus klagen . "Tammus" ist die hebräische Form des Namens für den sumerischen Gott Dumusi, der Gottheit der Vegetation im Frühling. Der offensichtliche Tod aller Vegetation im Mittleren Osten während der heißen, trockenen Sommermonate wurde in der Mythologie durch das Sterben von Tammus und seinen Abstieg in die Unterwelt erklärt. Im Frühjahr erhob sich dann Tammus mächtig aus der Unterwelt hervor und brachte seinen lebensschaffenden Regen. Zur Anbetung des Gottes Tammus gehörten auch bestimmte Fruchtbarkeitsriten. Die Anbetung der wahren Quelle aller Fruchtbarkeit und des Regens war durch die verdorbene Anbetung einer heidnischen Gottheit ersetzt worden. Die Anbetung des Schöpfers war durch die Anbetung des Kreislaufes in der Schöpfung, den er doch geschaffen hatte, ersetzt worden. Doch Hesekiel würde Dinge sehen, die noch abscheulicher waren als diese (vgl. V. 6.13 ). |
Als Gott Hesekiel wieder in den inneren Hof führte, sah dieser am Eingang des Tempels, zwischen der Vorhalle und dem Altar, etwa fünfundzwanzig Männer . Sie waren zwischen der Vorhalle, dem überdachten Eingang des Tempelgebäudes (vgl. 1Kö 6,2-3 ) und dem bronzenen Altar in der Mitte des Tempelhofes, auf dem die Opfer dargebracht wurden. Hier sollten die Priester Gottes sein und zu Gott um Gnade und Barmherzigkeit wegen ihrer Sünde schreien und weinen (vgl. Joe 2,17 ). Wer waren diese 25 Männer? Später werden sie "Älteste" genannt ( Hes 9,6 ), ein Ausdruck, der sowohl politische, als auch religiöse Führer bezeichnen konnte. Weil sie sich hier im Tempel befanden, waren es vermutlich Priester. Die Menschen des Volkes durften zwar zum Altar kommen, aber sie konnten sich Gott vom Altar an bis zum Allerheiligsten nur durch die Vermittlung der Priester nähern. Diese Priester sollten eigentlich als Mittler für Israel fungieren und zu Gott um Barmherzigkeit schreien. Aber statt dessen beugten sie sich vor der Sonne im Osten . Der Eingang in den Tempel Gottes lag nach Osten hin, so daß jemand, der am Altar stand und zum Tempel hinsah, nach Westen blickte. Diese Priester aber sahen nach Osten! Sie hatten Gott ihren Rücken zugewandt und verbeugten sich in Demut und Anbetung vor der Sonne. Dies zeigt ihre Verachtung für den Gott Israels und ihren Ungehorsam gegen ihn. Offen und direkt verletzten sie Gottes Gesetz ( 5Mo 4,19 ). |
Was Hesekiel an furchtbaren Dingen im Tempel Gottes gesehen hatte, war schlimm. Und doch war das Böse nicht nur hier zu finden. Die Gottlosigkeit, die im Tempel von den Priestern und den anderen Menschen praktiziert wurde, zog sich durch das ganze Volk. Gewalt erfüllte die Nation und reizte Gott beständig zum Zorn . Die Menschen hielten sich gar den Zweig an ihre Nase . Manche Ausleger meinen, daß dies von einem rituellen Akt spricht, der zum Götzendienst gewisser anderer Götter gehörte. Von einem solchen Ritual wissen wir nichts, auch wenn einige bildliche Darstellungen auf assyrischen Reliefs entdeckt worden sind, die als Hinweis darauf interpretiert werden können. Die frühen jüdischen Kommentatoren übersetzten statt "Zweig" "Gestank". Manche Ausleger glauben, daß "ihre" ein späterer Abschreibfehler für das eigentliche "meine" ist. Dann würde diese Aussage heißen "bringen den Gestank an meine Nase". Gemeint wäre, daß der Götzendienst ein fauler, ekelhafter Gestank für Gott war. Ob diese Auslegung richtig ist, läßt sich natürlich nicht mit Sicherheit sagen. Jedenfalls ist klar: Das, was die Menschen taten, war für Gott eine einzige Beleidigung. Gott antwortete darauf ganz entschieden: Ich werde mit ihnen in Zorn handeln und nicht mit Erbarmen . Gott würde nicht zulassen, daß solch eine offene Rebellion weiterging. Auch wenn sie in letzter Minute versuchen sollten, Gott dazu zu bewegen, ihr Rufen zu hören, würde ihnen dies nicht gelingen. Die Zeit war reif für das Gericht. |
(2) Das Blutbad in Jerusalem (
Hes 9 )
Die "Aufseher" in Hes 9,1 sind vermutlich Engelwesen, die Gott um seine Stadt herum aufstellte. Jeder von ihnen trug eine tödliche Waffe - vermutlich ein Schwert oder eine Keule. Die Aufseher kamen in den inneren Hof aus der Richtung des oberen Tores, das nach Norden hin weist . Um zu Hesekiel zu kommen, mußten sie an den vier in Kapitel 8 erwähnten Gruppen vorbei. Bei den sechs Aufsehern war ein siebter Mann, angezogen mit Leinen, der ein Schreibzeug hatte . Das Leinenkleid spricht von Würde, Reinheit oder göttlicher Herkunft (vgl. Dan 10,5;12,6-7; Offb 15,6 ). Das "Schreibzeug" ist wörtlich ein "Kasten für den Schreiber". Das hebräische Wort für "Kasten" ist ein Lehnwort aus dem Ägyptischen und meint einen Kasten, in dem die Schreiber ihr Schreibwerkzeug aus Schilfrohr samt einem Tintengefäß aufbewahrten. |
Als die Aufseher und der Schreiber durch den Tempel kamen, erhob sich die Vision der Herrlichkeit Gottes (vgl. die Anmerkungen zu Hes 1,28 ) von den Cherubim, wo sie gewesen war, über die Schwelle des Tempels . Ähnliche Worte in Hes 10,4 zeigen auf bildliche Weise Gottes Weggang aus Jerusalem. Weil es sich hier um eine Vision handelte, konnten Ereignisse in einer sonst ungewöhnlichen Abfolge geschehen. So führte Gott in einer Minute Hesekiel persönlich durch den Tempel und konnte in der nächsten Minute auf den Cherubim im Allerheiligsten oder auf seinem Thronwagen sitzen. Gott sagte dem Schreiber, der in Leinen gekleidet war: Geh durch Jerusalem und mache ein Zeichen auf die Stirn derer, die über die schändlichen Dinge trauern und klagen, die in der Stadt geschehen . Gott kennt jene, die ihm treu geblieben sind, und wird sie in seinem Gericht verschonen (vgl. die Versiegelung der 144 000 zur Bewahrung während der großen Trübsal; Offb 7,3-4 ). Gott sagte nun den Aufsehern, daß sie dem Schreiber durch die Stadt folgen und ohne Barmherzigkeit zu zeigen töten sollen . Alle, die kein Zeichen erhielten, sollten getötet werden. Sie sollten keinen Unterschied machen nach Alter oder Geschlecht. Das Gericht wird über die Alten und Jungen, die Männer, Frauen und Kinder kommen. Dann befahl Gott den Aufsehern: Fangt an bei dem Heiligtum . Es ist von Bedeutung, daß das Gericht zuerst am Haus Gottes begann (vgl. 1Pet 4,17 ). Da sich das Böse vom Tempel aus durch das ganze Land ausgebreitet hatte ( Hes 8 ), würde auch das Gericht diesen Weg gehen. Deshalb begannen die Aufseher mit den Ältesten , den Priestern, die Gott den Rücken zugewandt hatten. Ihr Tod würde den Tempel entweihen und die Tempelhöfe mit den Erschlagenen erfüllen . Aber der Tempel war ja bereits durch ihre götzendienerischen Praktiken entweiht worden. Die historische Erfüllung dieser Vision lesen wir in 2Chr 36,17-19 . |
Überwältigt durch die Größe dieses Gerichtes, schrie Hesekiel aus: Wirst du den ganzen Überrest von Israel vernichten? (vgl. Hes 11,13 ). Hesekiel ist ein Mann des Mitleids, der sich um sein Volk sorgte (vgl. Abrahams Eintreten für Sodom, 1Mo 18,20-33 ,und Amos, der für Israel betete, Am 7,1-9 ). Obwohl der Ausruf Hesekiels seine Sorge für Israel deutlich machte, war die Sünde des Volkes doch zu weit fortgeschritten, als daß das Unheil noch abgewendet werden konnte. Gott hatte Israel und Juda genügend Zeit zur Umkehr von ihrer Sünde gegeben, aber die Menschen hatten sie nur dazu benutzt, auf ihren Wegen des Blutvergießens (vgl. "Gewalt" in Hes 8,17 ) und des Unrechts noch schlimmer zu werden. Die ganze Zeit hatten sie gedacht, daß der Herr sich nicht mehr um sie kümmern oder sie sehen würde (vgl. Hes 8,12 ). Ohne Barmherzigkeit (vgl. Hes 7,4.9; 8,18; 24,14 ) würde er ihnen nun geben, was sie verdient hatten. |
Dann kehrte der Engelsschreiber mit seinem Bericht zurück: Ich habe getan, wie du befohlen hast (vgl. V. 4 ). Alle, die gerecht waren und deren Herzen über die Sünde des Volkes traurig waren, hatten Gottes Zeichen des Schutzes erhalten. Sie würden verschont bleiben. Die Ungerechten aber, die Gott verworfen und das Böse geliebt hatten, erhielten dieses Zeichen des Schutzes nicht. Sie würden getötet werden. Die Bestimmung eines jeden war durch sein eigenes Wesen festgelegt. |
(3) Gottes Herrlichkeit verläßt den Tempel (
Hes 10 )
Hesekiel, noch immer neben dem Altar stehend, blickte auf das Heiligtum und sah etwas wie einen Thron aus Saphir über dem Raum, der über den Köpfen der Cherubim war . Dies war der azurblaue Thron Gottes, der auch auf seinem Thronwagen gewesen war (vgl. die Anmerkungen zu Hes 1,26 ). Gott selbst war im Eingang des Heiligtums, aber sein Thronwagen war "auf der Südseite des Tempels" ( Hes 10,3 ). Gott sagte dem Engelsschreiber: Geh zwischen die Räder unter den Cherubim und nimm brennende Kohlen und verstreue sie über die Stadt . Die "brennenden Kohlen" unter den Cherubim hatte Hesekiel bereits vorher gesehen ( Hes 1,13 ; vgl. Jes 6,6 ). Nun benutzte Gott solche Kohlen, um seine "heilige" Stadt zu reinigen. |
Hesekiels Aufmerksamkeit wandte sich wieder dem Thronwagen Gottes zu, der neben dem Heiligtum stand. Eine Wolke füllte den inneren Hof und machte Gottes Gegenwart auf der Schwelle des Heiligtums deutlich (vgl. 2Mo 33,9-10; 1Kö 8,10-11; Jes 6,1-4 ). Hesekiel erwähnte noch einmal, daß sich die Herrlichkeit des HERRN von dem Thronwagen zur Schwelle begab ( Hes 10,4 ; vgl. Hes 9,3 ). Als die Wolke den Tempel erfüllte, war der Hof voll des Glanzes der Herrlichkeit (vgl. die Anmerkungen zu Hes 1,28 ) des HERRN . Die Manifestation der Herrlichkeit Gottes schien durch die Wolke hindurch, um den Platz zu erleuchten, auf dem Hesekiel stand. Neben dieser blendenden Helligkeit vernahm Hesekiel das Geräusch der Flügel der Cherubim, das so laut war, daß man es im äußeren Hof hören konnte (vgl. Hes 1,24 ). |
Hesekiel kehrte von seiner kurzzeitigen Abschweifung zurück, um weiter von dem Mann in Leinen zu berichten. Der Bote ging zu dem Thronwagen Gottes und stand neben einem seiner vier Räder und dem Cherubim (vgl. Hes 1,15-18 ). Einer der Cherubim nun nahm von dem Feuer und legte es in die Hände des Mannes in Leinen . Auf diese Weise wurde die göttliche Reinigung von Jerusalem ins Werk gesetzt. Gottes Gericht als ein Feuer , das über Jerusalem verstreut würde, ist angesichts des Schicksals der Stadt sehr interessant. Denn die babylonische Armee zerstörte die Stadt später tatsächlich durch Feuer (vgl. 2Kö 25,8-9 ). Der Mann in Leinen nahm das Feuer und ging hinaus. Hesekiel berichtet zwar nicht, wie er das Feuer über Jerusalem ausstreute; es kann aber aus dem Gesagten geschlossen werden. Wahrscheinlich waren die Augen des Propheten noch immer auf den Thronwagen Gottes gerichtet. |
Erneut beschrieb Hesekiel die Cherubim und Räder (V. 8 - 11 , vgl. Hes 1,15-21 ). Allerdings fügte er noch einige zusätzliche Details hinzu ( Hes 10,12-13 ). Ihr ganzer Körper war völlig mit Augen bedeckt . Diese Augen versinnbildlichen wahrscheinlich die göttliche Allwissenheit ebenso wie die Augen der Räder (vgl. die Anmerkungen zu Hes 1,15-18 ). Auch die vier Wesen, die Johannes um den Thron Gottes herum sah, waren mit Augen bedeckt ( Offb 4,8 ). Dann hörte Hesekiel die Räder, die auch drehende Räder genannt werden. "Drehende Räder" ( hagalgal ) bedeutet rollen oder rotieren. Die Räder wurden also nach ihrer Funktion benannt: sie bewegten den Thronwagen Gottes, indem sie rollten. Die Benennung der Räder scheint hier auf ihr Wegziehen vorzubereiten (das in Hes 10,15-19 beschrieben wird). Die Herrlichkeit Gottes wird nun auf "den drehenden Rädern" aus seinem Tempel ziehen. |
Hesekiel beschrieb nun die Gesichter der Cherubim noch einmal (vgl. die Anmerkungen zu Hes 1,10 ). Aber zwischen diesen beiden Beschreibungen besteht eine offensichtliche Diskrepanz. In Kapitel 1 haben die Cherubim die Gesichter eines Menschen, eines Löwen, eines Adlers und eines Stieres. Hier, in Kapitel 10 , jedoch sind ihre Gesichter ein Cherub , ein Mensch , ein Löwe und ein Adler . Manche meinten, daß ein späterer Abschreiber versehentlich statt "Gesicht eines Stieres" "ein Cherub" geschrieben hat. Eine andere Erklärung ist, daß das Gesicht eines Stieres tatsächlich gewöhnlich mit dem eines Cherub gleichgesetzt wurde. In der akkadischen Literatur scheinen die kuribu (ein mit "Cherub" verwandtes Wort) nichtmenschliche Gesichter zu haben. |
Nun war für die Herrlichkeit Gottes die Zeit gekommen zu gehen. Dann erhoben sich die Cherubim aufwärts. Gottes Thron erhob sich aus dem Tempelhof Israels in die Luft. Hesekiel beschrieb die Bewegung der Cherubim und Räder (V. 15 - 17 ) mit den gleichen Worten, die er auch in Kapitel 1 verwendet hatte (vgl. die Anmerkungen zu Hes 1,19-20 ). Gottes Herrlichkeit, die im Eingang des Tempels gestanden hatte, erhob sich von der Schwelle des Tempels und stellte sich über die Cherubim ( Hes 10,18 ). Gott bestieg seinen Thronwagen, um aus seinem Tempel und seiner Stadt zu ziehen. Der Thronwagen setzte sich ostwärts in Bewegung, aber als die Cherubim den Rand des Tempelbezirkes erreichten, hielten sie an dem Eingang des Osttores zum Haus des HERRN , und die Herrlichkeit (vgl. die Anmerkungen zu Hes 1,28 ) des Gottes Israels war über ihnen . Diese Wesen (V. 20 - 22 ) waren ohne Zweifel die gleichen Cherubim, die Hesekiel schon früher gesehen hatte. Bevor Gott den Tempel und die Stadt verließ, legte er noch einen letzten Halt ein. Erst wenn Gott das Tor verlassen hatte, konnte die Inschrift "Ichabod" ("die Herrlichkeit ist vergangen") über Jerusalem gesetzt werden (vgl. 1Sam 4,21-22 ). Als wollte Hesekiel diesen letzten Schritt der Herrlichkeit Gottes hinauszögern, fügte er hier die Geschichte der 25 gottlosen Herrscher ein ( Hes 11,1-21 ). |
(4) Das Gericht über Jerusalems Herrscher (
Hes 11 )
Unter den 25 Männern am Eingang des Tores war Jaasanja, der Sohn von Asur , und Pelatja, der Sohn von Benaja . Das Tor war der traditionelle Ort, an dem die Ältesten einer Stadt zusammensaßen, um Recht zu sprechen und für die öffentliche Ordnung zu sorgen. Es war das "Gerichtshaus" einer Stadt (vgl. 1Mo 23,10.18; 5Mo 21,19; Jos 20,4; Rt 4,1-2.9.11; Hi 29,7 ). "Jaasanja, der Sohn von Asur", wird sonst in der Schrift nicht erwähnt und sollte nicht mit einem der drei anderen Jaasanjas verwechselt werden, die zu dieser Zeit lebten und in der Bibel genannt werden (vgl. 2Kö 25,23; Jer 35,3; Hes 8,11 ). Es kann jedoch sein (obwohl das auf keinen Fall als gesichert gelten kann), daß dieser "Asur" der gleiche Mann ist, der auch in Jer 28,1 erwähnt wird. Wenn das so ist, dann wäre der Jaasanja aus Hes 11 ein Bruder von Hananja, dem falschen Propheten, der sich gegen Jeremia gestellt und die gleiche falsche Botschaft der Hoffnung kurz vor dem Fall Jerusalems verkündigt hatte (vgl. Jer 28,1-4 ). Über Pelatja wissen wir nichts. Sowohl Jaasanja als auch Pelatja waren Führer des Volkes und gehörten vermutlich zur Oberschicht Israels. |
Diese 25 planten Böses und gaben gottlosen Rat . Eigentlich sollten sie weisen Rat und Wegweisung für Jerusalem gegeben haben, aber statt dessen hatten sie die Leute von Gott weggeführt. Ihr gottloser Rat wurde für Hesekiel mit den Worten zusammengefaßt: Wird nicht bald die Zeit kommen, Häuser zu bauen? Die Stadt ist ein Kochtopf, und wir sind das Fleisch. Die Männer forderten die Bewohner Jerusalems auf, die Weissagungen der Propheten über die kommende Invasion durch Babylon zu vergessen. Sie forderten die Menschen auf, Häuser zu bauen, ein Zeichen von Frieden und Sicherheit ( Hes 28,26 ). Schließlich seien sie ja so sicher in der Stadt (Jerusalem) wie das Fleisch im Topf. |
Wegen dieses falschen Optimismus forderte Gott Hesekiel auf, gegen sie zu weissagen . Die öffentlichen Bekundungen der Zuversicht verhüllten nur die Ängste der Menschen. Sie suchten Sicherheit vor der immer gegenwärtigen Gefahr der Babylonier (indem sie über das Bauen von Häusern sprachen), aber in ihren Gedanken fürchteten sie sich vor einem Angriff und den Folgen eines solchen. Gott sagte, daß er wisse, was sie wirklich dachten (V. 5.8 ). |
Hesekiel änderte nun das Bild der Ältesten von dem Fleisch und dem Topf. Die Gerechten, die in der Stadt ermordet worden waren ( ihr habt viele Menschen in dieser Stadt getötet ), waren Jerusalems Hoffnung, denn nur sie hätten die Stadt retten können. Die Ältesten dachten, sie seien so sicher wie das Fleisch im Topf (V. 3 ). Aber die erschlagenen Gerechten waren dieses "Fleisch": Die Körper, die ihr dorthin (auf die Straßen ; V. 6 ) geworfen habt, sind das Fleisch, und die Stadt ist der Topf . Obgleich sich die Ältesten in dem "Topf" Jerusalem so sicher fühlten, würde Gott sie hinaustreiben und würde sie Fremden übergeben . Die Stadt würde kein Topf sein, in dem die Menschen "sicher" waren wie Fleisch (V. 11 ), sondern sie würde zerschmettert und die Menschen weggeführt werden. Gottes Gericht durch das Schwert würde an den Grenzen Israels (V. 10 - 11 ) ausgeübt werden. Dies erfüllte sich wörtlich, als die Gefangenen Jerusalems nach Ribla in Syrien gebracht und getötet wurden (vgl. 2Kö 25,18-21; Jer 52,8-11.24-27 ). |
Als Hesekiel gegen diese Ältesten und die Stadt weissagte, starb Pelatja, der Sohn Benajas . Dies war eine Bestätigung der Botschaft Hesekiels und eine Vordeutung des Gerichtes, das bald alle gottlosen Führer Jerusalems vernichten würde. Hesekiel, der die Bedeutung dieses Geschehens verstand, bat Gott noch einmal um Barmherzigkeit (vgl. Hes 9,8 ): Oh, HERR HERR! Willst du den Überrest Israels ganz vernichten? Gott antwortete zweifach auf Hesekiel. Erstens zeigte er Hesekiel, daß der Überrest nicht vernichtet würde. Die, die bereits in der Gefangenschaft waren, würden verschont bleiben. Sie waren seine Brüder, seine Blutsverwandten . Der Ausdruck "deine Blutsverwandten" ( gE?VllATeKA ) wird in der Septuaginta und in syrischen Übersetzungen mit "Mitgefangenen" wiedergegeben (das wäre GAlUTeKA ). Im Zusammenhang ergibt diese Übersetzung mehr Sinn. Hesekiels Brüder in der Gefangenschaft waren der wahre Überrest. Der zweite Teil von Gottes Antwort sollte Hesekiel zeigen, daß das Gericht über Jerusalem notwendig war. Jerusalems moralische Kompaßnadel war verbogen. Die Menschen in Jerusalem waren der Ansicht, daß die bereits Weggeführten (die Gott gerade als den wahren Überrest bezeichnet hatte) weit weg von dem HERRN seien. Sie dachten von Gott ortsgebunden und in geographischer, statt in geistlicher Nähe. Sie hielten ihr Recht auf das Land für absolut, da es ihnen doch als ihr Besitz gegeben worden war. Diese Aussage war zwar richtig, aber unvollständig. Gott hatte Israel das Land gegeben, aber er hatte auch davor gewarnt, daß er es von ihnen nehmen würde, wenn sie ihm ungehorsam waren (vgl. 5Mo 28,36.64-68 ). Gott wird einen Rest verschonen ( Hes 6,8; 12,16 ), so wie Hesekiel gebeten hatte, aber zu diesem Überrest werden die selbstgefälligen, selbstgerechten Führer Jerusalems nicht gehören. |
Gott hatte das kommende Gericht über die Menschen, die noch in Jerusalem waren, betont (V. 1 - 12 ). Er hatte dem Propheten versichert, daß er einen Überrest bewahren werde, aber dies würden die Menschen sein, die bereits in der Gefangenschaft lebten, nicht die in Jerusalem (V. 13 - 15 ). Als Zeichen seiner Treue verhieß Gott nun, daß er den Überrest wieder in das Land zurückbringen würde (V. 16 - 21 ). Zu den Beweisen des Segens Gottes über den Überrest in der Gefangenschaft gehörten, (a) was er bereits für sie getan hatte (V. 16 ) und (b) was er in der Zukunft für sie tun würde (V. 17 - 21 ). Zwar hatte Gott sein Volk weit weg unter die Heiden geschickt , aber er hatte es nicht verlassen. Sie hatten den Zugang zum "Heiligtum", dem Tempel in Jerusalem, verloren. Aber Gott selbst war in diesen fremden Ländern ein Heiligtum für sie gewesen. Gott ist für treue Juden überall zu erreichen, wo auch immer sie geographisch sein mögen. |
Aber auch für Israel als Nation gab es eine Zukunft. Gott verhieß: Ich werde dich sammeln von den Ländern, in die du zerstreut bist, und ich werde dir das Land Israel wieder zurückgeben. Der Überrest Israels kann sich auf eine nationale Erneuerung in dem verheißenen Land freuen. Eine teilweise Rückführung geschah nach der babylonischen Gefangenschaft (vgl. Esr; Neh), aber Hes 11,17-21 geht über diese Rückkehr hinaus und weist auf eine zukünftige Sammlung Israels zu Beginn des Tausendjährigen Reiches hin (vgl. Hes 36,24-38;37,11-28 ). Hes 11,18-19 : Israels physische Rückkehr wird von einer geistlichen Erneuerung begleitet sein. Wenn sie in das Land kommen, werden sie alle Götzen und Greuel daraus entfernen (vgl. V. 21 ). Das Land wird wieder vom Götzendienst gereinigt werden, und die Menschen werden ebenfalls gereinigt. Denn Gott sagt: Ich werde ihnen ein ungeteiltes Herz geben und einen neuen Geist in sie legen . Israels äußere Schwierigkeiten sind die Folge ihres inneren Zustandes. Gott verspricht, beides zu ändern. Hesekiels Verheißung spricht von der bleibenden Innewohnung des Heiligen Geistes in Israel. Vor der Zeit des Neuen Bundes wohnte der Geist in einigen auserwählten Gläubigen. Gewöhnlich war dies dann eine zeitliche Befähigung für eine bestimmte Aufgabe (vgl. die Anmerkungen zu Hes 2,2 ). Aber im Tausendjährigen Reich wird der Heilige Geist in allen gläubigen Israeliten wohnen (vgl. Hes 36,26-27; Joe 3,1 ). Die Einsetzung des Neuen Bundes, der diese ständige Innewohnung beinhaltet (vgl. Jer 31,31-34 ), begann mit dem Tod Christi (vgl. Mt 26,28; Mk 14,24; Lk 22,20; Hebr 8,6-13;9,15; 10,14-16; 12,24 ). Aber die letzte Erfüllung, die nationale Sammlung und Erneuerung Israels, steht noch aus. Die Gemeinde heute nimmt teil an den geistlichen (nicht den physischen) Wohltaten des Bundes durch ihre Zugehörigkeit zu Christus. Die Ergebnisse des neuen "Herzens" ( ein fleischernes Herz statt eines Herzens aus Stein ) für Israel werden neues Handeln und ein neues Verhältnis zu Gott und den Menschen sein. |
Durch ihre Taten werden die Menschen Israels gehorsam sein. Sie werden Gottes Geboten folgen und seine Gesetze halten. Ihr neuer, innerer Zustand wird ein gerechtes Tun hervorbringen. Es wird zu einem neuen Verhältnis mit Gott führen: Sie werden mein Volk sein, und ich will ihr Gott sein (vgl. Hes 14,11; 36,28; 37,23.27; Hos 2,23 ). Gott beendete diesen Einschnitt, indem er Hesekiel wieder an die Realität der Sünde erinnerte. Der Überrest in der Gefangenschaft durfte sich auf die Wiederherstellung und den Segen freuen, aber die Bewohner Jerusalems, die ihren Götzen und ihren Greueln hingegeben dienten (vgl. Hes 11,18 ), konnten nur das Gericht für ihre Sünde erwarten. Dies erinnerte Hesekiel erneut an das sündige Verhalten, das er gerade gesehen hatte und das die Herrlichkeit Gottes dazu geführt hatte, aus seiner Stadt zu weichen ( Hes 8-11 ). |
Gottes Herrlichkeit beendete nun ihren Auszug. Die Herrlichkeit des HERRN (vgl. die Anmerkungen zu Hes 1,28 ) erhob sich aus der Stadt und stellte sich über den Berg, östlich von ihr . Als Gottes Herrlichkeit Jerusalem verließ, zog sie über das Kidron-Tal auf den Ölberg hinüber. Dieser Weggang war das Zeichen für den Untergang Jerusalems. Die Stadt würde ohne den Segen Gottes bleiben, bis die Herrlichkeit wieder über den Ölberg zurückkehren würde (vgl. Hes 43,1-3 ). Es ist kein Zufall, daß Christus von dem Ölberg aus in den Himmel auffuhr ( Apg 1,9-12 ) und versprach, an demselben Ort wieder zurückzukehren ( Apg 1,11 ; vgl. Sach 14,4 ). Hesekiels Vision war zu Ende, und er wurde wieder durch den Geist (vgl. Hes 3,14; Hes 8,3; 11,1; 37,1; 43,5 ) zurück zu den Weggeführten in Babylon gebracht. Als die Vision ihn verließ, berichtete er den Weggeführten alles, was der Herr ihm gezeigt hatte. |
( Hes 12-19 ) Hesekiels Aufgabe ( Hes 4-11 ) war, das Gericht über Jerusalem deutlich zu machen, das durch den Ungehorsam unausweichlich geworden war. Er hatte dabei die Tatsache der kommenden Belagerung durch eine Reihe von Zeichen gezeigt und dann den Grund dafür durch zwei Predigten und eine längere Vision erklärt. Aber noch immer waren die Menschen nicht bereit, die Tatsache des Untergangs von Jerusalem zu akzeptieren. Deshalb gab er eine Reihe weiterer Zeichen und Botschaften. Jeglicher Optimismus war vergeblich und nutzlos. Jerusalems Schicksal war besiegelt. Hesekiel benutzte den Ausdruck "Das Wort des Herrn geschah zu mir" in der Einleitung von zehn der elf Zeichen, Predigten und Sprüche in Kapitel 12 - 19 ( Hes 12,1.17.21;13,1;14,2.12;15,1;16,1;17,1;18,1 ). Nur der letzte Abschnitt ( Hes 19,1 ) beginnt anders, da es sich hier um ein Klagelied handelt, das eine Art Zusammenfassung der zehn vorherigen Abschnitte zu sein scheint. ( 12,1 - 20 ) Weil die Menschen immer noch nicht glaubten, gab Hesekiel ihnen zwei weitere Tat-Zeichen. Er sagt: "Sie haben Augen zu sehen, aber sehen nicht, und Ohren zu hören, aber hören nicht". Israels Blindheit und Taubheit war vorsätzlich. Sie könnten Gottes Botschaft empfangen, aber sie wollten es nicht, denn sie waren "ein abtrünniges Haus" (V. 3 , vgl. die Anmerkungen zu Hes 3,9 ). Geistliche Blindheit und Taubheit sind oft Anzeichen für Ungehorsam oder Unglauben (vgl. 5Mo 29,1-4; Jes 6,9-10; Jer 5,21; Mt 13,13-15; Apg 28,26-28 ). (1) Das Zeichen des Gepäcks und des Loches in der Wand ( Hes 12,1-16 ) Hesekiels Zeichen für Israel waren zwei verschiedene Handlungen. Zuerst packte er seine Sachen und ging an einen anderen Ort, während die Weggeführten ihn beobachteten. Sie verstanden sehr gut die Bedeutung dieses Tuns, denn erst vor sechs Jahren hatten sie selbst ähnliche Vorbereitungen für ihre eigene Deportation nach Babylon getroffen. Auf diese erste Tat am Tage folgte eine zweite Tat am Abend. Während die Leute zuschauten, sollte Hesekiel so tun, als sei er gefangen, und sollte durch die Wand graben und seine Sachen (vgl. V. 4 ) durch sie hinausbringen, indem er sie auf seinen Schultern trug . Hesekiel spielte vor den Menschen in einer Art Pantomime einen heimlichen Fluchtversuch, bei dem er sein Gesicht bedecken sollte, so daß er das Land nicht sehen konnte. |
Hesekiel tat, wie ihm befohlen worden war. Am nächsten Morgen sprach Gott erneut zu ihm und fragte ihn, ob die Weggeführten gefragt hätten, was er da täte . Offensichtlich war die Neugier der Leute geweckt. Nachdem Hesekiel einmal ihre Aufmerksamkeit hatte, konnte er Gottes Botschaft überbringen. Gott erklärte, daß diese Last (Botschaft) den Fürsten in Jerusalem (d. h. König Zedekia) und das ganze Haus Israel betraf, das dort (d. h. in Jerusalem) ist. Der erste Teil des Zeichens zeigte die Unausweichlichkeit der Gefangenschaft: Sie würden als Gefangene in das Exil gehen . Die, denen es jetzt noch in Jerusalem gut ging, würden bald schon Gefangene sein, deren einziger Besitz in kleinen Taschen Platz findet, die man über seine Schulter gehängt tragen kann. |
Der zweite Teil von Hesekiels Zeichen (in V. 5 - 6 ) zeigte den vergeblichen Fluchtversuch von Zedekia. Er würde versuchen, im Dunkeln durch ein Loch in der Stadtmauer von Jerusalem zu fliehen. Aber sein Fluchtversuch würde scheitern, denn Gott würde selbst darauf achten, daß er wieder gefangengenommen würde. Zedekias Bestimmung war schrecklich. Ich werde ihn nach Babylon bringen, aber er wird es nicht sehen, und dort wird er sterben. Seine Truppen, die mit ihm zu fliehen versuchten, würden verfolgt und durch das Schwert getötet werden. All dies erfüllte sich dramatisch und bis ins Detail im Jahr 586 V. Chr. Nach einem vergeblichen Fluchtversuch wurde Zedekia zu Nebukadnezar gebracht, mußte zusehen, wie die Feinde seine Söhne töteten, und wurde dann geblendet und nach Babylon gebracht, wo er den Rest seines Lebens im Gefängnis verbrachte (vgl. 2Kö 25,1-7; Jer 52,4-11 ). Die Menschen, die in Jerusalem lebten, würden schließlich die Allmacht und Souveränität Gottes erkennen ( Hes 12,15-16 ), aber diese Erkenntnis würde erst kommen, wenn sie unter die Heiden verstreut waren. Doch würde Gott, wie er schon gesagt hatte, einige wenige von ihnen übriglassen (vgl. 6, 8). |
(2) Das Zeichen des Zitterns beim Essen und
Trinken (
Hes 12,17-20 )
Hesekiels Tun war ein Bild für das schreckliche Schicksal, das Israel erleben würde. Wie schon vorher gesagt ( Hes 4,16 ), würden die Menschen in Jerusalem in Angst und Verzweiflung essen und trinken. Der Feind würde das Land ausplündern, die Städte zerstören und das Land verwüsten. Die Furcht vor dem Feind würde die Menschen ergreifen, wenn sie sahen, wie das Gericht Gottes das Land Stück für Stück vernichtete. Doch sie hatten das Gericht durch ihre Gewalttaten selbst herbeigeführt ( Hes 20,19 ; vgl. Hes 7,23; 8,17 ). |
( 12,21 - 14,23 ) Nach den beiden Zeichen ( Hes 12,1-20 ) überlieferte Hesekiel nun eine Serie von fünf Botschaften ( Hes 12,21-25;12,26-28;13; 14,1-11; 14,12-23 ), durch die er den falschen Optimismus der Menschen vernichten und die Gewißheit des Gerichtes zeigen wollte. (1) Die erste Botschaft ( Hes 12,21-25 ) Die ersten beiden Botschaften drehten sich um zwei bekannte Sprichworte, die von den Menschen oft zitiert wurden. Die erste Predigt begann, indem Gott Hesekiel nach dem Sprichwort fragte: Die Tage vergehen, und jede Vision wird zu nichts . Ein "Sprichwort" ( mASAl ) ist eine kurze Formulierung einer allgemein anerkannten oder offensichtlichen Wahrheit. Das hier genannte Sprichwort wollte aussagen, daß die Voraussagen, die Hesekiel (und andere Propheten) über den Untergang gemacht hatten, nicht eintreten würden. Durch dieses Sprichwort wurden die Propheten zu Schwarzsehern erklärt, und die Menschen konnten ihre Botschaften ignorieren. Gott sagte, daß er die Menschen daran hindern würde, dieses Sprichwort noch länger zu sagen. Die trügerische Sicherheit der Leute würde zu Ende sein, wenn das Gericht käme. Die Vergangenheit der letzten Monate hatte die früher gemachten Weissagungen nicht zunichte gemacht, wie die Menschen annahmen. Vielmehr hatten sie die Zeit verringert, bis die Weissagungen erfüllt würden. Die Tage waren nahe , sagte Gott. Falsche Propheten hatten den Aussagen der wahren Botschafter Gottes sowohl in Jerusalem (vgl. Jer 28,1-4 ) als auch in Babylon (vgl. Jer 29,1.8-9 ) widersprochen. Ihre optimistischen Voraussagen würden aufhören, wenn Gott sich beeilte, sein Wort zu erfüllen. Er würde die falschen Visionen und trügerischen Offenbarungen wegtun. Hesekiels Warnrufe vor dem Untergang waren nicht die noch weit entfernten Donner eines noch weit entfernten Gewitters. Das Gericht stand vor der Tür: Es sollte ohne Verzögerung erfüllt werden. Gott würde erfüllen, was immer er vorausgesagt hatte (vgl. Hes 12,28 ). |
(2) Die zweite Botschaft (
Hes 12,26-28 )
Selbst jene Israeliten, die glaubten, daß Hesekiel ein wahrer Prophet Gottes sei, bezweifelten die baldige Erfüllung seiner Weissagungen: Er weissagt über die ferne Zukunft . Wenn Gott handelte, so dachten sie, dann würde dies nicht so bald sein. Interessant ist, daß der Apostel Petrus sagt, daß die gleiche Einstellung auch in den letzten Tagen bezüglich des zweiten Kommens Christi herrschen wird ( 2Pet 3,3-10 ). Gottes Verzögerung ist ein Zeichen seiner Gnade, nicht seiner Unsicherheit. Hesekiel sagte: Das Gericht ist nicht ferne. Es stand vor der Tür Israels. Gott sagt: Keines meiner Worte wird noch länger verzögert werden (vgl. Hes 12,25 ). Das zweite Sprichwort war, wie das erste, eine falsche Hoffnung für ein Volk, das eigentlich ein klares Verständnis seiner Lage nötig hätte. |
(3) Die dritte Botschaft (
Hes 13 )
|
Die Botschaft der falschen Propheten war nicht nur unwahr, sondern auch gefährlich. Die falschen Propheten waren wie Schakale zwischen den Ruinen . Das Wort für "Schakale" ( SUZAlIm ) kann auch mit "Füchse" übersetzt werden (vgl. manche deutschen Übersetzungen; das gewöhnliche Wort für Schakal ist tan). Manche Ausleger behaupten, daß Hesekiel das zerstörerische Wesen der Füchse meine. Aber Füchse sind eigentlich nicht für ein solches zerstörerisches Wesen bekannt. Es ist wohl besser anzunehmen, daß Hesekiel die Wohnorte der Füchse meinte. So wie Füchse Ruinen als durchaus akzeptable "Wohnungen" ansehen, so sind auch die falschen Propheten in der Lage, sich in einer zusammenbrechenden Gesellschaft wohlzufühlen. |
Die falschen Propheten, so sagte Hesekiel, waren nicht zu den Löchern in der Mauer gegangen, um sie zu reparieren . Israels moralische Mauern standen vor dem Zusammenbruch, aber die falschen Propheten hatten nichts getan, um zu helfen. Der Tag des HERRN hat an den meisten Stellen im AT eine eschatologische Bedeutung und bezieht sich auf die Zeit der großen Trübsal, das zweite Kommen Christi, oder das Tausendjährige Reich (vgl. die Anmerkungen zu "Größere Schwierigkeiten der Auslegung" in der Einführung zu Joel). Aber hier scheint er von dem kommenden Gericht durch die Babylonier zu sprechen. |
Die falschen Propheten behaupteten, im Namen Gottes zu reden, aber Gott hatte sie nicht beauftragt. Wegen ihrer falschen Worte und gelogenen Visionen war er gegen sie. Hesekiel erwähnte drei Aspekte ihres Gerichts. Erstens würden sie nicht in den Rat des Volkes Gottes gehören. Die falschen Propheten wurden von den Führern Israels begünstigt. Sie hatten einflußreiche Stellungen in Jerusalem und auch in der Gefangenschaft. Aber wenn ihre Weissagungen als falsch erwiesen worden waren, würden sie diese Gunst verlieren. Zweitens würden sie, neben diesem Verlust ihrer Plätze im Rat, auch nicht in den Listen Israels aufgeführt werden (d. h. ihre Namen würden nicht in der Einwohnerliste der Bürger aufgeführt werden). Wer aus dieser Liste ausgeschlossen wurde, verlor seine Bürgerrechte (vgl. Esr 2,62 ). Diese falschen Propheten würden aus der Gemeinschaft Israels ausgeschlossen werden. Drittens würden die falschen Propheten nie wieder das Land Israel betreten. Sie würden als Gefangene in einem fremden Land sterben. |
Die falschen Propheten sagten: Friede , während Hesekiel die Zerstörung ankündigte. Ihr verführerisches Wirken war wie eine dünne Mauer, die mit Kalk übertüncht war. Statt Israel auf die ernsten Risse in seinem moralischen Fundament aufmerksam zu machen (V. 5 ), "übertünchen" sie diese mit Kalktünche. Man benutzte damals eine weiße Paste, die aus dem in Israel gewonnenen Kalk hergestellt wurde, um die Steine zu streichen, die die Mauern der meisten Häuser bildeten. Diese Tünche verbarg die Unebenheiten der Steine unter einer glatten Oberfläche. Die falschen Propheten vergrößerten die Schwierigkeiten Israels noch, indem sie die Probleme verbargen, die eigentlich hätten aufgedeckt werden müssen. |
Da die falschen Propheten die Menschen durch das Übertünchen einer wackeligen Mauer irregeführt hatten (V. 10 ), würden sie beschämt werden, wenn die Mauer zusammenfiel. Gottes Gericht würde die dünne Mauer Israel niederbrechen. Schwere Regenfälle, Hagel wie Steine und mächtige Winde (vgl. V. 13 ) würden gegen die Mauer schlagen, und sie würde fallen. Dann würden die Menschen die Propheten fragen: Wo ist die Tünche, mit der ihr sie übertüncht habt? Die "Tünche" sind die falschen Weissagungen. Wenn Jerusalem zerstört würde, dann würde dies offenbar werden. |
Wenn Wind, Hagelsteine und Regen die Mauern von Jerusalem zum Einfallen brachten (vgl. V. 11 ), dann würden die Propheten in ihr umkommen, denn Gottes Zorn würde sich gegen sie richten. |
Hesekiel wandte sich nun von den falschen Propheten ab (V. 1 - 16 ) und den falschen Prophetinnen zu (V. 17 - 23 ). Sie werden die Töchter deines Volkes, die aus ihrer eigenen Vorstellung heraus geweissagt haben , genannt (vgl. V. 2 ). Sowohl zur Zeit des AT als auch des NT gab es wahre Prophetinnen ( 2Mo 15,20; Ri 4,4-5; 2Kö 22,14; Apg 21,8-9 ). Die "Prophetinnen", von denen Hesekiel spricht, waren jedoch eher Medien oder Zauberinnen gleich. Diese Prophetinnen nähten sich magische Amulette für ihre Handgelenke und machten sich Schleier verschiedenster Länge für ihre Köpfe . Das hebräische Wort für "magische Amulette" wird im AT nur in diesen Versen benutzt ( Hes 13,18.20 ). Vermutlich kam diese Praxis aus magischen babylonischen Ritualen, bei denen man magische Knoten und Bänder an verschiedene Teile des Körpers band, um die bösen Geister abzuwehren oder Krankheiten zu heilen. Diese "Glücksbringer" galten als mit magischen Kräften ausgestattet. Die "Schleier" waren lange Schleppen, die von den Prophetinnen auf "ihren Köpfen" befestigt wurden und die Prophetinnen ganz einhüllten, vermutlich um den Eindruck des Geheimnisvollen zu vermitteln. Der Zweck dieser magischen Amulette und geheimnisvollen Schleier war, die Menschen zu verstricken . Besonders in Zeiten voller Unsicherheit und Durcheinander scheinen Schwindler und Scharlatane aus den Ängsten der Leichtgläubigen ihren Gewinn zu machen. Diese Zauberinnen hier "sagen die Zukunft" oder vermitteln "einen Glückszauber" für ein paar Handvoll Gerste und einen Bissen Brot , entweder als Bezahlung für ihre Zauberdienste oder als Mittel zum Zaubern selbst. In einigen Kulturen wurde Gerste für okkulte Praktiken benutzt, ob als Gabe an die Geister oder, um darin die Zukunft zu lesen. Wie dem auch sei, jedenfalls nahmen die Prophetinnen auf betrügerische Weise an solchen Praktiken teil und sicherten so ihren Lebensunterhalt durch die Ängste anderer. Gott sagte, daß sie sein Volk belügen (V. 19 ). Die Ergebnisse der Arbeit der Prophetinnen liefen den wirklichen Interessen Israels zuwider. Du hast getötet, die nicht hätten sterben sollen, und hast verschont, die nicht hätten leben sollen . Die Prophetinnen hätten eigentlich das Böse in Jerusalem offenbaren und anklagen sollen (vgl. 2Kö 22,13-20 ). Statt dessen ließen sie die Gottlosen ("die nicht hätten leben sollen") unangetastet. |
Gottes Zorn würde sich gegen die falschen Prophetinnen wenden, und er würde ihre Macht zunichte machen. Er würde ihre magischen Amulette von ihren Armen abreißen und würde die Menschen befreien, die wie Vögel gefangen waren. Gott würde ihre Schleier abreißen und sein Volk aus ihren Händen retten . Dann würden die Zauberinnen als Scharlatane offenbar werden, und ihre leichtgläubigen Klienten würden sie verlassen. |
Die Prophetinnen hatten den Gerechten mit ihren Lügen betrübt und den Gottlosen ermutigt, sich nicht von seinen bösen Wegen abzukehren . Dies lief Gottes Vorhaben mit dem Volk direkt zuwider. Wenn Gott die Prophetinnen richten würde, würden die Menschen erkennen, daß diese Frauen gelogen hatten. Die Prophetinnen selbst würden gezwungen sein, ihre Sünde zuzugeben. Gott würde falsche Visionen und Offenbarungen (vgl. die Anmerkungen zu 5Mo 18,10 ) aus Israel verbannen und sein Volk von dieser furchtbaren Verführung retten . |
(4) Die vierte Botschaft (
Hes 14,1-11 )
Als die Ältesten vor Hesekiel saßen, ließ ihn Gott wissen, daß diese Männer Götzenbilder in ihren Herzen errichtet hatten und mit Freuden vor Augen hätten, was sie schuldig werden ließ . Der Götzendienst in Jerusalem wurde offen gezeigt, aber der Götzendienst in Babylon geschah mehr im Verborgenen - es war innerer Götzendienst, nicht äußerer. Aber dieser Götzendienst würde die Menschen zu Fall bringen. Im Buch Hesekiel wird der Götzendienst Israels als Hauptgrund für das Gericht Gottes über das Volk angesehen. Diese heuchlerischen Ältesten kamen zu dem wahren Gott und suchten bei ihm Antwort, während sie andere "Götter" in ihren Herzen trugen. Gott fragte Hesekiel: Soll ich mich denn von ihnen befragen lassen? Gott war nicht verpflichtet zu antworten, wenn sie seine Allmacht und Souveränität nicht anerkannten. Anstatt den Ältesten also die Informationen zu geben, die sie wünschten , wies Gott Hesekiel an, ihnen die Informationen zu geben, die sie brauchten - Gottes Einstellung zu ihrem Götzendienst. Gott ließ die Ältesten wissen, daß, wenn irgendein Israelit zu ihm käme und in seinem Herzen Götzendienst betreibe, er sich um diesen Götzendienst kümmern würde. Gott würde dies tun, weil es das Beste für das Volk war, um deren Herzen wiederzugewinnen . Die Botschaft, die Israel hören mußte, war nicht irgendeine Weissagung über Jerusalem oder die Gefangenschaft. Die eigentliche Botschaft ist: Kehrt um! Wendet euch von den Götzen ab und entsagt all eurem greulichen Tun! |
Hesekiel weitete nun den Blick seiner Botschaft. Vers 7 ist identisch mit Vers 4 b, außer daß in Vers 7 die Warnung auch an jeden Fremden ging, der in Israel lebte . Der "Fremde" (ger) war ein Ausländer, der in Israel lebte und dessen Lebensstil übernommen hatte. Er mußte Gottes Gesetz gehorchen ( 3Mo 16,29-30; 17,12-16; 18,26; 4Mo 15,13-16; Jes 56,3-8; Hes 47,22-23 ). Wenn ein Israelit oder ein Fremder es wagte, sich wegen etwas an Gott zu wenden und doch Götzendienst zu betreiben, würde Gott ihm im Gericht antworten. Ich, der HERR, werde ihm selbst antworten (vgl. Hes 14,4 ) und ihn zu einem Beispiel und einem Sprichwort machen. Er würde ein "Sprichwort" in dem Sinne werden, daß die Menschen ihn kennen und über ihn reden würden (vgl. Hes 23,10; Hi 17,6;30,9; Ps 44,15; Jer 24,9; Joe 2,17 ). Gott würde ihn von seinem Volk abschneiden . Gott würde mit Taten, nicht mit Worten antworten. Er würde gegen diesen Götzendiener vorgehen und ihn töten. Dieses harte Vorgehen würde ein Beispiel für andere sein. |
Gott sagte, daß er nicht durch seinen Propheten antworten würde, wenn er von jemandem gefragt würde, der in seinem Herzen Götzendienst betreibe. Wenn deshalb ein Prophet eine Antwort gab, dann zeigte dies, daß er ein falscher Prophet war. Der Satz, Ich, der HERR, habe diesen Propheten betört , ist ein wenig schwierig. Auf den ersten Blick scheint er zu sagen, daß Gott den Propheten dazu gebracht hatte, zu sprechen. Das Wort "betört" (von pATCh ) trägt die negative Bedeutung von "verführen", "betrügen" (vgl. 2Mo 22,15 ; "Verführer"; 2Sam 3,25; Jer 20,7 ). Die beste Illustration dafür ist die Geschichte, in der Gott durch Ahab falsche Propheten verführen läßt, um ihm seinen Tod zu bringen ( 1Kö 22,19-23 ). Wenn ein falscher Prophet in den Tagen Hesekiels einem Götzendiener ein Wort gab, dann war es ein verführerisches Wort, das beide in den Untergang führen würde ( der Prophet würde so schuldig sein wie der, der ihn befragt ). Gott würde beide für ihre Sünde verantwortlich machen und entsprechend bestrafen. Dann würden die Menschen zu ihm umkehren und sich nicht länger durch ihre Sünden selbst betrügen . Gott würde den Stolperstein des Götzendienstes entfernen, der die Nation zu Fall gebracht hatte. Dann, so sagte Gott, werden sie mein Volk sein, und ich will ihr Gott sein (vgl. Hes 11,20; 36,28; 37,23.27; Hos 2,23 ). Gott würde Israel am Ende wieder in seine Stellung der Gemeinschaft mit ihm einsetzen. |
(5) Die fünfte Botschaft (
Hes 14,12-23 )
Hesekiel fügte nun ein weiteres Element in seine hypothetischen Überlegungen ein: Was, wenn drei der gerechtesten Menschen, die jemals gelebt hatten, in diesem Land wohnten? Gottes Antwort war, daß dies keinen Unterschied mache. Selbst wenn diese drei Männer - Noah, Daniel und Hiob - in ihm wären, könnten sie nur sich selbst durch ihre Gerechtigkeit retten (vgl. Hes 14,20 ). Sowohl Noah als auch Hiob werden von den meisten Auslegern mit den gleichnamigen biblischen Personen gleichgesetzt. Nur bei Daniel gibt es einige Unsicherheiten. Hesekiel schreibt diesen Namen etwas anders, als der biblische Prophet und Staatsmann, der das Buch Daniel abgefaßt hat, gewöhnlich geschrieben wird. Viele Theologen meinen, daß Hesekiel hier von dem mythischen D an?el , der in ugaritischen Texten auftaucht, spreche, der als gerechter Herrscher und Richter bekannt war, aber seine Söhne nicht vor dem Zorn der Göttin Anat schützen konnte. Diese Identifikation sollte aber wohl abgelehnt werden. Der kleine Unterschied in der Schreibweise läßt sich durch die allgemein übliche Praxis, Namen verschieden zu schreiben erklären (vgl. "Asarja = Ussia", 2Kö 15,1; 2Chr 26,1 ; "Jehoram" = "Joram", 2Kö 3,1; 8,16 ). Der Prophet Daniel war in Babylon und vermutlich auch bei Hesekiel und seiner Zuhörerschaft gut bekannt. Es gibt im AT keinen Hinweis darauf, daß die mythische Gestalt D an?el den Juden bekannt war oder gar als ein Vorbild der Gerechtigkeit galt. Es war schließlich Hesekiels Vorhaben ( Hes 14,1-11 ), den Götzendienst zu verurteilen. Würde er einen Mythos aus der Götterwelt Babylons zum Vorbild der Gerechtigkeit machen? Der biblische Daniel dagegen ist das vollkommene Vorbild eines Mannes, der seinem Glauben kompromißlos treu blieb. Gott erwähnte Noah, Daniel und Hiob, weil sie alle drei einen ähnlichen Charakter hatten. Jeder von ihnen war ein Mann der Gerechtigkeit , der gegen Widerstand siegreich blieb. Der gerechte Noah konnte seine Familie aus dem Gericht retten ( 1Mo 6,8-7,1 ). Daniel war ein gerechter Mann, der in den Tagen Hesekiels lebte, und den Gott benutzte, um seine Freunde vor dem Gericht zu retten ( Dan 2,12-24 ). Hiob war ein gerechter Mann, der für seine drei Freunde eintrat, um sie vor dem Zorn Gottes zu bewahren, nachdem er selbst versucht worden war ( Hi 42,7-9 ). Selbst wenn diese drei Säulen der Gerechtigkeit in einem Land, das unter dem Gericht Gottes stand, miteinander um Gnade gebetet hätten, hätten sie in diesem Fall vergeblich für andere gebetet. Sie hätten nur sich selbst retten können. (Vgl. die Worte Jeremias über die Unwirksamkeit der Gebete von Mose und Samuel; Jer 15,1 .) Dies wird noch deutlicher, wenn Gott erklärt: Sie könnten nicht einmal ihre eigenen Söhne und Töchter retten. Sie alleine würden gerettet ( Hes 14,18 ; vgl. V. 20 ). Noah hat seine Familie "gerettet", und Hiobs Familie wurde nach seinem Elend wieder gesegnet, aber bei Gottes Gericht über Israel würden sie nur sich selbst retten können. |
Nachdem er dieses allgemeine Prinzip gezeigt hatte (V. 12 - 20 ), wandte Hesekiel es auf Jerusalem an. Wieviel schlimmer würde es sein, wenn Gott gegen Jerusalem seine vier schrecklichen Gerichte schickte - Schwert und Hunger und wilde Tiere und Pest (vgl. Hes 5,17 ). Es würde für Jerusalem umso schlimmer sein, weil in ihr keine drei Größen der Gerechtigkeit wohnten, die für sie eintreten könnten. Wenn diese gerechten Führer ein gottloses Land nicht retten könnten, wie konnte dann Jerusalem mit seinen wenigen Gerechten die Hoffnung haben, gerettet zu werden? Mitten in der Gerichtsankündigung fügte Gott nun ein Element des Trostes ein. Gottes Gericht würde von den bereits Weggeführten in der Gefangenschaft als gerecht anerkannt werden, wenn sie das gottlose Wesen derer sehen würden, die den Untergang Jerusalems überlebten. Dennoch würden da ein paar Überlebende sein - Söhne und Töchter, die aus ihr herausgebracht würden. Einige würden also die Zerstörung Jerusalems überleben und als Gefangene nach Babylon gebracht werden. Wenn diese Gruppe nach Babylon käme, würden die Gefangenen, die bereits dort waren (und zu denen Hesekiel spricht), ihr Verhalten und ihr Tun sehen und sich über das Unheil , das auf Jerusalem gekommen war, trösten. Manche Ausleger sind der Meinung, daß das "Verhalten und Tun", auf das Hesekiel sich bezieht, die gerechten Taten des Überrestes sind, die Gott dazu gebracht hatten, sie zu verschonen. Wahrscheinlich sprach Hesekiel aber von dem gottlosen Wesen der Weggeführten. Das Wort für "Verhalten" ( derek ) wird im Buch Hesekiel 35mal benutzt, um die bösen Taten von Menschen zu bezeichnen. Das Wort für "Tun" ( ZXlIlNT ) wird achtmal benutzt und spricht von den sündigen Taten Israels. Diese beiden Worte kommen siebenmal zusammen vor und meinen jedesmal sündiges Verhalten und Tun. Alle, denen die Härte und Strenge des Gerichtes Gottes ein Problem war, würden seine Gerechtigkeit und Angemessenheit erkennen, wenn sie den bösen Charakter der Gefangenen sahen, die von Jerusalem nach Babylon gebracht würden. Sie würden zugeben müssen, daß diese Menschen es wirklich verdient hatten, bestraft zu werden, und daß Gott nicht ungerecht war. |
( Hes 15-17 ) Nach diesen zwei Zeichen ( Hes 12,1-10 ) und fünf Botschaften ( Hes 12,21- Hes 14,23 ) verkündete Hesekiel drei Gleichnisse ( Hes 15-17 ), mit denen er zeigte, daß es für Israel keine Möglichkeit der Rettung mehr gab. (1) Das Gleichnis vom fruchtlosen Weinstock ( Hes 15 ) Gott stellte Hesekiel eine Frage: Sohn des Menschen, in welcher Hinsicht ist das Holz eines Weinstocks besser als ein Zweig irgendeines Baumes im Wald? Die Antwort ist offensichtlich. Abgesehen von der Fähigkeit des Weinstockes, Frucht zu bringen, ist sein Holz dem Holz eines Baumes untergeordnet. Gott machte noch deutlicher, was er damit sagen wollte, indem er zwei weitere Fragen stellte: Nimmt man jemals sein Holz, um irgend etwas Brauchbares daraus zu machen? Macht man auch nur Haken daraus, um etwas daran zu hängen? Das Holz eines Weinstockes ist unbrauchbar. Seine verzweigten und verdrehten Äste kann man nicht einmal für einen kräftigen Haken benutzen, an den man etwas hängen könnte. Wenn der Weinstock schon an sich fast nutzlos ist, wieviel mehr, wenn er durch das Feuer gekommen ist? Die Wertlosigkeit eines angesengten Zweiges mit seinen verkrümmten, schwarzen Enden ist offensichtlich. |
Gott wandte nun dieses Gleichnis auf Jerusalem an. Diese Stadt war der Weinstock . Da sie keine Frucht der Gerechtigkeit mehr brachte, war sie nutzlos geworden. Israel hielt sich selbst für den von Gott gesegneten Weinstock, aber es hatte die Frucht nicht hervorgebracht, die Gott haben wollte (vgl. Ps 80,9-19; Jes 5,1-7; Jer 2,21; Hos 10,1 ). Vielmehr war Israel zu einem wilden Weinstock des Waldes geworden, der Zweige nach allen Himmelsrichtungen hin hat, aber keine Frucht trägt, die irgendwelchen Wert hätte. Dieser Weinstock konnte nur noch als Brennmaterial für das Feuer gebraucht werden. Gott würde sein Volk in Jerusalem so behandeln. Gottes Gericht war gewiß: Ich werde mein Angesicht gegen sie setzen . Jerusalem hatte sich im Jahr 597 V. Chr. Babylon übergeben. Obwohl die Stadt damals der völligen Zerstörung entkommen war, würde Gott Babylon wieder zurückbringen, um seine Aufgabe zu beenden. Obwohl sie dem Feuer entgangen waren, würde das Feuer sie doch fressen . Es gab keinen Grund zum Optimismus, denn das Gericht durch Babylon war nur aufgeschoben worden. |
(2) Das Gleichnis der Ehebrecherin (
Hes 16 )
Warum also sagte Hesekiel, daß Jerusalems Vater ein Amoriter und seine Mutter eine Hetiterin waren? Vielleicht weil die heidnischen Jebusiter den Amoritern und Hetitern sehr ähnlich und ihnen in vielem sogar gleich waren. Diese Ähnlichkeit könnte auch aus der Völkerliste geschlossen werden, in der die Jebusiter zwischen den Amoritern und den Hetitern aufgeführt sind ( 1Mo 10,15-16 ; vgl. die Anmerkungen zu 1Mo 14,13-16 ). So wird ja auch Sodom eine "Schwester" Jerusalems genannt ( Hes 16,46 ), obwohl keine Blutsverwandtschaft besteht. Die Anfänge Jerusalems waren wie die eines ungewollten Kindes. Normalerweise wird, nachdem ein Baby geboren ist, die Nabelschnur durchgeschnitten . In biblischer Zeit wurde das Kind dann gewaschen , um Blut und Schleim zu entfernen, und mit Salz abgerieben , um es zu trocknen und die Haut zu kräftigen. Dann wurde das Kind in Tücher gewickelt, um es zu wärmen und zu bedecken. Für Jerusalem wurden diese Dinge nicht getan. Niemand sah nach ihm mit Erbarmen oder hatte Barmherzigkeit genug, irgend etwas von all dem für es zu tun . Auch wurde das Baby (Jerusalem) auf das Feld hinausgeworfen , denn es war verachtet. Diese grausame Art der Kindestötung kam damals häufig vor. Ungewollte oder verkrüppelte Kinder wurden nach der Geburt oft einfach hinausgeworfen, wo man sie sterben ließ. |
Als Gott den um sein Leben kämpfenden Säugling sah, wie er sich hilflos auf dem Boden wälzte (in seinem Blut liegend), kam er ihm zur Hilfe. Das Leben des Säuglings hing am seidenen Faden, bis Gott sein Überleben anordnete: Ich sagte zu dir: Du sollst leben! Das Kind lebte und wuchs heran wie eine Pflanze auf dem Feld . Mit den Jahren wuchs das Kind zu einer jungen Frau heran. Aber sie war noch immer nackt und bloß , in einem verwahrlosten Zustand. |
Wieder ging Gott an Jerusalem vorbei und sah, daß sie alt genug für die Liebe , also im ehefähigen Alter, war. Gott schloß selbst einen Ehebund mit ihr. Ich breitete die Ecke meines Mantels über dich und bedeckte deine Nacktheit. Ich gab dir meinen heiligen Eid und schloß einen Bund mit dir, und du wurdest mein . Der symbolische Akt, den unteren Teil seines Mantels über einen anderen Menschen zu breiten, war ein Bild für Schutz und für eine Verlobung (vgl. Rt 3,9 ). Gott versprach Jerusalem seine Treue und nahm es sich zu eigen. Das historische Ereignis, auf das angespielt wird, könnte die Ernennung Jerusalems zur Hauptstadt Israels und zum Wohnort Gottes sein. |
Gott kleidete seine Anvertraute in Herrlichkeit wie die einer Königin. Das heimatlose Kind, das den Geruch des Blutes an sich trug, wurde gewaschen und mit Öl oder teuren Parfums gesalbt. Das Mädchen, das nackt war, erhielt nun bunte Kleider, Ledersandalen, feines Leinen und kostbare Gewänder . Gott legte ihr Edelsteine an, Spangen , eine Kette , einen Ring an ihre Nase, Ohrringe und eine Krone . Der "Ring" für die Nase wurde an einem der Nasenflügel getragen und galt neben Ketten und Ohrringen als Schmuck (vgl. Jes 3,21 ). All dies zeigt, daß Jerusalem unter dem Segen Gottes während der Regierungszeit von David und Salomo eine herrliche, prächtige Stadt wurde (vgl. 1Kö 10,4-5 ). Jerusalem empfing nicht nur teuren Schmuck und feine Kleider, sondern bekam auch das beste Essen: feines Mehl, Honig und Olivenöl . Alles, was es brauchen oder wollen könnte, wurde ihm von seinem großzügigen "Ehemann" gegeben. Es war schön und wurde eine Königin , und seine Schönheit war unter den Völkern bekannt. Wenn Hesekiels Gleichnis hier geendet hätte, dann wäre es eine wunderschöne Geschichte einer Liebe zwischen arm und reich gewesen. Aber nun nimmt die Geschichte eine bizarre Wendung. Diese Frau, die zu einer Königin geworden ist, wird ihrem Mann untreu ( Hes 16,15-34 ). |
Jerusalems Blick wandte sich von seinem Wohltäter seiner eigenen Schönheit zu, und es wurde stolz ( es nutzte seinen Ruhm, um eine Hure zu werden ). Jerusalem vergaß den Einen, der ihm all den Reichtum gegeben hatte, und wandte sich von ihm ab (vgl. 5Mo 6,10-12; 8,10-20 ). Statt dessen sonnte es sich in seiner Schönheit und gab sich anderen Göttern hin. Seit der Regierungszeit Salomos ( 1Kö 11,7-13 ) und dann bis zu seinem Fall unter Nebukadnezar hatte Jerusalem sich von Gott weg zum Götzendienst gewandt. Es gab zwar Zeiten der Erneuerung, aber im allgemeinen ging es bergab. Selbst der Segen, den Gott der Stadt geschenkt hatte, wurde benutzt, um falschen Göttern zu dienen. Sie nahm von ihren Kleidern, um bunte Opferhöhen daraus zu machen , falsche Zentren der Anbetung, die gewöhnlich auf hohen Hügeln standen (vgl. die Anmerkungen zu Hes 6,3 ). Gott sagte: Du nahmst auch die feinen Edelsteine, die ich dir gab (vgl. Hes 16,11-13 ), und machtest dir selbst männliche Götzenbilder und triebst Hurerei mit ihnen . Mit lebendigen Bildern schilderte Hesekiel die Niederträchtigkeit der Sünde Jerusalems. Er zeigte es, wie es seine Edelsteine nahm und sich ein phallisches Götzenbild machte, mit dem es dann sexuell verkehrte. Ähnlich nahmen die Leute von Jerusalem die materiellen Güter, die Gott ihnen gegeben hatte, und machten sich Bilder falscher Götter, mit denen sie geistlichen Ehebruch begingen. |
Jerusalem brachte sogar seine eigenen Söhne und Töchter als menschliche Opfer ( als Speise ) diesen falschen Götzen. Die kanaanitische Praxis des Kinderopfers war den Israeliten verboten (vgl. 3Mo 18,21; 20,2-5; 5Mo 12,31 ). In Ammon töteten Eltern ihre Kinder und opferten sie in Feueropfern für den Gott Moloch. Diese Praxis schlich sich auch im Volk Israel ein; zur Zeit Hesekiels wurden Kinderopfer öffentlich in Jerusalem vollzogen (vgl. 2Kö 21,6; Jer 7,30-31; 32,35 ). Jerusalem war weit von seinem "Ehemann" weggelaufen. Es hatte alle seine Wohltaten vergessen. In seinem Stolz hatte es vergessen, wer es aus seinem elenden Zustand als ungewolltes Baby gerettet und in seine erhöhte Stellung eingesetzt hatte. |
Jerusalem entwickelte eine immer stärker werdende Lust nach Götzen. Seine Ehebrecherei ging von den "Höhen" auf die Straßen über, als überall, an jeder Kreuzung ( an jeder Straßenecke ) und auf jeder Straße, Heiligtümer errichtet wurden. Seine Gier nach Götzendienst brachte es dazu, sich ständig neue "Liebhaber" zu suchen, die seine Lust befriedigten. Zu seinen Hurern gehörten Ägypten (V. 26 ), Assyrien (V. 28 ) und Babylon (V. 29 ). Die Erwähnung dieser drei Völker meint nicht nur Jerusalems Verlangen nach neuen, fremden Göttern, sondern auch ihre ausländischen Intrigen und Bündnisse. Gott stand nicht still daneben, während seine "Frau" sich selbst zugrunde richtete. Er versuchte, ihre Lust durch Strafgerichte zu beenden. Er verkleinerte ihr Gebiet (d. h. Land, das von Jerusalem beherrscht wurde) und gab sie in die Hände der Philister . Die Philister griffen Juda und Jerusalem während der Regierungszeit von Joram ( 2Chr 21,16-17 ) und Ahas ( 2Chr 28,16-19 ) an. Aber selbst die Philister waren erschrocken über Jerusalems unzüchtiges Verhalten . Die Philister beteten Götzen an, aber zumindest blieben sie ihren eigenen Göttern treu. |
Jerusalem war wie eine unverschämte Hure , nur mit einem großen Unterschied. Eine Hure wird für ihre Dienste bezahlt, aber Jerusalem verschmähte Geld . Es war eine ehebrecherische Frau und eine Prostituierte, denn es zog Fremde seinem eigenen Mann vor. Jerusalem war eine geistliche Nymphomanin. Es hatte sogar selbst Bestechungsgelder gezahlt (statt einen Lohn zu nehmen), um die Aufmerksamkeit zu erhalten, die man ihm früher freigebig geschenkt hatte. Solch eine Umkehrung war besonders bemerkenswert, denn sie zeigte seine abgründige Verdorbenheit und Bindung an Götzendienst und fremde Bündnisse. Als es sich von Gott abwandte, hielt er seinen Segen zurück, den er ihm reichlich gegeben hatte (vgl. 5Mo 28,15-23 ). Statt seine Sünde zu erkennen und sich dem wahren Gott zuzuwenden, suchte es sich immer mehr Götter und bot größere "Bestechungsgelder", um diese anderen Götter dazu zu bringen, es zu segnen. Jerusalem verschwendete seinen Reichtum an Dinge, die doch kein Segen für es sein konnten. |
Jerusalem war von einer Königin zur Landstreicherin heruntergekommen. Seine Schönheit war vergangen, deshalb versuchte es, mit seinen wenigen noch übrigen Habseligkeiten andere zu bestechen, mit ihm ein Verhältnis einzugehen. Gott versuchte, dessen verrücktes Rennen in den Untergang aufzuhalten, aber es wollte auf seine Warnungen nicht hören. Nun war die Zeit für sein Gericht gekommen. Gottes Strafgericht über Jerusalem würde dessen Verbrechen gemäß sein. Es hatte sich selbst vor all seinen Liebhabern entblößt . Nun würde Gott dessen Liebhaber benutzen, um es zu zerstören. Er würde die Völker gegen es bringen und es vor ihnen ausziehen, so daß alle seine Nacktheit sehen konnten. Jerusalem würde wieder so hilflos werden vor seinen Feinden, wie es war, bevor der Herr es zur Frau nahm (V. 8 ). Gott würde Jerusalem bestrafen, wie Frauen bestraft wurden, die Ehebruch begangen und Blut vergossen hatten . Die Strafe auf Ehebruch im Alten Testament war die Steinigung ( 3Mo 20,10 ; vgl. Joh 8,4-5 ). Jerusalems "Ehebruch" war sein Götzendienst, und die Strafe für Götzendienst war das Schwert ( 5Mo 13,13-16 ). Gott benutzte beide Mittel des Gerichts - Steinigung und Schwert - zum Untergang Jerusalems. Sie werden eine Meute aufbringen gegen dich, die dich steinigen und mit ihren Schwertern in Stücke hauen wird (vgl. Hes 23,47 ). Gott hatte gesagt, daß die Bevölkerung einer Stadt in Israel, die Götzendienst betreibe, durch das Schwert getötet und ihre Stadt verbrannt werden würde ( 5Mo 13,16-17 ). Nach der Eroberung Jerusalems durch Babylon hat dieses tatsächlich die Häuser niedergebrannt und die Strafe vor den Augen vieler Frauen vollzogen ( Hes 16,41 ). Gottes Gericht über Jerusalem würde schließlich dessen Hurerei ein Ende setzen . Erst nach seiner Zerstörung würde sein Zorn sich legen . Gottes eifersüchtiger Grimm war kein Zeichen für Kleinlichkeit oder Rachsucht, sondern ein wesentliches Element seiner Heiligkeit. Die grundlegende Ursache für Jerusalems Sünde war seine mangelnde Erinnerungsfähigkeit an die Tage seiner Jugend (V. 43 ; vgl. "du wirst dich erinnern" in V. 61.63 ). Seine ganze Größe war ein Ergebnis der gnädigen Gunst des Herrn. Als es sich daher von ihm abwandte, trennte es sich von der einzigen wahren Quelle des Segens und erzürnte den Einen, der es groß gemacht hatte. |
Der erste Teil des Gleichnisses (V. 1 - 43 ) ist eine Analogie zwischen Jerusalem und einer Ehebrecherin. Der zweite Teil (V. 44 - 63 ) ist ein Vergleich zwischen Jerusalem und seinen Schwestern Samaria und Sodom. Wenn Jerusalems gottlose Schwestern für ihre Sünden gerichtet wurden, wie kann dann Jerusalem, das noch viel tiefer gefallen war, auf Rettung hoffen? In Jerusalem gab es ein Sprichwort über sein Schicksal (vgl. die Anmerkungen zu Hes 12,22 ), aber Gott gab ihm ein neues Sprichwort: Wie die Mutter, so die Tochter . Die Wesenszüge der Eltern kann man in den Kindern erkennen. Jerusalems Taten waren charakteristisch für seine familiäre Herkunft. Seine Mutter hatte ihren Mann und ihre Kinder von sich gestoßen. Noch einmal machte Hesekiel die Herkunft Jerusalems deutlich, die er in Hes 16,3 bereits aufgezeigt hatte. Die Ausschweifungen, eifersüchtigen Rivalitäten und herzlosen Grausamkeiten der kanaanitischen Stämme waren wohlbekannt. Jerusalem trug diese Wesenszüge seiner "Eltern" und zeigte sie, als es Gott verließ und indem es auf grausame Weise seine eigenen Kinder opferte. |
Hesekiel erklärte dies durch einen Vergleich zwischen Jerusalem und seinen Schwestern, die beide "ihren Mann und ihre Kinder verlassen" hatten (V. 45 ). Diese beiden Schwestern ( Samaria und Sodom ), die Teil hatten an Jerusalems familiärer Herkunft, unterstrichen Hesekiels Aussage. Beide Städte - die eine im Norden, die andere im Süden von Jerusalem - waren für ihre großen Sünden und das göttliche Gericht über sie bekannt. Aber Jerusalem war noch verdorbener als Samaria und Sodom. Nicht einmal Sodom, das doch solch abscheuliche Sünden begangen hatte, war so schlimm gewesen wie Jerusalem (V. 48 )! |
Sodoms Sünde war sein hochmütiges Vorbeigehen an den Nöten anderer trotz seines Reichtums. Auch taten die Sodomiter Dinge, die vor Gott verwerflich waren. Das könnte sich auf ihre sexuellen Verirrungen beziehen (vgl. 1Mo 19,4-5 ). Die Sünde Samarias war sein Götzendienst, auch wenn dies hier nicht besonders erwähnt wird. Aber Jerusalems Sünden waren so schlimm, daß die Sünden von Sodom und Samaria dagegen fast wie gerechte Taten aussahen! |
Nachdem er die Sünde von Jerusalem und Gottes Strafe dafür verkündet hatte, bot Hesekiel ihm aber auch Trost an. Die Verse 53 - 63 sprechen von der Wiederherstellung aller drei "Schwestern": Ich will das Geschick wenden von Sodom und von Samaria und dein Geschick mit ihnen . Wenn Gott Jerusalem wieder aufrichtet, kann er dann mit dessen Schwestern, die nicht so tief gefallen waren, anders handeln? Hesekiel spricht hier von der nationalen Erneuerung dieser Städte im Tausendjährigen Reich. (Offensichtlich wird auch Sodom zu dieser Zeit wieder aufgebaut.) Wenn Jerusalem wiederhergestellt ist, wird die Stadt tiefe Reue empfinden . Sie wird ihre Schande tragen und beschämt sein über alles, was sie getan hat, Samaria und Sodom zum Trost . Diese Aussage ist mit der aus Vers 52 im Zusammenhang zu sehen. Jerusalems Schande wird größer sein, weil es durch die Größe seiner Sünden für Sodom und Samaria ein Trost war. Anders ausgedrückt, wenn Gott die verdorbene Stadt Jerusalem erneuern wird, dann wird er gewiß auch ihre Schwestern erneuern. Jerusalems Sünde wurde zum Gegenstand des Gespöttes. Vor seinem Fall wollte es in seinem Stolz nicht einmal den Namen seiner "gefallenen" Schwester Sodom nennen. Aber nachdem Jerusalem mit seiner Sünde offenbar geworden war, wurde es selbst zum Gegenstand der Lächerlichkeit vor allen umliegenden Völkern, auch vor den Töchtern von Edom und all ihren Nachbarn und den Töchtern der Philister . Edom, südlich des Toten Meeres, war ein ständiger Gegner Judas (vgl. 2Kö 8,20-22; 2Chr 28,17; Ob ). Edom freute sich über die Eroberung Judas durch Babylon und half Babylon bei seinem Angriff gegen Jerusalem (vgl. Ps 137,7; Hes 25,12-14; 35,5-6.15 ). "Die Töchter" von Edom und den Philistern sind vermutlich die Städte dieser Länder. Jerusalem würde erneuert werden - aber vorher mußte es die schändlichen Folgen seiner Sünde tragen. |
Obwohl Jerusalems Sünde gerichtet werden würde, würde Gott es wieder in die Gemeinschaft mit sich führen. Hesekiel beschrieb die Gewißheit des Gerichtes über Jerusalem, zeigte aber zugleich, daß Gott sein Volk nicht für immer verwarf. Gott hatte einen gültigen Bund mit seinem Volk geschlossen (vgl. V. 8 ), und er würde sich daran erinnern (d. h. ihn halten). Dieser ewige Bund ist der "neue Bund", von dem Jeremia ( Jer 31,31-34 ) und Hesekiel (vgl. Hes 11,18-20; 36,26-28; 37,26-28 ) sprechen. Wenn dieser "ewige Bund" aufgerichtet ist, wird Gott auch das Verhältnis zwischen Jerusalem und seinen Schwestern ändern. Sie werden seine Töchter werden, d. h. Jerusalem wird Verantwortung für Samaria und Sodom übernehmen, wenn im Tausendjährigen Reich sein Königtum wieder aufgerichtet worden ist. Gottes Bund bezieht sich hier ( Hes 16,61 ) vermutlich auf den mosaischen Bund, den Israel gebrochen hat (vgl. V. 59 - 60 a). Wenn Gott im Tausendjährigen Reich den neuen Bund aufgerichtet und Jerusalem erneuert hat, wird es wissen, daß Gott der Herr ist. Jerusalems Problem war gewesen, daß es die Taten Gottes in seiner Vergangenheit vergessen hatte (V. 43 ). Gottes neuer Bund aber wird dieses Problem der geistlichen Vergeßlichkeit ändern (V. 63 ). Dann, so sagte Gott, wenn ich eine Erlösung für dich schaffe, wirst du dich erinnern (vgl. V. 61 ) und beschämt sein (vgl. V. 52.54 ). Gottes Gericht und die nachfolgende Erneuerung würde demütigend für das Volk sein. Das Problem des Stolzes (V. 56 ) würde für immer gelöst sein. |
(3) Das Gleichnis der zwei Adler (
Hes 17 )
Hesekiel sollte ein ausführliches Rätsel aufstellen, das eine Erklärung nötig machte. Das Wort für Gleichnis heißt mASAl . Es wird gewöhnlich mit "Sprichwort" wiedergegeben, einem kurzen, treffenden Ausspruch (vgl. Hes 12,22; 18,1 ), kann sich aber auch auf eine längere Rede beziehen, die einen ausführlichen Vergleich beinhaltet. Hesekiels Rätsel oder Gleichnis wird in Hes 17,3-10 aufgestellt und in Vers 11 - 21 erklärt. |
Der erste der beiden Adler mit mächtigen Flügeln, langen Federn und vollen Schwingen mit bunten Farben zog in den Libanon . Wie Hesekiel hinterher erklärt (V. 12 ), ist dieser Adler Nebukadnezar, und der Libanon steht für Jerusalem: Weißt du nicht, was diese Dinge bedeuten? Der König von Babylon ging nach Jerusalem (zu dem Haus des Widerspruchs ; vgl. die Anmerkungen zu Hes 3,9 ). Dann erklärte Hesekiel, warum der "Adler" in den "Libanon" gekommen war. Der Adler brach die Spitze eines Zedernbaumes ab und pflanzte sie in einer Stadt ein, die für ihren Handel bekannt war. Dies spricht von Nebukadnezars Angriff auf Jerusalem im Jahre 597 V. Chr., als er seine Herrschaft über die Stadt errichtete und König Jojachin absetzte. Wie Hesekiel erläuterte, trug Nebukadnezar ihren König weg ( Hes 17,12 ), die Spitze des Baumes, und ihre Edlen und nahm sie mit sich zurück (vgl. 2Kö 24,8-16 ) und pflanzte die Spitze in Babylon ein. |
Der "Adler" Nebukadnezar ist aber nicht völlig herzlos. Er nahm etwas von dem Gewächs des Landes und pflanzte ihn in gutes Land mit genügend Wasser , und es wuchs und wurde ein niedriger, ausgebreiteter Weinstock. Nebukadnezar hatte Jerusalem geschwächt, aber es nicht zerstört. Statt dessen setzte er Zedekia als Vasallenkönig ein. Jerusalems militärische Macht war vorbei, aber solange sie Nebukadnezar treu blieben, konnten sie in Frieden leben. Zedekia, ein Glied der königlichen Familie, wurde in einem Vertrag unter Eid genommen (V. 13 ). Obwohl Juda niedrig gemacht worden war, geschwächt und gedemütigt, hätte es doch überleben können, wenn es das Abkommen mit Nebukadnezar gehalten hätte. |
Ein anderer Adler kam, um den Weinstock von dort wegzulokken, wo er gepflanzt worden war. Dieser neue "Adler" war Ägypten, das Zedekia zur Rebellion gegen Babylon ermunterte. Judas König brach seinen Bundeseid gegen Babylon und stellte sich auf die Seite Ägyptens. Er sandte Boten nach Ägypten, um Pferde und ein großes Heer zu erhalten . Als Hesekiel diese Weissagung niederschrieb, war Zedekias eigentliche Revolte noch nicht geschehen. Wenn man annimmt, daß das Buch in chronologischer Reihenfolge geschrieben wurde, dann stammt diese Weissagung hier aus der Zeit zwischen 592 ( Hes 8,1 ) und 591 V. Chr. ( Hes 20,1 ). Zedekias eigentlicher Abfall von Babylon begann 588 V. Chr. Hesekiel weissagte also die Rebellion Zedekias bereits etwa drei Jahre vor ihrem Eintreten. |
Die Folgen für den "Weinstock" (V. 8 ) werden vernichtend sein. Er wird ausgerissen und seiner Früchte beraubt . Weil Zedekia seinen Eid gegen Nebukadnezar gebrochen hatte (ein von Gott angeordnetes Bündnis; vgl. Jer 27 ), würde Nebukadnezar die Stadt nicht verschonen. Hesekiel erklärte, daß diese Revolte Zedekias bedeutete, daß Zedekia in Babylon sterben würde , denn der Pharao in Ägypten würde ihm nicht helfen können. Als Zedekia seinen Eid mit Nebukadnezar brach, stellte er sich auch gegen Gott. Ich werde meinen Schwur, den er verachtet hat, auf sein Haupt bringen und meinen Bund, den er gebrochen hat . Gott würde darauf achten, daß Zedekia von Nebukadnezar gefangengenommen (in seinem Netz und seiner Schlinge ) und nach Babylon gebracht würde und daß seine Truppen durch das Schwert getötet würden (vgl. 2Kö 24,3-7 ). |
Damit nun die Menschen nicht zu sehr von Gottes kommendem Gericht entmutigt würden, fügte Hesekiel noch einen "Anhang" an seine Weissagung gegen Jerusalem an. Zwar nannte er Gott nicht direkt einen "Adler", aber er verglich doch Gottes Handeln in der Zukunft mit dem der beiden Adler (Babylon und Ägypten), von denen er gesprochen hatte. Keiner von diesen beiden Adlern konnte die Sicherheit und den Wohlstand schenken, nach denen sich Israel so verzweifelt sehnte. Gott aber würde das tun, was sie nicht konnten. Gott sagte, daß er (Ich selbst) einen Sproß von der Spitze einer Zeder nehmen und ihn einpflanzen würde . Der "Sproß" ist der Nachkomme Davids (vgl. V. 4 mit V. 12 ). Gott wird einen König aus der Nachkommenschaft Davids wieder auf den höchsten Berg Israels setzen . Das Königtum wird nicht zerstört, denn Gott wird es wieder im Land Israel aufrichten. Dieses Königreich wird Zweige hervorbringen und Frucht tragen und eine herrliche Zeder werden . Das bedeutet, daß es wie nie zuvor wachsen und gedeihen wird. Vögel aller Arten werden nun nicht mehr Zweige von ihm abbrechen, sondern in ihm ihr Nest bauen . Dies bedeutet, daß die umliegenden Völker nicht mehr länger Israel ausnutzen, sondern nun von Israel beschützt werden. Gott will durch die Erneuerung Israels seine Herrlichkeit und seine Pläne für Israel allen Völkern offenbaren. Alle Bäume werden erkennen, daß ich, der HERR, den hohen Baum erniedrige und den niedrigen Baum hoch wachsen lasse . Daß Israel wieder wichtig und entscheidend wird, wird anderen Völkern helfen, sich dem Herrn zuzuwenden. Diese Weissagung wurde nicht erfüllt, als Israel nach der babylonischen Gefangenschaft in sein Land zurückkehrte. Die Erfüllung der Verse 22 - 24 wartet noch auf die Erneuerung Israels im Tausendjährigen Reich unter dem Messias, Jesus Christus. Zu dieser Zeit wird Gottes Königreich die Welt regieren (vgl. Dan 2,44-45; Sach 14,3-9.16-17 ). |
( Hes 18 ) Hesekiel hatte in drei Gleichnissen versucht, das Volk von seiner Sünde zu überführen ( Hes 15-17 ). Nun sprach er ganz offen und direkt von der Schuld Israels. Die Botschaft in Kapitel 18 ist der in Hes 12,21-28 ähnlich, denn beide sind eine Antwort auf das im Volk herrschende Sprichwort, mit dem man das kommende Gericht verleugnete. Gott fragte Hesekiel nach einem Sprichwort , das im Volk kursiert. Dieses Sprichwort - Die Väter haben saure Trauben gegessen, und den Kindern sind die Zähne stumpf geworden - muß in Israel sehr gut bekannt gewesen sein, denn auch Jeremia zitierte es (vgl. Jer 31,29-30 ). Es will sagen, daß die Kinder wegen der Sünden ihrer Eltern leiden müssen. Es war wahr, daß Jerusalem litt. Aber nach dem Sprichwort dachten die Menschen, daß ihr Leiden nicht aufgrund ihrer Sünden, sondern aufgrund der Sünden ihrer Eltern über sie kam. Diese Leute klagten also Gott an, daß er sie ungerechterweise bestrafe (vgl. Hes 18,25 ). Gott wies dieses falsche Sprichwort zurück. Aber wie bei allen falschen Lehren, lag auch in dieser Lehre ein Körnchen Wahrheit, das sie vernünftig zu machen schien. In den zehn Geboten sagt Gott, daß er "ein eifernder Gott" ist, "der die Sünden der Väter heimsucht bis ins dritte und vierte Glied an den Kindern derer, die mich hassen" ( 2Mo 20,5 ). In 2Mo 34,6-7 und 5Mo 5,9 wird die gleiche Drohung noch einmal wiederholt. Selbst Hesekiel hatte Gottes kommendes Gericht auf die Taten der Vergangenheit zurückgeführt (vgl. Hes 16,15-29 ). An diesen Stellen ging es jedoch darum, daß die Folgen der Sünde ernst und lange andauernd waren, nicht darum, daß Gott etwa den Unschuldigen je nach Laune für die Sünden seiner Vorfahren bestrafte. Indem sie andere für ihr Unglück verantwortlich machten, verleugneten die Menschen ihre eigene Schuld. Dies ist falsch, denn jeder einzelne ist persönlich Gott verantwortlich. Denn jede lebendige Seele gehört mir, der Vater und auch der Sohn . Wer schuldig ist, wird seine eigene, verdiente Bestrafung empfangen. Die Seele, die sündigt, ist auch die, die sterben wird (vgl. Hes 18,20 ). Die Menschen in Israel hatten keinen Anlaß dazu, Gott Ungerechtigkeit vorzuwerfen. |
Hesekiel machte das Prinzip der persönlichen Verantworlichkeit nun an drei "Fällen" deutlich. Jede dieser hypothetischen Situationen begann mit dem Wort Wenn (V. 5.10.14 ). Es geht dabei um einen gerechten Mann, der recht handelt (V. 5 - 9 ), einen gewalttätigen Sohn eines gerechten Vaters (V. 10 - 13 ) und einen gerechten Sohn eines gewalttätigen Vaters (V. 14 - 18 ). Jedesmal zeigte Hesekiel die Taten des einzelnen und Gottes Reaktion darauf. Der erste hypothetische Fall war der eines Mannes, der gerecht war und Gottes Gesetz von ganzem Herzen folgte (V. 5 - 9 ). Er machte sich nicht des Götzendienstes schuldig. Er aß nicht von den Opfern auf den Höhen (vgl. Hes 8,12; 16,24-25.31.39; 18,15; 22,9 ) und sah die Götzen nicht an . Die "Höhen" waren jene hoch gelegenen Orte in ganz Israel, an denen man Götzendienst durchführte (vgl. die Anmerkungen zu Hes 6,3-7 ). |
Der gerechte Mann war aber auch darauf bedacht, sich seinem Mit-Israeliten gegenüber dem Gesetz entsprechend zu verhalten. Er achtete darauf, daß er moralisch rein blieb. Sowohl Ehebruch ( 2Mo 20,14; 3Mo 20,10 ) als auch Geschlechtsverkehr während der Zeit der Menstruation ( 3Mo 18,19 ) waren durch das mosaische Gesetz verboten. Der gerechte Mann in Hesekiels hypothetischem Fall achtete treu darauf, sexuell rein zu bleiben. Hesekiels Vorbild eines Israeliten war ebenso darauf bedacht, seine Mit-Israeliten nicht zu unterdrücken. Er würde niemals ein Pfand zurückbehalten, was der Schuldner nötig brauchte (vgl. 2Mo 22,25; 5Mo 24,6 ). Er würde keinen Raub begehen oder einem Mit-Israeliten etwas gewaltsam wegnehmen ( 2Mo 20,15 ). Im Gegenteil, er gab dem Bedürftigen Speise und Kleidung . Ihm ging es darum, anderen Menschen zu helfen, nicht darum, möglichst viel von ihnen zu bekommen. Wenn dieser gerechte Mann einem Mit-Israeliten etwas lieh, dann versuchte er nicht, dadurch Profit zu machen, indem er Wucher betrieb (übertrieben hohe Zinsen nahm). Angesichts der ersten Hälfte des Satzes könnte "hohe Zinsen nehmen" auch einfach mit "Zinsen nehmen" übersetzt werden. Das Gesetz verbot jegliche Zinsen gegenüber Mit-Israeliten ( 5Mo 23,20-21 ). Dieser Mann folgte dem Gesetz wirklich treu. Er stellte Gottes Gesetz über den möglichen finanziellen Gewinn. |
Dieser Gerechte war auch voller Mitleid ( er tut kein Unrecht ) und fair ( er richtet recht zwischen Mann und Mann ). Treu hielt er sich an die höchsten Forderungen an das Verhalten, die das Gesetz Gottes von seinem Bundesvolk verlangte. Der gerechte Israelit würde gewiß leben . Er würde vor dem Gericht bewahrt werden (vgl. Hes 14,12-20 ) und nicht für die Sünden anderer leiden. Die große Mehrheit der Bewohner Jerusalems dagegen war nicht gerecht. Deshalb würden sie auch für ihre Sünden bestraft werden. |
Hesekiel führte einen zweiten hypothetischen Fall an. Wenn der gerechte Mann einen rebellischen ( gewalttätigen ) Sohn hat, der die Sünden begeht, die sein Vater vermieden hat (vgl. V. 11 - 13 a mit V. 8 - 9 ), was dann? Gottes Urteil über diesen Mann steht fest: Er wird zu Tode gebracht werden, und sein Blut wird auf sein Haupt kommen . Die Gerechtigkeit des Vaters würde dem Sohn nicht zugerechnet werden (vgl. Hes 14,16.18 ). Dies zeigte die Falschheit des bekannten Sprichwortes ( Hes 18,2 ) und die Wahrheit von Gottes Prinzip (V. 4 ). |
Der dritte Fall, den Hesekiel in dieser hypothetischen Familie konstruierte, trat ein, wenn (vgl. "wenn" in V. 5.10 ) dieser gottlose Sohn einen Sohn hat, der alle die Sünden seines Vaters sieht, aber solche Dinge nicht selbst tut . Statt den Sünden seines Vaters zu folgen, wandelte dieser Sohn in den gerechten Wegen seines Großvaters (vgl. V. 15 - 16 mit V. 6 - 9 ). Gottes Schlußfolgerung ist klar: Er wird nicht für die Sünden seines Vaters sterben; er wird gewiß leben . Ein gerechter Sohn wird nicht für die bösen Taten seines Vaters bestraft werden. Aber sein Vater wird für seine eigene Sünde sterben . Das bekannte Sprichwort (V. 2 ) war falsch. Wenn die Menschen gerichtet würden, dann nicht für die Sünden von irgend jemand in einer früheren Generation. Nur die, die Gott treu blieben, würden befreit werden (V. 19 ). Das Wort leben bedeutet bei Hesekiel, daß jemand der Strafe Gottes in diesem Leben entgeht. (Vgl. die Anmerkungen zu V. 24 .) Hesekiel wiederholt es noch einmal: Die Seele, die sündigt, ist auch die, die sterben wird (V. 20 ; vgl. V. 4 ). |
Dennoch war es möglich, dem Gericht zu entkommen. Sünder konnten dem Gericht entgehen, wenn sie über ihre Sünden Buße taten und von ihnen umkehrten (vgl. Spr 28,13 ) und Gottes Gebote hielten. Hesekiel lehrte hier nicht die Werkgerechtigkeit. Erstens sprach er von einer zeitlichen Befreiung von den Armeen Babylons und nicht von einer ewigen Befreiung von dem zweiten Tod ( Hes 18,13 ). Zweitens machte er sehr deutlich klar, daß diese gerechten Werke nur aus einem "neuen Herzen und einem neuen Geist" (V. 31 ) entspringen konnten. Gute Werke entstammen einem veränderten Leben. Sie selbst bringen diese Veränderung nicht hervor. Warum läßt Gott zu, daß ein Sünder, der umkehrte, dem Gericht entkommt? Die Antwort darauf liegt im Wesen Gottes begründet. Er hat keinen Gefallen am Tod des Gottlosen (vgl. V. 32 ). Vielmehr gefällt es ihm, wenn sie von ihren Wegen umkehren . Gott ist kein rachsüchtiger Despot, der gerne bestraft, wer sich ihm entgegenstellt. Als ein Gott der Barmherzigkeit möchte er, daß Menschen ihre Gottlosigkeit lassen und auf seine gerechten Wege zurückkehren. |
Gott vergibt die Sünden derer, die zur Gerechtigkeit umkehren. Aber er entschuldigt nicht die Sünden dessen, der in Gerechtigkeit gewandelt ist und sich dann zur Gottlosigkeit wendet. Wird solch ein Mensch leben? An keines der gerechten Werke, die er getan hat, soll gedacht werden . Der Segen und auch das Gericht, um die es hier geht, sind in erster Linie zeitlich, nicht ewig gemeint. Es geht um physischen Tod (vgl. V. 4.20.26 ), nicht um ewige Verdammnis. Ein Israelit, der nach Gottes Gesetz gelebt hatte, aber dann Götzendienst oder moralische Unreinheit beging, durfte nicht erwarten, daß seine Gerechtigkeit der Vergangenheit seine gegenwärtigen Sünden ausgleichen könnten. Gott wägt die guten Taten eines Menschen nicht gegen seine schlechten ab, um sein Schicksal zu bestimmen. Das Verhältnis des Menschen zu Gott, das dieser hat, wenn das Gericht kommt, entscheidet darüber, ob er leben oder sterben wird. |
Israel hatte Gott Ungerechtigkeit vorgeworfen. Nun wandte Gott das Blatt. Handle ich etwa ungerecht? Handelt nicht vielmehr ihr ungerecht? (Vgl. V. 29 ; Hi 40,8 .) Hesekiel erinnerte Israel daran, daß jeder einzelne aus dem Volk für seine Sünde verantwortlich war. Ich will dich richten, jeden nach seinen Wegen . Wenn Israel fiel, dann wegen der Sünden seiner eigenen Generation. Wegen dieser Sünden mußte das Volk umkehren, wenn es Hoffnung auf Rettung haben wollte. Israel brauchte eine geistliche Erneuerung. Die Menschen müssen ihre Übertretungen loswerden und ein neues Herz und einen neuen Geist bekommen (vgl. Hes 11,19; 36,26 ). Leben oder Tod hing davon ab, wie die Menschen persönlich Gott antworteten. Wer sich auch weiter gegen Gott auflehnte, würde sterben. Wer Buße tat und von der Sünde umkehrte, würde leben. |
( Hes 19 ) Hesekiel schloß diesen Abschnitt über die Vergeblichkeit eines falschen Optimismus ( Hes 12-19 ) mit einem Klagelied für Israel und seine Führer. Dies ist das erste von fünf Klageliedern im Buch Hesekiel (vgl. Hes 26,17-18;27; 28,12-19; 32,1-16 ). Drei der anderen Klagelieder richten sich gegen Tyrus, das vierte ( Hes 32,1-16 ) gegen Ägypten. Ein "Klagelied" war eigentlich ein Totengesang, den man im Andenken an einen Verstorbenen sang. Normalerweise wurden darin die guten Eigenschaften des Toten und der schreckliche Verlust, den man durch seinen Tod erlitten hatte, betont (vgl. 1Sam 1,17-27 ). Dieses Klagelied betraf die Fürsten von Israel . "Fürsten" ist der Titel, den Hesekiel den Königen gab, die in Jerusalem residierten (vgl. die Anmerkungen zu Hes 7,27 ). Zur Zeit dieses Klageliedes war Zedekia König. Es ist das Jahr 592 V. Chr., fünf Jahre vor dem Fall Jerusalems. Hesekiel schrieb also ein Totenlied, während der "Tod" der Stadt noch in der Zukunft lag. Jerusalems Untergang war so sicher, daß Hesekiel ihn unausweichlich kommen sah. In einem Teil des Liedes wird das Schicksal von Joahas und Jojachin verfolgt - zwei der drei Könige vor Zedekia. Dennoch handelt das Klagelied nicht von einem einzelnen Individuum. Es gilt der davidischen Dynastie und dem "Tod" ihrer Herrschaft. In seinem Klagelied sprach Hesekiel von der Löwin, die die Mutter der schlechten Löwen war. Was für eine Löwin war deine Mutter unter den Löwen! Da die "Löwen" ein Bild für die Könige war, halten manche Ausleger die "Löwin" für Hamutal, die Frau des Josia und Mutter von Joahas und Zedekia (vgl. 2Kö 23,31; 24,18 ). Aber aus zwei Gründen scheint dies unwahrscheinlich. Erstens ist der "König" in Hes 19,5-9 offensichtlich Jojachin, dessen Mutter Nehuschta war, eine andere Frau von Josia (vgl. 2Kö 24,8 ). Zweitens scheint die "Mutter" der Könige, auf die in Hes 19 immer wieder Bezug genommen wird, mehr als nur eine physische Mutter zu sein. In Vers 10 - 14 ist das Volk selbst die "Mutter" der Könige. Vers 13 scheint auf die Gefangenschaft Israels anzuspielen. Daher ist die Löwin/Mutter in diesem Kapitel das Volk Israel. Dieses Volk brachte seine Könige hervor und mußte nun sehen, wie sie besiegt wurden. Es mußte in die Gefangenschaft gehen. |
Die Löwin, Israel, zog eines ihrer Jungen groß, und es wurde ein starker Löwe (ein König). Dieser Löwe ist Joahas, der nach dem frühen Tod Josias auf den Thron kam (vgl. den Abschnitt "Historischer Hintergrund" in der Einführung ). Nach einer Regierungszeit von nur drei Monaten wurde er von Pharao Necho II. abgesetzt, der ihn mit Haken (vermutlich tatsächlichen Haken in der Nase, an denen Stricke festgebunden waren; vgl. V. 9 ) nach Ägyptenland führte . In Ägypten starb Joahas in der Gefangenschaft (vgl. 2Kö 23,31-34; Jer 22,11-12 ). |
In Vers 10 - 14 sprach Hesekiel direkt zu König Zedekia. Um ihn geht es im Rest dieses Klageliedes. Seine Mutter, Israel, war wie ein Weinstock . Da Weinstöcke in Israel sehr weit verbreitet waren, benutzten die Schreiber der Bibel immer wieder Weinstöcke als Bilder für Israel und auch für andere Nationen (vgl. Jes 5,1-7; Hes 15;17,5-10; Mt 21,33-41; Joh 15,1-8 ). Israel war in seiner Vergangenheit, bildlich gesprochen, fruchtbar und voller Zweige gewesen. Unter dem Segen Gottes war es aufgeblüht und hatte viele Herrscher hervorgebracht. Seine Zweige waren stark, geeignet für das Zepter eines Herrschers . Wen genau Hesekiel mit diesem Bild anspricht, ist nicht bekannt. Vermutlich meinte er keine bestimmten Herrscher in der Geschichte Israels, sondern wollte nur zeigen, daß die Vergangenheit Israels herrlich war und daß viele mächtige Führer geherrscht hatten. |
Die Herrlichkeit der Vergangenheit des Weinstockes stand im harten Gegensatz zu seinem Zustand in den Tagen Hesekiels. Israel, der Weinstock, war im Grimm ausgerissen und zu Boden geworfen worden. Er war verdorrt, und seine Zweige waren verbrannt worden. Hesekiel erklärte die Ursache für dieses Gericht nicht. In Kapitel 16 - 17 hatte er ja bereits gezeigt, warum Israel vom Segen zum Gericht übergegangen war. Der Weinstock hatte vergessen, daß Gott die Quelle seines Segens war. Deshalb hatte Gott das Volk "herausgerissen" und es aus seinem Land wegführen lassen. Der Ostwind ist ein Bild mit einer Doppelbedeutung für Israel. Normalerweise weht der Wind in Israel aus dem Westen und bringt feuchte Meeresluft vom Mittelmeer heran. Der Ostwind dagegen bläst aus der Wüste im Osten und bringt viele Probleme für Israel mit sich. Er kann die Vegetation verdorren lassen ( 1Mo 41,6 ), Häuser zerstören ( Hi 1,19 ) und ist für Menschen oft unerträglich ( Jon 4,8 ). Aber bei Hesekiel hatte der Ostwind noch eine andere Bedeutung. Er bezog sich nicht nur auf den Wind selbst, sondern sprach auch von Babylon, das ebenfalls im "Osten" von Israel lag. Als dieses Volk aus dem Osten "heranblies", verdorrte Israel unter der Hitze dieser Bedrängnis. Schließlich fiel Israel Babylon in die Hände. Hesekiels Aussage: Nun ist es gepflanzt in der Wüste, in einem dürren und durstigen Land , könnte sich auf die Zerstörung Israels durch Babylon beziehen. So wie der Ostwind hinter sich einen Pfad von zerstörter Vegation herzieht, würde auch Israel unter den Angriffen Babylons dahinwelken. Vermutlich aber sprach Hesekiel hier von der babylonischen Gefangenschaft, die das Volk in Kürze erleben würde. Der gute Weinstock, das Volk, würde aus seiner Heimat ausgerissen und auf einen fremden Boden geworfen werden. Gottes Gericht würde auch die königliche Familie betreffen. Kein starker Zweig bleibt daran übrig, der für ein königliches Zepter geeignet wäre . Das Volk, das in der Vergangenheit mächtige Herrscher hervorgebracht hatte ( Hes 19,11 ), würde nun keinen König haben. Nachdem Zedekia durch Babylon besiegt worden war, betrat kein König aus der davidischen Dynastie wieder den Thron. Erst mit der Wiederkunft Christi wird wieder ein "Herrschafts-Zepter" aus der Linie Davids erstehen und als König Israels regieren. |
( Hes 20-24 ) Diese Weissagungen gegen Juda und Jerusalem reden vor allem von der Geschichte Judas. Hesekiel hatte diese Geschichte in einem Gleichnis dargestellt ( Hes 16 ), während er nun in diesem Abschnitt eher direkt von ihr spracht, besonders in den Kap. 20; 23 . Kapitel 21 enthält vier zusammengehörige Botschaften über das Schwert, das Jerusalem treffen wird, und in Kapitel 22 finden wir drei weitere Weissagungen des Gerichtes über Jerusalem. Der gesamte Abschnitt schließt in Kapitel 24 mit zwei Weissagungen über den Untergang der Stadt. ( 20,1 - 44 ) (1) Ihre vergangene Rebellion ( 20, 1 - 31 ) Diese Weissagung geschah im siebten Jahr, im fünften Monat, am zehnten Tag , was dem 14. August 591 V. Chr. entspricht. Es war also etwa elf Monate nach der letzten Zeitangabe, die Hesekiel uns überliefert hat ( Hes 8,1 ). Wie in Kapitel 8; 14 erhielt Hesekiel die Botschaft, als einige der Ältesten Israels kamen, um den HERRN zu befragen . Sie besuchten ihn offenbar erneut, um zu sehen, ob Gott eine neue Botschaft für das Volk habe. Die Frage der Ältesten wird uns nicht berichtet, aber sie muß unangemessen gewesen sein, denn Gott verweigerte ihnen eine Antwort: Ich will mich nicht von euch befragen lassen . Die Antwort, die Gott ihnen nun gab, war keine Beantwortung ihrer Frage, sondern ein Rückblick auf ihre Geschichte. Die Wiederholung der Frage: Willst du sie richten? ( Hes 20,4 ) zeigte seine Ungeduld mit dem Volk und trägt eigentlich eher die Bedeutung eines Befehles: "Richte dieses Volk!". Hesekiel sollte ihnen die Greueltaten ihrer Väter vor Augen führen . Das Gerichtsverfahren wurde eröffnet und die Beweise vorgelegt. Hesekiel mußte dabei als Vertreter der Anklage fungieren und den Beweis gegen den Beschuldigten vorlegen (vgl. Hes 22,2 b). |
Als Gott in seiner Allmacht Israel auswählte, sein Volk zu sein, da verpflichtete er sich selbst, als dessen Gott und Beschützer zu handeln. Der erste Beweis seiner Treue war seine Selbstoffenbarung ihm gegenüber. Er offenbarte sich ihm in Ägypten, und mit erhobener Hand sagte er zu ihm: Ich bin der HERR, euer Gott . Dies geschah am brennenden Busch, als Gott den Befreier des Volkes berief (vgl. 2Mo 3,1-10 ). Die erhobene Hand ( Hes 20,5 [zweimal].15.23.42) war offensichtlich eine Geste, die man bei einem Schwur benutzte (vgl. 2Mo 6,8; Neh 9,15; Hes 36,7; 47,14 ). Warum führte Gott seine Erwählung Israels nur bis auf Mose zurück? Widerspricht Hesekiel hier dem Buch 1.Mose, das doch ganz eindeutig zeigt, wie Gott Israel in seinem Bund mit Abraham erwählt hat (vgl. 1Mo 12,1-3;15; 17,1-8 )? Nein, Hesekiel sprach davon, daß Gott sich Israel als Volk erwählt hat. Als Gott seinen Bund mit Abraham schloß, hatte der Patriarch nicht einmal einen einzigen Erben, der diesen Bund als Nächster empfangen konnte. Als die Familie zu Josef nach Ägypten zog, war sie nur eine kleine Sippe von nomadischen Hirten (vgl. 1Mo 46,1-27.31-34 ). Zur Zeit Moses jedoch war aus den Nachkommen Abrahams ein großes Volk geworden. Gott versprach damals die Befreiung aus der Knechtschaft und die Bereitstellung seines Segens. Er würde Israel, so versicherte er, aus Ägypten in ein Land bringen, in dem Milch und Honig floß, das schönste aller Länder. In seiner Gnade bat Gott das Volk nur darum, ihm treu zu sein und sich von den nichtigen Bildern und Götzen Ägyptens abzuwenden. In 2.Mose wird nichts über das religiöse Leben Israels vor dem Auszug aus Ägypten gesagt. Hesekiel machte deutlich, daß es eine Zeit des Abfalls und Götzendienstes war. Aber Israel weigerte sich, Gottes Befehl zu gehorchen. Es entfernte die nichtigen Bilder nicht, noch verwarf es die Götzen Ägyptens. Diese Auflehnung gegen Gott verdiente das Gericht. Deshalb war Gott bereit, seinen Zorn über es in Ägypten auszugießen . Aber der Zorn kam nicht, Israel wurde verschont. Daß Israel verschont wurde vor dem Zorn Gottes, lag nicht an irgend etwas Gutem auf Israels Seite. Es lag vielmehr einzig und allein an Gottes Gnade und Barmherzigkeit: um seines Namens willen (vgl. Hes 20,14.22 ). Der "Name" Gottes macht sein Wesen deutlich. Gottes Ansehen unter den Völkern stand auf dem Spiel, wenn es um seine Bundestreue gegenüber seinem Volk ging. Statt es mit dem Gericht zu bestrafen, das es verdient hatte, schenkte Gott ihm die Befreiung. |
Als nächstes verfolgte Hesekiel die Geschichte Israels in der Wüste (V. 10 - 26 ). Er sprach dabei von Gottes Verhältnis zur ersten Generation (V. 10 - 17 ) und dann zur zweiten Generation (V. 18 - 26 ). Das Wüstenerlebnis begann mit einem weiteren Ausgießen der Gnade Gottes, durch die er es aus Ägypten und in die Wüste führte . Alle, die Hesekiel zuhörten, mußten sich bei diesen Worten an das erinnern, was sie über das Wunder am Roten Meer gehört hatten, als Gott für Israel das Wasser teilte und sie vor der sie verfolgenden Armee des Pharao rettete. Gott tat dies nicht, um Israel dann in der Wüstenhitze umkommen zu lassen. Er errettete es vielmehr aus Ägypten, um es für sich selbst als sein besonderes Volk einzusetzen. Die Bücher 2. und 3.Mose enthalten das Gesetz und die Richtlinien Gottes für sein auserwähltes Volk. Gott griff ein Gebot besonders heraus - das Sabbat-Gebot - als sichtbare Manifestation des mosaischen Bundes (vgl. Jes 56,1-8 ). Es sollte für die Israeliten ein Zeichen sein, daß sie Gottes besonderes Volk und verpflichtet waren, sein Gesetz zu halten. |
Statt mit Gehorsam auf Gottes gnädige Fürsorge zu antworten, war das Volk ungehorsam, rebellierte gegen seine Gebote (vgl. 4Mo 10,11-14,35 ) und hielt am Götzendienst fest ( Hes 20,16 ). Gott reagierte darauf wie schon in Ägypten. Das Volk hatte den Tod verdient, aber um seines Names willen (vgl. V. 9.22 ) verschonte er es. Dennoch gab es eine zeitliche Strafe. Alle, die gesündigt hatten, durften nicht in das verheißene Land hinein. |
Auch der zweiten Generation gab Gott in der Wüste die Möglichkeit, seinen Segen zu erfahren. Aber auch sie reagierten in gleicher Weise darauf. Gott gab den Kindern die gleichen Ordnungen, die er ihren Eltern gegeben hatte (V. 18 - 20 ; vgl. V. 11 - 12 ), aber die Kinder folgten ihren Eltern und handelten gegen die Gebote Gottes (V. 21 a). Sie hatten die Vernichtung verdient, aber wieder handelte Gott gnädig mit ihnen um seines Namens willen (V. 21 b. 22 ; vgl. V. 9.14 ). Gott vernichtete die zweite Generation des Volkes nicht um ihrer Sünde willen, aber er legte ihnen verschiedene Gerichte auf. Das erste Gericht war die Zerstreuung (V. 23 ). Kurz bevor Israel in das Land kam, ermahnte Gott das Volk, seinem Bund gehorsam zu sein. Er zeigte ihnen den Segen auf, der durch Gehorsam kommen würde, aber auch die Schwierigkeiten und Nöte des Ungehorsams ( 5Mo 28 ), zu denen auch die Zerstreuung unter die Heidenvölker gehörte ( 5Mo 28,64-68 ). Gottes zweites Gericht war, daß er die Menschen ihren Sünden überlies. Er gab sie an die Götzenbilder hin, die nicht gut waren, und an die Gesetze, durch die sie nicht leben konnten. Manche Ausleger sind der Meinung, daß es hier um die mosaischen Gesetze geht, so, als würde Gott den Menschen so strenge Gesetze auferlegen, daß sie diese überhaupt nicht halten konnten. Diese Meinung achtet jedoch die innere Qualität des mosaischen Gesetzes als Ausdruck der Gerechtigkeit Gottes gering. Paulus macht deutlich, daß das Gesetz Gottes "heilig, gerecht und gut" ist ( Röm 7,12 ). Auch Sünder müssen "zustimmen, daß das Gesetz gut ist" ( Röm 7,16 ). Aber diese Auslegung mißachtet auch die chronologische Einordnung, die Hesekiel selbst vornahm. Dieses Gericht kam, nachdem die zweite Generation sich gegen Gott aufgelehnt hatte. Das mosaische Gesetz aber hatte die erste Generation des Volkes schon viele Jahre vorher erhalten. Besser ist es, in den "Geboten" und "Gesetzen" ( Hes 20,25 ) die Bestimmungen der heidnischen Religionen zu sehen, zu denen sich Israel gewandt hatte. Diese Gesetze "verlangten" von den Israeliten das Opfer jedes Erstgeborenen (V. 26 ), ein Tun, das Gott streng verboten hatte (vgl. 3Mo 20,1-5 ). Daß Gott die Menschen der Sünde "übergab", war ein Akt seines Gerichtshandelns. Weil sie es ablehnten, seinen gerechten Wegen zu folgen, überließ Gott sie den Folgen ihres Tuns. Paulus spricht von einem ähnlichen Gericht Gottes über die Heiden (vgl. Röm 1,24.26.28 ). |
Daß Israel nun in das Land der Verheißung kam und dort seine neue Heimat erhielt, veränderte sein sündiges Verhalten nicht. In dem Land opferten die Menschen ihre Opfer den Götzen auf Hügeln und unter dichten Bäumen und mißbrauchten so das verheißene Land als Ort für ihren Götzendienst. (Zu "Höhen" vgl. die Anmerkungen zu Hes 6,1-4 .) Mit Hilfe eines Wortspieles betonte Gott die Sünde der Menschen, indem er sie fragte: Was ist dies für eine Höhe ( mAh habAmCh ), zu der du gehst? ( habA?Im ). Die Ähnlichkeit dieser Worte unterstrich die Aussage, daß Israel sich dem Götzendienst zugewandt hatte. |
In den Tagen Hesekiels war Israel noch immer ein rebellisches Volk wie seine Vorfahren auch. Noch immer betrieb es Götzendienst und brachte Kinderopfer . Deshalb weigerte sich Gott, sich von ihnen befragen zu lassen (vgl. V. 3 ). Er war kein göttliches Orakel, aus dem man eine Antwort erhalten konnte, wann immer man wolle. |
(2) Israels zukünftige Wiederherstellung (
Hes 20,32-44 )
So wie der Exodus Israel aus der Gefangenschaft hinaus in die Wüste geführt hatte, so würde Gottes neuer "Exodus" Israel aus den Ländern, wohin es zerstreut wurde, bringen. Es würde in die Wüste geführt werden. Diese Wüste jedoch würde eine Wüste des Gerichtes sein. Auch bei diesem "Exodus" würde Gott, wie bei dem Auszug aus Ägypten, seine mächtige Hand und seinen ausgestreckten Arm benutzen, diesmal jedoch mit ausgegossenem Zorn ( Hes 20,34 ). Wenn sich Israel dann in der Wüste versammelte, würde Gott den Prozeß der Reinigung von jenen, die sich gegen ihn aufgelehnt hatten, beginnen. Ich werde auf dich achten, während du unter meinem Stab hindurchgehst, und ich werde dich in die Verpflichtung des Bundes hineinbringen (V. 37 ). Hier ist an einen Schafhirten gedacht, der seinen Stab hochhält und die Schafe einzeln darunter hindurchgehen läßt, um sie zu zählen (vgl. Jer 33,13 ). Der Schafhirte läßt dabei alle Schafe, die wirklich seine Schafe sind, in den Pferch, den Ort des Schutzes hinein. In diesem Falle ist der Pferch "die Verpflichtung des Bundes". Der "Bund" kann sich auf den mosaischen Bund beziehen, den Israel gebrochen hat (vgl. Hes 16,59 ). Aber da Israel durch seinen Unglauben den mosaischen Bund unwirksam hat werden lassen, scheint dies unwahrscheinlich. Vielmehr will Gott einen neuen Bund mit Israel schließen, wenn er es für sich selbst erneuert ( Jer 31,31-33 ). Hesekiel schien ebenfalls diese Unterscheidung zu machen ( Hes 16,60 ) zwischen dem alten Bund der "Jugend" Israels und dem "ewigen Bund", der zur Zeit der Erneuerung des Volkes aufgerichtet werden wird. Gott wird Israel wieder in ein Bundesverhältnis mit sich bringen - dieser Bund aber wird ewig bleiben. Wenn die Schafe unter dem Stab des großen Hirten hindurchgehen, werden alle, die nicht zu ihm gehören - ungläubige Israeliten, die sich gegen Gott auflehnen -, ausgesondert werden. Gott wird diesen Schafen nicht gestatten, sein Land zu betreten . Dieser Prozeß der Reinigung durch Gott bedeutet, daß nur wahre Schafe Gottes den Bund des Segens erleben werden. Diese von Hesekiel beschriebene Szene ist noch Zukunft. Am Ende der großen Trübsal wird Gott Israel zum Tausendjährigen Reich in das Land der Verheißung sammeln (vgl. Hes 36,14-38; 37,21-23 ). Zuerst jedoch müssen die Israeliten vor dem Herrn stehen und gerichtet werden. Alle, die ihr Vertrauen auf ihn gesetzt haben, werden in das Land hineingehen und an seinem Königreich teilhaben dürfen (vgl. Joh 3,3 ). Wer sich jedoch gegen ihn aufgelehnt hat, wird für seine Sünden gerichtet und der ewigen Bestrafung übergeben werden. |
Wenn Israel in den Neuen Bund eintritt, wird es den Herrn wirklich erkennen (V. 39 - 44 ). Auch wenn Israel in den Tagen Hesekiels Götzen diente (und sich selbst verunreinigte; V. 25-26 ), wird Gott in der Zukunft eine solche Sünde unter seinem Volk nicht mehr dulden ( du wirst meinen heiligen Namen nicht länger entweihen ; vgl. Hes 39,7; 43,7 ). Was Gott mit Israel vorhatte, wird schließlich im Tausendjährigen Reich völlig erfüllt werden. Es wird dem Herrn dienen, er wird es annehmen, und die Menschen werden ihm ihre kostbarsten Geschenke, Gaben und Opfer in ehrlichem Gottesdienst darbringen. (Zur Erläuterung dessen, was unter "Opfer" im Tausendjährigen Reich zu verstehen ist, vgl. die Anmerkungen zu Hes 40,38-43 ). Deshalb wird auch Gott sich selbst als heilig erweisen . "Heilig" ( qODES ) bedeutet "ausgesondert", das Gegenteil von "profan" oder "allgemein". Israel hatte seinen Gott entheiligt, indem es seinen Gottesdienst mit Sünde und Götzendienst verunreinigt hatte ( Hes 20,39 ). In der Zukunft dagegen wird es Gott heiligen, so daß alle Völker seine Heiligkeit erkennen werden. |
Gottes Erneuerung Israels wird mehrere Veränderungen mit sich bringen: 1) Die erste Veränderung wird eine neue Erkenntnis seines Gottes sein. Gott sagt: Israel wird erfahren, daß ich der HERR bin . "Herr" ( Yahweh ) ist Gottes eigener Name, den er Israel offenbart hat (vgl. 2Mo 3,13-15 ). Er unterstreicht Gottes ewiges Dasein und seine Bundestreue. Israel wird die Wahrheit verstehen lernen, die in dieser Bedeutung des Namens (und Wesens) Gottes liegt, wenn er es nach Palästina zurückbringt. Diese Verheißung hängt nicht von der Treue Israels ab, denn das Volk ist in höchstem Maße untreu gewesen. Die Verheißung, die Gott hier gibt, hängt von seiner Treue ab. Er wird seine Bundestreue beweisen, indem er tut, was er verheißen hat (vgl. Hes 20,44 ). 2) Das zweite Ergebnis der Erneuerung Israels wird seine Umkehr sein. Es wird an sein Verhalten denken und vor sich selbst für all das Böse, was es getan hat, Abscheu empfinden. Die Scham, die Israel in den Tagen Hesekiels hätte empfinden müssen, wird es in seiner ganzen Fülle erst dann spüren, wenn Gott das Volk erneuert. |
( 21,1 - 5 ) Auf die lange Botschaft Hesekiels ( Hes 20,1-44 ) folgte nun ein kurzes Gleichnis. Es leitete die vier Botschaften in Kapitel 21 ein. Hesekiel sollte nach Süden ( tEmAnCh ) blicken und gegen den Süden ( dArNm ) und das Südland ( neGeB ) predigen . Das erste dieser drei hebräischen Worte bedeutet wörtlich "das, was auf der rechten Seite ist", während man nach Osten sieht. Es ist ein poetisches Wort, auch wenn es als Eigenname (Teman) für eine Stadt in Edom, im Süden Judas, benutzt werden kann (vgl. Am 1,12; Jer 49,7; Hes 25,13 ). Vielleicht ist in Hes 21,2 gemeint, daß Hesekiel sich nach Teman hin ausrichten sollte (wie manche deutschen Übersetzungen schreiben). Auch das Wort dArNm ist poetisch. Hesekiel benutzte es noch weitere zwölf Male, jedesmal im Zusammenhang mit der Beschreibung des Tempels im Tausendjährigen Reich (vgl. Hes 40,24 [zweimal], 27 [zweimal], 28 [zweimal], 44-45 ; Hes 41,11; 42,12-13.18 ). Das dritte Wort, das Hesekiel benutzt ( neGeB , "Südland"), wird ebenfalls als Eigenname benutzt. Der Negev ist der Name für den südlichen Teil Palästinas, nahe an Israels Grenze zu Edom (vgl. Jos 15,21 ). Heute ist der Negev eine Steppen-Region, in der nur wenig Regen fällt und die kaum Wasserquellen besitzt. Aber da Hesekiel vom Wald des Negev sprach, mußte das Land in jenen Tagen stärker bewachsen gewesen sein. Zu den größeren Ansiedlungen im Negev gehörten Arad, Kadesch-Barnea und Beerscheba. In dieser Weissagung gegen Juda sagte Hesekiel, daß Gott es durch Feuer (vermutlich ein "Feuer" des Gerichts, kein tatsächliches Feuer) verwüsten würde. Die Menschen sahen das, was Hesekiel tat, aber sie wollten es nicht verstehen. Hesekiel klagte es Gott gegenüber, daß die Menschen behaupteten, er würde nur in Rätseln reden , in unverständlichen Bildern. Er kündigte die Zerstörung Judas an, aber die Menschen waren durch seine Worte nur verwirrt. |
( 21,6 - 37 ) Da die Menschen sich weigerten, Hesekiels Botschaft des Feuers über das Südland zu verstehen (V. 1 - 5 ), erläuterte er in vier Botschaften die Bedeutung des Gleichnisses. In diesen Botschaften änderte Hesekiel das Wort "Feuer" in "Schwert" und den "Negev" in Juda und Jerusalem. (1) Das gezogene Schwert ( Hes 21,6-12 ) In dem Gleichnis (V. 1 - 5 ) hatte Hesekiel "nach Süden geblickt". Nun hieß Gott ihn, sein Angesicht gegen Jerusalem zu richten und gegen das Heiligtum zu predigen und gegen das Land Israel zu weissagen . Gottes Gericht würde über sein Land, seine heilige Stadt und seinen Wohnort ergehen. Gott sagte, daß er durch ein Schwert sowohl den Gerechten als auch den Gottlosen ausrotten würde. Dies scheint der früheren Botschaft Hesekiels zu widersprechen ( Hes 18,1-24 ), daß nur der Gottlose sterben, der Gerechte aber leben wird. Dies verwirrte die Übersetzer der Septuaginta dermaßen, daß sie aus den "Gerechten" die "Ungerechten" machten. Eine mögliche Lösung könnte sein, daß der "Gerechte" und der "Gottlose" aus der Sicht der Menschen verstanden wird. Soweit es die Menschen sagen konnten, machte das Gericht keine Unterschiede. Es traf sowohl solche, die öffentlich Götzendienst betrieben, als auch solche, die behaupteten, Gott nachzufolgen. In Gottes Augen jedoch wurden nur Gottlose bestraft, denn er hatte versprochen, jene zu retten, die wahrhaft gerecht waren. Eine andere Lösung ist, daß der Ausdruck "ausrotten" sich auf die Gefangenschaft bezieht, nicht auf den physischen Tod. Wie auch immer, jedenfalls unterstrich Hesekiel das Ausmaß des kommenden Gerichtes. Das Gericht würde sich vom Süden bis zum Norden erstrecken (was schon in V. 3 gesagt worden war). Falls irgend jemand das Bild des Waldbrandes nicht verstanden hatte, wiederholte Hesekiel noch einmal diesen Ausdruck, um deutlich zu machen, daß ganz Juda gerichtet werden würde. Wenn das Gericht käme, dann würden die Menschen wissen, daß der HERR sein Schwert gezogen hatte (vgl. V. 8 ). Auch wenn die Menschen die Bedeutung des Gleichnisses nicht verstehen wollten (V. 5 ), würden sie nicht mehr auf ihre Unwissenheit pochen können, wenn Gottes Gericht beginnen würde. |
Hesekiel erhielt den Auftrag, die Trauer zum Ausdruck zu bringen, die die Menschen empfinden würden, wenn Jerusalem fiele. Wenn er vor Kummer seufzte, würden ihn die Menschen fragen, was los sei. Er sollte ihnen dann antworten, daß er wegen der Botschaft, die kommen würde, so traurig sei. Die furchtbare Erkenntnis, daß ihr Land zerstört worden ist, würde sie innerlich verwüsten (vgl. Hes 7,17 ). Aber es würde ohne Zweifel so kommen. Es wird sicher geschehen, erklärte Gott, der HERR. |
(2) Das Schwert ist geschärft (
Hes 21,13-22 )
In der ersten Strophe war Gottes Schwert des Gerichts mit einem Wetzstein geschärft , damit es eine scharfe Schneide hatte, und poliert, so daß aller Rost davon verschwunden war und es blinkte und glänzte. So wie ein Soldat, der sich für den Kampf vorbereitet, hatte Gott seine Waffe bereit, damit sie ihre Aufgabe erfüllen könnte. Dieses Schwert würde kommen, weil Israel den Stock und jeden Rat verworfen hatte. Manche denken, der "Stock" würde von dem königlichen Zepter reden (vgl. 1Mo 49,9-10 ). Wenn das so ist, dann ist gemeint, daß die Menschen Gottes Androhung des Gerichts verworfen haben und sich statt dessen auf seine Zusage einer beständigen Folge von Herrschern für Juda gestützt haben. Aber diese Auslegung scheint der Stelle fremd zu sein. Vielleicht bezieht sich "Stock" vielmehr auf die Züchtigungen, mit denen Gott versucht hatte, Israels Sünde zu bändigen und das Volk zu ihm zurückzubringen. Ein Stock wurde oft zur Züchtigung benutzt (vgl. Spr 10,13;13,24;23,13 ), und auch Gott verwendete den Stock, um die Seinen zu erziehen (vgl. 1Sam 7,14; Hi 9,34;21,9 ). Israel hatte also Gottes frühere Bemühungen, es mit einem Stock zurechtzuweisen, verworfen. Deshalb benutzte er nun das Schwert. Wenn dies die korrekte Auslegung dieser Stelle ist, dann ist der Sohn in Hes 21,15 nicht Hesekiel, sondern Israel und sein König. |
Die zweite Strophe enthüllte den Opfern, gegen wen das Schwert gezogen worden war: gegen Gottes Volk und alle Fürsten Israels. Die Führer des Volkes hatten Gottes Rat und seine Züchtigung verworfen, so daß sie nun nur noch das Schwert zu erwarten hatten. Wegen der nun bevorstehenden massiven Vernichtung sagte Gott Hesekiel: schreie und heule . |
Die dritte Strophe sprach von der Aufgabe des Schwertes. Voll Hohn würden beide, der Prophet und Gott, ihre Hände zusammenschlagen (V. 19.22 ; vgl. Hes 6,11; 22,13 ). Das Schwert, wenn es sich schnell gegen Volk und Fürsten erheben würde, würde immer und immer wieder zuschlagen ( zweifach, ja dreifach ), so, als käme es von allen Seiten . Voller Furcht würden die Herzen der Menschen verzagen (vgl. Hes 21,12 ). Das Gericht würde sich nach allen Seiten wenden ( zur Rechten, dann zur Linken ) und die Menschen unabwendbar verfolgen. Es würde erst aufhören, wenn es vollendet war. |
(3) Das Schwert ist gegen Jerusalem gerichtet (
Hes 21,23-32 )
Gott sagte Hesekiel, daß er zwei Wege markieren sollte, die das Schwert des Königs von Babylon nehmen könnte. Als Jerusalem sich im Jahre 588 V. Chr. gegen Babylon auflehnte, war es eine von drei Städten oder Ländern, die die Freiheit suchten. Die anderen beiden waren Tyrus und Ammon. Nebukadnezar führte seine Truppen von Babylon aus nach Nordwesten, entlang des Euphrat. Als er nach Ribla (nördlich von Damaskus in Syrien) kam, mußte er sich entscheiden, welches Volk er zuerst angreifen sollte. Er konnte weiter westlich ziehen in Richtung Küste und Tyrus angreifen, oder auf einer der beiden "Straßen", die nach Juda und Ammon führten nach Süden gehen. Tyrus war die Stadt, die von allen dreien am schwierigsten zu erobern war (vgl. Hes 26; 29,17-20 ). Deshalb entschied sich Nebukadnezar, sie nicht als erste anzugreifen. Daher mußte er sich nun entschließen, entweder an der Küstenstraße nach Süden zu ziehen und Juda und Jerusalem anzugreifen oder die transjordanische Straße zu nehmen und gegen Ammon und Rabba vorzugehen. "Rabba" war die Hauptstadt von Ammon. Sie wird gewöhnlich mit der heutigen Stadt Amman in Jordanien identifiziert. Der Kriegsrat würde sich in Ribla treffen, an der Wegscheide , um zu entscheiden, welchen Weg sie nehmen sollten. Offenbar könnten Nebukadnezar und seine Generäle sich nicht einigen, und so riefen sie ihre Götter an. Nebukadnezar würde dabei drei Mittel benutzen, um das zukünftige Tun zu bestimmen: Er würde das Los mit Pfeilen werfen, seine Götzen anrufen und die Leber untersuchen. Das Werfen des Loses mit Pfeilen war vermutlich ähnlich dem heutigen Ziehen von Strohhalmen. Zwei Pfeile wurden in einen Köcher gesteckt. Auf jedem von ihnen stand der Name einer der Städte, die zur Debatte standen. Der Pfeil, der als erstes herausgezogen wurde, zeigte die Stadt, die auch als erstes angegriffen werden sollte. Bei der Befragung der "Götzen" ( t+rAPIm ) ging es um die jeweiligen Hausgötzen. Das genaue Vorgehen bei dieser Befragung ist nicht bekannt. Vielleicht wurden die Götzen benutzt, um auf diesem Wege mit den Geistern Verstorbener Kontakt aufzunehmen und ihren Rat zu suchen. Die Untersuchung der Leber schließlich war eine Form des Wahrsagens, auch als Hepatoskopie bezeichnet. Die Form und das Aussehen der Leber eines geopferten Tieres wurde von Wahrsagern untersucht, die darin sahen, ob ein vorgeschlagener Plan günstig war oder nicht. Diese Praktiken können aus sich selbst zu nichts führen. Aber Gott würde durch sie wirken, um sein Gericht zu erfüllen. In die rechte Hand Nebukadnezars würde das Los für Jerusalem fallen. Wenn Nebukadnezar das Los werfen, die Götzen befragen und die Leber untersuchen würde, dann würde Gott alle Zeichen so wenden, daß sie auf die Küstenstraße und in Richtung Jerusalem zeigten. Diesen Weg würde Nebukadnezar wählen. Die Herrscher von Juda hatten Treue gegen Babylon geschworen, aber ihren Eid durch die Rebellion gebrochen. Aber selbst wenn Nebukadnezar seine Belagerung um die Stadt herum aufrichtete, würden die Menschen sich weigern, an ein Gelingen dieser Eroberung zu glauben. Sie würden denken, daß seine Wahrsagung trügerisch gewesen sei und sein Vorhaben mißlingen müsse - aber sie würden sich irren. Da sie ihren Bund mit Nebukadnezar gebrochen hatten (vgl. Hes 17,11-21 ), würde er sie gefangennehmen. |
Gott verkündete nun das Gericht über die Menschen (V. 29 ) und den Fürsten (V. 30 - 32 ). Wegen ihrer offenen Rebellion würden die Menschen Jerusalems gefangengenommen werden. Sie fühlten sich in ihrer Stadt sicher, aber sie würden gewaltsam von ihr gerissen und in Ketten nach Babylon gezogen werden. Der unheilige und gottlose Fürst in Israel war König Zedekia. Weil er seinen Eid der Treue gegen Babylon gebrochen hatte, würde er abgesetzt werden. Zedekia würde seine Macht verlieren (sein Turban und seine Krone würden entfernt) und geblendet für den Rest seines Lebens in Babylon gefangengehalten werden ( 2Kö 25,4-7 ). Der einst so stolze König würde gedemütigt werden ( der Erhöhte wird erniedrigt werden ). Der Niedrige ("ärmste Mensch im Land"; 2Kö 25,12 ), der zurückbleiben dürfte, würde seinen Platz einnehmen und das Land für Babylon regieren. Das Recht, in Israel zu herrschen, würde von Zedekia genommen und das Land verwüstet werden. Dreimal benutzte Hesekiel das Wort Trümmer und zeigte so, daß Israels Thron völlig zerstört würde. Er würde nicht wieder aufgerichtet werden, bis der kommt, dem er rechtlich zusteht. Ihm wird er gegeben werden. Diese Weissagung erinnert an 1Mo 49,10 ,die von "dem Zepter" in dem Stamm Juda spricht. Die davidische Königslinie wird nicht wieder aufgerichtet werden, bis der gerechte, von Gott eingesetzte König kommt. Bis Christus nach Jerusalem einritt, um seine Herrschaft anzumelden, gab es keine berechtigten Ansprüche auf den Thron (vgl. Sach 9,9; Mt 21,1-11; Offb 19,11-16; Offb 20,4 ). Christus wird diese Weissagung Hesekiels erfüllen. Er wird der König Israels sein. |
(4) Das Schwert richtet sich gegen Ammon (
Hes 21,33-37 )
Das Schwert, das für Jerusalem poliert war ( Hes 21,14.16 ), würde auch Ammon erreichen. Die Ammoniter dachten, sie seien Nebukadnezars Gericht entkommen, aber sie würden bestraft werden. In Gottes Zorn und grimmiger Wut würde er Ammon an grausame Männer übergeben, Männer, die im Verderben erfahren waren . Diese Menschen werden in Hes 25,4 als "Menschen aus dem Osten" bezeichnet (vgl. die Anmerkungen zu Hi 1,3 ) - vielleicht eine Bezugnahme auf nomadische Angreifer. Das Feuer des Gerichts, das sich gegen Juda gewendet hatte (vgl. Hes 21,1-5 ), würde auch Ammon verzehren. |
( Hes 22 ) (1) Der Grund für das Gericht ( Hes 22,1-16 ) Gott fragte Hesekiel: Willst du sie richten? Willst du diese Stadt des Blutvergießens richten? Diese Frage ähnelt der vom Beginn dieses Abschnittes über die Sünde Jerusalems (vgl. Hes 20,4 ). Wenn Hesekiel als Ankläger oder Richter auftreten sollte, dann mußte er die Tatsachen der Anklage darstellen. Er mußte Jerusalem all seine schändlichen Taten zeigen. Gott gab Hesekiel zwei Anklagepunkte gegen die Stadt: Blutvergießen und Götzenmachen . Hesekiel sprach in dieser Botschaft siebenmal vom Blut oder Blutvergießen und machte so die ungeheure Gewalttätigkeit der Stadt deutlich (vgl. "Gewalt" in Hes 7,23; Hes 8,17; Hes 12,19 ). Diese beiden Sünden widersprachen den Anordnungen des mosaischen Gesetzes über das Verhältnis Israels zu Gott und den Mit-Israeliten (vgl. Mt 22,34-40 ). Statt Gott zu lieben, hatte es sich dem Götzendienst zugewandt. Statt der Liebe zu den Mit-Israeliten herrschte der Verrat. Jerusalems Sünde würde bestraft werden - das Ende seiner Jahre war gekommen . Wenn Jerusalem fiele, würden seine Nachbarn über es spotten. Der Stolz dieser ehrlosen Stadt würde sich in Scham verwandeln, wenn ihre Sünde vor anderen offenbar werden würde. |
Hesekiel erwähnte Sünden, die in besonderer Weise gegen die zehn Gebote verstoßen (vgl. 2Mo 20,1-17 ): soziale Ungerechtigkeit ( Hes 22,7 ), Abfall (V. 8 ), Götzendienst (V. 9 ), Unzucht (V. 10 - 11 ) und Habgier (V. 12 ). Diese Liste schloß mit einer anderen Sünde, der Wurzel aller anderen: Du hast mich vergessen (vgl. Hes 23,35 ). |
Gott würde seine Hände voller Verachtung gegen Jerusalem zusammenschlagen (vgl. Hes 6,11; Hes 21,19.22 ). Die stolzen und überheblichen Menschen, die Gottes Gebote leichtfertig übergingen, würden seinem Gericht nicht entkommen. Ihr Mut würde verschwinden, wenn Gott sie unter die Völker zerstreute . Mose hatte Israel gewarnt, daß der nationale Ungehorsam es schließlich in die Zerstreuung führen werde (vgl. 3Mo 26,27-39; 5Mo 28,64-68 ). Israel hatte Gottes Gesetz entweiht, nun wird es selbst in den Augen der Heiden entweiht werden. Nachdem das Volk zerstreut worden war, würde es das Wesen des Gottes verstehen, den es verhöhnt und vergessen hatte: Du wirst wissen, daß ich der HERR bin . |
(2) Die Werkzeuge des Gerichts (
Hes 22,17-22 )
Israel war für Gott wertlos geworden, denn es war Schlacke für ihn - wie die Schlacke von Kupfer, Zinn, Eisen und Blei, die in einem Schmelzofen bleibt . Das Behandeln von Metallen war im Nahen Osten jener Zeit bereits eine hochentwickelte Kunst (vgl. Hi 28,1-11 ). Wenn Metalle in einem Schmelzofen erhitzt werden, bleibt, nachdem das reine Metall ausgegossen worden ist, die Schlacke zurück. Für Gott war Israel wie Schlacke - wertlos geworden durch seine Sünde. |
Die Schlacke war das Nebenprodukt des Schmelzvorganges, Gott aber würde die Schlacke noch einmal schmelzen. So wie Metalle in einem Ofen geschmolzen werden, würde Gott die Menschen in der Stadt sammeln und sie schmelzen . Dieser Gedanke wird dreimal erwähnt (V. 20 - 22 ). Juda zog sich nach Jerusalem zurück, als Nebukadnezar das Land eroberte. Die Stadt wurde zum Schmelztiegel, als Gottes feuriger Sturm des Zornes und Gerichtes die Menschen traf. Gottes Gericht und Vernichtung zwang die Menschen, ihn anzuerkennen: Und du wirst erkennen, daß ich, der HERR, meinen Zorn über dich ausgegossen habe. |
(3) Die Empfänger des Gerichtes (
Hes 22,23-31 )
In Vers 24 folgen manche Übersetzungen der Septuaginta, die Regen statt "gereinigt" hat, da "Regen" besser zu " benetzen " paßt als "gereinigt". Es gibt jedoch keinen zwingenden Grund, hier nicht dem hebräischen "gereinigt" zu folgen. Wegen seines Ungehorsams hatte Israel keine Reinigung (von der Sünde) empfangen und keine Benetzung (Segen) an dem Tag, an dem Gott seinen Zorn schickte. |
Die Sünden seiner Fürsten (man könnte hier mit manchen Übersetzungen auch "Propheten" lesen) wurden zuerst erwähnt. Die "Fürsten" waren vermutlich die gesamte königliche Familie, einschließlich König Zedekia (vgl. Hes 12,10-12; 19,1; 21,30 ). Die Führer hatten ihre Macht benutzt, um sich selbst Vorteile zu verschaffen, und unter den Menschen wie ein Löwe gewütet (vgl. Hes 19,1-9 ). In ihrer Habsucht hatten sie Schätze und wertvolle Dinge genommen. Sie hatten gemordet und viele Frauen zu Witwen gemacht. Statt Vorbilder zu sein für die Menschen, waren die Führer korrupte Despoten gewesen. |
Die religiösen Führer waren nicht besser als die Fürsten. S eine Priester tun meinem Gesetz Gewalt an und entheiligen meine heiligen Dinge (vgl. Zeph 3,4 ). Sie unterwiesen das Volk nicht in den Wegen Gottes oder bekräftigten auch die Aussagen des Gesetzes nicht. Sie schlossen sogar ihre Augen vor dem Halten von Gottes Sabbaten (vgl. Hes 20,16.21.24 ). Indem sie Gottes Anweisungen verwarfen, ließen sie die Sünde unter dem Volk ungehindert wachsen. |
Die Propheten hätten eigentlich Gottes Sprecher sein sollen und dieses gottlose Tun anprangern. Aber auch die Propheten (einmal abgesehen von einzelnen wie Hesekiel oder Jeremia) ließen diese Sünden unbeachtet und gaben den Menschen falsche Gesichte und wahrsagten Lügen . Sie behaupteten, im Namen Gottes zu sprechen, wenn der HERR nicht gesprochen hatte . Schließlich sprach Hesekiel von dem Volk, dem gemeinen Mann, der dem Vorbild seiner Führer folgte. Auch die Bevölkerung war von Erpressung und Raub und von Unterdrückung der Armen durchsetzt (vgl. V. 25.27 ). Die Herrscher unterdrückten also das gemeine Volk und das gemeine Volk die Hilflosen. |
Die Korruption war so vollständig, daß Gott, als er nach einem Mann suchte, der sich gegen die Flut der nationalen Zerstörung stellen könnte ( die Mauer aufrichten und in den Riß treten), niemand finden konnte. Keiner von denen, die in Israel in einer verantwortlichen Stellung waren, hatte die moralischen Qualitäten, das Volk recht zu leiten. Offensichtlich besaß Jeremia diese Qualitäten, aber ihm fehlte die Autorität, das Volk von der Klippe der Zerstörung wegzuführen. Israels immer stärker werdender Zerfall machte das Gericht unabweichlich. Gott beschloß diese Botschaft gegen Jerusalem, indem er schwor, daß er seinen Zorn ausgießen und die Menschen mit seinem feurigen Grimm verschlingen würde (vgl. Hes 21,31 ). Israel würde wegen seiner Sünden leiden müssen. Es hatte sich gegen Gottes Gnade aufgelehnt, nun würde es Gottes Zorn zu spüren bekommen. |
( Hes 23 ) Hesekiel schilderte in einem weiteren Gleichnis die Untreue Israels und die Gewißheit seiner Bestrafung. Kapitel 23 scheint das Gleichnis in Kapitel 16 erneut aufzugreifen, da beide Kapitel von der Untreue Judas seinem Gott gegenüber sprechen. Aber in Kapitel 16 sprach Hesekiel stärker von dem Götzendienst Judas, während in Kapitel 23 die unrechten Allianzen Judas mit ausländischen Mächten, die zu dem Götzendienst hinzukommen, im Mittelpunkt standen. In Kapitel 16 vertraute Juda auf andere Götter, in Kapitel 23 auf andere Völker. (1) Der Ehebruch der Schwestern ( Hes 23,1-21 ) Hesekiel sprach von zwei Schwestern, die die gleiche moralische Schande trugen, denn sie wurden Huren in Ägypten, sie hurten schon in ihrer Jugend . Hesekiels Erwähnung von Ägypten sollte natürlich an die Ursprünge des Volkes Israel in Ägypten erinnern (vgl. Hes 20,4-12 ). |
Nachdem er ihr Wesen beschrieben hatte, gab Hesekiel ihnen Namen. Die ältere wurde Ohola genannt, und ihre Schwester war Oholiba . Diese Namen kommen von dem hebräischen Wort für "Zelt" ( ?Ohel ). Der erste Name bedeutet "ihr Zelt", der zweite "mein Zelt ist in ihr". Auch wenn man immer vorsichtig sein muß und den Einzelheiten eines Gleichnisses nicht zu viel Gewicht beimessen darf, haben diese Namen wohl eine Bedeutung. Das Wort "Zelt" meint einen Wohnort oder ein Heiligtum. Es wird oft benutzt, um Gottes Heiligtum unter den Israeliten (vgl. 2Mo 29,4.10-11.30 ) zu bezeichnen. Der Name Ohola ("ihr Zelt") könnte bedeuten, daß das Heiligtum dieser Schwester von ihr selbst gemacht worden ist. Der Name Oholiba ("mein Zelt ist in ihr") dagegen würde dann aussagen, daß Gottes Heiligtum in ihr ist. Ohola stellte Samaria dar, Oholiba war ein Bild für Jerusalem . Diese beiden "Schwestern", die Hauptstädte der Königreiche von Israel und Juda, standen für die Menschen in diesen beiden Reichen. Ich nahm sie zu Frauen, und sie gebaren Söhne und Töchter . Der Gott der Gnade verschwendete seine Liebe an diese unwürdigen Schwestern. |
Die Sünde von Ohola, der älteren Schwester, war sein (Samarias) Bündnis mit den Assyrern. Samarias Allianz mit Assyrien führte letztlich in seinen Untergang. Israels Beziehungen zu Assyrien sind gut dokumentiert. Der schwarze Obelisk des assyrischen Königs Salmanassar III. (ungefähr aus dem Jahr 841 V. Chr.) erwähnt "Jehu, Sohn des Omri" und stellt ihn dar, wie er sich vor dem assyrischen Monarchen verbeugt. Dies wird in der Bibel nicht erwähnt, ist aber vermutlich das Ergebnis der syrischen Bedrohung gegen Israel. Syrien dehnte seine Herrschaft in israelitisches Gebiet in Transjordanien hinein während der Regierungszeit von Jehu aus ( 2Kö 10,32-34 ). Um dieser Bedrohung begegnen zu können, verbündete sich Jehu mit Assyrien und unterwarf sich diesem als Vasall. Der Obelisk zeigt uns Jehu und seine Diener, wie sie dem assyrischen König Tribut bringen. Menahem und Hoschea, zwei spätere Könige Israels, bezahlten ebenfalls Tribut an Assyrien ( 2Kö 15,19-20; 17,3-4 ). Der Prophet Hosea (ca. 760 - 720 V. Chr.) tadelt Israel wegen seiner Abhängigkeit von Assyrien statt von dem Herrn (vgl. Hos 5,13-14; 7,11; 8,9; 12,2 ). Nachdem Israel ein Vasall Assyriens geworden war, konnte es sich nicht mehr selbst befreien. Als es schließlich versuchte, aus diesem Verhältnis zu entkommen, indem es ein Bündnis mit Syrien und Ägypten einging (vgl. 2Kö 17,4; Jes 7,1 ), bekam es Assyriens Zorn zu spüren. Eben jenes Volk, an das sich Samaria um Hilfe gewandt hatte, zerstörte es nun. Gott gab ganz Israel, auch Samaria, in die Hände seiner Liebhaber, der Assyrer, nach denen es es gelüstet hatte und die es mit dem Schwert töteten. Im Jahr 722 V. Chr. fiel Samaria den Assyrern in die Hände (vgl. 2Kö 17,5-6.18-20 ). |
Das Gericht der älteren Schwester Ohola (Samaria) hätte eigentlich eine Warnung für die jüngere Schwester Oholiba (Jerusalem) sein müssen. Leider aber hörte sie nicht auf die Warnung. Sie war vielmehr noch verdorbener als ihre Schwester. Jerusalem ging den unmoralischen Weg, den ihre Schwester ihr vorangegangen war: Auch sie entbrannte für die Assyrer . Juda schmeichelte sich bei Assyrien ein, statt sich auf Gott zu verlassen. Vielleicht dachte Hesekiel an den folgenschweren politischen Schachzug von König Ahas von Juda, der bereitwillig Juda zum Vasallen Assyriens machte. Israel und Syrien hatten sich verbündet, um gegen Assyrien vorzugehen, und sie wollten auch Juda in dieses Bündnis aufnehmen. Als Ahas jedoch ablehnte, griffen sie Juda in der Hoffnung an, Ahas vom Thron stoßen zu können und durch einen König zu ersetzen, der ihr Vorhaben unterstützen würde. Statt aber nun auf Gottes Rettung zu vertrauen (wozu der Prophet Jesaja ihn aufforderte), schickte Ahas Boten nach Assyrien mit der Bitte um Hilfe und Schutz. Dadurch wurde Juda für das nächste Jahrhundert zu einem Vasallenstaat von Assyrien (vgl. 2Kö 16,5-9; Jes 7 ). Aber Jerusalems politische Intrigen hörten hier nicht auf. Es hurte noch mehr . Nachdem es bei Assyrien Hilfe gesucht hatte, wandte sich Jerusalem an Babylon. Hesekiel beschrieb recht detailiert die Kleidung der babylonischen Soldaten, für die Jerusalem entbrannt war ( Hes 23,15 ). Jerusalem schickte Boten zu ihnen nach Chaldäa . Da kamen die Babylonier zu ihm, zu dem Bett der Liebe, und mit ihrer Lust verunreinigten sie es. Jerusalems Ruhepause vor der assyrischen Herrschaft war nur von kurzer Dauer. König Josia schuf ein Stück Unabhängigkeit, aber er wurde im Kampf getötet, als er versuchte, einen ägyptischen Einfall in sein Land zu verhindern (vgl. 2Kö 23,29-30 ). Juda wurde vier Jahre lang zum Vasallenstaat Ägyptens. Vermutlich während dieser Zeit nahm König Jojakim Kontakt mit Babylon auf und bat um Hilfe. Als Babylon die Ägypter 605 V. Chr. bei Karkemisch besiegte, wechselte Jojakim das Bündnis und wurde zum Vasall Nebukadnezars ( 2Kö 24,1 ). Aber als Babylon kam, stellte Jerusalem fest, daß die Liebhaber, für die es entbrannt war, grausam waren. Nachdem es durch sie verunreinigt war, wandte es sich voller Ekel von ihnen ab . Babylon war ein schlimmerer Zuchtmeister als Assyrien oder Ägypten, und Jerusalem versuchte, der babylonischen Herrschaft zu entkommen. Als sich Jerusalem von Babylon abwandte, wandte sich auch Gott von Jerusalem ab. Jerusalem blieb in den Wegen ihrer Schwester und war sogar noch schlimmer in ihrer Untreue als Samaria. Gott hatte Samaria wegen ihrer Taten verworfen. Nun verwarf er Jerusalem. |
Jerusalems Untreue brachte es um den einzig wirklichen Schutz, den es jemals gehabt hatte. Aber statt von ihren Sünden umzukehren, suchte die Stadt weitere menschliche Hilfe und wurde so mehr und mehr ehebrecherisch . Der Teufelskreis der Sünde brachte sie zurück zu eben jenem Volk, mit dem sie sich anfänglich verunreinigt hatte und das sie einstmals versklavt hatte - Ägypten (V. 3.19. 21 |