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Der Alexandrinische Texttyp unter der Lupe

 

von Wilbur N. Pickering

 

 

Weshalb auf Ägypten hören?

 

Während der letzten hundert Jahre war es für die neutestamentliche Kritik üblich, zu argumentieren, dass der Alexandrinische Texttyp der verlässlichste unter den vorhandenen sei, und dass er in jedem Versuch, den Originaltext des Neuen Testaments zu rekonstruieren, die größte Berücksichtigung erhalten sollte. Das war und ist weiterhin die vorherrschende Ansicht vieler Gelehrter. Eigentlich unterstützen alle, die eine UBS-Ausgabe (United Bible Society, UBS3) oder eine Nestle-Aland-Ausgabe des griechischen Textes benützen, diese Position, ebenso jeder, der eine Übersetzung benützt, die diese Textausgaben als Grundlage verwendet (d.h. fast alle modernen englischen und deutschen Übersetzungen). Das ist die de facto-Position der Internationalen Übersetzungsabteilung der Wycliff Bibelübersetzer, seit deren exegetische Hilfsmittel und semantische Strukturserien grundsätzlich UBS3 folgen.

 

Soweit die Fakten. Aber ist es eine gute Sache? Es bestehen über 6’000 Unterschiede zwischen UBS3 und der Byzantinischen Textform (auch „Mehrheitstext“ genannt), die von der überwältigenden Mehrheit der griechischen Manuskripte dargestellt wird. Nicht selten folgt UBS3 einigen ägyptischen Zeugen gegen die vereinte Stimme der übrigen Welt. Schlägt die Vernunft eine Infragestellung in diesem Punkt vor? Das ist die Überzeugung des Verfassers dieses Artikels.

 

Welche Forderung erhebt Ägypten an unser Vertrauen? Warum sollten wir auf Ägypten hören, wenn der Rest der Welt dagegen steht? Ich gehe vom Standpunkt all derer aus, die glauben, und/oder behaupten, dass das Neue Testament Gottes Wort ist. Warum sollte sich Gott um die Bereitstellung einer geschriebenen Offenbarung kümmern? Wenn es seine Absicht war, seine Mitteilung zu einem gegebenen Zeitpunkt der Geschichte auf eine einzelne Person, Gemeinschaft oder auf ein einzelnes Volk zu beschränken, würde er als Mittel vermutlich die gesprochene Sprache benützen. Wenn es seine Absicht war, alle Menschen und alle Generationen zu erreichen, wäre die geschriebene Sprache das geeignete Mittel. 2.Tim. 3,16 berichtet über die Absicht oder zumindest über die Nützlichkeit der Schrift als etwas, das nicht auf eine Generation beschränkt ist. Jedenfalls wurde das Alte Testament zum Nutzen der nachfolgenden Generationen geschrieben, bis „auf die Enden der Weltzeiten hin“ (1.Kor. 10,11). Es geht um Folgendes: Wenn Gott will, dass seine schriftliche Offenbarung zum Nutzen künftiger Generationen gereicht, muss sie für diese bewahrt werden. Sie muss auch als das erkannt werden, was sie ist. Mit anderen Worten, als der Heilige Geist die neutestamentlichen Bücher inspirierte, musste er auch einen Plan gehabt haben, um sicher zu gehen, dass sie als Heilige Schrift erkannt und durch die Jahrhunderte getreu überliefert würden.

 

Wie also würde nun Gott vorgehen, um diese zwei Ziele zu erreichen? Er arbeitete offensichtlich durch die Gemeinde. Er benutzte gottesfürchtige Menschen. Die Apostel wussten, dass sie Wort Gottes, d.h. „Heilige Schrift“ schrieben, und die uns erhaltenen Schriften der frühesten Kirchenväter des ersten und zweiten Jahrhunderts zeigen klar, dass sie die Schriften des Neuen Testaments als Heilige Schrift erkannten und benutzten. Der Kirchenvater Irenäus schrieb vor dem Jahre 200 n. Chr. In seinen uns erhaltenen Schriften zitiert er aus jedem Buch des Neuen Testaments, ausgenommen Philemon und der 3. Johannesbrief, aber möglicherweise hat er auch diese beiden verwendet, in Schriften, die uns nicht erhalten sind. Offensichtlich entspricht der Umfang der Bücher, die Irenäus als neutestamentlichen Kanon erkannte sozusagen demjenigen, den wir heute benutzen. Ich lege große Betonung auf die frühe, praktisch unmittelbare Anerkennung der Kanonizität der neutestamentlichen Schriften, denn sie ist ein entscheidender Faktor für ein korrektes Verständnis für das, was bei deren Überlieferung geschah.

 

Welche Faktoren also würden wichtig sein, um eine getreue Überlieferung der neutestamentlichen Schriften zu garantieren bzw. zu erleichtern? Ich behaupte, es gibt drei Hauptfaktoren:

1. Eine gebührende Haltung dem Text gegenüber

2. Beherrschung der Ausgangssprache

3. Direkter Zugang zu den Urschriften

 

 

1. Die gebührende Haltung dem Text gegenüber

 

Wenn sorgfältige Arbeit erfordert wird, dann ist die Haltung derer, denen die Aufgabe anvertraut ist, entscheidend. Sind sie sich der Sache bewusst? Sind sie einverstanden? Wenn sie den Charakter, d.h. die Beschaffenheit ihrer Aufgabe nicht verstehen, wird die Qualität wahrscheinlich leiden. Wenn sie ihn verstehen, aber nicht einverstanden sind, könnten sie sogar Sabotage betreiben.

Im Falle der neutestamentlichen Bücher wollen wir mit der Frage beginnen: „Weshalb würden Abschriften hergestellt werden?“ Wir haben gesehen, dass die Gläubigen die Autorität der neutestamentlichen Schriften von Beginn an anerkannten; somit hat man unmittelbar mit der Herstellung von Abschriften begonnen.

 

Eine zweite Frage wäre: „Was für eine Einstellung hatten die Kopisten zu ihrer Arbeit?“ Da sie Nachfolger Christi waren und daran glaubten, dass sie mit Heiliger Schrift umgingen, wird sich zu ihrer grundlegenden Einstellung der Aufrichtigkeit auch Ehrfurcht in ihrem Umgang mit dem Text gesellt haben. Im Laufe der Zeit, unter der Annahme, dass die treuen Personen von zumindest durchschnittlicher Integrität und Intelligenz waren, werden sie sorgfältige Abschriften von den Manuskripten erstellt haben, welche sie von der vorhergehenden Generation erhalten hatten – von Personen, denen sie vertrauten, und derer sie sich sicher waren, dass sie den wahren Text überlieferten. Möglicherweise kamen in ihren Arbeiten versehentliche Abschreibfehler vor, jedoch nicht bewusste Textveränderungen. Es ist wichtig, festzuhalten, dass die frühesten Christen es nicht nötig hatten, „Textkritiker“ zu sein. Mit dem beginnend, wovon sie wussten, dass es der reine Text war, mussten sie lediglich genügend aufrichtig und sorgfältig sein. Ich behaupte, dass wir Grund genug haben, zu glauben, dass sie sorgfältig waren.

 

Als der Einfluss des Christentums sich ausbreitete und begann, eine Wirkung auf die Welt auszuüben, erhob sich Opposition verschiedener Art. Auch kam es zu Spaltungen innerhalb der großen christlichen Kirche. In manchen Fällen wurde die Treue zu einer ideologischen Position offensichtlich wichtiger als die Treue zum Text des Neuen Testaments. Es ist sicher, dass Kirchenväter, die während des zweiten Jahrhunderts schrieben, sich bitterlich über die von Häretikern begangenen, bewussten Textveränderungen beklagten. Solch ein Szenario war absolut voraussehbar. Wenn das Neue Testament tatsächlich Gottes Wort ist, dann müssen beide, Gott und Satan, ein lebhaftes Interesse an dessen Schicksal haben. An die neutestamentliche Textkritik heranzugehen, ohne diesem Interesse Rechenschaft zu tragen, ist unverantwortlich.

 

 

2. Die Notwendigkeit der Beherrschung der Ausgangssprache

 

Als Sprachwissenschaftler und als einer, der im Bibelübersetzungsprozess für einige Jahre mitgemischt hat, kann ich bestätigen, dass eine „perfekte“ Übersetzung unmöglich ist. Tatsächlich ist eine tolerierbar vernünftige Annäherung oft schwierig genug zu erreichen. Daraus folgt: Jegliche göttliche Fürsorge für die genaue Form des neutestamentlichen Textes wird durch die Sprache der Urschriften – d.h. durch das Griechische – vermittelt. Sicherlich geben alte Übersetzungen (syrische, lateinische, koptische) ein Votum für bedeutendere Lesearten ab, aber Präzision ist (im Falle des Neuen Testaments) nur im Griechischen möglich. Soviel zum Hintergrund; im Folgenden jedoch gilt unsere Hauptsorge den Kopisten.

 

Einen Text in einer Sprache, die man nicht versteht, von Hand abzuschreiben, ist eine mühevolle Aufgabe – da ist es beinahe unmöglich, eine perfekte Kopie herzustellen. Betrachten wir z.B. P66. Dieses Papyrusmanuskript ist wahrscheinlich das älteste (ca. 200 n. Chr.) noch vorhandene Manuskript des Neuen Testamentes (alle Manuskripte, wenn auch noch so klein, eingerechnet). Es ist eine der schlechtesten Abschriften, die wir besitzen und weist durchschnittlich etwa zwei Fehler pro Vers auf – viele davon sind offensichtliche Fehler, dumme Fehler, unsinnige Fehler. Ich behaupte bedenkenlos, dass die Person, die P66 herstellte, nicht Griechisch konnte. Hätte jener Kopist den Text verstanden, wären die Anzahl und die Art von Fehlern, die er machte, nicht vorgekommen.

 

Betrachten wir nun das Problem von Gottes Standpunkt aus. Wem sollte er die Hauptverantwortlichkeit für die getreue Überlieferung des neutestamentlichen Textes anvertrauen? Wenn der Heilige Geist eine aktive Rolle in diesem Prozess einnimmt, worauf sollte er seine „Bemühungen“ konzentrieren? Kopisten, die fließend Griechisch sprachen, würden wohl den Vorzug haben, und Gegenden, wo Griechisch weiterhin in aktivem Gebrauch war, würden wohl vorrangig sein. Um eine getreue Überlieferung zu gewährleisten, müssten die Kopisten im Griechischen bewandert sein.

 

 

3. Wer hatte direkten Zugang zu den Urschriften?

 

Dieses Kriterium galt wohl nur für die ersten hundert Jahre (danach waren die Originale vermutlich ausgefranst und zerfallen); aber dieses Kriterium ist für ein richtiges Verständnis der Textüberlieferungsgeschichte höchst bedeutungsvoll. Bereits im Jahre 100 n. Chr. muss es viele Abschriften von den verschiedenen NT-Büchern gegeben haben; in dieser Zeit war es sicher immer noch möglich, eine Abschrift mit dem Original zu vergleichen, falls eine Frage (oder Unsicherheit in Bezug auf die Genauigkeit der Abschrift) auftauchen sollte.

 

Der entscheidende Punkt ist: Es bestand eine große, zunehmende Anzahl von getreu angefertigten Abschriften, die von den Besitzern der Originale zum Rest der christlichen Welt ausgingen. In diesen frühen Jahren waren sich die Hersteller der Abschriften bewusst, dass der wahre Wortlaut nachgeprüft werden konnte. Das wird sie davon abgehalten haben, sich Freiheiten mit dem Text herauszunehmen (d.h. bewusst Textänderungen vorzunehmen).

 

Wie auch immer, die geographische Entfernung ist ein Faktor, der beachtet werden sollte. Ich meine, wir dürfen begründeterweise den Schluss ziehen, dass im Allgemeinen die Qualität der Abschriften in der Gegend, wo die Originale lagen, ausgezeichnet war, und dass sie sich mit zunehmender geographischer Entfernung (des Kopisten) allmählich verschlechterte. Wichtige geographische Barrieren würden diese Tendenz noch verstärken.

 

Um das Jahr 208 behauptete der Kirchenvater Tertullian, dass die „eigenen, authentischen“ Schriften der Apostel immer noch in Gemeinden, die diese empfangen hatten, gelesen würden. Man könnte das so verstehen, dass er sich auf die die Originale bezog, obwohl es kaum möglich scheint, dass diese so lange überlebt haben könnten; aber jedenfalls muss das bedeuten, dass die jeweiligen Gemeinden exakte Abschriften benutzten. War etwas anderes zu erwarten? Wenn zum Beispiel die Ältesten der Gemeinde von Ephesus sahen, dass das Original vom Brief des Paulus am Zerfallen war, würden sie nicht sorgfältig eine identische Kopie für ihren eigenen ständigen Gebrauch anfertigen? Würden sie es zulassen, dass das Original umkäme, ohne dass eine solche Kopie hergestellt würde? Würden wir es zulassen? Ich denke, wir sind verpflichtet den Schluss zu ziehen, dass die Gemeinde von Ephesus im Jahre 200 immer noch in der Lage war, den exakten Originalwortlaut ihres Briefes zu bestätigen (und ebenso war es mit den Besitzern der restlichen Urschriften). – Und diese Zeit ist eben die, aus der auch P46, P66 und P75 datieren!

 

Wer also besaß diese Originale bzw. die Urschriften? In Regionen ausgedrückt, hatte Kleinasien sicher zwölf (Joh, Gal, Eph, Kol, 1. und 2.Tim, Philem, 1.Petr, 1.-3.Joh und Off). Griechenland hatte sicher sechs (1. und 2.Kor, Phil, 1. und 2.Th und Titus in Kreta), und Rom hatte auf jeden Fall zwei (Mk und Röm). Was den Rest betrifft: Lk, Apg und 2.Petr waren wahrscheinlich entweder in Kleinasien oder Rom, Mt und Joh entweder in Kleinasien oder Palästina, Hebr in Rom oder Palästina; Jud war möglicherweise in Kleinasien. Wenn wir Kleinasien und Griechenland zusammennehmen, besaß die Region um das ägaische Meer die Originale von mindestens achtzehn, möglicherweise sogar vierundzwanzig von den siebenundzwanzig Büchern des Neuen Testaments; Rom hatte mindestens zwei, möglicherweise bis zu sieben; Palästina mag bis zu drei gehabt haben; und Alexandria (Ägypten) hatte keines! Die ägäische Region hatte klar den besten Start und Alexandria den schlechtesten.

 

 

Sind die Alexandrinischen Manuskripte vertrauenswürdig?

 

Wie wird Ägypten in Bezug auf die drei anfangs besprochenen Hauptfaktoren eingeschätzt? Zum ersten Punkt (betreffend der gebührenden Haltung dem Text gegenüber): Wann kam das Christentum nach Ägypten, und wie stark war dort die christliche Gemeinde während des ersten und zweiten Jahrhunderts? Meines Wissens gab es keinerlei apostolischen Zeugendienst in Ägypten, auch wenn gemäß einer Überlieferung der Evangelist Markus dort gearbeitet haben soll. Der Hauptstrom der Ausbreitung scheint von Palästina Richtung Norden gewesen zu sein (nach Kleinasien) und Richtung Westen (nach Europa). Die Gemeinden, welche die „Briefe“ Off 2 und 3 erhielten (die der in den Himmel aufgefahrene Herr an Johannes diktierte), befanden sich in Kleinasien; wenn wir diese Tatsache als Leitlinie nehmen dürfen, dann würde das bedeuten, dass am Ende des ersten Jahrhunderts der Schwerpunkt der Gemeinde Jesu sich von Palästina nach Kleinasien verlegt hat.

 

Ist es möglich, die Haltung des Kopisten dem Text gegenüber abzuschätzen? Die Schule der Literaturkritik, die in Alexandria bestand, wäre ein negativer Faktor gewesen. Doch es gibt einfaches Beweismaterial, dass man zur Zeit des Eusebius (4. Jh.) zumindest in einigen der Skriptorien (Schreiberschulen, in denen Manuskripte des Neuen Testaments hergestellt wurden), den alexandrinischen, textkritischen Praktiken folgte. Wann man genau damit begann, diese Prinzipien und Praktiken anzuwenden, ist nicht bekannt. Die von Pantaenus um 180 n. Chr. in Alexandria gegründete christliche Schule war zwangsläufig von den Wissenschaftlern der großen Bibliothek dieser Stadt beeinflusst.

 

In dem Maße, wie die Wurzeln der allegorischen Bibelauslegungsmethode schon vorhanden waren, die in Alexandrien während des dritten Jahrhunderts blühte, würden auch sie einen negativen Faktor bedeuten. Da Philo von Alexandrien auf der Höhe seines Einflusses war, als die ersten Christen dort ankamen, könnte es sein, dass seine allegorischen Interpretationen des Alten Testaments bereits im ersten Jahrhundert auf die junge Kirche abfärbten. Ein „Literalist“ (d.i. jemand, der die Bibel wörtlich nimmt) ist verpflichtet, mit dem genauen Wortlaut des Textes sorgfältig umzugehen, da seine Interpretation oder Exegese davon abhängt. Da ein Allegoriker seine eigenen Ideen in den Text hineinlegt, hat er vermutlich weniger Hemmungen, ihn zu ändern.

 

Wie steht es mit der Beherrschung des Griechischen? Der Gebrauch des Griechischen in Ägypten ging schon am Anfang der christlichen Ära zur Neige. Bis zu welchem Ausmaß war Griechisch die Muttersprache der Bevölkerungsmehrheit? Im dritten Jahrhundert war die Abnahme offensichtlich weit fortgeschritten. Ich habe schon erwähnt, dass der Kopist, der P66 anfertigte (ca. 200 n. Chr.) nicht Griechisch konnte. Betrachten wir nun den Fall von P75 (ca. 220 n. Chr.). E.C. Colwell analysierte P75 und fand über 145 Itazismen (spez. Schreibweise eines griech. Buchstabens) und 257 andere Einzellesarten, 25% davon ohne Sinn. Von diesem Fehlermuster her ist es klar, dass der Kopist, der P75 anfertigte, Buchstabe für Buchstabe kopierte. Das heißt, dass er nicht Griechisch konnte. (Wenn man in eine Sprache, die man kennt, abschreibt, kopiert man Satz für Satz, oder zumindest Wort für Wort). Der Trend gegen den Gebrauch des Griechischen in den Gegenden, in denen man Lateinisch, Syrisch oder Koptisch sprach, hatte vor dem Jahre 200 n. Chr. begonnen. Fünfzig Jahre später war der Übergang zu den örtlichen Sprachen weit fortgeschritten.

 

Im vierten Jahrhundert muss das Niveau des Beherrschens der griechischen Sprache in Ägypten stark gesunken gewesen sein; und gerade im vierten Jahrhundert entstanden zwei höchst wichtige, üblicherweise dem Alexandrinischen Texttyp zugeschriebene Zeugen. Der Pergament-Codex „C“ (Vaticanus) und der Codex „Aleph“ (Sinaiticus) werden dem vierten Jahrhundert zugeschrieben und allgemein als in Ägypten hergestellt betrachtet. In den Evangelien allein differieren diese zwei Manuskripte über 3’000 Mal. (Diese Zahl schließt kleinere Fehler wie Rechtschreibung nicht ein, auch nicht Varianten bestimmter Synonyme.) Nun erfordert einfache Logik die Schlussfolgerung, dass entweder das eine oder das andere 3’000 Mal (und mehr) falsch sein muss – das heißt, dass diese zwei untereinander allein in den Evangelien über 3’000 Fehler aufweisen!

 

Wie steht es schließlich mit dem direkten Zugang zu den Originalen bzw. Urschriften? Nun, in dieser Hinsicht ist es um Ägypten wirklich schlecht bestellt. Die ägyptische christliche Gemeinde hatte nicht nur keinen Zugang zu irgendwelchen Originalen, sondern die geographisch nächsten waren wahrscheinlich erst in Jerusalem, und zwar nur bis zum Jahre 70 n. Chr. Die große Mehrheit befand sich jenseits des Meeres. Wenn wir bedenken, dass die Gemeinde in Ägypten langsam begann und bis ins zweite Jahrhundert schwach geblieben war (ganz zu schweigen von den gnostischen Einflüssen, die dort herrschten), müssen wir uns fragen, bis zu welchem Grad man das Bedürfnis empfunden haben mag, die Originalschriften zu konsultieren, oder bis zu welchem Maß man bereit war, den Preis dafür zu bezahlen.

 

 

Fazit

 

Alles in allem, welche Forderungen stellt Ägypten an unser Vertrauen? Es scheint mir ehrlich gesagt, praktisch unmöglich zu sein, dass eine getreue, hochqualitative Überlieferung des neutestamentlichen Textes in Ägypten stattgefunden haben könnte; dafür fehlten einfach die nötigen Voraussetzungen. Außerdem haben wir folgende Beweise: Jedes der frühen Manuskripte, das dem Alexandrinischen Texttyp zugeschrieben wird, ist in sich selbst – wie einfach aufgezeigt werden kann – eine mangelhafte Abschrift. Und nicht nur das, die Manuskripte dieses Texttyps stehen sehr stark im Widerspruch zueinander, abgesehen von den Hunderten, ja Tausenden von Fällen, in denen sie als Gruppe mit dem Rest der Welt nicht übereinstimmen.

 

Gibt es einen besseren Weg? Nun, wohin deuten die drei Hauptfaktoren? Die ägäische Region war von Beginn an die von jedem Gesichtspunkt aus am besten geeignete Region, um den ursprünglichen Text zu überliefern. Ich weiß keinen Grund, warum man daran zweifeln sollte, dass der Byzantinische Texttyp tatsächlich die Textform ist, die bekannt war und von Beginn an in der ägäischen Region überliefert wurde. Er ist das Resultat der normalen, getreuen Überlieferung des neutestamentlichen Textes. In jedem Zeitalter, das zweite und dritte Jahrhundert eingeschlossen, war dies der traditionelle Text.

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