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Stellungnahme zum Buch „Der Ring und sein Geheimnis“

(K.Bruner/J.Ware, CLV, 2001)

 

Noch kaum ein Taschenbuch, das der CLV Verlag bisher herausgegeben hat, löste so viele Reaktionen aus wie dieses. Einige der besorgten Leserbriefe und die Stellungnahme von Wolfgang Bühne mit dem Titel „Ein ‚Ring‘ und viele Missverständnisse“ habe ich gelesen.

Gleich vorweg: Auch ich bedaure sehr, dass dieses Buch herausgegeben wurde – im Gegensatz zu sehr vielen guten Büchern, die der CLV bisher veröffentlicht hat – und ich denke, dass die Kritik daran nicht (nur) auf „Missverständnissen“ beruht.

Der Schwerpunkt meiner Kritik betrifft aber nicht die Frage, ob „Herr der Ringe“ okkult sei und worin die Unterschiede zu „Harry Potter“ liegen. (Zu diesem Aspekt empfehle ich den Artikel von David Cloud „Tolkien und der Herr der Ringe“, in deutscher Übersetzung auf www.betanien.de. Des weiteren möchte ich auf den (englischen) Artikel „Tolkien‘s Lord of the Rings: Truth, Myth or Both?“ von Berit Kjos verweisen (crossroad.to/articles2/rings.htm).

Was mich viel mehr aufschreckte, als ich „Der Ring und sein Geheimnis“ selber durcharbeitete, war der Inhalt des „Evangeliums“, das darin verkündigt wird. Das Buch wurde ja mit der Absicht heraus-gegeben, evangelistisch eingesetzt zu werden. Anstelle echten Evangeliums enthält es aber vorwiegend humanistische Heilslehre.

Diese Behauptung möchte ich anhand von Zitaten verdeutlichen.
(Hervorhebungen und Auslassungen […] sind von mir vorgenommen):

Im Buch ist viel von „Abenteuer“ und „Helden“ die Rede: „Christusnachfolge“ als Abenteuer.  Dies ist schon einmal eine grosse Akzentverschiebung. (Es erinnert mich an die Darstellung von Jesus Christus als Revolutionär in einem älteren Buch von Campus für Christus.)

„Es spricht Bände über die unwiderstehliche Kraft, die unentrinnbare Anziehungskraft, die einneh-mende, bezwingende Persönlichkeit des Einen, der den Ruf: „Komm, folge mir nach (zum Aben-teuer)!“ aussprach.“ (S.25+26)

„Der Ruf, Christus zu folgen, ist ein Ruf ins Abenteuer – ungelegen, gebieterisch und unwider-stehlich.“ (S.26)

„Die zwölf Jünger waren ein zusammengewürfelter Haufen. Aber Jesus lud sie ein, ihm zu folgen, und gebrauchte sie, um die Welt zu verändern.“ (S.62)

„Mit Blindheit geschlagen, begann Paulus sein Glaubensabenteuer in der Abhängigkeit von anderen.“ (S. 62)

„…zur Gelegenheit, eine heldenhafte Rolle in dem Drama des Glaubens zu spielen.“ (S.85)

„Wir leben, um Helden zu sein. Haben Sie sich jemals gefragt, warum unsere Lieblingsgeschich-ten eine gewöhnliche Figur enthalten, die grosse Hindernisse überwindet, um etwas Ausser-gewöhnliches zu tun? Weil tief in uns die Fähigkeit und der Wunsch nach Heldentum wohnt. … jeder von uns hat die Fähigkeit bekommen, Angst und Apathie zu überwinden, um eine heldenhafte Rolle in den Szenen des Lebens zu spielen. (S.49)

Auf Seite 50 wird dieser Gedanke mit 2. Timotheus 1,7 begründet („Denn Gott hat uns nicht einen Geist der Furchtsamkeit gegeben, sondern…“). Doch: wer ist „uns“? Alle Menschen oder nur die Gläubigen?

„Wir wurden geschaffen, um Helden zu sein.“ (S.50)

Dies unter der Überschrift „Zum Nachdenken“ !

 

Christus wird zum „grössten Helden“ umdefiniert, und Erlösung zu einem Akt der Selbstaufopferung:

„Der Herr der Ringe ist eine Erzählung von Erlösung [von was?], in der die Hauptfiguren feige Selbst-bewahrung überwinden, um zu Beispielen heroischer Selbstaufopferung zu werden. Ihr Mut spiegelt die grösste heldenhafte Rettung aller Zeiten wieder: Christus, der sich selbst erniedrigte und gehorsam wurde bis zum Tod, ja, zum Tod am Kreuz. [Philipper 2,8] (S.10)

„Einer muss ein Held sein.…, … Helden sind diejenigen, die etwas aufgeben, um anderen etwa Gutes zu tun.… ist jede Heldentat eine Spiegelung des absoluten Helden der Ge-schichte: Jesus Christus.…“ (S.110)

„Selbstaufopferung ist das Wesen jedes Helden und das letztendliche Mittel der Erlösung.“ (S.111)

(Weitere Textbeispiele zum Themenbereich „Abenteuer“ und „Helden“ lassen sich auf folgenden Seiten des Buches finden: 9,10,21,24,30,31,32,37,45,50,62,85.)

 

Einige weitere fragwürdige Aussagen humanistisch-psychologischer Prägung:

„Wenn wir das Gute von Gottes Schöpfung feiern und uns in seiner Liebe baden, überwinden wir Angst und bekommen neue Kraft.“ (S.46)

„Gott gebraucht oft jene, von denen wir es am wenigsten erwarten, um seine grössten Werke zu vollbringen.“ (S.63)

„Es ist niemals so finster, dass wir nicht singen könnten.“ (S.92)

„Raststätten sind wichtig, aber sollten niemals mit dem Ende der Reise verwechselt werden.“ (S.55)

Was soll ein Ungläubiger mit solchen Aussagen anfangen? Führen sie ihn näher zur Bekehrung?

„Unsere Herzen sehnen sich nach dem Guten, das Gott ist.“ (S.17)

Sagt die Bibel nicht etwas anderes über unsere Herzen? Und ist Gott nicht mehr als nur „Das Gute“?

„Die Kraft der Szene liegt in seinem Appell an etwas, das tief in der Psyche jeden Menschen liegt: Der Wunsch nach einem König, der der Treue und Anbetung wirklich wert ist.“ (S. 101)

Vgl. dagegen Joh 19,15; Lk 19,14: „Wir wollen nicht, dass dieser über uns herrsche“!!

 

Schlussfolgerungen:

a) Das Buch vermittelt zwar viele allgemeine „Lebensweisheiten“ („eine Wahrheit oder Einsicht für unser heutiges Leben“ (S.11)) aber verdient das die Bezeichnung „evangelistisch“??!!

(Stichwortartig ein paar Beispiele: Das Geschenk der Freundschaften; es ist nicht alles was gut scheint wirklich gut; wir müssen (alle?) keine Angst haben; wir sollen unseren Mut zusammennehmen; wir sollen auf weisere Leute hören; Gott erwählt die Kleinen, um einen Auftrag auszuführen; das Böse (Macht, Hab-sucht,…) kann mich in Besitz nehmen; …)

b) Dem Leser wird versichert, dass er Jemand sei; einer, der eine Rolle – und vielleicht sogar eine wichtige – zu spielen habe; dass er berufen sei, Gutes zu tun, (z.B.: S.67, 95)!

c) Die Lektüre des Buches hinterlässt den Eindruck: Christ ist, wer gegen den „Feind des Guten“ (S.50, 67) und für das Gute kämpft (S.65). „Satan führt einen Chor der Rebellion gegen das gute Lied Gottes an. Doch Gott beruft Sie und mich, eine gerechte Melodie zu singen und einen grossen Auftrag zu erfüllen.“ (S.96) Aber: für das Gute haben auf dieser Erde viele gekämpft, und viele davon waren, wenn auch von vielen als Christen bezeichnet, dennoch nicht gerettet (vgl. S.49+50).

 

d) Das Buch vermittelt auch einige biblische Wahrheiten, nämlich:

Es ist die Rede von einem Paradies in alter Zeit (S.13), einem Fall (S.13), der durch die Rebellion des Bösen geschah (S.14). Es gibt einen Schöpfer. Es gibt einmal eine Erlösung vom Bösen, das jetzt herrscht. Der König wird einmal wiederkommen. Jesus Christus ist der grosse Held, der Erlösung vom Bösen schuf.

e) Die angeblichen Ähnlichkeiten zwischen dem „Ringbuch“ und der Bibel verwirren und verzerren mehr, als dass sie biblische Wahrheiten veranschaulichen. Was ist an allem nun real, was ist Mythos?  Oder ist es etwa ein wahrer Mythos? (S.11 oben, S.119) Oder ist es ein Märchen? (S.119) Der Epilog ist schliesslich der Höhepunkt der Verwirrung!

f) Folgende, in bezug auf das Evangelium wichtige biblische Wahrheiten/Themen werden kaum oder gar nicht vermittelt:

Das Wesen Gottes, Person von Jesus Christus, der verlorene Zustand des Menschen, seine Sündhaftigkeit und Erlösungsbedürftigkeit (Erlösung braucht gemäss Buch „die Welt“); Sünde, Übertretung des Gesetzes, Umkehr, Busse. Weiter fehlen Hinweise auf die Konsequenzen der Ablehnung von Christus und auf die Notwendigkeit einer persönlichen Annahme des Heils.

g) Entgegen der Besprechung in der Zeitschrift „fest und treu“, Nr. 4/2001 gelingt es dem Buch also meiner Meinung nach nicht, „das Evangelium deutlich zu machen.“ Daran ändern auch die wenigen halbwegs evangelistischen Passagen nicht viel. (z.B.: S.70, 107-111)

h) Auch das gute evangelistische Nachwort von Wolfgang Bühne vermag dieses Buch nicht mehr zu retten!

Deshalb mein Vorschlag: Die ersten 120 Seiten des Buches vernichten und das Nach-wort als Traktat verteilen!

 

                                                                        Patrick Tschui, März 2002