Über den Verfasser des Buches Micha ist wenig bekannt. Sein Name, eine Kurzform von Michaja, bedeutet "Wer ist wie Jahwe?". Zur Zeit Jeremias beriefen sich die Ältesten des Landes auf Micha und führten seine Prophezeiung ( Mi 3,12 ) als Rechtfertigung für Jeremias Botschaft vom Gericht über das ganze Volk Israel an ( Jer 26,18 ). Micha stammte aus Moreschet ( Mi 1,1 ; vgl. Mi 1,14 ), einer judäischen Stadt, die etwa 40 km südwestlich von Jerusalem in Judas fruchtbaren Vorgebirgen lag - unweit der Philisterstadt Gat und in der Nähe von Lachisch, einem wichtigen internationalen Handelszentrum (vgl. die Karte "Israel und die umliegenden Völker in den Tagen der Propheten" vor Jes). Wie sein Zeitgenosse Jesaja sagte auch Micha die Zerstörung des Nordreiches durch die Assyrer und die spätere Vernichtung des Südreiches durch die Babylonier voraus. Er lebte im 8. Jahrhundert v. Chr., in der Regierungszeit Jotams, Ahas' und Hiskias ( Mi 1,1 ; vgl. die Karte "Könige von Juda und Israel und Propheten der vorexilischen Zeit", bei 1Kö 12 ). |
Das Buch enthält drei Botschaften ( Mi 1,2-2,13; 3-5; 6-7 ), die alle mit der Ermahnung "Höret" oder "Höret doch" (was der Herr den Völkern zu sagen hat) beginnen. Obwohl Micha von der kommenden Zerstörung des Nordreiches, Israel, sprach, galt seine Botschaft im Grunde dem Volk des Südreiches, Juda. Denn seine drei Botschaften zeigen, daß Juda ebenso schuldig war wie Israel und deshalb gleichfalls Gottes Strafe zu erwarten hatte. Die Richtschnur für Gottes Urteil im Buch Micha war (wie in allen prophetischen Schriften) der mosaische Bund, den der Herr mit seinem Volk schloß, als er es aus Ägypten führte. Von den Menschen wurde erwartet, daß sie sich an die bei der Bundesschließung getroffenen Abmachungen hielten. Wenn sie das taten, wollte Gott sie segnen ( 5Mo 28,1-14 ), andernfalls würde er sie richten und vielleicht aus dem Land, das er ihnen verheißen hatte, vertreiben ( 5Mo 28,15-68 ). Micha zeigte die Vergehen des Volkes gegen die Gebote des Bundes auf. Er verkündete das unmittelbare Bevorstehen der Strafe. In Wirklichkeit war diese Strafe jedoch ein Zeichen dafür, daß Gott sich um sein Volk sorgte und es wiederherstellen wollte. Trotz des großen Nachdrucks, den alle drei Botschaften Michas auf das kommende Gericht legten, sprach der Prophet deshalb auch von der Wiederherstellung. Immer wieder ist von den "Übriggebliebenen" die Rede ( Mi 2,12; 5,6-7; 7,18 ). Micha vertraute darauf, daß der Herr dem Volk Israel eines Tages, unter der Herrschaft des Messias, eine hervorragende Bedeutung in der Welt verleihen und es wiederherstellen wird. Diese Hoffnung war sicherlich eine Quelle der Ermutigung für das Häuflein Gerechter, das zu seiner Zeit lebte. Wie viele Teile der prophetischen Bücher ist auch das Buch Micha in poetischer Form, nicht in Prosa, geschrieben. Die meisten seiner Aussagen bilden Parallelismen (Näheres zum Parallelismus in dem Abschnitt "Wesen der Psalmen", der Einführung in das Buchder Psalmen). Das Buch enthält außerdem mehrere Wortspiele (vgl. den Kommentar zu Mi 1,10-15 ) und bohrende Fragen. Im Neuen Testament wird Micha zweimal zitiert ( Mi 5,1 in Mt 2,5-6 und Mt 7,6 in Mt 10,35-36 ). Der Prophet gab Geburtsort, Stammbaum und Herkunft des Messias an ( Mi 5,3 ), beschrieb seine Herrschaft ( Mi 4,1-7 ) und bezeichnete ihn als König ( Mi 2,13 ) und Herrscher ( Mi 5,1 ) Israels. |
I. Die erste Botschaft: Das kommende Gericht ( Kap.1-2 ) A. Einführung ( 1,1 ) B. Vorhersage des kommenden Gericht ( 1,2-7 ) C. Klage über die Menschen ( 1,8-16 ) 1. Michas Klage ( 1,8-9 ) 2. Michas Aufforderung zur Trauer ( 1,10-16 ) D. Judas Sünden ( 2,1-11 ) 1. Die Sünden des Volkes ( 2,1-5 ) 2. Die Sünden der falschen Propheten ( 2,6-11 ) E. Vorhersage der künftigen Sammlung ( 2,12-13 ) II. Die zweite Botschaft: Das auf das Gericht folgende Heil ( Kap. 3-5 ) A. Das Gericht über die führenden Männer des Volkes ( Kap. 3 ) 1. Das Gericht über die Führer ( 3,1-4 ) 2. Das Gericht über die falschen Propheten ( 3,5-8 ) 3. Das Gericht über die irregeleiteten Führer ( 3,9-12 ) B. Das kommene Reich Gottes ( Kap.4-5 ) 1. Das Aussehen des Gottesreiches ( 4,1-8 ) 2. Die dem Gottesreich vorangehenden Ereignisse ( 4,9-14 ) 3. Der Herrscher des Reiches ( 5,1-14 ) III. Die dritte Botschaft: Anprangerung der Sünden und Verheißung kommene Heils ( Kap.6-7 ) A. Die Anklage des Herrn ( 6,1-5 ) B. Die Antwort Michas für das Volk ( 6,6-8 ) C. Das Gericht des Herrn aufgrund der Sünde ( 6,9-16 ) 1. Die Sünden ( 6,9-12 ) 2. Die Strafe ( 6,13-16 ) D. Michas Fürsprache vor dem Herrn ( Kap.7 ) 1. Michas Klage über die Svndes des Volkes ( 7,1-6 ) 2. Michas vertrauen auf den Herrn ( 7,7-13 ) 3. Michas Bitte, Gott möge seinem Volk wieder ein Hirte sein ( 7,14 ) 4. Die Verheißung des Herrn, sein Volk Wunder sehen zu lassen ( 7,15-17 ) 5. Michas Bekenntnis der Einzigartigkeit Gottes ( 7,18-20 ) |
( Mi 1-2 ) Micha prophezeite Gottes Gericht über Israel und Juda und die schließliche Wiedereinsetzung des Volkes in seine vorstehende Stellung und seinen Wohlstand. Der Prophet stützte sich dabei auf die Verheißungen, die Gott vor ihm anderen Verfassern des Alten Testaments gegeben hatte. Gott hatte Abraham viele Nachkommen verheißen, die in Palästina wohnen würden ( 1Mo 12,2; 15,18-21; 17,1-8.16.19-20 ). Durch Mose versprach er den Menschen, daß sie sich in diesem Land großer Segnungen erfreuen würden ( 5Mo 30,1-10 ). David schließlich verkündete er das ewige Fortbestehenseiner Nachkommenschaft und seines Thrones ( 1Sam 7,11 b. 12-16 ). Auch in den Schriften der großen und kleinen Propheten finden wir immer wieder die tröstende Botschaft, daß Gott das Volk am Ende segnen wird, wie er es versprochen hat. Jesaja, ein Zeitgenosse Michas, sprach ebenfalls vom Heil und von der Wiederherstellung des Volkes (vgl. z. B. Jes 65-66 ). Das in den prophetischen Büchern immer wiederkehrende Thema des Gerichts läßt sich bis ins 5. Buch Mose, Kapitel 27 - 28 , zurückverfolgen, wo berichtet wird, wie Mose die Menschen vor dem Betreten des verheißenen Landes, in dem ihnen viele Gefahren drohten, warnte. Die vorangegangene Generation (bis auf Kaleb und Josua) war in der Wüste gestorben, weil sie Gottes Befehl, das Land in Besitz zu nehmen, nicht befolgt hatte. Mose stellte die neue Generation vor die Wahl, dem Bund zu folgen, den Gott mit dem Volk geschlossen hatte, dann sollte es unbehelligt in seinem Land leben und zu Wohlstand kommen ( 5Mo 28,1-14 ) - oder sich diesem Bund zu verweigern, dann sollte es der Fluch der Unfruchtbarkeit (von Menschen, Vieh und Getreide) treffen, und es sollte schließlich aus dem verheißenen Land verbannt werden. Von diesem Zeitpunkt an handelt ein Großteil der erzählenden und prophetischen Schriften des Alten Testaments von Israels Unvermögen, nach den beim Bundesschluß empfangenen Geboten Gottes zu leben. Micha richtete sich dabei wie Amos vor allem gegen die sozialen Vergehen des Volkes (vgl. z. B. Mi 2,1.8-9; 3,11; 6,11 ). ( 1,1 ) Der Eröffnungsvers enthält gleich zahlreiche wichtige Informationen zum Verständnis des Textes. Zum einen bezeichnete Micha die Botschaft seines Buches als das Wort des HERRN . Diese bei vielen Propheten zu findende Wendung ist im Lichte der vorliegenden Offenbarung oder des vorliegenden "Wortes" des Herrn an sein Volk sehr bedeutsam. Gott wollte, daß Israel auf der Grundlage seines Wortes zu vernünftigen Entschlüssen und Handlungen gelangte. Die Religion Israels stand in direktem Gegensatz zu den zeitgenössischen heidnischen Fruchtbarkeitskulten, in denen die sinnliche Erfahrung die höchste Form religiösen Ausdrucks war. Zweitens gab der Prophet an, daß er aus Moreschet (Moreschet-Gat in V. 14 ; vielleicht das moderne Tell Judaiyideh) stamme. Diese Stadt lag etwa 40 km südwestlich von Jerusalem, ihre genaue Lage ist jedoch umstritten. Drittens verkündete Micha seine Prophezeiung zur Zeit des Jotam, Ahas und Hiskia . Seine Botschaft galt beiden Königreichen, er nannte allerdings nur die drei Könige von Juda, da die Könige des Nordreiches nicht von David abstammten. Nach den Daten dieser drei Könige fiel Michas Wirken in die Jahre zwischen 750 und 686. Die Forscher gehen jedoch meist davon aus, daß sein Amt in der Anfangszeit der Regierung Hiskias (vielleicht vor 700 v. Chr.) endete. Viertens gibt das Buch Micha das wieder, was der Prophet über Samaria , die Hauptstadt des Nordreiches (Israel), und Jerusalem , die Hauptstadt des Südreiches (Juda), geschaut hatte . Das hebräische Wort für "Vision" vermittelt die Vorstellung, daß Gott Micha den Text eingab und der Prophet ihn geistig und spirituell vor sich "sah". Die beiden Städte stehen offensichtlich für die zwölf Stämme des Volkes. Der Prophet brachte die Gottlosigkeit, die im Volk überhandnahm, offen zur Sprache und verurteilte sie. Hatte sich das Nordreich bereits seit langer Zeit von dem durch Mose besiegelten Bund mit Gott abgewandt, so hatte diese Haltung mittlerweile auch von den Menschen im Südreich Besitz ergriffen, und sie handelten wie ihre Brüder und Schwestern im Norden. |
( 1,2 - 7 ) Die Verse 2-7 bilden den Hintergrund für das gesamte Buch. Nachdem Aufruf an die Menschheit, Gottes Anklage gegen sein Bundesvolk zu hören ( Höret, alle Völker ; V. 2 ), sprach der Prophet von den Folgen der Strafe Gottes (V. 3 - 4 ), von der Ursache für das Gericht (V. 5 ) und von dessen Unvermeidlichkeit (V. 6-7 ). In der Art eines kosmischen Gerichtshofes lud Micha alle Völker der Erde auf die "Geschworenenbank", um zu hören, was Gott als Zeuge über die Sünden seines Volkes zu sagen hatte. Nach Ansicht des Propheten würde jeder, der dazu seine Stimme abgeben durfte, das Gericht Gottes für gerecht halten. Micha nannte Gott den HERRN ( ?XDOnAy ) und Gott ( Jahwe ). In der letzten Zeile von Vers 2 gebraucht er nochmals das Wort Herr ( ?XDOnAy ) und in Mi 4,13 findet sich im Hebräischen die Kurzform ?ADNn . (Zu dem Titel "Gott der Herr" vgl. den Kommentar zu Hes 2,4 .) Nach den Worten des Propheten wollte der Herr aus seinem heiligen Tempel kommen. Natürlich wohnte Gott nicht in diesem Tempel; nicht einmal die ganze Schöpfung könnte ihn umfassen ( 1Kö 8,27 ). Seine Wohnung ( Mi 1,3 ) ist im Himmel ( 2Chr 6,21.30.33.39 ). Dennoch hatte Gott sich entschlossen, in der Stiftshütte und später im Tempel - auf dem "Sitz der Gnade" über der Bundeslade - gegenwärtig zu sein. In der Lade lagen zwei Tafeln, auf denen die Zehn Gebote, ein Teil des Wortes Gottes, aufgezeichnet waren. Wie bereits erläutert wurde, waren die Israeliten gehalten, im Einklang mit dem mosaischen Bund zu leben, dessen Zentrum Opfersystem und Tempel bildeten. Wenn also vom Herrn gesagt wird, er komme "aus seinem heiligen Tempel", um als Zeuge gegen sein Volk aufzutreten, so ist damit gemeint, daß Gott das Volk auf der Grundlage des mosaischen Bundes, der ihm jedes Recht dazu einräumte, richten wollte. |
Der Prophet forderte die Menschen auf, Gott, der aus dem Himmel, seiner Wohnung (vgl. den Kommentar zu V. 2 ), zum Gericht kommt , zu suchen. Er schilderte, wie Gott auf den Höhen der Erde (den Bergen; vgl. V. 4 ) wandelt. In seiner Majestät ist er wie ein Riese, der von einem Berggipfel zum anderen schreitet. Gott kann tun, was er will, ohne daß ihn irgend jemand aufhalten kann. Wenn er auf die Berge tritt, schmelzen sie unter ihm, wie Wachs vor dem Feuer zerschmilzt oder wie die Wasser, die unaufhaltsam talwärts stürzen . Selbst die Täler spalten sich , zerstört von Gottes schrecklicher Macht. Die "Höhen" in Vers 3 lassen sich - mit etwas Spitzfindigkeit - mit heidnischen Höhenheiligtümern in Verbindung bringen (vgl. den Kommentar zu V. 5 ). |
Der Grund für das Gericht besteht in Jakobs Übertretung und in den Sünden des Hauses Israel . Der Name "Jakob" wird im Buch Micha insgesamt elfmal erwähnt. Neunmal bezieht er sich auf das ganze Volk Israel (in der ersten Frage in V. 5 steht Jakob für das Nordreich; in Mi 7,20 ist der Patriarch Jakob gemeint). In Mi 1,5 a. 2,12; 3,1.8-9 sind "Jakob" und "Israel" synonym gebraucht. Die Wörter " Übertretung " und "Sünde(n) " finden sich viermal im Text ( Mi 1,5; 3,8; 6,7; 7,18 ). Die Sünden der Einwohner von Samaria , der Hauptstadt Israels, und Jerusalem , der Hauptstadt Judas, stehen für die Sünden beider Völker. Die beiden Hauptstädte waren offensichtlich negative Vorbilder für das ganze übrige Land, denn im städtischen Umfeld wurden die schlimmsten Sünden begangen. Der Begriff " Opferhöhe " bezeichnet einen Ort auf einem Berg oder einer Anhöhe, an dem die Menschen Gott anbeteten (z. B. 2Chr 33,17 ) oder Götzen verehrten. Die heidnischen Völker in Israel errichteten ihre Heiligtümer häufig auf Hügeln (vielleicht deshalb, weil sie sich ihren Göttern dort näher glaubten). Bevor David das Hauptheiligtum nach Jerusalem verlegte, beteten auch die Israeliten an Altären, die im ganzen Land verstreut waren, zu ihrem Herrn. Nachdem dann der Tempel erbaut worden war, wurde von den Gläubigen erwartet, daß sie nach Jerusalem kamen, um Gott zu verehren. Viele gaben jedoch, angezogen von den nahegelegenen heidnischen Höhenheiligtümern, den Gottesdienst für den Herrn zugunsten heidnischer Kulte auf. Das kam selbst in Jerusalem vor. Kein Wunder also, daß Micha Jerusalem sarkastisch die "Opferhöhen Judas" nannte. Die Einwohner der Stadt gehorchten Gott in ihren äußeren Gebräuchen ebensowenig wie innerlich. |
Gottes Gericht sollte zuerst über das Nordreich (V. 6 - 7 ), dann aber auch über das Südreich (V. 9 - 16 ) hereinbrechen. Die Hauptstadt des Nordens, Samaria , sollte völlig - bis auf den Grund - zerstört werden. (Ihre Ruinen können noch heute besichtigt werden.) Sie sollte ein Steinhaufen (vgl. Mi 3,12 ) oder ein Feld für Weinberge , aber keine dichtbevölkerte Stadt mehr sein. Diese Prophezeiung erfüllte sich, als die Assyrer Samaria im Jahre 722 v. Chr. nach dreijähriger Belagerung einnahmen ( 2Kö 17,1-6 ). Die Zeit vor dem Untergang der Stadt war durch politische Intrigen und Morde gekennzeichnet (vgl. den Kommentar zu 2Kö 15,8-31 ). Der größte Teil der Bevölkerung Samarias und des Nordreiches wurde verschleppt, und andere Völker, die sich mit den Übriggebliebenen vermischten, wurden im Lande angesiedelt (vgl. 2Kö 17,6.22-24 ). |
Dem Treiben Samarias mit seinem üppig blühenden Götzendienst (und seinen zahllosen Götzen und Götzenbildern ) sollte nach den Worten des Herrn durch die totale Zerstörung der Stadt ein Ende gemacht werden. Samarias Götzen sollten zerbrochen, der Hurenlohn verbrannt und die Götzenbilder zerstört werden. Im Baalskult, einer heidnischen Fruchtbarkeitsreligion, gab es "heilige", dem Kult heidnischer Fruchtbarkeitsgottheiten vorbehaltene Prostituierte. Den Hurenlohn, den die Tempeldirnen erhielten, übergaben sie als "Weihegaben" dem Tempel, eine Praxis, die anscheinend auch in Samaria Fuß gefaßt hatte. Diese verbotene Sexualität ist dabei gleichzeitig ein Bild für die unerlaubte Abkehr des Nordreiches von seinem feierlich besiegelten Bund mit dem Herrn. Die Israeliten waren durch einen "Ehevertrag" an Gott gebunden, und der Abfall zu anderen Göttern war gleichbedeutend mit religiösem Ehebruch (vgl. den Kommentar zu Hos 10-15 ). Da Israel Ehebruch mit Tempeldirnen begangen hatte, sollten seine Weihegaben von den Assyrern zerbrochen oder wieder als Geschenke für ihre Tempeldirnen verwendet werden. Als Gefangene der Assyrer sollten die Israeliten dann gezwungen sein, weiterhin in ehebrecherischen Verhältnissen zu leben. Sie hatten sich andere Götter erwählt, daher würde Gott sie in Länder verbannen, in denen man fremde Götter verehrte - und ihnen damit geben, was sie so offensichtlich begehrten. |
( 1,8 - 16 ) Micha wollte die Zerstörung Samarias beklagen (V. 8 - 9 ) und forderte mehrere Städte Judas mit klug gewählten Wortspielen auf, ebenfalls um Samaria, aber auch um sich selbst zu weinen, da auch sie die Last der assyrischen Invasion zu spüren bekommen sollten. ( 1,8 - 9 ) Micha war bis ins Innerste über die dem Nordreich drohende Strafe erschüttert. Klagen und heulen, barfuß und bloß dahergehen waren Zeichen tiefster Trauer ( 1Sam 15,30; Jes 20,2; 22,12; Jer 25,34 ). Der Prophet identifizierte sich mit den Menschen; er fühlte sich so verlassen wie die Schakale (nachtaktive Aasfresser) oder die Strauße (in anderen Übersetzungen: "die Eulen"), die an öden Plätzen leben. Für Micha war diese Strafe, gegen die man so wenig ausrichten konnte wie gegen eine unheilbare Wunde , so greifbar, als wäre sie schon eingetreten. Dabei hatten die Sünden des Nordreiches so großen Einfluß auf Juda gewonnen, daß die Plage (Gottes Gericht) auch über das Südreich kommen sollte (vgl. Jes 1,5-6 ). Ja, das Gericht sollte sogar des Volkes Tor, Jerusalem , erreichen. Das geschah auch - im Jahre 701 v. Chr., als Sanheribs assyrisches Heer 46 Städte in Juda zerstörte und schließlich Jerusalem belagerte ( 2Kö18-19 ). |
( 1,10 - 16 ) In mehreren Wortspielen beschrieb Micha die Zerstörung der judäischen Städte durch die assyrische Invasion (vgl. die Karte "Israel und die umliegenden Völker in den Tagen der Propheten" vor Jes). Interessanterweise verwendete auch Sanherib in dem Bericht über seine Eroberungen solche Wortspiele. Die Aufforderung, Verkündet's ja nicht in Gat , erinnert an 2Sam 1,20 ,wo David fast dieselben Worte gebraucht. David wollte damals nicht, daß die Philister über den Tod Sauls, des ehemaligen Herrschers Israels, triumphierten. In Michas Fall ging es darum, den Einwohnern von Gat den assyrischen Angriff auf Juda zu verheimlichen; Gat sollte nicht weinen , denn dann würden andere von der Verwüstung erfahren. "Gat" ( gaT ) und "verkündet's" ( taggIDU ) klingen im Hebräischen, weil sie beide die Buchstaben "g" und "t" enthalten, ähnlich. Die Menschen in Bet-Leafra ("Haus von Staub") forderte Micha dagegen auf, sich im Staube zu wälzen und so ihrem Kummer Ausdruck zu verleihen (vgl. Jer 25,34 ; vgl. auch "wälze dich im Staube", Jer 6,26; Hes 27,30 ). |
Schafir ("schön" oder "angenehm") sollte beim Angriff der Assyrer zum Gegenteil dessen werden, was sein Name bedeutet - eine geschändete Stadt. Die Worte " Zaanan " ( Qa?XnAn ) und " ausziehen " ( yaQ?Ch ) sind im Hebräischen miteinander verwandt; im Gegensatz zum Namen ihrer Stadt sollten sich die Zaananiter des Krieges wegen jedoch nicht mehr aus ihrer Stadt herauswagen. Niemand sollte in Bet Ezel ("Haus der Nähe oder Nachbarschaft", d. h. des Schutzes) lagern, denn die Stadt selbst würde leiden müssen und des Beistands bedürfen. In Marot (das im Hebräischen wie das Wort für "Bitterkeit" klingt) sollten die Menschen sich vor Schmerz krümmen und sich nicht zu trösten vermögen, während sie auf Hilfe aus Jerusalem warteten. Doch es sollte keine Hilfe kommen, da die Zerstörung immer weitergehen und bis an die Tore Jerusalems vordringen würde (vgl. V. 9 ). |
Die Bürger der Stadt Lachisch ( lAKIS ), deren Name an die Bezeichnung für ein Gespann ( reKeS ; Lachisch war berühmt für seine Pferde) erinnert, forderte Micha sarkastisch auf, Rosse anzuspannen und den Assyrern davonzufahren . Ihr Fluchtversuch sollte allerdings vergeblich sein. Von Lachisch heißt es außerdem, es sei der Anfang zur Sünde für die Einwohner Jerusalems gewesen ( die Tochter Zion ; vgl. den Kommentar zu Mi 3,10; 4,8; Kl 1,6 ; "Zion" kommt neunmal bei Micha vor - vgl. den Kommentar zu Sach 8,3 ). Das bedeutet vielleicht, daß Lachisch Jerusalem zum Götzendienst verführt hatte. |
Moreschet-Gat sollte sich scheiden müssen , wörtlich "Abschiedsgeschenke erhalten", vielleicht von Jerusalem, falls die Anrede "Du" sich auf diese Stadt bezieht. "Abschiedsgeschenke" sind Brautgeschenke, wie sie ein Vater seiner Tochter gibt, wenn sie heiratet. Ebenso sollte Jerusalem Moreschet-Gat dem König von Assyrien geben. Die Stadt Achsib ( ?aKzIB , "Betrug, Enttäuschung") sollte nach ihrer Eroberung durch die Assyrer zum Trug werden ( ?aKzAB ) und den Königen von Israel nicht beistehen können. |
Einen rechten Erben (auch mit "Eroberer" übersetzt) - ein Hinweis auf Sanherib - wird Gott über Morescha , eine weitere jüdische Stadt, einsetzen. Die beiden hebräischen Worte ("Erbe" - " hayyOrES ", und "Marescha" - " mArESCh ") haben eine gewisse Ähnlichkeit. Ironischerweise sollte Marescha - das heißt Besitzer - nun selbst zum Besitz Sanheribs werden. Wie einst David nach Adullam geflohen war ( 1Sam 22,1 ), so sollte auch die Herrlichkeit Israels - wahrscheinlich die Anführer - auf ihrer beschämenden Flucht nach Adullam verschlagen werden. |
Selbst die Kinder der zerstörten judäischen Städte sollten von den Assyrern verschleppt werden, was die Menschen im ganzen Land in große Trauer stürzen würde. Zu den Zeichen der Trauer gehörte unter anderem auch das Abscheren der Haare (vgl. Hi 1,20; Jes 15,2; Hes 27,31; Am 8,10 ); daher die Anspielung auf die kahlen Geier. |
( 2,1 - 11 ) Alle Sünden Judas, von denen in den folgenden Versen die Rede ist, stellten Verletzungen des mosaischen Bundes dar. Deshalb war die Zerstörung, die das Volk ereilen sollte (vgl. Mi 1,9-16 ), letztlich gerechtfertigt. ( 2,1 - 5 ) Viele Menschen, so kritisierte der Prophet Micha, lagen nachts wach und hingen bösen Gedanken nach, die sie am nächsten Tag in die Tat umsetzen wollten. Ihnen kündigte er Unheil (" Weh denen ") an. Den Begriff "weh(e)" finden wir auch bei mehreren anderen Propheten im Zusammenhang mit der Ankündigung des Gerichtes über die sündigen Menschen (vgl. z. B. Jes 3,9.11; 5,8.11.18.20-22; Jer 13,27; Hes 13,3.18; Hos 7,13; 9,12; Am 5,18; 6,1; Hab 2,6.9.12.15.19; Zeph 2,5; 3,1 ). |
In ihrem krassen Materialismus begehrten die Menschen Äcker und Häuser , die anderen gehörten, und rissen sie an sich, wie sie's gelüstete . Sie trieben Gewalt mit anderen und stahlen ihnen ihr Haus und ihr Erbe (d. h. ihr Land). Dieser Vorwurf Michas richtete sich wahrscheinlich gegen einflußreiche Leute, die die Macht zu solchen zweifelhaften Manövern hatten. Ihre Sünde bestand nicht nur in ihrer Habgier und ihrer Neigung zum Diebstahl, sondern auch in ihrer böswilligen Mißachtung der Rechte ihrer Mitmenschen. Die Vorfahren der Judäer, zu denen Micha sprach, waren allesamt Sklaven in Ägypten gewesen. Mit der Herausführung aus Ägypten hatte der Herr sie aus dieser Knechtschaft befreit. Schon allein aus diesem Grund sollten sich die Israeliten nicht gegenseitig versklaven. Da Gott jedem Stamm und jeder Familie einen bestimmten Anteil am Land zugewiesen hatte, sollten die Menschen einander auch nicht berauben. Anderen ihren materiellen Besitz zu nehmen, stellte eine Mißachtung der Gebote Gottes dar. Weil die Israeliten aber genau das taten, ersann der Herr wider dies Geschlecht Böses (vgl. Mi 1,12 ). Niemand von ihnen sollte sich vor dem Gericht Gottes retten können, denn der schlimmen Zeit, die damit beginnen sollte, konnte keiner Einhalt gebieten (vgl. Mi 1,3-4 ). Der Stolz des Volkes sollte der Erniedrigung weichen. |
In ihrer Hilflosigkeit (V. 3 ) sollten die Menschen auch noch verhöhnt werden. Die Klagen der Beraubten, die um den Verlust ihrer Äcker trauerten, sollten von den Feinden zu einem Spottlied auf Juda umgedichtet werden. Den Judäern, die anderen Land genommen hatten (vgl. V. 2 ), sollte ebenfalls ihr Land genommen werden. Es würde niemand mehr geben, der ihnen wieder Land zuteilen könnte, denn ihr ganzes Staatswesen sollte zerstört sein. Mit der Gemeinde des HERRN war das Bundesvolk als ganzes gemeint (vgl. 5Mo 23,2.9 ). |
( 2,6 - 11 ) Zu vielen Zeiten wirkten im Israel des Alten Testaments sowohl gute (wahre) als auch böse (falsche) Propheten. Die wahren Propheten sprachen im Auftrag Gottes zum Volk und hielten die Menschen zur Befolgung der moralischen und sozialen Gebote des mosaischen Gesetzes an. Die falschen Propheten dagegen verkündeten oft, Gott werde den Menschen nichts tun, solange sie die äußeren, zeremoniellen Seiten des Gesetzes beachteten. Wahre Propheten drängten das Volk zur Einhaltung des in 5Mo 27-28 umrissenen Bundes. Ihre Botschaften hatten stets eine stark ethische Dimension und waren sogar häufiger ethischer als eschatologischer Natur. Der noch in der Zukunft liegende Friede und Wohlstand des Volkes (verheißen im Bund mit Abraham; vgl. 1Mo 17,3-8; 22,17-18 ) wird nur kommen, wenn es zum Herrn umkehrt und sich von seinem Wort leiten läßt. Im Gegensatz zu den wahren Propheten sagten die falschen nur das, was die Menschen hören wollten: Gott stehe auf der Seite seines Volkes und werde es nicht zugrunde gehen lassen. Das war natürlich nur teilweise richtig. Gott war immer auf seiten Israels, doch er hatte auch gesagt, daß er das Volk bestrafen werde, wenn es ihm nicht gehorchte. Anscheinend waren die falschen Propheten empört, weil Micha das kommende Unheil verkündete (V. 3 - 5 ), und ermahnten ihn mit Nachdruck, nicht vom Zorn des nahenden Gerichts zu predigen . Sie fragten mit naiver Unbekümmertheit, ob der Herr jemals seinem Volk zürnen könne, und bezweifelten, daß Gott solches tun wolle . Sie vergaßen dabei, daß ein Vater seine Kinder gerade, weil er sie liebt, manchmal bestraft. Wäre Gott in seiner Bestrafung nicht konsequent, so würde er seinem eigenen Wort untreu. |
Micha beantwortete die Einwände der falschen Propheten mit einer Beschreibung der damaligen Zustände im Volk von Juda. Er erinnerte sie zunächst daran, daß Gottes Reden den Frommen freundlich sind. Gott beurteilt das Verhalten der Menschen genau und segnet die, deren Wandel rechtschaffen ist. Dadurch, daß sie Frieden statt Zerstörung weissagten, machten die falschen Propheten das Volk Gottes letztlich zum Feind des Propheten. Sie raubten denjenigen, die arglos daherkamen, ihre persönlichen Besitztümer ( Rock und Mantel ). Sie zerstörten Familien, indem sie Mütter aus ihren Häusern vertrieben. Da die falschen Propheten die Menschen nicht aufforderten, ihre Sünden zu bereuen und sich wieder zum Herrn zu bekehren, nahmen sie ihnen die einzige Möglichkeit, sich vor den einfallenden Assyrern zu retten. Durch diese Unterlassung trieben sie Israel in die Gefangenschaft. |
Nicht zuletzt aufgrund der Irrlehre dieser falschen Propheten wurde das Land unrettbar verunreinigt. Daher sollten die Menschen verbannt werden. Sarkastisch befahl Micha den Menschen, davon , d. h. ins Exil, zu gehen (vgl. Amos' Sarkasmus in Am 4,4-5 ). Doch ihre Moralbegriffe waren so verkommen, daß sie bereitwillig den Lügenpredigern glaubten, die ihnen trügerischerweise nicht das Exil, sondern weiteren Wohlstand und Wein im Überfluß vorhersagten. |
( 2,12 - 13 ) Trotz der düsteren Zukunftsaussichten Judas sprach der Prophet Micha immer wieder von einem Hoffnungsstrahl, der von den Verheißungen Gottes an Abraham bei der Bundesschließung ausgeht. Jeder der drei größeren Abschnitte in Michas Prophezeiung enthält auch das Versprechen der künftigen Sammlung und Segnung des Volkes ( Mi 2,12-13; 4,1-8; 7,8-20 ). Hier in Kapitel 2 finden wir nur eine relativ kurze Heilsankündigung. Die beiden in den Versen 12.13 ausgesprochenen Verheißungen werden aber an späterer Stelle, in den Kap. 4 - 5 , breiter ausgeführt. Die erste lautet, daß der Herr sein Volk als sein Hüter wieder sammeln und erneuern wird ( Mi 2,12-13 a), und die zweite enthält Gottes Versprechen, seinem Volk als König voranzugehen (V. 13 b). Jakob und Israel sind hier Synonyme für die ganze Nation (vgl. den Kommentar zu Mi 1,5 ). Wenn Gott den gläubigen Rest Israels wieder in sein Land führt, wird er wie ein Hirte sein, der seine Herde führt (vgl. Mi 5,3; 7,14 ). Sie werden so zahlreich sein, daß das Land von Menschen dröhnen soll . Die Menschen werden wie Schafe sein, die zu ihrem sicheren Schutz in einen festen Stall gebracht werden. (Das Alte Testament bezeichnet Gott häufig als Hirten und Israel als Schafe oder Herde; vgl. Ps 23,1; 77,21; 78,52; 80,2; 100,3; Jes 40,11 ; vgl. auch Jer 23,3; 31,10 .) Diese langersehnte Zeit des Heils für Israel wird im Tausendjährigen Reich anbrechen. Nach Ansicht mancher Exegeten ist die Segensverheißung bereits jetzt, in der Kirche, erfüllt - nicht erst in Israels Zukunft. Wenn Mi 2,12 sich jedoch tatsächlich auf die geistliche Segnung der Kirche bezieht, dann ging Israel all die Jahrhunderte seit Abraham in die Irre mit seinem Glauben, es werde das Land für immer erhalten. Wie ein Hirte den Weg für seine Schafe freimacht, vor ihnen herzieht und sie durch das Tor auf die Weide führt, so wird der Herr alle Hindernisse für das Heil seines Volkes Israel durchbrechen. |
Der Herr wird dann seinem Volk als König vorangehen (vgl. Jes 33,22; Zeph 3,15; Sach 14,9 ). Er wird es nicht verlassen, sondern als sein Herr vor ihm her an der Spitze gehen. Die falschen Propheten hatten also auch bis zu einem gewissen Grade recht, wenn sie sagten, der Herr sei auf der Seite seines Bundesvolkes. Gott wird die Verheißungen erfüllen, die er Israel gegeben hat, denn er liebt sein Volk wie ein guter König. |
( Mi 3-5 ) In seiner ersten Botschaft ( Mi 1-2 ) betonte Micha die Sünden Israels und Judas und das Unvermögen des Volkes, mit Gottes gerechten Forderungen in seinem Leben ernstzumachen. Lediglich in zwei Versen ( Mi 2,12-13 ) ist von Gottes künftigen Segnungen für sein Volk die Rede. In der zweiten Botschaft ist das Gewicht anders verteilt. Zwei der drei Kapitel ( Mi 4-5 ) beschreiben den Segen, den Gott über Israel und Juda bringen wird. ( Kapitel 3 zählt die Sünden der führenden Männer in Israel und Juda im einzelnen auf.) Wie immer in der Bibel werden Gottes Pläne für die Zukunft nicht einfach bekannt gemacht, um die Menschen darüber zu unterrichten, was geschehen wird, sondern das Hauptziel der Verkündigung ist, sie dazu zu bewegen, ihr Leben im Sinne der Pläne Gottes zu ändern. So sollte die Verheißung des kommenden Heils ( Mi 4-5 ) das Volk - und vor allem seine Führer - zur reuigen und dankbaren Umkehr zu Gott veranlassen. ( Mi 3 ) ( 3,1 - 4 ) Die Häupter und Herren (vgl. V. 9 ) des Volkes ließen die Gerechtigkeit verkommen und handelten wie wilde Tiere. (Zu Jakob und Israel als Synonyme für die zwölf Stämme des Volkes vgl. den Kommentar zu Mi 1,5 .) Sie hätten diejenigen sein sollen, die das Recht kennen und danach handeln. Statt dessen haßten sie das Gute und liebten das Arge . Damit taten sie das Gegenteil dessen, was von einem Anführer erwartet wird (vgl. Am 5,15 ). Ihre falschen Maßstäbe (vgl. Mi 3,9 ) zeigten, daß sie den Herrn nicht liebten (vgl. Ps 97,10 ) und nicht fürchteten ("Die Furcht des Herrn haßt das Arge"; Spr 8,13 ). |
Micha verglich die ungerechten Führer mit Jägern, die Gottes Volk, das ihrer Fürsorge anvertraut war, töteten und aufaßen (es also übermäßig ausnutzten). Ihre Grausamkeit war so groß, daß sie sich nicht damit begnügten, den Menschen die Haut abzuziehen und ihr Fleisch zu essen. Siezerlegten sogar ihre Knochen, als ob sie sie zum Kochen vorbereiteten. Durch ungerechte gesetzliche Maßnahmen, durch Bestechung (vgl. V. 11 ; Mi 7,3 ), Diebstahl (vgl. Mi 2,8 ), Unterdrückung (vgl. Mi 3,9 ), ja sogar durch Blutvergießen (vgl. V. 10 ; Mi 7,2 ) trieben sie das Volk in die Abhängigkeit. Treue Herren dagegen sollten ihre Pflegebefohlenen schützen und für ihr Wohlergehen sorgen. David, der Inbegriff eines guten Herrschers in Gottes Augen, wurde als Schafhirte ( 1Sam 17,15 ) von der Weide geholt, um zum Hüter seines Volkes zu werden ( 1Sam 5,2; 1Sam 7,8 ). In Michas Tagen dagegen wurde das Volk von seinen Herren betrogen, denn wenn ihnen die Menschen wirklich am Herzen gelegen hätten, hätten sie sie zum Herrn zurückgebracht. |
Wegen der Sünden Israels sollte eine Zeit kommen, in der die Menschen zum HERRN schreien, er sie jedoch nicht erhören würde (vgl. V. 7 ). Micha sprach hier von der Zeit der Verschleppung Israels in die Gefangenschaft. Die falschen Propheten und Führer wollten nicht glauben, daß der Herr konsequent sein und ihr Verhalten tatsächlich bestrafen würde. Wenn sie die Gefangenschaft vor Augen hatten, sollte es ihnen zwar klar werden, doch dann würde es zu spät sein. Sie würden mit den Folgen ihrer Taten leben und die Strafe auf sich nehmen müssen. Natürlich hört Gott die Gebete seines Volkes, doch manchmal weigert er sich, ihm sofort aus dem Unglück, das es sich durch seine eigenen Handlungen zugezogen hat, herauszuhelfen. |
( 3,5 - 8 ) Statt Hirten des Volkes zu sein, für es zu sorgen und es richtig zu führen, trachteten die falschen Propheten danach, die Menschen zu verführen . Sie weckten in ihnen falsche Hoffnungen, indem sie ihnen erzählten, Gott werde sie nicht strafen und es werde kein Unheil kommen. Wenn sie gut bezahlt wurden ( wenn man ihnen zu fressen gibt ), verkündigten sie Frieden. Sie predigten also jedem für sein Geld das, was er gern hören wollte (vgl. V. 11 ). Wer ihnen jedoch nichts gab, dem widersetzten sie sich (dem predigen sie, es werde ein Krieg kommen). Sie kümmerten sich mehr um ihr eigenes Wohlergehen als um das Wohl des Volkes; ihr Gott war der Mammon (vgl. V. 11 ). |
Die falschen Propheten, die das Volk nicht den richtigen Weg führten und es in materieller Hinsicht ausnutzten, sollten beschämt und erniedrigt werden. Nacht sollte über sie kommen, die Sonne sollte über ihnen untergehen und sogar der Tag über ihnen finster werden . Das Hereinbrechen der Nacht ist ein Bild des Untergangs. Wenn die Verwüstung kam, würden diese Propheten ohne Gesichte und ohne Wahrsagung sein. Sie rieten den Menschen immer wieder, in ihrem gewohnten Treiben fortzufahren, in dem Glauben, daß Gott sein Volk ganz sicher nicht richten werde. Doch jäh und unvermittelt würde das Gericht über sie hereinbrechen. Dann würden die Menschen die Propheten fragen, warum es komme, und sie würden es nicht erklären können. Die Seher (das Wort entspricht im Hebräischen dem Wort "Gesichte" in V. 6 ) sollten völlig zuschanden werden (vgl. Sach 13,4 ). Die Wahrsager (entspricht im Hebräischen dem Wort "Wahrsagung" in Mi 3,6 ; zum hebräischen " qAsam ", "wahrsagen", vgl. den Kommentar zu 5Mo 18,10 ) sollten zu Spott werden (vgl. Mi 2,6 ). Sie würden ihren Bart verhüllen müssen, weil kein Gotteswort dasein würde (vgl. Mi 3,4 ). Dann würden die Menschen endlich einsehen, daß sie keine wahren Propheten waren. Wenn Gott sein Angesicht verbarg (V. 4 ), würden auch die falschen Hirten ihre Gesichter verhüllen müssen! Der wahre Prophet Micha dagegen wies das Volk und seine Führer auf das drohende Gericht hin, so daß sie ihre Irrtümer einsehen und sich zu Gott bekehren konnten. Er warnte die Menschen vor dem kommenden Verhängnis, in der Hoffnung, daß sie sich änderten. |
Im Gegensatz zu den führenden Männern (V. 1 - 4 ) und den falschen Propheten (V. 5 - 7 ), die nicht Gottes Botschaft verkündeten, sprach Micha voll Kraft und mit der Autorität des Geistes des HERRN , wenn er die Sünden der Menschen verurteilte und das Gericht prophezeite. Seine Worte waren voll Recht, wie Gott gerecht ist in seinem Gericht über sein Bundesvolk. Sie waren voll Stärke , weil Gott durchaus in der Lage ist, seinen Richterspruch wahr zu machen. Die Führer dagegen handelten ungerecht (vgl. V. 9 - 10 ), und ihre Propheten besaßen keinerlei geistliche Vollmacht. Micha sprach von der Übertretung und der Sünde (vgl. Mi 1,5; 6,7; 7,18 ) des Volkes (zu Jakob und Israel als Synoyme vgl. Mi 3,1.9 ; als Synonyme für das ganze Volk vgl. den Kommentar zu Mi 1,5 ). Er konnte das, was im Volk vorging, aus der Perspektive Gottes sehen. Weil die Menschen ihr Leben nicht an den Gesetzen seines Bundes ausrichteten, würde Gott sie bestrafen müssen. |
( 3,9 - 12 ) Micha - erfüllt vom Geist des Herrn (V. 8 ) - konfrontierte die führenden Männer des Volkes unerschrocken mit ihren Sünden und deren möglichen Folgen. Zunächst forderte er die Häupter und Herren (vgl. V. 1 ) auf, ihm Gehör zu schenken ( So höret doch dies ). Ob sie tatsächlich auf ihn hörten oder ihm antworteten, wird nicht gesagt, doch anscheinend taten sie es nicht, denn aus dem Text läßt sich nicht entnehmen, daß sie sich grundlegend änderten. Dann beschrieb Micha ihre Führerschaft (V. 9 b. 10-11 ). Sie "verabscheuten" ( tAZaB , ein starkes Wort, das "vor etwas Abscheu haben" oder "für einen Greuel halten" bedeutet) das Recht (V. 1 - 3 ) und machten alles, was gerade ist , krumm ( AZqaS , "verdreht"). Natürlich wurde von einem Herrscher über Gottes Volk erwartet, daß er gerecht und unparteiisch war, wie Gott selbst. Er sollte in seinem eigenen Leben wie auch im Leben der ihm anvertrauten Menschen nach Gerechtigkeit streben. Statt dessen pervertierten diese schändlichen Führer vorsätzlich jegliche Aufrichtigkeit. Ja, sie waren sogar Anstifter und Beteiligte bei Blutvergießen und Unrecht in Jerusalem , der Stadt, in der Recht und Gerechtigkeit herrschen sollten. Zion (vgl. den Kommentar zu Mi 1,13 ) und Jerusalem werden bei Micha viermal synonym gebraucht ( Mi 3,10.12; 4,2.8 ). Die Häupter, Priester und Propheten waren nach den Worten Michas für Geld käuflich (vgl. Mi 7,3 ) und besaßen dennoch die Kühnheit zu behaupten, daß Gott noch immer mit ihnen sei und dem Volk daher nichts geschehen werde (vgl. Mi 2,6 ). ( Wahrsagen heißt hebräisch qAsam ; vgl. Mi 3,6-7 und den Kommentar zu 5Mo 18,10 .) Dabei verletzte die Annahme von Bestechungsgeldern Gottes Gebot im 5Mo 16,19 . |
Um euretwillen , d. h. um der Führer willen, würde deshalb das Volk vernichtet werden. Das bedeutete nicht, daß die Menschen unschuldig waren und nur die Führer sündigten. Wahrscheinlich hatten die "Häupter" des Volkes die Menschen zur Sünde verleitet, und nun war das ganze Volk vor Gott schuldig geworden. Zion ( Jerusalem ; vgl. Mi 3,10; 4,2.8 ) würde wie ein Acker gepflügt werden , um und um gekehrt und tief gefurcht durch seine Niederlage. Nur noch Ruinen ( Steinhaufen ; vgl. V. 16 ) sollten übrigbleiben. Selbst der Berg des Tempels würde zu einer Höhe wilden Gestrüpps werden. |
( Mi 4-5 ) In diesen Kapiteln ist vom Gottesreich die Rede, dessen Kommen auch fast alle anderen Propheten angekündigt haben. Micha schilderte sein Aussehen ( Mi 4,1-8 ) und beschrieb die Ereignisse, die seinem Kommen vorangehen werden ( Mi 4,9-13 ), und den König, der es errichten wird ( Mi 5,1-14 ). ( 4,1 - 8 ) Die Verse in Mi 4,1-3 haben Ähnlichkeit mit Jes 2,2-4 .Insgesamt werden in 4,1 - 8 elf besondere Merkmale des künftigen Gottesreiches genannt. ( 4,1 a) Die Worte in den letzten Tagen bezeichnen die Zeit, da Gott alle Ereignisse der Geschichte zur Vollendung bringen wird (vgl. z. B. 5Mo 4,30 ,"in künftigen Zeiten"; Hes 38,16 ,"am Ende der Zeit"; Hos 3,5 ). Gewöhnlich bezieht sich die Wendung "in den letzten Tagen" auf die Drangsal vor dem Gericht und auf das Tausendjährige Reich (im Alten Testament steht das Wort "Königreich" häufig für das Tausendjährige Reich). Micha sagte nicht, wann diese letzten Tage kommen würden, denn Israel sollte eigentlich alle Tage auf die Vollendung der Zeiten gefaßt sein. Der Berg, darauf des HERRN Haus ist - der Berg Zion, auf dem der Tempel des Tausendjährigen Reiches errichtet werden soll (vgl. Hes 40-43 ) -, wird höher als alle Berge und über die Hügel erhaben sein (vgl. Sach 8,3 ). Somit wird der Tempelberg das Zentrum des Tausendjährigen Reiches sein, der Ort, von dem aus Christus herrschen wird. Diese Tatsache steht in scharfem Kontrast zu dem verwüsteten Zustand Jerusalems, wie er in Mi 3,12 beschrieben ist. Das religiöse und das politische System werden in dem zukünftigen Reich eng miteinander verwoben sein. Schon seit der Zeit Moses bestand in Israel ein enger Zusammenhang zwischen Staat und Religion. Der König wurde von Gott gesalbt, um das Volk zu regieren, und auch die Priester wurden für ihr Amt gesalbt. Im Tausendjährigen Reich aber wird Israels politisch-religiöses System, regiert von dem Messias-König, die Welt beherrschen. Es wird höher als alle Berge und über die Hügel erhaben sein. Gottes Vorsatz, die Welt durch Israel zu segnen ( 1Mo 12,3 ), ist durch die Sünden des Volkes nicht aufgehoben worden. Am Ende wird Israel alle anderen Völker überragen. |
( 4,1 b) Im Tausendjährigen Reich werden die Menschen überall auf der Welt erkennen, welch einzigartige Stellung Israel in Gottes Plan einnimmt. Sie werden es nicht länger für ein kleines, unbedeutendes Volk halten, sondern es wird große Anziehungskraft besitzen. Viele Völker werden nach Jerusalem (vgl. V. 2 ; Mi 7,12 ) und zu seinem Tempel herzulaufen . Das Wort "herzulaufen" kann auch - wie z. B. in der ökumenischen Einheitsübersetzung mit "strömen" wiedergegeben werden und ist möglicherweise eine bewußte Anspielung auf die Ströme, die vom heiligen Berg ausgehen und die Erde tränken werden ( Ps 46,5 ; vgl. auch Ps 65,10; Jes 33,21; Hes 47; Joe 4,18 ); "in umgekehrter Richtung setzt ein Strom von Menschen zum Zentrum hin ein" (James Luther Mays, Micah: A Commentary, S. 96 - 97). |
( 4,2 a) Die Ausdrücke " zum Berge des HERRN " (vgl. "der Berg, darauf des Herrn Haus ist"; V. 1 ) und " zum Hause... Gottes " beziehen sich beide auf den Tempelkomplex. Menschen aus vielen Völkern werden nach Jerusalem gehen (vgl. V. 1 ; Mi 7,12 ), daß Gott sie seine Wege lehre und sie in seinen Pfaden wandeln . In diesem zukünftigen Reich werden sogar die geretteten Heiden die Wege des Herrn kennenlernen wollen, während Israel selbst zur Zeit Michas keinerlei Neigung zeigte, Gott zu gehorchen. Eine harte Zurechtweisung für Michas Zeitgenossen steckt in dieser Aussage! |
( 4,2 b) Vers 2 b steht in engem Zusammenhang mit dem oben Gesagten. Weisung ( tNrCh , "Lehre", nicht das mosaische Gesetz) wird in Zion (d. i. Jerusalem ; vgl. Mi 3,10.12; 4,8 ) ergehen, und des HERRN Wort (d. i. die Offenbarung seiner selbst und seines Willens) wird gelehrt werden. Da Gott der König des Reiches sein wird (V. 3 ), wird sein Wort natürlich von dem Ort seiner Herrschaft ausgehen. |
( 4,3 a) Dereinst werden viele Heiden und sogar große Völker ihre Streitigkeiten vor den Herrn bringen. Sie werden sich Gottes Urteil unterwerfen in der Einsicht, daß er entscheidet, was richtig ist und wer recht hat. Michas Leser nahmen Anstoß an Gottes Wort. Sie wollten sich weder von ihm noch von seinem Propheten sagen lassen, daß sie im Unrecht waren. Am Ende der Zeiten dagegen wird sich die ganze Welt willig dem Wort Gottes und seinem Ratschluß beugen. |
( 4,3 b) Alle Waffen ( Schwerter und Spieße ) werden zu landwirtschaftlichen Geräten ( Pflugscharen und Sicheln ) umgeschmiedet werden. Es wird nicht mehr nötig sein, daß die Menschen das Kriegführen lernen , denn die Völker werden in Frieden leben. Das Tausendjährige Reich ist die Welt, nach der die Menschen sich sehnen, eine Zeit, in der die Reichtümer der Erde dem Aufbau statt der Zerstörung dienen. Gerechtigkeit und Rechtschaffenheit werden nicht mehr verachtet sein, sondern belohnt werden. |
( 4,4 ) Ein Bild der Sicherheit ist die Aussage, daß ein jeder unter seinem Weinstock und Feigenbaum wohnen werde (vgl. 1Kö 5,5; Sach 3,10 ). Niemand wird um diese Sicherheit fürchten, denn der Mund des HERRN Zebaoth hat's geredet (vgl. Ob 1,18 ). Die falschen Propheten, die zur Zeit Michas in Israel wirkten, sagten denjenigen, die den Preis dafür zahlen konnten, Frieden voraus ( Mi 3,5 ). Micha jedoch machte deutlich, daß der einzige Weg zu Frieden und Sicherheit darin liegt, sich Gott vertrauensvoll zu unterwerfen. |
( 4,5 ) Der Ausspruch, " Ein jedes Volk wandelt im Namen seines Gottes ", bezieht sich auf die heidnischen Völker zu Michas Zeit. Es können hier nicht die Völker des künftigen Tausendjährigen Reiches gemeint sein, von denen Micha in Vers 2.3 ja sagte, daß sie nach Jerusalem gehen werden, um sich in der Lehre des Herrn unterweisen zu lassen. Auch wenn die heidnischen Völker Götzen anbeten, so wird doch Israel ( wir ) im Tausendjährigen Reich im Namen des HERRN wandeln (vgl. "wandeln" in V. 2 ) - mit anderen Worten, es wird Gottes Gesetzen folgen und sie halten. |
( 4,6 ) Zur selben Zeit (d. h. zu Beginn des Tausendjährigen Reiches; vgl. V. 1 ,"In den letzten Tagen"; Mi 5,9 "Zur selben Zeit") wird der HERR die Verstoßenen zusammenbringen , die aus dem Land verbannt worden waren. Micha wußte nicht, wann es zu dieser erneuten Sammlung des Volkes kommen würde. Vielleicht ging er davon aus, daß das Friedensreich bereits nach dem Babylonischen Exil, das nun kommen sollte, beginnen würde. Aus später verfaßten Büchern des Alten Testaments wird jedoch deutlich, daß Gottes Tausendjähriges Reich nicht mit der Rückkehr aus dem Babylonischen Exil einsetzte (vgl. Esra, Nehemia, Ester, Haggai, Sacharja und Maleachi). Für Micha stand in jedem Falle fest, daß die jüdischen Verbannten, die geplagt worden waren, in diesem Königreich wieder zusammengeführt würden. In der Drangsal vor dem Gericht werden die Juden verfolgt ( Dan 7,25-26 ) und zerstreut (vgl. Sach 14,5 ) werden, doch bei der Rückkehr Christi wird Gott sie wieder sammeln ( Mt 24,31 ). |
( 4,7 ) Im Gegensatz zu Israels geistlicher und moralischer Schwäche zu Michas Zeit (die Menschen werden als geistlich lahm bezeichnet; vgl. Zeph 3,19 ) und im Gegensatz zur Verstoßung des Volkes ins Exil wird der zurückgekehrte Rest der Verstoßenen (vgl. Jes 37,32; Mi 2,12; 5,7-8; Mi 7,18; Röm 9,27; 11,5 ) zu einem großen Volk werden (vgl. "große Völker" in Mi 4,3 ). Der HERR wird König über sie sein (vgl. Mi 5,1; Zeph 3,15 ) auf dem Berge Zion (Jerusalem) von nun an bis in Ewigkeit (vgl. Ps 146,10; Lk 1,33; Offb 11,15 ). |
( 4,8 ) Mit der elften Charakterisierung des Tausendjährigen Reiches kehrte Micha zu dem Gedanken von Vers 1 zurück, zur überragenden Bedeutung Jerusalems als Zentrum der Herrschaft Gottes. Er bezeichnete die künftigen Bewohner der Stadt als Turm der Herde . Wie ein Hirte seine Schafe oder ein Bauer seine Feldfrüchte von einem Turm aus überwacht, so wird Jerusalem über das Volk wachen. ("Herde" bezieht sich auf Israel in Jes 40,11; Jer 13,17.20; Mi 5,3; Sach 10,3 ). Tochter Zion (vgl. Mi 4,10.13 ) und Tochter Jerusalem beziehen sich auf die Einwohner der Stadt (vgl. Jes 1,8; Jer 4,31; Kl 1,6; 2,13; Mi 1,13; Sach 9,9 ). Jerusalems Herrschaft wird wiederkehren , weil der Messias selbst vom Zion aus regieren wird. Das Volk wird nicht länger unter der Herrschaft anderer stehen, denn die "Zeiten der Heiden" ( Lk 21,24 ) werden vorüber sein. |
( 4,9 - 14 ) Micha sprach nun von vier Ereignissen, die vor der Errichtung des Tausendjährigen Reiches stattfinden würden. ( 4,9 - 10 a) Wie eine Frau in den Wehen würde Israel bei seiner Verschleppung ins Exil in Angst und Schmerz (vgl. Jer 4,31; 6,24; 13,21; 22,23; 30,6; 49,24; 50,43 ) laut schreien ( rUaZ , "wehklagen"; vgl. Jes 15,4 ). Es würde keinen König und keine Ratgeber mehr haben. Die gefangen aus ihrer Heimat weggeführten Juden würden stöhnen wie eine Frau in Kindsnöten . (Zu Tochter Zion vgl. den Kommentar zu Mi 1,13; 4,8 .) Ebenso wie eine Gebärende wären sie ihrem Schmerz hilflos ausgeliefert und könnten nichts tun, um ihn zu lindern. Sie würden diese Erfahrung durchstehen müssen. Auf dem Zug aus der Heimat sollten die Gefangenen gezwungen sein, auf dem Felde zu wohnen . Die Vorhersage, daß sie nach Babel verschleppt würden, muß für die Menschen zu Michas Zeit sehr überraschend geklungen haben, denn damals war Babylon noch kein besonders mächtiges Reich und weit weniger bedeutend als Assyrien. |
( Mi 4,10 b) Israel würde jedoch von dem Gott des Bundes, dem sein Volk am Herzen lag, errettet und erlöst werden. Das Exil war nicht nur als Strafe gedacht, sondern sollte auch der Läuterung des Volkes und seiner Ermutigung zu einem gottgefälligen Leben dienen. Andererseits hatte Gott ja angekündigt, daß er die Israeliten aus dem Land verbannen werde, wenn sie ihm nicht gehorchten, und die Gefangenschaft würde lediglich die Einlösung dieser Ankündigung sein. In gewissem Sinn sollte das Exil also Gottes Integrität unter Beweis stellen. |
( 4,11 - 13 ) Der Prophet sagte, daß viele Heiden (V. 11 a) bzw. viele Völker (V. 13 ) sich wider Jerusalem verbünden und versuchen würden, es zu erobern. Sie würden die Stadt schänden und zerstören, ohne etwas von den Plänen ( Gedanken ) des Herrn zu ahnen, der sie selbst vernichten wollte. Sie würden niedergemacht wie Garben beim Dreschen auf der Tenne (vgl. Jes 21,10; Jer 51,33; Hos 13,3 ). Micha machte keine Angaben darüber, wann diese kriegerische Auseinandersetzung stattfinden würde. Vielleicht spielte sie sich bereits zu Michas Lebzeiten ab, denn Israel hatte mit Sicherheit viele Feinde. Doch selbst wenn Mi 4,11 sich auf Michas Zeit beziehen sollte, so scheinen die Verse 12-13 in jedem Fall auf ein noch in der Zukunft liegendes Ereignis vorauszuweisen, bei dem andere Völker, die sich gegen Jerusalem zusammengerottet haben, vernichtet werden. Die Tochter Zion , d. h. die Einwohner Jerusalems (vgl. den Kommentar zu V. 8 ), wird diese Völker dreschen und zermalmen (vgl. Sach 14,12-15 ), und der Herr wird auf Israels Seite gegen sie kämpfen ( Sach 14,3 ). Diese Schlacht - die Schlacht von Harmagedon ( Offb 16,16 ; vgl. Offb 19,19 ) - wird stattfinden, wenn der Messias-König zurückkehrt, um sein Königreich zu errichten. Was Israel in der Schlacht erbeutet, wird es dem Herrn weihen (vgl. den Kommentar zu Jos 6,17 ). Ihn nannte Micha zu Recht den Herrscher der ganzen Welt (vgl. Ps 97,5; Sach 4,14; 6,5 ). |
( 4,14 ) Der Prophet wandte sich nun offensichtlich einer näherliegenden Zukunft zu, und zwar der Eroberung Judas durch Babylon. Micha forderte das Volk auf, seine Truppen zu ordnen, obwohl alle Verteidigungsbemühungen gegen Nebukadnezars Belagerung natürlich vergeblich wären. (Das hier verwendete hebräische Wort für "belagern" steht im Alten Testament nur im Zusammenhang mit der Belagerung Jerusalems durch Nebukadnezar; 2Kö 24,10; 25,2; Jer 52,5; Hes 4,3.7; 5,2 ). Micha nannte den Herrscher Israels nicht beim Namen; er sagte lediglich, daß man ihn mit der Rute auf die Backe schlagen würde. (Jemanden auf die Wange zu schlagen, bedeutete Erniedrigung; vgl. 1Kö 22,24; Hi 16,10; Kl 3,30 .) Manche Forscher ordnen diese Passage einer viel späteren Zeit zu und glauben, daß es sich bei diesem Herrscher um Christus handle, weil Christus auf das Haupt ( Mt 27,30; Mk 15,19 ) und ins Gesicht ( Joh 19,3 ) geschlagen wurde und weil Mi 5,1 sich ausdrücklich auf ihn bezieht. Mehrere andere Faktoren sprechen jedoch eher dafür, daß der judäische König Zedekia gemeint ist. Erstens bezieht sich der erste Teil von Vers 14 offenbar auf die Belagerung Jerusalems durch die Babylonier. Zweitens wird der Herrscher Israels hier und im hebräischen Urtext als Richter ( SOPEF ) bezeichnet, während das hebräische Wort in Mi 5,1 ,wo ganz eindeutig von Christus die Rede ist, mOSEl lautet. ( SOPEF bildet ein interessantes Wortspiel mit dem ähnlich klingenden Wort für "Rute", SEBeF .) Drittens wurde Christus nicht von feindlichen Truppen während einer Belagerung geschlagen und verhöhnt, im Gegensatz zu Zedekia, der von Nebukadnezar gefangengenommen und gefoltert wurde ( 2Kö 25,1-7 ). Viertens scheint das hebräische Wort für "Aber nun" in 4,14 eher auf ein unmittelbar bevorstehendes Ereignis als auf eine weit entfernte Zukunft hinzudeuten. Ihm folgt in den Versen 5.1 - 6 dann eine Anspielung auf die spätere Zeit. Das gleiche Schema von gegenwärtiger Krise und zukünftiger Errettung zeigt sich auch in Mi 4,11-13 ,wo in Vers 11 die Gegenwart mit den Worten "Nun aber" eingeführt wird und die Verse 12 und 13 sich auf die fernere Zukunft beziehen. |
( 5,1 - 14 ) Im folgenden werden die Geburt des künftigen Herrschers (V. 1 ) und sein Wirken für das Volk (V. 2 - 14 ) beschrieben. ( 5,1 ) Der Aufbau dieses Verses weist einige Ähnlichkeit mit Mi 4,8 auf. In beiden Versen wird eine Stadt personifiziert und mit du angeredet; in beiden finden wir die Worte wird kommen bzw. soll kommen ; und in beiden wird in ähnlichen hebräischen Worten von der schließlichen Erlösung Israels gesprochen (in der Übersetzung steht in Mi 4,8 "Herrschaft" und in Mi 5,1 " HERR "). Der "Herr", Christus, würde aus Bethlehem Efrata , einem etwa 7,5 km von Jerusalem entfernt gelegenen Städtchen, hervorgehen. Efrata, auch Efrat genannt ( 1Mo 35,16.19; 48,7 ), war der ältere Name für Bethlehem oder für das umliegende Gebiet. Neben Jesus Christus ( Mt 2,1 ), dem bedeutendsten Sproß aus Davids Stamm, war auch David selbst in Bethlehem geboren ( 1Sam 16,1.18-19; 17,12 ). Die Hohenpriester und Lehrer des Gesetzes bezogen diesen Vers im Buch Micha auf den Messias ( Mt 2,3-6 ). Das verwirrte manche Menschen zur Zeit Jesu ( Joh 7,42 ), der zwar in Bethlehem geboren war, jedoch in Nazareth in Galiläa aufwuchs. Der Messias-König, der sein Volk erretten würde, würde in einer unbedeutenden kleinen Stadt in Juda geboren werden (sie wird nicht einmal in der Aufzählung der Städte in Jos 15 oder Neh 11 erwähnt). Nach Gottes Willen sollte dieser Eine, der Gott ( mir ) dienen würde, Israels "Herr" sein (vgl. "König über sie sein" in Mi 4,7 ). Christus erfüllte den Willen des Vaters und wird ihn auch in Zukunft erfüllen (vgl. Joh 17,4; Hebr 10,7 ). Der Ursprung dieses Herrn (sein Ausgang , d. h. sein Schöpfungswerk, seine Selbstoffenbarungen und seine Vorsehung), ist von Anfang und von Ewigkeit her gewesen . Manche Übersetzungen geben die Wendung "von Ewigkeit" mit "immerwährend" wieder; die Übersetzung "von Ewigkeit" ist jedoch vorzuziehen, da es im Hebräischen wörtlich "Tage von unermeßlicher Zeit" heißt. Andere Textstellen (wie z. B. Joh 1,1; Phil 2,6; Kol 1,17; Offb 1,8 ) heben ebenfalls die Ewigkeit Jesu Christi hervor. |
( 5,2 - 14 ) Christus, der Herr Israels, wird während des Tausendjährigen Reiches Großes für sein Volk tun: 1. Er wird das Volk wiedervereinen und wiederherstellen. Wie kurz zuvor erwähnt ( Mi 4,9 ), war Israels innerer Schmerz über das Verlassensein wie der physische Schmerz einer Gebärenden. Doch die Zeit wird kommen, da die Wehen ein Ende haben und sie geboren hat . Diese Wendung bezieht sich nicht auf die Geburt Jesu durch Maria, sondern auf Israels Sammlung (vgl. Mi 2,12; 4,6-7 ), die hier einer Geburt gleichgesetzt wird, und bei der der Rest seiner Brüder (die anderen Israeliten; vgl. 5Mo 17,15 ) zu den Söhnen Israel zurückkehren wird. Christus wird einer von ihnen sein. Mi 5,1-2 faßt, wie Jes 9,5-6 und Jes 61,1-2 ,die zweimalige Ankunft Christi zu einem einzigen Advent zusammen. 2. Er wird für sein Volk sorgen und ihm Sicherheit geben. |
Der Messias wird seine Herde weiden (vgl. Mi 2,12; 7,14; Sach 10,3 ), d. h. er wird ein solcher Herrscher sein, wie er Israel zur Zeit Michas, in der das Land von irregeleiteten und ausbeuterischen Führern ins Verderben gestürzt wurde, fehlte (vgl. den Kommentar zu Mi 3,1-11 ). Christi sorgende, leitende und schützende Aufgabe wird durch die Kraft des HERRN und um des Herrn willen vollendet werden. Wenn er das Volk leitet, wird es Frieden und Sicherheit finden (vgl. Sach 14,11 ), denn er wird herrlich werden, so weit die Welt ist (vgl. Mal 1,11 a). Da Christus über die ganze Welt herrschen wird ( Ps 72,8; Sach 14,9 ), wird Israels Sicherheit gänzlich unbedroht sein. 3. Der Friedenskönig wird Israels Feinde vernichten ( Mi 5,5-9 ). |
Das ist eine der großen Taten, mit denen der Messias Israel Frieden bringen wird (V. 4 - 14 ). Er wird der Friede für Israel sein , denn er wird die feindlichen Mächte, die das Volk umgeben, niederwerfen. Assur wird zwar in dieser fernen Zukunft nicht mehr als Volk existieren, aber es steht hier für die Völker, die, wie Assyrien zu Michas Zeit, Israel bedrohen und angreifen werden (vgl. Sach 12,9; Sach 14,2-3 ). Das Land Nimrods (vgl. 1Mo 10,8-9; 1Chr 1,10 ) ist ein Synonym für Assyrien (vgl. den Namen Assyrien für Persien bei Esr 6,22 ). Mit Christus als Herrscher werden die Israeliten ihre Widersacher besiegen können. Er wird dem Volk mehr als genug Hirten und Fürsten (zu der Formel sieben ... und acht vgl. den Kommentar zu "drei, ja... vier" in Am 1,3 ) geben. Mögen auch noch so viele Völker Israel im Verlauf seiner Geschichte mit dem Schwert regiert haben, im Tausendjährigen Reich wird sich das Blatt wenden, und Israel wird über seine Widersacher herrschen, weil er, der Messias, es erretten wird (vgl. Sach 14,3 ). |
Wenn Christus Israels Feinde vernichtet hat, werden die Übriggebliebenen (vgl. Mi 2,12; 4,7; 5,7; 7,18 ) der gläubigen Israeliten unter vielen Völkern einen so wohltuenden Einfluß haben wie Tau und Regen . Da die Regenzeit in Palästina von Oktober bis März dauert, waren die Feldfrüchte in den übrigen sechs Monaten auf den Nachttau angewiesen. Wie Tau und Regen zu ihrer Zeit von Gott geschickt werden ( sie warten nicht auf Menschen ), so wird Gott die Völker zu der von ihm bestimmten Zeit, auf die die Menschen keinen Einfluß haben, erquicken. |
Die Übriggebliebenen (vgl. V. 6 ) des Volkes von Israel werden wie ein Löwe sein. Wie ein wilder Löwe, der über die anderen Tiere herrscht, wird Israel die anderen Völker der Welt beherrschen (vgl. 5Mo 28,13 ). Israels Hand wird siegen gegen alle seine Widersacher, und alle seine Feinde werden ausgerottet werden. 4. Doch der Herrscher wird Israel zugleich auch das Vertrauen in die eigene militärische Stärke nehmen. |
Zur selben Zeit (vgl. Mi 4,6 und den Kommentar zu "In den letzten Tagen" in Mi 4,1 ) wird der Herr die Rosse ausrotten (vgl. Sach 9,10 ) und die Wagen , auf die die Israeliten vertrauten, zunichte machen (vgl. Gottes Verbot in 5Mo 17,16 ,sich auf die Pferde zu verlassen). Städte, in denen Israel Festungen zum Schutz errichtet hat, werden verwüstet werden (vgl. Mi 5,13 ). 5. Der Herrscher wird dem falschen Gottesdienst in Israel ein Ende machen ( Mi 5,11-13 ). |
Neben der Vernichtung der äußeren Feinde Israels wird der Messias auch jede Spur von Okkultismus und Götzendienst, den "inneren Feinden" des Volkes, austilgen. Das Wort Zauberei ( k+SAPIm , wörtlich "Hexerei") wird im Alten Testament nur an dieser Stelle und in 2Kö 9,22; Jes 47,9.12 und Nah 3,4 benutzt. Das Wort bezeichnet im Hebräischen dieBefragung dämonischer Mächte. Obwohl sie ihnen vom Gesetz verboten waren, zogen diese und ähnliche, im Nahen Osten zur damaligen Zeit sehr verbreitete, Praktiken die Israeliten in ihrer ganzen Geschichte immer wieder in ihren Bann. Auch in der Zeit der Drangsal vor dem Jüngsten Gericht wird es Okkultismus geben (vgl. "Zauberei" in Offb 9,21 ), doch der Herr wird ihn restlos austilgen. |
Steinmale ( p+sIlIm ) waren Bilder fremder Götter (vgl. pesel , "Bildnis"; in 2Mo 20,4 ). Heilige Steine (oder Säulen) und Ascherabilder (vgl. 1Kö 14,23; 2Kö 17,10; 18,4; 23,14 ) spielten bei der Anbetung männlicher und weiblicher kanaanitischer Götter eine Rolle. Gott hatte den Israeliten ihren Gebrauch untersagt ( 5Mo 16,21-22 ; vgl. 2Mo 34,13 ). Aschera war die kanaanitische Göttin des Meeres und die Gefährtin des Baal. Wenn der Herrscher kommt und jedes Zeichen von Götzendienst aus seinem Volk verbannt (vgl. Sach 13,2 ), werden die Menschen nicht mehr ihrer Hände Werk anbeten (vgl. Hos 14,4 ), sondern sie werden Jahwe verehren, den wahren und lebendigen Schöpfer. Alle Städte (vgl. Mi 5,10 ) jedoch, in denen Israel Götzendienst trieb oder auf seine militärische Stärke baute, werden zerstört werden. 6. Der Herr wird die Völker, die sich ihm widersetzen, richten. |
Alle Nationen, die dem Herrn nicht gehorchen, werden Gottes Grimm und Zorn zu spüren bekommen. Er wird mit eisernem Zepter ( Ps 2,9; Offb 12,5; 19,15 ), d. h. mit Stärke, Strenge und Gerechtigkeit, regieren. |
( Mi 6-7 ) Dieser dritte große Abschnitt des Buches faßt das bisher Gesagte zusammen und enthält eine Bitte des Propheten für sein Volk. Seinen Höhepunkt stellt die Beschreibung des zukünftigen Heils dar, das Gott in seiner Güte dem Volk zuteil werden lassen wird. ( 6,1 - 5 ) Wieder (vgl. Mi 1,2 ) berief der Herr Zeugen, die hören sollten, was er gegen sein Volk vorzubringen hatte (r¯b, "Gerichtsverfahren, Prozeß"; in Mi 6,2 a und Mi 6,2 b mit "rechten" übersetzt). Dann forderte er Israel auf, nun selbst seine Sache vor den Bergen zu führen und seinen Standpunkt in diesem Rechtsstreit mit Gott zu vertreten. Er rief unbeteiligte Zeugen zur Bestätigung an, daß er gegenüber seinem Volk gerecht gewesen war und daß Israel in seinem Denken und Handeln vor Gott gesündigt hatte. Die Zeugen, an die er sich wandte, waren die Menschen an allen Orten, repräsentiert durch die "Berge" (vgl. V. 2 ) und die Hügel . |
In der weiteren Darlegung des Falles sprach der Herr Israel als mein Volk an (vgl. V. 5 ). Durch eine Frage ( Was habe ich dir getan? ) beteuerte er seine Unschuld (vgl. "Was hab ich getan?" in 1Sam 17,29; 20,1;26,18; 29,8 ). Er forderte die Menschen auf, ihm zu sagen, womit er sie beschwert habe. Obwohl die Israeliten sich häufig über Gott beklagten, hatten sie doch nie einen wirklichen Grund dafür. So konnten sie auf Gottes Anschuldigung nichts entgegnen. Gott erinnerte das Volk an seine Güte, aufgrund derer er es aus Ägyptenland in das verheißene Land geführt hatte. Die Propheten ermahnten die Menschen immer wieder, ihrer Errettung aus der ägyptischen Knechtschaft zu gedenken. Der Exodus war das große, zentrale Ereignis schlechthin in der Geschichte Israels, zum einen, weil Gott dadurch sein Volk aus der Fremdherrschaft befreite, und zum anderen, weil er ihm kurz darauf durch Mose das Gesetz gab. Das Wort erlöst ( pADCh , "freikaufen, erlösen"; vgl. 5Mo 7,8; 9,26; 13,6; 15,15; 24,18 ) sollte die Israeliten an das Schlachten des Passalammes erinnern, durch das die ältesten Söhne der israelitischen Familien verschont blieben ( 2Mo 12,3-7.12-13 ). Moses Name steht hier als eine Erinnerung an das Gesetz, während der Name Aaron den Menschen den Gedanken der Priesterschaft vor Augen führen sollte. Mirjam wird vielleicht erwähnt, weil ihr Name die Erinnerung an ihr Lied für den Herrn ( 2Mo 15,21 ) und ihre Rolle als Prophetin ( 2Mo 15,20 ) wach rief. Da Mose Gott vor den Menschen und Aaron die Menschen vor Gott vertrat, hatte Israel damals eine einzigartige Beziehung zu Gott. |
Als nächstes erinnerte Micha Gottes Volk (vgl. "mein Volk" in V. 3 ) an die Erfahrung seiner Vorfahren in der Wüste, als Balak, der König von Moab , versuchte, Bileam zu Prophezeiungen gegen das Bundesvolk zu bewegen ( 4Mo 22-24 ). Statt die Menschen zu verfluchen, segnete Bileam sie jedoch. Das war ein weiterer Beweis für Gottes Güte ihnen gegenüber. Ein anderes großes Ereignis im Leben des Volkes war der Zug von Schittim , dem letzten Lager der Israeliten östlich des Jordan (vgl. Jos 3,1 ), nach Gilgal , dem ersten Lager nach dem wunderbaren Überschreiten des Flusses (vgl. Jos 4,18-19 ). Bei all diesen Ereignissen hatte Gott sein Volk nicht "beschwert", sondern es beschützt und verteidigt und ihm nur Gutes getan. |
( 6,6 - 8 ) Diese wohlbekannten Verse enthalten die Antwort des Propheten auf die Anklage des Herrn. Micha sprach als Gerechter, der sich der Schuld seines Volkes bewußt war. Er unterschied sich von der Mehrheit der Führer, die sich keinerlei Mühe gaben, das Volk richtig zu leiten. In seiner Funktion als Sprecher des Volkes fragte Micha, womit er sich dem Herrn im Gottesdienst nahen sollte, um seine Gnade wiederzugewinnen. Er fragte, ob er mit Brandopfern oder mit einjährigen Kälbern vor den Herrn treten sollte. Das war nicht etwa eine abwertende Anspielung des Propheten auf die jüdische Opferordnung. Die levitische Ordnung war nach dem Willen Gottes unter anderem auch auf die Sühne für die Sünden der Menschen ausgerichtet, und als rechtschaffenes Mitglied der Bundesgemeinschaft befolgte Micha zweifellos selbst die Opferbräuche. Er wußte aber auch, daß die Opfer als äußerer Ausdruck eines festen, inneren Vertrauens auf die Güte und Gnade Gottes gedacht waren. |
Indem er sich des Stilmittels der übertreibenden Steigerung bediente, fragte der Prophet nun, ob der Herr an viel tausend Widdern, unzähligen Strömen von Öl oder an seinem eigenen Erstgeborenen (seines Leibes Frucht) als Sühne für seine Übertretung und Sünde Gefallen habe (vgl. Mi 1,5; 2,8; 7,18 ). Er wußte natürlich, daß diese Gaben Gottes Zorn auf das Volk nicht würden besänftigen können. Er redete auch nicht der üblen, vom Gesetz verbotenen Praxis der Kindesopferung das Wort (vgl. 3Mo 18,21; 20,2-5; 5Mo 12,31; 18,10 ). Micha stellte diese rhetorischen Fragen vielmehr, um Israel klarzumachen, daß nichts - nicht einmal die extremsten Opfer - wiedergutmachen konnte, was es Gott angetan hatte. Gleichzeitig unterstrich er damit, daß Gott nicht "bezahlt" werden wollte, sondern verlangte, daß die Menschen ihre Einstellung und ihr Tun änderten. |
Dann sagte Micha dem Volk ( Mensch bezeichnet alle Israeliten) genau, was Gott von ihm forderte. Gott wollte nicht, daß sich die Beziehung der Menschen zu ihm in Ritualen erschöpfte. Vielmehr wollte er eine Beziehung, die aus ihrem Innern kam - sie sollten ihm gehorchen, weil es ihreigener Wunsch war, nicht, weil es von ihnen verlangt wurde. Diese gute Beziehung beinhaltete drei Dinge: jeder einzelne sollte (a) Gottes Wort halten , also ehrlich und gerecht im Umgang mit anderen sein; (b) Liebe üben ( HeseD , "treue Liebe"), d. h. die Verpflichtung, anderen zu helfen, erfüllen; (c) demütig sein vor seinem Gott , also bescheiden und ohne Hochmut Gott folgen. "Demütig" ist die Übersetzung des Verbes QAnaZ (das im Alten Testament nur an dieser einen Stelle vorkommt); es bedeutet "bescheiden sein". (Das Adjektiv QAnUaZ taucht ebenfalls nur einmal auf, in Spr 11,2 .) Der Herr hatte den Israeliten diese Forderungen schon früher mitgeteilt ( 5Mo 10,12.18 ). Gottes Wort zu halten, "ist ein Weg, Liebe zu üben, und dies wiederum ist eine Manifestation des Demütigseins vor Gott" (James Luther Mays, Micah: A Commentary , S. 142). Viele Zeitgenossen Michas hielten Gottes Wort nicht ( Mi 2,1-2; 3,1-3; 6,11 ), zeigten denjenigen, für die sie die Verantwortung trugen, keine treue Liebe ( Mi 2,8-9; 3,10-11; 6,12 ) und waren auch nicht demütig vor Gott. |
( 6,9 - 16 ) Gott kündigte an, daß er Israel bestrafen müsse, weil es seine Forderungen nicht erfüllt hatte (V. 8 ). ( 6,9 - 12 ) Die folgenden Verse vermitteln einen Eindruck von einigen der Sünden, in die sich Israel verstrickt hatte. Sie waren mit der Anlaß für den Rechtsstreit mit Gott (V. 1.2 ). Schon diese unvollständige Liste reicht aus, um die Schuld des Volkes eindeutig nachzuweisen. Nochmals forderte Micha das Volk auf zu hören (vgl. Mi 3,1; 6,1 ). In der nächsten Zeile, die in verschiedenen Bibelausgaben unterschiedlich wiedergegeben ist, sagte der Prophet wohl, daß es klug sei, dem Herrn in Furcht zu antworten (Ehrfurcht und Gehorsam; vgl. Spr 1,7 ), wenn er spricht. |
Durch unrechtes Tun (vgl. V. 8 ) häuften die Menschen mit unredlichen Mitteln Reichtümer an ( unrecht Gut ; vgl. Spr 10,2 ). Sie waren unehrlich in ihren Geschäften und gebrauchten das falsche Maß , d. h. ein zu kleines Epha, ein Trockenhohlmaß, das etwa 36 Liter faßte; sie betrogen also ihre Kunden. Desgleichen verwendeten die Verkäufer unrechte Waage und falsche Gewichte und gaben so den Käufern weniger, als diese zu erhalten glaubten. Gott haßt solche unlauteren Praktiken, durch die andere übervorteilt werden (vgl. 3Mo 19,35-36; 5Mo 25,13-16; Spr 11,1;16,11;20,23; Hos 12,8; Am 8,5 ). Ganz offensichtlich hielten die Menschen weder das Gesetz noch übten sie Liebe ( Mi 6,8 ). Gewalt von seiten der Reichen und Lügen waren allgemein an der Tagesordnung. |
( 6,13 - 16 ) Um der in den Versen 10 - 12 angeführten Sünden willen (zu denen vielleicht noch weitere kamen) hatte Gott angefangen, Israel zu plagen und wüst zu machen (vgl. V. 16 ; 5Mo 28,20 ). Die Nahrung sollte die Menschen nicht mehr satt machen (die erste Zeile in Mi 6,14 zitiert 3Mo 26,26 ). Was sie beiseite schaffen, würden ihre Feinde holen (vgl. 3Mo 26,16-17; 5Mo 28,33 ). Ihre Saat sollte ihnen keine Ernte bringen (vgl. 5Mo 28,30 ), denn in der Gefangenschaft würden sie die Früchte ihrer Arbeit nicht genießen dürfen ( Mi 6,15 ; vgl. 5Mo 28,39-40 ). Wie Gott gesagt hatte ( 5Mo 28 ), waren diese Strafen die Folge des Ungehorsams der Menschen. |
Statt dem Herrn zu folgen, hielten sich die Menschen an die Weisungen Omris und alle Werke des Hauses (d. h. der Dynastie) Ahab . Omri und Ahab galten als die beiden schlimmsten Könige des Nordreiches, weil unter ihrer Herrschaft der Baalskult blühte und viele Menschen von Gott abfielen ( 1Kö 16,21-22.28-33 ). Während Ahabs Regierungszeit wurden sogar wahre Propheten des Herrn ermordet ( 1Kö 18,4 ). Juda ( du ) war diesem sündigen Beispiel gefolgt. Dafür würde Gott Juda zur Wüste machen (vgl. Mi 6,13 ) und seine gefangenen Einwohner zum Gespött der Völker werden lassen (vgl. Kl 2,15-16 ). |
( Mi 7 ) ( 7,1 - 6 ) Micha beklagte seine Stellung inmitten eines völlig gottlosen Volkes und die bösen Zeiten, in denen er lebte. Er fühlte sich wie jemand, der Obst pflücken will , aber nichts mehr findet. Es waren keine Trauben mehr da, die er hätte sammeln und essen können (vgl. Mi 6,15 ). Ebenso gab es im Volk keine frommen Leute ( HAsID , "treu", von HeseD , "treue Liebe") und Gerechten mehr. Es war, als ob ein jeder den andern jagte und versuchte, ihn zu töten (vgl. Mi 3,10; 6,12 ). Diese ganze Atmosphäre der Gewalt und Hinterhältigkeit wird in Mi 7,3-6 beschrieben. |
Das einzige, worin sich Michas Zeitgenossen hervortaten, war die Sünde! Der Fürst regierte allein zugunsten derer, die ihm Geschenke gaben, auch wenn dadurch jeder Gerechtigkeit Hohn gesprochen wurde; der Richter nahm Bestechungsgelder entgegen (vgl. Mi 3,11 ), und die Gewaltigen (vermögende und einflußreiche Leute) bekamen alles, was sie wollten. Ja, die führenden Männer verbündeten sich untereinander, um andere zu übervorteilen. Noch der Beste unter ihnen war wie ein Dornstrauch und der Redlichste wie eine Hecke - sie umschlangen und verletzten jeden, der mit ihnen in Berührung kam. |
Was Gottes wahre Propheten (die Späher des Volkes, die vor der drohenden Gefahr warnten) vorausgesagt hatten, sollte eines Tages wahr werden. Gott würde die Menschen im Gericht "heimsuchen", und sie würden nicht aus noch ein wissen. |
Die Lage war so schlimm, daß selbst Familienbande darunter litten. Nachbarn, Freunde, Eheleute und Kinder waren uneins. Der Verrat nahm dermaßen überhand, daß die eigenen Angehörigen zu Feinden wurden. |
( 7,7 - 13 ) Für sich selbst und den gottesfürchtigen Rest, von dem im Buch immer wieder die Rede ist, hielt Micha fest, daß er trotz der schrecklichen Verhältnisse im Volk weiterhin auf den HERRN schauen wollte (vgl. "Späher", V. 4 ) und auf den Gott seines Heils harren . Das Gericht würde zwar kommen, doch er hatte auch die Gewißheit, daß ihm die Rettung folgen würde. Gott würde Israels Retter sein (vgl. Jes 59,20 ). |
Der Prophet, der noch immer als Stellvertreter des Volkes sprach (ich und mein stehen fünfzehnmal in den Versen 8 - 10 ), verlieh seiner Zuversicht Ausdruck, daß Gott am Ende Israels trauriges Geschick zum Guten wenden mußte. Obwohl das Volk entmutigt war und in Gefangenschaft gehen mußte, sollte die Feindin sich nicht freuen dürfen. Wenn auch die Aussichten düster waren, so war doch der Herr Israels Licht (vgl. V. 9 ) und würde es aus seiner verzweifelten Lage erlösen. In den Worten " ich habe gesündigt " identifizierte Micha sich selbst mit den Sünden des Volkes (vgl. Daniels Identifikation in seinem Gebet; Dan 9,5.8.11.15 ). Das Volk würde Gottes Zorn auf sich nehmen, weil es gesündigt hatte, denn durch diesen Zorn würde Gott es wieder ans Licht bringen (vgl. Mi 7,8 ) und ihm Recht schaffen . Wenn Gott dereinst Israel in seinem eigenen Land wiederherstellen würde, würde sich das Blatt wenden und seine Feindin würde beschämtwerden (vgl. V. 16 ; Ob 1,10 ). Die Feinde (heidnische Völker) verhöhnten Israel mit der Frage: " Wo ist der HERR, dein Gott? " (vgl. Ps 42,4.11; 79,10; Joe 2,17 ). Doch Gott würde sein Eigentum verteidigen, und Israels Feinde würden fallen und zertreten (erniedrigt; vgl. Mi 7,17 ) werden. |
Wenn Israel sein Land im Tausendjährigen Reich wieder besitzen wird (wenn es "aufstehen" wird, V. 8 ), wird es seine Mauern wieder aufbauen und seine Grenzen erweitern. G ADEr bezeichnet allerdings eine Mauer zur Einfassung eines Weinberges (vgl. 4Mo 22,24; Jes 5,5 ), keine Stadtmauer. Das Jerusalem, das der Messias in Frieden errichten wird, hat keine Schutzwälle mehr nötig ( Sach 2,8 ). (Näheres zur Ausdehnung von Israels Grenzen vgl. im Kommentar zu Hes 47,13-23 und Ob 1,19-20 .) Die Länder Assur und Ägypten, Israels Feinde, werden dann von Menschen bewohnt sein, die nach Jerusalem kommen (vgl. Jes 19,23-25 ). Menschen aus der ganzen Welt ( von einem Meer zum andern ; vgl. Ps 72,8; Sach 9,10 ; und von einem Gebirge zum andern ) werden nach Jerusalem pilgern, um vom Herrn Weisung zu empfangen und ihn anzubeten (vgl. Mi 4,2 ). Unmittelbar vor dieser herrlichen Zeit werden die Völker jedoch um der Frucht ihrer Werke willen gerichtet werden ( Mt 25,32-33.46 ), und die Erde wird wüst sein (vgl. Jes 24,1 ). |
( 7,14 ) War der Sprecher dieses Verses Gott oder Micha? Wahrscheinlich wante sich der Prophet an Gott. Ausgehend von Gottes Verheißung in Mi 2,12 und Mi 5,3 bat Micha den Herrn, sein Volk wieder zusammenzuführen und für es zu sorgen, wie ein Hirte für seine Herde sorgt. Der Stab sollte ein Werkzeug des Segens, nicht des Gerichts sein. Micha betete darum, daß Gottes Volk (sein Erbteil ; vgl. Mi 7,18 sowie den Kommentar zu 5Mo 4,20 ), das verlassen war wie eine Herde im Walde , einst wieder in Wohlstand und Frieden leben würde, wie früher (wie vor alters; vgl. Mi 7,20 ) in Baschan und Gilead (vgl. Jer 50,19 ). Diese beiden Landstriche, die östlich des Jordan lagen (vgl. die Karte "Israel und die umliegenden Völker in den Tagen der Propheten" vor Jes), waren fruchtbares Weideland für Schafe und Vieh. 734 v. Chr. wurden sie von Tiglat-Pileser III., dem König von Assyrien (745 - 727), überrannt. |
( 7,15 - 17 ) Als Antwort auf die Bitte des Propheten (V. 14 ) ließ Gott dem Volk durch Micha sagen, daß eine Zeit kommen werde, in der er wieder als wundertätiger Gott bekannt sein werde. Als Israel aus Ägyptenland auszog, tat Gott Wunder (vgl. 2Mo 3,20; 15,11; Ri 6,13; Ps 78,12-16 ) für sein Volk: Er befreite es aus Ägypten, ließ es trockenen Fußes das Rote Meer durchqueren und versorgte es in der Wüste. Einst wird Israel noch einmal einen großen "Exodus" aus seinen Wohnstätten erleben, und Gott wird es auf wunderbare Weise in sein Land führen. Das wird geschehen, wenn der Messias zurückkehrt und seine tausendjährige Herrschaft errichtet. |
Wenn Gott Israel auf wunderbare Weise sammeln wird, werden die Heiden es sehen und sich schämen (vgl. Mi 3,7; 7,10 ), denn Gottes Macht wird größer als die ihre sein. Sie werden sprachlos sein und nichts mehr von Israels Siegen hören wollen. Demütig werden sie Staub lecken wie die Schlangen (vgl. Ps 72,9; Jes 49,23 ) und wie Tiere aus ihren Verstecken ( Burgen ) hervorkommen. Sie werden sich vor dem HERRN fürchten und sich vor Israel entsetzen. Diese Aussagen müssen das "Häuflein der Gerechten" zur Zeit Michas sehr ermutigt und getröstet haben. |
( Mi 7,18-20 ) Am Schluß des Buches wird noch einmal der Güte und Einzigartigkeit Gottes gedacht (vgl. 2Mo 34,6-7 a). Michas abschließender Lobpreis zeigt, daß er fest darauf vertraute, daß Gott die Pläne, die er mit seinem Bundesvolk hatte, dereinst wahr machen würde. Heute lesen die orthodoxen Juden diese Verse im Anschluß an das Buch Jona in der Synagoge, wenn sie den Versöhnungstag feiern. Die rhetorische Frage " Wo ist solch ein Gott, wie du bist? " (vgl. 2Mo 15,11; Ps 35,10; 71,19; 77,14; 89,7; 113,5 ) ist vielleicht ein Wortspiel mit Michas Namen "Wer ist wie Jahwe?". Die Antwort darauf liegt auf der Hand: Keiner ist wie der Herr. Der Schluß des Buches, Micha 7,18 - 20, beschreibt das Wesen Gottes. Gottes Taten für sein Volk beweisen seine Vertrauenswürdigkeit und Gnade. Micha sagte sechs Dinge von Gott: (1) Er vergibt die Sünde und erläßt die Schuld (vgl. Mi 1,5; 3,8; 6,7 ) denen, die übriggeblieben sind (vgl. Mi 2,12; 4,7; 5,6-7 ) von seinem Erbteil (vgl. Mi 7,14 ). (2) Er hält an seinem Zorn nicht ewig fest (vgl. Ps 103,9 ), und (3) er ist barmherzig ( HeseD ; vgl. Mi 7,20 ). Welcher Trost muß für den gottesfürchtigen Rest in Israels korrupter Gesellschaft in diesen Verheißungen gelegen haben! Im Vertrauen darauf, daß (4) er sich Israels wieder erbarmen wird ( reHem ; "zarte, innige Sorge"; vgl. Ps 102,14; 103,4.13; 116,5; 119,156; Hos 14,5; Sach 10,6 ), wußte Micha, daß (5) Gott die Sünden seines Volkes - bildhaft gesprochen - unter die Füße treten (unterwerfen, als ob sie Feinde wären) und in die Tiefen des Meeres werfen (und somit vollständig vergeben) würde. Drei Bezeichnungen des Alten Testaments für "Sünde" werden in Micha 7,18 - 19 benutzt: Sünde(n), Übertretung und Unrecht (in der Lutherübersetzung finden wir allerdings nur zwei Begriffe, "Sünde(n)" und "Schuld"). Micha wußte, daß Gott diese Dinge tun würde, weil er (6) von jeher Jakob die Treue gehalten und Abraham Gnade ( HeseD ; vgl. V. 18 ) erwiesen hatte. Für ihn stand fest, daß Gott nicht lügen kann, sondern zu seinem Wort steht und alles hält, was er geschworen hat. Deshalb vertraute Micha auf die Verheißungen, die Gott Abraham ( 1Mo 12,2-3; 15,18-21 ) und später Jakob gegeben hatte ( 1Mo 28,13-14 ) und die besagten, daß er ihrer beider Nachkommen segnen werde. Israels Frieden und Wohlstand werden Wirklichkeit werden, wenn dereinst der Messias-König herrscht. Christus wird seine und Israels Widersacher richten, und er wird seinem Eigentum gnädig sein. Diese Verheißung tröstete Micha in seiner dunklen Zeit und gibt auch heute den Gläubigen Hoffnung. |
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