Text vom 07.08.2002
Die geistliche Trunkenheit der Christen
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Ausgewählt und übersetzt
von Michael Beyer
Luther hat sich im akademischen Lehrbetrieb der Wittenberger
Theologischen Fakultät zwischen 1535 und 1545 vor allem der Auslegung
des 1. Buches Mose gewidmet. Der Umfang dieser monumentalen Vorlesung
beläuft sich innerhalb der Weimarer Ausgabe auf drei Bände (WA 42-44).
Da Luther die Kirche als Volk des dreieinigen Gottes zu allen Zeiten
auf dem Wege sah, ist es nicht verwunderlich, wenn er sie auch im
Alten Testament vorfand, vor allem christologisch deutbare Stellen im
Sinne einer Kirchengeschichte verstand und dabei auch die eigentliche,
die nachpfingstliche Kirchengeschichte einbezog. (Quelle WA 44, 761,
31 - 762, 13; 762, 20-34. 763, 4-7.)
Folgendermaßen verstehe ich diese Bibelstelle: In Christus und zur
Zeit Christi müssen wir trunken werden durch die Früchte seines Hauses
(Psalm 36, 9), d.h. wir sollen durch das Hören des Wortes den Heiligen
Geist empfangen und so zu anderen Menschen werden. Ein trunkener
Mensch gibt sich ganz anders als einer, der nüchtern ist und hungrig:
der eine lacht und freut sich, jubelt, singt und jauchzt, der andere
ist verärgert, traurig und klagt.
Wegen dieser Früchte freut sich Jakob; er freut für sich selbst wie
für alle seine Nachkommen und sagt: Er wird seinen Esel an den
Weinstock binden ...; Jakob sagt es, als wollte er sagen: So wird sie
sein, die Herrschaft Christi: Christus wird nicht durch Gesetz und
Schwert - das Werkzeug des Gesetzes - regieren und so die Menschen
traurig, mager und matt machen und sie verzweifeln lassen, sondern er
wird seine Untertanen mit seinen Gütern trunken machen, wird sie
aufheitern: Ganz andere Leute werden das sein! Vollkommen verwandelt!
Nicht mit Spreu wird er sie abspeisen, sondern mit den besten
Weintrauben nähren, so daß sie toll und voll werden. Ihre Trunkenheit
wird aber eine geistliche Trunkenheit sein, so daß sie von den übrigen
Leuten wahrgenommen und beurteilt würden wie seinerzeit die Apostel zu
Pfingsten: vermeintlich betrunken von süßem Wein (Apostelgeschichte 2,
13).
Handeln sie denn nicht ganz unbesonnen, der Petrus und die anderen
Apostel, als sie aufstehen und lehren, obwohl dafür keine Erlaubnis
der zuständigen geistlichen oder weltlichen Behörde vorliegt? Aber sie
sind voll des Heiligen Geistes, sind Getriebene, müssen einfach rasen,
durch die Gassen von Jerusalem, und Christus predigen, den
Gekreuzigten, dessen Name beim ganzen Volk nicht gelitten war. Ja die
Apostel werfen dem Volk vor, ungerechterweise Gewalt und Grausamkeit
an dem Gerechten geübt zu haben, als sie Christus kreuzigten.
Überhaupt keine Ehrfurcht haben die Apostel vor den Priestern und
Ältesten und fürchten ihre Gewalt nicht. Und dann, als sie bestraft
und verhöhnt werden und es ihnen verboten wird, überhaupt noch den
Namen Jesu in den Mund zu nehmen, da gehen sie fröhlich von der
Behörde weg, weil sie würdig gewesen waren, um Christi Namen willen
Leid auf sich zu nehmen. [...]
Danach aber fallen sie auf gleiche Weise in das römische Imperium ein
und stellen den Götzendienst der Römer, Griechen und Ägypter an den
Pranger. Dabei geben sie sich so, als wären sie die Herren der ganzen
Welt. Sie treten vor Könige und Fürsten und predigen ihnen drohenden
Untergang, es sei denn, die Herrscher schenken der Lehre vom
gekreuzigten und auferstandenen Christus Gehör. Die Christen brauchen
sich nicht wundern, wenn man sie deshalb kurzerhand totschlägt! Sie
spotten über die Majestät und Macht des römischen Reiches und aller
anderen Völker. Und nicht nur Männer wie die Apostel und ihre Schüler,
nein, auch Frauen sind dabei. Und sie alle entwickeln ein solches
Selbstvertrauen, daß sie keine Strafe fürchten, sind so stolz und
trotzig, daß sie sich nicht sorgen, auch wenn man sie verbrennt und
ersäuft. Sind sie nicht toll und voll? Was steckt dahinter, daß diese
höchst bedauernswerten, ärmlichen Menschen, diese Fischer, ja sogar
Ehefrauen und junge Mädchen den Kampf aufnehmen mit einer so starken
Herrschaft wie sie damals das Römische Reich darstellte, ausgestattet
mit Reichtümern und Gütern aller Art? Da konnte die Vernunft nur
sagen: Irre, völlig irre! Auch weise Leute schüttelten nur die
Köpfe:Von Furien sind die gejagt! Was sie treibt, das ist Raserei!
[...]
So ist sie ... die Trunkenheit des Glaubens und der Verheißungen des
Heiligen Geistes, den Gott in reicher Fülle ausgegossen hat zur Zeit
des Messias, ein Geist, der gepredigt hat und ausgestreut, daß sie
alle angefüllt wurden durch den Heiligen Geist, Tod und Teufel
verachteten und alles Übel überwanden. |
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Text vom 29.09.2005
Luther lehrt, wie man richtig stirbt
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Übersetzt und kommentiert
von Martin Treu
Das letzte Tabu unserer Gegenwart ist der Umgang mit dem Tod. Seine
Verdrängung aus der gesellschaftlichen Öffentlichkeit wie dem eigenen
Leben gehört zu den unausgesprochenen Grundvoraussetzungen unserer
Zeit.
Das ausgehende Mittelalter dagegen beschäftigte sich ausführlich mit
der "Kunst, richtig zu sterben". Luthers 1519 erstmals erschienene
Schrift steht in dieser Tradition, setzt aber eigene Akzente. Sie
lässt die später verworfene Anrufung der Heiligen noch ebenso zu wie
die letzte Ölung. Jedoch geht es im Grunde immer nur um Gottes
rettendes Handeln in Christus. Gleichzeitig ist es für Luther klar,
dass das Sterben um so einfacher wird, je mehr man sich im Leben mit
dem Tod befasst hat. Passiert das erst in der Todesstunde, dann werden
die Ängste und Zweifel, die Luther Sünde und Hölle nennt, übermächtig.
Das kleine Werk gehört zu Luthers frühen schriftstellerischen
Erfolgen. Bis 1525 wurde es 21mal aufgelegt und zwei Übersetzung ins
Lateinische entstanden. Die Bibelzitate weichen in ihrer Form von der
uns geläufigen ab, da die Übersetzung des Alten Testaments von Luther
erst 1534 vollendet wurde.
WA 2,696 f
Gott hat geboten, wenn wir beten wollen, dass wir fest darauf
vertrauen, dass geschehe, was wir erbitten und dass unser ‚Amen'(Hebräisch:
So sei es.) wahrhaftig sei. Dieses Gebot muss man Gott aufzwingen und
sagen: Mein Gott, du hast befohlen zu beten und zu glauben, dass die
Bitte erhört wird. Daraufhin bete ich, und verlasse ich mich darauf,
dass du mich nicht verlässt und mir einen rechten Glauben gibst.
Außerdem soll man sein ganzes Leben lang Gott und seine Heiligen für
einen rechten Glauben in der letzten Stunde bitten, so wie am
Pfingsttag passend gesungen wird: "Nun bitten wir den Heiligen Geist,
um den rechten Glauben allermeist, wenn wir heimfahren aus diesem
Elende usw."
Wenn aber die Sterbestunde da ist, da soll man Gott an dieses
lebenslange Gebet erinnern, daneben auch an sein Befehlen und Zusagen,
und soll nicht daran zweifeln, dass er erhört. Denn da Gott geboten
hat zu bitten und ihm im Gebet zu vertrauen, dazu die Gnade zum Bitten
gegeben hat, wie sollte man dann zweifeln, dass er das alles nur
deshalb getan hat, weil er erhören und erfüllen will. [...]
Sieh doch, was soll dir dein Gott mehr geben, damit du den Tod willig
annimmst, ihn nicht fürchtest und damit überwindest, als dies: Er
zeigt und gibt dir in Christus das Bild des Lebens, der Gnade und der
Seligkeit, damit du nicht vor dem Bild des Todes, der Sünde und der
Hölle erschrickst. Außerdem legt er deinen Tod, deine Sünde und deine
Hölle auf seinen liebsten Sohn. So überwindet er sie für dich und
macht sie für dich unschädlich.
Schließlich lässt er dein Angefochtensein durch Tod, Sünde und Hölle
über seinen Sohn ergehen und lehrt dich, wie du darin erhalten wirst,
dass Tod, Sünde und Hölle dir unschädlich und ertragbar sind. Für all
dieses gibt er dir ein untrügliches Wahrzeichen, damit du nie daran
zweifelst: Das sind die heiligen Sakramente. Er befiehlt seinen
Engeln, allen Heiligen, allen Geschöpfen, dass mit ihm zusammen auf
dich achten, deine Seele behüten und sie empfangen. Er befiehlt, du
sollst dies von ihm erbitten und der Erhörung gewiss sein. Was kann
oder sollte er mehr tun?
Daran erkennst du, dass er ein wahrer Gott ist und wahrhaftig große,
göttliche Werke mit dir zusammen wirkt. Warum sollte er dir nicht
etwas Großes auferlegen, wie es das Sterben ist, wenn er gleichzeitig
so große Unterstützung, Hilfe und Stärke hinzu tut, damit er erprobe,
was seine Gnade vermag, wie Psalm 111,2 geschrieben steht: "Groß sind
die Werke des Herrn und auserwählt nach seinem Wohlgefallen." Deswegen
muss man darauf sehen, dass man immerzu mit großer Freude des
Herzens seinem göttlichen Willen danke, dass er mit uns gegen Tod,
Sünde und Hölle auf so wunderbare, reichliche und unermessliche Weise
Gnade und Barmherzigkeit übt, und sich nicht so sehr vor dem Tod
fürchten, sondern allein Gottes Gnade preisen und lieben, denn die
Liebe und das Lob erleichtern das Sterben sehr, wie Gott durch Jesaja
48, 9 sagt: "Ich will deinen Mund aufzäumen mit meinem Lob, damit du
nicht untergehst."
Dazu verhelfe uns Gott. Amen |
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Einges Kurt R. |