Richter (F. Duane Lindsey)
EINLEITUNG
Richter
Titel und Stellung im Kanon
Der deutsche Titel "Das Buch der Richter"
kann über das Lateinische ( Liber Judicum ) und die griechische
Septuaginta ( Kritai , "Richter") bis auf das Hebräische SOP+FIm
("Richter") zurückgeführt werden. Der Titel ist zutreffend, wenn
man das Richteramt auf eine allgemeine administrative Autorität,
einschließlich der militärischen Verteidigung gegenüber Israels
Feinden, ausweitet.
In der deutschen Bibel befindet sich das
Buch der Richter zwischen den Büchern, die allgemein als "die
geschichtlichen Bücher" bekannt sind. In der hebräischen Bibel
befindet es sich im Abschnitt der "Propheten" (welchem "das
Gesetz" vorangeht, und "die Schriften" folgt), speziell bei den
"frühen Propheten", die Josua, Richter, Samuel und Könige
umfassen.
Verfasserfrage und Entstehungszeit
Interne Zeugnisse im Buch der Richter
lassen annehmen, daß es während der frühen Tage der Monarchie -
nach der Krönung Sauls (1051 v. Chr.), jedoch vor der Eroberung
Jerusalems durch David (1004 v. Chr.) niedergeschrieben worden
ist. Die folgenden drei Tatsachen bestätigen diese Annahme: (1)
Das stilistische Motto - "zu der Zeit war kein König in Israel",
das gegen Ende des Buches wiederholt wird ( Ri 17,6; 18,1; 19,1;
21,25 ), blickt von einer Zeit, in der Israel einen König hatte,
zurück. (2) Die Angabe über Jerusalem, daß dort bis auf diesen
Tag die Jebusiter wohnen ( Ri 1,21 ), läßt sich am einfachsten
erklären, wenn sie vor der Eroberung der Stadt durch David
geschrieben worden ist (vgl. 2Sam 5,6-7 ). (3) Der Hinweis auf
die Kanaaniter in Geser läßt auf eine Zeit schließen, bevor die
Ägypter diese Stadt Salomos ägyptischer Frau als
Hochzeitsgeschenk gaben (vgl. 1Kö 9,16 ).
Auch wenn es kein internes Zeugnis gibt,
das den Autor des Buches identifiziert, schreibt der Talmud
(Traktat Baba Bathra 14 b) Samuel die Bücher Richter, Rut und
Samuel zu. Obwohl es schwierig zu belegen ist, harmonisiert doch
die Identifizierung Samuels als dem Schreiber des Buches Richter
mit den oben genannten internen Zeugnissen und mit der bekannten
Tatsache, daß Samuel ein Schreiber war ( 1Sam 10,25 ). Also
scheint Richter ungefähr zwischen 1040 und 1020 v. Chr.
geschrieben worden zu sein. Frühere Quellen, sowohl schriftliche
wie auch mündliche, wurden ohne Zweifel vom inspirierten Autor
benutzt, der diese theologisch ausgewählte Geschichte Israels
vom Tode Josuas an bis zur Entstehung der Monarchie aufschrieb.
Chronologie der Zeit der Richter
Die Forscher stimmen darin überein, daß die
Zeit der Richter mit dem Tod Josuas begann und mit der Krönung
Sauls und dem Beginn der Monarchie endete. Sie sind sich jedoch
darüber uneinig, wieviel Zeit zwischen diesen beiden Ereignissen
verging. Da die meisten Gelehrten sich darüber einig sind, daß
die Monarchie unter Saul 1051 v. Chr. begann, konzentriert sich
die Diskussion auf das Todesdatum Josuas. Das Problem bezieht
sich speziell auf den Zeitpunkt des Auszuges (Exodus) unter
Mose, den viele konservative Gelehrte auf 1446 v. Chr.
festsetzen, während die meisten liberalen Gelehrten einen
späteren Zeitpunkt annehmen (ca. 1280/60 v. Chr.). Das
konservative Argument beruht auf dem wörtlichen Gebrauch der
Zahlen in 1Kö 6,1 und Ri 11,26 . (Vgl. für eine Diskussion über
den Zeitpunkt des Auszuges die Einführung zum Buch 2.Mose.)
Gelehrte, die den späteren Zeitpunkt des Exodus annehmen,
datieren demnach die Zeit der Richter ungefähr von 1220 bis 1050
v. Chr., während viele, die den früheren Zeitpunkt des Exodus
annehmen, meinen, daß die Zeit der Richter ungefähr um 1390 -
1350 v. Chr. begann und ungefähr um 1050 v. Chr. endete.
Die Beweise, die für den Anfang der Zeit
der Richter um ungefähr 1350 v. Chr. sprechen, sind stark (vgl.
Eugene H. Merrill: "Die Angabe des Paulus von ungefähr 450
Jahren in Apostelgeschichte 13,20", Bibliotheca Sacra 138.
Juli-September 1981: 249 - 50). Die Ältesten, die Josua
überlebten ( Jos 24,31; Ri 2,7 ) wären 1444 v. Chr. nicht älter
als 20 Jahre gewesen, als die Späher das Land zwei Jahre nach
dem Exodus betraten ( 4Mo 13,2; 14,29 ). Wenn sie bis zum Alter
von 110 (Josuas Alter bei seinem Tod; Jos 24,29 ) gelebt hätten,
wäre der Älteste von ihnen ungefähr um 1354 v. Chr. gestorben.
(Wenn sie um 1464 v. Chr. oder später geboren worden sind und
nicht mehr als 110 Jahre gelebt haben, fällt das Todesdatum auf
1354 v. Chr.) Der Götzendienst, der zur ersten Bedrückung (durch
Kuschan-Rischatajim, Ri 3,8 ) geführt hat, scheint nachdem diese
Ältesten gestorben waren begonnen zu haben ( Ri 2,7 ).
Das nächste datierbare Ereignis, von dem in
Richter berichtet wird, ist die Besetzung Gileads durch die
Ammoniter. Jeftah sagte, dies habe 300 Jahre ( Ri 11,26 ) nach
der israelitischen Besetzung des Transjordanlandes (ca. 1406 v.
Chr.) stattgefunden. Also war 1106 v. Chr. entweder der Beginn
des Richteramtes Jeftahs (wahrscheinlich) oder der Beginn der
Ammoniterinvasion 18 Jahre zuvor (möglicherweise). Die Zeit des
Richteramtes Simsons (ca. 1105 1085 v. Chr.) und die der
Führerschaft Elis (ca. 1144 - 1104 v. Chr.) und Samuels (ca.
1104 - 1020 v. Chr.) kann ziemlich genau (mit den sich
überlappenden Jahren Samuels und Simsons) anhand der sichereren
Daten der Regierung Sauls rekonstruiert werden (Merrill, S. 250
- 52).
Es gibt zu wenig Beweise, um irgendeiner
der strittigen Annahmen bezüglich des exakten Zeitpunktes der
meisten anderen Richter zustimmen zu können. Vgl. z. B. die
angegebenen Daten in J. Barton Payne, "Chronology of the Old
Testament", Zondervan Pictorial Encyclopedia of the Bible .
Grand Rapids: Wm. B. Eerdmans Publishing Co., 1975, 1:829 - 45;
Merrill F. Unger, Archaeology and the Old Testament . Grand
Rapids: Zondervan Publishing House, 1954, S. 158 - 87; John C.
Whitcomb, Jr., "Chart of Old Testament Patriarchs and Judges",
Study Graph, dritte revidierte Ausgabe Chicago: Moody Press,
1968, und Leon J. Wood, Distressing Days of the Judges . S. 10 -
21.303 - 304.341 - 342.409 411.
Wenn man die Dauer der Regierung eines
jeden Richters mit der Zeit der vorhergehenden Unterdrückung
zusammenzählt, ergeben sich 410 Jahre (wenn die Unterdrückung
durch die Philister und das Richteramt Simsons unabhängig
voneinander gezählt werden), eine Periode, die zu lang ist, um
mit der Zeit zwischen Josua und Saul übereinzustimmen. Darum
sind sich die Gelehrten einig, daß sich die Zeitperioden einiger
Unterdrückungen und Richterämter überlappen. Solch eine
Überlappung von Richtern kann sehr wohl angenommen werden, da
viele (wenn nicht alle) Richter wahrscheinlich in geographisch
begrenzten Gebieten Israels regierten.
Historischer und theologischer Hintergrund
Historisch gesehen ist das Buch der Richter
die Fortsetzung des Buches Josua. Die beiden Bücher werden durch
den gemeinsamen Bericht vom Tode Josuas ( Ri 2,6-9; vgl. Jos
24,29-31 ) verbunden. Josuas militärische Errungenschaften
brachen dem kanaanitischen Militärbündnis im gesamten Land das
Rückgrat ( Jos 11,16-23 ), hinterließen jedoch große Gebiete,
die noch von den einzelnen Stämmen eingenommen werden mußten (
Jos 13,1; Ri 1,2-36 ). Kanaanitische Enklaven erhoben damals und
auch zur Zeit der Richter ihre Häupter ( Ri 4,2 ). Das Buch
blickt nicht nur auf die Siege Josuas zurück, sondern auch
vorwärts auf die Gründung der Monarchie in Israel (vgl. Ri 17,6;
Ri 18,1; Ri 19,1; Ri 21,25; vgl. auch Ri 8,23 mit 1Sam 8,7; 1Sam
12,12 ).
Theologisch bildete die Zeit der Richter
ein Übergangsstadium zwischen Jahwes Handeln durch Mose und
Josua und seiner Herrschaft durch die gesalbten Könige während
der Monarchie. Während der Zeit der Richter erweckte Jahwe seine
erwählten Befreier, die er mit seinem Geist salbte, damit sie
sein Volk von dessen Feinden befreiten. Es erscheint als Ironie,
daß Jahwe vorher sein Volk als Strafe für dessen Sünden in die
Hände dieser Feinde gab (vgl. Kommentar zu Ri 3,1-6 ).
Die Aufgabe der Richter: Das hebräische
Wort SOPEF ("Richter, Befreier") beinhaltet mehr als das
deutsche Wort "Richter". Es war ein generelles Führeramt, das
die exekutiven (einschließlich des militärischen) und die
judikativen Regierungsaspekte beinhaltete. So waren die Richter
Israels primär militärische und zivile Führer, die auch strenge
judikative Funktionen innehatten (vgl. Ri 4,5 ).
Absicht und Thema: Die Absicht des Buches
der Richter war es, das göttliche Gericht aufgrund von Israels
Abfall aufzuzeigen. Genauer gesagt berichtet das Buch von
Israels Ungehorsam gegenüber Jahwes Herrschaft, wie sie durch
die souverän festgesetzten und geisterfüllten Führer vermittelt
wurde, und vom ständigen Bedürfnis nach einer zentralen
Erbmonarchie als Werkzeug, durch das Jahwe seine Herrschaft über
die Nation ausüben würde. Israels Ungehorsam gegenüber Jahwe und
seine Anbetung kanaanitischer Götzen endete in seinem
Versäumnis, den göttlichen Segen und die völlige Eroberung
seiner Feinde zu erfahren (vgl. Ri 3,1-6 ). Der kanaanitische
Einfluß auf moralischem wie auch auf sozialem Gebiet führte zu
Israels Abfall und Anarchie, was den Bedarf nach einer zentralen
Erbmonarchie in Israel aufzeigte.
GLIEDERUNG
I. Prolog: Ursachen, die den Tagen der
Richter vorangingen ( 1,1-2,5 )
A. Der politisch-militärische
Hintergrund - die teilweise Eroberung Kanaans durch Israel (
Kap.1 )
1. Der Erfolg Judas und Simeons
bei der Eroberung Südkanaans ( 1,1-20 )
2. Das Versäumnis Benjamins, die
Jebusiter zu vertreiben ( 1,21 )
3. Der Teilerfolg des Hauses
Josef bei der Besetzung Zentralkanaans ( 1,22-29 )
4. Das Versagen der
israelitischen Stämme in Nordkanaan ( 1,30-33 )
5. Die Verdrängung Dans aufs
Gebirge durch die Amoniter ( 1,34-36 )
B. Der religiös-geistliche Hintergrund
- der Bund des Herrn wird von Israel gebrochen ( 2,1-5 )
1. Die Drohung durch den Engel
des Herrn ( 2,1-3 )
2. Die Reaktion des Volkes Israel
( 2,4-5 )
II. Dokumentation: Fälle, die der
Amtshandlung eines Richters bedurfen ( 2,6-16,31 )
A. Einführung zur Geschichte der
Richter ( 2,6-3,6 )
1. Zusammenfassung des Todes
Josuas ( 2,6-10 )
2. Der Zustand zur Zeit der
Richter ( 2,11-19 )
3. Die Folge des Vertragsbruches
( 2,20-23 )
4. Die im Land übriggebliebenen
Völker ( 3,1-6 )
B. Beschreibung der Unterdrückungen
und Befreiungen ( 3,7-16,31 )
1. Die Befreiung von der
Unterdrückung durch Kuschan-Rischatajim durch Otniël ( 3,7-11 )
2. Die Befreiung von der
Unterdrückung durch Eglon durch Ehud ( 3,12-30 )
3. Die Befreiung von der
Unterdrückung durch die Philister durch Schamgar ( 3,31 )
4. Die Befreiung von der
Unterdrückung durch die Kanaaniter durch Debora und Barak (
Kap.4-5 )
5. Die Befreiung von der
Unterdrückung durch die Midianiter durch Gideon ( 6,1-8,32 )
6. Die Richterämter Tolas und
Ja´rs, die dem widerrechtlichen Königtum Abimelechs folgen (
8,33-10,5 )
7. Die Befreiung von der
Unterdrückung durch die Ammoniter durch Jeftah ( 10,6-12,7 )
8. Die Richter Ibzan, Elon und
Abdon ( 12,8-15 )
9. Die Befreiung von der
Unterdrückung durch die Philister und Simson ( Kap.13-16 )
III. Epilog: Die Zustände zur Zeit der
Richter ( Kap.17-21 )
A. Religiöser Abfall: Der Götzendienst
Michas und der Umzug der Daniter ( Kap.17-18 )
1. Der Götzendienst Michas, des
Ephraimiters ( Kap.17 )
2. Die Umsiedelung der Daniter
nach Norden ( Kap.18 )
B. Moralischer Verfall: Die Schandtat
von Gibea und der Krieg mit den Benjaminitern ( Kap.19-21 )
1. Die Schandtat an der Nebenfrau
des Leviten ( Kap.19 )
2. Der Krieg gegen den Stamm
Benjamin ( Kap.20 )
3. Die Erhaltung des Stammes
Benjamin ( 21,1-24 )
4. Der Charakter der Zeit der
Richter ( 21,25 )
AUSLEGUNG
I. Prolog: Ursachen, die den Tagen der
Richter vorangingen
( 1,1-2,5 )
Der eigentliche Bericht von den
heldenhaften Taten der Richter wird durch zwei einführende
Abschnitte eingeleitet ( Ri 1,1- Ri 2,5 und Ri 2,6- Ri 3,6 ).
Der zweite dieser Abschnitte, der die theologische Analyse der
Ära der Richter bildet, ist eigentlich der literarische Einstieg
zum übrigen Teil des Buches. Er wird aber selbst von einer
Einführung über den Hintergrund eingeleitet, der sowohl die
politisch-militärischen Grundzüge (die teilweise Eroberung
Kanaans durch Israel) als auch die religiös-geistlichen Faktoren
(der gebrochene Bund mit Jahwe durch Israel) belichtet.
Ein größeres Interpretationsproblem, das in
diesem Hintergrundabschnitt ( Ri 1,1-2,5 ) entsteht, ist das
chronologische Verhältnis zum Tod Josuas. Der Tod dieses großen
Führers (vorher beschrieben in Jos 24,29-31 ) wird in Ri 2,6-10
,speziell in Vers 8-9 zusammenfassend berichtet. Der Bericht ab
Ri 2,10 bezieht sich offensichtlich auf Begebenheiten, die von
der neuen Generation erlebt wurden, welche nach dem Tod Josuas
ins Erwachsenenalter kam. Doch was für eine Beziehung haben die
Ereignisse in Ri 1,1- Ri 2,5 zum Tod Josuas? Das Buch beginnt
mit der scheinbar unzweideutigen Aussage: "Nach dem Tode Josuas"
( Ri 1,1 ), der eine Reihe von Geschehnissen folgt, die
scheinbar mit der Besetzung Kanaans durch die Stämme in
Verbindung stehen. Doch wenn diese Ereignisse auf den Tod Josuas
folgten, warum wird dann Josuas Tod in Ri 2,8 geschildert?
Drei Antworten werden auf diese Fragen
gegeben. Einige Gelehrte meinen, daß alle Ereignisse in Ri 1,1-
Ri 2,5 nach dem Tode Josuas stattfanden und daß die zweite
Einleitung in Ri 2,6 eine erneute Wiederholung der Schilderung
seines Todes ist. Entsprechend dieser Ansicht beziehen sich
offensichtliche Parallelen zwischen Ri 1 und dem Buch Josua auf
zwei verschiedene Serien von Begebenheiten - die anfänglichen
militärischen Erfolge durch das Heer Israels unter der Führung
Josuas und die darauffolgende Inbesitznahme der von Josua
individuell zugeteilten Gebiete durch die Stämme. Diese Ansicht
stößt auf viele Schwierigkeiten, einschließlich der Tatsache,
daß, als alle Stämme Israels von Josua zusammengerufen wurden (
Jos 24,1 ), die Stämme aus ihren zugeteilten Erbteilen
zusammenkamen ( Jos 24,28 ), was darauf schließen läßt, daß
zumindest ein bedeutender Teil der Inbesitznahme durch die
Stämme bereits geschehen war ( Jos 15,13-19 ).
Eine zweite Ansicht betrachtet zumindest Ri
1,11-15 (Begebenheiten, die mit der Eroberung Debirs durch
Otniël in Verbindung gebracht werden) als Parallele zu Jos
15,16-19 .Dieser Ansicht nach beginnt die Erzählung in Ri 1 nach
dem Tod Josuas, wechselt jedoch (möglicherweise in V. 10 ) ins
Plusquamperfekt (die zeitliche Unterscheidung ist im hebr. vom
Kontext abhängig) und sollte z. B. "sie waren gezogen" (V. 10 )
lauten. Obwohl diese Ansicht möglich ist, scheint sie die
offensichtliche Reihenfolge, die sich im Kapitel ergibt, zu
unterbrechen.
Eine dritte Anschauung betrachtet die
eröffnende Aussage des Buches ("nach dem Tod Josuas") als
Überschrift des gesamten Buches der Richter und meint, daß die
wirklichen Ereignisse, die sich nach dem Tode Josuas abspielten,
nicht vor der Schilderung dieses Todesfalles in Ri 2,8 berichtet
werden. Diese Ansicht wirft weniger chronologische Probleme auf
und wird der Gedankenfolge in Kapitel 1 gerecht.
Welche Sicht auch immer angenommen wird, es
ist eindeutig, daß die Kriege der Inbesitznahme durch die Stämme
( Ri 1 ) nach den nationalen Kriegen der Eroberung unter Josua,
und dessen Zuteilung der Stammesgebiete, stattfanden. Die
Inbesitznahme dieser Gebiete durch die Stämme begann mit
Sicherheit vor Josuas Tod, ganz gleich, ob sich nun der Bericht
in Ri 1 auf diese Phase der Besetzung oder auf eine spätere
Phase nach seinem Tod bezieht.
A. Der politisch-militärische Hintergrund -
die teilweise Eroberung Kanaans durch Israel
( Ri 1 )
1. Der Erfolg Judas und Simeons bei der
Eroberung Südkanaans
( 1,1-20 )
a. Die göttliche Zusage der Vorrangstellung
Judas
( 1,1-2 )
Ri 1,1-2
Der Wunsch der Israeliten, die Kanaaniter
zu bekämpfen , harmonierte mit dem Befehl Josuas, die
zugeteilten Stammesgebiete zu besetzen ( Jos 18,3; 23,5 ).
Obwohl das Land von Gott gegeben und unter Josua erobert und von
ihm zugeteilt worden war, war es für jeden Stamm notwendig zu
kämpfen und die Kanaaniter, die noch verblieben waren, zu
vertreiben. Die Methode, durch die sie fragten und durch die der
HERR antwortete , wird nicht beschrieben, bezog jedoch
wahrscheinlich den Dienst des Hohepriesters bei der Stiftshütte,
entweder durch Gebrauch der heiligen (Lose) Urim und Thummim
(vgl. 2Mo 28,30; 4Mo 27,21; 1Sam 14,37-43 ) oder durch eine
verbale Form der göttlichen Leitung, mit ein. Die Erwählung
Judas durch Gott (die Namen der Söhne Jakobs in diesem Kapitel
beziehen sich auf Stammeseinheiten) zur militärischen
Überlegenheit entspricht der göttlichen Erhöhung Judas im Segen
des Patriarchen Jakob ( 1Mo 49,8 ). Zur Lage der 12 Stämme vgl.
die Karte "Die Aufteilung des Landes unter die 12 Stämme" zu Jos
14 .
b. Das Bündnis Judas mit Simeon
( 1,3 )
Ri 1,3
Das militärische Stammesbündnis Judas mit
Simeon war vernünftig, da das zugeteilte Erbe der Simeoniter an
der Südgrenze des Stammes Juda lag ( Jos 19,1-9 ). Außerdem
waren Juda und Simeon durch ihre Nachkommenschaft von Jakob und
Lea ( 1Mo 29,33-35 ) von Natur aus miteinander verbunden. Ihr
gemeinsamer Feind waren die Kanaaniter , hier wahrscheinlich als
allgemeiner Ausdruck für alle Bewohner Kanaans im Westgebiet des
Jordans gebraucht. Im speziellen Sinn bezieht sich der Ausdruck
"Kanaaniter" manchmal auf die Bewohner des Küstengebietes und
der Täler, wogegen die Bewohner des Hügellandes manchmal als
Amoriter bezeichnet werden ( 4Mo 13,29; vgl. Ri 1,34-36; 3,5 ).
c. Der von Gott geschenkte Sieg bei Besek
( 1,4-7 )
Ri 1,4-7
Der Herr gab Juda den Sieg, als sie gegen
die Kanaaniter und Perisiter kämpften. Die letztere Gruppe wird
wahrscheinlich ein einheimischer Stamm der Kanaaniter gewesen
sein. Der Ausdruck kann jedoch auch eher sozial als ethnisch zu
verstehen sein und sich auf "Dorfbewohner" beziehen. Juda schlug
10 000 Männer bei Besek , wahrscheinlich demselben Besek (dem
heutigem Khirbet Ibziq) in Manasse, südlich vom Berg Gilboa, wo
Saul seine Armee sammelte, um die Ammoniter bei Jabesch in
Gilead anzugreifen ( 1Sam 11,8-11 ). Adoni-Besek ist
wahrscheinlich eine Bezeichnung, die "Prinz von Besek" bedeutet.
Wie dem auch sei, einige Gelehrte verbinden diesen Namen mit
Adoni-Zedek, einem König Jerusalems ( Jos 10,1.3 ). Der
barbarische Akt, bei dem ihm die Israeliten seine Daumen und
dicken Zehen abhackten , war von Gott weder befohlen noch
empfohlen worden; trotzdem wurde er von Adoni-Besek als
göttlicher Racheakt verstanden, da er das gleiche mit 70 Königen
getan hatte (wahrscheinlich auf eine lange Zeit verteilt). Auch
wenn dieser Akt nach heutigen Gesichtspunkten barbarisch war, so
war er doch wirkungsvoll, da der Verlust der Daumen es
erschwerte, eine Waffe zu halten, und der Verlust der großen
Zehen im Kampf beim Laufen hinderte. Da es die Hauptfunktion
eines Königs war, im Kampf anzuführen (vgl. 2Sam 11,1 ),
disqualifizierte ihn diese Verstümmelung von der weiteren
königlichen Amtsausübung. Sein eigenes Volk brachte ihn zum
wichtigen kanaanitischen Stadtstaat Jerusalem , damit er dort
seine Tage verbrachte.
d. Der erfolgreiche Angriff auf Jerusalem
( 1,8 )
Ri 1,8
Judas anfänglicher Erfolg bei der
Zerstörung Jerusalems bezieht sich wahrscheinlich nur auf den
unbefestigten Südwesthügel (dem heutigen Berg Zion). Jedenfalls
versagte Juda darin, die Jebusiter völlig zu verjagen (vgl. Jos
15,63 ), und auch die Benjaminiter waren nicht erfolgreicher (
Ri 1,21 ).
e. Der Feldzug Judas im Süden und im Westen
( 1,9-20 )
(1) Zusammenfassung des Feldzuges
Ri 1,9
Das Gebiet Kanaans, das südlich von
Jerusalem liegt und zum Erbteil des Stammes Juda gehört
(einschließlich Simeon), teilt sich geographisch in das
Hügelland (dem zentralen Bergzug, der sich an der Bergstraße von
Jerusalem nach Hebron hinzieht), den Negeb (der semiariden
Übergangsregion, die östlich und westlich von Beerscheba
verläuft) und das westliche Vorgebirge (wörtl.: "die Schefela"),
das zwischen dem Hügelland und der Küstenebene liegt (die erst
in V. 18 - 19 erwähnt wird).
Ri 1,10
(2) Die Eroberung Hebrons
Der frühere Name Hebrons (was "Bündnis"
bedeutet) war Kirjat-Arba (was "Vierstadt" bedeutet und
möglicherweise auf ein früheres Bündnis von vier Städten
schließen läßt), obwohl es manche mit Arba, dem Vater Anaks, der
die Stadt gegründet haben soll, in Verbindung bringen (vgl. Jos
14,15; 15,13; 21,11; Ri 1,20 ). Hebron liegt ungefähr 30 km süd-
bis südwestlich von Jerusalem in einem Tal, das 850 m über dem
Meeresspiegel liegt. Hebron war Abraham wohlbekannt gewesen (
1Mo 13,18 ) und wurde später die Hauptstadt Judas während der
ersten siebeneinhalb Jahre der Regierung Davids ( 2Sam 5,5 ).
Die Volksstämme Scheschai, Ahiman und Talmai , die von Anak
abstammten (vgl. Ri 1,20; Jos 15,14 ) und Eingeborene des
südlichen Hügellandes waren ( 4Mo 13,22.28; Jos 11,21-22 ),
wurden von den Männern Judas in oder bei Hebron aufgerieben.
Entweder bei dieser oder bei einer vorhergehenden Gelegenheit
war Kaleb der Anführer bei der Eroberung Hebrons ( Ri 1,20; vgl.
Jos 15,14 ).
Ri 1,11-15
(3) Die Eroberung Debirs
Die strategische, königliche
Kanaaniterstadt Debir (vgl. Jos 10,38; 12,13 ) wurde früher von
Gelehrten mit Tell Beit Mirsim identifiziert, das ungefähr 18 km
westlich bis südwestlich von Hebron liegt. Neuerdings wird es
jedoch mit Khirbet Rabud gleichgesetzt, das 13 km südwestlich
von Hebron liegt. Es ist nicht bekannt, warum ihr früherer Name
Kirjat Sefer (was "Stadt des Schreibens" bedeutet) lautete.
Kaleb war Hebron von Mose versprochen worden, weil er einer der
zwei treuen Kundschafter gewesen war, die aus Kanaan
wiederkehrten ( 4Mo 14,24; Jos 14,6-15; Ri 1,20 ). Debir scheint
ebenfalls Kaleb zugeteilt worden zu sein, doch nachdem dieser
Hebron erobert hatte, beauftragte er andere Führer mit dem
Angriff auf Debir. Er tatdies mit dem Angebot, demjenigen seine
Tochter Achsa zur Frau zu geben , der die Eroberung Debirs
vollbringen würde. OtniÙl , Kalebs jüngerer Bruder (oder
"Neffe", wenn "jüngerer Bruder" sich auf Kenas bezieht),
eroberte die Stadt und zugleich das Herz Achsas.
Wenn Kenas der Name von Otniëls Vater
gewesen ist, so mag dieser dieselbe Mutter wie Kaleb gehabt
haben, dessen Vater "Jefunne, der Kenasiter" war ( 4Mo 32,12 ).
Oder "Sohn des Kenas" bedeutet vielleicht "Kenasiter" (ein
Edomiterstamm, der sich mit dem Stamm Juda verbündete; vgl. 1Mo
36,11 ). Kaleb und Otniël würden auch dann noch Judäer gewesen
sein, wenn ihre Mutter vom Stamme Juda gewesen wäre. Otniëls
Belohnung war der Verzicht auf das übliche Geschenk an die
Familie der Braut. Er drängte Achsa, ein Stück Land von Kaleb zu
fordern, und sie selbst forderte Wasserquellen als Brautsegen
(besondere Gunst) von ihrem Vater. Seine großzügige Antwort war
das Geschenk der oberen und unteren Quellen . Es ist
erwähnenswert, daß die Wasserversorgung in Khirbet Rabud während
der Trockenzeit allein von den oberen und unteren Brunnen von
�ԤAlaqa, die ungefähr 3 km nördlich von diesem Ort
lagen, abhing.
Ri 1,16
(4) Der Wohnort der Keniter
Die Keniter waren ein Nomadenvolk, das mit
den Amalekitern (vgl. 1Sam 15,6 ) und den Midianitern (vgl. 2Mo
18,1 mit Ri 1,16 ) verwandt war. Moses Schwiegervater Jitro war
ein midianitischer Priester (vgl. 2Mo 18,1 ). Die Palmenstadt
war die Oase von Jericho ( 5Mo 34,3; Ri 3,13 ). Das Volk der
Wüste Juda mögen die Amalekiter gewesen sein. Arad (vgl. 4Mo
21,1-3 ) ist das heutige Tell Arad, 26 km südlich von Hebron,
obwohl einige Gelehrte das alte kanaanitische Arad mit Tel
el-Milh identifizieren, das weitere 13 km in Richtung Südwesten
liegt.
Ri 1,17
(5) Die Eroberung Hormas
Die Judäer standen den Simeonitern (vgl. V.
3 ) beim Angriff auf eine ihrer zugeteilten Städte namens Zefat
(vgl. Jos 19,4 ) bei, von der man vermutet, daß es sich um Tel
Masos/Khirbet el-Meshash, ungefähr 11 km östlich von Beerscheba,
handelt. Sie war schon vorher eingenommen worden ( 4Mo 21,2-3 ),
doch nun wurde sie völlig zerstört . Mit "völlig zerstört" wird
das hebräische HAram übersetzt, das einen heiligen Krieg
bezeichnet, in dem eine Stadt und ihre Bewohner mit der völligen
Vernichtung "gebannt" wurden (vgl. Kommentar zu Jos 6,21 ). Dies
spiegelt sich in dem Namen, der dieser Stadt gegeben wurde,
wider - Horma (was "Verbannung" oder "Vernichtung" bedeutet).
Ri 1,18
(6) Der Sieg über Küstenstädte
Die Städte Gaza, Askalon und Ekron (später
mit Aschdod und Gat im Fünfstädtebund (Pentapolis) der Philister
verbunden) lagen in der Küstenebene. Daß Juda diese Städte
einnahm , wird von der Septuaginta bestritten: "nahm nicht ein".
Diese Übersetzung wurde vielleicht von der Aussage in Vers 19 ,
daß sie die Bewohner der Ebene nicht vertreiben konnten,
beeinflußt. Dies verneint jedoch nicht den anfänglichen Sieg
Judas über die Städte; es bedeutet nur, daß die Männer Judas die
Bewohner nicht hinaustreiben und die Städte bewohnen konnten.
Ri 1,19
(7) Die beschränkte Einnahme eroberter
Städte
Als Juda das Hügelland einnahm, war der
Herr mit ihnen (vgl. V. 22 ). Die angegebene Ursache für ihr
Unvermögen, die Völker der Ebene zu vertreiben , war nicht die
Abwesenheit des Herrn, sondern die eisernen Wagen der Feinde,
die von den Philistern um ca. 1200 v. Chr. eingeführt wurden.
Doch der Autor berichtet später von Gottes Ermahnung ( Ri 2,2-3
), die die unvollständige Vertreibung der Völker des Landes auf
Israels Ungehorsam gegenüber dem mosaischen Bund zurückführt.
Ri 1,20
(8) Die Zuteilung Hebrons an Kaleb
Diese zusammenfassende Aussage verbindet
die Eroberung Hebrons (V. 10 ) mit der Einnahme dieser Stadt
durch Kaleb , wie es von Mose versprochen worden war (vgl. 4Mo
14,24; 5Mo 1,36; Jos 14,9; 15,13 ). Wahrscheinlich war Kaleb der
Anführer der Männer Judas bei der Niederwerfung der drei
Familien Anaks ( Ri 1,10.20 ).
2. Das Versäumnis Benjamins, die Jebusiter
zu vertreiben
( 1,21 )
Ri 1,21
Jerusalem lag an der Grenze zwischen Juda
und Benjamin. Als Folge des teilweisen und/oder zeitlich
beschränkten Sieges Judas über Jerusalem (V. 8 ) fuhren die
Jebusiter , die von den Benjaminitern nicht verdrängt werden
konnten, bis zur Zeit Davids fort, auf dem befestigten
Südosthügel zu wohnen ( 2Sam 5,6-9 ). Die Jebusiter waren die
kanaanitischen Bewohner der Stadt, die auch Jebus genannt wurde
( Ri 19,10-11 ).
3. Der Teilerfolg des Hauses Josef bei der
Besetzung Zentralkanaans
( 1,22-29 )
a. Der Erfolg des vereinten Hauses Josef
bei der Eroberung Bethels
( 1,22-26 )
Ri 1,22-26
Der Schlüssel zum Sieg des Hauses Josef (d.
h. Ephraim und Manasse; vgl. 1Mo 48 ) über die Stadt Bethel war,
daß der HERR mit ihnen war (vgl. Ri 1,19 ). Ihr Glaube an Jahwe
und ihr Gehorsam gegenüber seinen Anordnungen über die
Inbesitznahme Kanaans brachte einen Sieg von Gott. Dagegen
zeigte ihr Versagen bei der Vertreibung der Kanaaniter aus
anderen Städten, das in Vers 27-29 erwähnt wird, einen
wachsenden Ungehorsam und Mangel an Glauben (vgl. Ri 2,1-5 ).
Bethel ("Haus Gottes"), eine Stadt mit einer großartigen
israelitischen Geschichte (z. B. 1Mo 12,8; 28,10-22; 35,1-15 ),
lag an der Grenze zwischen Ephraim und Benjamin, im zentralen
Gebirge, 17 oder 20 km nördlich von Jerusalem. Es lag
strategisch an der Nord-Süd-Handelsstraße und an der Kreuzung
des Verkehrs von der Mittelmeerküste im Westen und vom Jordantal
nach Jericho im Osten. Bethel wurde allgemein mit dem heutigen
Beitin, das 19 km nördlich von Jerusalem liegt, gleichgesetzt,
obwohl einige Funde für el-Bireh sprechen, das 3 km südlicher
liegt (vgl. David Livingston: "Location of Biblical Bethel and
Ai Reconsidered", Westminster Theological Journal 33. November
1970:20 - 44; und "Traditional Site of Bethel questioned",
Westminster Theological Journal 34. November 1971:39 - 50).
Als die Kundschafter , die ausgesandt
wurden, um Bethel zu erkunden, keinen verborgenen Eingang zur
Stadt finden konnten, versprachen sie einem Bewohner, der den
benötigten Zugang verriet, die Verschonung. Nach der
Niederwerfung der Stadt nahm dieser Mann seine Familie mit sich
nach Nordsyrien (d. h. dem Land der Hetiter ; vgl. Jos 1,4 ),
das vielleicht die Heimat seiner Vorfahren war, wo er eine Stadt
mit dem Namen Lus gründete, die er nach dem früheren Namen
Bethels benannte ( Ri 1,23 ).
b. Das Versagen Manasses bei der Einnahme
Südjesreels
( 1,27-28 )
Ri 1,27-28
Die Entschlossenheit der Kanaaniter, in den
Schlüsselstädten zu verharren, die das Tal Jesreel bewachten,
war stärker als der Glaube des Stammes Manasse , sie zu
vertreiben. Israels Kompromiß, die Kanaaniter zum Frondienst zu
zwingen (vgl. V. 30.33.35 ), bezeugte den unvollständigen
Gehorsam, der, wie es im Rest des ersten Kapitels gesagt wird,
für mehrere Stämme charakteristisch war. Die Städte werden nicht
in der genauen geographischen Reihenfolge aufgezählt, die
folgendermaßen gewesen wäre (von Ost nach West): Bet-Schean,
strategisch östlich des Harodtals gelegen; Jibleam ... Taanach
und Megiddo , die die Haupteingänge zum Tal Jesreel bewachten,
und Dor , das an der Südseite des Berges Karmel lag.
c. Das Versäumnis Ephraims, die Kanaaniter
aus Geser zu vertreiben
( 1,29 )
Ri 1,29
Geser lag strategisch an der Südwestgrenze
Ephraims am Eingang zum Tal Ajalon. Es bewachte die Gabelungen
der Ostzweigung der Küstenhauptstraße und der Hauptstraße von
Osten nach Westen durch das Ajalontal nach Jerusalem oder
Bethel. Wie Manasse weiter nördlich, erlaubte auch Ephraim den
Kanaanitern ... unter ihnen zu wohnen (vgl. V. 27.28 ).
4. Das Versagen der israelitischen Stämme
in Nordkanaan
( 1,30-33 )
a. Sebulons Versäumnis, die Kanaaniter zu
vertreiben
( 1,30 )
Ri 1,30
Der unvollständige Gehorsam Sebulons
ähnelte dem Manasses und Ephraims, denn auch sie zwangen die
Kanaaniter Kitrons und Nahalols, für sie zu arbeiten . Diese
noch nicht identifizierten Städte mögen am Nordwestende des
Tales Jesreel gelegen haben.
b. Assers Versäumnis, die Kanaaniter zu
vertreiben
( 1,31-32 )
Ri 1,31-32
Der größere Ungehorsam Assers drückt sich
darin aus, daß das Volk Asser mitten unter den kanaanitischen
Einwohnern des Landes lebte , anstatt diejenigen, denen sie
erlaubten, bei sich zu leben, unter Zwangsarbeit zu stellen, wie
es Manasse und Sebulon getan hatten (vgl. V. 28.30 ). Die
Kanaaniterstädte, die in Vers 31 aufgezählt werden, lagen in dem
Gebiet, das später als Phönizien bekannt wurde.
c. Naftalis Versäumnis, die Kanaaniter zu
vertreiben
( 1,33 )
Ri 1,33
Auch der Stamm Naftali wohnte unter den
kanaanitischen Einwohnern des Landes, obwohl sie aus denen, die
in Bet-Schemesch und Bet-Anat wohnten, Zwangsarbeiter machten
(vgl. V. 29-30.35 ). Orte im oberen wie auch im niederen Galiläa
wurden bereits mit diesen Städten gleichgesetzt.
5. Die Verdrängung Dans aufs Gebirge durch
die Amoriter
( 1,34-36 )
Ri 1,34-36
Die Amoriter (vgl. Kommentar zu V. 3 )
ermöglichten es den Danitern nicht, in die Ebene
hinunterzugelangen , obwohl die Daniter sie in den Städten der
Schefela eine Zeitlang unter Zwangsarbeit stellten. Daß die
Amoriter die Daniter insgesamt ins Hügelland verdrängten, führte
zur Wanderung der Daniter nach Lajisch, nördlich des Sees von
Galiläa (vgl. Ri 18 ), da das eingeschränkte Stammesterritorium
Dans nur wenig mehr als 6 km von Ajalon im Westen am Eingang zum
Hügelland bis zur Grenze Dans zu Benjamin im Osten lag.
Richter
B. Der religiös-geistliche Hintergrund -
der Bund des Herrn wird von Israel gebrochen
( 2,1-5 )
1. Die Drohung durch den Engel des Herrn
( 2,1-3 )
Ri 2,1 a
Der Engel des HERRN (hebr. Jahwe ) kam von
Gilgal nach Bochim herauf . Der Engel des Herrn war nicht
einfach "ein Engel"; er war eine Theophanie - eine Erscheinung
der zweiten Person der Dreieinigkeit in sichtbarer und
körperlicher Form vor der Fleischwerdung. Diese göttliche
Offenbarung, die zur Zeit Moses ( 2Mo 3,2-15; 4Mo 22,22-35 ) und
Josuas ( Jos 5,13-15 ) häufig vorkam, trat auch zur Zeit der
Richter, bei Gideon ( Ri 6,11-24 ) und den Eltern Simsons, ( Ri
13,3-24 ) in Erscheinung. Der Engel des Herrn war göttlich, denn
er wurde Jahwe (z. B. Jos 5,13-15; Ri 6,11-24; Sach 3 ) und Gott
(z. B. 1Mo 32,23-33; 2Mo 3,4 ) genannt und hatte göttliche
Eigenschaften und Privilegien (vgl. 1Mo 16,13; 18,25; 48,16 ).
Also war dieser Botschafter des Herrn ein Teil Jahwes, was auf
eine Mehrzahl von Personen innerhalb der Gottheit schließen läßt
(vgl. 4Mo 20,16; Sach 1,12-13 ). Andeutungen im Neuen Testament
lassen annehmen, daß der Engel des Herrn im Alten Testament
Jesus Christus war (vgl. Joh 12,41; 1Kor 10,4; Joh 8,58; Hebr
11,26 ).
"Gilgal" war der Ort, an dem die Israeliten
zuerst lagerten, nachdem sie den Jordan überquert hatten. Dort
wurden sie beschnitten und zum Glauben und Gehorsam des Bundes
geweiht ( Jos 5,2-12 ). Gilgal lag nahe bei Jericho und könnte
vielleicht mit Khirbet al-Mafjar, ungefähr zweieinhalb Kilometer
nordöstlich des alttestamentlichen Jericho, identifiziert
werden. Die "Klageeiche" in der Nähe von Bethel ( 1Mo 35,8 )
wurde als der Ort "Bochim" ("Klagende") angenommen, doch ist
diese Lage noch umstritten.
Ri 2,1-2 (Ri 2,1b-2)
Der Engel des Herrn sprach offensichtlich
als Jahwe selbst, denn er gebrauchte die Bundesformel, als er
sich auf seine heilsamen Gnadenerweise beim Auszug aus Ägypten
und auf die gnadenvolle Festsetzung des mosaischen Bundes bezog
(vgl. 2Mo 19,4; 20,2; Jos 24,2-13 ). Er trug noch einmal das
göttliche Verbot bezüglich kanaanitischer Verbündungen ( du
sollst mit den Bewohnern dieses Landes keinen Bund schließen )
und Götzendienstes ( du sollst ihre Altäre niederreißen ; vgl.
2Mo 23,32-33; 34,12-16; 4Mo 33,55; 5Mo 7,2.5.16; 12,3 ) vor.
Dann sprach der Engel als Jahwe die Tatsache des Ungehorsams
Israels aus (vgl. das Bündnis mit den Gibeonitern, Jos 9; und
das Verbleiben der Kanaaniter in Zwangsarbeit, Ri 1,28.30.33.35
). Gott bekräftigte seinen Vorwurf des Ungehorsams an Israel mit
einer Frage, die sie zur Besinnung führen sollte: Warum habt ihr
das getan? (Andere Übers.: "Schaut an, was ihr getan habt!")
Ri 2,3
Wegen Israels Ungehorsam wurde die
göttliche Unterstützung, durch die Israel die Kanaaniter
hinausgejagt hätte, zurückgehalten (vgl. Ri 2,20- Ri 3,6 ).
Vermischung mit den Kanaanitern durch Heirat führte zur Duldung
und sogar zur Teilnahme an ihrem Götzendienst. Die Art ihres
Ungehorsams, mit dem sie den göttlichen Zorn hervorriefen, fiel
auf sie in der Strafe, die ihnen auferlegt wurde, zurück. Der
Fallstrick des kanaanitischen Götzendienstes leitete den
Kreislauf in der Richterzeit ein.
2. Die Reaktion des Volkes Israel
( 2,4-5 )
Ri 2,4-5
Das Weinen der Israeliten hinterließ nicht
viel mehr als den Namen des Ortes ( Bochim : "klagen, weinen"),
denn es brachte offensichtlich keine wahre Buße zum Ausdruck, da
das Volk sich nicht permanent von seinem Ungehorsam abkehrte.
Die Opfer, die dem Herrn in Bochim dargebracht wurden, scheinen
eher ein äußerliches Ritual als ein Ausdruck wahren Glaubens
gewesen zu sein.
II. Dokumentation: Fälle, die der
Amtshandlung eines Richters bedurften
( 2,6-16,31 )
A. Einführung zur Geschichte der Richter
( 2,6-3,6 )
Dieser Abschnitt beantwortet weiterhin die
Frage, warum einige heidnische Nationen in dem Land belassen
wurden. Während Ri 1,1-2,5 eine geschichtliche Einführung zu
diesem Buch bildet, ist dieser Abschnitt eine literarische
Einführung zu den Handlungen der Richter, die von den sich
wiederholenden Zyklen der Geschichte erzählt, die die Situation
schufen, die während der Amtszeiten der Richter vorhanden war.
1. Zusammenfassung des Todes Josuas
( 2,6-10 )
Ri 2,6-9
entspricht Jos 24,29-31 und verbindet somit
den Schluß des Buches über die Eroberung unter Josua mit dem
Buch, das von den Taten der Richter berichtet.
a. Israels Jahre des Gehorsams vor und nach
dem Tode Josuas
( 2,6-7 )
Ri 2,6-7
Josuas Entlassung Israels (vgl. Jos 24,28 )
scheint direkt der Bundeserneuerungszeremonie bei Sichem, wie
sie in Jos 24,1-27 beschrieben wird, gefolgt zu sein. Von Sichem
aus sollte jeder Stamm zu seinem eigenen Erbteil zurückkehren,
um die Inbesitznahme des Landes zu vervollständigen, die
ansässigen Einwohner zu vernichten und die heidnischen Altäre zu
zerstören. Dies wurde im allgemeinen eingehalten, weil das Volk
zur Lebzeit Josuas und der Ältesten, die ihn überlebten, dem
HERRN diente (vgl. Jos 24,31 ). Dieser Dienst war eine
glaubensvolle Antwort auf all die großen Dinge, die der Herr
beim Auszug aus Ägypten, bei den Wüstenwanderungen und dem
Beginn der Eroberung des Landes für Israel getan hatte.
b. Josuas Begräbnis
( 2,8-9 )
Ri 2,8-9
Im Gegensatz zu Mose (vgl. Jos 1,1-9; 4Mo
27,12-23 ) starb Josua , ohne einen Nachfolger zu bestimmen, was
die Zeit der Richter vorbereitete. Josuas Nachruf, der ihn als
den Knecht des HERRN kennzeichnete, verband ihn mit anderen
theokratischen Diener-Herrschern (Mose, Jos 1,1; die Könige,
2Sam 3,18; 2Chr 32,16; und der verheißene Messias, Jes 52,13;
53,11 ).
Im Alter von 110 Jahren starb Josua und
wurde bei Timnat-Heres begraben (auch als Timnat-Serach bekannt,
Jos 19,50; 24,30 ), das traditionell mit Tibne, ungefähr 29 km
nordwestlich von Jerusalem, gleichgesetzt wird.
c. Das Aufkommen einer neuen treulosen
Generation
( 2,10 )
Ri 2,10
Die neue Generation Israels, die nach ihren
treuen Vätern aufkam, wurde durch ihre Treulosigkeit gegenüber
dem Herrn gekennzeichnet. Daß sie weder den HERRN kannten noch
was er für Israel getan hatte , könnte auf das Versäumnis der
älteren Generation zurückzuführen sein, ihnen Gottes Taten zu
vermitteln (vgl. 5Mo 6,7 ). Doch das Wort "kannte" hat
möglicherweise die Bedeutung von "anerkennen" (vgl. Spr 3,6 ,wo
"kennen" manchmal mit "anerkennen" übersetzt wird), was eher auf
Unglauben als auf Unwissenheit schließen ließe. Sie wiesen
sowohl des Herrn Güte ihnen gegenüber als auch ihre Pflichten,
die sie ihm gegenüber hatten, zurück. Dies führte zum
Götzendienst, wie er in den folgenden Versen beschrieben wird.
2. Der Zustand zur Zeit der Richter
( 2,11-19 )
Die Geschichte dreier Generationen wird in
diesen Versen wiedergegeben. Der Autor belichtet einen sich
wiederholenden Kreislauf von Ereignissen zur Zeit der Richter
(sehr deutlich im Bericht über Otniël in Ri 3,7-11 dargestellt):
(a) die Sünde oder Auflehnung Israels durch Götzendienst oder
Abfall ( Ri 2,11-13.17; 3,7.12; 4,1; 6,1; 10,6; 13,1 ), (b) die
Knechtung Israels unter fremde Völker als Strafe des Herrn ( Ri
2,14-15; 3,8 ), (c) das Flehen um Gnade oder die Buße Israels (
Ri 3,9 a; vgl. Ri 2,18 ), (d) die Errettung (militärische
Befreiung) und Wiederherstellung der Gunst durch einen mit dem
Geist ausgerüsteten Befreier (Richter Ri 2,16 - 18; 3,9 b - Ri
3,10 ) und (e) eine Zeit der Stille , in der das Volk und das
Land Ruhe hatten (d. h. Beendigung des Krieges; Ri 3,11 ). Doch
schon nach kurzer Zeit ging die Ereigniskette wieder von vorne
los. Dies war nun allerdings mehr als ein Kreislauf; es war
vielmehr eine abwärtsgerichtete Spirale (vgl. Ri 2,19 ).
a. Die Sünde oder Treulosigkeit der
Israeliten
( 2,11-13 )
Ri 2,11-13
Israels Sünde drückt sich in seinem
Lossagen vom Herrn aus, der es aus Ägypten herausgebracht hatte,
und in seinem Dienst oder der Anbetung der vielen Götzen der
Völker, die es umgaben (V. 12 ), die als die Baale (V. 11 ) oder
als Baal und die Astarten (V. 13 ) bezeichnet wurden. Das Wort
"Baal", das "Herr" oder "Ehemann" bedeuten kann, entspricht der
Übereinstimmung von Götzendienst mit geistlicher Hurerei (vgl.
V. 17 ). "Baal" war der kanaanitische Name für den syrischen
Gott Hadad, den Gott des Sturmes und der Kriege. Der Plural
"Baale" ( b+ZAlIm ) deutet auf die zahlreichen Variationen der
Verehrung Baals hin (vgl. Baal-Peor, 4Mo 25,3; Baal-Gad, Jos
11,17; Baal-Berit, Ri 9,4; Baal-Sebub, 2Kö 1,2 ). In Kanaan war
die Göttin Astarte die Gemahlin Baals, welche in Syrien als
`Athtart und in Babylonien als Ischtar bekannt war (vgl. den
Kommentar zur Göttin Aschera, die in Ri 3,7 erwähnt wird).
Astarte war die Göttin der Fruchtbarkeit. Der Baalsgötzendienst
beinhaltete die widerlichsten Ausschweifungen, die man sich nur
vorstellen kann.
b. Die Unterwerfung und Knechtung der
Israeliten
( 2,14-15 )
Ri 2,14-15
Der Zorn des Herrn war seine gerechte
Antwort auf Israels Sünde und geistliche Hurerei. Das
schauerliche Bild eines Sklavenhändlers ( er verkaufte sie an
ihre Feinde ) veranschaulicht die Ernsthaftigkeit des göttlichen
Mißfallens, die der Herr in der Bestrafung seines Volkes
manifestierte. Diese Feinde wohnten rings um ganz Israel, was
durch die zahlreichen Räuber, die sie während der Tage der
Richter überfielen und ausplünderten, illustriert wurde. Das
Fallen Israels in die Hände seiner Feinde (V. 15 ; vgl. 3Mo
26,17; 5Mo 28,25.48 ) war der Verdienst der Hand des Herrn und
die Antwort auf die vorhergehende Warnung, mit der er ihnen
gedroht hatte. Ps 106,34-42 ist eine poetische Umschreibung von
Ri 2,11-15 .Wegen seiner Niederlagen im Kampf war Israel in
große Knechtschaft geraten.
c. Die Befreiung durch Richter
( 2,16-19 )
Diese einleitende Zusammenfassung des
"Zustandes" in Israel in den Tagen der Richter enthält nicht
genau die Art und Weise, auf die Israel "zum Herrn schrie". Dies
ist jedoch ein ständig wiederkehrender Teil des Kreislaufs in Ri
3,9.15; 4,3; 6,6-7; 10,10 .Das Flehen mag so ausgesehen haben
wie in Ri 2,18 ,wo sie unter denen wehklagten, die sie
unterdrückten und knechteten.
Ri 2,16
Diese zusammenfassende Beschreibung führt
die Befreiung auf Richter zurück, die der HERR erweckte, um
Israel aus den Händen dieser Räuber zu befreien .
Ri 2,17
Es ist nicht eindeutig, ob sich Vers 17 auf
fortbestehenden Götzendienst selbst in der Ruheperiode während
der Lebenszeit eines jeden Richters bezieht, oder ob er die Zeit
der Richter als Ganzes beleuchtet und sich auf die neue Periode
des Ungehorsams nach jedem Ableben eines Richters bezieht. In
jedem Fall wird Israels Sünde bezeugt - sie trieben Hurerei mit
anderen Göttern und kehrten sich ab vom Weg des Gehorsams
gegenüber den Geboten des HERRN . Da die Praktiken der
Götzenanbeter, die den kanaanitischen Fruchtbarkeitsgöttern
dienten, sexuelle Prostitution einbezog, ist der Ausdruck: "sie
trieben Hurerei" sowohl wörtlich als auch bildlich gemeint.
Ri 2,18-19
Hatte Gott einmal einen Richter erweckt ,
so dauerte dann auch die Befreiung für den Rest des Lebens
dieses Richters an, denn der HERR hatte Erbarmen mit seinem
Volk. Doch wenn der Richter starb , trat Israel erneut seine
abwärtsweisende Spirale mit ständiger Verschlimmerung an und
beschritt Wege, die noch schlimmer waren als die der
vorhergehenden Generation. (Die "Väter" in V. 17 scheinen sich
auf die gehorsame Generation in den Tagen Josuas zu beziehen,
wogegen sich die Väter in V. 19 auf die vorhergehende Generation
beziehen.)
3. Die Folgen des Vertragsbruches
( 2,20-23 )
Ri 2,20-23
Dieser Abschnitt beschließt zusammen mit
dem folgenden (der die feindlichen Nationen, die noch im Lande
verblieben, auflistet; Ri 3,1-6 ), die theologische Analyse der
Zeit der Richter. Während sich das Muster in Ri 2,11-19 auf
Nachbarvölker bezieht, die in das Land kamen und viele Stämme
Israels ausplünderten, bezieht sich Ri 2,20-3,6 auf
kanaanitische Völker, die bereits im Land waren, und die Israel
aus Mangel an Glauben und Gehorsam zu vertreiben versäumt hatte.
Der Herr erlaubte den kanaanitischen
Nationen aus vier Gründen, im Lande zu verbleiben: (1) Er
beschloß, die Israeliten für ihren Abfall, bei dem sie sich dem
Götzendienst zugewandt hatten, zu bestrafen ( Ri 2,2.20-21; vgl.
Jos 23,1-13 ). Dadurch, daß sie sich mit den Völkern des Landes
durch Heirat und fortwährenden Götzendienst einsmachten (vgl. Ri
3,6 ), übertraten die Israeliten den Bund, den der Herr ihren
Vorvätern gegeben hatte (vgl. Jos 23,16 ). Aus diesem Grunde
würde Gott, wie er es versprochen hatte ( Jos 23,4.13 ), die
Nationen, die Josua zurückgelassen hatte, als er starb, nicht
mehr länger vor ihnen hinausjagen . (2) Der Herr beließ die
Kanaaniter im Lande, um die Treue Israels ihm gegenüber zu
prüfen ( Ri 2,22; 3,4 ). Dies gab jeder Generation die
Möglichkeit, den Weg des HERRN einzuhalten (vgl. der Weg des
Gehorsams, Ri 2,17 ) oder die Auflehnung der direkten Vorfahren
fortzuführen. (3) Der Herr beließ die Kanaaniter im Land, um
Israel Erfahrung im Kampf zu geben (vgl. den Kommentar zu Ri 3,2
). (4) Ein weiterer Grund wird in 5Mo 7,20-24 genannt, nämlich
um zu verhindern, daß das Land verwilderte, bevor die
Bevölkerung Israels groß genug war, um das ganze Land zu
bewohnen.
4. Die im Land übriggebliebenen Völker
( 3,1-6 )
Ri 3,1-2
Die Liste der übriggebliebenen Nationen
wird mit zwei der Gründe, weswegen der Herr ihnen erlaubte, im
Land zu verbleiben, eingeleitet - um die Israeliten zu prüfen
(bereits vorher in Ri 2,22 erwähnt; vgl. Ri 3,4 ) und um den
Nachkommen der Israeliten, die keine Kriegserfahrung hatten, d.
h. keine Erfahrung in der Methode des "heiligen Krieges", wie er
während der Eroberung des Landes von Josua durch geführt worden
war, das Kämpfen zu lehren. "Kriegsführung" bedeutet also wohl
nicht nur einfach "kämpfen können", sondern erfolgreich in der
Abhängigkeit vom Herrn, der den Sieg schenkt, kämpfen können.
Ri 3,3
Diese Liste, und auch die Liste in Vers 5 ,
erwähnt die Kanaaniter und die Hiwiter. Die Kanaaniter sind
diejenigen Völker, die in Ri 1,27-33 erwähnt werden. Die Hiwiter
hält man für die Horiter, die früher mit dem oberen
mesopotamischen Königreich Mittani in Verbindung gebracht
wurden. Die Horiter, die zu Josuas Zeiten wohlbekannt waren,
waren die Gibeoniter, die eine Stadtstaatenkonföderation, zu der
auch Gibeon gehörte, besaßen ( Jos 9,7.17 ). Die Hiwitervölker,
die hier aufgezählt werden, lebten in den Bergen des Libanon vom
Berg Baal-Hermon bis Lebo Hamat (wahrscheinlich dem heutigen
Lebweh im Tal Beqaa, 22,5 km nordöstlich von Baalbek). Die
Philister , die als Pentapolis (Bund von fünf Städten)
organisiert waren, bewohnten die südlichen Küstenstädte Aschdod,
Askalon, Ekron, Gat und Gaza. Aufgrund der Bekanntheit der Stadt
Sidon zu jener Zeit wurde das kanaanitische Volk, das als die
Phönizier bekannt wurde, auch Sidonier genannt.
Ri 3,4
Dies ist das dritte Mal, daß die Absicht
des Herrn, die Israeliten zu prüfen , genannt wird (vgl. Ri
2,22; 3,1 ).
Richter
Ri 3,5-6
Die Israeliten beschritten in ihrer
kulturellen Anpassung an das Heidentum drei Stufen: (a) sie
wohnten unter den Kanaanitern , (b) sie verheirateten sich mit
ihnen, und (c) sie dienten ihren Göttern . Jede dieser Stufen
führt auf natürlichem Weg zur nächsten. Die sich daraus
ergebende Entfernung vom Herrn wurde bereits mehrere Male in
Verbindung mit der Unterdrückung durch fremde Räuber beschrieben
( Ri 2,11-19 ). (Zu den Kanaanitern und Hiwitern vgl. den
Kommentar zu Ri 3,3; zu den Hetitern siehe Kommentar zu Ri 1,26;
zu den Amoritern vgl. den Kommentar zu Ri 1,3; zu den Perisitern
vgl. den Kommentar zu Ri 1,4; und zu den Jebusitern vgl. den
Kommentar zu Ri 1,21 .)
B. Beschreibung der Unterdrückungen und
Befreiungen
( 3,7-16,31 )
1. Die Befreiung von der Unterdrückung
durch Kuschan-Rischatajim durch Otniel
( 3,7-11 )
Diese stufenförmige Beschreibung der
Richterschaft Otniels maximiert die literarische Struktur und
das geschichtliche Bild der Heldentaten der Richter, wogegen sie
die geschichtlichen Einzelheiten dieser speziellen Befreiung nur
geringfügig erwähnt.
a. Der Abfall Israels
( 3,7 )
Ri 3,7
Die Episode beginnt mit dem Hinweis auf den
Götzendienst Israels. Dies war ein bewußter Akt der Verdrängung
Jahwes aus dem Bewußtsein und der Entscheidung, den Baalen (vgl.
Ri 2,11 ) und den Ascheren (hölzerne Säulen oder Figuren, die
als Objekte des Götzendienstes gebraucht wurden; vgl. 2Mo 34,13;
5Mo 16,21; Ri 6,25 ) zu dienen. Aschera war in der ugaritischen
Literatur Syriens die Göttin des Meeres; sie war die Gemahlin
Els. Aschera sollte nicht mit Astarte, der Gemahlin Baals in Ri
2,13 ,verwechselt werden.
b. Die Not unter den Aramäern
( 3,8 )
Ri 3,8
Der Name Kuschan-Rischatajim bedeutet
"Kuschan der doppelten Bosheit". Aram Naharajim (Mesopotamien)
bedeutet wörtlich "Syrien der zwei Flüsse", was sich auf
Obermesopotamien bezieht. Da es seltsam erscheint, daß eine so
weit entfernte Nation Israel, speziell das Gebiet Judas, in dem
Otniel lebte, ausplünderte, sehen einige Gelehrte den Ausdruck
"Aram" als Abwandlung von "Edom" (ein kleiner Unterschied in
einem hebräischen Buchstaben) an, das in angemessener Nähe im
Süden Judas lag. Trotzdem wäre es für einen ehrgeizigen König in
Mesopotamien nicht ungewöhnlich gewesen, in kanaanitisches
Gebiet einzufallen, besonders zu einer Zeit, in der Ägypten, das
im Südwesten lag (und nominale Kontrolle über Kanaan besaß),
schwach war. In diesem Falle unterdrückte Kuschan die Israeliten
acht Jahre lang.
c. Die Befreiung durch Otniel
( 3,9-10 )
Ri 3,9-10
Als Antwort auf das Wehklagen Israels ( sie
schrien zum HERRN ) erweckte Jahwe OtniÙl als Befreier, der, als
der Geist des HERRN auf ihn kam (vgl. Ri 6,34; 11,29; 13,25;
14,6.19; 15,14 ), zum Richter Israels wurde und in den Krieg
zog. Otniel wurde bereits als Kalebs jüngerer Bruder (vgl. Jos
15,13-19 ) erwähnt ( Ri 1,11-15 ). So wie der Herr die
Israeliten "in die Hände" der sie unterdrückenden Aramäer
verkaufte ( Ri 3,8 ), so gab er den feindlichen König in die
Hände Otniels.
d. Die Zeit der Ruhe
( 3,11 )
Ri 3,11
Danach war 40 Jahre lang , der Rest des
Lebens Otniels, der Frieden gesichert.
2. Die Befreiung von der Unterdrückung
durch Eglon durch Ehud
( 3,12-30 )
a. Der Abfall Israels
( 3,12 a)
Ri 3,12 a
Die abwärtsführende Spirale begann von
neuem, als die Israeliten erneut Böses in den Augen des HERRN
taten (vgl. V. 7 ). Dies Böse war mit großer Wahrscheinlichkeit
ihr Ungehorsam gegenüber dem mosaischen Bund und die Abkehr von
Jahwe, um anderen Göttern zu dienen (vgl. Ri 2,17.19 ).
b. Die Knechtschaft unter den Moabitern
( 3,12 b - 13-14 )
Ri 3,12-14 (Ri 3,12b-14)
Wieder einmal tritt die souveräne Kontrolle
Gottes über menschliche Belange in Erscheinung, indem er Eglon,
dem König Moabs, Macht über Israel gab . Die Moabiter waren
durch die Blutschande der Töchter Lots dessen Nachkommen ( 1Mo
19,30-38 ). Sie lebten im Land östlich des Toten Meeres,
zwischen den Flüssen Arnon und Zered. Sie bewohnten das Gebiet
Rubens, das 40 km nördlich des Arnons lag, und folgten danach
der Einfallsroute Josuas und eroberten die Jerichooase ( die
Palmenstadt ). Wahrscheinlich hatten die Israeliten Jericho
erneut besetzt, jedoch, wegen des Fluches, der darauf lastete,
ohne die Mauern wiederaufzurichten (vgl. Jos 6,26 ).
Die Moabiter wurden in diesem Kampf von den
Ammonitern und Amalekitern unterstützt. Die Ammoniter waren die
nordöstlichen Nachbarn der Moabiter und mit ihnen als Nachkommen
Lots durch seine jüngere Tochter verwandt ( 1Mo 19,38 ). Die
Amalekiter waren Todfeinde Israels (vgl. 2Mo 17,8-13; 5Mo
25,17-19 ) und lebten als Nomaden im Lande südlich von
Beerscheba. Die Israeliten (d. h. die Benjaminiter und
vielleicht auch einige Ephraimiter) wurden von Eglon 18 Jahre
lang geknechtet.
c. Die Befreiung durch Ehud
( 3,15-29 )
Ri 3,15 a
Der Herr, der das Wehklagen Israels
erhörte, gab ihnen einen Befreier - Ehud, einen linkshändigen
Mann . Der Ausdruck "linkshändig" bedeutet wörtlich "ein an der
rechten Hand gehemmter Mann". Linkshändigkeit scheint die
Benjaminiter nicht behindert zu haben. Tatsächlich besaßen sie
700 Linkshänder, die ausgezeichnet mit der Steinschleuder
umgehen konnten (vgl. Ri 20,16 ). Im Falle Ehuds sollte die
Linkshändigkeit eine Möglichkeit zur mutigen Tat bieten.
Ri 3,15-19 (Ri 3,15b-19a)
Da die Israeliten Ehud mit dem Tribut
(wahrscheinlich in Form von Haustieren als auch von Gold oder
Silber und anderen wertvollen Gütern) sandten, war er
offensichtlich ein angesehener Führer in Benjamin. Er hatte
selbst einen zweischneidigen Dolch angefertigt (wahrscheinlich
einer ohne Heft), der kurz genug war (ca. 45 cm lang) um an
seiner rechten Hüfte unter seinem langen Obergewand verborgen zu
werden. Nachdem der Tribut Eglon, der ein sehr dicker Mann war
(vgl. V. 22 ), überreicht worden war, entließ Ehud seine Helfer,
die den schweren Tribut getragen hatten, kehrte jedoch sofort
danach nach Gilgal zurück, um eine erneute Audienz bei König
Eglon zu beantragen. Die Steinbilder bei Gilgal waren eine
bekannte Wegmarkierung, gleich, ob "Steinbilder" nun "behauene
Steine" (wie in einigen Übers.) oder "Götterbilder" (andere
Übers.) bedeutet. Möglicherweise bezieht sich diese Angabe auf
das Denkmal der 12 Steine, die Josuas Männer aus dem Jordan
genommen hatten ( Jos 4,1-7 ).
Ri 3,19-22 (Ri 3,19b-22)
Ehud erweckte mit dem Angebot einer
geheimen Botschaft das Interesse des Königs und erreichte
dadurch eine Privataudienz bei Eglon, im oberen Gemach seines
Sommerpalastes. Mit der Aussage: Ich habe eine Nachricht Gottes
an dich , stach er seinen geheimen Dolch so tief in den Bauch
des Königs, daß das Fett ihn umschloß. Das Verbergen des Dolches
war durch dessen unerwartete Lage an Ehuds rechter Hüfte
gelungen, von der er ihn mit seiner linken Hand hervorzog.
Ri 3,23-26
Ehuds Flucht war gut vorbereitet. Um Zeit
zu gewinnen verschloß er die Tür des Obergemachs des Königs und
verließ unentdeckt, oder zumindest ungehindert, den Palast. Er
gewann die benötigte Zeit zur Flucht dadurch, daß die Diener des
Königs vor seiner verschlossenen Tür im Glauben warteten, daß
der König sich ausruhte (wörtlich: "seine Füße bedeckte" , eine
Umschreibung für den Stuhlgang; vgl. 1Sam 24,4 ). Als sie
feststellten, daß sie sich wohl geirrt hatten, schlossen sie
endlich die Tür auf und fanden ihren ermordeten König.
Währenddessen ging Ehud an der Wegmarkierung (Götterbilder; vgl.
Ri 3,19 ) bei Gilgal vorbei und entkam nach Se´ra (einem nicht
identifizierten Ort in Ephraim).
Ri 3,27-29
Mit dem Blasen einer Posaune forderte Ehud
die Israeliten auf, mit ihm in die Schlacht gegen die verwirrten
Moabiter zu ziehen. Er stellte keine Forderungen für sich
selbst, sondern bezeugte den Israeliten: Der HERR hat Moab,
euren Feind, in eure Hände gegeben . Seine Kampfstrategie war,
die Furten des Jordan einzunehmen, die die Moabiter überqueren
mußten, um in ihr Land zurückzukehren. Die Israeliten erschlugen
ungefähr 10 000 Moabiter, ohne auch nur einem zu erlauben, über
den Jordan zu entkommen.
d. Die Zeit der Ruhe
( 3,30 )
Ri 3,30
Die Niederlage der Moabiter war so
entscheidend, daß sie zu Knechten Israels wurden. Als Ergebnis
der Befreiung durch Ehud hatte das Land 80 ungestörte Jahre lang
Ruhe, was die längste Friedensperiode während der Zeit der
Richter war.
3. Die Befreiung von der Unterdrückung
durch die Philister durch Schamgar
( 3,31 )
Ri 3,31
Schamgars Richterzeit scheint nach der
Befreiung durch Ehud, jedoch vor dessen Tod begonnen zu haben
(die geschichtliche Schilderung in Ri 4,1 setzt den Bericht eher
nach Ehuds als nach Schamgars Tod fort). Der Name Schamgar ist
hurritisch, doch dies braucht nur auf hurritischen Einfluß bei
seinen Eltern schließen lassen und nicht darauf, daß er kein
Israelit war. Daß er Israel errettete, kennzeichnet ihn als
einen Richter, obwohl die einzige weitere Tat, die von ihm
berichtet wird, die ist, daß er 600 Philister mit einem
Ochsenstecken erschlug . Ob er diese Anzahl in seinem gesamten
Leben erreichte oder ob er sie bei einer einzigen Gelegenheit
tötete, wird nicht angegeben. Seine Waffe war ein 2,5 3 m langer
Stock mit einer scharfen Metallspitze, der benutzt wurde, um
Tiere anzutreiben. Das andere Ende hatte oft eine meißelähnliche
Klinge, die benutzt wurde, um einen Pflug abzukratzen.
4. Die Befreiung von der Unterdrückung
durch die Kanaaniter durch Debora und Barak
( Ri 4-5 )
Die Szene wechselt nun zu den Nordstämmen
über (vgl. Ri 4,6; 5,14-15.18 ), die von einem Kanaaniterbündnis
unterjocht wurden, das von Jabin von Hazor ( Ri 4,2 ),
wahrscheinlich einem Nachfolger des Königs von Hazor, der von
Josua besiegt worden war ( Jos 11,1-13 ), vereint wurde. Im
Gegensatz zu den vorhergehenden Unterdrückungen durch fremde
Eroberer befanden sich die Israeliten hier unter den Händen der
kanaanitischen Bevölkerung des Landes, also der gleichen Völker,
welche die Israeliten aus Nordkanaan zu vertreiben versäumt
hatten (vgl. Ri 1,30-33 ).
a. Der Abfall Israels
( 4,1 )
Ri 4,1
Daß die Israeliten wieder einmal Böses
taten, zeugt von ihrer stets fortschreitenden Verstrickung in
die Praktiken der Abgötterei der Kanaaniter (vgl. Ri 2,19;
3,7.12 ). Dieser Abfall begann erst wieder nach Ehuds Tod, was
von dessen positivem Einfluß zeugt, als er das Volk als Richter
führte. Die zeitliche Einordnung dieses Kapitels in das
Richteramt Ehuds läßt vermuten, daß die Befreiung Israels durch
Schamgar ( Ri 3,31 ) eher während als nach der Zeit des
Richteramtes Ehuds stattfand.
b. Die Knechtschaft unter den Kanaanitern
( 4,2-3 )
Ri 4,2-3
Ungefähr 200 Jahre vorher hatte der Herr
Israel aus der Knechtschaft in Ägypten befreit. Nun verkaufte er
sie im Gegensatz dazu als Strafe für ihre Sünden (vgl. Ri 2,14;
3,8; 1Sam 12,9 ) in die Hände der Kanaaniter. Jabin war
möglicherweise ein Erbtitel (vgl. ein weiterer Jabin in Jos
11,1-13 ). Hazor (Tell el-Qedah) war die wichtigste
nordkanaanitische Festung in Nordgaliläa, ungefähr 14 km
nördlich des Sees Kinneret (See von Galiäa). Weder Hazor noch
dessen König Jabin spielen in der Erzählung, die in Ri 4-5
enthalten ist, eine aktive Rolle, denn die Aufmerksamkeit ist
auf Sisera , den kanaanitischen Hauptmann von Haroschet Gojim
("Haroschet der Heiden"; vgl. Ri 4,13.16 ), das manchmal mit
Tell el-'Amar (an einer engen Felsschlucht, wo der Kischon in
die Ebene der Äcker fließt, etwa 16 km nordwestlich von Megiddo
gelegen) identifiziert wird, gerichtet. Die Knechtschaft war
sehr schwer, da die Kanaaniter eine überlegene Militärmacht
besaßen, die von 900 eisernen Streitwagen (vgl. V. 13 )
angeführt wurde. Die Unterdrückung dauerte 20 Jahre, so daß die
Israeliten erneut den HERRN um Hilfe anriefen .
c. Die Befreiung durch Debora und Barak
( 4,4-5,31 a)
(1) Das Richteramt Deboras
Ri 4,4-5
Debora (deren Name "Biene" bedeutet) war
zugleich Prophetin und Richterin (sie führte Israel an ). Zuerst
diente sie als Richterin, indem sie an ihrem Gerichtshof, der
ungefähr 14 - 16 km nördlich von Jerusalem zwischen Rama und
Bethel auf dem Gebirge Ephraim lag, über Rechtsfälle entschied.
Wahrscheinlich war sie Ephraimiterin, obgleich sie manche mit
dem Stamm Issachar verbinden (vgl. Ri 5,15 ). Über ihren Ehemann
Lappidot (was "Fackel" bedeutet, nicht zu verwechseln mit Barak,
was "Blitz" bedeutet) wird nichts weiter gesagt.
Ri 4,6-7
(2) Die Berufung Baraks ( Ri 4,6-9 )
Debora rief Barak , der aus der Stadt
Kedesch in Naftali kam, die eine Freistadt war ( Jos 20,7 ) und
gewöhnlich mit Tel Quedesh identifiziert wird, das 8 km westlich
bis nordwestlich des Hulesees, nahe der kanaanitischen
Unterdrücker in Galiläa, lag. Ein Alternativort, namens Khirbet
el-Kidisch, der sich ungefähr zwei Kilometer vom Südwestufer des
Sees von Galiläa entfernt befindet, liegt näher am Berg Tabor,
wo die Streitmacht Israels von Barak gemustert wurde. Debora,
die als Prophetin des Herrn sprach, befahl Barak, 10 000 Männer
aus den Stämmen Naftali und Sebulon zu mustern und sie zum Berg
Tabor zu führen . Der Berg Tabor ragte kegelförmig bis zur Höhe
von 400 m empor und lag strategisch günstig an der Stelle, wo
die Stammesgebiete von Naftali, Sebulon und Issachar im
Nordostteil des Jesreeltals zusammentrafen. (Issachar, das in
diesem Kapitel nicht genannt wird, wird in Ri 5,15 erwähnt.) Der
Berg Tabor war ein Ort, an dem man relativ sicher vor den
kanaanitischen Streitwagen war, und ein guter Stützpunkt, von
dem aus man die unterhalb stehenden Feinde angreifen konnte. Die
Botschaft Gottes informierte Barak darüber, daß Gott die völlige
Kontrolle über die Schlacht haben würde ( ich will dir Sisera
zuführen ... und ihn in deine Hand geben ).
Ri 4,8-9
(2) Die Berufung Baraks ( Ri 4,6-9 )
Unabhängig von seinen Beweggründen war
Baraks Antwort an Debora ( wenn du nicht mit mir gehen wirst, so
werde ich nicht gehen ) eine unpassende Antwort auf einen Befehl
Gottes. Vielleicht wollte sich Barak der Anwesenheit Gottes, die
durch seine Richterin und Prophetin Debora repräsentiert wurde,
sicher sein. Es ist erwähnenswert, daß Barak bei den
Glaubenshelden aufgezählt wird ( Hebr 11,32 ). Debora war
einverstanden mitzugehen, sagte jedoch, daß Baraks bedingte
Antwort auf den Befehl Gottes dafür verantwortlich sein würde,
daß der Siegesruhm ihm nicht zuteil werden würde ( der HERR wird
Sisera in die Hände einer Frau geben ). Barak dachte sicherlich,
daß sie sich selbst meinte, doch die Angabe war prophetisch und
sagte die Tat Jaels voraus ( Ri 4,21 ).
Ri 4,10-13
(3) Das Zusammenrufen der Truppen
Von Debora begleitet, führte Barak 10 000
Männer aus den Stämmen Sebulon und Naftali ... zum Berg Tabor .
Nebenbei (als Einleitung zu V. 17 - 22 ) wird erwähnt, daß der
Nomade Heber, der Keniter , seinen Stamm in Südjuda (vgl Ri 1,16
) verlassen und sein Zelt bei Kedesch aufgeschlagen hatte. Zu
Hobab, dem Schwager Moses (oder Schwiegervater, wie in anderen
Übers.) vgl. den Kommentar zu 4Mo 10,29 .Als Sisera von der
Aktion Baraks hörte, postierte er seine Streitmacht mit deren
900 eisernen Kampfwagen (vgl. Ri 4,3 ) in der Nähe des Kischon ,
wahrscheinlich nahe Megiddo oder Taanach (vgl. Ri 5,19 ) im Tal
Jesreel.
Ri 4,14-16
(4) Die Niederlage der Kanaaniter
Auf das Kommando ( Auf! ) und die
Ermutigung Deboras hin ( der HERR hat Sisera in eure Hände
gegeben ), führte Barak seine Männer den Berg Tabor hinunter und
gegen die weitaus überlegenen Streitkräfte Siseras. Wie es
Debora versprochen hatte, schlug der HERR Sisera und all seine
Streitwagen und sein Heer in die Flucht . Die Mittel, die von
Gott benutzt wurden, waren sowohl menschliche ( durch das
Schwert ) als auch göttliche (er ließ einen unzeitgemäßen,
schweren Sturm aufkommen, der die Streitwagen in die Flutwasser
des Kischon riß; vgl. Ri 5,20-22 ). Sisera ließ seinen
Kampfwagen stehen und floh zu Fuß, wahrscheinlich in
nordöstliche Richtung am Berg Tabor vorbei, während die
Streitkräfte Baraks die besiegten Kanaaniter verfolgten, bis
kein Mann mehr übrig war.
Ri 4,17-22
(5) Die Flucht und der Tod Siseras
Sisera ... floh zu Fuß in Richtung Kedesch
(einer Freistadt) oder vielleicht auch Hazor und rannte zu den
Zelten Hebers, des Keniters , der freundschaftliche Beziehungen
( SAlNm , "Frieden") zu Jabin, dem König Hazors , unterhielt.
JaÙl , die Frau Hebers, bot Sisera alle zu erwartenden
nahöstlichen Beweise der Gastfreundschaft, denn sie deckte ihn
entweder mit einem Fliegennetz oder mit einer Decke zu, gab ihm
ein Milchgetränk, möglicherweise Joghurt (vgl. Ri 5,25 ), und
stellte sich vor das Zelt, um Störenfriede fernzuhalten, während
er schlief. Doch Jael teilte anscheinend die Beziehung ihres
Mannes zu König Jabin nicht, denn sobald Sisera eingeschlafen
war, nahm sie einen Zeltpflock und schlug ihn mit einem Hammer
durch seine Stirn bis in den Boden (vgl. Ri 5,26 ), was ein
ziemlich unüblicher Gastfreundschaftserweis im Nahen Osten war!
Da die Frauen der Beduinen die Aufgabe des Zeltaufbaus
innehatten, war sie mit den Werkzeugen, die sie benutzte, sehr
vertraut. Danach ging Jael Barak entgegen und führte ihn zu der
Leiche. So wurde die Prophezeiung Deboras (vgl. Ri 4,9 )
erfüllt, denn zwei Frauen fiel der Siegesruhm der Niederlage
Siseras zu - Debora, die sie begann, und Jael, die sie
vollendete.
Ri 4,23-24
(6) Die Zerstörung Jabins
Der Sieg über Jabins Heeresmacht leitete
eine Zeit ein, in der die kanaanitischen Kräfte immer schwächer
wurden, bis sie für Israel keine weitere Gefahr mehr bedeuteten.
Ri 5,1
(7) Die Siegeshymne ( Ri 5,1-31 a)
Dieses alte Gedicht, das zuerst
wahrscheinlich in einer Sammlung mit dem Namen "Das Buch von den
Kriegen des Herrn" ( 4Mo 21,14 ), oder "das Buch (Jaschgars) des
Redlichen" ( Jos 10,13 ) aufbewahrt wurde, ist eigentlich eine
Siegeshymne (bekannt durch Beispiele aus dem 15. - 12.
Jahrhundert v. Chr. aus Ägypten und Assyrien). Diese Hymne wurde
gewiß von Debora selbst geschrieben (vgl. Ri 5,7-9 ), wobei
Barak sie beim Singen unterstützte (V. 1 ). Mit tiefgründiger
Einfachheit schreibt die Hymne Jahwe, dem Gott des Bundes mit
Israel, den Sieg über Sisera und die Kanaaniter zu. Außerdem
füllt sie einige Lücken über Einzelheiten, die in der
Schilderung in Kapitel 4 nicht erwähnt werden. Es ist
erwähnenswert, daß das Thema Segen und Fluch häufig vorkommt.
Die Siegeshymne hat fünf Teile: (a) Die einleitende Überschrift
( Ri 5,1 ), (b) der Lobgesang Deboras (V. 2-11 ), (c) die
Musterung der Stämme (V. 12-18 ), (d) die Niederlage der
Kanaaniter (V. 19 - 30 ) und (e) das abschließende Gebet mit
Fluch und Segen (V. 31 a).
Ri 5,2-5
Der eröffnende Aufruf, den HERRN zu preisen
, spricht in das Aufkommen eines dienenden Geistes bei Fürsten
und Volk hinein (V. 2 ). Einem typischen Ausdruck des Lobes (V.
3 ) folgt eine geschichtliche Nacherzählung der vorhergehenden
Taten der Errettung durch den Herrn (V. 4-5 ). Jahwe wird als
der eine vom Sinai (vgl. Ps 68,8 ) bezeichnet und mit den
Ereignissen, die der Überquerung des Jordans unter Josua
vorangingen, in Zusammenhang gebracht. Die Erwähnung von Se´r
(vgl. 5Mo 33,2 ) und Edom (vgl. Hab 3,3 ,wo Teman, eine
edomitische Stadt, erwähnt wird) hat einige Gelehrte veranlaßt,
den Berg Sinai östlich, nahe des Arabatals (südlich des Toten
Meeres), zu vermuten, doch dies ist unwahrscheinlich.
Ri 5,6-8
Als nächstes beschreibt Debora die damalige
Situation der Knechtschaft, in der sich die Nordstämme Israels
befanden (vgl. Ri 3,31; 4,2-3 ), bis sie selbst aufstand, eine
Mutter in Israel . Außerhalb der befestigten (ummauerten) Städte
kam das israelitische Leben in den Dörfern und auf den
Hauptstraßen wegen der Unterdrückung durch die Kanaaniter, die
bis vor die Stadttore reichte, zum Stillstand. Diese
Knechtschaft war in Israels Götzendienst begründet - sie
erwählten sich neue Götter.
Ri 5,9-11
Debora lobte Gott für die treuen Führer und
Freiwilligen unter dem Volk, die in der Zeit der Not handelten.
Sie rief Reiche ( die auf weißen Eselinnen reiten ) und Arme (
die am Wege gehen ) zugleich auf, das Siegeslied zu hören. Es
waren die gerechten Taten des HERRN , die ihn dazu brachten
einzugreifen, um seinem Volk Rettung und Sieg zu schenken.
Ri 5,12-18
Das Siegeslied selbst beginnt mit einer
Aufforderung zur Tat an Debora und Barak. Über die Stämme, die
dem Ruf zur Musterung für den Kampf freiwillig Folge leisteten -
Ephraim ... Benjamin ... Machir (eine Abteilung des Stammes
Manasse, eigentlich der Teil östlich des Jordans, doch hier
wahrscheinlich der gesamte Stamm oder auch nur die Abteilung
westlich des Jordans; vgl. 4Mo 26,29; 27,1 ), Sebulon und
Issachar ( Ri 5,14-15 ) - wird der Segen ausgesprochen. Die
Ephraimiter (V. 14 ) wohnten möglicherweise im Zentralgebirge,
das früher von den Amalekitern bewohnt worden war. Den Stämmen
Ruben ... Gilead (wahrscheinlich Gad und vielleicht ein Teil von
Manasse), Dan und Asser (V. 15-17 ) werden mit Flüchen
gekoppelte Vorwürfe entgegengebracht. Dagegen werden die Stämme
Sebulon (vgl. V. 14 ) und Naftali für ihre Hilfe bei der
Schlacht gelobt (V. 18 ; vgl. Ri 4,6.10 ).
Ri 5,19-22
Die Könige Kanaans gehörten zum Bund
kanaanitischer Stadtstaaten unter Jabin von Hazor, dessen Heer
von Sisera befehligt wurde. Im Kampfgebiet lag Taanach (8 km
südöstlich von Megiddo gelegen). Die hochpoetische Sprache - von
den Himmeln kämpften die Sterne ... gegen Sisera - drückt nicht
den Glauben daran aus, daß die Sterne Regen verursachten,
sondern bezeugt das göttliche Eingreifen in die Schlacht. Wie in
Vers 21 angegeben wird, nahm Gottes Eingreifen die Form eines
unzeitgemäßen Regens an (die Kanaaniter hätten es nie riskiert,
ihre Kampfwagen während der Regenzeit in sumpfiges Gelände zu
fahren), der aus dem trockenen Flußbett des Kischon eine
reißende Flut machte (vgl. 1Kö 18,40 ).
Ri 5,23-27
Über Meros (vielleicht auf Siseras
Fluchtroute gelegen) wurde ein Fluch ausgesprochen, weil es beim
Kampf seine Hilfe verweigert hatte, doch auf Jael wurde wegen
der Tötung Siseras (vgl. Ri 4,21-22 ), einer Tat, die als
Ausdruck der Treue zum verbündeten Volk Israel, mit dem ihre
Sippe durch Mose verbunden war, angesehen wurde, der Segen
ausgesprochen. Die dramatische Schilderung des Todes Siseras (
Ri 5,26-27 ) war nicht als Nacherzählung der einzelnen Schritte
der Handlung gedacht, sondern als metaphorischer
Zeitlupenbericht über den Fall eines Führers.
Ri 5,28-30
Das Pathos des gefallenen Generals wird von
einer ironischen Beschreibung gesteigert, die Siseras Mutter
schildert, wie sie auf die unmögliche Wiederkehr ihres Sohnes
aus der Schlacht wartet. Ihre Sorge - Warum braucht sein Wagen
so lang, um zu kommen? - und die hoffnungsvollen Erklärungen
ihrer Mägde und ihrer selbst stehen im deutlichen Kontrast zu
der wahren Situation.
Ri 5,31 a
Es ist üblich, daß eine Hymne, die den Sieg
Jahwes über heidnische Feinde beschreibt, mit einem Fluch über
böse Feinde und einem Segen über diejenigen abschließt, die
Jahwe treu sind. Wie die Sonne bei ihrem Aufgang zu sein,
bedeutet, ein Leben voller Segen zu führen.
d. Die Zeit der Ruhe
( 5,31 b)
Ri 5,31 b
Die Befreiung Israels von der Macht der
Kanaaniter unter der Richterschaft Deboras brachte dem Land 40
Jahre lang Frieden.
5. Die Befreiung von der Unterdrückung
durch die Midianiter durch Gideon
( 6,1-8,32 )
a. Der Abfall Israels
( 6,1 a)
Ri 6,1 a
Die abwärtsführende Spirale (vgl. die
Übersicht zu Ri 2,11-15 ) von Abfall ( und wieder taten die
Israeliten Böses in den Augen des HERRN ; vgl. Ri 3,7.12; 4,1 )
und Befreiung wiederholte sich auch im Falle Gideons, dessen
Richteramt die ausführlichste Darstellung im Buch der Richter
erhält (100 Verse in 3 Kapiteln). Vergleichbar ist nur die
Geschichte Simsons, die aus 96 Versen in vier Kapiteln besteht.
b. Die Knechtschaft unter den Midianitern
( 6,1 b - 2-6 )
Ri 6,1-6 (Ri 6,1b-6)
Die sieben Jahre der Unterdrückung unter
der Hand der Midianiter waren die göttliche Züchtigung für
Israels Götzendienst und böse Taten. Diese relativ kurze
Knechtschaftsperiode lag zwischen zwei 40 Jahre langen
Friedensperioden ( Ri 5,31; 8,28 ). Die Midianiter waren
Nachkommen Abrahams und Keturas ( 1Mo 25,12 ) und waren von
Israel während der Wüstenwanderung geschlagen worden ( 4Mo 22,4;
25,16-18 ). Sie waren ein Nomadenvolk, kamen vom Golf von Akaba
und siedelten überall in der Araba (Jordantal) und in
Transjordanien. Wahrscheinlich unterwarfen sie zu dieser Zeit
auch die Edomiter, Moabiter und Ammoniter, als sie den Jordan
nach Israel bis zum Jesreeltal im Norden ( Ri 6,33 ) und bis
südlich und östlich nach Gaza (V. 4 ) überquerten.
Möglicherweise bewegten sie sich westwärts durch das Tal Jesreel
und südwärts entlang der Küstenebene.
Die Stärke der midianitischen Unterdrückung
zwang die Israeliten, sich selbst und ihre Produkte in
Bergschluchten, Höhlen und Festungen zu verstecken . Es war also
keine ständige Besetzung (wie die vorhergehende der Kanaaniter),
sondern eine saisonale Invasion zur Erntezeit, immer wenn die
Israeliten gesät hatten . Der große Nutzen für die Midianiter
war die Aneignung der Ernte für sich selbst und ihre Tiere. Doch
die steigende Auswirkung dieser Angriffe auf die israelitischen
Landwirtschafts- und Nahrungszyklen war vernichtend. Zu den
Verbündeten der Midianiter gehörten die Amalekiter (aus dem
Süden Judas; vgl. Ri 3,13 ) und andere östliche Völker, einem
üblichen Ausdruck für die Nomaden der syrischen Wüste, zu denen
möglicherweise auch einige Ammoniter und Edomiter gehörten.
Während dieser jährlichen, voraussehbaren Invasionen im typisch
nomadischen Stil lagerten die Unterdrücker so zahlreich und mit
solcher Überzahl im Land, daß sie mit Heuschreckenschwärmen
verglichen wurden (vgl. Ri 7,12 ). Die Midianiter und deren
Verbündete reisten auf unzähligen Kamelen (vgl. Ri 7,12 ), deren
Ausdauer und Geschwindigkeit (bis zu 160 km pro Tag) ihnen zu
einer ansehnlichen, weitreichenden Militärmacht verhalfen. Dies
ist die erste Angabe über einen organisierten Überfall, bei dem
Kamele benutzt wurden (vgl. 1Mo 24,10-11 ). Die Verarmung, die
über Israel kam, führte es dazu, den HERRN um Hilfe anzurufen .
Diese Klage scheint nicht ein Ausruf der Buße wegen ihrer Sünde
gewesen zu sein, denn anscheinend waren sie sich der moralischen
Ursache, die hinter der Unterdrückung durch den Feind stand,
nicht bewußt, bis der Herr einen Propheten sandte, der dies
aussprach (vgl. Ri 6,7-10 ).
c. Die Befreiung durch Gideon
( 6,7-8,27 )
(1) Die Tadelung Israels durch einen
Propheten
Ri 6,7-10
Der HERR ... sandte einen Propheten ,
dessen Name nicht genannt wird (der einzige Prophet, der
außerder Prophetin Debora in diesem Buch erwähnt wird), um
Israel an seine Bundespflicht gegenüber dem Herrn, der sie aus
Ägypten befreit hatte, zu erinnern (vgl. 2Mo 34,10-16; 5Mo 7; Ri
3,5-6 ). Sie sollten nicht den Göttern der Amoriter dienen. Der
Prophet rügte sie für ihren wiederholten Ungehorsam ( doch ihr
habt nicht auf mich (Gott) gehört ). Diese Botschaft ähnelt der
des Engels des Herrn in Bochim (vgl. Ri 2,1-3 ).
Ri 6,11-12 a
(2) Die Berufung Gideons durch den Engel
des Herrn ( Ri 6,11-24 )
Die Geschichte wird nicht durch eine
Aussage eingeleitet, daß Gott einen Befreier namens Gideon
erweckte, sondern durch eine Schilderung, wie Gott ihn erweckte.
Gideons Ruf oder Berufung ergab sich aus einer Zusammenkunft mit
dem Engel des HERRN (der "der Herr" ist, V. 14 ; vgl. Kommentar
zu Ri 2,1 ), der ihm als ein durchreisender Fremdling erschien
und sich unter die Eiche in Ofra setzte . Da Gideons Vater
Joasch ein AbiÙsriter (eine Sippe Manasses, Jos 17,2 ) war, ist
dieses Ofra nicht der Ort in Benjamin gewesen, sondern ein
nördlicherer Ort, möglicherweise nahe der Grenze Manasses im Tal
Jesreel. Mögliche Identifizierungen sind el-Affula (10 km
östlich von Megiddo) oder et-Taijiba (Hafarajim, 13 km
nordwestlich von Bet-Schean). Daß Gideon Weizen in der Kelter
drosch , zeugt einerseits von seiner Angst vor Entdeckung durch
die Midianiter und andererseits von der geringen Menge seiner
Ernte. Normalerweise wurde Weizen auf offenem Gelände, auf einem
Dreschfeld (vgl. 1Chr 21,20-23 ) und durch Ochsen gedroschen
(die Körner von den Stengeln getrennt), die Dreschflegel über
die Stengel zogen.
Ri 6,12-13 (Ri 6,12b-13)
(2) Die Berufung Gideons durch den Engel
des Herrn ( Ri 6,11-24 )
Die Eingangsbemerkung des Engels bezeugte
die Anwesenheit des Herrn bei Gideon und titulierte diesen als
einen heldenhaften Krieger ("andere Übers.: "streitbarer Held";
die Worte gibbNr HAyil werden auch Jeftah; Ri 11,1; und Boas; Rt
2,1 ,zugeschrieben). Obwohl diese Anrede wohl ironisch gemeint
war (zu dem Zeitpunkt war Gideon alles andere als ein
heldenhafter Krieger!), spiegelte sie doch Gideons
Wirkungsmöglichkeit durch göttliche Ermächtigung wider, wie sie
auch seine ehrbare Stellung in der Gesellschaft ausdrückte.
Gideons eingehende Antwort ignorierte die
Anrede in der Einzahl ("dir", Ri 6,12 ), denn er entgegnete:
Wenn der HERR mit uns ist (Mehrzahl). Gideon stellte angesichts
der damaligen Umstände, in denen sich sein Volk befand, das
göttliche Versprechen in Frage. Er schloß zu Recht, daß der Herr
es, warum auch immer, in die Hände der Midianiter gegeben hatte.
Ri 6,14
(2) Die Berufung Gideons durch den Engel
des Herrn ( Ri 6,11-24 )
"Der Engel des Herrn" (V. 11-12 ) sprach
nun als der Herr selbst und beauftragte Gideon, hinzugehen ...
und Israel aus der Hand der Midianiter zu befreien . Die Worte
in deiner Kraft setzten wahrscheinlich die vorher erwähnte
göttliche Anwesenheit voraus (V. 12 ).
Ri 6,15
(2) Die Berufung Gideons durch den Engel
des Herrn ( Ri 6,11-24 )
Aber , wandte Gideon ein, meine Sippe ist
die schwächste ... und ich bin der Niedrigste . Dieser Einwand
mag aus der typischen nahöstlichen Bescheidenheit gestammt
haben, reflektierte jedoch wahrscheinlich auch zum großen Teil
die Wirklichkeit.
Ri 6,16
(2) Die Berufung Gideons durch den Engel
des Herrn ( Ri 6,11-24 )
Gottes erneute Versicherung bezeugte wieder
seine Begleitung Gideons ( ich will mit dir sein ) und die
Leichtigkeit, mit der er den Sieg über die Midianiter
vollbringen würde ( als wären sie nur ein Mann ).
Ri 6,17-21
(2) Die Berufung Gideons durch den Engel
des Herrn ( Ri 6,11-24 )
Gideon verlangte ein Zeichen , das das
Versprechen des Herrn bezeugen sollte. Dieser Bitte wurde
stattgegeben (vgl. V. 21 ). Unterdessen bewog Gideons
Unsicherheit über die exakte Identität seines übernatürlichen
Besuchers ihn dazu, letzterem die typisch nahöstliche
Gastfreundschaft anzubieten. Bei der Gabe oder dem Geschenk (
minHCh ), die er vor seinen Besucher legen wollte, könnte es
sich entweder um eine freiwillige Gabe nach Israels Opfersystem
handeln oder auch um eine Tributzahlung an einen momentanen
König oder eine andere Obrigkeit (vgl. Ri 3,15 ). Die große
Menge an Lebensmitteln, die von Gideon zubereitet wurde -
Ziegenfleisch und -brühe, Brot aus einem Efa (ein Scheffel) Mehl
gebacken - spiegelt zugleich seinen Reichtum in einer Zeit der
Not sowie die typische Übertreibung der nahöstlichen
Gastfreundschaft wider. Ohne Zweifel hatte er vor, das, was
übrigblieb, wieder mit nach Hause zu seiner Familie zu bringen!
Doch der Engel des Herrn berührte die Lebensmittelgabe mit der
Spitze seines Stocks und vernichtete sie mit Feuer, womit er das
Zeichen gab, das Gideon verlangt hatte ( Ri 6,17; vgl. 2Mo 9,24;
1Kö 18,38 ). Danach verschwand der Engel.
Ri 6,22-24
(2) Die Berufung Gideons durch den Engel
des Herrn ( Ri 6,11-24 )
Gideons Verwirrung spiegelte wahrscheinlich
seine Furcht vor dem drohenden Tod, weil er die göttliche
Anwesenheit gesehen hatte (vgl. 2Mo 33,20 ), wider. Als der Herr
Gideon versicherte, daß er nicht sterben würde ... baute Gideon
einen Altar und nannte ihn: Der HERR ist Friede .
Ri 6,25-26
(3) Die Zerstörung des Baalsaltars durch
Gideon ( Ri 6,25-32 )
Der Herr unterzog Gideon einer
Gehorsamsprüfung. Wenn Gideon Israel von den Midianitern
befreien sollte, mußte er nicht nur den militärischen Sieg über
den Feind erreichen, sondern auch den Grund des Götzendienstes,
der den Herrn dazu geführt hatte, sein Volk in die Hände der
Midianiter zu geben, entfernen (vgl. V. 1 ). Darum befahl Gott
Gideon, den Baalsaltar seines Vaters mit dem dazugehörenden
Ascherabild (ein Kultobjekt, das Aschera, eine ugaritische
Meeresgöttin, darstellte; vgl. den Kommentar zu Ri 3,7 )
niederzureißen. Gideon sollte dann einen entsprechenden Altar
für den Herrn bauen, ein Feuer mit dem Holz des Ascherabildes
anzünden und einen der Stiere seines Vaters (der wahrscheinlich
als Opfertier für Baal gedacht war) als Brandopfer für den Herrn
darbringen.
Ri 6,27
(3) Die Zerstörung des Baalsaltars durch
Gideon ( Ri 6,25-32 )
Gideons Gehorsam gegenüber Gottes Befehl
sollte nicht dadurch verringert werden, daß er 10 Diener
gebrauchte (das Demontieren eines kanaanitischen Altars war ein
"abendfüllendes Programm") oder daß er es bei Nacht tat (die
Baalsdiener hätten es sicherlich verhindert, wenn er es bei Tag
versucht hätte).
Ri 6,28-32
(3) Die Zerstörung des Baalsaltars durch
Gideon ( Ri 6,25-32 )
Die darauffolgende Feindseligkeit der
Gesellschaft gegenüber Gideon wurde durch den weisen Ratschlag
seines Vaters abgekühlt. Ihre Nachforschung bezüglich des
nächtlichen Vandalismus führte bald zu Gideon, dessen
Verurteilung sie forderten. Doch Joasch, der vielleicht durch
die mutige Tat seines Sohnes zum Nachdenken und zur Reue geführt
worden war, verkündete voll Weisheit: Wenn Baal wirklich Gott
ist, dann kann er sich auch selbst verteidigen . Möglicherweise
ergab sich daraus, daß das Volk nicht Baals Privileg auf
Selbstverteidigung verletzen sollte (vgl. Elias Satire über
Baal, 1Kö 18,27 ). Dieser weise Rat sprach das Volk an, das
Gideon dann den Namen Jerubbaal gab, der "laßt Baal streiten"
bedeutet. Auch wenn sie ihm wahrscheinlich den Namen aus
Verachtung gegeben haben, so bedeutete dieser später eine
ehrenvolle Bezeichnung als Zeugnis für Baals Unvermögen, sich
selbst zu verteidigen (vgl. Ri 7,1; 8,29; und den Kommentar zu
Jerubbaal in Ri 9,1 ).
Ri 6,33-35
(4) Die Vorbereitung Gideons für die
Schlacht
Gideons Berufung durch den Herrn scheint
dem nächsten (und letzten) jährlichen Überfall der Midianiter
und derer Verbündeten nur kurze Zeit vorausgegangen zu sein. Sie
überquerten ... den Jordan nicht weit südlich des Sees von
Kinneret und lagerten in typischer Beduinenart im reichen
landwirtschaftlichen Gebiet des Jesreeltals. Gottes Befreiung
seines Volkes durch Gideon begann, als der Geist des HERRN auf
Gideon herabkam (vgl. Ri 3,10; 11,29; 13,25; 14,6.19; 15,14 )
und ihm durch die persönliche Anwesenheit des Heiligen Geistes
göttliche Vollmacht gab. Gideon begann sofort Männer zu mustern,
indem er seine eigene Sippe der Abiesriter (vgl. Ri 6,11.24 )
mit einer Posaune und den Rest des Stammes Manasse, zusammen mit
den Stämmen Asser, Sebulon und Naftali, durch Boten
zusammenrief.
Ri 6,36-40
(5) Die Zeichen an der Wolle Gideons
Gideons scheinbarer Mangel an Glauben, der
sich in dem Ersuchen eines wunderhaften Zeichen Gottes ausdrückt
(vgl. Mt 12,38; 1Kor 1,22-23 ), erscheint seltsam für einen
Mann, der unter den Glaubenshelden aufgezählt wird ( Hebr 11,32
). Eigentlich hatte Gideon bereits bei seiner Berufung ein
Zeichen Gottes erhalten ( Ri 6,17.21 ). Es ist jedenfalls
erwähnenswert, daß Gideon die Wolle nicht benutzte, um Gottes
Willen zu erforschen, denn den wußte er ja bereits durch
göttliche Offenbarung (V. 14 ). Das Zeichen bezog sich auf eine
Versicherung der Anwesenheit Gottes oder der Ermächtigung für
die bevorstehende Aufgabe. Gott ging auf Gideons schwachen
Glauben ein und benetzte die Wolle so stark mit Tau, daß dieser
eine Schale voll Wasser auswrang . Vielleicht hatte Gideon
Zweifel an der Einzigartigkeit dieses Vorkommnisses, da der
umgebende Dreschboden auf natürliche Weise vor der Wolle
trocknen konnte. Deshalb erbat er nun das Gegenteil: Laß dieses
Mal die Wolle trocken und den Boden mit Tau bedeckt sein . Gott
tat auch das geduldig, und Gideon war erneut davon überzeugt,
seine Aufgabe fortzusetzen.
Ri 7,1-2
(6) Die Verringerung des Heeres Gideons (
Ri 7,1-8 a)
Gideon ... lagerte an der Quelle des Harod
(wahrscheinlich En Harod am Fuße des Berges Gilboa, ein Bach,
der sich ostwärts zum Jordan durch das Harodtal windet) mit
allen seinen Männern, deren Zahl 32 000 betrug (V. 3 ). Das 135
000 Mann starke Heer der Midianiter lagerte fünf oder sechs
Kilometer nördlich von ihnen am Fuß des Hügels More , dem
bekannten Hügel, der wie ein Wächter aufragt, um den Ostzugang
zum Tal Jesreel zu bewachen. Gott, dessen Stärke nicht von
Zahlen abhängig ist (vgl. Ps 33,16 ), beabsichtigte, Midian
durch wenige Männer an Israel auszuliefern, so daß Israel sich
nicht rühmen könnte, es habe die Schlacht selbst gewonnen.
Sicherlich war Gideon über Gottes Worte ihr habt zu viele Männer
verwundert.
Ri 7,3-6
(6) Die Verringerung des Heeres Gideons (
Ri 7,1-8 a)
Die Methode, durch die die Größe des Heeres
Gideons verringert wurde, bestand aus zwei Teilen: (a) 22 000
ängstliche Rekruten wurden auf ein Mal verabschiedet (in
Übereinstimmung mit 5Mo 20,8 ), und es wurde ihnen erlaubt,
zurück nach Hause zu gehen; und (b) 9 700 anscheinend
unaufmerksamere Männer, die eine einfache Prüfung nicht
bestanden, wurden auch entlassen ( Ri 7,4-8; oder es wurde ihnen
zumindest ein längerer Urlaub zugebilligt; vgl. V. 23 ).
Die Erlaubnis, den Berg Gilead zu
verlassen, ist rätselhaft, da Gilead auf der anderen Seite des
Jordans, in Richtung Osten lag. Einige Gelehrte sehen "Gilead"
als einen frühen Abschreibfehler für "Gilboa", dem Berg, der in
der Nähe von Gideons Armee lag, an. Es kann aber auch noch einen
anderen Berg Gilead in der Nähe gegeben haben, da einige
Nachkommen Gileads auf der Westseite des Jordan lebten. Obwohl
die Prüfung, die den 9 700 Männern aufgetragen wurde, ziemlich
einfach erscheint, klingen die Worte, mit denen sie beschrieben
wird, seltsam. Als die Männer aus dem Bach tranken, sollte
Gideon diejenigen, die das Wasser wie ein Hund mit der Zunge
schleckten von denjenigen trennen, die niederknieten, um zu
trinken . Doch wie "schleckt" jemand "wie ein Hund", ohne
"niederzuknien", um sein Gesicht ans Wasser zu führen? Einige
Schreiber nehmen an, daß die "Nicht-Niederknieenden" das Wasser
mit einer Hand schöpften (während sie ihre Waffe in der anderen
hielten), aus der sie es dann mit der Zunge schleckten. Andere
nehmen an, daß sie ihre Hand benutzten, um das Wasser zu ihrem
Mund zu führen, wie ein Hund seine Zunge gebraucht, um Wasser zu
seinem Mund zu führen. Wie die Antwort auch immer aussehen mag,
stellte die Prüfung doch diejenigen heraus, die nicht so wachsam
waren, obwohl einige glauben, daß es sich um eine rein
willkürliche Prüfung handelte, um die Anzahl der Männer zu
reduzieren. Der Historiker Josephus nahm sogar an, daß die 300
Männer, die die Prüfung bestanden hatten, unaufmerksamer gewesen
seien, was Gottes Macht noch mehr herausstellen würde.
Ri 7,7-8 a
(6) Die Verringerung des Heeres Gideons (
Ri 7,1-8 a)
Nun wurde Gideon mit nur wenigen Kriegern
erneut durch ein göttliches Versprechen bestätigt: Mit diesen
300 Männern ... werde ich euch erretten und die Midianiter in
eure Hand geben (vgl. Ri 6,14 ). Gideons 300 Männer erhielten
die Verpflegung und die Posaunen der übrigen Männer, die zu
ihren Zelten zurückkehrten.
Ri 7,8-11 (Ri 7,8b-11a)
(7) Die Ermutigung Gideons bezüglich des
Sieges ( Ri 7,8 b. 9-15 )
Der Herr wußte, daß Gideon trotz all der
Ermutigungen und Zusicherungen, die er ihm gegeben hatte, Angst
hatte, anzugreifen. Deshalb ermutigte Gott ihn noch einmal durch
zwei Dinge: (a) durch ein direktes Gotteswort ( geh hinunter zum
Lager, denn ich habe es in deine Hände geben ; vgl. V. 7.14 - 15
) und (b) durch einen vorbereitenden Traum, der von einem
Midianiter erzählt wurde, während Gideon lauschte (V. 13-14 ).
Ri 7,11-15 (Ri 7,11b-15)
(7) Die Ermutigung Gideons bezüglich des
Sieges ( Ri 7,8 b. 9-15 )
Gideon und sein Diener Pura schlichen sich
um das Lager der Midianiter herum, dessen unzählige Zelte sich
im Tal wie Heuschrecken erstreckten (vgl. Ri 6,5 ). Die Zelte
wurden nur von den ungezählten Kamelen übertroffen (vgl. Ri 6,5
). Eine wunderbare Demonstration der Fügungen Gottes zeigt sich
hier: Gideon kam gerade an, als ein Mann einem Freund seinen
Traum erzählte, in dem ein rundes Gerstenbrot in das
Midianiterlager hinunterrollte und ein Zelt überrollte und
umkehrte. Der andere Midianiter antwortete, vielleicht
scherzhaft, daß sich dies auf das Schwert Gideons...des
Israeliters beziehe, in dessen Hände Gott die Midianiter gegeben
habe. Der von Gott bezweckte Symbolismus ist eindeutig
(Gerstenbrot versinnbildlichte die verarmten Israeliten, und das
Zelt bezog sich auf die nomadischen Midianiter). Gideon verstand
dies richtigerweise als eine Ermutigung vom Herrn, daß Israel
gegen Midian siegreich sein würde. Nachdem Gideon nach dieser
Nachricht Gott spontan gelobt hatte, kehrte er zum
israelitischen Lager zurück und säumte nicht, seine Streitkraft
zu organisieren und ihnen dieselbe Zusicherung weiterzugeben,
die Gott ihm gegeben hatte: Der HERR hat das midianitische Lager
in eure Hände gegeben (vgl. Ri 7,7.9.14 ).
Ri 7,16-22
(8) Der Sieg über die Midianiter durch
Gideon
Gideon teilte sein kleines Heer in drei
Kompanien ein, deren strategische, jedoch seltsame Waffen
Posaunen und leere Krüge...mit Fackeln darin waren. Sie
erreichten den Rand des Midianiterlagers zur von Gott geplanten
Zeit des Anfangs der mittleren Nachtwache (22.00 Uhr), kurz
nachdem die Wache gewechselt worden war, als die abgelösten
Wachen noch um ihre Zelte herumliefen. In Gideons Tagen lag die
erste Wache zwischen 18.00 Uhr und 22.00 Uhr; die mittlere Wache
zwischen 22.00 Uhr und 2.00 Uhr; die Morgenwache begann um 2.00
Uhr und ging bis 6.00 Uhr.
In diesem kritischen Moment bliesen die
Israeliten ihre Posaunen und zerbrachen ihre Krüge. Beides
machte einen fürchterlichen Krach und brachte die glimmenden
Fackeln zum Vorschein. Sie schrien laut: Ein Schwert für den
HERRN und für Gideon! Dieser Kampfschrei bewies ihr Vertrauen
auf den Herrn, daß er ihnen Sieg geben werde. Sie machten sich
den Midianitern bemerkbar, wobei diese in Angst gerieten. Das
Wort für Posaunen ist SNPArNT , "aus Tierhorn gemacht". Solche
Posaunen erzeugten einen hellen, schrillen Klang. Die Krüge
waren wahrscheinlich aus Ton. Die Verwirrung im Lager der
Midianiter war unglaublich, da sie sich ein viel größeres
israelitisches Heer vorstellten, das sie angriff, und da sie
vielleicht ihre eigenen abgelösten Wachen für Israeliten
hielten. Diese göttlich geplante Verwirrung brachte die
Midianiter dazu, sich gegenseitig mit dem Schwert anzugreifen,
während die Israeliten wahrscheinlich in sicherer Entfernung um
das Lager herum warteten. Das midianitische Heer floh gen
Südosten nach Bet-Schitta (einer nahen Ebene) und Abel-Mehola in
Richtung Jordan. Abel-Mehola ist wahrscheinlich das heutige Tell
Abu Sus, ungefähr 39 km südlich des Sees von Kinneret (Galiläa).
(Abel-Mehola war der Ort, wo Elisa lebte, als Elia ihn zu seinem
Jünger berief, 1Kö 19,16 .) Das Heer floh wahrscheinlich in
diese Richtung, um den Jordan zu überqueren und Zereda
(vielleicht Zarethan oder Tell es-Saidiya) und Tabbat (Ras Abu
Talbat) zu erreichen.
Ri 7,23-24 a
(9) Der Aufruf Gideons zur Verstärkung
Gideon rief aus Naftali, Asser und ganz
Manasse Verstärkung, um die fliehenden Midianiter zu verfolgen.
Diejenigen, die dem Aufruf nachkamen, gehörten wahrscheinlich zu
den vorherigen Männern der Streitmacht Gideons, die entlassen
worden waren. Gideon verlangte auch Hilfe von den Ephraimitern,
deren Lager gut gelegen waren, um die Midianiter an
strategischen Orten voneinander abzuschneiden und sie daran zu
hindern, das Ufer des Jordans zu erreichen.
Ri 7,24-25 (Ri 7,24b-25)
(10) Die Gefangennahme Orebs und Zeebs
durch die Ephraimiter
Die Männer Ephraims sicherten rasch das
Ufer des Jordans ab (der Ort Bet-Bara ist noch unbekannt) und
fingen zwei der midianitischen Anführer, Oreb (was "Rabe"
bedeutet) und Seeb (was "Wolf" bedeutet), deren Köpfe sie nach
üblichem nahöstlichen Militärbrauch zu Gideon brachten.
Ri 8,1-3
(11) Die Diplomatie Gideons gegenüber den
Ephraimitern
Darauf kritisierten die Ephraimiter Gideon
scharf, weil er sie nicht aufgefordert hatte, in der
Anfangsschlacht am Hügel More teilzunehmen ( Ri 7,1 ). Die
"höfliche Antwort" Gideons (vgl. Spr 15,1 ) demonstriert seine
taktvolle Diplomatie gegenüber dem ephraimitischen Neid und
verhinderte Streitigkeiten unter den Stämmen (vgl. Ri 12,1-6 ,wo
Jeftah gegenüber dem ephraimitischen Neid mit Feindseligkeit
reagiert). In Gideons Gleichnis scheint sich die volle Weinernte
AbiÙsers auf den ersten Sieg im Lager Midians (Gideon war
Abiesriter, Ri 6,11 ) und die Nachlese Ephraims (als ein
größerer Sieg dargestellt) auf das "Zusammenkehren" zu beziehen,
zu dem auch die Hinrichtung der beiden midianitischen Anführer
gehörte.
Ri 8,4-9
(12) Die Verfolgung der Midianiter ins
Transjordanland ( Ri 8,4-21 )
Obwohl die israelitischen
Verstärkungstruppen viele der fliehenden Midianiter aufrieben,
entkam eine beträchtliche Zahl mit zwei midianitischen Königen,
Sebach und Zalmunna , über den Jordan in südöstliche Richtung.
Sie wurden rasch von Gideon und seinen 300 Männern verfolgt, die
von Leuten von Sukkot (V. 5 ) und Pnuel (V. 8 - 9 ), zweier
israelitischer Städte im Transjordangebiet Gads (vgl. 1Mo
32,23.31; Jos 13,27 ), Brote erbaten. Beide Gemeinden
verweigerten Gideon ihre Hilfe, vielleicht aus Angst vor der
Vergeltung der Midianiter. Wie dem auch sei, dies war
gleichbedeutend mit einer Verbündung mit den Midianitern gegen
den Herrn und seinen auserwählten Befreier. Deshalb beschloß
Gideon, ähnlich wie bei dem früheren Fluch über die Stadt Meros
zur Zeit Deboras (vgl. Ri 5,23 ), den Städten als Vergeltung für
ihre üble Feindseligkeit mit Strafe zu drohen. Zu den Leuten von
Sukkot sagte er: Ich werde euer Fleisch mit Wüstendornen und
Stacheln zerdreschen (vgl. Ri 8,16 ). Dies könnte bedeuten, daß
er sie über Dornen ziehen wollte wie einen Dreschschlitten über
den Weizen, oder daß er sie "dreschen" wollte, indem er
Dreschschlitten über sie zöge. Was es auch immer sein sollte,
das Ergebnis schien unvermeidbar der Tod zu sein. Den Leuten von
Pnuel drohte er: Ich werde diese Burg niederreißen (vgl. V. 17
). Die Burg war möglicherweise eine Festung, in der die Leute,
ähnlich wie im Turm von Sichem ( Ri 9,46-49 ) oder im Turm von
Tebez ( Ri 9,50-51 ), Unterschlupf suchten.
Ri 8,10-12
(12) Die Verfolgung der Midianiter ins
Transjordanland ( Ri 8,4-21 )
Die beiden Midianiterkönige ( Sebach und
Zalmunna ) erreichten Karkor , einen nicht identifizierbaren
Ort, den man in der Nähe des Wadi Sirha, östlich vom Toten Meer,
vermutet, mit einer übriggebliebenen Heeresmacht von 15 000
Männern . Diese 15 000 machten gerade noch 11 Prozent der
gesamten midianitischen Streitmacht von 135 000 Mann aus. Gideon
folgte einer Karawanenstraße östlich von Nobach (vielleicht
Quanawat in Ostbasan) und Jogboha (dem heutigen el-Jubeihat, 24
km südöstlich von Puniel), unternahm einen Überraschungsangriff
auf die Midianiter, nahm die beiden Könige gefangen und
vernichtete ihr Heer.
Ri 8,13-17
(12) Die Verfolgung der Midianiter ins
Transjordanland ( Ri 8,4-21 )
Bei der Rückkehr in nordwestlicher Richtung
zum Paß von Heres (ein nichtidentifizierter Ort) zwang Gideon
einen jungen Mann aus Sukkot, die Namen der 77 Oberen der Stadt
aufzuschreiben. Danach führte Gideon sein Vorhaben aus, die
Ältesten der Stadt zu bestrafen (vgl. V. 7 ). Er führte auch
sein Vorhaben aus, die Stadt Puniel zu bestrafen (vgl. V. 9 ).
Ri 8,18-21
(12) Die Verfolgung der Midianiter ins
Transjordanland ( Ri 8,4-21 )
Gideon befragte die beiden
Midianiterkönige, die sich in seiner Hand befanden, über ein
ansonsten unbekanntes Ereignis, nämlich die Tötung mehrerer
seiner Brüder am Tabor, dem kleinen konischen Berg nördlich des
Hügels von More. Es wird nicht berichtet, ob dies beim letzten
Überfall oder bei einem früheren Überfall der Midianiter auf das
Tal Jesreel geschehen war. Da Gideon sich zur Blutrache
verpflichtet fühlte (vgl. 5Mo 19,6.12 ), waren seine Brüder
wahrscheinlich nicht im Kampf, sondern in ihren Häusern oder auf
dem Feld ermordet worden. Gideon forderte Jeter, seinen ältesten
Sohn, auf, sie zu töten . Dies war eine Ehre, zu der der Junge
noch nicht bereit war, obwohl es für die Könige eine schwere
Schmach gewesen wäre, von einem Unmündigen erschlagen zu werden.
Tapfer forderten sie Gideon auf, die Rache selbst zu üben, wobei
sie es als eine Ehre ansahen, vom tapferen Gideon erschlagen zu
werden. Gideon erschlug sie darauf selbst und nahm den Schmuck
(der wahrscheinlich mondförmig war) von den Hälsen ihrer Kamele
(vgl. Ri 8,26 ) als Kriegsbeute.
Richter
Ri 8,22-23
(13) Gideons Verzicht auf das Königtum
Angesichts dieses bedeutenden Sieges baten
die Israeliten Gideon, über sie als König zu herrschen, das
heißt, eine Herrscherdynastie zu gründen ( du, dein Sohn und
deines Sohnes Sohn ). Gideon lehnte beides, die Herrschaft und
die Dynastie, ab (doch Abimelech, einer seiner Söhne,
beanspruchte sie später für sich; vgl. Ri 9,1-6 ).
Wahrscheinlich sprach Gideon Worte, die bedeutungsvoller waren
als er dachte, als er die theokratische Herrschaft Jahwes
bestätigte: Der HERR wird über euch herrschen .
Ri 8,24-26
(14) Der Fallstrick Gideons in Form eines
Efods ( Ri 8,24-27 )
Obwohl er auf die Königswürde verzichtete,
ergriff Gideon die Möglichkeit, sich durch eine Abgabenforderung
zu bereichern und forderte einen Teil der Beute, nämlich die
goldenen Ohrringe, deren Gesamtgewicht ca. 20 kg betrug. Die
Bezeichnung Ismaeliter bezog sich eigentlich auf einen anderen
Nomadenstamm, der von Hagar abstammte ( 1Mo 16,15 ), doch
anscheinend nahm die Bezeichnung einen breiteren Gebrauch an, so
daß sie auch hier für die Midianiter verwendet wurde.
Ri 8,27
Gideon nahm das Gold, das er erhielt, und
machte einen Efod, den er in seiner Stadt Ofra aufstellte . Was
auch immer Gideon damit bezweckte, das Volk betete jedenfalls
diesen Efod an und er wurde Gideon und seiner Familie zum
Fallstrick . Wie dieser Efod ausgesehen haben mag, ist nicht
sicher. Es ist vielleicht nach dem kurzen Kleidungsstück, das
der Hohepriester trug, benannt worden ( 2Mo 28,6-30;39,1-21; 3Mo
8,7-8 ). Doch anstatt als Kleidungsstück getragen zu werden,
wurde Gideons goldener Efod offensichtlich aufgerichtet und zu
einem Götzen gemacht. Er mag sich in irgendeiner Weise die
Funktion des Priesters angemaßt und/oder einen gegensätzlichen
Anbetungsort zur Stiftshütte begründet haben. Am Ende scheint
Gideon doch zu der synkretistischen Gesellschaft zurückgekehrt
zu sein, aus der ihn Gott herausgerufen hatte, um Israel zu
befreien.
d. Die Zeit des Friedens
( 8,28 )
Ri 8,28
Als Folge der Vernichtung der Midianiter
durch Gideon genoß das Land 40 Jahre Frieden. Dies ist die
letzte Friedenszeit, von der im Buch der Richter berichtet wird.
Die darauf folgenden Taten Jeftahs und Simsons scheinen keinen
zeitweiligen Frieden bewirkt oder den Abfall der Nation
aufgehalten zu haben.
e. Der Tod Gideons
( 8,29-32 )
Ri 8,29-32
Auch wenn Jerubbaal (d. h. Gideon; vgl. Ri
6,32; 7,1 ) auf die Königswürde verzichtete, lebte er doch im
allgemeinen wie ein König ( er hatte viele Frauen, die ihm 70
Söhne gebaren ). Er hatte auch eine Konkubine in Sichem (die
charakteristischerweise bei der Familie ihrer Eltern wohnte),
die ihm einen Sohn ... namens Abimelech gebar . Dieser setzte
die nächste Spiralbewegung nach unten in der Geschichte des
israelitischen Abfalls in Bewegung, einer Spiralbewegung, die
nach dem Tod Gideons begann.
6. Die Richterämter Tolas und Jars, die dem
widerrechtlichen Königtum Abimelechs folgten
( 8,33-10,5 )
Es ist vielleicht bezeichnend, daß keine
der restlichen Richterämter, die im Buch der Richter noch
erwähnt werden, eine Zeit des Friedens nach sich zogen (vgl. im
Gegensatz 3,11.30; 5, 31; Ri 8,28 ). Dies scheint die allgemeine
Situation des fortschreitenden politischen und sozialen Abfalls
und moralischen Verfalls in diesem Buch zu bestätigen. Der
Anlaß, der die Phase des Abfalls in der Zeit der Richter ins
Rollen brachte, war das schlechte Königtum Abimelechs.
Abimelech, ein Sohn Gideons von dessen Konkubine, wird nicht als
Richter bezeichnet. Tatsächlich beinhaltete seine Herrschaft
einige Elemente der Unterdrückung, die nur durch seinen Tod und
das darauffolgende gute Richteramt Tolas (der in derselben
Gegend des zentralen Gebirges lebte) beendet wurde.
a. Der Abfall Israels
( 8,33-35 )
Ri 8,33-35
Als ob es schon darauf gewartet hätte,
brachte Gideons Tod Israels sofortige Rückkehr zum Götzendienst
mit sich (vgl. Ri 2,19 ). Anstatt Jahwe aus Dankbarkeit für all
seine Befreiungstaten zu dienen, machten sie Baal-Berit, der
einen Tempel in Sichem besaß ( Ri 9,3-4.46 ), zu ihrem Gott. Das
gleichzeitige Versäumnis, ihre Dankbarkeit gegenüber der Familie
des Jerubbaal (Gideon; vgl. Ri 6,32; 7,1; 8,29 ) zu erweisen,
mag zu der offensichtlichen Unbekümmertheit beigetragen haben,
mit der dessen Söhne von Abimelech umgebracht wurden ( Ri 9,5 ).
b. Die Knechtschaft unter Abimelech
( Ri 9 )
(1) Die Verschwörung Abimelechs in Sichem (
Ri 9,1-6 )
Ri 9,1
Interessanterweise wird Gideon in Kapitel 9
immer Jerubbaal und nie Gideon genannt (vgl. den Kommentar zu
"Jerubbaal" in Ri 6,32 ). Abimelech war ein Sohn Gideons von
einer Konkubine ( Ri 8,31 ), also einer Zweitfrau, die bei ihrer
eigenen Familie lebte und ab und zu von ihrem Mann besucht
werden konnte. In dieser sozialen Umgebung wurde Abimelech
sicherlich von seinen Halbbrüdern gemieden (vgl. seine
Vergeltungsmaßnahme in Ri 9,5 ), jedoch von der Familie seiner
Mutter, die in Sichem lebte, akzeptiert.
Die Stadt Sichem war seit der Zeit Abrahams
ein bedeutendes religiöses Zentrum gewesen ( 1Mo 12,6-7 ). Sie
lag in dem engen Tal zwischen den bekannten Gebirgen Garizim und
Ebal, dem Ort der Verlesung der Segnungen und Flüche des
Gesetzes unter Josua ( Jos 8,30-35 ) der späteren
Bundeserneuerungszeremonie vor Josuas Tod ( Jos 24,1-28 ).
Sichem lag an einer strategischen Kreuzung zwischen einer Straße
entlang dem Breitengrad, die von der Küstenroute im Westen
ausging und sich bis nach Adam am Jordan erstreckte, und einer
Straße entlang dem Längengrad, die längs der Gebirgskette von
Jerusalem im Süden bis zum Nordende des Tales Jesreel führte.
Ri 9,2-5
(1) Die Verschwörung Abimelechs in Sichem (
Ri 9,1-6 )
Abimelech sprach seine sichemitischen
Stammesbrüder an, indem er sich den Bürgern von Sichem anstelle
einer gemeinsamen Regierung der Söhne Jerubbaals anbot, die
vielleicht weder den Wunsch noch die Anhängerschaft hatten, um
Könige zu sein. Abimelech bekam etwas Silber aus dem Tempel des
Baal-Berit ausgehändigt, um damit ruchlose und verwegene
Abenteurer anzuwerben, die zu seiner persönlichen Truppe wurden.
Ihre erste Aufgabe war es, die 70 Brüder Abimelechs auf einem
Stein zu ermorden und somit eine öffentliche Massenexekution zu
veranstalten. Bedeutsamerweise entkam Jotam, Gideons jüngster
Sohn .
Ri 9,6
(1) Die Verschwörung Abimelechs in Sichem (
Ri 9,1-6 )
Nach der erfolgreichen Beseitigung aller
potentiellen Konkurrenten (oder war Abimelechs wahres Motiv
persönliche Rache?) wurde Abimelech von den gewöhnlichen Bürgern
von Sichem und von der Oberschicht, die in dem Stadteil wohnte,
der den Namen Millo ("Haus der Festung") trug, zum König
gekrönt. Die Krönung fand bei einem großen Baum (vielleicht
einem wohlbekannten heiligen Baum; vgl. 1Mo 12,6; 35,4 ) an
einer Säule (vgl. Jos 24,26 ) statt. Es ist zweifelhaft, ob
Abimelechs Herrschaft viel weiter als bis zu einigen Städten in
der Nachbarschaft Sichems reichte.
Ri 9,7
(2) Die Antwort Jotams an die Sichemiter (
Ri 9,7-21 )
Gideons jüngster Sohn Jotam, der dem
Massaker Abimelechs entkommen war (V. 5 ), stieg mutig auf den
Gipfel des Berges Garizim im Südwesten der Stadt und rief zu den
Bürgern von Sichem hinüber. Wahrscheinlich sprach er von einem
spitz zulaufenden Felsvorsprung auf einer Seite des Garizim
herab, der eine natürliche Kanzel bildete, von der man bis zum
Berg Ebal auf der anderen Talseite gehört werden konnte. Jotams
Rede ist wegen ihrer Form und ihres Inhaltes bemerkenswert, da
sie die erste der wenigen Fabeln (eine kurze Geschichte, in der
Tiere oder tote Gegenstände personifiziert werden) in der Bibel
ist. Ihre Absicht war es, die Sichemiter aufzufordern, sich vor
Gott dafür zu verantworten ( Höret mich an ... damit euch Gott
auch hört ), daß sie den unwürdigen Mörder Abimelech als König
angenommen hatten.
Ri 9,8-15
(2) Die Antwort Jotams an die Sichemiter (
Ri 9,7-21 )
Die Hauptaussage des Gleichnisses Jotams
war, daß nur unwürdige Leute danach trachten, über andere zu
herrschen, da würdige Personen viel zu sehr mit nutzvollen
Aufgaben beschäftigt sind, um nach Machtpositionen zu trachten.
Die Aussage der Parabel ist klar. Die Bäume suchten einen König,
wurden jedoch auf ihre Anfrage (a) vom Ölbaum (V. 8 ), dem
ältesten Baum, der damit beschäftigt ist, Öl zu produzieren, das
Götter und Menschen preisen (V. 9 ), als auch (b) vom Feigenbaum
(V. 10 ), dem verbreitetsten Baum in Israel, dessen Früchte zu
den Hauptnahrungsmitteln gehören (V. 11 ), und (c) vom Weinstock
(V. 12 ), aus dessen Trauben Wein hergestellt wird, der sowohl
Götter (d. h. als Trankopfer) als auch Menschen erfreut (V. 13
), abgewiesen. Aus lauter Verzweiflung baten die Bäume den
Dornbusch (der Kreuzdorn oder Brombeerstrauch wurde in den
Wüstengegenden Palästinas benutzt, um Herdfeuer anzuzünden) ihr
König zu sein (V. 14 ). Die wirkliche Annahme des Dornbusches
setzte voraus, daß sich die Bäume in seinem Schatten bergen
sollten (V. 15 ). Jotam sprach hier mit bitterster Ironie, denn
der kümmerliche Dornbusch am Fuße der anderen Bäume wirft kaum
Schatten. Die Gefahr, daß Feuer aus dem Dornbusch kommen konnte,
war nicht abwegig, da die Bauern stets wilde Feuer befürchteten,
die sich schnell im trockenen Geäst der Dornbüsche ausbreiten
konnten.
Ri 9,16-20
(2) Die Antwort Jotams an die Sichemiter (
Ri 9,7-21 )
Jotam erklärte dann das Bildnis des
unwürdigen "Strauchkönigs"Abimelech, um die Sichemiter dafür zu
tadeln, daß sie einen unwürdigen Führer gewählt hatten. Dieser
Tadel wurde dann auch zum Fluch (V. 20 ; vgl. V. 57 ). Jotam
begann den Tadel mit drei Bedingungssätzen (V. 16 ). Nach einer
Parenthese (V. 17 - 18 ), die die guten Taten Gideons und die
bösen Taten Abimelechs herausstellte, sprach Jotam den Tadel
erneut aus: Wenn ihr ehrenhaft und dankbar gegenüber Jerubbaal
(d. h. an Gideon) gehandelt habt ..., "so seid fröhlich über
Abimelech, und er sei fröhlich über euch" (V. 19 ). Doch sollte
das Gegenteil zutreffen (was offensichtlich Jotams Annahme war),
so sollten die Sichemiter und Abimelech von Feuer verzehrt
werden. Diese Aussage wird in Vers 57 speziell als Fluch
ausgedrückt.
Ri 9,21
(2) Die Antwort Jotams an die Sichemiter (
Ri 9,7-21 )
Es liegt auf der Hand, daß die Sichemiter
auf den Tadel Jotams negativ reagierten, denn er floh nach Beer
("Brunnen"), was eine häufige Ortsbezeichnung in Israel war, so
daß ein Versuch der Identifizierung reine Mutmaßung wäre.
Ri 9,22-25
(3) Der Aufstand der Sichemiter unter Gaal
( Ri 9,22-29 )
Drei Jahre unter der Regierung Abimelechs
führten zu einem Aufstand der Sichemiter. Ein böser
(dämonischer) Geist wurde von Gott gesandt, um den Fluch Jotams
zu erfüllen und Neid oder Mißtrauen unter den Sichemitern zu
erwecken, die Hinterhalte auf den Berghöhen legten und die
Karawanen und andere Reisende auf den wichtigen Handelsstraßen,
die an Sichem vorbeiführten, überfielen. Dies verringerte die
Zahl der Reisenden, und Abimelech gewann weniger Einnahmen aus
Tribut- und Zollabgaben. Daß Gott einen bösen Geist, einen
Dämon, sandte, beweist, daß er allein über das ganze Universum
herrscht. Selbst Satan konnte Hiob nicht ohne Gottes Erlaubnis
angreifen ( Hi 1,12;2,6 ).
Ri 9,26-29
(3) Der Aufstand der Sichemiter unter Gaal
( Ri 9,22-29 )
Der undisziplinierte Pöbel Sichems fand
einen neuen Anführer in Gaal, dem Sohn Ebeds , der mit seinen
Brüdern (vielleicht seine persönlichen Söldner oder ein eigenes
Heer) in Sichem einzog. Zur Zeit der Weinernte (Juni/Juli)
hielten die Sichemiter ein heidnisches religiöses Fest ab, das
mit dem israelitischen Erntedank- oder Laubhüttenfest, das im
September/Oktober stattfand (vgl. 5Mo 16,13-15 ), vergleichbar
war, wenn es auch schon länger bestand. Bei dieser Gelegenheit
verfluchten sie Abimelech und hörten auf Gaal, der Abimelech und
Sebul, dessen Abgesandten, der Statthalter von Sichem war ( Ri
9,30 ), verhöhnte. Gaal rief sie dazu auf, den Leuten Hamors ,
des Stammvaters ihrer Sippe ( 1Mo 34,26 ), lieber zu dienen als
dem halbwüchsigen Abimelech. Dies läßt darauf schließen, daß ein
großer Teil des Pöbels von Sichem aus Kanaanitern bestand. Gaal
forderte den nicht anwesenden Abimelech kühn auf: Rufe dein Heer
zusammen!
Ri 9,30-33
(4) Der Vergeltungsschlag Abimelechs gegen
Gaal ( Ri 9,30-49 )
Sebul (vgl. V. 28 ), der Statthalter der
Stadt, war über den aufsässigen Gaal erzürnt. Deshalb warnte er
Abimelech, der im nahen Aruma (V. 41 ), möglicherweise dem
heutigen Khirbet el-Urma zwischen Sichem und Silo, wohnte, damit
dieser seine Truppen während der Nacht bringen und bei
Sonnenaufgang gegen die Stadt ziehen und Gaal töten solle.
Ri 9,34-41
(4) Der Vergeltungsschlag Abimelechs gegen
Gaal ( Ri 9,30-49 )
Abimelech zog nach Sichem, teilte seine
Truppen in vier Kompanien ein und begann bei Sonnenaufgang gegen
die Stadt zu marschieren. Als Gaal ihren frühmorgendlichen
Marsch bemerkte, behauptete Sebul, es seien nur die Schatten der
Berge. Doch Gaal bestand darauf, daß es Männer seien, die aus
der Mitte des Landes kämen (wörtlich: "dem Nabel des Landes",
wahrscheinlich ein Hinweis auf den Garizim, der in der Mitte des
zentralen Gebirges liegt). Die Zaubereiche war vielleicht die
Eiche von More ( 1Mo 12,6 ). Als er Gaal nicht länger täuschen
konnte, trieb ihn Sebul dazu an, seine Streitkräfte außerhalb
der schützenden Stadtmauern zu führen, um gegen die Truppen
Abimelechs zu kämpfen. Nach seiner ganzen Prahlerei hatte Gaal
keine andere Wahl, als sich an dem Gefecht zu beteiligen und
die, die ihm von Sichem gefolgt waren, wurden von Abimelech
vollkommen besiegt. Dann kehrte Abimelech nach Aruma zurück,
während die Bürger Sichems, die Sebul anhingen, Gaal und seine
Brüder aus Sichem vertrieben.
Ri 9,42-45
(4) Der Vergeltungsschlag Abimelechs gegen
Gaal ( Ri 9,30-49 )
Dennoch war der Zorn Abimelechs nicht
verflogen, und die Furcht vor einem weiteren Aufstand der
Bewohner von Sichem veranlaßte ihn dazu, die Menschen aus dem
Hinterhalt zu überfallen , während sie auf den Feldern
arbeiteten. Zwei Mannschaftstruppen schlachteten die Menschen
ab, während Abimelech das Stadttor mit einer dritten Truppe
sicherte. Gegen Abend hatte er die Stadt eingenommen, sie
zerstört und ihre Bewohner umgebracht. Dann streute er Salz
darauf . Das sollte ein Symbol für die Verurteilung zur
Unfruchtbarkeit sein, damit die Stadt auf ewig unfruchtbar
bliebe (vgl. 5Mo 29,22; Jer 17,6 ). Die Archäologie hat diese
Zerstörung Sichems im zwölften Jahrhundert v. Chr. bestätigt.
Sichem blieb eine Ruine, bis Jerobeam die Stadt als seine
Hauptstadt wieder aufbaute ( 1Kö 12,25 ).
Ri 9,46-49
(4) Der Vergeltungsschlag Abimelechs gegen
Gaal ( Ri 9,30-49 )
Diese Verse erläutern möglicherweise ein
Ereignis, das sich während der zuvor in Vers 45 berichteten
Zerstörung innerhalb der Stadt abspielte und wäre dann kein
nachfolgendes Ereignis außerhalb der zerstörten Stadt. Die
Sichemiter hatten entweder von der Tötung der Menschen auf den
Feldern (V. 43-44 ) oder von der Eroberung des Stadttores (V. 44
) gehört. Sie hatten sich in den Turm von Sichem zurückgezogen
(es handelt sich hier möglicherweise um den in V. 6 erwähnten
Millo) und sich in dem Gewölbe des Tempels von Baal-Berit , vgl.
V. 4 ) in Sicherheit gebracht, der möglicherweise einen Teil des
Turmes von Sichem darstellte. Abimelech und seine Soldaten
hackten Äste vom Berg Zalmon (es handelte sich hierbei entweder
um den Berg Garizim oder um den Berg Ebal) und setzten sie über
dem Gewölbe in Brand, so daß etwa 1000 Männer und Frauen ...
starben .
Ri 9,50-55
(5). Der schändliche Tod Abimelechs in
Tebez
Abimelech belagerte als nächstes Tebez und
nahm die Stadt ein, womit möglicherweise das heutige Tubas
gemeint ist, das sich etwa 15 km nordöstlich von Sichem auf der
Straße nach Bet-Schean befindet. Diese Stadt war offensichtlich
ein von Sichem abhängiges Gebiet, das unter Abimelechs
Herrschaft an dem Aufstand teilgenommen hatte. Abimelech machte
den Versuch, hier genauso wie in Sichem vorzugehen und an den
Turm (innerhalb der Stadt), zu dem sich die Menschen geflüchtet
hatten, Feuer zu legen. Aber eine Frau warf ihm einen Mühlstein
auf den Kopf und zermalmte ihm den Schädel . Der "Mühlstein" war
entweder ein zylinderförmiger Stein von einer Handmühle (etwa 20
bis 25 cm lang und von einer gewissen Dicke) oder der große
Stein einer normalen Mühle (etwa 30 bis 45 cm im Durchmesser mit
einem Loch in der Mitte und von einer gewissen Dicke). Als
Abimelech starb, befahl er (wie später Saul, 1Sam 31,4 ) seinem
Waffenträger, ihn zu töten . Abimelech wollte verhindern, daß
man sagte, daß ihn eine Frau umgebracht habe. Alle, die
Abimelech gefolgt waren (hier wird deutlich, daß es sich hierbei
um Israeliten handelte), gingen nach Hause, als sie sahen, daß
er tot war.
Ri 9,56-57
(6) Jotams Fluch erfüllt sich
Der Erzähler berichtet hier von der
göttlichen Vorhersehung hinter der Zerstörung Sichems und dem
Tod Abimelechs: Gott vergalt die Bosheit, die Abimelech gegen
Gideon und seine Familie verübt hatte; Gott ließ die Männer von
Sichem für all ihre Bosheit bezahlen. So ging der Fluch Jotams,
des Sohnes Gideons, in Erfüllung (vgl. V. 20 ).
c. Die Errettung unter Tola und Jar
( 10,1-5 )
Tola und Jar befanden sich unter den
sogenannten "kleinen Richtern", aber sie waren bei der Errettung
Israels in der Zeit vor der Monarchie nicht von geringerer
Bedeutung. Das Richteramt Tolas war im besonderen eine
Gegenmaßnahme, um dem Niedergang unter Abimelech
entgegenzuwirken. Jar ging mit seinem Richteramt in Gilead
geographisch gesehen dem Richteramt des nächsten großen
Richters, nämlich Jeftah, voraus.
Ri 10,1-2
Da Tola , der Retter im Gebirge Ephraim,
ein Mann Issachars war, könnte seine Herrschaft den benachbarten
Stamm Manasse mitbetroffen haben, wo Abimelech sein kleines
Königtum errichtet hatte. Da hier keine fremden Unterdrücker
erwähnt werden, könnte Tolas Errettung ( er stand auf, um Israel
zu erretten ) mit inneren Streitigkeiten und dem traurigen Stand
der Dinge (wozu auch die Herrschaft Abimelechs zählte)
zusammenhängen, die auf den positiven Einfluß durch Gideon
folgten. Tola war 23 Jahre Richter über Israel, bevor er starb.
Es bleibt unklar, wo die Gegend von Schamir , dem Ort, an dem er
gewohnt hatte und begraben worden war, lag.
Ri 10,3-5
Nach der Zeit, in der Tola Richter gewesen
war, führte Ja´r Israel 22 Jahre in Gilead an, also in der
Gegend jenseits des Jordans im Gebiet Manasses. Seine edle
Stellung wird an seiner großen Nachkommenschaft von 30 Söhnen
offenbar, die jeder einen Esel als Statussymbol besaßen (vgl. Ri
12,14 ). Die "Dörfer Ja´rs" (Hawot-Ja´r) waren eine Gruppe von
Ortschaften in Baschan, die ihren Namen von einem früheren Jar
erhalten hatten ( 4Mo 32,41; 5Mo 3,14 ). Sie hatten Bestand,
denn sie waren in den Tagen des Verfassers des Richterbuches
noch immer vorhanden. Das Grab Jars, Kamon , könnte das heutige
Qamm in Gilead sein.
7. Die Befreiung von der Unterdrückung
durch die Ammoniter durch Jeftah
( 10,6-12,7 )
Ri 10,6-16 ist offensichtlich eine
ausführliche theologische Einführung in die Richterzeit von
Jeftah ( Ri 10,17- Ri 12,7 ) und Simson ( Ri 13-16 ), denn bei
den Unterdrückern, die in Ri 10,7 eingeführt werden, handelt es
sich gleichzeitig um die Ammoniter (im Osten) und um die
Philister (im Westen).
a. Der Abfall Israels
( 10,6 )
Ri 10,6
Die zahlenmäßige Übereinstimmung zwischen
den sieben Gruppen der heidnischen Götter (V. 6 ) und den sieben
Nationen, die Israel unterdrückten (V. 11-12 ), ist
bemerkenswert. Die Baale und die Astarten waren, wie bereits
zuvor bemerkt worden ist, die Götter der Kanaaniter (vgl. Ri
2,13 ). Zu den Göttern von Aram gehörten auch Hadad oder Rimmon
( 2Kö 5,18 ), während die Götter von Sidon der phönizische Baal
und die Aschera waren (vgl. 1Kö 16,31-33; 18,19 ). Moabs
oberster Gott war Kemosch (vgl. 1Kö 11,7.33; 2Kö 23,13 ), der
oberste Gott der Ammoniter Milkom oder Moloch ( 1Kö 11,33; Zeph
1,5 ) und der oberste Gott der Philister war Dagon ( Ri 16,23 ).
Die Israeliten verehrten diese Götter der Nationen, die in ihrer
nächsten Umgebung lebten, und verließen deshalb den Herrn und
dienten ihm nicht länger.
b. Das Elend unter den Ammonitern
( 10,7-9 )
Ri 10,7-9
Wieder züchtigte der Herr sein Volk, das
vom Weg abgeirrt war, durch fremde Unterdrücker - die Philister
im Westen (womit auf die Erzählung von Simson in Ri 13-16
hingedeutet wird) und die Ammoniter im Osten, die Israel 18
Jahre lang unterdrückten.
Ammon war ein Königtum jenseits des
Jordans, nordöstlich von Moab, das zur Zeit Ehuds mit Eglon von
Moab verbündet war ( Ri 3,13 ).
Die Ammoniter unterdrückten Gilead, das
Gebiet jenseits des Jordans, das im Süden von dem Stamm Gad und
im Norden von dem halben Stamm Manasse bewohnt war. Die
Ammoniter zogen auch über den Jordan. Möglicherweise überfielen
sie Juda, Benjamin und das Haus Ephraim (also das Gebiet der
zentral gelegenen Hochebenen) immer wieder.
c. Die Buße Israels
( 10,10-16 )
Ri 10,10-16
Früher war Israels Schreien zum Herrn nicht
unbedingt ein Anzeichen für ihre Buße über ihre Sünde gewesen
(vgl. Ri 3,9.15; 4,3 ). Zur Zeit der midianitischen Invasionen
hatte der Herr einen Propheten gesandt, um sie darauf
hinzuweisen, wie nötig sie die Buße hatten ( Ri 6,7-10 ). Bei
diesem Anlaß jedoch zeigten die Israeliten echte Reue, indem sie
zuerst ihre Sünden bekannten ( wir haben gegen dich gesündigt )
und dann, nachdem der Herr sie zurechtgewiesen hatte ( laßt doch
die Götter, die ihr euch erwählt habt, euch erretten ),
standhaft an ihrem Sündenbekenntnis festhielten und Anstalten
machten, die fremden Götter wegzuschaffen und dem Herrn zu
dienen. Seine Gnade gegenüber dem Elend Israels brachte ihn
dazu, daß er Jeftah als Retter aufstehen ließ. Der Begriff die
Maoniter ( Ri 10,12 ) kann sich auf die Midianiter (vgl. V. 12 ,
LXX) oder auf eine Gruppe beziehen, die von einem Maon (ein
kanaanitischer Name) abstammte.
d. Jeftah rettet das Volk
( 10,17-12,6 )
(1) Die Wahl Jeftahs durch die Obersten von
Gilead ( Ri 10,17-11,11 )
Ri 10,17-11,6
Als Reaktion auf die ammonitische Invasion
von Gilead versammelten sich die Israeliten und lagerten sich
bei Mizpa (möglicherweise handelt es sich um Ramat-Mizpe
[Khirbet Jalad, das knapp 25 km nordöstlich von Rabbat-Ammon
(Rabba, die Stadt der Ammoniter), also des heutigen Ammans,
liegt] oder um Ramot in Gilead [Tell Ramit, etwa 65 km nördlich
von Rabbat-Ammon]). Die erste Aufgabe bestand für Israel darin,
nach einem militärischen Befehlshaber Ausschau zu halten. Sie
wandten sich an Jeftah ( Ri 11,4-6 ), einen bekannten Führer,
dessen bisherige Familiengeschichte in Ri 11,1-3 zusammengefaßt
wird. Wie Abimelech (vgl. Ri 9 ) war Jeftah möglicherweise ein
Halbkanaaniter ( seine Mutter war eine Hure ). Er war von seinen
Halbbrüdern von zu Hause vertrieben worden ( Ri 11,2 ). Im Lande
Tob (möglicherweise nördlich von Ammon und östlich von Manasse)
versammelte er eine Schar von Abenteurern um sich (V. 3 , womit
möglicherweise eine "Räuberbande" gemeint ist).
Ri 11,7-11
(1) Die Wahl Jeftahs durch die Obersten von
Gilead ( Ri 10,17-11,11 )
Die Ältesten von Gilead hielten an ihrem
Wunsch trotz der Vorwürfe Jeftahs fest (V. 8 ). Sie
untermauerten ihr Versprechen, daß sie Jeftah zu ihrem Anführer
über Gilead machen wollten, nachdem er einen militärischen Sieg
errungen hatte, indem sie einen feierlichen Eid vor dem Herrn
als ihrem Zeugen ablegten (V. 10 ). Dann folgte eine offizielle
Schwurzeremonie bei Mizpa. Im Gegensatz zu Gideon, der vom Herrn
in sein Richteramt berufen worden war, wurde Jeftah zuerst von
Menschen berufen. Dennoch wurde der Herr angerufen, Zeuge ihrer
Wahl zu sein (V. 10-11 ), und er ließ seinen Geist über Jeftah
kommen, damit er den Sieg erlangen konnte (V. 29 ).
Ri 11,12-13
(2) Die Diplomatie Jeftahs beim Umgang mit
dem König der Ammoniter ( Ri 11,12-28 )
Es überrascht, daß Jeftahs erster Schritt
als Herrscher über Gilead darin bestand, den Konflikt auf
nicht-militärischem Wege zu lösen. Mittels Boten fragte er den
König der Ammoniter, warum er Gilead angegriffen hatte. Die
Antwort des Königs kam in Form einer Anschuldigung: Als Israel
aus Ägypten heraufgekommen war, hat Israel mir mein Land
weggenommen - eine Aussage, dessen Unwahrheit Jeftah beweisen
wollte (V. 14-27 ). Dennoch bot der ammonitische König Jeftah
für die Rückgabe des Landes den Frieden an. Der Arnon und der
Jabbok waren die Flüsse, die die südliche und nördliche Grenze
Ammons bildeten. Südlich des Arnon befand sich Moab. Der Arnon
fließt in das Tote Meer und der Jabbok in den Jordan.
Ri 11,14-22
(2) Die Diplomatie Jeftahs beim Umgang mit
dem König der Ammoniter ( Ri 11,12-28 )
Jeftah brachte seine Kenntnis der
Geschichte Israels zur Anwendung (die er entweder aus mündlicher
oder schriftlicher Quelle besaß), um die Behauptung des
ammonitischen Königs zurückzuweisen. Beiläufig machte Jeftah
deutlich, daß Israel sich in die Weigerung Edoms (vgl. 4Mo
20,14-21 ) und Moabs gefügt hatte, sie durch ihr Land ziehen zu
lassen ( Ri 11,17-18 ). Als aber Israel die Grenzen Edoms und
Moabs umrundet und sich auf der anderen Seite des Arnon gelagert
hatte (die gewöhnlichere nördliche Grenze Moabs), weigerte sich
Sihon, der König der Amoriter ebenfalls, Israel in nordöstlicher
Richtung zum Jordan durch sein Gebiet ziehen zu lassen und
kämpfte gegen sie. Der Herr schenkte Israel den Sieg, und sie
nahmen das ganze Land der Amoriter in Besitz, ... vom Arnon bis
zum Jabbok - das Land, um das sich nun die Ammoniter und die
Gileaditer stritten (vgl. V. 13 ). Dieses Gebiet war wirklich
das südliche Gilead (das übrige des Landes Gilead befand sich
nördlich des Jabbok), und sein südlicher Teil (vom Arnon bis zu
einer Linie, die sich vom nördlichen Ende des Toten Meeres in
östlicher Richtung erstreckte) war zeitweilig in moabitischer
Hand.
Ri 11,23-24
(2) Die Diplomatie Jeftahs beim Umgang mit
dem König der Ammoniter ( Ri 11,12-28 )
Daraufhin führte Jeftah an, daß der Herr
Israel dieses Land gegeben hatte. Er schloß diesen Punkt in
seiner Argumentation, indem er andeutete, daß Ammon mit dem Land
zufrieden sein solle, das ihr Gott Kemosch ihnen gegeben hatte
und Israel nicht das Land streitig machen solle, das der Herr
ihnen gegeben hatte. In der Geschichte war Kemosch der Gott der
Moabiter und Milkom (oder Moloch) der Gott der Ammoniter. Aber
Jeftah schien hier auf den Gott des Landesteiles Bezug zu
nehmen, der früher einmal den Moabitern gehört hatte, bevor
Sihon Moab in das Gebiet südlich des Arnon verdrängt hatte. Eine
andere Erklärung wäre die, daß sich die Moabiter für diesen
Angriff auf Gilead mit den Ammonitern verbündet hatten, so daß
sich Jeftah bei diesem Punkt seiner Argumentation wirklich an
die Moabiter gewandt hatte. Eine dritte Möglichkeit wäre
folgende: Die Ammoniter hatten die Verehrung Kemoschs zu dieser
Zeit übernommen.
Ri 11,25-27
(2) Die Diplomatie Jeftahs beim Umgang mit
dem König der Ammoniter ( Ri 11,12-28 )
Jeftah argumentierte auch dahingehend, daß
Balak, der König von Moab, dem ein Teil des fraglichen Gebietes
gehört hatte, zugestimmt hatte, daß Israel auf dieses Gebiet ein
Anrecht hatte. In der Tat hatte, so führte Jeftah an, das Land
zur Zeit der ammonitischen Invasion 300 Jahre lang Israel
gehört, ohne daß eins der Völker, die im Umkreis gewohnt hatten,
darauf einen Anspruch erhoben hatte. So bestritt Jeftah, daß von
Israels Seite in irgendeiner Weise Unrecht gegen Ammon begangen
worden war. Ammon hatte falsch gehandelt, indem sie gegen Israel
gestritten hatten.
Ri 11,28
(2) Die Diplomatie Jeftahs beim Umgang mit
dem König der Ammoniter ( Ri 11,12-28 )
Jeftahs Versuch, den Streit auf
diplomatischem Wege beizulegen, hatte keinen Erfolg, denn der
König von Ammon achtete nicht auf seine Botschaft.
Ri 11,29
(3) Der Herr rüstet Jeftah mit Vollmacht
aus
Wenn der Geist des HERRN über Jeftah kam ,
so diente das dazu, daß dieser von Gott in seiner militärischen
Führung gegen die heidnischen Unterdrücker, die der Herr
gebraucht hatte, um sein Volk zu züchtigen (vgl. Ri 3,10; 6,34;
13,25; 15,14 ), zu seiner Aufgabe befähigt wurde. Die Gegenwart
des Heiligen Geistes bei den Führern des AT war hauptsächlich
dafür da, daß diese ihren Dienst für Gott tun konnten, und nicht
im besonderen dafür, daß sie ein geheiligtes Leben führen
konnten. Daher stand die Gegenwart des Geistes bei Jeftah nicht
notwendigerweise mit seinem Gelübde oder seiner Erfüllung in
Beziehung, von dem in den folgenden Versen berichtet wird.
Jeftahs Durchzug durch Gilead und Manasse diente offensichtlich
der Rekrutierung von Männern für seine Armee.
Ri 11,30-31
(4) Jeftah legt dem Herrn ein Gelübde ab
Die Tatsache, daß Jeftah dem HERRN ein
Gelübde ablegte , war im mosaischen Zeitalter nicht
ungewöhnlich. Vielleicht hatte Jeftah das Gelübde in der
Vorausschau des Dankes für den von Gott geschenkten Sieg über
die Ammoniter abgelegt. Während das Gelübde Jeftahs Hingabe und
Ernst deutlich machten, sind manche Ausleger der Meinung
gewesen, daß sie zugleich seine Voreiligkeit zeigen. Manche
Ausleger haben versucht, Jeftah vor diesem Vorwurf zu schützen,
indem sie Vers 31 folgendermaßen übersetzt haben: "der soll dem
Herrn gehören, oder ich werde ihn als Brandopfer darbringen". Es
ist jedoch wahrscheinlicher, daß Jeftahs Absicht war: Ich will
ihn als Brandopfer darbringen .
Ri 11,32-33
(5) Der Sieg Jeftahs über Ammon
Gott erfüllte Jeftahs Bitte und gab die
Ammmoniter in seine Hand. Jeftah zerstörte zwanzig von den
Ammonitern besetzte Städte in Gilead und überwältigte Ammon auf
diese Weise. AroÙr (Kirbet Arair) lag etwa 23 km östlich des
Toten Meeres, nahe der Unterbrechung des Arnon, oder der
südlichen Grenze von Ruben und der "Königsstraße" auf der großen
Nord-Süd-Handelsroute.
Mit Abel-Keramim könnte Naur gemeint sein,
das etwa 13 km südwestlich von Rabbat-Ammon (od. Rabba, die
Stadt der Ammoniter, dem heutigen Amman) entfernt lag. Es ist
nicht bekannt, wo Minnit lag. Man kann jedoch vermuten, daß es
sich in der Nähe von Abel-Keramim befand.
Ri 11,34-40
(6) Jeftah und seine Tochter
Der siegreiche Jeftah traf an der Tür
seines Hauses auf seine Tochter , die gerade den Sieg ihres
Vaters über Ammon feierte. Es wird hier besonders hervorgehoben,
daß sie sein einziges Kind war. Jeftah, der an die Erfüllung
seines Gelübdes dachte, verlieh seinem großen Verdruß und seinem
Kummer auf für den Nahen Osten typische Weise Ausdruck, indem er
seine Kleider zerriß (vgl. z. B. 1Mo 37,29.34; 44,13; Jos 7,6;
Est 4,1; Hi 1,20;2,12 ). Seine Aussage: Ich habe dem HERRN ein
Gelübde abgelegt, das ich nicht brechen kann könnte darauf
hindeuten, daß er nichts von der im Gesetz verankerten
Möglichkeit wußte, Menschen (mit Silber) auszulösen, die auf
diese Weise dem Herrn geweiht waren (vgl. 3Mo 27,1-8 ). Das
mosaische Gesetz verbot zudem ausdrücklich Menschenopfer (vgl.
3Mo 18,21; 20,2-5; 5Mo 12,31; 18,10 ). Daher schließen viele
Ausleger, daß Jeftah, wenn er an ihr handelte, wie er gelobt
hatte ( Ri 11,39 ), das Los von seiner Tochter umwandelte, so
daß sie nicht mehr ein Brandopfer war, sondern ihr ganzes Leben
lang als Jungfrau im Dienst beim großen Heiligtum Israels dienen
sollte. Andere Ausleger vertreten die Auffassung, daß das
halbheidnische Umfeld und seine Gebräuche ihn dazu verleiteten,
sie als ein Brandopfer darzubringen. Wichtige Argumente sind
zugunsten beider Ansichten vorgebracht worden (vgl. Wood,
Distressing Days of the Judges , S. 288 - 295; Merrill F. Unger,
Unger's Commentary on the Old Testament , 2 Bde, Chicago 1981,
1/331).
Die meisten Argumente, die für oder gegen
die Opferung von Jeftahs Tochter als Menschenopfer vorgebracht
werden, können zur Verteidigung beider Ansichten vorgebracht
werden und sind daher nicht schlüssig. So paßt zum Beispiel der
Kummer sowohl von Jeftah als auch von seiner Tochter gut sowohl
zu ihrem Tod als auch zu ihrem immerwährenden Jungfrauenstatus.
In beiden Fällen würde sie (früher oder später) kinderlos
sterben, und Jeftah bekam keine Nachkommen. Ihre Bitte, zwei
Monate umherzustreifen ... und weinen zu können, weil sie
niemals heiraten würde , könnte eines der wichtigeren Argumente
für die Annahme sein, daß sie ihr Leben lang als Jungfrau dienen
sollte. Es könnte jedoch auch bedeuten, daß sie in Erwartung
ihres Todes klagte. In diesem Fall würde sie natürlich auch
keine Kinder bekommen können. Jeftah hatte zwar sein Gelübde
übereilt geleistet, aber er wußte möglicherweise von den
Verboten des mosaischen Gesetzes, einen Menschen zu opfern. Aber
sein halbheidnischer Hintergrund mit dem allgemeinen Geist der
Gesetzlosigkeit, der zur Zeit der Richter vorherrschte (vgl. Ri
17,6; Ri 21,25 ), könnte eine plausible Erklärung dafür sein,
daß er sein Gelübde erfüllte. Der Bericht des am Ort üblichen,
jährlich geübten Brauches, der Tochter Jeftahs zu gedenken ( Ri
11,39-40 ), liefert uns nicht genügend Informationen, um einer
der beiden Ansichten den Vorzug geben zu können.
Auch wird die Frage, ob etliche junge
Frauen bei der Stiftshütte ihren Dienst taten, aus den
Abschnitten, die man zur Unterstützung dieser These anführt,
nicht wirklich deutlich beantwortet ( 2Mo 38,8; 1Sam 2,22 ).
Ebenso sind die Verse gegen die Erfüllung eines solchen Gelübdes
( 4Mo 27 ) auf diese Situation nicht unmittelbar anwendbar. Es
wird dort nichts über einen Dienst für Gott als Ersatz für das
Opfer gesagt - nur über den Ersatz in Form einer Geldzahlung. Da
es kein deutliches Anzeichen dafür gibt, daß das Mädchen für
immer als Jungfrau für den Dienst bei der Stiftshütte geweiht
wurde, dürfte die natürlichere Auslegung für den Euphemismus,
daß Jeftah "ihr tat, wie er gelobt hatte", die sein, daß er
seine Tochter als ein Menschenopfer Opfer darbrachte.
Welche Position man auch immer vertreten
mag, so ist doch die Haltung der Tochter Jeftahs bemerkenswert.
Sie konnte entweder durch den Tod oder durch ihren
immerwährenden Dienst beim Heiligtum keine Kinder bekommen. Das
war im damaligen Israel Grund für großen Kummer. Dennoch
unterwarf sie sich dem Gelübde ihres Vaters: Du hast dem HERRN
dein Wort gegeben. Tu an mir, wie du gelobt hast . Ein
israelitischer Brauch, der vielleicht auf eine bestimmte Gegend
beschränkt war, entstand aufgrund dieses Ereignisses. Jedes Jahr
zogen die jungen Frauen Israels für vier Tage aus, um der
Tochter Jeftahs, des Gileaditers, zu gedenken.
Ri 12,1-6
(7) Die Auseinandersetzung Jeftahs mit
Ephraim
Die Ephraimiter waren von den Ammonitern
angegriffen worden (vgl. Ri 10,9 ), aber das Land der
Ephraimiter war offensichtlich nicht wie das Land von Jeftah,
dem Gileaditer, von den Ammonitern besetzt worden. Dennoch
gingen die Ephraimiter gegen Jeftah vor, denn er hatte beim
Kampf gegen Ammon nicht um ihre Hilfe gebeten. Im Gegensatz zu
der vorsichtigen Behandlung einer ähnlichen Situation durch
Gideon (vgl. Ri 8,1-3 ) versicherte Jeftah, daß sie auf seinen
Aufruf nicht geantwortet hätten (allerdings gibt der Bericht
keinen Aufschluß über eine solche Bitte), und auf diese Weise
errang er ohne ihre Hilfe über Ammon den Sieg. Beleidigungen
seitens der Ephraimiter führten dann dazu, daß sie von den
Gileaditern vernichtet wurden. Die Gileaditer töteten sogar die
flüchtigen überlebenden Ephraimiter, die den Jordan zu
überqueren versuchten, um so nach Ephraim zurückzukehren. Die
Ephraimiter konnten aufgrund ihrer Aussprache des hebr. Lautes
sch leicht identifiziert werden, denn sie sprachen diesen Laut
wie ein s aus. Diese Auseinandersetzung kostete die Ephraimiter
42 000 Menschen. Ein hoher Preis für ihre Eifersucht!
e. Der Tod Jeftahs
( 12,7 )
Ri 12,7
Nach dem Sieg über die Ammoniter war Jeftah
sechs Jahre Führer über Israel (d. h. er richtete Israel), dann
starb er.
8. Die Richter Ibzan, Elon und Abdon
( 12,8 - 15 )
Drei unbedeutendere Richter folgten Jeftah
in verschiedenen Gebieten Israels.
Ri 12,8-10
Ibzan war der Führer Israels als Richter,
und zwar offensichtlich von seiner Heimatstadt Bethlehem aus. Es
geht hieraus nicht hervor, ob es sich dabei um Bethlehem in Juda
oder um Bethlehem in Sebulon handelte (vgl. Jos 19,10.15 ).
Ibzans gesellschaftliche Stellung wird aufgrund seiner großen
Familie deutlich, die aus 30 Söhnen und 30 Töchtern bestand.
Seine politischen Verbindungen ergeben sich aus der Tatsache,
daß er dafür sorgte, daß seine Söhne und seine Töchter außerhalb
seines Geschlechtes heirateten. Er richtete Israel sieben Jahre
lang und starb.
Ri 12,11-12
Elon , der Sebuloniter, war zehn Jahre lang
Führer über Israel. Wenn man von dem Ort absieht, an dem er
begraben wurde - Ajalon (diese Stadt kann nicht identifiziert
werden) im Lande Sebulon, wird nichts weiter über ihn berichtet.
Ri 12,13-15
Abdon , der aus Piraton in Ephraim stammte
(dieser Ort liegt etwa 12 km westlich bis südwestlich von
Sichem), hatte 40 Söhne und 30 Enkel, von denen jeder seinen
eigenen Esel besaß. Dies war ein Statussymbol, das die
Vornehmheit einer Familie anzeigte (vgl. den Richter Jar, dessen
30 Söhne alle einen Esel ritten; Ri 10,4 ). In der acht Jahre
währenden Richterzeit Abdons ergaben sich möglicherweise
Konflikte mit den Amalekitern.
9. Die Befreiung Israels von der
Unterdrückung durch die Philister durch Simson
( Ri 13-16 )
a. Der Abfall Israels
( 13,1 a)
Ri 13,1 a
Israels beständige geistliche
Abwärtsbewegung fand mit der siebten uns berichteten
Abfallbewegung im Buch Richter ihren Höhepunkt (vgl. Ri
3,5-7.12-14; 4,1-3; 6,1-2; 8,33-35; 10,6-9 ). Dieser Abfall war
eine Zeit des Götzendienstes, der bereits zuvor in Ri 10,6
beschrieben worden ist (dazu gehörten auch "die Götter der
Philister"), denn eine daraus resultierende Unterdrückung durch
die Philister (im Westen) wird in Ri 10,7 erwähnt und bildet das
Gegenstück zu der Unterdrückung durch die Ammoniter (im Osten).
b. Das Elend unter den Philistern
( 13,1 b)
Ri 13,1 b
Der ungeheure Abfall der Israeliten und die
Stärke der Philister waren die Gründe für die beispiellose Länge
der Unterdrückung von 40 Jahren. Allerdings blieben die
Philister bis in die ersten Jahre der Herrschaft Davids eine
Bedrohung (vgl. 2Sam 5,17-25 ). Sie hatten sich bereits schon
früher in Palästina angesiedelt (vgl. 1Mo 21,32-34; 26,1-18; Ri
1,18-19 ). Um 1200 v. Chr. kamen sie in großer Zahl während der
Invasion der Seevölker in das Land. Sie schufen sich eine
Pentapolis oder Konföderation von fünf Städten - Gaza, Askalon
und Asdod auf der Küstenstraße, das von strategischer Bedeutung
war, und Gat und Ekron in der Schefela bzw. dem judäischen
Hügelland (vgl. Jos 13,3 ).
Als sich der Angriff der Philister ostwärts
in das Land Benjamin und Juda bewegte, akzeptierten die
Israeliten diese Vorherrschaft bis zur Zeit Samuels (vgl. 1Sam
7,10-14 ), ohne Widerstand zu leisten (vgl. Ri 14,4; 15,11 ).
Wie war es möglich, daß Simsons Eltern, die
Daniter waren, noch immer im Sorektal lebten, wo doch der Stamm
Dan schon viel früher in nördlicher Richtung weggezogen war?
Offensichtlich waren einige der Geschlechter Dans
zurückgeblieben und nicht mit nach Norden gezogen.
c. Simson rettet Israel
( 13,2-16,31 )
Es sei denn, daß die in Ri 10,10-16
geschilderte Buße auch die im Westen wohnenden Israeliten
miteinschloß, die von den Philistern unterdrückt worden waren
(vgl. Ri 10,7 ) - was im Hinblick auf ihre offensichtliche
Anerkennung der Vorherrschaft der Philister unwahrscheinlich ist
(vgl. Ri 15,11 ) - wird nichts davon gesprochen, daß Israel zu
Gott schrie, bevor Gott Simson als Retter erweckte (im Gegensatz
zu Ri 3,9.15; Ri 4,3; Ri 6,7; Ri 10,10 ). Weil Simson 20 Jahre
lang Richter über Israel war ( Ri 15,20; Ri 16,31 ) und sein
Richteramt offensichtlich im Alter von etwa 20 Jahren antrat,
muß seine gesamte Lebensspanne etwa der 40jährigen Unterdrückung
durch die Philister entsprechen, die noch vor seiner Geburt
begann (vgl. Ri 13,5 ). Er war also ein Zeitgenosse von Samuel,
der nach dem Tod Simsons die Philister mit der Hilfe Gottes
unterwarf (vgl. 1Sam 7,10-14 ).
(1) Die Geburt Simsons ( Ri 13,2-24 )
Ri 13,2-5
Simsons Eltern stammten aus dem Geschlecht
Dans , womit möglicherweise angedeutet werden soll, daß der
größte Teil des Stammes Dan bereits nach Norden ins Huletal
gezogen war (vgl. Ri 18 ), so daß sich nur ein oder zwei
Geschlechter in dem Teil des Landes befanden, das ihr
ursprüngliches Erbteil gewesen war. Die kinderlose Frau Manoachs
von Zora wurde von dem Engel des Herrn aufgesucht. Zora, der
höchste Punkt in der Schefela (Luther: Hügelland) befand sich
auf einem hohen Gebirgskamm nördlich des Sorektales und etwa 23
km westlich von Jerusalem. Ursprünglich war Zora eine Stadt, die
zu Juda gehörte ( Jos 15,20.33 ), war aber später dem Stamm Dan
zugeteilt worden ( Jos 19,40-41 ). Bei dieser Gotteserscheinung
(vgl. den Kommentar zu Ri 2,1-2 ) sagte ihr der Herr die Geburt
eines Sohnes, nämlich Simsons, voraus und teilte ihr mit, daß er
ein Nasiräer (Gottgeweihter) werden sollte. Ein Nasiräer (das
Wort bedeutet "hingegeben" oder "geweiht") war ein Mensch,
dessen Gelübde, sich für Gott abzusondern, auch einschloß, sich
berauschender Getränke zu enthalten, sein Haar nicht zu
schneiden und den Kontakt mit Leichen zu vermeiden ( 4Mo 6,2-6
). Das Nasiräergelübde galt normalerweise für eine begrenzte
Zeit, aber Simson sollte sein ganzes Leben lang ein Nasiräer
Gottes sein ( Ri 13,7 ). Seine Mutter sollte für eine gewisse
Zeit in Beziehung auf einige Forderungen auch an dem Gelübde
teilhaben (V. 4.7.14 ). Simson sollte sich nicht nur als
Nasiräer absondern, sondern war auch von Gott auserwählt, die
Errettung Israels aus der Hand der Philister zu beginnen. Die
Vollendung dieser Aufgabe sollte Samuel ( 1Sam 7,10-14 ) und
David ( 2Sam 5,17-25 ) zufallen.
Ri 13,6-8
(1) Die Geburt Simsons ( Ri 13,2-24 )
Als Manoachs Frau ihm ihre Begegnung mit
dem einen berichtete, den sie als Mann Gottes beschrieb, der wie
ein Engel aussah, betete Manoach darum, daß der Engel noch
einmal erscheinen möge, damit er ihnen mitteilen konnte, wie sie
den Knaben aufziehen sollten.
Ri 13,9-18
(1) Die Geburt Simsons ( Ri 13,2-24 )
Als Antwort auf das Gebet Manoachs erschien
der Engel Gottes (ein weiterer Titel für den Engel des Herrn)
noch einmal, zuerst seiner Frau und dann Manoach selbst, aber er
wiederholte lediglich seine früheren Anweisungen (V. 13 - 14 ).
Manoach erkannte das göttliche Wesen seines Besuchers nicht ganz
(V. 16 b) und lud den Boten zum Essen ein. Der Engel deutete an,
daß alles dem Herrn als Brandopfer dargebracht werden sollte.
Als Manoach nach dem Namen des Engels fragte, bekam er zu hören,
daß dieser über sein Verständnis hinausgehe.
Ri 13,19-23
(1) Die Geburt Simsons ( Ri 13,2-24 )
Dann opferte Manoach dem Herrn auf einem
Felsen zusammen mit einem Speisopfer (vgl. 3Mo 2 ) ein
Ziegenböcklein (vgl. V. 15 ). Manoach und seine Frau
verwunderten sich, als der Engel des HERRN in der Flamme
emporfuhr, die auf dem Altar aufloderte . Manoach erkannte nun,
wer der Gottesbote gewesen war und hatte jetzt Angst, daß ihnen
der Tod drohte, denn sie hatten Gott gesehen (vgl. die Antwort
Gideons, die ganz ähnlich lautete, Ri 6,22-23 ). Manoachs Frau
dachte praktischer und wies darauf hin, daß Gott das Opfer
akzeptiert hatte und die Verheißung, daß sie einen Sohn bekommen
sollten, Anzeichen dafür waren, daß Gott sie nicht so bald
sterben lassen würde.
Ri 13,24
(1) Die Geburt Simsons ( Ri 13,2-24 )
Die Worte des Gottesboten erfüllten sich,
und Manoachs Frau gebar ... Simson (der Name ist mit dem Begriff
für "Sonne" verwandt), der unter dem Segen des HERRN heranwuchs
.
Ri 13,25
(2) Simson wird durch den Heiligen Geist
getrieben
Eines Tages begann der Geist des HERRN
Simson umzutreiben , d. h. ihm die Macht zu verleihen, mit der
Rettung Israels zu beginnen. Das geschah bei Machane-Dan ("Lager
Dans"; zum Ursprung des Namens vgl. Ri 18,11-12 ) zwischen Zora
(der Heimat Simsons, vgl. Ri 13,2 ) und Eschtaol (einer Stadt,
die etwa Ri 2,5 km östlich bis nordöstlich von Zora lag). Simson
wurde später zwischen diesen beiden Städten begraben ( Ri 16,31;
vgl. auch Ri 18,2.8.11 ). Wenn Simson das Volk als Richter
anführte oder errettete, dann bedeutete das nicht, daß er ein
Heer gegen die Philister anführte. Es bedeutete vielmehr, daß er
sich allein für die Sache seines Volkes einsetzte. Seine Taten,
die von Kapitel 14 an berichtet werden, lenkten die Philister
davon ab, die Stammesgebiete Benjamins und Judas noch
hartnäckiger anzugreifen.
Ri 14,1-4
(3) Simson heiratet eine Philisterin ( Ri
14 )
Eine der ersten Taten Simsons hinsichtlich
der Philister war, daß er eine junge Philisterin zur Frau haben
wollte, die in Timna wohnte (möglicherweise handelt es sich um
das heutige Tell el-Bataschi, das etwa 7 km nordwestlich von
Bet-Schemesch das Sorektal hinab lag). Weil die Eheverträge von
den Eltern unterzeichnet wurden (vgl. 1Mo 21,21 ), bestand
Simson darauf, daß seine Eltern dieses Mädchen für ihn als seine
Frau gewinnen sollten. Da die Eheschließung mit einer
Nichtisraelitin vom mosaischen Gesetz jedoch ausdrücklich
verboten war ( 2Mo 34,16; 5Mo 7,3 ), erhoben Simsons Eltern
Einwände gegen seinen Plan, eine Philisterin zur Frau zu nehmen
(vgl. Ri 14,3 ). Manche anderen Völker, die in der Nähe Israels
wohnten, praktizierten die Beschneidung. Nicht so die Philister.
Wenn die Eltern Simsons diese Tatsache anführten, so verhöhnten
sie damit die Philister.
Simsons Eltern waren zwar dagegen, daß
Simson eine Philisterin zur Frau nahm, aber sie ließen ihm doch
schließlich seinen Willen. Sie wußten nicht, daß dies vom HERRN
kam, der einen Anlaß zur Begegnung mit den Philistern suchte .
Das bedeutet nicht, daß Gott wollte, daß sein Gesetz übertreten
wurde, sondern daß Gott über der Entscheidung Simsons stand, um
seine Ziele zu verfolgen und um seiner Herrlichkeit willen.
Ri 14,5-7
(3) Simson heiratet eine Philisterin ( Ri
14 )
Simson nahm seine Eltern mit nach Timna
hinab, damit die Hochzeit arrangiert werden konnte. Er wandte
sich offensichtlich vom Weg ab und begab sich in den Weinberg
von Timna, möglicherweise, damit er sich einige Trauben holen
konnte. Dort wurde er von einem jungen Löwen angegriffen. Da der
Geist des Herrn mit ihm war (vgl. Ri 14,19; 15,14 ), riß er den
Löwen mit seinen bloßen Händen in Stücke , möglicherweise auf
die Weise, wie man im Nahen Osten eine junge Ziege zerriß, wobei
das Tier an den Hinterbeinen in zwei Stücke gerissen wurde. Daß
er das seinem Vater und seiner Mutter nicht erzählte, läßt
vermuten, daß diese nach Timna weitergezogen waren, um die
Verlobung in die Wege zu leiten. Als Simson in Timna ankam,
konnte er tatsächlich mit der Frau sprechen, möglicherweise zum
ersten Mal (er hatte sie bisher nur "gesehen", Ri 14,2 ), und
sie gefiel ihm.
Ri 14,8-9
(3) Simson heiratet eine Philisterin ( Ri
14 )
Etwas später, als die Verlobungszeit
vorüber war, befand sich Simson auf dem Weg, um die Ehe mit
dieser Frau einzugehen. Wieder ging er beiseite in die
Weinberge, diesmal um nach dem Kadaver des Löwen zu suchen, in
welchem er einen Bienenschwarm und etwas Honig entdeckte. Er
kratzte den Honig heraus, um ihn zu essen, und teilte ihn mit
seinen Eltern, ohne ihnen mitzuteilen, woher der Honig kam. Das
Nasiräergesetz verbot den Kontakt mit einem Toten streng, aus
der Absicht heraus, zeremoniell nicht unrein zu werden ( 4Mo 6,7
). Weil überhaupt das Berühren eines Tierkadavers, selbst wenn
es sich dabei um ein reines Tier handelte (mit der
offensichtlichen Ausnahme bei Priestern bei ihren
Amtshandlungen), einen Menschen zeremoniell unrein machte ( 3Mo
11,39-40 ), brach Simson vermutlich sein Nasiräergelübde, indem
er den Honig aus dem Löwenkadaver herauskratzte. Möglicherweise
brach er sein Gelübde ein zweites Mal, als er an der
Hochzeitsfeier teilnahm ( Ri 14,10 ), falls er dort
berauschendes Getränk zu sich genommen hat. Dennoch war vor
seiner Geburt nur eine Bedingung für seine Zeit als Nasiräer im
besonderen genannt worden - kein Schermesser sollte auf sein
Haupt kommen ( Ri 13,5 ). Später führte die Übertretung dieses
Gebotes dazu, daß Simson nicht mehr die Macht des Geistes Gottes
besaß ( Ri 16,17-20 ).
Ri 14,10-14
(3) Simson heiratet eine Philisterin ( Ri
14 )
Bei der siebentägigen Hochszeitsfeier
gestaltete Simson das Fest (wörtl.: "das Trinkgelage") und wurde
von 30 Gefährten begleitet (typische "Freunde des Bräutigams",
die offensichtlich aus der philistäischen Familie kamen). Simson
gab seinen Freunden ein Rätsel auf. Das Rätsel wurde dadurch
noch interessanter, daß Simson eine Belohnung von 30 leinenen
Gewändern (große rechteckige Tücher, die häufig als Unterkleider
getragen wurden) und 30 Kleidern (Festkleider, die oft noch
verziert waren) aussetzte. Wer Simsons in poetischer Form
gestelltes Rätsel lösen wollte - aus dem Fresser kam Nahrung;
aus dem Starken Süßes - der mußte wissen, daß Simson den Honig
aus dem Löwenkadaver gekratzt hatte.
Ri 14,15-18
(3) Simson heiratet eine Philisterin ( Ri
14 )
Die Freunde waren nicht in der Lage, das
Rätsel zu lösen und bedrohten nach Verlauf dreier Tage Simsons
Braut und ihre Familie mit dem Tod, wenn die Braut Simsons nicht
die Antwort für sie in Erfahrung brächte. Sie nahmen an, daß sie
mit Simson gemeinsame Sache gemacht hatte und beide ihre Gäste
durch diese Wette ausrauben wollten. Simson widerstand den
Tränen seiner Braut bis zum siebten Tag des Festes, als die Zeit
für die Lösung des Rätsels zu Ende ging (vgl. V. 12 ). Dann
wurde er schwach und gab den Tränen und Bitten seiner Frau nach
(vgl. Ri 16,16 ). Er sagte es ihr endlich, und sie wiederum
erklärte den 30 Philistern das Rätsel. Als diese Simson dann die
Lösung mitteilten, die sie wie das Rätsel in die Form des
poetischen Parallelismus kleideten, antwortete Simson bezüglich
seiner Braut mit einer höhnischen, aber pittoresken Rede: Wenn
ihr nicht mit meiner Fährse gepflügt hättet, hättet ihr mein
Rätsel nicht gelöst . Wenn Simson sie eine "Fährse" (oder ein
Kalb) nannte, dann verspottete er sie wegen ihres ungezähmten
und widerspenstigen Geistes (vgl. Jer 50,11; Hos 4,16 ).
Ri 14,19-20
(3) Simson heiratet eine Philisterin ( Ri
14 )
Um seine Verpflichtungen der Wette zu
erfüllen (vgl. V. 12 ), überfiel Simson 30 Philister in Askalon
(etwa 35 km in südwestlicher Richtung an der Mittelmeerküste) -
weit genug entfernt, um nicht mit Simson in Timna in Verbindung
gebracht zu werden - und gab ihre Kleider den Philistern, die
das Rätsel erraten hatten. Gott machte die Torheit Simsons durch
die mächtige Kraft des Geistes des Herrn zunichte (vgl. V. 6 ;
Ri 15,14 ), um damit sein Ziel zu verfolgen und auf diese Weise
den Status Quo der Philister, ihre Herrschaft, die sie so leicht
über Israel ausübten, zu zerschlagen (vgl. Ri 14,4 ). Simson war
noch immer zornig und ging zum Haus seines Vaters in Zora
hinauf, ohne in der siebten Nacht der Hochzeit zu seiner Frau
zurückzukehren, um die Ehe zu vollziehen. Der Vater der Braut
gab sie dem Mann, der noch am ehesten in Frage kam, damit er
nicht die Schande erlebte, die die Auflösung einer Ehe bedeutete
(vgl. Ri 15,2 ).
(4) Simsons Auseinandersetzung mit den
Philistern ( Ri 15,1-16,3 )
Ri 15,1-5
(4) Simsons Auseinandersetzung mit den
Philistern ( Ri 15,1-16,3 )
Später (zur Weizenernte, d. h. im Mai)
kehrte Simson mit einem Geschenk für seine Frau, einem
Ziegenböcklein (vgl. Ri 13,15.19 ), nach Timna zurück. Bei der
Eheschließung Simsons handelte es sich um die QadJqaehe , bei
der die Braut bei ihren Eltern blieb und in bestimmten Abständen
von ihrem Ehemann besucht wurde (vgl. Ri 8,31 ). So handelte es
sich bei Simsons Geschenk möglicherweise nicht um ein
Versöhnungsgeschenk für sein früheres Verhalten, sondern nur um
die Gabe, die eine Frau bei dem üblichen Besuch ihres Mannes
erwarten konnte. Aber Simson entdeckte schnell, daß der Vater
seine Braut einem anderen Mann gegeben hatte, denn ihr Vater war
der Meinung, daß Simson sie haßte (dieser Begriff wird in 5Mo
24,3 im Zusammenhang mit Scheidung gebraucht).
Simson blieb von dem Angebot, ihre jüngere
Schwester zu heiraten, völlig unberührt und ließ seinen Zorn
noch einmal an den Philistern aus, dieses Mal, indem er ihre
Kornfelder (Weizen, Ri 15,1 ) in Brand setzte. Er befestigte an
den zu zweien zusammengebundenen Schwänzen von 300 Füchsen (der
hebr. Begriff kann auch Schakale meinen, die im Rudel auftreten
und leichter zu fangen sind) Fackeln. Der Vernichtung fielen
auch die trockenen Getreidehocken, die bereits geerntet waren
und das trockene stehende Getreide, das noch geerntet werden
sollte, zum Opfer. Das Feuer breitete sich bis in die Weinberge
und die Olivenhaine aus und zerstörte so die drei wichtigsten
Ernten des Landes (vgl. 5Mo 7,13; Hag 1,11 ).
Ri 15,6-8
(4) Simsons Auseinandersetzung mit den
Philistern ( Ri 15,1-16,3 )
Als die Philister erfuhren, daß Simson die
Ursache der Zerstörung war, rächten sie sich, indem sie seine
Frau ... und ihren Vater durch Flammen umkommen ließen (sie
zerstörten offensichtlich das ganze Anwesen des Timnaters).
Simson wurde nun wiederum von persönlicher Rache getrieben und
erschlug viele Philister mit Heftigkeit und zog dann zu einer
Höhle im Felsen von Etam . Es gibt zwar eine Stadt mit dem Namen
Etam, die etwa 3 km südwestlich von Bethlehem in Juda liegt (und
etwa 28 km von Timna), aber eine andere Möglichkeit, den Ort zu
bestimmen, ist eine Felsspalte über dem Wadi Isma`in, etwa 4 km
südwestlich von Zora.
Ri 15,9-14
(4) Simsons Auseinandersetzung mit den
Philistern ( Ri 15,1-16,3 )
Die Philister verfolgten Simson und
lagerten sich in Juda bei Lehi (wörtl.: "Kieferknochen";
möglicherweise handelt es sich um das heutige Kirbet es-Syyai).
Als die Judäer den Grund für den Kriegszug der Philister
erfuhren, wollten sie Simson mit 3 000 Mann gefangennehmen, um
ihn den Philistern zu übergeben. Sie waren offensichtlich mit
ihrem Status Quo zufrieden und fragten: "Weißt du nicht, daß die
Philister über uns herrschen?" Als die Judäer sich damit
einverstanden erklärten, Simson nicht selbst zu töten, ließ
Simson es geschehen (weil er kein israelitisches Blut vergießen
wollte), daß er an die Philister ausgeliefert wurde. Sie banden
ihn mit zwei neuen Stricken, aber sie wurden wie versengter
Flachs und ... fielen von seinen Händen ab , als er sich den
jubelnden Philistern näherte. Noch einmal verlieh ihm der Geist
des Herrn besondere Stärke (vgl. Ri 14,6.19 ).
Ri 15,15-17
(4) Simsons Auseinandersetzung mit den
Philistern ( Ri 15,1-16,3 )
Simson nahm einen frischen
Eselskieferknochen (ein alter wäre zu zerbrechlich gewesen) und
schlug damit 1 000 Philister tot. Seine triumphierenden Worte
enthielten ein Wortspiel mit dem hebr. HAmNr , das entweder
"Esel" oder "Haufen" bedeuten kann. So wird der Satz, der mit:
ich habe Esel aus ihnen gemacht übersetzt wird, häufig
wiedergegeben mit "Haufen auf Haufen" und so ausgelegt, als wenn
er etwa bedeutete: "Ich habe sie aufgehäuft". Der Ort, an dem
dieses geschah, war Ramat-Lehi , was möglicherweise bedeutet
"der Hügel (Höhe) des Kieferknochens".
Ri 15,18-19
(4) Simsons Auseinandersetzung mit den
Philistern ( Ri 15,1-16,3 )
Als nächstes versorgte Gott Simson mit
Wasser. Simson war nach dieser Anstrengung in dem heißen,
trockenen Klima äußerst durstig. Sein Schrei zum Herrn wurde auf
wunderbare Weise beantwortet, als Gott die Höhle öffnete (
maKtMS , wörtl.: "Mörser") und Wasser herausfloß. Dieser Ort, an
dem Simson seine Stärke wiedererlangte, wurde noch En-Kore
(Luther: "Quelle des Rufenden") genannt, als das Buch Richter
abgeschlossen wurde ( bis auf diesen Tag ).
Ri 15,20
(4) Simsons Auseinandersetzung mit den
Philistern ( Ri 15,1-16,3 )
Die Zeit, in der Simson Richter über Israel
war und die hier zusammengefaßt wird, wird auch in Ri 16,31
genannt. Die 20 Jahre (etwa 1069 - 1049 v. Chr.) waren die Zeit
von seinem Erwachsenwerden bis zu seinem Tod in Gaza (vgl. Ri
16,30-31 ).
Ri 16,1-3
(4) Simsons Auseinandersetzung mit den
Philistern ( Ri 15,1-16,3 )
Die Tatsache, daß Simson die Tore von Gaza
packen konnte, macht deutlich, daß er eine ungeheure Körperkraft
besaß. Allerdings hatte er auf moralischem Gebiet Schwächen
aufzuweisen. Es wird hier kein Grund dafür genannt, warum Simson
nach Gaza, der vielleicht bedeutendsten Stadt der Philister, die
sich in der Nähe der Küste, etwa 55 km südwestlich seiner Heimat
in Zora befand, ging. Was auch immer der Grund war, die Lust
überkam ihn, und er verbrachte die Nacht mit einer Hure . Die
Philister von Gaza hatten bemerkt, daß sich Simson in der Stadt
aufhielt. Sie legten sich die ganze Nacht beim Stadttor auf die
Lauer und faßten den Vorsatz, ihn zu töten, wenn er bei
Sonnenaufgang davonzöge. Aber Simson erhob sich um Mitternacht
und überraschte die Philister offensichtlich so sehr, daß er
entkam, obwohl er die Stadttore zusammen mit den beiden Pfosten
und den Riegeln herausgerissen hatte. Tatsächlich trug er die
Stadttore auf die Gipfel des Berges, der Hebron gegenüberliegt.
Ob es sich hierbei um einen Hügel außerhalb von Gaza handelt,
der den Blick ostwärts nach Hebron freigibt oder ob Simson die
Tore 60 km weit bergauf bis zu einem Berg außerhalb von Hebron
trug, geht aus dem Text nicht hervor. Die örtliche Überlieferung
bezeichnet den Hügel mit El Montar östlich von Gaza. Es scheint
keinen Grund dafür zu geben, warum Simson die Tore weiter hätte
tragen sollen, denn er hatte die Menschen in der Stadt bereits
dadurch beleidigt, daß er die Tore mitgenommen hatte, die die
Sicherheit garantieren sollten.
Ri 16,4-14
(5) Simson fällt in die Hände Delilas ( Ri
16,4-22 )
Simson verliebte sich in eine Frau mit
Namen Delila (sie war zwar wahrscheinlich eine Philisterin, aber
sie hatte einen semitischen Namen, der "Geweihte" bedeutete, so
daß sie vielleicht eine Tempelprostituierte war). Sie war
mindestens die dritte Frau, mit der Simson sich einließ (vgl. Ri
14,1-2; Ri 16,1 ). Die Stadt im Sorektal (dort verbrachte Simson
den größten Teil seines Lebens), in der Delila lebte, wird nicht
mit Namen genannt. Es wird nicht deutlich, ob es sich vielleicht
um Har-Heres (Luther: Gebirge Heres, Bet-Schemesch) oder Timna
oder um eine andere Stadt handelt.
Die Fürsten der Philister zettelten eine
Verschwörung an, um Simson gefangenzunehmen. Die Bibel nennt uns
nicht die Anzahl der Fürsten, aber es könnte sich um fünf
Fürsten gehandelt haben, wobei dann je ein Fürst für eine der
wichtigsten Städte der Philister gekommen wäre. Sie warben
Delila an, das Geheimnis seiner großen Kraft in Erfahrung zu
bringen und zu erfahren, wie er überwältigt und besiegt werden
könnte. Alle Fürsten versprachen, ihr die ungeheure Summe von 1
100 Schekeln Silber zu geben. Delila machte drei fruchtlose
Versuche, sich das Vertrauen Simsons zu erschleichen und sein
Geheimnis zu erfahren. Jedesmal foppte er sie, indem er ihr
vorlog, wie er schwach werden würde wie jeder andere Mann und
man ihn gefangennehmen könnte: (a) wenn er mit sieben frischen
Riemen (Bogensehnen, die aus Tiereingeweiden gewonnen werden)
gebunden würde; (b) wenn er mit neuen Stricken gebunden würde,
die noch nie zuvor gebraucht worden waren (es war ja bereits
deutlich geworden, daß diese Stricke keinerlei Wirkung besaßen;
Ri 15,13 ); und (c) wenn sein Haar (das kam der Wahrheit schon
näher) mit dem Gewebe des Webstuhles verknüpft wurde. Delila
probierte erfolglos jede Methode aus, offensichtlich, während
Simson schlief (so wie in Ri 16,13 ) und foppte ihn scheinbar
damit, daß sie schrie: Simson, die Philister sind über dir! (V.
9.12.14 ), während sie in Wirklichkeit den Erfolg oder Mißerfolg
jeder Methode ausprobierte, bevor die Philister, die sich in der
Kammer befanden (V. 9.12 ), es wagten, hervorzukommen.
Ri 16,15-17
(5) Simson fällt in die Hände Delilas ( Ri
16,4-22 )
Simson offenbarte schließlich die Quelle
seiner Kraft. Es handelte sich nicht um ein magisches Geheimnis,
wie die Philister angenommen hatten. Simson war mit dem Geist
Gottes ausgerüstet worden (vgl. Ri 13,25; 14,6.19; 15,14 ). Daß
Simson den Geist Gottes bekommen hatte, hing mit seiner
Absonderung für den Herrn aufgrund seiner Stellung als Nasiräer
zusammen, die insbesonders durch sein ungeschorenes Haar
symbolisiert wurde ( Ri 13,5 ). Simson erklärte Delila seine
Stellung als Nasiräer, als er es nicht länger ertragen konnte,
wie sie ihn wegen des Geheimnisses drängte. Er sagte, daß, wenn
sein Haupt geschoren würde, er so schwach werden würde wie jeder
andere Mann . Das lag nicht daran, daß seine Kraft in seinem
Haar lag, sondern weil er seinen Ungehorsam dem Herrn gegenüber
dadurch zum Ausdruck bringen würde, daß er sein Haar schor.
Dieser Ungehorsam hatte schon damit begonnen, daß Simson Delila
die Wahrheit offenbarte, obwohl er keinerlei Anlaß hatte, ihr zu
trauen.
Ri 16,18-22
(5) Simson fällt in die Hände Delilas ( Ri
16,4-22 )
Simsons Unvernunft führte zu seiner
Gefangennahme durch die Philister. Dieses Mal merkte Delila, daß
Simson ihr alles anvertraut hatte, so daß sie noch einmal ihre
Falle aufstellte. Sie ließ sein Haar scheren, während er in
ihrem Schoß schlief. Als Folge dieses törichten Ungehorsams
gegen den Herrn verließ Simson die in ihm wohnende Kraft.
Offensichtlich wurde Simson auch gefesselt, denn als Delila
schrie: Die Philister sind über dir! versuchte er, sich
freizuschütteln. Es war eine tragische Tatsache, daß er nicht
wußte, daß der HERR ihn verlassen hatte . Daß der Geist des
Herrn von ihm gewichen war, kam der Absetzung von seinem
Richteramt gleich.
Der machtlose Simson wurde daraufhin von
den Philistern ergriffen. Sie nahmen ihm sein Augenlicht und
führten ihn nach Gaza hinab. Ohne Zweifel hielten sie das für
eine gerechte Vergeltung dafür, daß Simson ihnen ihre Stadttore
gestohlen hatte (V. 1 - 3 ). Sie banden ihn mit bronzenen
Fesseln und ließen ihn zwischen Mühlsteinen im Gefängnis Mehl
mahlen. Das war Frauenarbeit. Es könnte sich dabei um eine
Handmühle gehandelt haben (vgl. den Kommentar zu Ri 9,53 ), denn
es ist nicht sicher, ob große, von Tieren angetriebene Mühlen zu
jener Zeit in Gebrauch waren. Als die Zeit verging und Simson im
Gefängnis saß, begann sein Haar (das Symbol seiner Weihe als
Nasiräer, Ri 13,5 ) wieder zu wachsen . Da das Wachstum seines
Haares ganz natürlich war, dürfte der Sinn dieser Bemerkung
darin liegen, daß Simson noch einmal neue Kraft für einen
letzten Racheakt gegen die Philister erhielt (vgl. Ri 16,28-30
).
Ri 16,23-30
(6) Simsons Rache an den Philistern
Es kam die Zeit, zu der die Fürsten der
Philister ihrem Gott Dagon ein großes Opfer darbringen wollten .
Dagon war eine westsemitische Getreidegottheit (vgl. 1Sam 5,2-7;
1Chr 10,10 ), die die Philister von den Amoritern übernommen
hatten. Weil sie glaubten, daß ihr Gott ihnen Simson in die
Hände gegeben hatte, riefen sie diesen aus dem Gefängnis, denn
sie wollten, daß er sie unterhalten sollte (offensichtlich
erwarteten sie, einige Kraftakte zu sehen, oder sie wollten sich
vielleicht auch nur über ihren jetzt ohnmächtigen Feind lustig
machen). Ein philistäischer Tempel war normalerweise ein
langgezogener Innenraum mit zwei Hauptsäulen, die das Dach
stützten. Eine große Gruppe von Philistern (darunter etwa 3 000
Menschen auf dem Dach) beobachteten Simsons Auftritt,
offensichtlich in einem Außenhof. Worin sein "Auftritt" bestand,
wissen wir nicht. Dann bat der blinde Simson den Knecht, der ihn
führte, unter dem Vorwand, daß er sich an sie anlehnen wollte,
ihn zu den Säulen, die den Tempel trugen, zu bringen. Aber dann
betete er zu dem HERRN , daß er ihm noch einmal Stärke schenken
möge, damit er an den Philistern Rache nehmen könnte. Simson ...
stützte sich gegen die Säulen (entweder, indem er sie nach außen
drückte oder indem er sie dadurch zusammenschob, daß er sich
nach vorn beugte), drückte mit all seiner Kraft und sagte: Laß
mich mit den Philistern sterben! Gott erhörte sein letztes
Gebet, und der Tempel wurde zerstört. So starben bei Simsons Tod
mehr Menschen als er während seines Lebens erschlagen hatte.
Zuvor hatte er zumindest 1 030 Philister erschlagen (30 in
Askalon; Ri 14,19 und 1 000 bei Ramat-Lehi; Ri 15,14-17 ).
Ri 16,31
(7) Simson wird von seinen Verwandten
begraben
Simsons ganze Familie (seine Brüder), die
bis zu diesem Ereignis nicht erwähnt worden war, zog nach Gaza
hinab und brachte Simsons Körper zum Begräbnis zwischen Zora
(seinem Geburtsort, Ri 13,2 ) und Eschtaol (vgl. Ri 13,25; Ri
18,2.8.11 ) zum Grab Manoachs hinauf. So endeten die 20 Jahre,
die Simson über Israel Richter gewesen war (vgl. Ri 15,20 ).
Simson hatte zwar große Fähigkeiten besessen und war durch den
Heiligen Geist mit großer Körperkraft ausgestattet worden, aber
er hatte der Versuchung mehrfach nachgegeben und hatte unter den
Folgen zu leiden. Sein Leben ist eine ernste Warnung an andere
Menschen, die dazu neigen, ihrer Lust nachzugeben.
III. Epilog: Die Zustände zur Zeit der
Richter
( Ri 17-21 )
Theologisch gesehen stellen die Kapitel 17
- 21 einen Epilog dar, der den Abfall und den Niedergang, der
die Zeit der Richter kennzeichnete, bildhaft darstellt. Diese
Umstände betrachtete der Autor (möglicherweise zu einem frühen
Zeitpunkt in der Monarchie) als Anzeichen für die Anarchie, die
zu der Zeit herrschte, als "kein König in Israel war" ( Ri 17,6;
18,1; 19,1; 21,25 ). Historisch betrachtet bilden die in diesen
Kapiteln berichteten Ereignisse einen Anhang zu dem Buch, der
sich ziemlich früh innerhalb der vorausgehenden Geschichte
ereignete. Der frühe Zeitpunkt wird aus der Existenz der Enkel
sowohl von Mose ( 18, 30 ) als auch von Aaron ( Ri 20,28 ) und
durch die Bezugnahme auf die Bundeslade in Bethel ( Ri 20,27-28
) deutlich. Möglicherweise ereigneten sich die in den Kap. 17-18
berichteten Ereignisse in den Tagen Otniels, des ersten
Richters.
Der Epilog besteht aus zwei Hauptteilen:
(1) Kapitel 17 - 18 verflechten Geschichten aus dem Götzendienst
des Hauses Michas, des Ephraimiters, der den Leviten Jonatan,
den Enkel Moses ( Ri 18,30 ), als seinen persönlichen Priester
angestellt hatte, mit der Umsiedelung und dem Götzendienst des
Stammes Dan. (2) Kapitel 19 - 21 berichten von einer Greueltat,
die an einer Konkubine eines anderen Leviten in Gibea verübt
worden war, und von dem nachfolgenden Krieg gegen den
widerspenstigen Stamm Benjamin, der beinahe zu dessen völliger
Vernichtung geführt hätte.
A. Religiöser Abfall: Der Götzendienst
Michas und der Umzug der Daniter
( Ri 17-18 )
1. Der Götzendienst Michas, des
Ephraimiters
( Ri 17 )
a. Micha erwirbt ein Götzenbild
( 17,1 - 5 )
Ri 17,1-5
Es ist Ironie, daß ein Mann mit dem Namen
Micha (Micha bedeutet "wer ist wie Jahwe?") ein Götzenbild mit
einer ungesetzlichen Priesterschaft errichtete. Eine derartige
Situation entstand teilweise, als er hörte, wie seine Mutter
einen Fluch gegen den Dieb ausstieß, der ihr ihre 1 100 Schekel
Silber gestohlen hatte und dann gestand: Ich habe sie genommen .
(Diese 1 100 Schekel Silber sollten nicht mit den 1 100 Schekeln
Silber durcheinandergebracht werden, die alle fünf Fürsten der
Philister Delila gaben, Ri 16,5.18 ). Als Belohnung für diese
"Ehrlichkeit" wollte Michas Mutter ihren Fluch in einen Segen
verwandeln ( Der HERR segne dich, mein Sohn! ). Daß sie im
folgenden das Silber dem Herrn weihte, damit ein geschnitztes
Bild daraus gemacht werden konnte, war Ungehorsam gegen das
Gebot aus 2Mo 20,4 und spiegelt den schlechten kanaanitischen
Einfluß auf die Israeliten während dieser Zeit wider.
Der Ausdruck ein geschnitztes und ein
gegossenes Bild läßt vermuten, daß es sich um zwei Gegenstände
götzendienerischer Verehrung handelte, nämlich um ein aus Holz
geschnitztes Bild und um ein gegossenes Bild, das aus
geschmolzenem Metall gemacht wurde, das in eine Form gegossen
wurde. Einige Ausleger sind jedoch der Meinung, daß dieser
Ausdruck ein Hendiadyoin ist und es also nur um ein Bild geht.
Möglicherweise geht es um ein hölzernes Götzenbild, das mit
Silber überzogen wurde, das Michas Mutter gemacht und im Haus
aufgestellt hatte. In Ri 18,18 werden die Gegenstände jedoch
klar unterschieden. Michas Mutter bezahlte einem Silberschmid
zur Herstellung dieser Gegenstände 200 Schekel Silber. Das waren
nicht die einzigen Götzenbilder in Michas Haus (wörtl.:
"Gotteshaus" oder "Götterhaus"), denn er besaß einen Efod
(möglicherweise als Gegenstand der Verehrung, vgl. Ri 8,24-27;
oder für einen Priester) und mehrere Götzenbilder ( T+rAPIm ;
vgl. 1Mo 31,17-50 ). Er setzte dann einen seiner Söhne als
Priester ein, um die Verehrung der Götter in diesem Haus
durchzuführen (später setzte Micha einen anderen Priester ein,
Ri 17,12 ).
b. Die Zeit der Richter wird beschrieben
( 17,6 )
Ri 17,6
Der Autor des Buches, der aus dem
Blickwinkel der ersten Zeit der Monarchie schrieb, sah Michas
Gesetzlosigkeit auf religiösem Gebiet als ein Kennzeichen einer
Periode, die nicht über die absolute Autorität eines Königs
verfügte, an (vgl. Ri 18,1; 19,1;21,25 ).
c. Ein levitischer Priester kommt zu Micha
( 17,7 - 13 )
Ri 17,7-13
Ein junger Levit aus Bethlehem (Moses
Enkel, Jonatan, Sohn des Gerschom; vgl. Ri 18,30 ) zog zum
Gebirge Ephraim, wo er bei Micha Arbeit fand, indem er sein
Vater (eine Ehrenbezeichnung; vgl. 1Mo 45,8; 2Kö 6,21; 13,14 )
und sein Priester sein sollte. Micha sorgte für ihn wie für
einen seiner Söhne. So setzte Micha den Leviten (vgl. Ri 18,4 )
als seinen Priester ein (zusätzlich zu Michas eigenem Sohn, der
Priester geworden war Ri 17,5 ). Micha freute sich, denn er war
so abergläubisch, daß er glaubte, er würde von dem Herrn auf
besondere Weise gesegnet werden, wenn er einen Leviten (einen
jungen Mann; vgl. Ri 18,3 ) als Priester hatte, obwohl dies im
Gesetz doch verboten war (vgl. 4Mo 3,10 ). Man könnte dem
Leviten natürlich genauso (oder mehr) Vorwürfe machen, daß er
diese Stellung überhaupt angenommen hatte. Dieser Ungehorsam
gegen Gottes Gesetz war für die Israeliten in der Zeit der
Richter charakteristisch.
2. Die Umsiedelung der Daniter nach Norden
( Ri 18 )
a. Das fehlende Erbteil der Daniter
( 18,1 )
Ri 18,1
Dieses Kapitel wiederholt die Formulierung
aus dem Epilog, nämlich, daß Israel keinen König hatte ( Ri
17,6; 19,1; 21,25 ). Dieses Fehlen einer absoluten Autorität,
die eine israelitische Armee aufstellen konnte, verschärfte ohne
Zweifel die unglückliche Lage, in der sich der Stamm Dan befand.
Die Daniter hatten nämlich bis jetzt (vielleicht aus Mangel an
Glauben) kein Erbteil in Besitz genommen. Sie waren von den
Amoritern ( Ri 1,34-35; vgl. Jos 19,47 ) und später auch von den
Philistern (mit dem Rest aus Israel; vgl. Ri 13,1; 14,4; 15,11 )
verdrängt worden. Der Stamm Dan wurde mehr und mehr nach Osten
in das Gebiet von Benjamin und Ephraim abgedrängt. Aufgrund der
beengten Wohnverhältnisse entschied sich das Volk, sich ein
neues Gebiet zu suchen.
b. Die Aussendung der Kundschafter
( 18,2 - 10 )
Ri 18,2-6
Die Sippe der Daniter sandte fünf Krieger
aus Zora und Eschtaol aus (vgl. Ri 13,25; 16,31 ), um das Land
auszukundschaften . Zu Beginn ihrer Reise verbrachten sie die
Nacht im Hause Michas im Gebirge Ephraim (vgl. Ri 17,1 ). Dort
erkannten sie die Stimme (möglicherweise den judäischen Akzent)
von Michas Priester ( der junge Levit Jonatan; vgl. Ri 17,12 )
und fragten ihn, warum er sich in Ephraim befand und was er dort
tat. Als sie erfuhren, daß er als Priester seinen Dienst tat,
wollten sie in ihrem Aberglauben ein Segenswort von Gott zu
ihrer Sendung hören. Man kann sich nur fragen, weshalb der
Priester so selbstbewußt antworten konnte: Eure Reise gefällt
dem HERRN wohl . Der äußere Erfolg ihrer Sendung stimmte nicht
mit dem offenbarten Plan des Herrn für den Stamm Dan überein und
lief schließlich darauf hinaus, daß eine große
Götzenanbetungsstätte errichtet wurde (vgl. Ri 18,30-31; 1Kö
12,28-30 ).
Ri 18,7
Als die fünf Kundschafter weiterhin das
Land erkundeten, kamen sie schließlich nach Lajisch (in Jos
19,47 Leschem; das heutige Tell el-Qadi), das etwa 40 km
nördlich des Sees Kinneret und 44 km östlich von Tyrus liegt. In
dem Land, das an der nördlichen Ecke des fruchtbaren Hulebeckens
lag, fehlte nichts, und dem Volk ... erging es wohl . Ihre Stadt
war von den Sidoniern durch die Gebirgskette des Libanon und von
Syrien durch das Gebirge Hermon und die Antilibanon Gebirgskette
abgeteilt, so daß sie keine engen militärischen Verbündeten
besaßen. Möglicherweise war Hazor schon zerstört worden ( Ri
4,2.23-24 ), obwohl das einige chronologische Probleme bezüglich
des Leviten, der Moses Enkel war (vgl. Ri 18,30 ), aufwerfen
würde.
Ri 18,8-10
Die fünf Kundschafter kehrten nach Hause
zurück und berichteten von einem ahnungslosen Volk und einem
weiten Land ... in dem es an nichts fehlt . Sie ermutigten die
Daniter dazu, Lajisch ohne Zögern anzugreifen. Sie meinten, daß
Gott ihnen das Land gegeben hatte. Die theologische Begründung
dafür, daß Gott ihnen das Land geben würde, war zwar sehr
fragwürdig, aber ihr Sieg schien zwangsläufig zu sein.
c. Die Daniter ziehen gegen Lajisch
( 18,11-18 a)
Ri 18,11-13
Die Daniter bewaffneten 600 Mann zum Kampf,
die sich zuerst nahe Kirjat-Jearim (etwa 10 km östlich des
Gebietes von Zora-Eschtaol) lagerten. Der Ort ihres Lagers,
Mahane-Dan (Luther: "Lager Dans"), war der Ort, an dem Simson
zuerst das Werk des Geistes Gottes in seinem Leben erfahren
hatte ( Ri 13,25 ). Die Daniter zogen dann nach Ephraim, wo
Micha (vgl. Ri 17,1; Ri 18,2 ) lebte.
Ri 18,14-21
Die fünf Kundschafter teilten dann ihren
Brüdern, den Kämpfern, das Nötige über das Haus und das
Götzenbild Michas mit (vgl. Ri 17,5 ). Während die Kämpfer
draußen warteten, begrüßten diese fünf Männer Michas Priester
und machten sich dann daran, Michas Götzenbild, seinen Efod und
die Götter zu stehlen. Als der Priester sie daran hindern
wollte, sagten sie zu ihm: Sei still ! und boten ihm an, lieber
in ihrem Stamm Priester zu werden, anstatt nur der Priester über
ein Haus zu sein. Er nahm das Angebot voller Freude an und ging
mit ihnen, Michas Efod, die anderen Hausgötzen und das
geschnitzte Bild mit sich führend (vgl. Ri 17,4-5 ). Die Daniter
sahen kommen, daß Micha sie verfolgen würde und schickten daher
ihre Familien und Besitztümer voraus und bildeten eine Nachhut.
Ri 18,22-26
Micha entdeckte schon bald seinen Verlust
und verfolgte zusammen mit seinen Freunden und seinen Nachbarn
die Daniter. Er warf ihnen vor, daß sie von seinen Götzen und
seinem Priester Besitz ergriffen hätten. Als sie ihm aber
drohten, ihm Gewalt anzutun, gab er nach, kehrte widerstrebend
um und ging nach Hause zurück. Seine pathetische Frage
hinsichtlich seiner Götzen - Was bleibt mir noch? - spiegelt die
Nichtigkeit des Götzendienstes wider.
Ri 18,27-28 a
Die friedfertigen und ahnungslosen Menschen
in Lajisch (vgl. V. 7 ) waren für die entschlossenen Daniter
keine wirklichen Gegner. Diese besiegten sie und brannten ihre
Stadt nieder . Die Menschen von Lajisch waren 43 km von Sidon
entfernt (vgl. V. 7 ) und hatten keine Verbündeten, die ihnen zu
Hilfe kommen konnten.
d. Der Götzendienst der Daniter
( 18,28 b - 29-31 )
Ri 18,28-31 (Ri 18,28b-31)
Die Daniter bauten die Stadt wieder auf und
nannten sie nach ihrem Stammvater. Es war allerdings von
größerer Bedeutung (und viel trauriger), daß sie für ihren Stamm
eine große Anbetungsstätte für ihren Götzendienst errichteten,
wo Jonatan, der Sohn Gerschoms (vgl. 2Mo 2,22 ), Priester war.
Das setzte sich mit Jonatans Nachkommen bis zur Zeit der
Wegführung aus dem Lande fort. Viele Ausleger beziehen diese
Aussage entweder auf die assyrische Gefangenschaft Israels im
Jahr 722 v. Chr. ( 2Kö 17,6 ) oder auf die Gefangenschaft der
galiläischen Bevölkerung unter Tiglat-Pileser III. in den Jahren
733 - 732 v. Chr. ( 2Kö 15,29 ). Aber eine Datierung des Buches
Richter in die frühe Königszeit legt nahe, daß sich diese
Aussage auf eine frühere, uns nicht näher bekannte
Gefangenschaft bezieht (manche Ausleger haben den Raub der
Bundeslade durch die Philister angenommen; vgl. 1Sam 4,11 ). Bei
Mose hat der hebr. Text ein n über der Zeile in den Namen Mose (
mOSeh ) eingefügt, damit das Wort als "Manasse" ( m+naSSeh )
gelesen werden kann. Dabei handelt es sich offensichtlich um den
Versuch eines frommen Schreibers, den Enkel Moses, Jonatan,
davon freizusprechen, daß er mit der Verehrung von Götzen etwas
zu tun gehabt hatte. Eine Erwähnung des Hauses Gottes in Silo
(es handelt sich um das heutige Seilon, 30 km nördlich von
Jerusalem) macht deutlich, daß die Götzenverehrung bei der
Anbetungsstätte der Daniter der wahren Verehrung des Herrn in
Silo entgegenstand (vgl. Jos 18,1 ). Diese falsche Verehrung
durch Dan ging der falschen Verehrung unter Jerobeam I. voraus,
der später eineGötzenanbetungsstätte im nördlichen Königreich
bei Dan errichtete (vgl. 1Kö 12,28-31 ).
B. Moralischer Verfall: Die Schandtat von
Gibea und der Krieg mit den Benjaminitern
( Ri 19-21 )
1. Die Schandtat an der Nebenfrau des
Leviten
( Ri 19 )
a. Die Versöhnung des Leviten mit seiner
Nebenfrau
( 19,1 - 9 )
Ri 19,1 a
Dieses Kapitel beginnt mit dem Kehrreim: Zu
der Zeit war kein König in Israel (vgl. Ri 17,6; 18,1; 21,25 ).
Daraus wird deutlich, daß in Kapitel 19 - 21 die Anarchie und
Ungerechtigkeit veranschaulicht wird, die zu der Zeit
vorherrschte, in der die Israeliten keinen König als ihre
höchste Autorität besaßen. In Kapitel 17 - 18 wurde der
Götzendienst beschrieben, der das Volk kennzeichnete.
Ri 19,1-9 (Ri 19,1b-9)
Der Levit , der in diesem Kapitel erwähnt
wird, ist nicht der Levit Michas ( Ri 17-18 ), obwohl beide mit
Bethlehem in Juda in Verbindung standen und beide im Gebirge von
Ephraim lebten. Das äußerste Ende (wörtl.: die "Rückseite von")
lag abseits des großen Nord-Süd-Gebirgskammes. Die Nebenfrau (
eine Ehefrau mit beschränkten Rechten; Gott hatte es niemals
gutgeheißen, daß ein Mann mehrere Frauen hatte; vgl. Ri 8,31 )
dieses Leviten war ihm gegenüber untreu (wörtl.: "spielte die
Hure"), und kehrte danach zu ihres Vaters Haus in Bethlehem
zurück. Vier Monate später begab sich der Levit nach Bethlehem.
Dort bahnte er mit seiner Nebenfrau eine Versöhnung an. Er wurde
von seinem Schwiegervater mit Freude willkommen geheißen, der
ihn, wie es der Sitte der Gastfreundschaft des Nahen Ostens
entsprach, vier Tage und einen Teil des fünften Tages bei sich
behielt, bis der Levit entschied, daß er nicht länger bleiben
konnte.
b. Die Ankunft des Leviten und seiner
Begleitung in Gibea
( 19,10 - 15 )
Ri 19,10-15
Der Levit nahm seinen Knecht, seine beiden
Esel (vgl. V. 3 ) und seine Nebenfrau und zog etwa 10 km in
nördlicher Richtung weiter, um nach Jebus zu kommen (das ist ein
anderer Name für Jerusalem, der nur hier in V. 10 - 11 und in
1Chr 11,4-5 gebraucht wird; die Bezeichnung rührt von einer
Gruppe Amoriter, den Jebusitern, her, die dort lebten). Er
lehnte den Vorschlag seines Knechtes ab, die Nacht in Jerusalem
zu verbringen, denn es war eine fremde Stadt, deren Bewohner
keine Israeliten waren. Der Levit entschloß sich dazu, in ein
günstigeres Gebiet weiterzuziehen (das war im Hinblick auf die
folgenden Ereignisse eine ironische und unglückliche
Entscheidung). So zogen sie 7 km in nördlicher Richtung weiter
nach Gibea (das heutige Tell el-Ful), wo sie anhielten, um zu
übernachten. Aber obwohl sie auf dem Stadtplatz saßen, war die
Gastfreundschaft der Benjaminiter nicht gerade herausragend.
c. Die Gastfreundschaft des alten Mannes
aus Ephraim
( 19,16 - 21 )
Ri 19,16-21
In letzter Minute wurden sie vor der Gefahr
bewahrt, die Nacht auf dem Platz der Stadt zu verbringen . Ein
alter Mann aus dem Gebirge Ephraim lud sie ein, die Nacht in
seinem Haus in Gibea zu verbringen.
d. Die Bedrohung durch die gottlosen Männer
von Gibea
( 19,22 - 26 )
Ri 19,22-26
Man wird an die gottlosen Sodomiter in der
Zeit Lots erinnert (vgl. 1Mo 19,1-11 ), wenn man liest, daß die
gottlosen Männer (oder "nichtige Männer": wörtl. "Söhne
Belials"; vgl. 1Sam 1,16; 1Sam 2,12 ) von Gibea das Haus
umringten und forderten, daß der alte Mann den Leviten
herausschicken solle, damit sie ihre homosexuellen Wünsche
befriedigen konnten. Da der alte Mann die Gesetze der
Gastfreundschaft für wichtiger hielt als seine Ritterlichkeit
gegenüber dem anderen Geschlecht, bat er ihnen statt dessen
seine jungfräuliche Tochter und die Nebenfrau des Leviten an.
Entweder hörten die Männer das nicht oder sie lehnten sein
Angebot ab. Als aber der Levit seine Nebenfrau zu ihnen
hinausstieß, nahmen sie sie und mißbrauchten sie die ganze Nacht
hindurch sexuell. Bei Tagesanbruch ließen sie sie zurückkehren;
sie fiel bei der Tür des Hauses nieder und starb.
Richter
e. Der Ruf des Leviten nach Stammesrache
( 19,27 - 30 )
Ri 19,27-30
Als der Levit aus seiner Tür heraustrat, um
seinen Weg fortzusetzen (nicht, um sich nach seiner Nebenfrau
umzusehen!), entdeckte er ihren Körper auf der Schwelle. Er
legte sie auf seinen Esel und brach in Richtung des Ortes auf,
von dem er hergekommen war. Als nächstes beging der Levit eine
unglaubliche Grausamkeit, indem er seine Nebenfrau Glied für
Glied in zwölf Stücke schnitt (offensichtlich je ein Stück für
einen Stamm) (wörtl.: "gemäß ihren Knochen", wie ein Priester,
der ein Opfer vorbereitete) und diese in alle Gebiete Israels
(vgl. 1Sam 11,7; 1Kö 11,30 ) schickte . Für den heutigen Leser
ist das zwar schwer zu verstehen (so wie auch für die
Zeitgenossen der Leviten; Ri 19,30; vgl. Hos 9,9 ), aber er
wollte damit das Volk zum Handeln antreiben, indem er zu einer
gerichtlichen Anhörung aufrief, bei der das ganze Volk zugegen
sein sollte. Vielleicht legte er ihnen die Verantwortung auf,
die Blutschuld abzuwaschen, die für den Tod seiner Nebenfrau auf
dem gesamten Volk lag. Die Menschen, die einen Teil von ihr
gesehen hatten, waren entsetzt und bestürzt, was sie nun tun
sollten.
2. Der Krieg gegen den Stamm Benjamin
( Ri 20 )
Der benjaminitische Krieg, von dem in
diesem Kapitel berichtet wird, war das Ergebnis der
Nachforschung über den Tod der Nebenfrau des Leviten (vgl. Ri 19
). Es beschreibt eine ungewöhnlich dunkle Stunde in der
Geschichte Israels.
a. Die Versammlung Israels bei Mizpa
( 20,1 - 11 )
Ri 20,1-7
Als Reaktion auf den Aufruf des Leviten zur
Untersuchung des Vorfalles versammelten sich alle Israeliten von
Dan bis Beerscheba (d. h. von den nördlichen bis zu den
südlichen Grenzen Israels; dies ist ein stereotyper Ausdruck,
der aus der Perspektive eines Autors zu Beginn der
Königsherrschaft gebraucht wird) und aus dem Land Gilead (hier
sind alle Stämme jenseits des Jordans gemeint). Sie versammelten
sich vor dem Herrn in Mizpa (Tell en-Nasba, etwa 13 km nördlich
von Jerusalem und nur 7 km nördlich von Gibea; es handelt sich
nicht um das Mizpa in Gilead; vgl. Ri 10,17; Ri 11,29 ). Die
Erwähnung von 400 000 Soldaten muß man keinesfalls als 400
Truppenkontingente oder 400 Familieneinheiten verstehen, wie
manche Ausleger vorgeschlagen haben.
Die Benjaminiter wurden in Mizpa nicht
offiziell repräsentiert, denn die Männer, die die Nebenfrau
vergewaltigt hatten, kamen aus Gibea in Benjamin. Offensichtlich
hatte jedoch der Stamm der Benjaminiter einen der zwölf Teile
der Nebenfrau erhalten (vgl. Ri 19,29; 20,6 ). Auf die
entsprechende Frage hin erklärte der Levit die Umstände der
Vergewaltigung und des Todes seiner Nebenfrau und bat um das
Urteil Israels.
Ri 20,8-11
Das Urteil lautete übereinstimmend: Das
ganze Volk erhob sich wie ein Mann gegen die Stadt Gibea, um
ihnen das zu geben, was sie verdienten, indem sie sie angriffen.
Ein Zehntel der israelitischen Truppen sammelte die Nahrung für
die Kämpfenden ein.
b. Das Urteil wird von den Benjaminitern
abgelehnt
( 20,12 - 13 )
Ri 20,12-13
Die Benjaminiter wiesen die Forderung der
anderen Stämme von sich, jene gottlosen Männer von Gibea
herauszugeben, damit sie hingerichtet werden konnten und das
Böse (der Blutschuld) aus Israel weggeschafft würde. Deshalb tat
Israel den letzten Schritt und griff Gibea an.
c. Die Truppen werden für den Kampf
gemustert
( 20,14 - 18 )
Ri 20,14-16
Die Benjaminiter hatten die Forderung ihrer
Brüder, der Israeliten, zurückgewiesen (vgl. V. 13 ) und
mobilisierten 26 000 Schwertträger und 700 Linkshänder aus
Gibea, die alle mit den Schleudern sehr geschickt waren.
Ri 20,17-18
Wie bereits zuvor bemerkt wurde (V. 2 ),
hatten die elf Stämme den Vorteil einer viel größeren Armee -
400 000 Mann. Sie zogen nach Bethel ("Haus Gottes") hinauf, um
den Herrn darüber zu befragen (möglicherweise durch die Urim und
Tummim des Hohepriesters; vgl. 3Mo 8,8; 4Mo 27,21; 5Mo 33,8 ),
welcher Stamm den Angriff gegen die Benjaminiter anführen
sollte. Die Antwort des Herrn lautete: Juda soll zuerst gehen .
Weil die Stiftshütte (oder ein ähnliches Heiligtum, das das
wichtigste Heiligtum war, und wo der Hohepriester befragt werden
konnte) sich sowohl vor (vgl. Jos 18,1 ) als auch nach diesem
Ereignis (vgl. 1Sam 1,9 ) in Silo befand, sind manche Ausleger
der Ansicht, daß die Bezeichnung "Bethel" sich nicht auf die
Stadt, sondern auf das "Haus Gottes" bezieht, das sich in Silo
befand (vgl. Ri 18,31 ,"das Haus Gottes stand zu Silo"). Aber in
Ri 18,31 und an einigen anderen Stellen lautet der hebr.
Ausdruck, wenn das Heiligtum als "das Haus Gottes" bezeichnet
wird, bLThA?MlOhIm und nicht nur BLT - ?El (so wie in Ri
20,18.26 ). Möglicherweise war das Heiligtum zwischen Silo und
Bethel hin- und zurückgebracht worden, vielleicht sogar mehr als
nur einmal. So sollte man das Bethel in Vers 18.26 also besser
für die Stadt an der zentral gelegenen Gebirgsroute 16 oder 20
km nördlich von Jerusalem halten.
d. Die Siege Benjamins über Israel
( 20,19 - 28 )
Ri 20,19-23
Die Lage und Topographie Gibeas machten es
einfach, die Stadt zu verteidigen. Die Benjaminiter zogen aus
Gibea aus, griffen die israelitischen Kampfstellungen an und
erschlugen 22 000 Israeliten. Die Israeliten stachelten einander
an und stellten sich für den Kampf eines weiteren Tages wieder
an denselben Stellen auf. Im Hinblick auf ihre Niederlage zogen
sie auch nach Bethel hinauf und weinten vor dem HERRN . Sie
fragten dieses Mal, ob sie weiter gegen die Benjaminiter kämpfen
sollten. Der Herr bestätigte es: Zieht gegen sie .
Ri 20,24-28
Die Strategie und die Ereignisse des
vorhergegangenen Tages wiederholten sich am zweiten Tag, aber
dieses Mal verlor Israel "nur" 18 000 Männer. Diese zweite
Niederlage bewegte die Israeliten dazu, nach Bethel
zurückzukehren, wo sie vor dem HERRN weinten und fasteten ...
und dem HERRN Brand- und Dankopfer darbrachten (vgl. Ri 21,4 ).
Vielleicht war ein Grund für die Tatsache, daß der Herr ihre
anfänglichen Niederlagen zugelassen hatte, der, daß sie zur Buße
über das vernachlässigte Opfer und die Anbetung Gottes gebracht
werden sollten. Dieses Mal erhielten sie auf ihre Frage, ob sie
den Kampf fortsetzen sollten, nicht nur eine positive Antwort (
geht ), sondern es wurde ihnen auch der Sieg verheißen ( morgen
werde ich sie in eure Hände geben ). Wenn hier Pinhas, der Sohn
Eleasars (der Enkel Aarons), erwähnt wird, so wird damit
angedeutet, daß er daran beteiligt war, den Herrn zu befragen.
Es wird dadurch auch deutlich, daß sich dieses Ereignis nicht
lange Zeit nach dem Tod Josuas zugetragen haben kann (vgl. Ri
18,30 ).
e. Die Israeliten fügen den Benjaminitern
eine Niederlage zu
( 20,29 - 46 )
Der allgemeinen Erzählung über die Schlacht
(V. 29 - 36 a) folgt ein detaillierter und ergänzender Bericht
(V. 36 b - 37-46 ).
Ri 20,29-36 a
Die Tatsache, daß Gott Israel den Sieg
verheißen hatte (V. 28 ), hatte auf der Seite Israels keinen
Hochmut zur Folge, denn sie überprüften und verbesserten ihre
Kampfstrategie, indem sie gegen Gibea einen Hinterhalt legten.
Das taten sie auf folgende Weise: Sie nahmen dieselben
Kampfstellungen wieder ein wie zuvor und flohen dann
absichtlich, als die Benjaminiter angriffen, so daß diese von
der Stadt abgedrängt wurden. Josua hatte eine ähnliche Taktik
verfolgt, als er Ai einen Hinterhalt gelegt hatte ( Jos 8,1-29
). Dann griffen 10 000 der besten Männer Israels Gibea frontal
an, und der Herr schenkte ihnen den Sieg in der Schlacht. Die
Benjaminiter verloren 25 100 Soldaten - fast ihre gesamte
Streitkraft (die 26 700 Männer betrug); ( Ri 20,15 ).
Ri 20,36-46 (Ri 20,36b-46)
Diese Verse ergänzen den vorhergehenden
Bericht, denn sie erläutern den Hinterhalt und die Folgen der
großen Schlacht. Als die Benjaminiter von der Stadt abgedrängt
waren (vgl. V. 31 - 32 ), stürzten sich die im Hinterhalt
wartenden Israeliten auf Gibea, erschlugen die Bewohner und
steckten die Stadt in Brand. Der Rauch der Stadt, der in den
Himmel zog , war ein verabredetes Zeichen für die sich
zurückziehenden Israeliten, sich den Benjaminitern zuzuwenden,
die in Schrekken versetzt worden waren und in die Wüste flohen
(d. h. ostwärts; vgl. V. 43 ). Sie hatten insgesamt einen
Verlust von etwa 25 000 benjaminitischen Schwertträgern zu
verzeichnen (die genauere Anzahl von 25 100 wird in V. 35
genannt). Die Erzählung bezeichnet die Anzahl der Toten gemäß
der verschiedenen Schlachtabschnitte - 18 000 (V. 44 ), 5 000
die Straßen entlang und 2 000 (V. 45 ).
f. Die Folgen der Niederlage der
Benjaminiter
( 20,47 - 48 )
Ri 20,47-48
600 benjaminitische Kämpfer hatten die
Festung bei dem Felsen Rimmon (das heutige Rammun, Ri 6,5 km
östlich von Bethel) erreicht, die gut zu verteidigen war, wo sie
vier Monate blieben (bis sie von den Israeliten den Frieden
signalisiert bekamen; vgl. 21, 13 - 14). Sie waren von dem
ganzen Stamm Benjamin die einzigen Überlebenden, denn die
israelitischen Soldaten hatten alle Städte zerstört und
verbrannt. Weil sie auch die Tiere und alles, was sie sonst
gefunden hatten, vernichtet hatten, hatten sie an den
benjaminitischen Städten offensichtlich wie im Heiligen Krieg
"den Bann vollzogen" (vgl. den Kommentar zu Ri 1,17 ).
3. Die Erhaltung des Stammes Benjamin
( 21,1 - 24 )
a. Das Volk ist um die Vollständigkeit
Israels besorgt
( 21,1 - 7 )
Ri 21,1-7
Die Grausamkeit von Gibea ( Ri 19,25-26 )
war bestraft worden, und die Blutschuld war von Israel durch den
Tod der Benjaminiter abgewaschen worden ( Ri 20,35 ). Aber die
Israeliten, hinter denen der Kampf und die Zerstörung lag,
wurden sich nun über ein anderes schmerzhaftes Problem klar -
einer der zwölf Stämme Israels war fast völlig ausgelöscht
worden. Weil nur 600 Männer am Leben geblieben waren, stand
Benjamin in Gefahr, auszusterben. Das Problem wurde zusätzlich
durch die Tatsache verkompliziert, daß die Israeliten bei Mizpa
einen Eid geschworen hatten, einem Benjaminiter keine ihrer
Töchter zur Frau zu geben (vgl. Ri 21,7.18 ). Für die
übriggebliebenen 600 Benjaminiter war es gemäß dem mosaischen
Gesetz auch nicht möglich, eine Nichtisraelitin zu heiraten
(vgl. 2Mo 34,16; 5Mo 7,3 ). Eine zweitrangige Sache, mit der
sich die Israeliten konfrontiert sahen, war die Erfüllung eines
anderen heiligen Eides, nämlich, alle Israeliten zu töten, die
nicht nach Mizpa gekommen waren. Die Angelegenheit ersten
Ranges, nämlich die Auslöschung der Benjaminiter, zog eine
weitere Zeit in Bethel nach sich, als die Israeliten bis zum
Abend vor Gott saßen und ihre Stimmen erhoben und bitterlich
weinten. Der Inhalt ihrer Klage lautete: Warum sollte heute ein
Stamm Israels fehlen? Sie nahmen auch an einem Opfer- und
Anbetungsgottesdienst teil und opferten Brand- und Dankopfer
(vgl. Ri 20,26 ).
b. Israel zieht gegen Jabesch in Gilead
( 21,8 - 12 )
Ri 21,8-12
Die Israeliten entdeckten bei der
Bewältigung ihres Problems zweiten Ranges (vgl. V. 5 ), daß aus
der Stadt Jabesch in Gilead (diese befand sich etwa 15 km
südöstlich von Bet-Schean und etwa 5 km östlich des Jordans)
keiner der Aufforderung, nach Mizpa zu kommen, gefolgt war. So
erfüllten sie ihr Gelübde, und 12 000 Soldaten brachten die
Bewohner von Jabesch in Gilead um. Davon waren nur 400
Jungfrauen aus der Stadt ausgenommen; dies war der erste Schritt
zur Lösung ihres größten Problemes, der Auslöschung der
Benjaminiter.
c. Israel versöhnt sich mit Benjamin
( 21,13 - 18 )
Ri 21,13-18
Die Versammlung der Israeliten sandte als
nächstes ein formelles Friedensangebot ( SAlNm , damit wird die
Wiederherstellung der Bundesbeziehungen angedeutet) an die 600
überlebenden Benjaminiter. Diese nahmen das Friedensangebot an
und bekamen 400 Jungfrauen aus Jabesch in Gilead. Der Kummer der
Israeliten hielt jedoch an, denn 200 Benjaminiter waren noch
immer ohne eine Frau.
d. Die Frauen aus Silo
( 21,19 - 24 )
Ri 21,19
Die Israeliten erdachten sich einen Plan,
der auf einem Hintertürchen in ihrem Eid basierte und den sie
den Benjaminitern vorschlugen. Der Eid besagte, daß die
Israeliten ihre Töchter den Benjaminitern nicht "geben" konnten
(V. 1.7.18 ), aber er sagte nichts darüber aus, wenn diese sie
sich "nehmen" würden. Es kam ihnen daher sehr gelegen, daß die
Frauen des nahegelegenen Silo (etwa 20 km nördlich bis
nordöstlich von Mizpa) bald an einem in dieser Gegend gefeierten
Erntefest teilnahmen, wobei sie in den Feldern bei den
Weinbergen tanzten. Lebona (das heutige el-Lubban) lag etwa 5 km
nördlich von Silo.
Ri 21,20-24
Die 200 Benjaminiter mußten sich in den
Weinbergen verstecken, bis die Feierlichkeiten im Gang waren,
dann sollte jeder aus den Weinbergen herauskommen, eine Frau
ergreifen und zum Land der Benjaminiter ziehen. Die Israeliten
würden die Situation dann den Männern von Silo erläutern: daß
sie unschuldig waren (und den Eid von Mizpa nicht gebrochen
hatten; V. 1 ), denn sie hatten ihre Töchter den Benjaminitern
nicht gegeben. So wurde die Auslöschung des Stammes Benjamin
abgewendet. Die Benjaminiter bauten die Städte wieder auf und
wohnten darin. Die Israeliten zogen nach Hause. Sie hatten zwar
ihren Eid umgangen, aber den Stamm Benjamin vor dem Aussterben
gerettet.
4. Der Charakter der Zeit der Richter
( 21,25 )
Ri 21,25
Das Buch Richter schließt mit einer letzten
Erwähnung, daß die Menschen dieser Zeit durch moralische und
soziale Anarchie, die der Zeit der Könige vorausgegangen war,
versagt hatten. Schon dreimal zuvor war gesagt worden, daß
Israel keinen König hatte (vgl. Ri 17,6; 18,1; 19,1 ). Die
Tatsache, daß jeder tat, was er wollte , ist ein trauriger
Kommentar über den beklagenswerten geistlichen Zustand des
Volkes in jenen Tagen. Obwohl Israel unter der Unterdrückung
vieler Feinde gelitten hatte, wurde Gottes Gnade immer wieder
sichtbar, wenn sich die Menschen ihm voller Reue wieder
zuwandten. Das Buch Richter veranschaulicht sowohl Gottes
Gerechtigkeit als auch seine Gnade - seine Gerechtigkeit, wenn
er Sünde bestraft, und seine Gnade, wenn er Sünde vergibt.
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