Warum sollten wir beim
Beten die Hände hoch heben?
Von Peter Masters, Metropolitan Tabernacle, London
Wenn der Herr will, dass wir in Geist und Wahrheit anbeten, warum halten es
dann so viele Christen für nötig, Hände, Arme und den ganzen Körper einzusetzen,
um sich in eine „Anbetungs-Stimmung“ zu versetzen? Was treibt sie dazu, um jeden
Preis diese körperlichen Aspekte in die Anbetung einzubringen? Wollen sie die
Gefühle durch menschliche Mittel aufpuschen, anstatt sie durch tiefe,
besinnliche und geistliche Anbetung zu erwärmen? In diesem kurzen Artikel
schauen wir uns die Behauptung an, das Erheben der Hände sei in der Bibel
gelehrt und sollte deshalb auch heute in der Anbetung praktiziert werden. Es
stimmt, dass das Händehochheben mehrmals in den Psalmen erwähnt wird und einmal
im Neuen Testament. Doch wie wir sehen werden, hat das nichts mit
gemeinschaftlicher Anbetung zu tun. Vielmehr werden diese Stellen von
Charismatikern aus dem Zusammenhang gerissen. Es kann nicht sein, dass der Herr
im Gegensatz zu seinem Grundsatz der „Anbetung in Geist und Wahrheit“ fordert,
dass beim Beten die Hände erhoben werden müssen.
Warum erhob David seine Hände, wie wir in den Psalmen lesen? Was bedeutete seine
Gestik? In Psalm 28,2 lesen wir: „Höre die Stimme meines Flehens ... wenn ich
meine Hände aufhebe zu deinem heiligen Tempelraum.“ David war fern von
Jerusalem, wahrscheinlich auf der Flucht vor Absalom. Als Flüchtling erhob er
bei seinem persönlichen Gebet seine Hände in Richtung Jerusalem – dem Ort der
Opferungen. Damit wollte er sich mit den Opferdarbringungen der Priester
identifizieren. Er konnte nicht dabei sein, aber er symbolisch brachte er seine
Solidarität mit diesen Opfern zum Ausdruck. Es ist wichtig zu bedenken, dass er
wohl nicht seine Hände erhoben hätte, wäre er vor Ort in Jerusalem gewesen. Denn
nur die Priester brachten die Opfer dar, und daher war dies ein reiner Akt der
Identifikation eines räumlich getrennten Anbeters. Bei der üblichen Anbetung
wurde dies nicht praktiziert.
In Psalm 63,5 sagt David: „So werde ich dich preisen während meines Lebens,
meine Hände in deinem Namen aufheben.“ Hier befand er sich in der Wüste Juda und
damit wiederum getrennt vom Ort der Opferungen. Er sehnte sich danach, im
Heiligtum zu sein und bringt dies in Vers 3 zum Ausdruck. Zu dem Zeitpunkt, als
die Opfer dargebracht wurden, erhobt er wiederum seine Hände und identifizierte
sich so mit dem Abendopfer.
In Psalm 141,2 drückt David sich sehr klar aus. Auch hier ist er fern vom
Heiligtum und bittet Gott, dass seine Gebete wie Weihrauch aufsteigen mögen:
„Lass als Rauchopfer vor dir stehen mein Gebet, das Erheben meiner Hände als
Speisopfer am Abend.“
Als er fern vom Heiligtum war, erhob David seine Hände, um sein Einssein mit dem
Abendopfer auszudrücken. Dieses Verhalten war kein Bestandteil einer üblichen
gemeinschaftlichen Anbetungsversammlung, sondern eine persönliche Geste mit klar
umrissener und spezieller Bedeutung. Die Frage stellt sich: Sollten wir es David
gleich tun? Natürlich nicht, denn die alttestamentlichen Opfer gibt es nicht
mehr. Jesus Christus hat alle Opfergesetze und Symbole erfüllt und das
Abendopfer wird heute nicht mehr dargebracht. Deshalb finden wir im Neuen
Testament keine Anweisung, buchstäblich die Hände zur Anbetung zu erheben. Wenn
wir das täten (so wie David es tat), würden wir damit das alte Opfersystem
wiederbeleben und vom ein für allemal vollbrachten großen Opfer ablenken, dem
Sühnetod Jesu Christi.
Heute hebt niemand mehr die Hände wie einst David, um sich mit irgendetwas zu
identifizieren. Wer heute die Hände zur Anbetung hebt, tut das aus ganz anderen
Gründen, nämlich um ein Gefühl der Gegenwart und Berührung Gottes zu erlangen.
Das Händeheben ist ein körperliches Nachhelfen, um die Gefühle aufzupuschen. Das
hat David mit seinem Händeerheben nicht beabsichtigt.
In drei weiteren Psalmen wird das Erheben der Hände erwähnt, aber dort geht es
um ganz andere Dinge. Psalm 119,48 spricht vom Erheben der Hände im täglichen
Gehorsam gegenüber Gott – so wie in Handwerker seine Werkzeuge erhebt. Psalm
134,2 bezieht sich auf das buchstäbliche Hochheben der Opfer durch die Priester.
In Psalm 143,6 wird David bildhaft (nicht buchstäblich) beschrieben, wie er
seien Hände zu Gott ausstreckt, wie ein bedürftiges Kind seine Arme der Mutter
entgegenreckt.
Wenn Paulus in 1. Timotheus 2,8 Christen verordnet, Männer sollen zum Gebet
„heilige Hände aufheben“, meint er das zweifellos symbolisch. Es wäre absurd,
wenn er damit meinte, Gott buchstäblich saubere Hände hinzuhalten, so wie kleine
Kinder ihren Eltern zeigen, dass sie sich die Hände vorm Essen gewaschen haben.
Die Hände repräsentieren unsere Taten, und Paulus meint damit, dass wir nach
Heiligkeit streben sollen, bevor wir anbeten. Dieses Bild stammt wahrscheinlich
aus Psalm 24,3-4: „Wer darf hinaufsteigen auf den Berg des HERRN und wer darf
stehen an seiner heiligen Stätte? Der unschuldige Hände und ein reines Herz hat,
der seine Seele nicht auf Falsches richtet und nicht schwört zum Betrug.“
Das Erheben der Hände ist nur ein weiteres Beispiel einer charismatischen
Masche, die auf einem erbärmlichen, wenn nicht lächerlichen Missbrauch von
Bibeltexten beruht. So wie es heute praktiziert wird, ist das Händeerheben eine
unbiblische menschliche Erfindung, die dazu dienen soll, die Leute in eine
sanfte Trance, in einen mystischen Zustand aufgepuschter Emotionen zu versetzen.
Sie wird im Widerspruch zum Prinzip der „Anbetung in Geist und Wahrheit“
ausgeübt und unterstützt daher nicht die Anbetung, sondern im Gegenteil, sie
lenkt den Verstand ab und zieht ihn herunter auf die Ebene eines
selbstgenießerischen Emotionalismus. Viele ernsthafte Gläubige sind irregeleitet
worden, diese Praxis als vermeintliches Mittel zu einem Gemeinschaftsgefühl
auszuüben. Aber in Wirklichkeit ist das Händeheben ein Hindernis für echte
Anbetung, denn es facht die Gefühle nicht auf geistlicher, sondern auf
natürlicher Ebene an.
© Peter Masters,
Auszug aus dem Buch „Worship in the Meltingpot“, Wakeman Trust, London 2002.