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Frage 206

Was haben dann die Psalmen mit Gericht zu tun?

J.


28.05.2001

Lieber Josua

zunächst die Einleitung zu den Psalmen von J.N. Darby. 

Das Wort Gericht ist verlinkt: 1  Gerichts Gottes.   Gericht der Heiden

Uebrigens liess die Psalmen, wenn Du etwas verstehen willst, wie es dem Überrest Israels in der Drangsalszeit ergehet, und welche Gefühle und Eindrücke die Christen jetzt  haben, die dem Herrn wirklich nachfolgen. Dann siehst Du natürlich auch in den sogenannten  messianischen Psalmen, wie Christus selbst für uns im Gericht war.

Wen  Du Interesse hast, kann ich Dir etwas über die Psalmeinteilung schreiben. Lass es mich einfach wissen. HP.

 

Einleitung

Das Buch der Psalmen hat augenscheinlich einen be­sonderen Charakter. Es enthält nicht die Geschichte des Volkes Gottes oder der Wege Gottes mit diesem, auch nicht die Mitteilung bestimmter Lehren oder Pflichten noch die förmliche prophetische Ankündigung zukünf­tiger Ereignisse. Ohne Zweifel wird auf viele wichtige Begebenheiten in den Psalmen angespielt, sie stehen auch in unmittelbarem Zusammenhang mit verschiedenen pro­phetischen Offenbarungen, wie auch mit Belehrungen und mit all den übrigen Teilen des göttlichen Wortes, die wir bereits behandelt haben; aber nichts hiervon bildet den eigentlichen Charakter dieses Buches. Die Gegen­stände, mit denen sich die erwähnten verschiedenen Teile der Schrift beschäftigen, finden notwendigerweise ihren Platz in den Gedanken, die in den Psalmen ausgedrückt sind, aber diese handeln nicht unmittelbar davon.

Fast alle Psalmen sind der Ausdruck der Gefühle, die in den Herzen des Volkes Gottes durch die Ereignisse hervorgebracht werden, durch die dieses Volk geht, oder richtiger gesagt, sie sind der im voraus für diese Heiligen bereitete Ausdruck ihrer Gefühle in jenen Umständen; und in der Tat drücken sie nicht allein die Gefühle des Volkes Gottes aus, sondern, wie wir wissen, oft auch die des Herrn Selbst, Sie sind der Ausdruck des Anteils, den der Geist Gottes, der in den Herzen der Heiligen wirkt, an ihren Leiden und Prüfungen nimmt. Die Wirk­samkeit des Geistes steht in Verbindung mit all den Prüfungen, durch die sie gehen, und mit der menschlichen Schwachheit, die in der Prüfungen zutage tritt, indem sie so inmitten derselben Glaubens- und Wahrheitsgedanken liefert als Hilfsquelle für die Heiligem in allen ihren Begegnissen. Wir finden daher in diesem Buche die Hoff­nungen, die Befürchtungen, den Schmerz und das Gott­vertrauen, die je nachdem die Seele der Heiligen erfüllen - manchmal auch den Anteil, den der Herr persönlich an diesen Gefühlen nimmt (und zwar hier und da mit Ausschluß von allen anderen außer Ihm Selbst), sowie den Platz, den Er eingenommen hat, um also an ihnen teilnehmen zu können. Daher ist zur richtigen Beurtei­lung der wahren Tragweite und Anwendung der Psalmen ein reiferes geistliches Urteil erforderlich, als für andere Teile der Schrift, weil wir fähig sein müssen, den Cha­rakter der Verwaltung der Zeiten zu verstehen, wodurch sie hervorgerufen wurden, sowie auch den wahren Platz vor Gott zu beurteilen, den jene Gläubigen einnehmen, deren Herzensbedürfnisse sich in ihnen ausgedrückt fin­den; und dies ist um so schwieriger, weil die Umstände, der Zustand und das Verhältnis zu Gott bei dem Volke, dessen Gefühle sie ausdrücken, andere sind als die, in denen wir uns befinden. Die Frömmigkeit, die die Psal­men atmen, ist erbaulich für alle Zeiten; das Vertrauen zu Gott, das sie oft inmitten der Prüfung ausdrücken, hat das Herz manches Dieners Gottes in seiner eigenen Prüfung erquickt; und dieses Gefühl sollte sorgfältig be­wahrt und gepflegt werden. Doch gerade deshalb ist es um so wichtiger, daß unser geistliches Verständnis die Stellung erkenne, welcher die in den Psalmen ausge­drückten Gefühle entsprechen und welche der Frömmig­keit, die in ihnen gefunden wird, ihren besonderen Cha­rakter verleiht. Ohne dieses Verständnis geht die volle Kraft der Erlösung und die Tragweite des Evangeliums der Gnade Gottes unseren Seelen verloren; und viele Ausdrücke, die das christliche Gefühl oft verletzt haben, weil es deren wahre Tragweite und Anwendung nicht beachtete, bleiben dunkel und sogar unverständlich.

 

Das Herz, das sich in die in den Psalmen beschriebene Stellung versetzt, kommt zu Erfahrungen zurück, die einem gesetzlichen Zustand angehören, wo der Mensch steh unter der Züchtigung für die Sünde und in der Prüfung dieserhalb befindet; es kehrt zurück zu den Hoffnungen eines irdischen Volkes. Ein gesetzlicher und für einen Christen nicht dem Glauben entsprechender Zustand wird dann in der Seele als der richtige aner­kannt: man begnügt sich mit einem geistlichen Zustande, dem die Erkenntnis der Erlösung fehlt; und während man denkt, sich die Psalmen zunutze zu machen, erhält man sich in einem Seelenzustand, in welchem man des Verständnisses seiner eigenen Vorrechte und der rich­tigen Benutzung der Psalmen beraubt ist, und man wird unfähig, dieselben wirklich zu verstehen und sich an ihnen zu erquicken. Ja, was noch schlimmer ist, man be­raubt sich des so gesegneten und so tief belehrenden Verständnisses des zärtlichen und gnadenreichen Mit­gefühls Christi in seiner wahren und göttlichen An­wendung. Der selbstsüchtige Geist lernt, indem er sich die Psalmen zueignet, Christum nicht so kennen, wie Er ist und wie Er geoffenbart worden ist, und der Verlust ist wirklich groß. Eine Seele unter dem Gesetz findet zwar Tröstungen und Gnadendarreichungen in den Psal­men, weil dieselben gerade auf solche ihre Anwendung finden, die unter dem Gesetz stehen [und Seelen in die­sem Zustande sind oft dadurch erquickt worden); aber die Psalmen zu benutzen, um in diesem Zustand zu blei­ben, und sie vorzugsweise auf uns selbst anzuwenden, ist, ich wiederhole es, eine falsche Anwendung der­selben, wodurch wir die Kraft dessen, was uns in ihnen gegeben ist, verlieren, und uns der wahren geistlichen Stellung, in die uns das Evangelium bringt, berauben. Der Unterschied ist einfach und in die Augen springend. Gemeinschaft mit dem Vater ist in den Psalmen nicht dargestellt und kann es nicht sein, und wir leben außer­halb dieser Gemeinschaft, wenn wir in den Psalmen leben, obwohl Gehorsam und vertrauensvolle Abhängig­keit stets der richtige Weg für uns sind.

 

Ich beabsichtige, in dieser Betrachtung der Psalmen zunächst das Buch im Ganzen und dann jeden einzelnen Psalm für sich zu untersuchen, um so ein allgemeines Bild davon zu geben. Am besten wird es wohl sein, so zu verfahren, wie ich es in den Büchern, die wir bereits betrachtet haben, versucht habe (obschon der Charakter des Buches der Psalmen dies schwieriger macht): nämlich, die Absicht und den Zweck des Geistes Gottes darzu­stellen, dagegen die Betrachtung des Ausdrucks einer kostbaren Frömmigkeit, den das Buch enthält, dem Her­zen zu überlassen, das allein fähig ist, sie richtig zu würdigen, dem Herzen nämlich, das sich durch die Gnade des Geistes Gottes von Jesu nährt.

 

Die Psalmen und die in ihnen ausgedrückten Wir­kungen des Geistes Gottes gründen sich sämtlich auf die Hoffnungen und Befürchtungen Israels und beziehen sich in ihrer eigentlichen Anwendung und wahren Kraft auf die Umstände Judas und Israels, und zwar, wie ich sogleich hinzufügen möchte, auf deren Umstände in den letzten Tagen, welch letztere allerdings, was den inneren Zustand der Dinge betrifft, schon mit der Verwerfung Christi ihren Anfang nahmen. Die Frömmigkeit und das Gottvertrauen, wovon die Psalmen voll sind, finden ohne Zweifel ein Echo in jedem gläubigen Herzen, aber die Übungen der Seele, wie sie hier dargestellt werden, fin­den in der Mitte Israels statt. Die Richtigkeit dessen, was wir hier über die Psalmen sagen, wird durch das Lesen derselben klar dargetan werden und wird durch den Apostel Paulus bestätigt, wenn er nach der Anfüh­rung einiger Psalmen sagt: „Wir wissen aber, daß alles, was das Gesetz sagt, es denen sagt, die unter dem Ge­setz sind" (Rom. 3, 19).

 

Die Psalmen nehmen also Bezug auf Juda und Israel sowie auf die Stellung, in der sich diejenigen befinden, die zu Juda und Israel gehören. Ihr hauptsächlicher Cha­rakter ist der Ausdruck der Wirksamkeit des Geistes Christi, sei es hinsichtlich des Überrestes oder i n dem Überrest der Juden* (oder Israels) in den letzten Tagen. Der Geist Christi tritt in alle ihre Kümmernisse ein, indem Er Ausdruck gibt ihren Bekenntnissen, ihrem gläubigen Vertrauen, ihren Hoffnungen und Befürch­tungen, ihrer Dankbarkeit für erfahrene Errettungen - mit einem Wort, jeder Übung ihrer Herzen in den Um ständen, in denen sie sich in den letzten Tagen befinden werden. Und so finden diese Gläubigen in den Psalmen die Leitung, die Zustimmung und die Teilnahme des Geistes Christi sowie den Ausdruck des Wirkens dieses Geistes in ihnen und selbst in Christo.

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* Dies kennzeichnet die Psalmen in so bestimmter Weise, daß es in der Tat sehr wenige Psalmen gibt - selbst unter denen, die sich prophetisch auf Christum beziehen -, in welchen der Überrest nicht gefunden wird.

 

Überdies zeigen uns die Psalmen den Platz, den Chri­stus Selbst, als Er auf der Erde war, in der Mitte dieser Gläubigen einnahm, um sie Seines Mitgefühls teilhaftig und ihre Errettung möglich zu machen und um ihrem Vertrauen auf Gott, obwohl sie gegen Ihn gesündigt hatten, eine gerechte Grundlage zu verleihen. Die Psal­men reden nicht, wie die Briefe, von der Kraft Seines Werkes, sondern in den Psalmen, die sich auf Christum beziehen, werden Seine Gefühle bei der Vollbrin­gung desselben dargestellt. Sie deuten uns auch den Platz an, den Er, nach Seiner Verwerfung, im Himmel und schließlich auf dem Thron des Reiches einnimmt; aber außer Seiner gegenwärtigen Erhöhung (welche nur erwähnt wird als eine Tatsache, die notwendig ist, um Israels schließliche Errettung herbeizuführen und der­selben ihren wahren Charakter zu verleihen) ist alles, was von dem Herrn in Seiner Verbindung mit Israel geoffenbart wird, nicht in Form einer Erzählung mitge­teilt, sondern als Ausdruck Seiner eigenen Gefühle in bezug auf den Platz, welchen Er eingenommen hat, wie dies mit dem Überrest selbst der Fall sein wird. Dieser Zug ist es, welcher den Psalmen sein bestimmtes Ge­präge aufdrückt und sie so wichtig macht.

 

Die Psalmen lehren uns, daß Christus in die ganze Tiefe der Leiden eintrat und dadurch zum Gefäß der Gnade wurde, welche an denen, die durch diese Leiden zu gehen haben, den innigsten Anteil nimmt; und zwar betrat Er diesen Weg, um für sie zu sorgen und ihre Sache vor Gott zu vertreten. Auf dem Pfade Seiner eige­nen Erniedrigung empfing Er die Zunge der Belehrten, um zu wissen, den Müden durch ein Wort aufzurichten (Jes. 50, 4). Sie waren Sünder und konnten keinen An­spruch auf Schonung machen, noch auf irgendeine Gunst rechnen, die sie hätte befreien und wiederherstellen können. Wenn Er nicht für sie gelitten hätte, so hätten sie die Leiden, durch die sie zu gehen hatten, erdulden müssen in dem Bewußtsein ihrer Schuld, ohne auf die Gnade Gottes vertrauen zu können. Doch das waren nicht die Gedanken Gottes über sie; Er wollte sie er­retten, und Christus trat in Gnade in ihre Mitte. Er übernahm die Schuld derer, die errettet werden sollten; das war stellvertretendes Leiden, ein Leiden an ihrer Statt. Zugleich trat Er in völligem Gehorsam und voll­kommener Liebe in die Leiden ein, durch welche sie zu gehen hatten. Als der Gehorsame unterzog Er Sich diesen Leiden, um durch die Versöhnung die Kraft der erretten­den Gnade Gottes denen zuzuwenden, die selbst in die­sen Leiden sein sollten, und um dadurch der Bürge ihrer Errettung aus den Leiden zu werden, als Der, der für sie einstand und ihre Hoffnung in denselben aufrecht hielt, damit sie nicht erliegen möchten.

 

Nichtsdestoweniger müssen die Gläubigen des Über­restes nach den gerechten Wegen Gottes durch Leiden gehen wegen ihrer Torheit und Bosheit, um innerlich davon gereinigt zu werden. In alle diese Leiden trat Chri­stus ein (wie Er auch ihre Sünden getragen hat), um für sie darin eine Quelle des Lebens und eine Stütze ihres Glaubens sein zu können, wenn von außen die Hand des Unterdrückers schwer auf ihnen lasten und von in­nen das Gefühl ihrer Schuld sie schrecken würde, und daher kein anderes Gefühl von göttlicher Gunst für sie übrigbleiben würde, als daß Einer, der ihnen diese Gunst gesichert hatte und sie ihnen zuwenden konnte, ihre Sache vor Gott übernommen hatte und für sie durch die Leiden gegangen war. Allerdings wird die ganze Kraft Seines Werkes zu ihrer Errettung (in dem Tode jenes einen Menschen für das Volk) nicht eher von ihnen erkannt werden, bis sie Den anschauen, den sie durchstochen haben. Das Volk, und namentlich der Über­rest, wird wegen seiner Treue (denn die übrigen werden sich, um Ruhe zu haben, mit den abgöttischen Heiden verbinden) nach der Absicht Gottes der tiefsten Trüb­sal überlassen werden, welche, als ein Weg der Re­gierung Gottes, sie durch Gnade zu dem Gefühl ihrer Schuld bringen wird, indem sie das Gesetz gebrochen und den Messias verworfen und gekreuzigt haben. Auf diese Weise werden sie in Wahrheit erkennen lernen, was jeder von ihnen ist, und werden sich in Lauterkeit des Herzens vor Jehova beugen, an dem sie sich versündigt haben, und werden sagen: „Gelobt sei, der da kommt im Namen Jehovas!"

 

Doch obschon die Befreiung und ein noch besseres Heil nicht vor diesem Zeitpunkt kommen wird, kann Chri­stus doch kraft des Werkes, das Er vollbracht hat, um dieses Heil zu bewirken, ihre Seelen unterstützen und sie zu diesem Heile leiten; und das ist es gerade, was Er in den Psalmen tut. Sie sind Seine Sprache z u oder viel­mehr i n ihren Seelen, wenn sie in der Not sind; zuweilen sehen wir in ihnen auch, wie Er diese Sprache gelernt hat. Daher kommt es auch, daß Seelen, die noch unter dem Gesetz sind, so viel Trost für sich selbst darin fin­den. Niemand möge, beiläufig bemerkt, denken, daß das tiefe Herzensinteresse an diesen Leiden Christi verloren­gehe, wenn man aus der Stellung unter dem Gesetz in die Stellung unter der Gnade gelangt. Ganz im Gegenteil; denn anstatt die Psalmen nur selbstsüchtig für meine eigenen Bedürfnisse und Leiden zu benutzen (obwohl gewiß in richtiger Weise), werde ich mich, wenn ich unter der Gnade stehe, in anbetender Betrachtung und glück­licher Liebe in alle Leiden Christi versenken, mit dem tieferen Verständnis, das durch Seinen in mir wohnen­den Geist gewirkt ist. Jetzt kann ich in Frieden, da Er droben ist, zurückblicken und mit von Gott bewirktem Interesse und Verständnis (wie gering auch das Maß des­selben sein mag) all die Leiden überblicken, durch die Er hienieden gegangen ist, als Er diesen „Weg des Lebens" in Liebe zu uns verfolgte und dahinschritt durch eine Welt der Sünde und des Wehes, in der Er Gott ver­herrlichte, ja Selbst durch den Tod ging und so zu der Ihm gebührenden Herrlichkeit gelangte, in der Er jetzt weilt. Christus tröstet und ermuntert Seine Jünger in Johannes 14, obwohl Er gewiß nicht zu ihnen redet, als wären sie unter dem Gesetz; aber Er sagt am Schluß:

„Wenn ihr mich liebtet, so würdet ihr euch freuen, daß ich zum Vater gehe." Wenn wir unter dem Gesetz sind, so können uns die Psalmen wohl in einer für uns nützlichen Trübsal trösten; unter der Gnade aber ge­nießen wir von ihnen als solche, die Christum lieben, und wir tun dies mit göttlichem Verständnis.

 

Kehren wir jedoch zu unserem Gegenstand zurück. Die wichtige Grundlage, die gelegt werden mußte, um das Mitgefühl möglich zu machen, bestand darin, daß Christus da nicht verschont wurde, wo der Überrest Israels verschont werden wird *, weil Er die ganze Strafe für die Schuld und das Böse tragen mußte; anders konnte Er den Überrest nicht gerechterweise und zu Gottes Ver­herrlichung retten. So mußte Christus persönlich und völlig durch die Leiden gehen, und Er tat dies im Geiste; und außerdem mußte Er für die Schuld Sühnung tun. Er ist durch die Leiden gegangen in Gemeinschaft mit Gott (mit alleiniger Ausnahme des Versöhnungswerkes); und nun wendet Er die ganze Gnade und Gunst Gottes, die Sein Teil waren [alles, was Gott für Ihn war in den Leiden), mittels des Versöhnungswerkes denen zu, die ebenfalls durch Leiden gehen sollen, auf daß sie all die Gnadengedanken Gottes im Blick auf sich kennen mö­gen, wenn sie sich in Trübsal befinden, selbst dann, wenn dichte Finsternis sie umgibt. Doch man wird fragen:

Wie ist dies möglich, solange sie noch nicht gelernt ha­ben, daß Gott in dem Versöhnungswerk für sie ist? Nun, gerade diese Psalmen, die in alle Einzelheiten eingehen, sind das Mittel, um sie zu jener Erkenntnis zu führen, gemäß Jesaja 50, das wir bereits anführten. In Wirklichkeit befinden sich manche Christen in diesem Zustand: sie klammern sich an die Verheißungen, fühlen ihre Sünden, werden durch Hoffnung ermutigt, sehen die Güte Gottes, benutzen die Psalmen als für sie pas­send und kennen weder Erlösung noch Frieden.

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* In dem Tode Christi vereinigen sich die verschiedenen Arten Seiner Leiden, seien es die Leiden um der Gerechtig­keit willen und zu dem Zweck, um Mitleid haben zu können mit denen, die unter der Regierung Gottes leiden, oder seien es Seine Leiden zur Ausführung Seines Versöhnungswerkes. Die letztgenannten Leiden finden ihr Vorbild in dem Brand- und Sündopfer (vgl. Hebr. 9), die ersten, der Ausdruck und die Erprobung der Vollkommenheit Christi, in dem Speis­opfer. Christus litt auf Seinem ganzen Wege bis zum Tode. Außerdem aber tat Er Sühnung für die Sünde. Manche von dem Überrest mögen ebenfalls leiden bis zum Tode als solche, die in den Prüfungen unter dieser Regierung Gottes treu erfunden werden; aber dann werden sie, gleich Christo, eine bessere Auferstehung erlangen. Selbstverständlich sind die sühnenden Leiden ausschließlich das Teil Christi.

 

Die Psalmen gehören also eigentlich Israel *, und zwar dem treuen Überrest in Israel. Das ist der erste all­gemeine Grundsatz, den das Wort selbst aufstellt, wie wir dies in dem Ausspruch des Apostels Paulus in Römer 3 gesehen haben: was sie sagen, sagen sie zu denen, „die unter dem Gesetz sind". Die nähere Betrachtung der Psalmen selbst wird uns noch andere, sehr klare und bestimmte Beweise hierfür geben. Die Psalmen unter­scheiden den Treuen und Gottseligen nach dem Gesetz von dem übrigen Teil des Volkes (wie in ps. 73), ja, sie beginnen mit dieser Unterscheidung (ps. l): „Nicht so die Gesetzlosen" (V. 4), und: „Die Sünder werden nicht be­stehen in der Gemeinde der Gerechten" (V. 5). Auch Jesaja lehrt dieselbe Wahrheit mit gleicher Entschieden­heit (vgl. Jes. 48, 22; 57, 21). Der charakteristische Gegen­stand der Psalmen ist der treue gläubige Überrest, die Gerechten in Israel (siehe ps. 16, 3 und viele andere Stel­len). Deshalb finden wir in ihnen das Teil und die Hoffnung Israels. In Psalm l wird dies klar und bestimmt dargestellt. Aber es ist die Hoffnung eines Überrests, dessen Teil von Anfang an in schärfster Weise von dem der Gottlosen unterschieden wird.

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* Ich meine hier Israel im Gegensatz zu der Kirche und den Heiden; wenn wir später auf Einzelheiten eingehen, so werden wir Juda und Israel unterschieden finden.

 

Ferner ist es augenscheinlich, daß es der Geist Christi, der Geist der Weissagung ist, der hier redet; dies ist der zweite allgemeine Grundsatz. Das will sagen: es ist der Geist Christi, der an dem Zustand des treuen Über­restes Israels Anteil nimmt; dieser Geist spricht von zu­künftigen Dingen, als wären sie gegenwärtig, wie dies bei den Propheten immer der Fall ist. Deshalb ist es aber nicht weniger wahr, daß es ein Geist der Weissagung ist, der von der Zukunft spricht und sich in diesem Cha­rakter an vielen Stellen deutlich offenbart. Wenn aber der Geist Christi an dem Überrest Israels Anteil nimmt, so mußten Christi eigene Leiden angekündigt werden; denn sie waren der volle Beweis für diese Anteilnahme, und ohne sie würde jene kraft- und wirkungslos gewesen sein. So finden wir denn auch tatsächlich in den Psalmen die rührendsten Ausdrücke von den Leiden Christi, nicht geschichtlich, sondern so wie Er sie zur Zeit fühlte, gleich­sam ausgesprochen von Seinen eigenen Lippen in dem Augenblick, da Er sie erduldete *. Es ist immer der Geist Christi, der da redet (vgl. 1. Petr. 1. 11), indem Er Selbst teilnimmt an der Trübsal und dem Schmerz Seines Vol­kes, sei es durch Seinen Geist i n ihnen oder indem Er Selbst für sie leidet als einziges Mittel zur Rettung eines geliebten, aber schuldigen Volkes angesichts des gerechten Gerichts Gottes. Hieraus sehen wir, wie be­wunderungswürdig passend die Sprache der Psalmen in einem Punkte ist, auf den ich später noch näher zurück­kommen werde. In den Psalmen, die in besonderer Weise von dem Versöhnungswerke reden, ist Christus allein, und so steht Sein Werk unantastbar da. In denen, die von Leiden sprechen, die ihrer Natur nach nicht sühnend sind, selbst wenn sie bis zum Tode gehen, mögen ge­wisse Teile auf Christum persönlich anwendbar sein, weil Er persönlich jene Leiden durchkostete; aber in an­deren Teilen derselben Psalmen werden auch die Hei­ligen eingeführt, weil sie ihren Anteil an diesen Leiden haben werden; und so werden uns Seine persönlichen Leiden vorgestellt, aber auch Sein Mitgefühl wird zu­gesichert.

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* Daher die Innigkeit der hier ausgedrückten Gefühle und das besondere Interesse, das die Psalmen erwecken. Sie sind sozusagen die Herzschläge Christi, wogegen wir die Ge­schichte Seiner äußeren Unistände, das Ganze Seines Lebens in Beziehung zu Gott und den Menschen, mit einem Wort:

die ganze äußere Darstellung Christi und alle damit in Ver­bindung stehenden Wege Gottes, in den übrigen Teilen der Schrift finden.

 

Hiermit steht noch ein anderer Grundsatz in Verbin­dung, der das dritte charakteristische Merkmal der Psalmen bildet. Die Sünden des Volkes würden in den Herzen des Überrestes ein Hindernis bilden, um in sei­nen Trübsalen Vertrauen zu Gott haben zu können. Doch Gott allein kann sie retten, und zu Ihm müssen sie in Lauterkeit des Herzens aufblicken. Beides finden wir in den Psalmen: einerseits werden die Trübsale vor Gott gebracht mit dem Flehen um Rettung, und andererseits berufen sich die Heiligen auf ihre Lauterkeit, unter gleich­zeitigem Sündenbekenntnis. Indem Christus, wie wir gesehen haben, in ihre Leiden eingetreten ist und Süh­nung getan hat, kann Er sie zu Gott führen trotz ihrer Sünden und auch wegen ihrer Sünden. Vielleicht kennen sie anfänglich die volle Vergebung in Wirklichkeit nicht, aber sie wenden sich in dem Gefühl der Gnade, geleitet durch den Geist Christi, zu dem Gott der Rettungen, und zwar in Ausdrücken, die Er gerade in diesen Psalmen für sie vorgesehen hat, indem sie zugleich ihre Sünden bekennen. [Wie viele Seelen befinden sich, was ihr prak­tisches Leben betrifft, in diesem Zustande*!) Die Gläu­bigen des Überrestes „nehmen Worte mit sich und keh­ren um zu Jehova" (Hos. 14, 2). Vergebung wird ihnen auch dargeboten. Da der Geist Christi lebendig in ihnen ist (d. h. als ein Grundsatz des Lebens) und ihnen einen festen Herzensvorsatz gegeben hat, so können sie sich durch das Bekenntnis ihrer Sünden ohne Heuchelei auf ihre Lauterkeit und Treue vor Gott berufen. Aber der Gedanke an Gnade, als Grund ihrer Hoffnung, geht immer dem Gedanken an Gerechtigkeit voraus. Dem We­sen nach ist alles dieses wahr von jeder erneuerten Seele, die noch nicht die Freiheit kennengelernt hat, die durch die volle Erkenntnis der Erlösung erlangt wird. Die Psalmen geben niemals dieser Freiheit Ausdruck, außer in einigen Stellen der Lobgesänge am Schlüsse des Buches und am Ende einiger anderer Psalmen; aber selbst in diesen Stellen handelt es sich nur um irdische Rettung oder Vergebung.

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* Es ist der Zustand des verlorenen Sohnes vor der Be­gegnung mit seinem Vater, der Zustand einer jeden Seele, der Sich Gott als Licht und Liebe in Christo geoffenbart hat, die aber das Erlösungswerk und die Annahme in Christo noch nicht kennt. Vertrauen ist da, aber kein Friede.

 

Mit einem Wort denn: die Psalmen sind der Ausdruck des Geistes Christi (sei es in dem Überrest der Juden oder des ganzen Israel, sei es in Seiner eigenen Person, indem Er für sie leidet) im Blick auf die Ratschlüsse Gottes über Sein auserwähltes irdisches Volk. Und da diese Ratschlüsse ganz besonders in den letzten Tagen zur Ausführung kommen werden, so sind die Psalmen der Ausdruck des Geistes Christi in diesem Überrest inmitten der Ereignisse, die in jenen Tagen eintreten wer­den, wenn Gott wieder anfangen wird, Sich mit Seinem irdischen Volke zu beschäftigen. Die mit diesen Ereignis­sen verbundenen inneren Leiden sind mehr oder weniger in der Geschichte Christi auf Erden verwirklicht worden; und Er ist, sei es in Seinem Leben oder mehr noch in Seinem Tode, eng verbunden mit den Interessen und dem Schicksal dieses Überrestes. In der Geschichte Christi sehen wir, daß Er Sich schon zur Zeit Seiner Taufe durch Johannes mit denen eins machte, die diesen Überrest bil­deten; nicht mit der unbußfertigen Menge in Israel, son­dern mit der ersten Regung des Geistes in diesen „Herr­lichen der Erde", durch die sie dahin geführt wurden, die Wahrheit Gottes in dem Munde des Johannes anzuerken­nen und sich dieser zu unterwerfen. Nun, in diesem Über­rest werden die dem Volke Israel gegebenen Verhei­ßungen in Erfüllung gehen, so daß die Gefühle und die Hoffnungen dieser Heiligen, obwohl sie nur einen Über­rest bilden, diejenigen der Nation sind. Auf dem Kreuze blieb Jesus als der einzig wahre Treue vor Gott in Israel übrig - die persönliche Grundlage des ganzen Überrestes, der errettet werden sollte, wie auch der Vollbringer des Werkes, auf das ihre Errettung gegründet werden konnte.

 

Es bleiben noch einige allgemeine Bemerkungen über einen Punkt übrig, den ich bereits hervorgehoben habe. Obwohl diese Bemerkungen größtenteils aus den Psal­men selbst geschöpft sind, werden sie uns doch durch das Licht, das auch die Evangelien darauf werfen, behilf­lich sein, den Geist des ganzen Buches zu erfassen und in den Sinn mancher Psalmen im einzelnen einzudringen. Ich meine die Leiden Christi. Wir haben schon gesehen, daß das Buch uns den Überrest, seine Drangsale, seine Hoffnungen und seine Errettung, sowie Christi Ver­einigung mit dem in diesem allem vor Augen stellt. Christus ist in ihre Drangsale eingetreten, Er will ihr Retter sein und hat das Sühnungswerk vollbracht, das die Grundlage ihrer Errettung bildet; es ist ja auch die Grundlage der Errettung für jede lebendige Seele - aber Er starb für dieses Volk (Job. 11, 51). Zweifellos strahlt Seine Vollkommenheit aus Seinem ganzen Werke her­vor; aber hier haben wir die Verbindung ins Auge zu fassen, in der Sein Werk mit Israel und der ganzen Erde steht, obwohl Seine persönliche Erhöhung in den Himmel erwähnt wird, woraus die schließliche Rettung Israels hervorgeht. Wir haben hier nicht das Geheimnis der Versammlung zu suchen, das zu jener Zeit „in Gott ver­borgen" war, noch Christum in Seinen Verbindungen mit der Versammlung. Die Psalmen zeigen uns in der herrlichsten Weise alle irdischen Erfahrungen Christi und Seines Volkes, die der Geist Christi uns vor­stellen wollte. Wir müssen uns zum Neuen Testament wenden (zu dem Brief an die Philipper zum Beispiel und anderen Teilen), um die himmlischen Erfah­rungen derer zu finden, die Er erlöst hat.

 

Christus ist durch jede Art von Seelenleiden hindurch­gegangen, die das menschliche Herz durchmachen kann; Er ist in allem versucht worden in gleicher Weise wie wir, ausgenommen die Sünde. Auch trägt nichts an sei­nem Platz reichere Früchte als die Versenkung des Herzens in die Betrachtung der Leiden des hochgelobten Erlösers; nur muß man nicht zu lange bei den Leiden selbst verweilen oder sie völlig getrennt von der gött­lichen Seite Seines Charakters betrachten, sonst wird die Betrachtung nutzlos oder gar schädlich, weil sie nur ein ganz fleischliches Gefühl hervorbringen würde. Nie­mals hat ein Mensch gelitten wie Er; niemals glich ein Leiden dem Seinigen. Die Psalmen werden uns Seine Leiden vor Augen führen; ich will deshalb hier nicht weiter darauf eingehen. In diesen einleitenden Bemerkungen möchte ich nur kurz auf die Grundsätze hin­weisen, nach denen, und auf die Stellungen, in denen Er litt. Ich denke, es gibt deren drei: Er litt zunächst von Seiten der Menschen um der Gerechtigkeit und der Liebe willen, um des Zeugnisses willen, das Er von dem, was gut war, ablegte, indem Er Gott Zeugnis gab und Ihn offenbarte. Sodann litt Er von selten Gottes für die Sünde. Diese beiden verschiedenen Seiten der Leiden Christi sind einfach und klar für jedes gläubige Herz. Die dritte Art von Leiden erfordert indes zu ihrem Ver­ständnis ein aufmerksameres Eingehen auf die Schrift. Es wird von den Wegen Jehovas mit Israel gesagt: „In all ihrer Bedrängnis war er bedrängt, und der Engel sei­nes Angesichts hat sie gerettet" (Jes. 63, 9). Dieses Wort ist in besonderer Weise erfüllt worden (und wird be­treffs seiner letzten Hälfte noch erfüllt werden) in Chri­sto: Jehova trat als Mensch in die Mitte Israels. Aber die Leiden Israels, wenigstens des Überrests der Juden, nehmen am Ende einen besonderen Charakter an. Diese Gläubigen befinden sich dann unter dem Druck heid­nischer Macht, umgeben von der ausgeprägtesten Un­gerechtigkeit und Bosheit in Israel selbst; doch werden sie durch Lauterkeit des Herzens gekennzeichnet (und das gerade macht sie zum Überrest). Aber aus eben die­sem Grunde haben sie auch ein Bewußtsein von den vor­handenen allgemeinen Folgen der Sünde unter der Re­gierung Gottes und der Macht Satans und des Todes; und sie leiden darunter. Da die Rettung, die sie aus diesem Zustande befreit, noch nicht gekommen ist, so ist ihr Geist unter dem Gewicht dieser Dinge niedergebeugt. Auch in diese Trübsal ist Christus völlig eingetreten.

 

Während Seines ganzen Lebens, selbst bis zum Tode, hat Christus von Seiten der Menschen um der Ge­rechtigkeit willen gelitten (siehe in bezug hier­auf Psalm 11 und andere). Außerdem litt Er am Kreuze von selten Gottes für die Sünde, trank den Kelch des Zornes für die Sünde, den Kelch, den Sein Vater Ihm zu trinken gegeben hatte. Doch außer diesen beiden Arten von Leiden trug Er in Seiner Seele am Ende Sei­nes Lebens (man kann sagen vom Passahmahl an) all die Not und Trübsal, die durch die Regierung Gottes über die Juden kommen wird - nicht die Verdammnis, aber doch die Folge der Sünde. Ohne Zweifel hatte Er sie vorausempfunden und insofern bereits gefühlt, wie Er in Johannes 12, 27 das Ihn erwartende Kreuz vorausempfand; aber jetzt trat Er in diese Leiden ein. Es war jetzt, wie Er sagt, die Stunde des abtrünnigen Israel und die Macht der Finsternis. Aber noch blickte Er im Gefühl Seiner Treue zu Seinem Vater auf; noch war Er nicht von Gott verlassen. Er konnte Sich noch an den Menschen wenden, daß er mit Ihm wachen möge; aber was konnte Ihm ein solches Wachen helfen, als der Zorn Gottes auf Ihm lag?

 

Der unterscheidende Charakter dieser verschiedenen Arten von Leiden geht für jeden, der von Gott unter­wiesen ist, aus der eingehenden Betrachtung der Psal­men, die bald von der einen, bald von der anderen Art reden, klar hervor. So werden wir sehen, daß Christus, wenn Er von Seiten der Menschen leidet, nach Ausübung der Rache an dem Menschen verlangt, indem Er durch Sei­nen Geist in oder für Israel spricht; in diesem Falle sehen wir oft auch andere mit Ihm leiden. Wenn Er dagegen von seilen Gottes leidet, so ist Er ganz allein, und die Folgen sind unvermischter Segen und völlige Gnade. Was das Leiden von selten der Menschen betrifft, so können wir das Vorrecht haben, auch in dieser Weise zu leiden, indem wir die Gemeinschaft Seiner Leiden erfahren; aber die Leiden von selten Gottes, unter dem göttlichen Zorn, hat Er erduldet, damit wir niemals auch nur einen Tropfen aus diesem Kelch empfangen möchten; dies würde für uns ewiges Verderben bedeutet haben. In den Leiden, die Er unter der Macht des Satan, der Finster­nis und des Todes erduldete, als die Stunde noch nicht da war, in der Er den Kelch des Zornes trank - außer dem, was die Majestät Gottes im Blick hierauf erforderte (siehe Hebr. 2,10) -, litt Er, um mit den Juden an ihren Trübsalen teilzunehmen, in die sie durch ihre Lauter­keit, und doch noch in ihren Sünden, kommen werden. Jede erweckte Seele unter dem Gesetz wird darin Trost finden. Alle diese Leiden sind in den Psalmen zum Ausdruck gebracht, sowohl im Blick auf Christum als auch auf Israel. Doch infolge der Verwerfung des Messias kamen die Juden zu völligem Untergang und zum Ver­lust aller Verheißungen (mit Ausnahme der unum­schränkten Gnade], und der Überrest als solcher gelangte zu Prüfung und Trübsal.

 

Obschon nun alle drei Arten von Leiden wesentlich verschieden und in ihrem Charakter deutlich erkennbar und jede von besonderer Wichtigkeit sind, so trafen sie doch am Ende des Lebens Christi alle zusammen in den Leiden Seiner letzten Stunden - außer daß Christus, als Er aus Gethsemane kam, wie ich glaube, das Anstürmen der Macht Satans gegen Seine Seele bereits durchgemacht und überwunden hatte; aber auf dem Kreuze litt Er von selten der Menschen für die Gerechtigkeit, und von seiten Gottes nur für die Sünde. Ich bin überzeugt, daß dieses letztere Leiden, als es völlig auf Seiner Seele lastete, zu tief war, als daß es möglich gewesen wäre, daß Er viel von dem anderen Leiden oder von irgend etwas sonst gefühlt hätte.

 

Nach diesen allgemeinen Bemerkungen, die mir zum Verständnis des Buches notwendig erschienen, wollen wir jetzt mit des Herrn Hilfe den Inhalt der einzelnen Psalmen untersuchen. Möge Er beide, mich und meinen Leser, darin leiten! Wenn die Psalmen uns die Leiden Christi und Sein Interesse an Seinem Volke auf der Erde schildern, so geziemt es sich für uns, sie mit Ehrerbietung und doch mit kindlichem Vertrauen zu erforschen, und - wie wir es immer tun sollten - auf Seine Unterweisung zu warten, damit wir in unseren Forschungen geleitet und belehrt werden. Die Stellen, die von dem reden, was Christus fühlte, sollten mit vertrauender Liebe, aber auch mit heiliger Ehrfurcht behandelt werden.

 

Es ist allgemein bekannt, daß die Psalmen in fünf Bücher eingeteilt sind, und zwar endet das erste mit Psalm 41, das zweite mit Psalm 72, das dritte mit Psalm 89, das vierte mit Psalm 106 und das fünfte mit Psalm 150. Ein jedes dieser Bücher ist, wie ich nicht bezweifle, durch einen besonderen Gegenstand von den anderen unterschieden. Unsere Betrachtung der in jedem Buch enthaltenen Psalmen wird uns eine volle Einsicht in den Charakter der verschiedenen Bücher verschaffen; doch mag es gut sein, schon an dieser Stelle einen allgemeinen Überblick über ihren Inhalt zu geben.

 

Der Gegenstand des ersten Buches ist der Zustand des jüdischen Überrestes, bevor er aus Jerusalem ver­trieben ist. Wir finden daher Christum Selbst in Ver­bindung mit diesem Überrest, ja, tatsächlich enthält das erste Buch mehr von dieser persönlichen Geschichte Christi, als alle übrigen zusammengenommen. Dies ist leicht zu verstehen. Christus ging mit dem Überrest ein und aus, während dieser noch mit Jerusalem in Verbin­dung stand. Ich gebrauchte vorhin den Ausdruck „jüdi­scher Überrest" im Gegensatz zu Israel oder dem gan­zen Volke.

 

Im zweiten Buch wird der Überrest betrachtet als aus Jerusalem vertrieben; Christus nimmt selbstverständ­lich diesen Platz mit dem Überrest ein und gibt ihm den wahren Platz der Hoffnung in diesen Umständen. Die Einführung Christi versetzt jedoch diese Gläubigen, pro­phetisch betrachtet, wieder in die Stellung ihrer Bezie­hung zu Jehova, als ein Volk vor Gott (ps. 45 u. 46). Vor diesem Zeitpunkt sprechen sie, aus Jerusalem vertrieben, mehr von Gott (Elohim) als von Jehova, denn sie haben die Bundes-Segnungen verloren; aber dadurch lernen sie Ihn viel besser kennen. Ich zweifle nicht daran, daß die geschichtlichen Umstände des Lebens Christi Ihm Ge­legenheit boten, praktisch und persönlich in das Gefühl dieses Zustandes des Volkes einzutreten, obschon dies selbstverständlich geschichtlich weniger Sein Platz ist. In Psalm 51 erkennt der Überrest die Schuld der Nation (genauer, die Schuld der Juden), Christum verworfen zu haben, an *.

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* Wir werden finden, daß die beiden ersten Bücher von den drei letzten in etwa verschieden sind. Während die beiden ersten mehr Christum persönlich unter den Juden vorstellen, haben es die drei letzten mehr mit dem Volk und dessen Geschichte zu tun. Somit schließt der 72. Psalm, der letzte der beiden ersten Bücher, mit der Regierung Salomos.

 

Im dritten Buch haben wir die Befreiung und Wiederherstellung Israels als Nation und die Wege Got­tes mit diesem Volke, indem Jerusalem am Schluß den Mittelpunkt des Segens und der Regierung Gottes bildet. Die furchtbare Wirkung der Tatsache, daß sie unter dem Gesetz sind, und andererseits die Vereinigung aller Gnadenerweisungen in Christo finden sich in den Psalmen 88 und 89 dargestellt, die mit dem Flehen um Erweisung der Gütigkeiten Jehovas enden. Die auserwählende Gnade, wie sie sich in dem Königtum kundgibt zur Ret­tung des Volkes, wenn alles verloren ist, wird in Psalm 78 vorgestellt.

 

Im vierten Buch finden wir J e h o v a als die Wohn­stätte Israels zu allen Zeiten. Israel wird durch das Kom­men Jehovas befreit. Von diesem Buche kann man, sei­nem Hauptinhalt nach, sagen, daß es die Einführung des Eingeborenen in die Welt ist. Da Jehova immer der Wohnort Israels gewesen ist, erwartet Israel die Rettung durch Ihn. Deshalb werden die Namen Gottes, die Er bei Abraham und im Tausendjährigen Reiche trägt, nämlich „Allmächtiger" und „Allerhöchster", hier eingeführt. Und wo sind diese zu finden? Der Messias sagt: Ich suche sie in Jehova, dem Gott Israels. In Jehova wird der Aller­höchste und der Allmächtige gefunden. Daher wird das Gericht über die Gottlosen kommen, und die Gerechten werden befreit werden. Die göttliche Natur des einst ver­worfenen Messias wird eingeführt als die Grundlage Seiner Teilhaberschaft an den Segnungen der letzten Tage, obschon Er einst hinweggetan wurde. Er ist der un­veränderliche, lebendige Jehova, der Schöpfer. Dann kommt der Segen über Israel und über die Schöpfung und das Gericht der Heiden, damit Israel die Verhei­ßungen genießen möge. Aber es ist dieselbe Gnade, die Israel so oft verschont hat.

 

Das letzte Buch hat einen allgemeineren Charakter. Es ist eine Art von Nutzanwendung im Blick auf alles Vorhergehende; es schließt mit triumphierendem Lobe. Nachdem es von den Einzelheiten der Wiederherstellung Israels, durch Schwierigkeiten und Gefahren hindurch, geredet hat, sowie von Gottes Anrechten auf das ganze Land, von der Gottseligkeit des antichristlichen Werkzeugs des Feindes, von der Erhöhung des Messias zur Rechten Jehovas, bis Seine Feinde zu Seinem Fußschemel gemacht werden, und endlich davon, daß Sein irdisches Volk willig gemacht sein wird am Tage Seiner Macht - gibt uns dieses Buch einen Rückblick auf Gottes Wege, eine Darstellung des ganzen Zustandes Israels, alles des­sen, was dieses Volk durchgemacht hat, sowie der Grund­sätze, auf denen es vor Gott steht, indem das Gesetz in ihre Herzen geschrieben ist. Zum Schluß folgen Lobge­sänge.

 

Wie diese kurze Übersicht gezeigt haben wird, und wie die Einzelheiten, auf die wir jetzt eingehen wollen, noch klarer zeigen werden, gibt es in den Psalmen weit mehr Ordnung, als gewöhnlich von denen angenommen wird, die jeden Psalm als ein für sich alleinstehendes Lied, als einen Ausdruck persönlicher Frömmigkeit, betrachten. Die Psalmen sind allerdings nicht wie andere Teile der Schrift zu einer fortlaufenden Abhandlung oder Ge­schichte verbunden, aber sie bringen in einer geregelten und geordneten Weise verschiedene Teile desselben Ge­genstandes zur Darstellung, nämlich, wie wir gesehen haben, die Lage des Überrestes der Juden oder Israels in den letzten Tagen sowie ihre Gefühle und die Vereini­gung des Messias mit ihnen. Diese Gegenstände werden in bestgeordneter Weise behandelt. Der Geist Gottes, der ebensosehr die Zusammenfügung, den Bau der ganzen Schrift überwacht, wie deren Inhalt eingegeben hat, hat auch diesem besonderen Teile derselben den unverkenn­baren Stempel Seiner Hand aufgedrückt. Wer diese gött­lichen Gesänge, die das Werk verschiedener Verfasser sind und zu ^ verschiedenen Zeiten geschrieben wurden, zusammengestellt hat, maße ich mir nicht an zu sagen. Das mag die Gelehrsamkeit der Theologen zu erforschen suchen; aber das Ergebnis kann, denke ich, für diejenigen, die in das Verständnis der Psalmen eindringen, keinen Zweifel darüber bestehen lassen, wessen Macht in ihnen gewirkt hat.

 

Ich habe in allgemeinen Zügen den Gegenstand eines jeden der fünf Bücher angedeutet. Die Verschiedenheit des Gegenstandes, die sich mir bei dem Studium der Psalmen aufdrängte, hat mich geleitet, das ganze Buch in dieser Weise einzuteilen, bevor meine Aufmerksamkeit auf die bekannte Tatsache gelenkt wurde, daß in der hebräischen Bibel die nämliche Einteilung gemacht ist. Auch in den Einzelheiten eines jeden Buches werden wir dieselbe Ordnung wiederfinden. Diese Ordnung in dem ersten Buche und der Inhalt der einzelnen Psalmen des­selben werden uns zunächst beschäftigen.