Seite 46
Auf einer Wanderung in den Bergen stand ich still, um die prächtige
Aussicht zu bewundern. Da konnte ich gerade beobachten, wie sich ein Adler
von einem Felsvorsprung weghob und in die Höhe schwang. Mit majestätischem
Flügelschlag schraubte er sich höher und höher hinauf. Aber was war das?
Plötzlich sah ich den prächtigen Vogel schwanken. Er schlug noch ein
paarmal wie verzweifelt mit seinen Flügeln und stürzte dann pfeilschnell
hinunter. Auf einer Felsplatte blieb er liegen. Diese war nicht so weit
von mir entfernt, und weil ich neugierig war, was wohl die Ursache für den
Absturz des Riesenvogels sein konnte, versuchte ich die Stelle, wo er lag,
zu erreichen. Dies gelang mir auch, und als ich in die Nähe kam, stellte
ich sogleich fest, dass der Adler tot war.
Ich trat an ihn heran und ergriff einen von den mächtigen Flügeln, um
ihn etwas aufzuheben. Wie erschrak ich, als eine kleine Otter darunter
hervorschoss und blitzschnell in einer Felsspalte verschwand. Verblüfft
stand ich da. Aber nun fand ich auch des Rätsels Lösung. Die giftige
Schlange hatte sich an dem Vogel festgebissen und ihm in seinem Flug einen
tödlichen Biss beigebracht.
Der Mensch wurde schon mit dem Adler verglichen, der sich über die
Seite 47
Berggipfel hinaufschwingt, der Sonne entgegen. Höher, immer höher hinauf.
Aber es gibt auch eine Otter, die ihm mit ihrem Gift den tödlichen
Biss beibringt.
Die Otter ist ein Bild des Teufels, das Gift ist die Sünde.
Wir sind alle gebissen worden. Wir haben alle das Sündengift in uns.
Darum werden wir - gerade wie der Adler - hinunterstürzen.
In der Bibel wird uns von Menschen erzählt, die von Schlangen gebissen
worden sind. Das waren tödliche Bisse, Heilung war ausgeschlossen. Jeder
hätte sterben müssen.
Aber Gott gab ein Heilmittel. Kein Kraut und keine Medizin, um dem
Gift entgegenzuwirken oder das Blut der Patienten zu reinigen. Das wäre
die logische Methode gewesen.
Nein, Gott gab Befehl, eine Schlange von Erz zu machen und sie an
einer langen Stange zu befestigen, hoch genug, um von allen gesehen werden
zu können. Bei jedem, der auf diese Schlange schaute, hörte das Gift auf
zu wirken, und jeder, der das tat, wurde geheilt.
Der Herr Jesus nimmt auf diese Begebenheit Bezug, um zu illustrieren, was
mit Ihm geschehen und was Er vollbringen würde:
"Wie Mose in der Wüste die Schlange erhöhte, so
muss der Sohn des Menschen erhöht werden,
damit jeder, der an ihn glaubt, nicht verlorengehe,
sondern ewiges Leben habe"
(Johannes 3, Verse 14.15).
Seite 48
Damit wies Er auf sich selbst hin, und auf das Kreuz, an welchem Er
hangen sollte. Das ist das Heilmittel, das Gott gegen das Sündengift in
uns gegeben hat. Darum kann der Dichter sagen:
Ein Blick zu dem Kreuze, im Glauben getan,
bringt Leben und ewiges Glück;
komm, richte zur Stunde dein Auge dorthin
und wende dich ja nicht zurück!
Jedes andere Mittel, um den tödlichen Absturz zu verhindern, ist nutzlos.
Das Mittel, das Gott Ihnen gibt, heisst: im Glauben auf Jesus Christus und
sein Kreuz schauen.
"Wir aber predigen Christus als gekreuzigt, den Juden ein Ärgernis,
und den Nationen eine Torheit; den Berufenen selbst aber ... Gottes Kraft"
(1. Korintherbrief 1, Verse 23.24).
Seite 49
Yehiel Dinur, ein Überlebender eines Konzentrationslagers, trat beim
Prozess gegen Eichmann in Tel Aviv als Zeuge auf. Ein Ausschnitt aus dem
Film dieses Prozesses von 1961 zeigt Dinur, wie er in den Gerichtssaal
tritt und plötzlich stehenbleibt, als er Eichmann zum erstenmal
wiedersieht, seit die Nazis ihn 18 Jahre zuvor nach Auschwitz gebracht
hatten. Dinur beginnt fassungslos zu schluchzen und fällt dann bewusstlos
zu Boden. Was war es, das Dinur so übermannte? Hass? Angst? Abscheuliche
Erinnerungen? Nein! Wie er später erklärte, wurde es ihm plötzlich
bewusst, dass Eichmann jetzt nicht der allgewaltige Offizier war, der so
viele in den Tod geschickt hatte. Dieser Eichmann war ja ein gewöhnlicher
Mensch. "Ich hatte Angst vor mir selbst", sagte Dinur. "Ich sah, dass auch
ich fähig wäre, so etwas zu tun. Ich bin ... genau so wie er."
Eine schreckliche Entdeckung! "Eichmann" ist in jedem von uns. So ist in
Wahrheit die menschliche Natur. Die Sünde ist in jedem von uns - nicht
nur die Möglichkeit, zu sündigen, sondern die Sünde selbst.
Charles Colson war Berater des einstigen Präsidenten der Vereinigten
Staaten von Amerika, Richard Nixon. Er war am berüchtigten
Watergate-Skandal von 1973 beteiligt.
Seite 50
Colson erzählt: "In den turbulenten
Tagen von Watergate sass ich eines abends allein in meinem Wagen. Da sah
ich plötzlich, deutlich und schmerzhaft, meine eigenen Sünden vor mir
stehen - nicht nur schmutzige Politik, sondern den Hass und Trotz und das
Böse tief in mir verwurzelt. Zum erstenmal in meinem Leben. Ich fühlte
mich unrein. Und das Schlimmste von allem: Ich konnte nicht entrinnen. In
diesen Augenblicken plötzlicher Helle wurde ich unwiderstehlich in die
Arme des lebendigen Gottes getrieben. Als ich meine eigene Sünde sah,
schrie ich zu Gott und flehte um Vergebung aufgrund des Blutes von Jesus
Christus. Und so fand ich Frieden mit Gott. In den Jahren nach diesem
Abend bin ich mir meiner eigenen sündigen Natur noch mehr bewusst
geworden. Aber ich weiss auch ganz sicher, dass, wenn etwas Gutes in mir
ist, es allein daher kommt, dass ich den Herrn Jesus als meinen
persönlichen Heiland kennen darf."
Nur das Evangelium von Jesus Christus kann Herzen verändern.
Seite 51
Ein Hippie fragte einen Pfarrer: "Sie sagen, dass unbekehrte Menschen das
Gewicht ihrer Sünden tragen. Ich fühle nichts. Wie schwer ist denn die
Sünde? Wiegt sie zehn oder vierzig Kilo?"
Der Pfarrer antwortete, indem er den jungen Mann fragte: "Wenn du
zweihundert Kilo auf eine Leiche legst, wird sie dann etwas fühlen?"
"Sie wird gar nichts fühlen, weil sie ja tot ist."
"Nun", sagte der Pfarrer, "die Seele, die das Gewicht der Sünde nicht
fühlt und unter ihrer Last gleichgültig ist und sich nichts daraus macht,
ist auch tot."
Der junge Mann schwieg betroffen!
Seite 52
Im Buch von Sir Herbert Road: "The Philosophy of Modern Art" wird erzählt,
wie der berühmte Maler Paul Gauguin plötzlich seine Frau und seine vier
Kinder verliess, um sich nach Tahiti zu begeben. Zwanzig Jahre lang
kümmerte er sich nicht um das Wohl und Wehe seiner Familie. In Tahiti
erreichte ihn die Nachricht vom Tod seiner Tochter Aline. Darauf schrieb
er an seine Frau: "Ich habe meine Tochter verloren - ich kann Gott nicht
mehr lieben." Nach Empfang dieses Briefes sagte seine Frau: "Sein
schrecklicher Egoismus macht mich wütend, jedesmal, wenn ich daran denke!"
"Ich kann Gott nicht mehr lieben!" Gauguin ist nicht der einzige, der
diese Worte auf die Lippen nahm. Tausende sagen das gleiche, verbittert,
völlig zerschlagen durch das Böse, das sie in ihrem Leben erfahren müssen.
Warum, warum? Zahllose Fragezeichen bilden eine Mauer, in der sie sich bis
zum Ersticken eingeschlossen fühlen.
Wenn Gott so ist ...
"Ich kann Gott nicht mehr lieben." Dieser Ausspruch von Gauguin ist
eigentlich nicht einmal so sehr verwunderlich. Wen konnte er denn
eigentlich lieben? Seine eigene Frau und seine Kinder, die doch auf der
Erde zuallererst Anspruch auf seine Zuneigung hatten,
Seite 53
scheinbar auch nicht. "Ich kann Gott nicht mehr lieben" - nein, aber Gauguin bereitet es
keine grosse Mühe, sich selbst zu lieben.
Gerade um das geht es. Denn was erwarten wir eigentlich von Gott? Wer
Ihn einem Kellner gleichstellt, dem man nur mit den Fingern zu knipsen
braucht, um sogleich nach den eigenen Wünschen bedient zu werden - der
wird enttäuscht. Doch oft überlegen wir ähnlich. Wenn in unserem Leben
Schwierigkeiten sind, muss Gott sie umgehend auflösen. Und wenn Er es
nicht tut - nun, dann haben wir auch keine Botschaft mehr an Ihn. Dann
können wir Ihn nicht mehr lieben. Punkt, Schluss. Eigentlich sehr
egoistisch, wenn wir so denken. Es läuft tatsächlich darauf hinaus, dass
wir keine Mühe haben, uns selbst zu lieben - ich, ich, ich und nochmals
ich, aber wenn Gott nicht alles tut, was wir wollen, so können wir Ihn
nicht mehr lieben, sagen wir.
Aber nun kommt das Wunder, das unglaublich grosse Wunder, dass Gott uns
trotzdem liebt! Solche kleinen, selbstsüchtigen, krankhaft egoistischen
Menschen, die an nichts anderes denken können, als an sich selbst und an
ihre eigenen Belange - zu solchen Menschen geht die Liebe des allmächtigen
Gottes aus. Können Sie das begreifen? Ich nicht. Aber die Bibel sagt es,
und Millionen haben dies als Wirklichkeit erfahren.
"Hierin ist die Liebe:
nicht dass wir Gott geliebt haben, sondern dass Er uns geliebt und seinen
Sohn gesandt hat als eine Sühnung für unsere Sünden" (1. Johannes 4, Vers10).
Seite 54
Das ist, was die Bibel Gnade, unverdiente Liebe nennt. Aber um diese
Liebe zu erfahren, muss sich bei uns selbst etwas ändern. Solange wir uns
im kleinen Kreis unseres eigenen Ichs drehen, werden wir nie die Liebe
Gottes erfahren. Das wird nur geschehen, wenn wir uns wirklich zu Gott
bekehren.
Bekehrung ist eine totale, unbedingte Umkehr. Bekehrung bedeutet,
dass wir vom "hohen Ross", auf dem wir so gern sitzen, herabsteigen und
uns vor Gott tief beugen, im Bewusstsein der zahllosen Sünden, womit wir
Ihn gekränkt haben, (und von allen diesen Sünden sind unser Hochmut und
unsere Selbstsucht vielleicht die schlimmsten). Erst wenn der Mensch als
Sünder vor Gott niederkniet, im Bewusstsein, dass er anstatt Gottes Liebe
Gottes Gericht verdient hat, erst dann ist er so weit, dass Gott ihm Gnade
erweisen kann.
Wenn Sie dies tun, werden auch Sie erfahren, dass Er Sie liebt.
Seite 55
Seite 56
In unserer Zeit folgt ein Fest dem andern. Eine Party hier, eine
Abendveranstaltung dort. Die Reklame fördert das alles prächtig und wirbt
für herrliche Leckerbissen, knuspriges Gebäck und erfrischende Getränke:
Man ist praktisch immer beschäftigt.
Bei einem geselligen Beisammensein ist es oft nicht einfach, ein
vernünftiges Gespräch in Gang zu bringen, weil bald einmal gespöttelt oder
zur Ironie gegriffen wird. Ein beliebter Gegenstand ist dabei der Glaube,
die Kirche oder das Kirchenpublikum. In grosser Gesellschaft bemühen sich
zahllose Kabarettisten, ihr Bestes herzugeben, um den Glauben und alles,
was damit zusammenhängt, ins Lächerliche zu ziehen; von den vielen
Theaterstücken und Filmen ganz zu schweigen. Man vergreift sich dabei an
den heiligsten Dingen, und Gott wird als einer verlacht, mit dem man gut
Spott treiben kann. Ja, so weit sind wir.
Vor langer Zeit, so berichtet der Prophet Daniel im 5. Kapitel seines
Buches, wurde in Babel ein solches Fest gefeiert. Als jede Art von
Lustbarkeit ausgekostet war, wurden die meisten geheiligten Gefässe, die
der König Nebukadnezar seinerzeit aus dem Tempel von Jerusalem weggenommen
hatte, herbeigeschafft,
Seite 57
um Wein daraus zu trinken. Als das Gelage seinen
Höhepunkt erreichte - da griff Gott ein, indem Er sein "Mene, mene, tekel
upharsin" an die Wand schrieb. Allen war klar, dass sie es da mit einem
Höheren zu tun hatten.
Der Augenblick, da Gott in unserer Zeit eingreifen wird, mag wohl viel
näher liegen als Sie denken. Gott lässt sich nicht spotten!
Nun, beim Lesen dieses Artikels lachen Sie vielleicht auch über "dieses
fromme Getue". Sie mögen denken, das sei alles Unsinn und entbehre der
Wirklichkeit. Jetzt können Sie noch so denken - aber bald nicht mehr. Bald
wird Gott handeln und Sie werden sprachlos sein und erschrecken, gerade
wie der König Belsazar im Bericht aus Daniel 5.
Möchten Sie doch zur Einsicht kommen: "Ja, eigentlich feiern wir
Feste und spotten und meinen, alles tun zu dürfen; eigentlich rechnen wir
nicht mit Gott, aber ..." Wenn Sie zu diesen Menschen gehören, möchten wir
Ihnen gern sagen, dass es noch nicht zu spät ist. Sie können noch zu Gott
umkehren, indem Sie Ihre Sünden vor Ihm bekennen. Sie können und dürfen an
den Herrn Jesus Christus glauben, der auch Sie vor dem Gericht Gottes
retten will. Wenn Sie dies tun, brauchen Sie vor dem Eingreifen Gottes
nicht zu erschrecken.
Nun dürfen Sie "Fest feiern", weil Sie Frieden mit Gott haben, weil
Ihre Sünden vergeben sind. Nun dürfen Sie Ruhe und Freude geniessen. Und
bald wird bei Gott im Himmel ein ewiges Fest sein.
Dieses Glück und diese Freude wünschen wir Ihnen.
Seite 58
Gute Papiere
Jahrelang war er auf einem grossen Landgut Wildhüter gewesen. Treu hatte
er die Aufsicht über das Jagdgebiet und die Fischgründe seines Meisters
ausgeübt. Kein Wilderer durfte es wagen, auf dem verbotenen Gebiet zu
jagen und zu fischen.
Er hatte so lang bei Nacht und jedem Wetter im Dienst gestanden, dass
er schliesslich, durch heftigen Rheumatismus geplagt, seine Arbeit
aufgeben musste. Oft klagte er über Schmerzen, fügte aber immer hinzu,
dass er es ja eigentlich gut habe, denn der Baron hatte ihm eine schöne
Pension gegeben, so dass er in seinen alten Tagen nicht zu sorgen
brauchte.
Nach dem Tod seiner Frau konnte er bei seiner verheirateten Tochter
wohnen, und sie sorgte gut für ihn. Er hatte sein eigenes Zimmer und auch
viel Freude am munteren Spielen seiner Enkel.
Schon hatte er die Achtzig überschritten; das Leben war gut und er
konnte es noch geniessen.
Ein alter Freund kam dann und wann zu einem Plauderstündchen. Das
Gespräch drehte sich oft um die Vergangenheit - ein beliebter Gegenstand
für ältere Menschen. Aber der Freund sprach auch von der Zukunft und wies
den ehemaligen Wildhüter darauf hin, dass auch er
Seite 59
seine Tage zählen und an die Ewigkeit denken sollte.
Der Freund hörte den Erzählungen des Wildhüters still zu, und wenn
der Alte zu Ende war, sagte er oft: "Ja, du bist der beste und eifrigste
Kerl gewesen, aber was hast du in der Zukunft davon? Was du im Dienst für
deinen Herrn getan hast, das wird dir jetzt in deiner Pension ausbezahlt.
Das geht bis zu deinem Ende, wird aber nach dem Tod nicht fortgesetzt. Was
hast du dann von deinem Ansehen als Wildhüter?"
Der Alte gab sich nicht so schnell geschlagen und sagte: "Mann, du
musst einmal meine Zeugnisse lesen! Ich bin kein Wilderer gewesen, den
Gott verdammen muss. Natürlich auch kein Heiliger, aber doch ...
ich will dir meine Papiere zeigen."
Er rief seiner Tochter, und die trug sogleich eine Mappe voller
Dokumente herbei: Beweise von Fleiss, gutem Betragen, von Treue und
Ehrlichkeit.
Der Freund las sie Stück um Stück langsam vor. Der Alte wartete
geduldig, bis er sie alle gesehen hatte. Schweigend wurden die Papiere
zurückgegeben.
"Nun, was sagst du dazu? Sie lassen sich sehen, findest du nicht
auch?"
"Was ich dazu sage? Nun, ich finde, dass du diese Papiere eigentlich
mitnehmen solltest, wenn du stirbst. Vielleicht könntest du sie dann Gott
vorweisen. Wer weiss, vielleicht würde Er dich mit solchen Papieren in den
Himmel einlassen. Dann hättest du doch auch in der Zukunft etwas davon."
Der Alte schaute seinen Freund erstaunt an und sagte: "So meine ich
es natürlich nicht mit diesen Zeugnissen."
"Was meinst du denn?"
Seite 60
Eine Weile war es still. Endlich kam die zögernde Antwort: "Nun ja,
ein bisschen Gnade werde ich auch noch nötig haben."
Schweigend versorgte er seine "guten Papiere" wieder in die Mappe. Da
waren sie wieder an ihrem Ort.
Der Freund sagte: "Ich behaupte nicht, dass du ein Pharisäer bist.
Doch will ich dir vorlesen, was ein Mann sagte, der mit sich selbst sehr
zufrieden war. Als er in den Tempel ging, um zu beten, rühmte er sich vor
Gott, dass er besser sei, als andere Menschen; er sei kein Räuber, kein
Ungerechter, kein Ehebrecher, usw. Im Gegenteil, er sei aussergewöhnlich
religiös. Die Beweise dafür könne er vorzeigen: Zweimal in der Woche faste
er und zehn Prozent seines Einkommens gebe er weg.
Weisst du, dieser Mann war zutiefst davon überzeugt, dass Gott ihn
auf Grund seines guten Lebens akzeptieren müsse.
Zur gleichen Zeit war da noch jemand im Tempel. Der war auch
gekommen, um zu beten. Aber dieser Mann konnte nicht stolz umherschauen.
Er schlug seine Augen schuldbewusst nieder und sagte nur: 'O Gott, sei
mir, dem Sünder, gnädig!' Ein ganz kurzes Gebet. Kein Wort zuviel, kein
Wort zuwenig. Der Mann mit dem kurzen Gebet war ein Zollbeamter. In der
Tat, er war moralisch nicht der Beste. Wahrscheinlich hatte er vieles auf
dem Kerbholz. Er versuchte das auch nicht zu verbergen, sondern brachte es
ehrlich an den Tag.
Der Herr Jesus hat von diesem gesagt, dass er nach seinem kurzen
Gebet gerechtfertigt nach Hause gegangen sei. Gott hatte ihn gehört und
erhört. Den Pharisäer nicht."
Seite 61
Der Wildhüter hatte der Erzählung still zugehört. Nicht um sogleich, wie
sonst, einen Kommentar abzugeben. Das ganze Gespräch hatte ihn
nachdenklich gemacht. Von seinen Zeugnissen hat er nie mehr gesprochen.
Sie sind in der Mappe geblieben. Die Bereitschaft, um über die Ewigkeit zu
reden, kam später auch.
Seite 62
Im Korridor kam mir die Krankenschwester entgegen. "Dort geht es schnell
zu Ende!" flüsterte sie und wies auf die Tür eines Zimmers, worin eine
Frau lag, die als Ärztin ihr ganzes Leben für andere eingesetzt hatte. Als
ich bei ihr am Bett sass, sagte sie: "Es fällt mir so schwer, hier hilflos
darniederzuliegen."
"Haben Sie viele Schmerzen?" fragte ich.
"Ja, aber das ist nicht das Schlimmste. Nach all der Unruhe in meinem
Leben habe ich nun so viel Zeit, um über mein Leben nachzudenken. Und dann
merkt man, wieviel Verkehrtes man getan und wieviel man zu tun versäumt
hat.
Und dann werde ich mit leeren Händen vor Gott stehen. Sehen Sie, das
ist wie mit einer Waage. Auf der einen Schale liegt das, was Gott von mir
erwartet hat, als Er mir das Leben gab. Auf der andern Schale aber liegt,
was ich gewesen bin. Und auf dieser Schale liegt - nichts!"
Immer wieder versuchte sie die Tränen, die ihr über die Wangen
liefen, wegzuwischen.
Da warf ich einen Blick auf meine eigene Waagschale und stellte fest,
dass es mit dieser genau gleich stand. So also sass ich am Krankenbett.
Zwei erschrockene Menschen waren wir.
Auf dem Nachttischchen lag ein Neues Testament.
Seite 63
Ich nahm und öffnete
es. In Römer 4, Vers 5 fand ich das Wort: "
Dem aber, der nicht wirkt,
sondern an den glaubt, der den Gottlosen rechtfertigt, wird sein Glaube
zur Gerechtigkeit gerechnet."
Da wurde es licht.
Lassen wir doch auf unserer leeren Waagschale das Werk des Herrn
Jesus Christus liegen! Das ist genug. Einige Male las ich ihr dieses Wort
vor. Und dann haben wir unsere Hände gefaltet und dem Sohn Gottes, dem
Mann von Golgatha, gedankt, dass Er Sünder rettet, und dass wir an Ihn
glauben dürfen.
Seite 64
So fragen die Menschen in ihrer Ratlosigkeit, in anklagendem Ton.
Sollte sich Gott nicht prompt zu unserer Verfügung halten, wenn wir
Ihn nötig haben?
Wenn Er das nicht tut, was haben wir dann eigentlich von Ihm?
Wenn Er nicht in der Lage ist, all den Schandtaten auf der Erde, die
doch offensichtlich gegen seinen Willen sind, ein Ende zu machen, dann
existiert Er nicht. Was haben wir von einem Gott, der uns nicht zu Hilfe
kommt?
Wo ist Er denn eigentlich?
Hat Ihn denn niemand gesehen?
Siehst du, Er besteht einfach nicht.
Lasst uns doch unsere Sachen selber in die Hände nehmen, in unsere
zitternden, machtlosen Hände! Lasst uns nur auf uns selbst vertrauen!
Das ist zwar nicht viel, um darauf zu vertrauen; aber es ist immer
noch besser, sich wenigstens auf etwas zu stützen, wie wenig es auch sei,
als auf etwas, das nicht besteht.
Das ist einmal mannhafte Sprache!
Ihnen aus dem Herzen gesprochen?
Was muss ich darauf antworten?
Seite 66
Dies: Ein solches Gerede zeugt von einer ganz falschen Einstellung.
Was wäre das für ein Gott, der sich von seinen Geschöpfen
herumkommandieren liesse!
Gott wäre nicht wirklich Gott, wenn Er uns erlaubte, so gegen Ihn
aufzutreten.
Wer sich in dieser Weise auslässt, verwechselt Gott mit der
Feuerwehr, mit der Polizei oder dem Notfallarzt. Diese Ämter oder Personen
können wir in der Tat zu Hilfe rufen, wenn wir in Not sind.
Wieso können wir das?
Weil dies Ämter oder Organisationen sind, die wir zu diesem Zweck
eingerichtet haben.
Aber Gott haben wir nicht gemacht. Er ist nicht das Produkt unserer
Hände oder unserer Intelligenz.
Dann wäre Er ja den Abgöttern gleich aus Holz oder Stein.
Nein, Er ist es, der uns geschaffen hat, nach seinem Bild.
Gott ist Gott.
Wir können Ihm kein Ultimatum stellen.
Wir haben nicht das Recht, Ihn zur Verantwortung zu ziehen, noch
weniger als ein Arbeitnehmer von seinem Patron Rechenschaft fordern kann.
Es ist doch umgekehrt: der Arbeitgeber kann den Angestellten zur
Aussprache herbeizitieren.
So ruft auch Gott uns zur Verantwortung.
Das ist sein gutes Recht, weil Er Gott ist und wir nur seine
Geschöpfe sind.
Aber wenn Gott uns einst zur Verantwortung ziehen wird, dann hat Er
zuerst etwas anderes getan. Er hat eine
Seite 67
Tat vollbracht, eine Tat, die in
der Geschichte der Menschheit ohnegleichen ist.
Gott hat sich der Menschheit angenommen. Er hat seinen Sohn, Jesus
Christus gesandt, mitten unter uns Menschen.
Als Jesus Christus auf der Erde war, hat Er kundgetan, was Gott kann
und was Er tun will.
Er hat Kranke geheilt, Blinden das Sehvermögen zurückgegeben, Tote
auferweckt, Gebundene befreit. Tausende haben dies an sich erfahren.
Aber die grosse Masse hat gesagt: Wir wollen Ihn nicht. Man hat Ihn
verworfen, hat Ihn zum Tod verurteilt, gekreuzigt.
Dadurch hat der Mensch bewiesen, dass er ein Feind Gottes ist.
So ist die Lage, auch heute noch.
Viele denken noch genau so über Jesus Christus wie die Menschen in
der Zeit, als Er auf der Erde war. Gott wäre nicht Gott, wenn Er das alles
ohne weiteres zuliesse.
Jeder, der den Sohn verwirft, verachtet Gott. Aber jeder, der den
Herrn Jesus annimmt, als für ihn gekommen, für ihn gestorben, den wird
Gott als sein Kind annehmen.
Wer das einsehen lernt, wird anders denken, anders reden von Gott.
Die Liebe, Gnade und Barmherzigkeit Gottes gelten den Menschen, die
infolge ihrer Missetaten, ihrer bösen Gedanken und Worte und der
Übertretung seiner Gebote bei Ihm in Schuld stehen. Wer erkennt, dass auch
er vor Gott schuldig ist, sein Leben vor Ihm aufdeckt,
Seite 68
sich zu Ihm bekehrt und glaubt, dass Jesus Christus für ihn gestorben ist, empfängt Vergebung
seiner Sünden und ein glückliches Leben.
Nicht Gott muss sich verändern, sondern wir selbst, in unserem Denken
über Ihn und seinen Sohn, den Herrn Jesus Christus.
Seite 69
Gnade hat die Bedeutung, dass jemand völlig freiwillig, von Herzen und
ganz uneigennützig, einem anderen eine Gunst erweist.
Der einzige Beweggrund liegt also beim Geber selbst, der einen andern
teilhaben lassen will an dem, was er besitzt.
Menschen können einander Gnade erweisen, aber nicht gegenüber
Feinden. Wir bringen es nicht fertig, ihnen von Herzen etwas zu geben, um
sie glücklich zu machen.
Das kann nur Gott tun.
Er wird "der Gott aller Gnade" genannt (1. Petrus 5, Vers 10). Sein
Herz ist voll Gnade, um uns an seinem Reichtum Anteil zu geben.
Darum schuf Er Himmel und Erde, um sie uns zu geben: den Menschen,
die Er als gut erschaffen hat. Aber der Mensch wählte den Teufel zu seinem
Ratgeber, um glücklich zu sein. Und dieser beschuldigte Gott, dass Er ein
Lügner sei und keine Gnade kenne. Das Ergebnis dieser Wahl sehen wir im
Leidensweg der Menschheit.
Aber als der Mensch die Güte Gottes verachtete, war dann seine Gnade
erschöpft?
Wir sind kraftlos geworden und können seine Gebote nicht halten. Wir
sind Gottlose geworden, weil wir die Sünde vorziehen und tun. Wir sind
Feinde geworden,
Seite 70
weil wir seine Wahrheit und Gnade nicht wollten und nicht
ertragen konnten. Wurde Gottes Gnade dadurch beschränkt und aufgehalten?
Nein!
Die Gnade Gottes ist nicht abhängig von denen, welchen Er Gnade
erweisen will. Sie ist so gross wie das Herz Gottes selbst.
Von unserer Seite war die Kluft zwischen Gott und uns unüberbrückbar.
Aber Gottes Gnade gab freiwillig seinen eingeborenen Sohn. Dieser hat uns
aufgesucht und unter uns gewohnt - voller Gnade und Wahrheit. Wir alle
haben gesündigt und können von uns aus nicht zu diesem heiligen Gott
kommen. Aber wir "werden umsonst gerechtfertigt durch seine Gnade, durch
die Erlösung, die in Christus Jesus ist", wenn wir an Ihn und an sein
Erlösungswerk glauben (Römerbrief 3, Verse 23.24).
Eine solche Gnade wird von dem Gott aller Gnade auch Ihnen angeboten.
E-Mail Stand 16.10.97