Was ist die Charismatische Erneuerung?
Gott, der
barmherzige Vater, hat durch den Tod und die Auferstehung seines Sohnes die Welt
mit sich versöhnt und den Heiligen Geist gesandt zur Vergebung der Sünden.
Durch den Dienst der Kirche schenke er dir Verzeihung und Frieden.
(aus der Feier des Bußsakramentes)
Durch seinen Tod am Kreuz hat uns Jesus von unseren Sünden erlöst.
Nach seiner Auferstehung ist Jesus während vierzig Tagen seinen Jüngern mehrmals
erschienen und hat so bezeugt, dass er lebt.
Vor seiner Himmelfahrt versprach er ihnen:
„Ihr werdet die Kraft des Heiligen Geistes empfangen, der auf euch herab kommen
wird; und ihr werdet meine Zeugen sein in Jerusalem und in ganz Judäa und bis an
die Grenzen der Erde.“ (Apg 1,8)
Neun Tage später, am Pfingsttag, empfingen die Jünger auf ganz besondere Weise
den Heiligen Geist.
Vorher waren sie ängstlich gewesen, jetzt wurden sie mutig.
Sie verließen das Gebäude, in dem sie sich aus Furcht eingeschlossen hatten, und
begannen, auf den öffentlichen Plätzen Jesus als den Sohn Gottes zu
verkündigen.
Aber das war erst der Anfang.
All die Jahrhunderte hindurch war der Heilige Geist im Leben der Christen auf
mehr oder weniger sichtbare Weise gegenwärtig.
Dies können wir gut in den Heiligen erkennen und den großen religiösen
Bewegungen wie den Benediktinern, den Franziskanern, den Dominikanern oder den
Jesuiten.
Der Heilige Geist hat in der Geschichte der Kirche das Feuer des Glaubens immer
wieder neu entfacht.
Ein wunderbares Zeichen dafür ist die aktuelle CHARISMATISCHE ERNEUERUNG, die
vor etwas mehr als hundert Jahren ihren Anfang nahm:
In den späten 90er Jahren des 19. Jahrhunderts schrieb die selige italienische
Ordensschwester Elena Guerra, die der „Apostel des Heiligen Geistes“ genannt
wird, entgegen dem Rat ihrer Freunde einen Brief an Papst Leo XIII.
Sie machte den Vorschlag, in der katholischen Kirche weltweit eine Novene zum
Heiligen Geist beten zu lassen.
Der Papst las den Brief nicht nur, sondern verfasste im Jahr 1897 die Enzyklika
„Über den Heiligen Geist“.
In diesem Dokument rief er zu einer stärkeren Verehrung des Heiligen Geistes und
seiner Gaben auf und empfahl insbesondere auch das Beten der Novene zum Heiligen
Geist im ursprünglichen Sinn eines neuntägigen Gebetes zwischen Christi
Himmelfahrt und Pfingsten (vgl. Apg 1,12-14).
Am 1.Jänner 1901, dem ersten Tag des 20. Jahrhunderts, betete Papst Leo XIII.
ganz besonders dafür, dass der Heilige Geist die Kirche und die Welt erneuere.
Gleichsam als Antwort darauf geschah am gleichen Tag eine machtvolle Ausgießung
des Heiligen Geistes in Topeka, im amerikanischen Bundesstaat Kansas, wo sich
eine Gruppe von etwa hundert Studenten der Charles Parham’s Bibelschule zu einem
Wochenende versammelt hatte.
Beim Abendgebet bat die achtzehnjährige Agnes Ozman ihre Lehrer und Mitschüler,
ihr die Hände auf zu legen, so wie es in der Apostelgeschichte beschrieben ist,
und für sie um die Erfüllung mit dem Heiligen Geist zu beten.
Bei diesem Gebet erlebte sie eine sogenannte „Taufe im Heiligen Geist“ und
begann spontan in Sprachen zu reden.
Die meisten der anderen Studenten machten kurze Zeit später eine ähnliche
Erfahrung und reisten in den darauf folgenden Jahren durch den Südwesten der USA
um von ihren Erlebnissen zu berichten.
Im Jahr 1905 besuchte der schwarze Pastor William J. Seymour Parham’s
Bibelschule und übernahm ein Jahr später eine Gemeinde in der Azusa-Street in
Los Angeles.
Dort entstand in den darauf folgenden Jahren eine große geistliche
Erneuerungsbewegung, die geprägt war durch das Auftreten der Gaben des Heiligen
Geistes, vor allem des Sprachengebets, der Prophetie und der Heilung.
Die Azusa-Street Erweckung war schon bald in den gesamten Vereinigten Staaten
bekannt und viele Menschen, erlebten dort zum ersten Mal das Wirken des Heiligen
Geistes.
In den protestantischen Großkirchen wurden diese Entwicklungen zunächst äußerst
skeptisch beobachtet und die „Pfingstler“ sehr häufig aus ihren bisherigen
Gemeinden ausgeschlossen.
So blieben diese Erfahrungen auf einen relativ kleinen Kreis von Christen
beschränkt, die sich in den 20er Jahren zu neuen Gemeinschaften wie den auch
heute noch bedeutsamen „Assemblies of God“ zusammen schloßen.
In den darauf folgenden Jahrzehnten kam es aber immer mehr zu einer Akzeptanz
dieser Gruppen, die sehr beständig und segensreich wirkten.
Einer der wichtigsten Wegbereiter war hier David du Plessis, der während der
50er Jahre Kontakte zwischen den verschiedensten Kirchen knüpfte.
Du Plessis nahm schließlich als Vertreter der Pfingstkirchen am Zweiten
Vatikanischen Konzil von 1962 bis 1965 teil.
Der selige Papst Johannes XXIII. sprach zu Beginn des Konzils ein berühmtes
Gebet zur Herabrufung des Heiligen Geistes:
„Erneuere in unserer Zeit, wie für ein neues Pfingsten, deine Wundertaten und
gewähre der heiligen Kirche, dass sie in einmütigem, flehentlichem und
ausdauerndem Gebet mit Maria, der Mutter Jesu, unter der Führung des heiligen
Petrus das Reich des göttlichen Erlösers aufrichte, das Reich der Wahrheit und
der Gerechtigkeit, der Liebe und des Friedens. Amen“
Insbesondere auch auf Anregung von Kardinal Suenens hin, betonten die
Konzilsväter schließlich in der Konstitution über die Kirche „Lumen Gentium“ und
im Dekret über das Laienapostolat die große Bedeutung der Charismen des Heiligen
Geistes, ebenso wie das Recht und die Pflicht jedes Getauften, sie auszuüben
Und dann geschah etwas völlig Unerwartetes:
Am Freitag, 17. Februar 1967 versammelten sich mehrere katholische Professoren
und Studenten der renommierten „Duquesne University“ von Pittsburgh,
Pennsylvania zu einem Einkehrwochenende in einem katholischen Exerzitienhaus.
Zwei dieser Professoren hatten in den vergangenen Jahren an Treffen der neuen
Gemeinschaften teil genommen und sehnten sich nach einer Erfüllung durch den
Heiligen Geist, wie sie im zweiten Kapitel der Apostelgeschichte beschrieben
wird.
Am Samstag, 18. Februar hielt Betty Shumaker von der Episkopalkirche einen
Vortrag über eben diesen Abschnitt aus der Heiligen Schrift, den sie mit der
einfachen Feststellung abschloß: „Das geschieht auch noch heute.“
Als am Abend dieses Tages eine Geburtstagsfeier beginnen sollte, rief eine
Studentin namens Patti Gallagher die anderen Studenten aus dem ganzen Haus
zusammen. So betrat sie auch in die im obersten Geschoß gelegene Kapelle:
Als sie eintrat wurde sie plötzlich so von der Gegenwart Gottes überwältigt,
dass sie zu zittern begann und zu Boden fiel.
„Ich wurde vom Erbarmen und der Liebe Gottes überflutet“, berichtete sie später.
Kurz darauf kamen auch die anderen Studenten und die Professoren in die Kapelle
und die ganze Gemeinschaft war im Gebet vor dem eucharistischen Herrn vereint.
Patti Gallagher erzählte weiter: „Die Professoren legten manchen von den
Studenten die Hände auf, aber die meisten empfingen die Taufe im Heiligen Geist,
während sie vor dem Allerheiligsten knieten.
Manche von uns begannen in Sprachen zu beten; andere empfingen die Gaben der
Unterscheidung, der Prophetie und der Weisheit.“
Fast zur selben Zeit geschah diese gleiche Erfahrung an der Universität Unserer
Lieben Frau in South Bend, sodann an mehreren Stellen in den Vereinigten Staaten
und in Kanada.
Die katholische Charismatische Erneuerung zeichnete von Anfang an aus, dass sie
nicht anti-intellektuell war, da sie im Umfeld der Universität begann.
Zweitens, dass sie unter jungen Laien begann. Drittens, dass ihre ersten Leiter
schon zuvor bei verschiedenen Aktivitäten wie dem Cursillo zusammen gearbeitet
hatten.
Und schließlich waren diese Katholiken stark von dem wenige Jahre zuvor zu Ende
gegangenen Zweiten Vatikanischen Konzil geprägt.
Viele sahen in diesem Aufbruch eine Antwort auf das Gebet des seligen Papstes
Johannes XXIII. um ein neues Pfingsten, von dem auch die französische Mystikerin
Marthe Robin immer wieder gesprochen hatte.
Im Gegensatz zu dem, was zu Beginn dieses Jahrhunderts bei den Pfingstlern
geschah, wurden die katholischen Charismatiker also von der Kirche offiziell
angenommen und ermutigt.
Die amerikanischen Bischöfe bezeichneten schon 1969 in einer ersten
Stellungnahme die Charismatische Erneuerung als eine „Bewegung, der erlaubt
werden sollte, sich zu entwickeln“.
Als Papst Paul VI. beim ersten Weltkongress der Erneuerung im Jahre 1975
zehntausend charismatische Katholiken in Rom empfing, sagte er insbesondere:
„Die Charismatische Erneuerung ist eine Chance für die Kirche und die Welt.“
Auch Papst Johannes Paul II. hat seit Beginn seines Pontifikats niemals
aufgehört, die Erneuerung zu ermutigen.
Heute noch ist es unmöglich, vollständig die Ausbreitung dieser Bewegung zu
beschreiben; es sei denn als ein wunderbares Feuer mit zahlreichen Brennpunkten
überall auf der Welt.
Wer könnte hierin nicht eine Antwort finden auf das Gebet der Kirche, von Leo
XIII. bis zu Johannes XXIII?
Selten hat eine gemeinsame Erfahrung so viele verschiedene Christen erreicht.
Dahinter steht das Handeln Gottes, der seinen Geist ausgießt, auf wen er will.
Wie werden wir weiterhin mit diesem Geschenk Gottes umgehen?
Für die Zukunft wird entscheidend sein, inwiefern wir der Gnade der Erneuerung
treu bleiben und dem Heiligen Geist weiterhin Raum geben.
Verwendete Literatur:
Patti Gallagher-Mansfield
"...wie ein neues Pfingsten"
Der aufsehenerregende Anfang derCharismatischen Erneuerung in der Katholischen
Kirche
(Vier Türme Verlag, Münsterschwarzach)
Charles-Eric Hauguel
Einführung zum Buch
"Im Feuer der Liebe" von Pater Emiliano Tardif
(Parvis Verlag)
Tobias Gerster
"Jahrhundert des Heiligen Geistes"
(c-magazin)