KAPITEL 8
Es ist nicht immer genug, einen hervorragenden Sieg über die Feinde zu
erringen, denn es kommen noch andere Prüfungen auf.
Wenn wir das Geheimnis des Sieges gefunden haben, werden wir in bezug
darauf geprüft, ob wir auch alles selbst erfaßt haben.
Wir finden hier, daß die Männer von Ephraim nicht damit zufrieden waren,
wie die Dinge gemacht worden waren.
Diese Brüder erkannten den großen Grundsatz nicht an, der mit dem Siege
so viel zu tun hat, nämlich den Grundsatz der Erwählung nach dem
unumschränkten Willen Gottes. Sie dachten, man hätte sie übersehen oder
übergangen.
Wir müssen darauf gefaßt sein.
Der Herr wirkt, durch wen Er will, und wir müssen darauf gefaßt sein,
übersehen zu werden; es ist eine wirkliche Prüfung.
Als Gideon dem entgegentrat, was eigentlich Selbsterhöhung war, nahm er
einen demütigen Platz ein. Der Selbsterhöhung muß man entgegenwirken,
indem man die entgegengesetzte Gesinnung zum Ausdruck bringt. Gideon
trat dem entgegen, indem er viel daraus machte, was sie getan hatten,
und wenig daraus machte, was er getan hatte. Die von ihm gezeigte
Gesinnung war eine göttliche Zurechtweisung für die Gesinnung, die die
Männer von Ephraim kennzeichnete. Sie hatten zwei Fürsten gefangen, und
Gideon macht möglichst viel aus ihrem Tun. Wir sollten immer dieser
Richtlinie folgen und das, was die Brüdertun, möglichst hoch
einschätzen; wir sollten den Wert desselben nicht herabsetzen.
Paulus schreibt an diePhilipper: „Ein jeder nicht auf das Seinige
sehend, sondern ein jeder auch auf das der anderen" [Phil. 2,4). Alles,
was bei den Geschwistern gut ist, nehmen wir zur Kenntnis. Wenn wir alle
dieser Richtlinie folgten, würde unsere Selbsterhebung eines natürlichen
Todes sterben.
J. N. Darby war darin ein wunderbares Beispiel, denn er sprach immer so,
als ob er die Gabe eines Evangelisten bewunderte und beneidete, doch
wenn er von seiner eigenen Arbeit sprach, empfand er, daß er bloß ein
Holzhauer und ein Wasserschöpfer war. Das ist die rechte Gesinnung. Wenn
wir nur dienen dürfen, so brauchen doch wir nicht wichtig in unseren
Augen zu sein.
Gideon sagte: Ich habe nichts getan; eure Nachlese ist besser als meine
Weinlese. So gewann er die Brüder. Es ist ebenso wichtig, die Brüder zu
gewinnen, wie den Feind zu besiegen. „Ein Bruder, an dem man treulos
(frevelhaft) gehandelt hat, widersteht mehr als eine feste Stadt"; wenn
du einen beleidigten Bruder gewinnen kannst, hast du mehr als eine große
militärische Heldentat vollbracht.
Gideon ging mit seinen dreihundert Mann immer weiter
voran, obwohl sie ermattet waren.
Dann wurde er sogar noch durch schlimmere Brüder als die Männer von
Ephraim geprüft, nämlich durch die Männer vci Sukkoth, und zu Pnuel fand
er Israeliten, die kein Interesse an dem damaligen Geschehen hatten. Sie
waren völlig neutral, sie fühlten sich mit denen, die die Kriege des
Herrn führten, überhaupt nicht verbunden.
Das war noch eine: weitere Prüfung. Sind wir dann bereit, trotzdem noch
weiterzugehen?
Gideon war berechtigt, auf Anteilnahme und Unterstützung zu rechnen; sie
waren Israeliten, und seine Männer waren ermattet und müde,
doch er fand
dort einen gänzlichen Mangel an Mitgefühl. Nichts reibt uns mehr auf,
als wenn man in den Kriegen des Herrn kämpft und von denen, die angeben,
Sein Volk zu sein, keine Unterstützung bekommt.
Solche stellen Leute dar, die vom natürlichen Standpunkte aus das
betrachten, was in dem Interessengebiet des Herrn vor sich geht; ja, man
kann sagen, sie denken vorsichtig, weil sie meinen, daß wohl wenig
Möglichkeit besteht, daß dreihundert Ermattete und Müde aus dem Kampfe
mit fünfzehntausend siegreich hervorkommen können. Wenn wir göttliche
Dinge in dieser Weise betrachten, werden wir allem, was Gott tut, gar
keine Anteilnahme entgegenbringen. Es ging nicht um die Frage, ob sie
müde und ermattet waren, oder ob dreihundert gegen fünfzehntausend
standen; es ging einzig und allein um die Frage: Ist Jehova mit diesen
dreihundert Männern? Sie zogen überhaupt nicht in Betracht, wo der Herr
war. Es gibt recht viele, die, wenn Kämpfe im Gange sind, die Dinge
verstandesgemäß betrachten; sie bedenken nicht, wo der Herr ist, und sie
gehen an der Gelegenheit, die ihnen geboten wird, vorbei und kommen
unter die Vergeltungswege des Herrn. Eine ernste Vergeltung ereilte
diese Leute.
Der Herr gibt niemals Seine Vergeltungsrechte auf. Der Herr hat das
Recht, Menschen nach ihrem Verdienste zu vergelten, und Er behält Sich
dieses Recht vor.
Das Neue Testament ist voll davon.
Paulus sagt: „Ich habe zuvor gesagt. . . daß, wenn ich wiederum komme,
ich nicht schonen werde" (2. Kor. 13, 2).
Das ist der Grundsatz der Vergeltung. Wenn die Menschen in einer
kritischen Stunde nicht zum Herrn stehen, leiden sie demzufolge.
Johannes schreibt von Diotrephes, „Wenn ich komme, will ich seiner Werke
gedenken" (3. Joh. 10].
Er hielt die Zuchtrute über Diotrephes ausgestreckt und sagt nicht, was
er tun wird. Ich zweifle nicht daran, daß durch das Kommen des Paulus zu
den Korinthern und durch das Kommen des Johannes zu Diotrephes das
Kommen des Herrn vorweg erlebt wurde. Der Herr kam dabei durch Seine
Vertreter, und wenn der Herr kommt, wird Er einem" jeden nach seinem
Verdienst vergelten, darüber kann kein Irrtum bestehen.
Ein großer Grundsatz wird in Verbindung mit allen diesen Dingen ans
Licht gebracht, Die Männer von Sukkoth werden Sebach und Zalmunna nicht
ganz gleichgestellt, die den antichristlichen Widerstand und die Macht
des Antichristen darstellen.
Es gibt eine Macht, die die Wesenszüge
Christi vernichten möchte, und sie wird durch diese zwei midianitischen
Könige dargestellt. Sie töteten Gideons Brüder. Das war entschieden
anti-christlich. In Sebach und Zalmunna sehen wir einen tödlichen,
mörderischen Haß gegen das, was Christo gehört, und das ist der
Antichrist. Es gibt eine Macht, die gegen alles ist, was Christo ähnlich
ist. Sie stellen Einflüsse dar, von denen heutzutage die religiöse Welt
erfüllt ist. Johannes konnte sagen: „So sind auch jetzt viele
Antichristen geworden" {1. Joh. 2, 18).
Das sagte er zu der Zeit, wo das
Christentum nicht älter war als sechzig oder siebzig Jahre. ....
Es wirkt
etwas, was Christo wie auch allen Wesenszügen Christi todfeindlich ist.
Wir sollten darum besorgt sein, daß wir diese bösen Eigenschaften nicht
aufweisen.
Sukkoth und Pnuel erwiesen dem Zeugnis des Herrn keine
Anteilnahme. Gideon und seine Männer stellen diejenigen dar, die das
Zeugnis des Herrn gegen übergroße Mächte aufrechterhalten. Es ist etwas
Großes, voller Anteilnahme zu sein; wenn wir auch nicht viel kämpfen
können, so können wir jedoch mitfühlen. Diese Dinge zeigen, welchen
Prüfungen und Zuständen wir früher oder später gegenübergestellt werden
können, und wenn wir durch diese Dinge mit Gott gehen, so wird es für
uns sehr gut sein. Solche, die danach trachten, die Dinge für Gott zu
bewahren, haben es mit solchen Zuständen zu tun.
Wir müssen nicht zulassen, daß eine einseitige Auffassung der Gnade über
alles andere vorherrschen sollte. Wir müssen zwischen der göttlichen
Gnade und der göttlichen Regierung das Gleichgewicht halten. Wir werden
nicht nur durch das geprüft, was wir tun, sondern auch durch das, was
wir nicht tun.
Diese Leute taten eigentlich nichts gegen Gideon, doch
sie machten sich durch das schuldig, was sie nicht taten. Sie
unterstützten nicht das, was in jenem Augenblicke von Gott war. Es gibt
solche, die in dieser Weise fehlen; sie warten ab, um zu sehen, wie die
Dinge sich gestalten werden. Diese Leute sagten: Wenn ihr den Sieg schon
errungen hättet, so wäre das eine ganz andere Sache; wir wollen abwarten
und sehen, was dabei herauskommt. Sie betrachteten die Dinge
verstandesgemäß, sie hatten keinen Glaubensblick. Die Männer Gideons
waren „ermattet, aber nachjagend"; sie gaben nicht nach, weil sie
ermattet waren.
Es gibt Ermattete, die Wunder tun können: „Er gibt den
Müden Kraft" (Jes. 40, 29). Es ist sehr ernst, Brot zu besitzen, das
heißt das, was den gegenwärtigen Bedarf des Zeugnisses des Herrn
unterstützen kann, und es vorzuenthalten.
Dann werden wir sicherlich unter Vergeltungsmaßnahmen fallen.
Dann geht Gideon durch eine weitere Prüfung. Sie sagen: „Herrsche über
uns, sowohl du, als auch dein Sohn und deines Sohnes Sohn." Sie wollten
ihn zum Haupte einer königlichen Herrscherlinie einsetzen, sie wollten
aus ihm einen großen Mann machen. Bis zum letzten Abschnitt seiner
Lebensgeschichte erscheint Gideon als ein Überwinder, dann fehlte er
aber, und das verleiht dieser Angelegenheit einen tiefen Ernst,
besonders für die, welche ein gewisses Maß von Prüfungen durchgemacht
haben und durch die Barmherzigkeit Gottes sich vielleicht als mehr oder
weniger treu erwiesen haben. Hier war ein Mann, der ein Überwinder war;
bis zu einem gewissen Zeitpunkt wandelte er dem Herrn völlig
wohlgefällig, und am Schluß brach er zusammen. Er hatte solch eine
schöne Gesinnung gezeigt, er wollte nicht über sie herrschen, sondern
sagte: „Jehova soll über euch herrschen." Er behielt seinen Platz als
Diener, als ein zum Dienst auserkorenes Gefäß bei; unmittelbar danach
kam aber noch eine Prüfung, eine innere, nicht eine äußere.
Es ist eine Sache, eine äußere Prüfung zu überwinden, doch eine ganz
andere, eine innerliche Prüfung zu überwinden - etwas, was dem eigenen
Herzen entspringt. Das Begehren, midianitische Ohrringe und
Schmucksachen zu besitzen, entsprang seinem eigenen Herzen. Er sagte:
„Eine Bitte will ich von euch erbitten", und sie sagten: „Gern wollen
wir sie geben." Jetzt war es etwas, was seinem eigenen Herzen entsprang
- eine Nachahmung des Göttlichen.
Es war ein Mann, der ein sehr
erfolgreicher Führer war, jedoch fehlte er auf der priesterlichen Seite.
Deshalb begehrte und machte er eine Nachahmung des priesterlichen Ephods
von 2. Mose 28. Gideon gleicht vielen, die zur Errettung des Volkes
Gottes durch die ganze Kirchengeschichte hindurch gebraucht worden sind.
Viele, die außerordentlich viel gebraucht wurden, haben in bezug auf das
Priesterliche gefehlt; sie haben weltliche Grundsätze in den
Gottesdienst eingeführt. Es ist bemerkenswert, daß dieser Zusammenbruch
oben anfing, er begann bei dem Führer.
Es ist eine Warnung, sich keinem Führer ganz und gar anzuschließen. Ein
Mann mag bis zu einem gewissen Zeitpunkt göttlich und geistlich ein
Führer sein, und dann kann er in dem, was augenblicklich Gott gebührt,
gänzlich versagen. Wir haben Männer gesehen, die bis zu einem gewissen
Zeitpunkt wunderbar geholfen haben, und dann ist bei ihnen irgendeine
Anmaßung ans Licht gekommen. Es war etwas sehr Ernstes, ein Ephod zu
machen, denn es stellte in Israel den göttlichen Gedanken dar. Als
Gegenstand war das Ephod nichts; der Wert des Ephods hing von der Person
ab, die es trug.
Ein Ephod ohne einen Priester ist einfach eine Form die Gottseligkeit
ohne deren Kraft, und dem ist die Christenheit verfallen, und zwar
hauptsächlich unter dem Einfluß von Männern, die von Gott wunderbar
gebraucht und gesegnet worden sind.
Man wird davor bewahrt, wenn man ein tiefes Bewußtsein des geistlichen
Charakters des Zutritts zu Gott hat, sonst können midianitische Merkmale
bei uns auftreten.
Daran ist nichts Lebendiges. Ein Ephod ohne einen Priester ist etwas
äußerst Ernstes; es ist bloß die äußerliche Form des Priesterlichen. In
gewissem Sinne bereitete Gideon durch sein Ephod den Weg für den
Götzendienst; er stellte es in seiner Stadt auf, und sie hurten ihm
nach.
Es trug eigentlich den Charakter des Götzendienstes. Der
priesterliche Gedanke wurde dadurch ganz umgeworfen. Sobald Gideon
starb, waren sie für wirklichen Götzendienst reif,
und es ist sehr
ernst, daß so viel Götzendienerisches von Männern ausgegangen ist, die
zur Rettung des Volkes Gottes gewirkt haben. Sie haben in dem
öffentlichen Bekenntnis Dinge fortbestehen lassen, die den Charakter des
Götzendienstes tragen und gar nicht geistlich sind. Als Führer waren sie
groß, doch als Priester haben sie versagt.
Bei der Reformation wurde für den Menschen sehr viel gesichert; es war
eine göttliche Errettung, doch es ergab sich daraus nicht viel
Priesterliches für Gott.
Es führte zur Aufrichtung von Midianitisdiem in einer Dauerform inmitten
des Volkes Gottes.
Wir sollten immer wachsam sein, damit nichts- Midianitisches unter uns
aufgerichtet werden möchte. Es ist eine Sache, von Gott zur Errettung
Seines Volkes und zur öffentlichen Niederlage des Feindes gebraucht zu
werden; doch es ist etwas anderes, nur Gott dabei zu berücksichtigen.
Wir mögen von Gott auf eine wunderbare Weise beim Dienst unterstützt
werden, und es danach trotzdem unterlassen, für Gott Raum zu machen.
Wenn Gideon an Gott allein gedacht hätte, so hätte er niemals an dieses
Ephod gedacht, dieser Gedanke wäre in seinem Herzen gar nicht
aufgekommen. Nur der wird sicher durch alles hindurchgetragen, der Gott
in allem berücksichtigt. Die Apostel kamen durch alles hindurdi; sie
brachen nicht zusammen, weil sie für Gott in allem Raum machten, und es
kam ihnen niemals der Gedanke, das Natürliche an die Stelle des
Geistlichen zu setzen.
Der Augenblick des Sieges wird zur Prüfung.
Solange wir dem Feinde gegenüberstehen, bleiben wir in unserer
Abhängigkeit auf den Knien; wenn aber der Feind für einen Augenblick
besiegt ist, läßt die Spannung nach, wir sind nichi mehr wachsam, und
wir stützen uns auf unsere Ruder.
Diese Dinge sind sehr prüfend; sie
zeigen die Grundsätze, mit denen wir es zu tun haben; sie zeigen auch
das Geheimnis der Kraft, wie auch das Geheimnis der Abtrünnigkeit und
des Verfalls.
Es gibt bei Gideon einige Wesenszüge, die als ein Vorbild
von Christo betrachtet werden dürfen, dodr im allgemeinen stellt er
einen Führer dar, den Gott unter Seinem Volke erweckt hat und der durch
gewisse göttliche Eigenschaften gekennzeichnet ist; jedoch in Dingen,
die nicht von Gott sind, neigt er dazu, abzuirren. In allen Dingen
sollte Gott verherrlidit werden. „Ihm sei die Herrlidikeit in der
Versammlung" (Eph, 3, 21).
Alle Herrlichkeit gehört Gott. Wenn wir das
vor uns hätten, würden wir niemals ein midianitisches Ephod
machen.
Ri 8,27: Und Gideon machte daraus ein Ephod und stellte es in seiner
Stadt auf, in Ophra. Und ganz Israel hurte demselben dort nach; und es
wurde Gideon und seinem Hause zum Fallstrick.
CAC
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