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Sprachenreden kontra Zungenreden

 

15 Thesen zum Thema „Sprachenreden in der Bibel“

Über das Wesen des biblischen Sprachenredens gibt es heutzutage sehr kontroverse Meinungen. Nachfolgend stelle ich 15 teilweise provokative Thesen zum Thema auf. Im Anschluss daran sollen dieselben näher erläutert und am Bibeltext festgemacht werden:

 

1. Bei der Gabe der Sprachenrede in der Bibel handelte es sich um eine übernatürliche Gabe von Gott.

2. Der Heilige Geist vermittelte die Fähigkeit zur Sprachbeherrschung und zur korrekten Aussprache.

3. Beim Sprachenreden in der Bibel handelte es sich nicht um ein Gestammel oder um unartikulierte Laute, sondern um wirkliche Sprachen.

4. Die Bezeichnung „Zungenreden“ ist eine falsche Wiedergabe von „en glossais lalein“. Korrekt müsste man mit „Sprachenreden“ bzw. „Fremdsprachenreden“ übersetzen.

5. Die biblischen Sprachenredner beherrschten die jeweilige Fremdsprache aktiv, ohne sie jemals zuvor gelernt zu haben.

6. Auch der Akzent war jeweils korrekt, sodass die biblischen Sprachenredner selbst bestimmte Dialekte beherrschten.

7. Die biblischen Sprachenredner wirkten nicht als Medien. Ihr Bewusstsein war nicht eingeschränkt und ihr Verstand nicht ausgeschaltet.

8. Die biblischen Sprachenredner waren sich daher auch immer dessen, was sie sagten, voll bewusst. Sie waren ja die Redenden, mit Hilfe des Heiligen Geistes.

9. Die biblischen Sprachenredner waren beim Sprechen in einem nüchternen Zustand der völligen Selbstkontrolle.

10. Diese übernatürliche Sprachengabe sollte insbesondere dem Volk Israel bezeugen, dass mit Pfingsten (Apg 2) ein neues Zeitalter, das Zeitalter der Mission, begonnen hat: Gott spricht nun nicht mehr lediglich in einer Sprache zu einem Volk, sondern in vielen Sprachen zu allen Völkern.

11. Die Sprachenrede hatte nur einen Sinn, wenn die Anwesenden den Inhalt verstehen konnten. Falls die Anwesenden die jeweilige Fremdsprache nicht verstanden, musste für Übersetzung gesorgt werden.

12. Nicht alle Christen der Anfangszeit konnten in Sprachen reden, sondern nur gewisse, die in Gottes souveräner Auswahl die Gabe bekommen hatten.

13. Es gab nur einen Typ von Sprachenrede in der Bibel. Bei der Sprachenrede von Apg 2 handelte es sich um dasselbe Phänomen wie in 1Kor 12-14.

14. Die biblische Sprachenrede sollte allmählich verklingen und, im Gegensatz zu verschiedenen anderen Gaben, nicht bis zur Wiederkunft Christi bleiben.

15. Das heutzutage propagierte und von Tausenden praktizierte „Zungenreden“ entspricht nicht dem biblischen Phänomen der „Sprachenrede“.

 

Alle sieben Stellen der Bibel zum Thema

In der Bibel wird an sieben Passagen über Sprachenreden gesprochen.[1] Zwei Stellen finden sich im AT, alle anderen dagegen stehen im NT. Es ist wichtig, alle Stellen genau zu untersuchen, um den biblischen Befund vollständig überblicken zu können.

Nachfolgend seien zunächst alle Stellen, zusammen mit einer kurzen Charakterisierung und Umschreibung ihres jeweiligen Kontextes überblicksmässig aufgeführt:

 

AT: 1Mo 11,1-9:

Nach der Sintflut hatte die Urgesellschaft in Babel eine einzige gemeinsame Sprache. Infolge ihres Hochmuts und ihrer Rebellion gegen Gott, verwirrte der HERR ihre Sprache, indem er verschiedenen Sippen neue Sprachen eingab. Alle Sippen, die eine neue Sprache bekamen, verloren ihre ursprüngliche. Dafür beherrschten sie die jeweils neue Sprache ohne vorangegangenen Lernprozess.

Jes 28,11-12:

Jesaja kündigte um 700 v. Chr. an, dass der Ewige dereinst durch fremde Sprachen zu dem Volk Israel reden würde. Obwohl dies ihre besondere Aufmerksamkleit erwecken sollte, würde Israel als Nation leider auch dennoch keineswegs bereit sein, auf diese Botschaft zu hören.[2]

In 1Kor 14,21 zitierte der Apostel Paulus diese Jesaja-Verse und bezog sie ausdrücklich auf das neutestamentliche Sprachenreden. Daraus folgerte er, dass dieses Zeichen insbesondere für Ungläubige bestimmt sei (1Kor 14,22), allerdings nur, wenn die Angesprochenen diese Fremdsprachen selber auch verstehen, sonst würden sie ja fast gezwungenermassen denken, dass die Sprechenden verrückt seien (1Kor 14,23).

 

NT: Mark 16,15-18: Nach seiner siegreichen Auferstehung gab der Herr Jesus Christus seinen 11 Aposteln den Auftrag zur Weltmission. Diese neuartige Botschaft sollte durch verschiedene Zeichen bestätigt werden. Eines dieser Zeichen würde das Phänomen des Sprachenredens sein.

Apg 2,1-21: Am Pfingsttag wurde der Heilige Geist über die messianisch-gläubigen Juden in Jerusalem ausgegossen. Dieses Ereignis markierte einen tiefen Einschnitt bzw. einen Neuanfang in der Heilsgeschichte: Durch die Taufe mit dem Heiligen Geist wurde die Kirche, die Gemeinschaft der Christen, gegründet (1Kor 12,13). An diesem Tag erfüllte sich die Verheissung aus Jes 28 und Mark 16 zum ersten Mal. Die Jünger Jesu begannen in allen möglichen Fremdsprachen und Dialekten, welche sie zuvor noch nie gelernt hatten, die grossen Taten Gottes zu verkündigen (Apg 2,4-11). Dieses Zeichen symbolisierte gegenüber Israel, dass Gott sich nun nicht mehr nur einem einzigen Volk in besonderer Weise mitteilen würde. Die Botschaft von dem Erlöser Jesus Christus sollte allen Völkern in ihrer Sprache gebracht werden, ganz gemäss dem Vier-Punkte-Programm des Weltmissions-Mandates aus Apg 1,8: Jerusalem-Judäa-Samaria-bis ans Ende der Erde.

Da dieses Geschehen mit dem jüdischen Tempelfest „Schavu’oth“ zusammenfiel, waren, nebst den Besuchern aus Städten und Dörfern des Landes Israel, abertausende von Juden aus dem ganzen Römischen Weltreich, und selbst aus Ländern darüber hinaus, in Jerusalem zu Besuch.[3] Diese Juden konnten die vielen Fremdsprachen, welche die für ihre fehlende Formalbildung bekannten Galiläer sprachen, verstehen. Dadurch kamen sie in Verlegenheit. Die Einheimischen konnten damit allerdings gar nichts anfangen. Sie taten das Phänomen mit dem Verweis auf Trunkenheit spottend ab.

Pfingsten war die Umkehrung der babylonischen Sprachenverwirrung. Babel bedeutete Trennung und sich nicht verstehen können. In Jerusalem kam es an Pfingsten zu einer Zusammenführung und Vereinigung in Christus. Durch das Evangelium sollten Kultur-, Rassen- und Sprachbarrieren abgebrochen werden. An Pfingsten 32 wurde dies zeichenhaft demonstriert.

Apg 10,44-48: Bis zu diesem Zeitpunkt herrschte unter den messianisch-gläubigen Juden die Meinung vor, dass Nicht-Juden, die zum Glauben an den Erlöser Jesus Christus kommen, durch eine Proselyten-Taufe ins Judentum übertreten sollten. Nur so sollte es möglich sein, dass sie den Heiligen Geist empfangen würden, wie dies mit jüdischen Christen am Pfingsttag geschehen war. Als der Apostel Petrus jedoch das Evangelium nach langem Zögern dem römischen Hauptmann Kornelius und denen, die ihm nahestanden, verkündigte, bekamen diese den Heiligen Geist sobald sie die Frohe Botschaft  im Glauben aufgenommen hatten. Beweis dafür war die Tatsache, dass diese Römer begannen, in für sie vordem fremde Sprachen Gott zu loben, und dies ohne dass sie getauft worden waren. Die jüdischen Begleiter des Apostels hörten und verstanden diese Gebete.[4] Sie kamen ausser sich, da sie so etwas als unmöglich angesehen hatten. Da diese Juden die Fremdsprachen[5] der Römer im Haus des Kornelius verstanden hatten, liegt es auf der Hand, dass es sich wohl um Hebräisch und jüdisch-palästinensisches Aramäisch gehandelt hat, was im Munde dieser Heiden damals wirklich etwas Besonderes gewesen sein muss.

Apg 19,1-7: Als Paulus um 54 n. Chr. nach Ephesus gekommen war, begegnete er etwa zwölf Jüngern von Johannes dem Täufer. Diese Gläubigen hatten den Heiligen Geist nie empfangen. Das Pfingstereignis (Apg 2) war ihnen fremd und wohl noch vieles andere, was zentral in Verbindung mit der Lehre des Christentums steht. Paulus führte sie weiter. Als sie den Heiligen Geist empfingen, begannen sie in anderen Sprachen zu sprechen. Hier steht das Sprachenreden in Verbindung mit diesem dramatischen Schritt, wo Gläubige im Sinn des AT Gläubige im Sinn des NT wurden.

1Kor 12-14: Paulus belehrte die Christen in Korinth allgemein über das Thema der geistlichen Gaben. Nebst vielen anderen Manifestationen des Heiligen Geistes wird hier in allen drei Kapiteln über die Gabe des Sprachenredens gesprochen. In Korinth gab es diversen Missbrauch der Gaben und ebenso unordentliche Anwendungen derselben. Daher sind diese Kapitel chrakterisiert durch allgemeine Belehrung einerseits und spezifische Korrektur andererseits. Über das innere Wesen des Sprachenredens erfahren wir allerdings nirgends im NT soviel Detailliertes wie hier, insbesondere in Kapitel 14.

 

Sprachliche und exegetische Hinweise

Nachfolgend stelle ich einige Bemerkungen philologischer und exegetischer Natur zu den neutestamentlichen Stellen über das Sprachenreden zusammen. Durch das gründliche Herausarbeiten einiger Feinheiten kann das Wesen des biblischen Sprachenredens besser erfasst und eingeordnet werden:

 

„Sprachenreden“ kontra „Zungenreden“

Der Begriff „Sprache“ im NT ist die Übersetzung des griechischen Wortes „glossa“. Das Wortfeld „glossa“ umfasst u.a. folgende Bedeutungen: Zunge (als Organ), Sprache, Fremdsprache. Im Zusammenhang mit dem Sprachenreden finden sich im griechischen Grundtext folgende Wendungen: “glosse lalein“,[6] „lalein en glosse,“[7] „lalein glosse,“[8] bzw. “lalein glossais“[9]  und „glossais lalein“.[10] Im Deutschen können wir diese Ausdrücke wiedergeben mit: “eine (Fremd)-Sprache sprechen“ bzw. „(Fremd)-Sprachen sprechen“. Die Übersetzung mit „in Zungen reden“ ist sachlich falsch und weckt irrige Assoziationen mit Zungenakrobatik oder ekstatischem Lallen. Derartige Assoziationen waren den ursprünglichen griechischsprechenden Lesern der neutestamentlichen Schriften mit Sicherheit fremd.

Herbert Glück umschreibt den Begriff „Glossolalie“ (Zungenreden) in dem linguistischen Metzler Lexikon der Sprache wie folgt: „In (religiöser) Ekstase hervorgebrachte unartikulierte Lautproduktionen, hinter denen göttl. Botschaften vermutet und gesucht werden (z.B. 1. Kor. 14,2: „Denn wer in Zungen redet, der redet nicht für Menschen, sondern für Gott; denn niemand versteht ihn, vielmehr redet er im Geist Geheimnisse“).“[11] Man fragt sich wirklich, mit welchem Recht er zu solchen Schlussfolgerungen gekommen ist. Der biblische Text spricht in Verbindung mit Sprachenreden nie von „Lallen“, Stammeln“ oder „Ekstase“. Es würde nicht überraschen, wenn der falsche Begriff „Zungenreden“ bei diesem Missverständnis seinen Beitrag dazu geleistet hat.

Aufschlussreich ist, was Hörster dazu schreibt: „Während in den älteren Übersetzungen und Kommentaren der Begriff Zungenrede vorherrscht, hat sich inzwischen bei den Exegeten die Überzeugung durchgesetzt, dass dieser Begriff unangemessen und irreführend ist (...). Sie erweckt den Eindruck, als würde bei diesem Charisma die Zunge als Organ, von einer anderen Macht beherrscht, unartikulierte Laute bilden.“[12]

 

„Neue Sprachen“

In Mark 16,17 kündigte der auferstandene Christus seinen Jüngern und denen, die durch sie zum Glauben kommen würden, verschiedene Zeichen und Wunder an, u.a. auch das Phänomen der Sprachenrede. Er sprach in diesem Zusammenhang von „neuen Sprachen“. Man könnte leicht auf die Idee kommen, dass dies besage, Sprachenredner würden in neuartigen Sprachen reden, die es zuvor noch nie gegeben hatte. In diesem Fall müsste man im griechischen Text jedoch viel eher das Adjektiv „neos“ erwarten. Dieses Wort bedeutet insbesondere „neu“ im Sinn von „jung“, „frisch“ oder „neuartig“. Es weist auf Dinge hin, die erst vor kurzem ins Dasein gekommen sind. Markus verwendet dort allerdings das Wort „kainos“, das insbesondere „neuartig“, „ungewohnt“, „fremd“ bedeutet und oftmals Dinge bezeichnen kann, die schon längst bestanden haben, aber erst vor kurzem bekannt geworden sind. So bringt „kainos“ in unserem Kontext hier zum Ausdruck, dass diese Sprachen, obwohl schon früher existiert habend, neu für die Sprechenden sein würden.[13] Mark 16 kündigte an, dass gewisse Menschen plötzlich Sprachen beherrschen würden, die sie früher nicht sprechen konnten und die zum Zeitpunkt ihrer ersten Anwendung für die Sprechenden daher neu sein würden.

 

Menschliche Sprachen und Dialekte

Aus den detaillierten geographischen Angaben in Apg 2,8-11 geht hervor, dass die Redner am Pfingsttag Sprachen aus dem ganzen Mittelmeerraum des Römischen Reiches sowie aus dem weit darüber hinausgehenden Bereich des Mittleren Ostens anwandten. Nicht nur Sprachen an sich, sondern sogar verschiedene Dialekte konnten die Jünger sprechen.[14] Dies ist sehr beachtlich. Somit beherrschten sie nicht allein auf verständliche Weise verschiedene Sprachsysteme an sich, sondern jeweils auch die genaue Aussprache mitsamt lokal ausgeprägtem Akzent, was exakte Klangfarbe und richtige Betonung miteinschloss. Beim Sprachenwunder des NT handelte es sich also ganz eindeutig um menschliche Sprachen und Dialekte.[15]

Der eben hervorgehobene Punkt erfährt durch Apg 2,4 eine weitere Bestätigung. Dort verwendete Lukas das Verb „apophthengomai“, was „aussprechen“ bedeutet, aber mit Bezug auf den lautlichen, klanglichen Aspekt der Sprache.[16] Der Heilige Geist bewirkte somit auch die korrekte Aussprache.

Das Publikum am Pfingsttag war zweigeteilt: Es gab einerseits die fremdsprachigen Ausland-Juden und andererseits die Einheimischen. Die Ausland-Juden konnten mit dem Sprachenreden der Jünger problemlos etws anfangen. Sie wurden dadurch betroffen, indem sie sich entsetzten und in Verlegenheit gerieten (Apg 2,12). Sie hörten klipp und klar, wie durch das Sprachenreden „die grossen Taten Gottes“ verkündigt wurden (Apg 2,11).

Die Einheimischen verstanden die für sie fremden Sprachen nicht. So bezichtigten wohl gerade viele von ihnen zynisch spottend die Sprachenredner der Trunkenheit (Apg 2,13). Für diese Gruppe war der Inhalt der Sprachenreden gewissermassen ein „Geheimnis“, mit Ausnahme von denen, die über Sprachkenntnisse verfügt haben, die über das normale hinausgingen. Die Situation der Einheimischen entsprach exakt der später in Korinth allgemein üblichen. Paulus schreibt daher in 1Kor 14,2: „Denn wer in einer Sprache redet, redet nicht Menschen, sondern Gott; denn niemand versteht es, im Geiste aber redet er Geheimnisse.“

Der Heidenapostel musste sich alle Mühe geben, um der Gemeinde in Korinth klar zu machen, dass die Sprachenrede nur dann einen Sinn hat, wenn Fremdsprachige da sind, oder wenn zumindest die fremdsprachige Botschaft für alle verständlich übersetzt wird. Hierin liegt der Grund, weshalb in 1Kor 14 aus der in Kapitel 12 aufgeführten Fülle von Gaben insbesondere zwei ausgewählt wurden, Sprachenrede und Weissagung, um anhand davon klar zu machen, dass Verständlichkeit des Gesprochenen zu den obersten Prioritäten gehört. 

Es ist abwegig, zwei verschiedene Arten von Sprachenreden im NT unterscheiden zu wollen, die der Apostelgeschichte und die des 1. Korintherbriefes. 1Kor 14,21-22 macht ja klar, dass die Sprachenrede in erster Linie ein Zeichen für das ungläubige Volk Israel sein sollte. Dies nun entspricht exakt dem, was wir in Apg 2 in Verbindung mit dem Pfingsttag vorfinden.

 

Engelsprachen

In 1Kor 13,1 wird sowohl von „Sprachen der Menschen“ als auch von „Sprachen der Engel“ gesprochen. Dies ist die einzige Stelle in der Bibel, wo der Begriff Engelssprachen vorkommt. Da die Heilige Schrift sich nur so spärlich zu diesem Thema äussert, ist es schwierig, Genaueres zur Natur dieser Sprachen zu sagen. Es gibt manche Stellen, in denen Engel mit Menschen sprechen, und da sprechen diese Boten natürlich immer menschliche Sprachen.[17] Selbst in Fällen, wo Engel zueinander[18] oder gar direkt zu Gott sprechen, können Menschen ihr Reden verstehen.[19] Es gibt keine Stelle in der Bibel, aus denen eindeutig hervorgehen würde, dass Engel andere Sprachen reden als Menschen. Es ist durchaus denkbar, dass der Ausdruck „Sprachen der Menschen und der Engel“ in 1Kor 13,1 den Sinn hat: „Die Sprachen, welche sowohl die Menschen als auch die Engel sprechen.“

Ferner ist darauf zu achten, dass 1Kor 13,1 nicht eindeutig aussagt, Paulus habe in Engelsprachen geredet. In den Versen 1-3 haben wir eine Reihe von Wenn-dann-Sätzen, die z.T. offensichtlich irreale Bedeutung haben.[20] Ein Beispiel mag dies sofort zu verdeutlichen: Paulus hatte nur stückweise Erkenntnis (1Kor 13,9.12), und dennoch heisst es in 1Kor 13,2: „Und wenn ich... alle Erkenntnis weiss,...“

Ich komme hiermit zu folgendem Schluss: Aufgrund dieser Stelle ist es nicht zulässig, zu behaupten, dass es sich bei dem in der Bibel erwähnten Sprachenreden um nicht-menschliche, überirdische Sprachen gehandelt habe.[21] Der Hintergrund dieser Behauptung besteht in folgendem: Es gibt unzählige, die heutzutage Zungenreden in Form von unverständlichem Lallen praktizieren. Da es sich in diesen Fällen offensichtlich nicht um bestehende Frendsprachen handelt, möchte man diese Praktik mit dem Hinweis auf Engelsprachen als ein biblisches Phänomen hinstellen. Doch: Soll man wirklich glauben, dass Engel, die in der Bibel verschiedenste Fremdsprachen beherrschen, unter sich keine höhere Kommunikation besitzen als ein Lallen?

Ganz abgesehen davon, widerspricht es dem gesunden Denken, Lallen, unartikulierte Laute, unstrukturierte Äusserungen als den menschlichen Kommunikationsmittel überlegene übernatürliche Sprachen zu bezeichnen.

Manchmal werden die in Röm 8,26 erwähnte „uausprechlichen Seufzer“ des Heiligen Geistes mit dem Lallen des Zungenredens in Verbindung gebracht. Das geht aber nicht, weil das Adjektiv „unausprechlich“[22] ja gerade zum Ausdruck bringt, dass es sich hier um eine wortlose, stumme Kommunikation handelt.

 

Keine Bewusstseinseinschränkung

Beim biblischen Sprachenreden handelte es sich niemals um ekstatische Zustände. Niemals gab es dabei ein eingeschränktes Bewustsein. Dies wäre grundsätzlich im Widerspruch zur Lehre der Heiligen Schrift. In 2Tim 4,5 befal Paulus: „Du aber sei nüchtern in allem,...“ Das mit „nüchtern sein“ übersetzte Verb „nepho“ bedeutet gemäss dem neutestamentlichen Standardwörterbuch von Walter Bauer: „...frei sein von jeder geistigen und seelischen Trunkenheit, von Überschwang, Leidenschaft, Überstürzung, Verwirrung, Exaltiertheit“.[23]  Allerdings: Grosse Freude ist natürlich biblisch (vgl. z.B. Ps 100,1; Phil 4,4), aber niemals in solchen Fällen, wo die Selbstkontrolle irgendwie eingeschränkt oder gar aufgehoben wird. Das NT ruft 11x zur Nüchternheit auf.[24] Ferner findet sich der Befehl „wachet“ 14x im NT.[25] Das NT lehnt jegliche Passivität des Geistes ab und ruft die Gläubigen zu Wachheit und Aktivität auf, wie z.B.  „Widerstehet!“[26], „Kämpfe!“[27] etc. Dies steht krass im Gegensatz zur Mystik in allen möglichen mit der Bibel unkompatibeln religiösen Praktiken wie transzendentale Meditation, Traumreisen, Yoga, Autogenes Training, Rockmusik, Drogen etc., wo Einschränkungen des Bewusstseins in allen möglichen Abstufungen eine wesentliche Rolle spielen.[28]

Der Heilige Geist ist nach dem Zeugnis der Heiligen Schrift ein „Geist der Besonnenheit“, der Kraft gibt zur Selbstbeherrschung, Mässigung und zum gesunden Verstandes-Urteil (vgl. 2Tim 1,7).[29] Er führt den Menschen niemals in die Trance. Wenn Paulus in 1Kor 12 über die geistlichen Gaben zu sprechen beginnt, macht er gerade in dieser Hinsicht einen auffälligen Unterschied zum Heidentum deutlich: „Ihr wisst, dass ihr einst Heiden wart und euch fortreissen liesst zu den stummen Götzen, so wie ihr geführt wurdet.“[30]

 

Erbauung durch Sprachenreden

Beim Pfinstereignis in Apg 2 waren viele Fremdsprachige zugegen. Für sie erwies sich das Sprachenreden als perfektes Kommunikationsmittel. In Korinth gab es indessen oft Verständnisprobleme. Was nütze schon das Sprachenreden in den Fällen, wo keine Fremdsprachigen da waren? Wenn die Korinther, von denen ja viele aus der Unterschicht kamen,[31] die Fremdsprachen nicht verstanden, so gab es keine Erbauung. Daher war in diesen Fällen „Auslegung“ bzw. „Übersetzung“ absolut notwendig.[32] Allein durch die Übersetzung bekam die Gemeinde „Erbauung“ im Glauben (1Kor 14,5). Daraus erkennen wir: Nicht das Sprachphänomen an sich, sondern allein die dadurch übertragene Botschaft war erbauend.

Man kann das eben Gesagte an einem Beispiel verdeutlichen: Die Psalmen sind ursprünglich auf hebräisch verfasst worden. Nach dem Selbstzeugnis der Heiligen Schrift sind sie vom Geist Gottes inspiriert (2Tim 3,16). Das Hebräische der Psalmen ist daher gewissermassen Sprache des Heiligen Geistes. Man könnte die Psalmen im Gottesdienst auf hebräisch rezitieren. Obwohl die warm-kehlige Sprache der Propheten zweifellos wunderschön und feierlich klingt, wird keiner der des Hebräischen nicht mächtigen Gottesdienstbesucher davon irgendeinen geistlichen Nutzen haben. Die Sprachlaute sind Träger von Information. Wer die Laute jedoch nicht aufschlüsseln kann, vermag nichts von der Information aufzunehmen. Die Laute an sich sind keine Kommunikation. Nur wenn der Inhalt einer Botschaft übermittelt wird, hat der Empfänger einen Gewinn davon.

Gesprochener Dialog unter Menschen geschieht beim Reden so: Der Sender besitzt oder bildet in seinem Inneren Information. Er verschlüsselt sie in Code-Zeichen, und zwar in Form von Schallwellen, die er an einen Empfänger übermittelt. Der Empfänger entschlüsselt die Code-Zeichen und nimmt die Information in sich auf. Nun reagiert er darauf und wird in der eben beschriebenen Form selber zum Sender, während der vorherige Sender zum Empfänger wird.

Wenn beim Zungenreden der Sprechende gar nicht wirklich versteht, was er sagt, so wird hier am Wesen der Sprache als Kommunikationsmittel vollständig vorbeigeschossen.

Der sich meines Erachtens fälschlicherweise auf 1Kor 14,2 berufende Zungenredner steht ja beim Beten überhaupt nicht in einer Kommunikation mit Gott. Was er tut, verfehlt vollständig die von dem Schöpfer gewollte und von ihm so hoch eingeschätzte Sprache als Verständigungsmittel zwischen Gott und Mensch. Gott spricht doch zu uns durch sein geschriebenes Wort. Wir antworten ihm durchs Gebet, und zwar indem wir bei vollem Bewusstsein von Herzen auf das reagieren, was er uns sagt. Dies ist Kommunikation. Alles andere liegt unter der Würde des Menschen. Bileams Eselin beherrschte die Sprache, die sie redete nicht (4Mo 22,28-30). Doch vergessen wir nicht, sie war ein Tier und kein im Bild Gottes geschaffenes Wesen!

 

Sprachverständnis und Sprachbeherrschung

Wer in einer Sprache betete, wusste genau, was er sagte. Für ihn war die Sprache nicht unverständlich: Er erbaute sich selbst (1Kor 14,4). Eben haben wir gesehen, dass nicht das übernatürliche Phänomen erbaute, sondern der Inhalt, das Kommunizierte, sonst wäre ja auch die Gemeinde jeweils erbaut worden, wenn keine Auslegung da war (14,17), nämlich einfach durch das übernatürliche Geschehen.

Beim Sprachenreden betete nach 1Kor 14,14 der menschliche Geist.[33] Der Geist des Menschen hat die Fähigkeit zu „erkennen“, zu „forschen“ und zu „verstehen“.[34] Beim Sprachenreden war das Organ des Denkens und des Verstehens nicht passiv, sondern im Gegenteil voll aktiv. Gemäss Apg 2,4 befähigte der Heilige Geist zur richtigen Aussprache. Doch aus 1Kor 14,14 geht hervor, dass der Geist des Menschen jeweils der Sprecher war. Sprachenreden hat nichts mit spiritistischer Medialität gemein, wo der Geist des Menschen passiv ist und ein anderer Geist aktiv spricht.

In 1Kor 14 heisst es übrigens nicht vom Sprechenden, sondern vom Zuhörer: Er ist ein Barbar, der nichts versteht (1Kor 14,11), er kann nicht „Amen“ sagen zur Bestätigung (1Kor 14,16), er nimmt die Stellung des Unkundigen ein (1Kor 14,16). Der Sprecher wusste selbst genau, was er sagte. Er war der Aktive. Aber der nicht-fremdsprachige Zuhörer konnte mit der Mitteilung des Sprachenredners jeweils gar nichts anfangen.

Aufgrund von 1Kor 14,13 könnte man auf den Gedanken kommen, dass der Sprachenredner zwar nicht wusste, was er sagte, dass ihm jedoch die Möglichkeit offenstand, um den Empfang der Gabe der Auslegung zu bitten. Es heisst dort: „Darum, wer in einer Sprache redet, bete, auf daß er es auslege.“ Beim Studium dieses Satzes im griechischen Original wird aber deutlich, dass dem nicht so ist. Die von Paulus benutzten Zeitformen weisen nicht auf ein einmaliges Ereignis hin. Der Apostel benutzt Durativformen,[35] die ein wiederholtes Handeln ausdrücken. Unter Berücksichtigung der griechischen Aspekte übersetze ich daher wie folgt: „

Darum, wer [immer wieder] in einer Sprache redet, bete [immer wieder], auf daß er es [immer wieder] auslege.“ Es geht nicht darum, eine Gabe zu erbitten. Der in Sprachen Redende weiss ja genau, was er sagt. Doch soll er Gott um Hilfe bitten, um anderen das Gesagte verständlich zu machen.]

 

Eine Gabe für alle Christen?

Die Frage „Reden alle in Sprachen?“ und „Legen alle aus?“ (1Kor 12,30) verlangen eine verneinde Antwort. Fragen, die mit der griechischen Partikel „me“ gestellt werden, was in dieser Stelle der Fall ist, sind rhetorische Fragen, die ein „Nein“ als Antwort verlangen.[36] Daraus folgern wir: Nicht alle Christen hatten die Gabe der Sprachenrede![37]

 

Verantwortlichkeit beim Sprachenreden

Der Herr Jesus Christus lehrte, dass wir für all unsere Worte, die wir reden, verantwortlich sind (Mat 12,36.37). Der Verstand darf daher nicht ausgelöscht oder eingeschränkt werden. Die Gläubigen sollen vielmehr „Erwachsene/Vollkommene am Verstand“[38] sein (1Kor 14,20). Der Mensch ist eine von Gott geschaffene Einheit von Geist, Seele und Leib (1Thess 5,23). Kein Aspekt des Menschen darf verachtet und vernachlässigt werden.

Unter Berücksichtigung all des bisher Ausgeführten, wird klar, dass es höchst problematisch ist, die Zungenredner von heute, die sich selbst nicht verstehen und somit auch nicht wissen, was sie sagen, mit dem Sprachenreden der Bibel in Verbindung zu bringen. Nicht minder problematisch sind die heutigen Zungen-Ausleger, welche die Zungenredner auch gar nicht verstehen, sondern aus einer, wie auch immer gearteten Eingebung heraus, eine Deutung geben wollen.

 

„Geist“ kontra „Verstand“?

1Kor 14,14.15: „(14) Denn wenn ich in einer Sprache bete, so betet mein Geist, aber mein Verstand ist fruchtleer. (15) Was ist es nun? Ich will beten mit dem Geiste, aber ich will auch beten mit dem Verstande; ich will lobsingen mit dem Geiste, aber ich will auch lobsingen mit dem Verstande.“

In dieser Stelle scheinen die Begriffe „Geist“ („pneuma“) und „Verstand“ („nous“) Gegensätze zu sein. Dies überrascht, denn diese Ausdrücke können doch eigentlich gar keine Gegensätze sein! „Verstand“ ist doch gerade eine Fähigkeit des Geistes (Ps 77,6). Deshalb fragen wir uns: Was kann mit „nous“ denn sonst noch alles ausgedrückt werden? Das Wortbedeutungsfeld von „nous“ ist sehr gross, folgende Bedeutungen seien daraus herausgegriffen: Verstand, Gesinnung, Gemüt, Sinn, Aussage, Bedeutung (von Wörtern), Absicht, Zweck (bei Handlungen etc.).[39]

Nun stellt sich die Frage: Was bedeutet „fruchtleer“ in 1Kor 14,14? Die Antwort ergibt sich aus dem gesamten Kontext und Gedankankenverlauf des Kapitels: „Keine Frucht bringen für andere.“ Man beachte, wie oft in diesem gesamten Abschnitt über den anderen bzw. die anderen gesprochen wird. Die Zielrichtung in 1Kor 14 ist im gesamten Textverlauf diese: Wer eine geistliche Gabe besitzt, soll sie zur Auferbauung anderer einsetzen. Es ist darauf zu achten, dass das Kommunizierte, das Mitgeteilte, zum Nutzen anderer rüber kommt. (vgl. 1Kor 14,12). Es reicht nicht, dass man sich selbst weiterbringt und nur selber versteht, was man ausspricht (1Kor 14,4).

Des Paulus’ Aussage in 1Kor 14,14-15 ist somit so zu umschreiben: Ich will mich zwar in Fremdsprachen ausdrücken, jedoch möchte ich auch, dass andere mich dabei verstehen. Das Wort „nous“ bedeutet daher in unserem Kontext: Bedeutung, Sinn oder Aussagekraft des durch Fremdsprachen Ausgesagten. Ich übersetze daher 1Kor 14,14-15.19 wie folgt: „(14) Denn wenn ich in einer Fremdsprache bete, so betet mein Geist, aber meine Aussage[40] ist [dabei] fruchtleer [für die Zuhörer]. (15) Was ist es nun? Ich will beten mit dem Geist, aber ich will auch beten mit Aussagekraft; ich will lobsingen mit dem Geist, aber ich will auch lobsingen mit Aussagekraft.“ (19) Aber in der Versammlung will ich lieber fünf Worte reden mit Aussagekraft, auf daß ich auch andere unterweise, als zehntausend Worte in einer Fremdsprache.

Wenn es in 1Kor 14 eindeutig um intellektuelle Verstandeskraft geht, benützte Paulus auffälligerweise nicht „nous“, sondern ein anderes, seltenes Wort.[41] Durch diese „semantische Opposition“, wie man dies in der Linguistik nennt, entsteht eine deutliche, Missverständnisse verhütende Begriffsunterscheidung im Kontext. Dadurch wird die Verständlichkeit der Aussage erhöht. Diese Opposition kommt beim Übergang von 1Kor 14,19 zu 14,20 eindrücklich zum Tragen: „(19) Aber in der Versammlung will ich lieber fünf Worte reden mit Aussagekraft [= „nous“], damit ich auch andere unterweise, als zehntausend Worte in einer Fremdsprache. (20) Brüder, werdet nicht Kinder am Verstande [= „phren“], sondern an der Bosheit seid Unmündige,[42] am Verstande [= „phren“] aber werdet Erwachsene.“

Die Bedeutung des Verstandes wird hier betont: Christen sollen den Verstand niemals ausschalten. Sie sollen am Verstand „Erwachsene“ sein. Wenn man an dieser Stelle bedenkt, dass das mit „Erwachsene“ übersetzte griechische Wort „teleioi“ die Nebenbedeutung „Vollkommene“ besitzt, so wird die Aussage weiter zugespitzt. Christen sollen den Verstand vollausgebildet einsetzen. Gerade dadurch vermögen sie u.a. einzusehen, dass das Reden in Fremdsprachen ohne Übersetzung völlig sinnlos ist, da die rein klangliche Seite der Sprachen den Hörenden nichts bringt.

In manchen Religionen hat das Rezitieren von unverständlichen Wörtern, Sätzen und Texten eine ausgesprochen wichtige Bedeutung. Man denke z.B. an die Mantras[43] und die vedischen Opfertexte im Hinduismus sowie an das Koran-Rezitieren in der Grundtextsprache bei Muslimen, die kein Arabisch können. Da wird dem Wort magische Bedeutung zugeschrieben. Das biblische Christentum distanziert sich jedoch völlig von aller Art der Magie, und damit auch von der Wortmagie.[44]

 

Quellen falscher Sprachenrede

Wir haben gesehen, dass es sich beim biblischen Sprachenreden, um die Beherrschung von Fremdsprachen handelt, die man vorher nie gelernt hat. Dies hebt sich markant von allem Lallen des Zungenredens, der sogenannten „Glossolalie“, ab, wo die Redenden ihre Laute gar nicht verstehen. Diese Art von Zungenreden findet man übrigens in mystischen Praktiken verschiedenster Kulte, so z.B. im Hinduismus, Spiritismus und in den alten Mysterienkulten etc.[45]

Aus welchen Quellen kann die „Glossolalie“ entspringen? Es kommen verschiedene Möglichkeiten in Frage:

a) Es kann sich um ein selbst produziertes Lallen oder Stammeln handeln.[46] 

b) Die Glossolalie kann aus bestimmten seelischen Zuständen heraus entstehen. Sie ist ein in der Psychiatrie bekanntes Phänomen, das z.B. aus seelischer Überspanntheit heraus erklärbar sein kann.[47]

c) Zungenreden kann auch dämonischen Ursprungs sein. Ein deutliches Beispiel aus der Zeit der Kamisarden mag dies ein wenig zu verdeutlichen:[48] Ein Mädchen aus sozial einfachstem Umfeld pflegte damals im Trancezustand Hochfranzösisch zu sprechen. Diese Sprache konnte sie im Wachzustand nicht sprechen. In ihren Botschaften forderte sie die Kamisarden zu Mord auf.[49]

Es stellt sich in diesem Zusammenhang die Frage, ob bei echten Christen prinzipiell mit dämonischem Einfluss gerechnet werden kann. Aufgrund verschiedener Hinweise aus dem NT muss man dies leider mit Ja beantworten.[50]

 

Sprachenrede wozu?

Wie schon weiter oben ausgeführt, bestand der erste Sinn des Sprachenredens in einem zeichenhaften Hinweis für das ungläubige Volk Israel, das Mühe hatte, zu akzeptieren, dass in dem Zeitalter der Weltmission, das gewissermassen mit Pfingsten 32 n. Chr. begonnen hatte, Nicht-Juden durch reuiges Sündenbekenntnis und Glaube an den Messias Jesus, ohne den Weg über das Judentum zu gehen, direkt mit Gott ins reine kommen könnte.

In 1Kor 14,21-22 erklärte Paulus die Zeichenbedeutung des Sprachenredens, indem er auf eine diesbezügliche prophetische Stelle aus dem Buch Jesaja hinwies: „(21) Es steht in dem Gesetz geschrieben [Jes 28,11-12]: "Ich will in anderen Sprachen und durch andere Lippen zu diesem Volke[51] reden, und auch also werden sie nicht auf mich hören, spricht der Herr." (22) Daher sind die Sprachen zu einem Zeichen, nicht den Glaubenden, sondern den Ungläubigen; die Weissagung aber nicht den Ungläubigen, sondern den Glaubenden.“

Das Zeichen der übernatürlichen Sprachenrede symbolisierte die damals für Juden unheimlich schwer fassbareTatsache, dass Gott sich nun nicht mehr nur einem einzigen Volk in besonderer Weise mitteilen würde. Die Botschaft von dem Erlöser Jesus Christus sollte allen Völkern in ihrer Sprache gebracht werden, ganz gemäss dem göttlichen Auftrag des Messias in Jes 49,6: „Es ist zu gering, daß du mein Knecht seiest, um die Stämme Jakobs aufzurichten und die Bewahrten von Israel zurückzubringen; ich habe dich auch zum Licht der Nationen gesetzt, um mein Heil zu sein bis an das Ende der Erde.

Durch eine unermüdliche Pionierarbeit konnte die ganze Bibel bzw. einzelne Bibelteile bis heute in über 2100 Sprachen aus allen fünf Kontinenten übersetzt werden. Damit sind die Sprachgrenzen derart durchbrochen worden, dass heute fast alle Menschen Gottes Wort verständlich hören könnten. Diese gewaltige Übersetzungsarbeit ist allerdings im Lauf der Kirchengeschichte ohne die Gabe des Sprachenredens vonstatten gegangen. Es war eine Arbeit von unvorstellbaren Mühen, Gefahren und Hingabe. Es ist keine Frage, Gott hätte dieses Werk durch Sprachenreden zu einem Kinderspiel vereinfachen können. Er hat es aber nicht getan. Warum nicht? Weil sein souveräner Wille es anders wollte. Das Sprachenreden war nur ein Zeichen, ein Hinweis auf eine wunderbare heilsgeschichtliche Entwicklung: Die ganze Welt soll Gottes Reden in der Heiligen Schrift vernehmen.

 

Die Sprachenrede sollte abklingen

In 1Kor 13,8.10.13 wird erklärt, dass geistliche Gaben wie Weissagung und Erkenntnis, samt allem, was „stückweise“ ist, einmal „hinweggetan“ werden soll. Der in der Elberfelder-Übersetzung mit „hinwegtun“ übersetzte griechische Wort „katargeo“ bedeutet u.a. auch  „vernichten“, „abschaffen“, „zunichte machen“ (Heb 2,14), „entfernen“. Die Grundbedeutung ist  „herab machen“[52]  Dieser starke Ausdruck deutet ein plötzliches, unmittelbares Beseitigen an, das bei der Wiederkunft Christi stattfinden soll, „wenn... das Vollkommene gekommen sein wird“ (1Kor 13,10), dann wenn Gläubige ihren Herrn „von Angesicht zu Angesicht“ sehen werden (1Kor 13,12).

Während das Wort „katargeo“ in 1Kor 13 viermal vorkommt, wird indessen in Verbindung mit dem Ende des Sprachenredens ein ganz anderes Verb verwendet, nämlich das Wort „pauo“, das  „aufhören“ oder „abklingen“ bedeutet. Durch „katargeo“ wird eher eine abrupte Handlung ausgedrückt, durch „pauo“ hingegen ein Prozess. In Apg 20,1 wird dieses Wort von Lukas bei Beschreibung eines Volkstumultes, der sich langsam beruhigte, gebraucht. Es leuchtet ein, dass bei der Wiederkunft Christi die Gaben in einem Nu zum ihrem Ende kommen werden. Wenn Paulus in Verbindung mit dem Sprachenreden jedoch im Prinzip von einem allmählichen Abklingen spricht, so kann daraus mit Fug und Recht geschlossen werden, dass diese Gabe irgendwann im Lauf der Kirchengeschichte vor der Wiederkunft Christi verstummen würde. In diesem Zusammenhang ist es allerdings bemerkenswert, dass es eine Reihe von kirchengeschichtlichen Zeugnissen aus der nachapostolischen Zeit gibt, die verdeutlichen, dass mit dem Sterben der Apostel und derer, die durch sie zum Glauben gekommen waren,[53] die Zeichen und Wunder der Frühzeit tatsächlich verschwanden:

Augustinus schrieb um 392 n. Chr.: „Warum geschehen heute solche Dinge nicht? Sie würden niemanden bewegen, wenn sie nicht wunderbar wären... Gott ist darum in Weisheit mit uns umgegangen, indem er sie ein für allemal gab, um die Welt zu überzeugen, damit sie sich in der Folge auf die Menge verlasse, die auf diese Weise überführt wurde.“[54]

Chrysostomos, der grosse Prediger des 4. Jahrhunderts, äusserte sich ermahnend und erklärend: „Behaupte nicht, Wunder geschahen damals nicht, weil sie heute nicht geschehen... In jenen Tagen waren sie nützlich, heute aber nicht Von Wunderkräften ist nicht die geringste Spur geblieben.“[55]

Isidor v. Pelusium (4. Jahrh.) spekulierte: „Vielleicht würden heute auch Wunder geschehen, wenn das Leben der Lehrer dem der Apostel an Bedeutung entspräche.“[56]

Sogar noch im 7. Jahrhundert, als Aberglauben und Jagd nach Übernatürlichem längst einen grossen Platz in der Kirche eingenommen hatten, schrieb Isidor von Sevilla: „Der Grund, warum die Kirche heute nicht die Wunder wirkt, wie zur Zeit der Apostel, ist der, dass die Wunder damals notwendig waren, die Welt von der Wahrheit des Christentums zu überzeugen; jetzt steht ihr zu, nachdem sie überzeugt ist, durch gute Werke zu leuchten... Wer heute als Gläubiger nach Wunderkräften strebt, trachtet nach eitler Ehre und menschlichem Beifall.“[57]

 

Fazit

Das heutzutage von tausenden von Christen praktizierte Zungenreden deckt sich nicht mit dem biblischen Phänomen des Sprachenredens, sondern ist völlig anderer Natur. Es ist ein Gebot der Stunde sich von solchen Praktiken zu distanzieren.

Begrifflich könnte man sich klarer ausdrücken, wenn man das Wort „Sprachenreden“ bewusst für das oben behandelte biblische Phänomen verwendete, während man ein vom Sprecher nicht verstandenes Lallen abgrenzend als „Zungenreden“ bezeichnen würde.


 

[1] Die beiden Fälle, wo Tiere in Sprachen redeten (die Schlange in 1Mo 3,1-5 und Bileams Esel in 4Mo 22,28-30), sind hier nicht mitgezählt. In diesem Artikel geht es nur ums Sprachenreden von Menschen.

[2] Der Begriff „stammelnde Lippen“ ist ein typisch hebräischer Ausdruck für „barbarische Sprache“ (LANGE, J.P.: Theologisch-homiletisches Bibelwerk, Vierzehnter Theil: Der Prophet Jesaja, Bielefeld und Leipzig 1877, S. 303).

[3] Da die frühsommerliche Zeit um Pfingsten die idealste Reisezeit war, kann man davon ausgehen, dass insbesondere an diesem Jahres-Fest jeweils die höchste Anzahl von Ausland-Juden in Jerusalem anwesend waren (EDERSHEIM, A.: Der Tempel, Wuppertal 1997, S. 172)

[4] Das griechische Verb „akouo“ (Apg 10,46) hat einen Doppelsinn. Es kann sowohl „hören“ als auch „verstehen“ bedeuten (BAUER, W.: Griechisch-deutsches Wörterbuch zu den Schriften des Neuen Testament und der frühchristlichen Literatur, 6., völlig neu bearbeitete Auflage, heraugegeben von Kurt und Barbara Aland, Berlin, New York 1988, SS. 62-63; vgl. ferner in diesem Zusammenhang 1Kor 14,2).

[5] Man beachte den Plural „Sprachen“ in Apg 10,46!

[6] 1Kor 14,27.

[7] 1Kor 14,19.

[8] 1Kor 14,2.4.5.13.

[9] Apg 2,.4.11; 10,46; 19,6; 1Kor 14,23.39.

[10] Mark 16,17; 1Kor 12,30; 13,1; 14,6.18.

[11] GLÜCK, H.: Metzler Lexikon Sprache, Stuttgart/Weimar 1993, S. 226.

[12] HÖRSTER, G.: Zungenrede, in: BURKHARDT, H./GRÜNZWEIG, F./LAUBACH F./MAIER, G. (Hrsg.): Das grosse Bibellexikon, Bd. III, Wuppertal/Giessen 1989, S. 1732.

[13] Eine gründliche Abgrenzung zwischen „kainos“ und „neos“ findet sich in: TRENCH, R.Ch.: Synonyms of the New Testament, Grand Rapids, Michigan 1989, SS. 233-137.

[14] vgl. Apg 2,8.11: „in unserer eigenen Mundart“ (griech. „dialektos“), „in unseren Sprachen“ (griech. „glossa“).

[15] Dies geht, wie wir oben bereits sahen, nicht allein aus Apg 2, sondern z.B. auch aus Apg 10 hervor.

[16] vgl. LOUW, J.P./NIDA, E.A.: Greek-English Lexicon of the New Testament Based on Semantic Domains, 2nd Edition, New York 1988, Bd. I, 33.76,  „apophthengomai“.

[17] vgl. z.B. Dan 10,12-15; 10,20-12,4. In diesen Stellen wird wohl Hebräisch gesprochen. In Apg 10,3ff. sprach der Engel wohl Lateinisch oder Griechisch.

[18] vgl. z.B. Jes 6,4.

[19] vgl. z.B. Off 5,11-14.

[20] Es handelt sich im griechischen Text um Konditionalsätze vom Typ „Prospektiver Fall“ (Protasis mit „ean“ + Konjunktiv). Im nachklassischen Griechisch, wo die Bedingung „ean“ die Partikel „ei“ stark zurückgedrängt hat, findet man den prospektiven Fall auch in Kontexten, in denen man vom Klassischen Griechisch her den irrealen Fall erwarten könnte (vgl. HOFFMANN, E./SIEBENTHAL, H.v.: Griechische Grammatik zum Neuen Testament, Riehen 1985, S. 555.)

[21] Der Hintergrund dieses Versuchs besteht in folgendem: Es gibt unzählige, die heutzutage Zungenreden in Form von unverständlichem Lallen praktizieren. Da es sich in diesen Fällen offensichtlich nicht um bestehende Frendsprachen handelt, möchte man diese Praktiken mit dem Hinweis auf Engelsprachen als ein biblisches Phänomen hinstellen. Doch: Soll man wirklich glauben, dass Engel, die in der Bibel verschiedenste Fremdsprachen beherrschen, unter sich keine höhere Kommunikation besitzen als ein Lallen?

[22] griech. „alaletos“ =  wortlos, stumm.

[23] BAUER, W.:Wörterbuch zum Neuen Testament, a.a.O., S. 1090.

[24] 1Kor 15,34; 1Thes 5,6.8; 1Tim 3,2.11;  2Tim 2,26; 4,5; Tit 2,2; 1Pet 1,13; 4,5; 5,8.

[25] Mat. 24,42; 25,13; 26,38.41; Mark 13,33.35.37; 14,34.38; Luk 21,36; Apg 20,31; 1Kor 16,13; Kol. 4,2; 1Pet. 5,8.

[26] Jak 4,7; 1Pet 5,9.

[27] 1Tim 6,12.

[28] Vgl. zu dieser Thematik: LIEBI: New Age! Daten, Fakten, Hintergründe, Hat die grosse Wende begonnen? Kritische Analysen zum gegenwärtigen Esoterik-Boom, Zürich 1991.

[29] Der Ausdruck „Besonnenheit“ in 2Tim 1,7 ist die Übersetzung von „sophronimos“. Weitere Bedeutungen sind: Selbstbeherrschung, gesunde Urteilsfähigkeit, Enthaltsamkeit.

[30] Zitat nach der revidierten SCHLACHTER-BIBEL, Das Neue Testament und die Psalmen, nach dem Grundtext übersetzt von F.E. Schlachter, Version 2000, Neue revidierte Fassung, Genf 1999.

[31] vgl. 1Kor 1,26-28.

[32] „diermeneuo“ (= auslegen, übersetzen): 1Kor 12,30; 14,5.13.27; „hermeneia“ (= Auslegung, Übersetzung): 1Kor 12,10; 14,26; „diermeneutes“ (= Ausleger, Übersetzer): 1Kor 14,28.

[33] 1Kor 14,14: „Denn wenn ich in einer Sprache bete, so betet mein Geist,...“ Der Ausdruck „mein Geist“ meint den Geist von Paulus. Es gibt keine einzige Stelle in der Bibel, an der dieser Ausdruck im Mund eines Menschen den Heiligen Geist bezeichnen könnte. Die Wiedergabe dieser Stelle in Übersetzungen wie „Hoffnung für alle“, „Living Bible“ etc., wo dieser Begriff auf den Geist Gottes bezogen wird, ist sachlich falsch und völlig unakzeptabel.

[34] vgl. Hi 20,3; 32,8; Ps 77,6; Spr. 20,27.

[35] Die Formen des sog. „Präsensstammes“ schildern in der Sprache des NT den Verbinhalt als nichtabgeschlossene, sich entwickelnde, fortdauernde oder sich wiederholende Handlung (vgl. HOFFMANN, E./SIEBENTHAL, H.v.: Griechische Grammatik zum Neuen Testament, a.a.O., SS. 304ff.

[36] ebd., a.a.O., S. 425.

[37] Diese Feststellung ist wichtig im Blick auf extreme Behauptungen, die besagen, jeder Christ sollte als Erweis der Echtheit seines Glaubens in Zungen reden.

[38] Das griechische Wort „teleios“ bedeutet sowohl „Erwachsener“ als auch „Vollkommener“. Im Kontext von 1Kor 14,20 steht die Bedeutung „Erwachsener“ im Vordergrund.

[39] vgl. z.B. GEMOLL: Griechisch-deutsches Schul- und Handwörterbuch, Neunte Auflage, Nachdruck, Müchen 1991, S. 524.

[40] griech. „nous mou“ = w. der Sinn/die Aussage von mir (d.h. der Gehalt dessen, was ich aussage).

[41]  In 1Kor 14,20 findet sich 2x das im NT nur hier vorkommende Wort „phren“ (= Verstand, Denken).

[42] Wenn es darum geht, Böses zu tun, sollen Christen darin unreif, unfähig und zurückgeblieben sein.

[43] Sanskrit für: Meditationsformel.

[44] vgl. z.B. 5Mo 18,10-14; Gal 5,20; Off 21,8.

[45] Heijkoop, H.L.: Gebetsheilungen, Zungenreden, Zeichen und Wunder im Licht der Schrift, Neustadt/Weinstrasse, o.J.,  SS. 16 und 25-26; EBERTSHÄUSER, R.: Die charismatische Bewegung im Licht der Bibel, Bielefeld 1995, S. 152.

[46] Vgl. die Parallele zur Falsch-Prophetie: Hesekiel klagte zur Zeit des AT falsche Propheten an, sie würden ihre Weissagungen aus ihrem eigenen, verdorbenen Herzen heraus in erlogener Weise vortragen (Hes 13,2-3).

[47] Gewisse Zungenredner schreiben ihrer Praktik seelische Krämpfe lösende Wirkung zu. Hier könnte u.U. ein gewisser Zusammenhang gesehen werden.

[48] Die Kamisarden bildeten eine entartete Bewegung, die aus dem Hugenottentum herauskam.

[49] In diesem Fall handelte es sich nicht lediglich um ein Stammeln, sondern um eine wirkliche Sprache. Zwei Aspekte machen jedoch deutlich, dass es sich nicht um das biblische Sprachenreden handelte: 1. Nicht sie sprach, sondern ein Geist sprach aus ihr heraus. Ihr Verstand war abgekoppelt. 2. Ihre Aussage stand krass im Widerspruch zur Bibel.

[50] In Mat 16,16 spricht Petrus kraft göttlicher Offenbarung (vgl. Mat 16,17) sein Bekenntnis zu dem Messias aus. Doch seine Aussage in Mat 16,22 ging auf teuflische Eingebung zurück (Mat 16,23).

Die „Heiligen“ ind „Treuen“ in Ephesus (vgl. Eph 1,1) werden gewarnt, dem Teufel keinen Raum (griech. „topos“) zu geben (Eph 4,27).

Paulus musste bei den Korinthern von einem derart miserablen Zustand ausgehen, dass er ihnen vorwerfen konnte, sie seien durchaus bereit, einen fremden Geist zu empfangen (2Kor 11,4)

[51] Im Kontext von Jes 28 ist damit das Volk Israel gemeint.

[52] So gemäss den Wortbestandteilen: „kata“ (herab), „argeo“ (machen).

[53] vgl. Mark 16,14-17 („die Elfe“, V. 14; „die da glauben“, V. 17).

[54] PETERS, B.: Zeichen und Wunder, 3. Auflage, Berneck 1983, S. 49.

[55] ebd., S. 49.

[56] ebd., a.a.O.,S. 50.

[57] ebd., a.a.O., S. 50.