Die Echtheit der
letzten zwölf Verse
des
Markusevangeliums
In der
englischen Revised Version von
1881
wurde in Markus
16
zwischen dem Ende des achten Verses und dem Beginn von Vers
9
ein Zwischenraum gelassen, und eine Randbemerkung teilt uns mit: "Die beiden
ältesten griechischen Manuskripte sowie einige andere Zeugen lassen von Vers
9
bis zum Ende alles aus. Noch andere Zeugen haben einen anderen Schluss des
Evangeliums." Eine ganze Reihe anderer Bibelübersetzungen jüngeren Datums
haben eine ähnliche Fußnote, und als Ergebnis davon sind viele heutige Leser
geneigt zu glauben, diese Verse seien unecht.
Seit der Zeit
von Griesbachs zweiter Auflage des Neuen Testaments (1806)
wurde es bei den Bibelgelehrten mehr und mehr Mode, die Echtheit von Markus
16,9-20
in Frage zu stellen. Es wird behauptet, das Zeugnis der griechischen
Manuskripte sowie das der frühchristlichen Schreiber mache es unmöglich, diese
Verse als von Markus stammend zu betrachten. Außerdem wird argumentiert,
Unterschiede bei Vokabular und Stil führe zu der gleichen Schlussfolgerung.
Man nimmt an,
der letzte Teil des Evangeliums sei schon früh verloren gegangen und eine
spätere Hand habe das jetzige Ende hinzu gefügt. Vor Griesbach ließen die
Gelehrten diese Verse im Text stehen und verteidigten ihre Echtheit, z. B.
Mill
1707,
Bengel
1734,
Wetstein
1751
und Alter
1787.
Birch stellte sie
1788
zur Diskussion, behielt sie aber in seinem Text bei. Matthaei verteidigte sie
1788
eifrig. Griesbach nahm an, der heutige Schluss sei noch vor dem Ende des
zweiten Jahrhunderts von einem unbekannten Schreiber hinzu gefügt worden und
eine ganze Manuskriptfamilie sei von dieser Quelle entsprungen. Gemäß
Griesbach existierten andere Handschriften ohne diese Verse und führten zum
Entstehen der Manuskriptgruppe, die das Evangelium mit den Worten: "denn sie
fürchteten sich" enden lässt. Nur diese Handschriften repräsentieren seiner
Meinung nach den autentischen Text.
Hug (1808)
und Scholz (1830)
verteidigten beide die Echtheit der Verse, die Griesbach verwarf. Lachmann
nahm das Prinzip des sich Stützens auf eine kleine Gruppe der ältesten
Manuskripte an (ungeachtet des nicht zufrieden stellenden Charakters dieser
Zeugen) und ließ alles spätere Beweismaterial unbeachtet. Sein Text erschien
1842
ohne die diskutierten Verse, weil der Codex Vaticanus und einige andere alte
Handschriften sie nicht aufweisen. Ihm folgten Tischendorf, Tregelles und
Dekan Alford. Tregelles debattierte nicht ihre Inspiration, leugnete aber,
dass sie ein Teil des ursprünglichen Evangeliums sind - eine unmögliche
Haltung!
Erzbischof
Thompson in seinem "biblischen Wörterbuch", T. S. Green in seiner
"weiterentwickelten Kritik", Professor Norton in seinem Werk: "Die Echtheit
der Evangelien", Professor Westcott in seiner "Einführung ins Studium der
Evangelien" und Meyer in seinem "kritischen Kommentar" - sie alle leugnen die
Echtheit dieser Verse. Ihrem Beispiel folgten viele Gelehrte des
20.
Jahrhunderts, und deren feindliche Beurteilung wird von vielen ohne Rückfragen
übernommen, die bekennen, evangelikale Christen zu sein und eine ehrfürchtige
Beziehung zur Inspiration und Autorität der Heiligen Schrift zu haben.
Eine erneute
Prüfung des Beweismaterials zeigt auf, dass ihre Beurteilung falsch ist und
dass die diskutierten Verse mit Fug und Recht ihren angestammten Platz im
Markusevangelium haben. Es ist ganz offensichtlich, dass irgend ein
Abschreiber eine Abschrift des Markusevangeliums im dritten Jahrhundert
unbeendet ließ und dass diese unvollkommene Handschrift die Ursache für eine
kleine Anzahl beschädigter Abschriften ist, die bis in unsere Zeit hinein
erhalten geblieben sind. Die überwältigende Mehrheit aller Manuskripte enthält
die fraglichen Verse.
Das Zeugnis der
frühchristlichen Schriftsteller
Außer einiger
Fragmente stammen die ältesten Manuskripte aus dem vierten Jahrhundert. Es
sind aber noch die Schriften von hundert oder mehr Schriftstellern eines viel
früheren Zeitabschnittes vorhanden, die den Inhalt von Handschriften des Neuen
Testaments bezeugen, die viel älter sind als alles, was wir heute besitzen.
Aus der Zeit von
300
bis
600
n. Chr. besitzen wir verhältnismäßig wenig Handschriften des Neuen Testaments.
Ungefähr
200
Schriftsteller aus dem gleichen Zeitabschnitt zitieren aber aus Manuskripten,
die zu ihrer Zeit vorhanden waren, aber nicht überlebt haben.
Es ist wahr,
dass viele von ihnen frei und aus dem Gedächtnis heraus zitieren, aber selbst
eine ganz allgemeine Anspielung auf unsere Verse wäre schon ein ausreichender
Beweis dafür, dass der frühe Schriftsteller mit ihren Worten vertraut war und
dass er sie in Handschriften vorfand, die damals im Gebrauch waren. Solche
Anspielungen findet man z. B. in den Schriften von Papias (100
n. Chr.) und Justin dem Märtyrer. Justin zitiert
151
n. Chr. den letzten Vers unseres Abschnittes. Man beachte: Dies
geschieht innerhalb von
50
Jahren nach dem Tod des letzten Apostels.
Irenäus zitiert und
kommentiert
180
n. Chr. Vers
19.
Hippolyt zitiert in der Zeit
zwischen
190
und
227
n. Chr. die Verse
17
und
18.
Vincentius zitiert auf dem siebten Konzil zu Karthago
256
n. Chr. im Beisein von
87
afrikanischen Bischöfen die Verse
17
und
18.
Ungefähr
150
Jahre später zitiert Augustin den gleichen Abschnitt. Das "Evangelium des
Nikodemus" enthält die Verse
15,
16,
17
und
18.
Die "Apostolischen Konstitutionen" aus dem dritten oder vierten Jahrhundert
zitieren Vers
16
so, wie er im Textus Receptus steht. Eusebius war
325
n. Chr. mit den letzten
12
Versen vertraut. Die Homilie des Aphraates (337
n. Chr.) zitiert die Verse
16,
17
und
18.
Ambrosius, der Bischof von Mailand, zitiert
374
bis
397
n. Chr. die Verse
15,
16,
17,
18
und
20.
Chrysostomus zitiert
400
n. Chr. die Verse
19
und
20
und fügt hinzu: "Dies ist das Ende des Evangeliums." Hieronymus (331-420
n. Chr.) behält den fraglichen Abschnitt bei. Der Irrlehrer Nestorius zitiert
Vers
20,
und Cyrill von Alexandria nimmt das Zitat auf und kommentiert es kurz vor
430
n. Chr. Und Viktor von Antiochien bezeugt
425
n. Chr. ausdrücklich die Echtheit unseres Abschnittes.
Diese Zeugen
gehören jedem Teil der alten Kirche an, und wenigstens sieben von ihnen sind
älteren Datums als unsere ältesten Manuskripte.
Viele heutige
Kritiker führen Gregor von Nyssa, Hesychius, Severus von Antiochien, Eusebius,
Viktor von Antiochien und Hieronymus als Markus
16,9-20
feindlich gegenüber stehend an. Gregor und Severus zitieren aber lediglich die
Worte von Hesychius. Viktor zitiert Eusebius und widerlegt ihn, und
Hieronymus übersetzt nur, ohne den Worten Eusebius' beizupflichten. So
steht Eusebius noch allein da, und eine Überprüfung seines Zeugnisses belegt,
dass er das Vorhandensein der fraglichen Verse in vielen Manuskripten seiner
Zeit nicht leugnet. Eusebius erwähnt, dass einige Leute aufgrund der
scheinbaren Diskrepanzen zwischen den abschließenden Teilen der Evangelien
geneigt sind, den Schlussvers von Markus auszuschließen. Viktor weist deutlich
darauf hin, dass die Worte in der palästinensischen Markusabschrift standen.
Das Zeugnis der
frühen Bibelübersetzungen
Das Neue
Testament wurde schon in einem sehr frühen Zeitabschnitt auf syrisch,
lateinisch, gotisch, äthiopisch usw. übersetzt. Einige dieser Übersetzungen
wurden von griechischen Handschriften angefertigt, die älter waren als alles,
was wir heute besitzen. Aus diesem Grund können sie uns auch erzählen, was die
Gelehrten vor der Zeit unserer ältesten Manuskripte in ihrem Neuen Testament
vorfanden. In der syrischen Peschitta aus dem zweiten Jahrhundert, im
Cureton-Syrer aus dem dritten Jahrhundert, im philoxenianischen Syrer aus dem
fünften Jahrhundert, in der lateinischen Übersetzung des Hieronymus aus dem
vierten Jahrhundert, in der altlateinischen Übersetzung aus dem zweiten
Jahrhundert, in der gotischen Bibel aus dem vierten Jahrhundert, in der
äthiopischen Übersetzung aus dem vierten oder fünften Jahrhundert, in der
Übersetzung von Theben aus dem dritten Jahrhundert, in Handschriften der
armenischen Bibel aus dem fünften Jahrhundert - in all diesen alten
Übersetzungen finden wir den Beweis dafür, dass die Übersetzer die fraglichen
Verse in den griechischen Handschriften, die ihnen zur Verfügung standen,
vorfanden. Die meisten dieser alten Übersetzungen wurden lange vor der
Niederschrift der Codici Vaticanus und Sinaiticus hergestellt. Die
griechischen Handschriften, die von den Übersetzern im zweiten und dritten
Jahrhundert benutzt wurden, enthielten die letzten zwölf Verse des
Markusevangeliums, wohingegen die griechischen Handschriften, die die
Schreiber der Codici Vaticanus und Sinaiticus benutzten, unvollständig waren.
Das Zeugnis der
griechischen Manuskripte
Die
überwältigende Mehrheit aller Manuskripte enthält die fraglichen Verse,
während sie von zwei sehr alten Handschriften ausgelassen werden, nämlich dem
Codex Vaticanus und dem Codex Sinaiticus, die beide aus dem vierten
Jahrhundert stammen. Im
19.
Jahrhundert untersuchte ein Gelehrter
20
alte Manuskripte in Unzialschrift und ungefähr
600
Manuskripte in Kursivschrift und stellte fest, das nur die beiden gerade
erwähnten Manuskripte vom Textus Receptus abweichen.
Der Codex
Alexandrinus und der Codex C, die vielleicht
50
Jahre später als die beiden schon erwähnten Manuskripte niedergeschrieben
wurden, enthalten unsere Verse. Der Codex Bezae (D), der mit den beiden
schadhaften Manuskripten oft übereinstimmt, trennt sich an dieser Stelle von
ihnen und nimmt die Verse auf. Es ist ganz offensichtlich, dass die Codici
Sinaiticus und Vaticanus an dieser Stelle, wie das auch in vielen anderen
Abschnitten der Fall ist, einen verstümmelten Text darbieten.
Diese beiden
Manuskripte sind trotz ihres Alters in vielerlei Hinsicht schadhaft und wenig
vertrauenswürdig. Sie wurden unsorgfältig und mit zahlreichen Auslassungen
niedergeschrieben. Der Codex Vaticanus lässt allein in den Evangelien
1.491mal
Wörter und Satzteile aus, wobei sich der größte Anteil dieser Auslassungen im
Markusevangelium findet. Der Codex Sinaiticus ist "nicht in einem
beispiellosen, aber glücklicherweise in einem für Dokumente erstklassiger
Bedeutung ungewöhnlichen Ausmaß mit Lese- und Schreibfehlern" angefüllt. Diese
beiden Dokumente weisen Merkmale eines gemeinsamen Ursprungs in einer früheren
schadhaften Handschrift auf.
Falsche Zeugen
Der Codex
Vaticanus hört am Ende von Vers
8
abrupt auf, aber der Schreiber lässt einen freien Raum, der groß genug ist, um
die fehlenden Verse unter zu bringen. Es ist sehr wahrscheinlich, dass er
wusste, dass in der Handschrift, die er vor sich hatte, ein Teil fehlte.
Im Codex
Sinaiticus wurde die Doppelseite, die das Ende des Markusevangeliums und den
Anfang des Lukasevangeliums enthielt, zu einem frühen Zeitpunkt entfernt und
mit den vier Seiten ersetzt, die unter Ausschluss von Markus
16,9-20
neu geschrieben wurden. Indem der Schreiber die Buchstaben und Zwischenräume
ein bisschen größer machte, war er in der Lage, seine verkürzte Fassung bis an
den Anfang der Spalte hinzuziehen, die Lukas
1
voraus geht. Den Rest seiner letzten Zeile füllte er mit einer
Ornamentverzierung auf, um sicher zu stellen, dass keine weitere Hinzufügung
gemacht werden kann, ohne dass dies sofort auffällt. Tischendorf, der
Entdecker des Codex Sinaiticus, behauptete, diese Seiten seien von dem
Schreiber des Codex Vaticanus verfasst worden. Das Beweismaterial deutet aber
schlicht nur darauf hin, dass einige frühe Manuskripte so endeten und dass die
Abschreiber selbst sich der Auslassung bewusst waren. Somit wird also
aufgezeigt, dass es sich bei diesen beiden Manuskripten um falsche Zeugen
handelt.
Die Randbemerkungen
in alten Handschriften
Die Kritiker
versichern uns, dass viele alte Manuskripte eine Randbemerkung enthalten, die
besagt, dass Markus
16,9-20
in vielen anderen Handschriften fehlt. Man findet Gelehrte, die ihre Vorgänger
zitieren, ohne dass sie sie auf die Richtigkeit ihrer Aussagen überprüft
haben. So behauptet z. B. Tregelles, dass eine Randbemerkung in
25
Handschriften darauf hinweist, dass diese Verse in den zuverlässigtsten
Handschriften fehlen. Allem Anschein nach wurde diese Aussage aus zweiter Hand
von Griesbach und Scholz
1830
zitiert. Scholz zitiert Griesbach falsch, und Griesbach zitiert Wetstein (1751)
und Birch falsch.
So macht Scholz
Griesbach nach, der sagt, zwei Manuskripte in Rom enthielten ein Sternchen
gegen Markus
16,9-20.
Nachforschungen ergeben, dass dort kein Sternchen steht, sondern ein
Kreuzchen, das den Leser auf eine Randbemerkung auf einer anderen Seite
verweist, auf der sich eine ähnliche Markierung befindet, unter der klar und
deutlich dargelegt wird, dass der Abschnitt echt ist. Dort befindet
sich auch eine Randbemerkung, die besagt, dass der Text in Jerusalem mit alten
und anerkannten Handschriften verglichen wurde.
Scholz
behauptet, die Codici Nr.
23,
34,
39
und
41
würden eine Randbemerkung von Severus von Aniochien enthalten, die besagt,
dass die "zuverlässigeren Handschriften mit Vers
8
enden". Dieser Behauptung sind andere blindlings gefolgt. Nummer
23
enthält eine solche Randbemerkung nicht. Nummer
41
hat eine Randbemerkung mit einem gegenteiligen Effekt - dass nämlich die
zuverlässigeren Handschriften diese Verse enthalten. Nummer
34
und
39
enthalten überhaupt keine Randbemerkung dieser Art. Wenn uns Tischendorf,
Tregelles und ihre Nachfolger und Imitatoren nun vor machen,
30
Manuskripte würden eine Randmerkung enthalten, die Markus
16,9-20
in Zweifel zieht, dann wiederholen sie nur die Fehler von anderen. Die meisten
dieser Manuskripte, auf die man sich bezieht, enthalten eine Randbemerkung,
die bestätigt, dass die Verse zum Markusevangelium gehören. Die Kritiker
können kein Beweismaterial vorlegen, dass das Markusevangelium, so wie es aus
der Hand seines Autors hervor ging, unvollkommen oder unvollendet war.
Das Argument von
Stil und Wortgebrauch
Einige moderne
Gelehrte weisen uns darauf hin, dass die charakteristischen Züge des Stils und
Wortgebrauchs von Markus in unserem Abschnitt fehlen. Sie liegen alle
vollständig daneben! Es ist vermessen, anhand von nur zwölf Versen eine
Abschätzung des "Stils" des Schreibers vorzunehmen, besonders dann, wenn der
Gegenstand einzigartig ist und nicht mit früheren Abschnitten über das gleiche
Thema verglichen werden kann. So sind z. B. die ersten fünf Verse von Lukas
ganz anders als der gesamte Rest seines Evangeliums. Das gleiche kann auch von
den ersten fünf Versen von Johannes gesagt werden. Kein einziger Kritiker ist
berechtigt, aufgrund eines solch dürftigen Beweismaterials ein Urteil zu
fällen!
Die Kritiker
stellen sich vor, dass der Wechsel von einer detailierten Beschreibung zu
locker miteinander verbundenen Notizen in Markus
16,9-20
darauf hinweist, dass nun ein anderer Autor schreibt. Warum nur? Ganz gewiss
kann doch ein Schreiber, der eine detailierte Beschreibung eines Wunders geben
kann, auch eine kurze Zusammenschau von Ereignissen darbieten, die auf die
Kreuzigung folgten, wenn es dabei viele ganz unterschiedliche Punkte gibt, die
gestreift werden müssen. Es ist zum Beispiel möglich, in Markus
16,9-20
und Markus
1,9-20
große Ähnlichkeiten im Stil aufzuzeigen.
1)
Alford verweist uns auf
16,9:
PROOTE SABBATOU für den ersten Tag der Woche im Vergleich mit MIAS SABBATOON
in
16,2.
Wenn wir aber Lukas
6,1.2.5.6.7
und
9
zum Vergleich heran ziehen, dann finden wir dreimal EN... SABBATOO, zweimal
TOIS SABBASIN und einmal TOU SABBATOU. Ähnliche Fälle könnten ohne weiteres
reichlich angeführt werden.
Es sollte auch
beachtet werden, dass MIAS SABBATOON in Markus
16,2
in jedem Evangelium nur einmal vorkommt. Dies war in Palästina ein ganz
gewöhnlicher Ausdruck, der aber in Rom und anderswo nicht so verbreitet war.
Man nimmt an, dass Markus seinen Bericht in Rom schrieb, und es scheint
wahrscheinlich, dass er vom Heiligen Geist dahin geführt wurde, beide
Ausdrücke zu benutzen, wobei einer den anderen erläutert.
2)
16,9:
"Von der er sieben Dämonen ausgetrieben hatte". Es wird darauf
hingewiesen, dass Maria Magdalena dreimal ohne diese Feststellung erwähnt wird
und dass der Verfasser das Festgestellte Lukas
8,2
entnommen habe. Bei Lukas ist die Reihenfolge aber anders. Außerdem wurde
Lukas später als Markus geschrieben. Vergleichen Sie dazu bitte Johannes
21,7,
wo sich Johannes kommentarlos als "der Jünger, den Jesus lieb hatte"
bezeichnet. In Johannes
21,20 fügt er
dann noch hinzu: "der sich auch beim Abendmahl an seine Brust gelehnt...
hatte".
3)
16,10.12.15:
POREUESTHAI erscheint in Markus
16,9-20
dreimal (ging hin, sich... begaben, geht hin), aber nirgendwo sonst im
Markusevangelium. Aus diesem Grund wird uns gesagt, dieser Abschnitt könne
nicht von Markus geschrieben worden sein. Markus gebraucht aber zusammen
gesetzte Formen dieses Verbes
24mal,
verglichen mit nur
19mal
in Matthäus, Lukas und Johannes zusammen genommen. Der Gebrauch dieses Wortes
in diesen drei Versen am Ende von Kapitel
16
sollte als Beweis für ihre Echtheit angesehen werden.
4)
16,15: "der
ganzen Schöpfung". Die Kritiker behaupten, ein derartiges Griechisch sei
paulinisch. Paulus gebraucht diese Formulierung aber nur ein einziges Mal
in Römer
8,22.
Warum sollte sie Markus dann nicht auch nur ein einziges Mal in Kapitel
16,15
gebrauchen? Das Wort für "Schöpfung" wird von Markus in Kapitel
10,6
und in Kapitel
13,19 gebraucht,
nicht aber von Matthäus, Lukas oder Johannes. Sein Vorhandensein an dieser
Stelle beweist die Echtheit unseres Abschnittes.
5)
16,19.20:
"der Herr". Es wird behauptet, diese Formulierung sei Markus fremd und
deshalb unecht. Markus nennt ihn aber nur ein einziges Mal "Jesus
Christus" (in Kapitel
1,1).
Das gleiche gilt auch für Matthäus und Johannes, aber niemand bezweifelt die
Echtheit der entsprechenden Kapitel, nur weil sie einen einzigartigen Ausdruck
enthalten.
6)
16,19: "wurde
aufgenommen". Dieses griechische Verb, so wird uns versichert, erscheint
nirgendwo sonst in den Evangelien. Markus gebraucht aber insgesamt
74
Verben, die sonst in den Evangelien an keiner Stelle erscheinen, und dieses
ist eins von ihnen. Auf jeden Fall beschreibt Markus etwas, auf das vorher
noch nicht Bezug genommen wurde, und deshalb ist dieses Wort auch für die
Himmelfahrt unseres Herrn angemessen.
7)
Die Abwesenheit von EUTHEOOS (alsbald) und PALIN (wieder), die beide im
Markusevangelium häufig vorkommen, werden als Beweis dafür angeführt, dass
unser Abschnitt unecht sein soll. Dieses Argument ist wertlos, denn "alsbald"
erscheint
12mal
in Kapitel
1,
6mal
in Kapitel
5,
5mal
in den Kapiteln
4
und
6,
aber nur einmal in den Kapiteln
3,
8,
10
und
15
und nicht ein einziges Mal in den Kapiteln
12,
13
und
16.
"Wieder" steht
6mal
in Kapitel
14,
5mal
in Kapitel
10
usw., aber nur einmal in den Kapiteln
4
und
5
und überhaupt nicht in den Kapiteln
1,
6,
9,
13
und
16.
Müssen wir denn nun alle diese Kapitel verwerfen, nur weil sie diese kleinen
Wörter nicht enthalten? Die Kritiker schlagen nicht vor, dass wir dies tun
sollten. Sie bestehen aber darauf, dass wir Markus
16,9-20
aufgrund einer solch bedeutungslosen Beweisführung verwerfen.
Die charakteristischen
Wörter von Markus, die in
diesen Versen stehen
8)
"Früh"
16,9.
Markus gebraucht dieses griechische Wort sechsmal und wesentlich häufiger als
Matthäus oder Johannes. Lukas gebraucht es nie.
9)
"Predigt das Evangelium"
16,15. Markus
und Matthäus gebrauchen den Ausdruck viermal, Lukas und Johannes überhaupt
nicht.
"Predigt" (KERÜSSEIN).
Markus benutzt dieses Wort zweimal häufiger als Matthäus und dreimal so häufig
wie Lukas.
"Evangelium" (EUANGELION)
steht im Markusevangelium zweimal häufiger als im Matthäusevangelium.
10)
"Offenbarte"
16,12.14
(FANEROUSTHAI). Dieses Wort wird von Markus auch in Kapitel
4,22
benutzt, aber nie von Matthäus oder Lukas.
11)
"Ihres Herzens Härtigkeit"
16,14. Diese
Formulierung benutzt Lukas oder Johannes nie, Matthäus nur einmal und Markus
zweimal, diesen Vers inbegriffen.
12)
"Überall"
16,20 (PANTACHOU)
wird von Matthäus oder Johannes nie, von Lukas nur einmal und von Markus
zweimal, diesen Vers mit eingeschlossen, gebraucht. Markus gebraucht darüber
hinaus in Kapitel
1,45
noch ein verwandtes Wort.
13)
"Sie werden sich wohl befinden"
16,18 (KALOOS
ECHOUSIN) ist charakteristisch für Markus.
14)
"Wird verdammt werden"
16,16 (KATAKRINOO,
nicht KRINOO). Die einfache Form wird von den anderen Evangelisten oft benutzt
(28mal),
aber nie von Markus, der häufiger als alle anderen die zusammengefügte Form
des Verbes gebraucht. So finden wir es auch in Kapitel
16,16 vor, und
so ist es charakteristisch für Markus.
Es könnten noch
andere Beispiele angeführt werden. Diese sind aber ausreichend, um
aufzuzeigen, dass die Argumente von Stil und Vokabular gegen die Echtheit
unseres Abschnittes jeglicher Grundlage entbehren. Das Beweismaterial belegt
seine Echtheit.
Ein Vergleich von
Markus
16,9-20
mit
1,9-20
Es besteht ein
wesentlicher Parallelismus zwischen Markus
16,9-20
und Markus
1,9-20,
des Offenbarwerdens unsers Herrn vor der Welt, seines Sieges über Satan, der
Gaben des Heiligen Geistes, der Predigt des Evangeliums, des Reiches Gottes
und der Berufung zum Dienst. Dies alles ist ein Hinweis darauf, dass der
Heilige Geist der Urheber des Schlusses wie auch des Anfangs des Evangeliums
ist und dass Markus beides niedergeschrieben hat.
Die Lektionare
In frühesten
Zeiten war es gängige Praxis, die Abschnitte der Evangelien zu markieren, die
für die Lesung im öffentlichen Gottesdienst bestimmt waren. Es ist ganz
offensichtlich, dass Handschriften der Evangelien, die so markiert waren und
die die fraglichen Verse enthielten, vor dem Konzil zu Nicäa in der gesamten
christlichen Welt im Gebrauch waren und dass diese zwölf Verse für die Lesung
am Ostersonntag und Himmelfahrtstag vorgesehen waren. Viele Handschriften
wurden speziell für die öffentliche Lesung hergestellt, und andere gewöhnliche
Handschriften enthalten am Anfang und am Ende jeder Lesung ein Hinweiszeichen
am Rand.
So enthalten
zum Beispiel einige alte Handschriften von Lukas einen Hinweis am Rand, der
den öffentlichen Vorleser belehrt, er solle die Verse
43
und
44
von Kapitel
22
auslassen, wenn er den Abschnitt für den Dienstag nach "Sexagesima" verliest,
da diese Verse im Anschluss an Matthäus
26,39 als Teil
der Lesung für den Donnerstag vor Ostern gelesen werden. Als Folge davon
lassen einige Manuskripte diese Verse in Lukas
22
aus. In vielen alten Handschriften, die für die öffentliche Lesung markiert
wurden, erscheint dort, wo die Lesung beginnt, das griechische Wort für
"Anfang" (ARCHE) in abgekürzter Form in roter Tinte am Rand oder im Text und
TELOS (Ende) am Ende der Lesung, ebenfalls in rot. In Markus
14,41 steht z.
B.: "... Es ist genug! Die Stunde ist gekommen..." Der Codex D aus dem vierten
Jahrhundert und verschiedene andere Codici lesen: "Es ist genug! Ende.
Die Stunde ist gekommen..." Die Randbemerkung TELOS (Ende) zeigt an, dass der
zu verlesende Abschnitt nach Vers
42
enden sollte, aber der Abschreiber nahm die Randbemerkung mit in den Text von
Vers
41
und statuierte damit ein Exempel, dem andere folgten.
Es ist durchaus
möglich, dass eine frühe Markushandschrift das gesamte
16.
Kapitel mit einer darauf hinweisenden Randbemerkung nach Vers
8
enthielt, der zu verlesende Abschnitt für den zweiten Sonntag nach Ostern
solle hier enden. Ein späterer Abschreiber könnte diese Randbemerkung dahin
gehend falsch ausgelegt haben, das Evangelium würde mit Vers
8
enden und die verbleibenden Worte seien nicht Teil des Evangeliums. So wurde
dieser Fehler dann in einer ganzen Reihe von Handschriften wiederholt, von
denen die schadhaften Manuskripte, auf die bereits Bezug genommen wurde,
Exemplare sind.
Der Codex
24
enthält ganz wenige solcher Randbemerkungen, aber nach Vers
8
steht deutlich TELOS geschrieben und nach Vers
20
wieder TELOS.
Der Einfluss von
Origenes
Der Kommentar
von Eusebius bedeutet lediglich: Die Verse
9
bis
20
fehlen in einigen Handschriften; die meisten Handschriften enthalten nach Vers
8
TELOS = Ende (genau so nach Vers
20),
und einige Leute waren bereit, das Problem der scheinbaren Unstimmigkeiten
zwischen Markus und den anderen Evangelisten dadurch zu lösen, dass sie den zu
verlesenden Abschnitt, in dem die fraglichen Verse stehen, verwarfen. Eusebius
entlehnte diesen Vorschlag einer älteren Schrift von Origenes, der
offensichtlich mit schadhaften Manuskripten wie den Codici Vaticanus und
Sinaiticus vertraut war.
Die
wahrscheinlichste Erklärung
Einige alte
Handschriften des vierfachen Evangeliums enthalten die Evangelien in der
Reihenfolge: Matthäus, Johannes, Lukas, Markus. So finden wir die Situation im
Codex Bezae (D) und in verschiedenen anderen Codici vor. Wenn zu irgendeiner
Zeit auch nur eine solche Handschrift Markus
16,8
am Ende der vorletzten und die restlichen Verse auf der letzten Seite stehen
hatte, so wäre dieser letzte Teil am ehesten möglichen Beschädigungen oder gar
Verlust ausgesetzt. Wenn nach Vers
8
TELOS in einer solchen Handschrift geschrieben stand, kann ein späterer
Abschreiber gut daraus gefolgert haben, er habe jetzt das gesamte Evangelium
vor sich und könne die neue Handschrift ohne ihr rechtmäßiges Ende belassen.
Zusammenfassung
1)
Obwohl viele Gelehrte des
19.
und
20.
Jahrhunderts unsere Verse verwerfen, interessiert uns mehr, was die Leser im
ersten, zweiten, dritten und vierten Jahrhundert in ihren Neuen Testamenten
vorfanden, und diesbezüglich haben wir ein erdrückendes Beweismaterial, dass
unsere Verse in den meisten alten Handschriften enthalten waren.
2)
Die beiden ältesten heute noch vorhandenen Handschriften sind keine
vertrauenswürdigen Repräsentanten des Textes der Heiligen Schrift, wie er in
frühesten Zeiten im Gebrauch war. Sie weisen in unserem Abschnitt einen
verstümmelten Text auf.
3)
Die meisten alten Handschriften, die meisten alten Schriftsteller sowie die
meisten alten Übersetzungen bezeugen die Echtheit unserer Verse.
4)
Die Argumente von Stil und Wortgebrauch, die in keinster Weise zur Verwerfung
unserer Verse führen, bestätigen im Gegenteil ihre Echtheit.
5)
Es gibt einfache und offensichtliche Erklärungen für das Nichtvorhandensein
unserer Verse in einigen frühen Handschriften:
a) Die frühe Einfügung
von "Ende" nach einem Abschnitt für die öffentliche Lesung.
b) Die frühe
Reihenfolge der Evangelien mit Markus am Ende, was dazu führte, dass die
letzte Seite ungeschützt blieb.
Schlussfolgerung
Unsere zur
Diskussion stehenden Verse sind Teil des inspirierten und heiligen Wortes
Gottes und sollten von der gesamten Gemeinde Gottes ehrfürchtig angenommen
werden.
In ihrer
Entschlossenheit, die Überlegenheit der Codici Vaticanus und Sinaiticus
hervorzuheben, haben die Bibelgelehrten des
19.
und
20.
Jahrhunderts diese
Dokumente auf einen Thron höchster Glaubwürdigkeit erhoben.
Als Folge davon werden die letzten zwölf
Verse des Markusevangeliums in neueren Bibelausgaben nur als späte und unechte
Zufügung zum ursprünglichen Text beibehalten.
Wir stehen auf
einer unendlich sichereren Grundlage, wenn wir darauf bestehen, dass das
gesamte Markusevangelium vom ersten Vers des ersten Kapitels bis zum Ende von
Vers
20
im
16.
Kapitel von Gott durch Inspiration gegeben wurde und als wesentlicher
Bestandteil der göttlichen Offenbarung zu respektieren ist.
(Trinitarische
Bibelgesellschaft, Tyndale House, Dorset Road, London SW19
3NN, England.
Deutsche Bearbeitung: Dieter Zimmer)