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 Peter Streitenberger


 

Begrenzte oder unbegrenzte Erlösung?

 

Viele oder alle Sünden ?

 

Hat Christus nach Matth. 20,28; 26,28 und Heb. 9,28, nur die Sünden ‚der vielen’ (griech.: polys im Plural) im Sinne einer begrenzten Sühnung getragen, so dass man davon ausgehen müsste, dass dabei Menschen von vornherein ausgenommen wurden ?

 

Die Verwendung ‚der vielen’ findet sich im Hebräerbrief und im Matthäusevangelium, die beide stark vom hebräischen Hintergrund der Schreiber geprägt sind und an Judenchristen gerichtet sind.

 

Daher ist zunächst das alttestamentliche Äquivalent zum Plural von polys (rabbim) erwähnenswert, das die vielen Einzelteile einer Ganzheit bezeichnet. Dabei ist nicht ein hypothetischer Überrest im Blick, der nicht zur Gesamtheit gehören würde (5.Mose 7,1; 15,6; Hes 39,27).

 

Die Verwendung des Plurals von polys in folgenden Bibelstellen des Neuen Testamentes hat eben gerade nicht eine einschränkende, sondern eine umfassende Bedeutung:

 

1) Römer 5,15ff „Denn wenn durch des einen Übertretung die vielen gestorben sind [...]Denn wie durch des einen Menschen Ungehorsam die vielen in die Stellung von Sündern versetzt worden sind“.

Die Parallelstelle 1.Kor 15:22 „Denn wie in Adam alle sterben, so werden auch in Christus alle lebendig gemacht werden.“), zeigt das ausnahmslose Vordringen des Todes zu allen Menschen. 

 

2) Römer 12,5 „so sind wir, die vielen, ein Leib in Christus, einzeln aber Glieder voneinander.“ und 1.Kor 10:17 „Denn ein Brot, ein Leib sind wir, die vielen, denn wir alle nehmen teil an dem einen Brot.“ sprechen von der Gesamtsumme der Einzelglieder als ein Leib: Alle Glieder der Gemeinde – bilden den einen Leib Christi.

 

Will man das Erlösungswerk Jesu Christi auf eine begrenzte Personengruppe von Auserwählten einschränken, findet man nur auf den ersten Blick unterstützende Bibelstellen, die bei genauerem Hinsehen jedoch gerade dieser Lehre widersprechen.

 

Indirekte Gründe zur Stützung der‚ begrenzten Erlösung’

 

Freunde - aber nicht Feinde ?

Impliziert die Erwähnung der Erlösung für ‚seine Freunde’ (Joh 15,13) und ‚seine Schafe’ (Joh. 10,15), oder die Liebe Christi zu seiner Gemeinde (Eph 5,25) unabdingbar die These der Begrenzung und vorhergetroffenen Einschränkung des Werkes Jesu am Kreuz ?

 

Gebet für die einen – und die anderen?

Von manchen Befürwortern der‚ begrenzten Erlösung’ wird zudem vom hohepriesterlichen Gebet in Joh. 17, das der Herr ausschließlich im Hinblick auf die Seinen spricht, auf eine Beschränkung des Werkes am Kreuz gefolgert. Warum – so meint man - hätte Christus sein Gebet begrenzen sollen, wenn er den Preis für alle bezahlt hat?

 

Zur Überprüfung dieser These auf Stichhaltigkeit und Durchgängigkeit ist sie folgender Passage aus Gottes Wort auszusetzen:

Peter 2:1 „Es waren aber auch falsche Propheten unter dem Volk, wie auch unter euch falsche Lehrer sein werden, die verderbenbringende Parteiungen heimlich einführen werden, indem sie auch den Gebieter, der sie erkauft hat, verleugnen. Die ziehen sich selbst schnelles Verderben zu.“

Davon ausgehend, dass Irrlehrer, denen das Verderben bevorsteht, nicht Teil der Gemeinde Jesu darstellen, bleibt festzuhalten, dass sie dennoch von Gott erkauft waren und das Erlösungswerk des Herrn Jesus auch im Hinblick auf diese gottfeindlichen Menschen geschehen war.

Der Umkehrschluss aus der Erlösung für Freunde, der die Heilstat für die Feinde Gottes ausklammert,  kann demnach nicht gezogen werden. Die Irrlehrer gehen demnach aufgrund ihrer Zurückweisung der Gnade Gottes verloren, obwohl auch sie hätten gerettet werden können.

 

Ist der Allmächtige ohnmächtig ?

Von manchen Calvinisten wird angeführt, das Erlösungswerk eines allmächtigen Gottes für alle Menschen wäre eine Kapitulation vor dem menschlichen Willen,  wenn Gott nicht im Stande wäre, alle zur Bekehrung bringen zu können.

Im Hinblick auf folgende Aussage in 2. Thes 2:10 „und mit jedem Betrug der Ungerechtigkeit für die, welche verloren gehen, dafür, daß sie die Liebe der Wahrheit zu ihrer Errettung nicht angenommen haben.“, bleibt festzuhalten, dass die Voraussetzungen gerettet zu werden durch das Werk am Kreuz für alle geschaffen ist - Individuen jedoch verloren gehen, wenn sie diese Heilstat abweisen. Gott kapituliert vor dem Menschen nicht und bleibt der allmächtige, auch wenn er ihn in seiner Haltung gegenüber der Erlösung akzeptiert.

 

Doppelte Bezahlung für Sünden ?

Andere Befürworter der begrenzten Sühnung argumentieren, es stünde einem gerechten Gott nicht zu, Christus für alle Sünden bezahlen zu lassen und dann Menschen in der Hölle ein zweites Mal für ihre Sünden büßen zu lassen, da nicht einmal ein menschliches Gericht für eine Straftat zweimal verurteilt.

Die Qualen der Ungläubigen in der Hölle stellen jedoch nicht die Bezahlung des von Gott geforderten Lösegeldes zur Vergebung der Sünden dar. Der Kaufpreis musste von dem sündlosen Opfer Jesu Christi gebracht werden und ist nicht gleichzusetzen mit den Folge dessen Abweisung und der Verdammnis der Sünder im Feuersee. Selbst im ewigen Gericht ist eine Bezahlung für Sünden durch Sünder ausgeschlossen, da der Preis zu kostbar ist und nie mehr wieder gebracht werden kann: das Blut des unbefleckten Lammes - Jesus Christus:

Psalm 49,8 „Niemals kann ein Mann seinen Bruder loskaufen, nicht kann er Gott sein Lösegeld geben,

 denn zu kostbar ist das Kaufgeld für ihre Seele, und er muß davon ablassen auf ewig, daß er fortlebe immer, die Grube nicht sehe.“

 

 Peter Streitenberger

An wen richtet sich das Evangelium ?

 

1 Joh 2:2 Und er ist die Sühnung für unsere Sünden, nicht allein aber für die unseren, sondern auch für die der ganzen Welt.

 

Was sind nun die Konsequenzen von dem, was gezeigt werden soll, dass nämlich auf Christus alle Sünden aller Menschen lagen, als er am Kreuz unter dem Gericht Gottes stand und er ein vollkommenes, uneigeschränktes Opfer gebracht hat bzw. was ist die Folge davon, dass Christus für „alle den Tod geschmeckt hat“ (Heb.2,9) ?

 

Die Sühnung – wie die Stelle in Joh. 2,2 deutlich macht – für die Sünden der Gläubigen und der ganzen Welt, sind die Grundlage einer Verkündigung des Evangeliums an alle Menschen:

 

Da nun Matthäus im Kap 28,19 schreibt „Geht nun hin und macht alle Nationen zu Jüngern“, stellt  die Zielgruppe der Verkündigung nicht ein begrenzter, auserwähnter Teil innerhalb der Nationen im calvinistischen Sinn dar, sondern Gott hat alle Menschen, die über diese Erde gehen im Blick.

Entsprechend verkündigt auch Paulus in Athen, dass „er [Anm. Gott] jetzt den Menschen gebietet, daß sie alle überall Buße tun sollen“ (Apg. 17,30).

 

Nun würden sich Vertreter der eingeschränkten Erlösung in der Regel strikt dagegen wehren, wenn ihnen vorgehalten würde, sie verträten auch eine Einschränkung in der Evangeliumsverkündigung.

 

Die Notwendigkeit der Evangelisation wird in der Tat gleich bewertet - nicht aber die Motivation und die Begründung dafür. Wir sehen etwa bei Spurgeon und Whitefield, wie stark evangelistische Bemühungen bei Vertretern der Teilerlösung sein können.

 

Ein Ruf für alle oder doppelter Ruf für zwei Welten?

 

Die Verkündigung des Evangeliums an die Welt geschieht aus calvinistischer Sicht auf zwei Arten:

„In Ergänzung zum äußeren allgemeinen Ruf zur Errettung, der an alle ohne Unterschied erfolgt, gestaltet der Heilige Geist für die Erwählten einen speziellen innerlichen Ruf, der sie unwiderstehlich zur Errettung führt.Dem äußerlichen Ruf, der an alle geht kann widerstanden werden, Dem inneren, der an die Erwählten geht, nicht, er mündet immer in eine Bekehrung.“ (aus www.Calvinismus.de).

Ruft Gott im Evangelium demnach auf zweierlei Weise - einmal also äußerlich und allgemein ohne zwingende Antwort des Menschen darauf und andererseits innerlich mit unabdingbar erretender Folge bei den Auserwählten?

Da die Theorie des zweifachen Rufens auch zwei Gruppen von Adressaten dieser Rufe beinhaltet, erscheint es zunächst folgerichtig eine zweifache Welt vorauszusetzen.

„Sie [Anm.: die Gnade] verfehlt niemals ihr Ziel, diejenigen, für die sie bestimmt ist, zu erreichen und zu erretten.“ www.Calvinismus.de).

Dem äußerlichen Ruf, der an alle geht[...]Dem inneren, der an die Erwählten geht“  (aus www.Calvinismus.de).

Der Ruf und die Gnade richten sich in der Verkündigung des Evangeliums einerseits an eine auserwählte Gruppe innerhalb der Zuhörerschaft. Unklar bleibt jedoch andererseits, welche Absicht Gottes hinter dem Ruf des Evangeliums an die zweite Gruppe der Nicht-Erwählten steht, dem die Adressaten ja ohnehin widerstehen werden.

 

Die eine gefallene Welt

Der biblischen „Weltanschauung“ liegt im Gegensatz dazu folgende Sicht zugrunde:

1 Joh 5:19 „Wir wissen, daß wir aus Gott sind, und die ganze Welt liegt in dem Bösen.“

Eph 2:3 „Unter diesen hatten auch wir einst alle unseren Verkehr in den Begierden unseres Fleisches, indem wir den Willen des Fleisches und der Gedanken taten und von Natur Kinder des Zorns waren wie auch die anderen.“

Die ganze Welt liegt  im Bösen und alle unerlösten Menschen sind Kinder des Zorns. Wären aus calvinistischer Sicht die Auserwählten der Welt wirklich Kinder auf die der Zorn Gottes gerichtet ist?

 

Auserwählung – wozu und wer?

 

Vorherbestimmt und auserwählt zur Erretung ?

Nachdem Gottes Wort von Vorherbestimmung und Auserwählung spricht, gilt es zu erörtertn, welcher Inhalt damit verbunden wird.

Hat Gott etwa festgelegt und bestimmt, einen Teil der Welt zum Heil zu bringen und den anderen Teil dem Verderben zu überlassen? Diesen Gedanken findet man etwa in der Lehrregel von Dordrecht aus dem Jahr 1619 :„Nach diesem Ratschluß erweicht er gnädig die Herzen der Auserwählten, obwohl sie hart sind, und neigt sie gnädig zum Glauben; diejenigen aber, die nicht erwählt sind, beläßt er nach seinem gerechten Urteil in ihrer Bosheit und Hartherzigkeit“ (erstes Lehrstück Kap.6).

 

Auserwählung von Menschen im Unglauben?

Nachdem zunächst die Frage nach dem Bezug der Vorhebestimmung gestellt wurde, ist zusätzlich anhand von Gottes Wort zu unterscheiden, welche Personengruppe angesprochen ist – Welt oder Gemeinde:

Joh 15,16 Auserwählung der Jünger zum Fruchtbringen

Römer 8,29 Vorherbestimmung der Berufenen zur Gleichförmigkeit mit dem Sohn Gottes

Eph 1,3f Auserwählung der Gemeinde zur Heiligkeit und Vorherbesimmung zur Sohnschaft

Eph 1,11f Vorherbestimmung der Gläubigen zum Preis seiner Herrlichkeit

Eph 2,10 Vorherbereitung der Werke der Gläubigen

Wir finden nirgendwo einen Bezug der Erwählung Gottes auf einen vermeintlich auserwählten Teil der Welt. Es ist daher ein Generalfehler eine Unterteilung der Welt vorzunehmen und den unerlösten und noch ungläubigen Teil der Menschen mit Aussagen in Verbindung zu bringen, die Gott ausschließlich seiner erlösten Gemeinde zugedacht hat, nämlich Frucht zu bringen, seinem Sohn gleichförmig zu werden und zum Preis seiner Herrlichkeit zu leben.

Wir finden ebenso wenig Errettung, Vergebung der Sünden und die Erlösung als inhaltlicher Bestandteil der Bestimmung Gottes für einen Teil der Ungläubigen.

Die Anordnung Gottes für die gesamte Welt lautet vielmehr, „daß sie alle überall Buße tun sollen“ (Apg 17,30).

Wir sehen also, dass es der Befehl und Wille Gottes ist, dass jeder Mensch an Jesus Christus glauben soll,  „da er nicht will, daß irgendwelche verloren gehen, sondern daß alle zur Buße kommen.“ (2.Petr 3,9).

 

 

Peter Streitenberger