Wie sollen wir
das
Evangelium verkündigen?
(Ein kirchengeschichtlicher Abriss
von der Reformation bis heute)
Dr. theol. Karsten Ernst
© Dr. theol. Karsten Ernst, Filderstadt bei Stuttgart, 1997
Diese Arbeit
erschien zuerst 1997 im Missionsverlag Bielefeld, dann im Informationsbrief
August 1999 der Bekenntnisbewegung „Kein anderes Evangelium“
1. leicht
überarbeitete Neuauflage Januar 2000
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Kommentare,
Fragen und biblisch begründete Kritik zu dieser Broschüre sind ebenfalls
willkommen.
Inhaltsverzeichnis
I. Vorwort
..................................................................................
II. Biblische
Hinführung
............................................................
III.
Hauptteil
A. Die Reformation
.............................................................
B. Grossbritannien und Amerika im 18. und 19. Jahrh. .....
1. Der Methodismus unter John Wesley und
George
Whitefield .
a) John Wesley (1703-1791).
b) George Whitefield (1714-1770)
c) Der Bruch
zwischen John Wesley und
George
Whitefield
d) Eine Bewertung dieser
Auseinandersetzung
2. Charles
Finney (1792-1875)
3. Dwight L. Moody (1837-1899)
C.
Deutschland (17.-19. Jahrhundert)
1. Der alte Pietismus
2. Der neuere Pietismus
D. Das 20. Jahrhundert
IV.
Schlussfolgerungen
V.
Quellenangaben
I. Vorwort
Grundlage
dieser kleinen Schrift ist ein Vortrag, den ich 1997 auf der Ostfahrer-Tagung in
Nonnenmiss (im Schwarzwald) gehalten habe. Diese Schrift ist in der Tat nicht
viel mehr als ein kirchengeschichtlicher Abriss. Vieles in diesem Vortrag ist
daher nur angedeutet, und manches konnte nur sehr knapp angesprochen werden. Wer
eine umfassende kirchengeschichtliche Studie zum Thema Wie sollen wir das
Evangelium verkündigen? erwartet, wird von dieser Schrift sicherlich
enttäuscht sein. Es werden nur ganz grundlegende Entwicklungen in der Gemeinde
Jesu aufgezeigt, die uns helfen sollen, manches, was wir heute erleben, besser
einzuordnen.
Hoffentlich
nehmen freikirchliche Leser keinen Anstoss daran, dass ich den
kirchengeschichtlichen Abriss mit Luther beginne. Luther scheint vielen schon
deswegen verdächtig zu sein, weil er eine freikirchliche Verfassung der Kirche
ablehnte, die Wiedertäufer bekämpfte und sehr unfreundlich über die Juden
sprach. Obwohl ich selber freikirchlich bin und manche Ansichten von Luther
nicht teile, so kann ich doch nicht umhin, ihm meinen tiefen Respekt zu
bezeugen. Ähnliches tat Spurgeon mit Calvin. Es wird nämlich allzuoft übersehen,
aus welcher geistlichen Finsternis Luther die Gemeinde Jesu herausgeführt hat,
wie er dem Worte Gottes wieder Geltung verschafft hat und wie durch ihn das
Evangelium von der Gnade Gottes wieder in den Mittelpunkt der Verkündigung
gerückt wurde. Der Genfer Reformator Calvin vergleicht ihn daher zu Recht mit
einem „Erstling unter den Knechten Christi, dem wir alle viel schulden“. Und in
einem Brief an Bullinger schreibt Calvin trefflich: „Selbst wenn er mich einen
Teufel schelten sollte, so würde ich ihn dennoch für einen erlesenen Gottesmann
halten, der freilich auch unter grossen Fehlern leidet, wie er an herrlichen
Tugenden reich ist.“
Ich hoffe,
dass diese Schrift etliche anregt, erneut oder zum ersten Mal, in der Heiligen
Schrift und in der Kirchengeschichte zu forschen und zu fragen: Wie sollen
wir das Evangelium verkündigen?
Filderstadt,
den 20. Juni 1997
Dr. theol.
Karsten Ernst
II. Biblische Hinführung
Liebe
Geschwister! Liebe Freunde!
Wir wollen
uns heute mit der Frage beschäftigen, welches Evangelium wir verkündigen – und
wie wir es verkündigen – und welche Antworten wir in der Kirchengeschichte zu
dieser Frage finden.
Doch zunächst
lesen wir 1.Kor 7,23. Paulus redet in diesem Abschnitt davon, dass jeder in dem
Stand bleiben soll, in dem Gott ihn berufen hat, und sagt dann: „Ihr seid
teuer erkauft; werdet nicht der Menschen Knechte.“ Schon ein Kapitel vorher
hatte er, wo es um ein anderes Problem ging, den gleichen Ausdruck gebraucht. In
1.Kor 6,20 hob er hervor, dass wir teuer erkauft sind, um dann daraus den
Schluss zu ziehen: „…darum so preiset Gott an (bzw. mit) eurem Leibe.“
Paulus möchte
also – dies zeigen die beiden Verse ganz deutlich –, dass unser Denken und
Handeln auf eine ganz bestimmte Art und Weise geprägt sein soll: Wir sind teuer
erkauft, darum handelt so und so. Geht mit eurem Leibe und mit eurem Stand in
rechter Weise um: Der eine ist frei, der andere ist Sklave. So oder so, ihr seid
teuer erkauft, darum werdet nicht der Menschen Knechte!
Es war eine
Warnung, die die Korinther sehr nötig hatten, denn am Ende des 2.
Korintherbriefes stellt Paulus fest: „Ihr ertragt es, wenn euch jemand
knechtet, wenn euch jemand ausnützt, wenn euch jemand gefangennimmt, wenn euch
jemand erniedrigt, wenn euch jemand ins Gesicht schlägt.“ (2.Kor 11,20)
Das Denken
war nicht richtig geprägt, und aus dem falschen Denken folgte ein falsches
Handeln. Daher die wiederholte Ermahnung des Apostels: „Werdet nicht der
Menschen Knechte! Lasst euch nicht von Menschen in Beschlag nehmen, die euch auf
falsche Wege führen.“
Nun: was ist
ein Knecht? Was kennzeichnet einen Knecht Christi und was kennzeichnet einen
Menschenknecht? Wir können das Wort Knecht ganz einfach definieren:
Ich bin ein
Knecht, wenn ich mit meinem Denken,
Wollen und
Fühlen vollkommen abhängig bin von jemand.
Paulus ist
ein Knecht Jesu Christi, weil er sagt: „Ich bin vollkommen abhängig von meinem
Herrn, in allem. Mein Wollen, Fühlen, Denken und Handeln hängt ganz von meinem
Herrn ab.“ Ein Menschenknecht wäre dagegen jemand, der nicht von Jesus abhängig
ist, sondern von Menschen.
Sind wir
Knechte von Menschen oder sind wir Knechte Jesu Christi? Sind wir abhängig von
Menschen? Geben sie uns vor, was wir denken, fühlen, was wir wollen oder tun
sollen? Oder gibt uns Jesus vor, was und wie wir denken, fühlen und wollen?
Wir könnten
viele, sehr viele Bereiche unseres Lebens durchgehen, und uns dabei diese
einfache Frage stellen: Bin ich ein Knecht von Menschen oder ein Knecht Jesu
Christi? Ich möchte aber nur einen Bereich herausgreifen, der für das Leben der
Gemeinde Jesu von zentraler Bedeutung ist, nämlich den Bereich der Verkündigung
des Evangeliums. Und hier wollen wir uns fragen: Sind wir Knechte von Menschen
oder sind wir Knechte Jesu Christi?
Paulus sagt
im Galaterbrief: „Predige ich denn jetzt Menschen oder Gott zuliebe? Oder
suche ich Menschen gefällig zu sein? Wenn ich noch Menschen gefällig wäre, so
wäre ich Christi Knecht nicht.“ (Gal 1,10) „Was tue ich denn?“ fragt Paulus
die Galater. „Versuche ich, Menschen zu gefallen? Wenn ich das täte, dann wäre
ich eigentlich nicht an dem Platz, wo ich sein sollte. Ich hätte meinen Beruf
als Apostel und Lehrer des Evangeliums verfehlt.“
Paulus achtet
also darauf, dass er nicht Menschen zu Gefallen predigt, und zwar in zweifacher
Hinsicht:
1. in dem,
was er predigt und verkündigt
In Galater
1,11 schreibt er: „Denn ich tue euch kund, liebe Brüder, dass das Evangelium,
das von mir gepredigt ist, nicht von menschlicher Art ist“, d.h. „Ich bringe
euch nicht eine Botschaft, die menschlich ist.“ Es ist eine Botschaft, von der
er sagt – und das ist das Thema des Galaterbriefes –, dass sie unter keinen
Umständen geändert werden darf. Es ist ein Evangelium, das unabänderlich durch
die Jahrhunderte hindurch bestehen bleiben muss.
2. in dem,
wie er das Evangelium verkündigt
Er achtete
nicht nur darauf, dass das Richtige gesagt wurde, sondern auch, dass es in der
richtigen Art und Weise gesagt wurde. Den Thessalonichern bezeugt er:
„Denn wir
sind nie mit Schmeichelworten umgegangen, wie ihr wisst, noch mit versteckter
Habsucht – Gott ist Zeuge.“
(1.Thess 2,5)
Oder gegenüber den Korinthern hebt er hervor: „sondern wir meiden schändliche
Heimlichkeit und gehen nicht mit List um, fälschen auch nicht Gottes Wort,
sondern durch Offen-barung der Wahrheit empfehlen wir uns dem Gewissen aller
Menschen vor Gott“ (2.Kor 4,2). Wir meiden schändliche Heimlichkeit – Warum?
Warum verkün-digte Paulus das Evangelium so, wie er es verkündigte?
Nun, zwei
Dinge bestimmten den Apostel:
1. Paulus war
der Überzeugung, dass es Gott gefällt, durch die Torheit der Predigt Menschen
zum Glauben zu rufen, durch die Torheit der Predigt selig zu machen, die daran
glauben: „Denn weil die Welt, umgeben von der Weisheit Gottes, Gott durch
ihre Weisheit nicht erkannte, gefiel es Gott wohl, durch die Torheit der Predigt
selig zu machen, die daran glauben.“ (1.Kor 1,21) Oder im Römerbrief heisst
es: „So kommt der Glaube aus der Predigt, das Predigen aber durch das Wort
Christi.“ (Röm 10,17)
2. Paulus war
der Überzeugung, dass die Verkündigung in Erweisung des Geistes und der Kraft
geschehen muss: „Und ich war bei euch in Schwachheit und in Furcht und mit
grossem Zittern; und mein Wort und meine Predigt geschahen nicht mit
überredenden Worten menschlicher Weisheit, sondern in Erweisung des Geistes und
der Kraft, damit euer Glaube nicht stehe auf Menschenweisheit, sondern auf
Gottes Kraft.“ (1.Kor 2,3–5) Gott selber muss durch die Predigt wirken,
damit die Predigt wirksam werden kann.
Wenn wir uns
Paulus und seinen Dienst anschauen, so müssen wir uns in unseren Tagen zwei
Fragen stellen:
1. Wissen wir
eigentlich noch wie Paulus, was wir zu verkündigen haben?
2. Wissen wir
wie Paulus, wie wir es zu verkündigen haben?
Zur ersten
Frage: Wir wollen evangelisieren, missionieren – aber was
wollen wir eigentlich vermitteln? Vor ein paar Jahren war ich auf einer
Evangelisation. Eine Frau hielt die Predigt. Während der Predigt gab es eine
Unterbrechung. Während dieser Pause sollte man sich am Tisch über das bisher
Gesagte unter-halten. Ein älterer Mann versuchte, mit mir und meinem Freund ins
Gespräch zu kommen. Ich stellte diesem Mann im Laufe des Gesprächs folgende
Frage: „Die Botschaft, wie wir sie gerade von vorne gehört haben, ist dies
eigentlich die Bot-schaft, die wir aus der Schrift kennen?“ Ich nannte ihm
einige Bibelstellen und versuchte es zu erläutern: „Schauen Sie, diese Predigt
war doch sehr einseitig: Es wurde nur von der Liebe Gottes geredet. Aber kann
man von der Liebe Gottes reden, wenn man nicht vorher deutlich auf den Zorn
Gottes hinweist und darauf, was es heisst, Sünder zu sein?“ Ich bekam daraufhin
eine Antwort, die mich tief erschütterte. Der Mann sagte: „Ja wissen Sie, so
genau kenne ich mich mit der Schrift auch nicht aus!“ Da war ein Mann: Er wollte
auf einer Evangelisation helfen, er wollte mitevangelisieren. Doch schon bei der
ersten Rückfrage musste er zugeben: „Ich kenne mich in der Schrift nicht aus!“ –
Was verkündigen wir? Was für eine Botschaft haben wir? – Wieviele Menschen
überlegen sich in der Gemeinde heute: Mit wem kann ich auf Evangelisationen
zusammenarbeiten? Macht es etwas aus, wenn ein katholischer Priester dabei ist?
Wo sind die Grenzen?
Zur zweiten
Frage: Wissen wir als Gemeinde noch, warum wir das Evangelium so
verkündigen, wie wir es verkündigen? Haben wir uns darüber
Gedanken gemacht? Eine Vielzahl von Ideen überflutet den „Markt der
Möglichkeiten“ in der Gemeinde Jesu. Wie wichtig ist es da, dass wir diese
beiden Fragen klären können: Weisst du, was du verkündigst, und
weisst du, warum du es so und nicht anders verkündigst? Wir sind
ja heute so orientierungslos geworden: Wir haben heute eine Vielzahl von
Möglichkeiten, die uns zur Verfügung stehen. Aber es ist die Frage, ob sie uns
dahin bringen, wo sie uns hinbringen sollten, und ob sie uns auf dem Weg halten,
den uns der Herr durch das Neue Testament vorgezeichnet hat!
Nun, wir
wollen bei der Beantwortung dieser Fragen einen Blick in die Kirchengeschichte
werfen, und zwar aus zwei Gründen:
1. Sie hilft
uns zu verstehen, warum wir als Gemeinde Jesu so sind, wie wir
sind!
2. Sie hilft
uns zu sehen, wie gesegnete Männer Gottes diese Fragen
be-antworteten.
III. Hauptteil
A. Die
Reformation
Ich möchte
mit der Reformation beginnen. Die Grundüberzeugung zu unserem Thema hat Luther
im Kleinen Katechismus zusammengefasst. Er sagt bei der Auslegung des
apostolischen Glaubensbekenntnisses: „Ich glaube, dass ich nicht aus eigener
Vernunft noch Kraft an Jesum Christ, meinen Herrn, glauben oder zu ihm kommen
kann, sondern der Heilige Geist hat mich durchs Evangelium berufen, mit seinen
Gaben erleuchtet, im rechten Glauben geheiligt und erhalten, gleichwie er die
ganze Christenheit auf Erden beruft, sammelt, erleuchtet, heiligt und bei Jesus
Christus erhält im rechten einigen Glauben.“ 1) Mit diesen wenigen Sätzen fasst
Martin Luther zusammen, was man während der Reformation unter Evangelium
verstand.
Martin Luther
zeigt hier drei Dinge auf:
1. Der
Mensch ist vollkommen unfähig, aus eigenem Vermögen und eigener Kraft heraus zu
Gott zu kommen.
„Ich glaube,
dass ich nicht aus eigener Vernunft noch Kraft an Jesum Christ, meinen Herrn,
glauben oder zu ihm kommen kann.“ Ich bin unfähig, ich bin nicht in der Lage,
aus eigener Kraft zu Gott zu kommen. Luther sagt damit: „Selbst wenn wir
wollten, wir könnten es nicht, da uns das Vermögen, die Kraft, fehlt.“ Ja, wer
kann dann gläubig werden, wer kann dann selig werden? Das führt zu dem zweiten
Punkt.
2. Der
Heilige Geist beruft und erleuchtet Menschen.
Gott selber
wirkt durch seinen Geist an Menschenherzen und schafft Ver-änderung, so dass
Menschen an ihn glauben.
Schliesslich
hebt Luther hervor, wie der Geist wirkt:
3. Durch
das Evangelium wirkt er die Berufung und Erleuchtung eines Menschen.
„Der Heilige
Geist hat mich durchs Evangelium berufen, mit seinen Gaben erleuchtet, im
rechten Glauben geheiligt und erhalten.“ Luther war der Über-zeugung, dass der
Mensch durch die Sünde so verdorben ist, dass er vollkommen unfähig ist, sich
aus eigener Kraft aus dem Sumpf herauszuziehen. Nein, Gott selber muss ihn
befähigen, Gott selber muss eingreifen. Der Mensch kann sich gar nicht aus
eigener Kraft für Gott entscheiden.
Nun, diese
Sichtweise ist vielen Kreisen, selbst solchen, die sich auf Luther berufen, sehr
fremd geworden. Wir sind der Meinung, der Mensch kann, wenn er nur will. Man
muss ihm nur noch den Weg zur Rettung zeigen, und dann liegt es an ihm, dort
hinzuschwimmen und das rettende Ufer zu erreichen. Doch Luther sagt: „Nein, wir
haben einen solchen Schiffbruch erlitten, dass wir völlig hilflos im Meer
umhertreiben und – wenn nicht Hilfe von aussen kommt – umkommen werden. Doch
Gott selber wirkt durch das Evangelium, der Geist Gottes wirkt durch sein Wort.
Er beruft und erleuchtet Menschen.“
Damit legte
Luther den Grund für die Art und Weise, wie man in den nach-folgenden
Jahrhunderten evangelisierte: Gottes Wort wurde ins Zentrum gerückt, Gottes Wort
alleine. Manche Kirchen der Reformation brachten dies sogar dadurch zum
Ausdruck, dass sie alles aus der Kirche hinausschafften und nur noch eins in den
Mittelpunkt rückten: die Kanzel. Gottes Wort wirkt, und durch Gottes Wort wirkt
Gottes Geist. Durch sein Wort errettet Gott Menschen, durch die Torheit der
Predigt. Durch ein törichtes Wort, ein Wort, worüber Menschen nur spotten
können, werden Menschen errettet.
Aber was für
ein gewaltiges Wort war es doch in der Zeit der Reformation! Wenn wir uns das
anschauen: Da ist dieser geistlich völlig finstere Kontinent Europa und es
gefällt Gott, allein durch die Torheit der Predigt – und jetzt hört genau hin –
Hunderttausende von Menschen zum Glauben zu führen! Hundert-tausende! Wir machen
uns keine Vorstellung davon, was der Herr damals gewirkt hat, durch sein Wort!
Österreich wurde zu über 80 Prozent protestantisch. Ein Kirchengeschichtsbuch
vermerkt: „In Österreich hatte um die Mitte des 16. Jahr-hunderts die
Reformation überall tiefe Wurzeln geschlagen. Neun Zehntel der Ein-wohner waren
protestantisch.“ 2) Als im 18. Jahrhundert die Protestanten aus dem
Salzburgerland vertrieben wurden, verliessen über 20.000 ihre Heimat, getrieben
von der Überzeugung: „Lieber die Heimat verlassen, als den Glauben aufgeben!“
Auch in
Frankreich entstand allein durch Gottes Wort eine grosse geistliche Bewegung.
1572 richteten die Katholiken in der sogenannten Bartholomäusnacht ein Blutbad
unter den Protestanten an. Etwa 20.000 Menschen wurden ermordet. Ab dem Ende des
17. Jahrhunderts wurden die Hugenotten in Frankreich brutal verfolgt. Sie hatten
nur drei Möglichkeiten: Auswanderung, Untergrund oder Ge-fangenschaft und Tod.
„Überall floss das Blut der evangelischen Bekenner und Gläubigen in Strömen;
allein im Languedoc [Südfrankreich] wurden gegen 100.000 Protestanten
niedergemacht.“ 3) 500.000 Franzosen verliessen ihre Hei-mat. In Lausanne wurde
ein geheimes Predigerseminar eingerichtet, um Pastoren für die in Frankreich
zurückgebliebenen Gläubigen auszubilden. Weit über hundert Geistliche sind aus
diesem Seminar hervorgegangen, um der ‚Kirche in der Wüste‘, wie man die
verfolgte Gemeinde Jesu in Frankreich bezeichnete, zu dienen. Es waren
Kandidaten des Todes. Broadbent schreibt über dieses Seminar: „Es war eine
Märtyrerschule, denn ein grosser Teil der Männer, die von dort an die Arbeit in
Frankreich gingen, wurden gehängt, einige in ganz jungen Jahren.“4) Sie haben
das Wort Gottes verkündigt, ganz schlicht die Bibel verbreitet und vielleicht
ein paar Bücher.
Auch in
England breitete sich während der Zeit der Reformation und der Gegenreformation
Gottes Wort aus. 1662 machte es in England Charles II. durch die ‚Act of
Uniformity‘ vielen englischen Geistlichen unmöglich, innerhalb der englischen
Staatskirche zu bleiben. Etwa 2000 Pastoren (= 20% aller englischen Pastoren)
verliessen daraufhin die Kirche und gründeten Freikirchen.
Das Wort
Gottes war die Grundlage dessen, was wir als Reformation
bezeich-nen. Sola Scriptura – die Schrift allein. Es herrschte die
Überzeugung: Gott wirkt durch sein Wort. Wenn wir sein Wort verkündigen, wird es
nicht leer zurück-kommen. Gott hatte verheissen, dass durch sein Wort
Menschenherzen umge-wandelt werden. Die Predigt des Evangeliums war das
wichtigste Evangelisations-mittel.
Überlegen wir
einmal: Welch ‚primitive‘ Mittel verwendeten die Gläubigen in jenen Tagen: die
Bibel, ein paar Bücher und die Predigt des Evangeliums. Doch es brachte Gläubige
hervor, die bereit waren, Haus und Hof zu verlassen und die gegebenenfalls auch
ihr Leben opferten. Was für ein Unterschied zu dem, was wir heute erleben.
Welcher Aufwand wird in unseren Tagen betrieben, um Menschen für das Evangelium
zu interessieren: Theater, Pantomime, Zirkus,
Musikeinlagen, Talkshow oder was sonst noch an Attraktionen möglich ist. Es
gibt kaum etwas, was wir heute auf Evangelisationen nicht finden werden.
Doch wie kam
es, dass das, was man in der Reformation erkannt hatte, durch neue – moderne –
Evangelisationsmethoden ersetzt wurde? Wir müssen uns dazu die geistlichen
Entwicklungen in Grossbritannien und Nordamerika im 18. und 19. Jahrhundert
etwas genauer anschauen.
B.
Grossbritannien und Amerika im 18. und 19. Jahrhundert
1. Der
Methodismus unter John Wesley und George Whitefield
Als 1729–31
der französische Baron Montesquieu England besucht hatte, sagte er: „Wenn
irgendjemand über Religion sprach, lachte jedermann.“ Die Engländer schienen in
seinen Augen überhaupt keine Religion zu haben. Nach der Reforma-tion im 16.
Jahrhundert und der segensreichen Ausbreitung des Wortes Gottes zur Zeit der
Puritaner im 17. Jahrhundert hatte England einen beispiellosen geistlichen
Niedergang erlebt.
Doch in der
ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts gefiel es Gott, ein grosses geist-liches
Erwachen zu schenken. Es begann mit einer kleinen Gruppe junger Studen-ten in
Oxford. Die beiden bekanntesten sind John Wesley und George Whitefield.
a) John
Wesley
John Wesley
(1703–1791) wurde nach seinem Studium als Pastor der englischen Staatskirche
ordiniert. 1738 besuchte er eine Versammlung, in der Luthers Vorrede zum Brief
an die Römer vorgelesen wurde. Beim Vorlesen dieser Schrift bekehrte sich John
Wesley. Ab 1739 zog er kreuz und quer durch das Land. Im Juni 1739 schrieb er in
sein Tagebuch: „Ich betrachte die ganze Welt als mein Kirchspiel.“ Viele Jahre
legte er jährlich durchschnittlich rund 13.000 Kilometer zurück und predigte
nicht weniger als tausendmal. Er suchte selbst die entlegensten Winkel Englands
auf. Als er 1791 starb, hatte er über 40.000 Predigten gehalten. Ob in Kirchen
oder im Freien – wo immer er konnte – predigte er. Nicht selten lauschten 15.000
bis 20.000 Menschen seiner Predigt. Als er siebzig Jahre alt war, predigte er
einmal vor 30.000 Menschen.
b) George
Whitefield
Ebenso
bedeutend ist George Whitefield (1714–1770). Von 1732–1735 studierte er am
Pembroke College in Oxford. Er kam damals in Kontakt mit John und Charles
Wesley. Nach schweren geistlichen Kämpfen bekehrte er sich 1735. Ebenso wie John
Wesley zog er fortan predigend durchs Land, allerdings nicht nur in England,
sondern seine Reisen führten ihn auch nach Schottland, vor allem aber nach
Nordamerika. Tausende von Menschen fanden durch seine Predigten neues Leben in
Jesus Christus.
c) Der Bruch
zwischen John Wesley und George Whitefield
Diese
gesegnete Bewegung spaltete sich schon früh in zwei Strömungen. Am 1. Februar
1741 schrieb John Wesley in sein Tagebuch: George Whitefield „erklärte mir, er
und ich würden jeder ein verschiedenes Evangelium ver-kündigen.“ 5) Es kam zu
einem Bruch zwischen Wesley und Whitefield. John Wesley lehrte zwei Dinge, die
Whitefield ganz entschieden ablehnte:
1. Wesley
lehrte, dass alle Menschen durch die Gnade Gottes die Möglichkeit haben, sich zu
Gott zu bekehren. Er betonte die Schuld und Verantwortlichkeit des Menschen, und
er sagte: „Gott hat alles getan, damit wir Menschen gläubig werden können. Nun
liegt es allein – allein! – am Menschen, ob er dieses Ange-bot ergreift oder
ablehnt.“ Sein Schlagwort war: „Es liegt an euch allen allein!“ Whitefield
widersprach dem heftig, da er befürchtete, John Wesley mache das Heil des
Menschen von seinem freien Willen und nicht von Gott abhängig: „Du machst“, so
warf er John Wesley am 24. Dezember 1740 vor, „das Heil abhängig nicht von
Gottes freier Gnade, sondern vom freien Willen des Menschen“ 6)
Whitefield
betonte dagegen: „Es liegt nicht allein an uns Menschen, – im Gegenteil! – es
liegt allein an Gott! Gott erwählt einen Menschen und errettet ihn.“ Er hielt in
der Auseinandersetzung John Wesley Römer 9,16 vor: „So liegt es nun nicht an
jemandes Wollen oder Laufen, sondern an Gottes Erbarmen.“ Der Mensch – davon
war Whitefield in seinem Innersten durchdrungen – hat nicht die Fähigkeit, sich
aus eigener Kraft zu bekehren. Nein, es ist Gottes Werk, Gott wirkt die
Errettung an einem Menschen. Dies bedeutete für Whitefield aber keineswegs, die
Hände in den Schoss zu legen und darauf zu warten, dass Gott Menschen bekehrt.
Im Gegenteil, es war ihm ein Ansporn, mit allem Eifer Gottes Wort zu
verkündigen, in der Erwartung, dass Gott seine Verheissung wahrmachen würde,
durch die Torheit der Predigt Menschen zu retten.
2. Aber noch
in einem anderen Punkt tat sich ein tiefer Riss zwischen diesen beiden Männern
Gottes auf. Wesley glaubte, ein Christ könne schon hier auf Erden einen Zustand
erlangen, wo er von der innewohnenden Sünde völlig frei sei. Ein Christ könne
ein vollkommen reines Herz erlangen. Ja, er glaubte, man könne eine ‚zweite
Erfahrung/Wohltat‘ (‚second benefit‘) machen, die uns so heilige, dass wir frei
würden von allen Anfechtungen der Sünde.7)
Auch in
diesem Punkt sah sich Whitefield genötigt, seine Stimme gegen Wesley zu erheben:
„Nein!“, so war immer wieder seine Rede, „die Bibel und sowohl meine als auch
die Erfahrung der anderen Gläubigen zeigt einfach, dass wir noch erbärmliche
Sünder sind. Wer kann daher auf Erden je so vermessen sein zu sagen: ‚Ich bin
sündlos’?“
Beide
gerieten über diesen beiden Lehrfragen scharf aneinander. 1740 schrieb
Whitefield aus Amerika, wo Gott gerade eine grosse Erweckung schenkte, an John
Wesley: „Das Werk Gottes geht hier weiter – und das in der herrlichsten Art und
Weise – durch Lehren, die den Lehren, an denen du festhältst, vollkommen
entgegengesetzt sind.“ 8) Und noch deutlicher wird er kurze Zeit später: „Sehr
geehrter Herr, um Jesu Christ willen bedenke, wie sehr du Gott verunehrst, indem
du die Erwählung leugnest.“ 9)
d) Eine
Bewertung dieser Auseinandersetzung
Wie sollen
wir diesen Streit bewerten? Was sollen wir dazu sagen? Haben sie recht gehabt
oder unrecht? War es eine überflüssige Auseinandersetzung? Otto Riecker sieht in
der ganzen Auseinandersetzung nur eine Versuchung Satans: „Hier benutzte der
Satan das Bedürfnis nach theologischer Klarheit und Sauber-keit, aber auch die
Neigung zu Rechthaberei und Eigensinn, um in die junge Be-wegung Streit und
Verwirrung zu bringen.“ 10)
Doch war es
nur eine Versuchung Satans? War es eine überflüssige theolo-gische Debatte? War
es etwas, wo Eigensinn und Rechthaberei im Mittelpunkt standen? Zwei Dinge
erscheinen mir an diesem Streit bedeutsam:
1. Was mich
bei diesem Streit sehr bewegt hat, ist die grosse Liebe, die zwischen diesen
beiden Brüdern im Herrn weiterhin fortbestand. Sie waren in dieser Frage
unterschiedlicher Meinung. Aber in der ganzen Auseinandersetzung – leider kann
man das im Deutschen gar nicht nachvollziehen, weil man diese Briefe nie richtig
übersetzt hat – kommt eine grosse gegenseitige Liebe zum Ausdruck. Während der
Auseinandersetzung schrieb z.B. Whitefield an John Wesley folgendes: „Ich
versichere, ich liebe dich vom Herzen Jesu Christi und denke, ich könnte mein
Leben für dich niederlegen. Aber mein lieber Freund, ich kann mir nicht helfen,
gegen deine Irrtümer auf diesem Gebiet aufzustehen, weil ich glaube, dass du
dich, wenn auch nicht absichtlich, der Wahrheit, die in Christus ist,
widersetzest,…“ 11) Einerseits ist Whitefield überzeugt: Ich muss etwas sagen, –
andererseits aber versichert er: „Ich bin bereit, selbst mein Leben aus Liebe
für dich hinzulegen.“ Die Liebe – und man muss sich das einmal vorstellen: John
Wesley war ein Stück weit der geistliche Vater von George Whitefield! – bestand
fort. Man respektierte sich als geistliche Brüder. Dies ist etwas, was wir von
ihnen lernen können und müssen. Schauen wir doch einmal an, mit welcher
Lieblosigkeit wir auf andere losgehen, nur weil wir glauben, die richtige Lehre
zu haben.
2. Was diesen
Streit – und deswegen gehe ich so ausführlich darauf ein – bedeut-sam macht, ist
die Tatsache, dass fortan in dem Lager, das wir als evangelisch oder
protestantisch bezeichnen, zwei Strömungen entstanden. Durch den
Prote-stantismus zieht sich nun ein tiefer Riss.
Die eine
Strömung möchte ich als reformatorisch bezeichnen. Ich
meine damit die Gläubigen, die die Reformation weiterführten und sagten: „Gott
beruft durch Seinen Geist und durch Sein Wort Menschen, die vollkommen unfähig
sind, sich selbst zu retten. Gott greift souverän ein. Wir gehen hinaus,
verkündi-gen das Evangelium und erwarten dann, dass der Herr Menschen das Herz
öffnet und Wiedergeburten wirkt.“
Dagegen lässt
sich die zweite Strömung als methodistisch oder arminianisch
(nach Arminius, Dortrechter Synode 1618) bezeichnen. Hier wird betont: „Gott
ermöglicht es, dass Menschen sich für Ihn entscheiden. Gott schafft die
Möglichkeit, und wir müssen dann so wirken, dass Menschen diese Möglichkeit
wahrnehmen.“
Trotz dieser
Unterschiede arbeiteten beide Strömungen teilweise friedlich zusammen. Aber mit
der Zeit entwickelten sich beide Richtungen immer weiter auseinander. Dies war
auf Grund der unterschiedlichen Lehrauffassungen voraus-zusehen. Denn wenn es,
wie John Wesley behauptet, am Menschen liegt, dass er sich für Gott entscheidet,
so steht ja eine Frage im Raum: Wie bringe ich einen Menschen dazu, dass er sich
entscheidet, – dass er ‚Ja‘ sagt? Beide – Wesley und Whitefield – setzten
noch auf die Predigt. Doch im 19. Jahrhundert sollte sich dies grundlegend
ändern. Charles Finney war der Mann, der die praktischen Schlüsse aus dem zog,
was in John Wesleys Anschauungen angelegt war.
2.
Charles Finney
Als ich zum
Glauben kam, war Charles Finney (1792-1875) für mich das grosse geistliche
Vorbild. Ich verschlang buchstäblich alle seine Schriften, die man in
Deutschland kaufen konnte. Finney und Erweckung bildeten für mich eine
unauflösliche Einheit. Für Erweckung sein, war für mich gleichbedeutend mit: für
Finney und seine Schriften sein. Damals glaubte ich, dass nur diejenigen Finney
bekämpften, die gegen Erweckung waren. Um so verwunderter war ich, als ich
feststellte, dass einige derjenigen Prediger, die mir geistlich viel bedeuteten,
Finney scharf angriffen. „Warum“, so fragte ich mich, „bekämpft zum Beispiel
Spurgeon Finneys Erweckungsverständnis? War Spurgeon nicht auch für Erweckung?“
Es war mir ein Rätsel! Doch als ich mir das Leben und die Lehre von Finney etwas
genauer anschaute, wurde mir vieles klar.
Finney wurde
am 29. August 1792 in Warren (Connecticut) geboren. Zunächst war er als Anwalt
tätig. Nach seiner Bekehrung (1821) wurde er Evangelist und Erweckungsprediger.
Etwa zehn Jahre führte er evangelistische Erweckungsfeldzüge (‚evangelistic
campaigns‘) durch. 1835 ging er nach Ohio ans Oberlin-College. Über zehn Jahre
lang (1856–66) war er Präsident dieser theologischen Ausbildungsstätte. 1875
starb er dort.
Nun, was
glaubte Finney, und was macht ihn so bedeutsam? Was waren seine
Grundlehren? Zunächst: Finney verwirft die Reformation. Dies
unterscheidet ihn ganz radikal von Wesley. Die Vorstellung der Reformation, der
Mensch sei durch die Sünde völlig verdorben und Gott rechtfertige einen Sünder
allein aufgrund des Sühnetodes Christi, ist für ihn ein ‚anderes Evangelium‘ (‚another
Gospel‘).12) Er sagt damit: „Was die Reformation über Rechtfertigung lehrt, ist
ein anderes Evangelium!“ Das ist eine schwere, grundlegende Abweichung von dem
Funda-ment der biblischen Botschaft.
Warum? Nun,
er macht die menschliche Fähigkeit zum Dreh- und Angelpunkt seines Denkens.
Er sagt: Wenn Gott von einem Menschen etwas fordert, dann gibt er ihm dazu auch
alle Fähigkeiten.
Besonders
deutlich wird das in seiner Lehre von der Wiedergeburt.
Kernstück der Lehre von der Wiedergeburt, wie sie in der Reformation verkündigt
wurde, ist die Unfähigkeit und völlige Verdorbenheit (‚total depravity‘) des
Menschen. Der Mensch hat weder die Kraft noch den Willen, sich zu retten. Der
Heilige Geist greift durch die Wiedergeburt in den Menschen ein und schafft ein
neues Herz und einen neuen Menschen (‚a new creation‘). Finney bekämpfte diese
Lehre. Einem Menschen zu sagen, er könne, solange er nicht von neuem erschaffen
sei, solange er nicht wiedergeboren sei, nur gegen Gott handeln, sei „die
grösste und verabscheuungswürdigste und verwerflichste Falschheit. Es spottet
seiner Intelligenz.“ 13)
Nicht Gott,
sondern letztlich der Mensch schafft sich ein neues Herz: „Wir haben gesagt,
dass in der Bibel Wiedergeburt gleichbedeutend ist mit einem neuen Herzen. Aber
es wird von den Sündern verlangt, sich selbst ein neues Herz zu machen, was sie
nicht könnten, wenn sie nicht bei dieser Veränderung aktiv wären.“ 14) Die
Wiedergeburt ist für Finney nichts anderes als die Änderung des Willens durch
den Einfluss der Wahrheit.15) Die Wirksamkeit des Heiligen Geistes bei der
Wiedergeburt reduziert Finney darauf, dass der Geist Gottes versucht, einen
Menschen die Wahrheit nahezubringen und ihn davon zu überzeugen (‚divine moral
suasion‘)16) Der Geist gibt sozusagen nur einen Anstoss, einen Impuls – mehr
nicht!
In ähnlicher
Weise deutet er natürlich dann auch die ganze Lehre von der Heiligung um. Was
der Mensch bei der Bekehrung kann, das kann er auch im Glaubensleben; wenn er
etwas will, dann kann er es. Damit ergab sich zwangs-läufig die Frage, ob ein
Christ sündlos sein kann. Finney beantwortete diese Frage positiv: Ja, ein
Mensch kann, wenn er willentlich mit allen Sünden ge-brochen hat, völlig sündlos
sein.
Aus diesen
Lehren entwickelte Finney sein Evangelisationsverständnis.
Da Finney glaubte, der Mensch müsse nur wollen, so ist es also die Aufgabe der
Christen nur, einen Menschen dazu zu bringen, dass er will. Doch wie bringe ich
jemanden dazu, etwas zu wollen? Nun, Finney sagte folgendes: Wir müssen eben
unsere Art und Weise, wie wir evangelisieren, umstellen. Nur das Wort Gottes zu
verkündigen, reicht nicht. So führte er unter dem Stichwort ‚new measures‘,
d.h. ‚neue Massnahmen‘ oder ‚neue Methoden‘, eine Reihe
neuer Evangelisations-methoden ein, um so Menschen zu Entscheidungen zu
bewegen.
Ich möchte
ein paar dieser Methoden nennen, die er einführte: In Gebets-versammlungen
wurden, wenn Ungläubige zugegen waren, diese mit Namen genannt, und man erzeugte
dadurch einen unwahrscheinlichen (psychologischen/ seelischen) Druck, um sie zur
Busse zu bewegen. Man führte eine ‚Bussbank‘ ein. Man rief Menschen auf, nach
vorne zu kommen und öffentlich auf dieser Bank Busse zu tun. Man hielt spezielle
Erweckungsversammlungen ab, um an einem Ort das Interesse am Christentum zu
fördern oder zu stärken. Für die ‚Erweckten’ wurden besondere
‚Nachversammlungen’ abgehalten. Musik und Chöre wurden fortan eingesetzt, um
ganz bestimmte Gefühle hervorzurufen und Entscheidungen zu fördern.
So spiegelten
Finneys Evangelisationen nur seine Überzeugung wider: „Der Mensch kann wollen.
Fortan muss ich alles einsetzen, was dazu führt, dass ein Mensch will, – alle
Methoden, die es irgendwie gibt, sind möglich und nützlich.“ Das führte dazu,
dass nicht mehr die Torheit der Predigt das Denken der Gläubigen beherrschte,
sondern man fragte: „Wie bringe ich Menschen zum Wollen? Wie setze ich diese und
jene Methode ein, damit sie am Schluss der Versammlung ‚Ja‘ sagen?“ Man
könnte man fast überspitzt sagen: „Der Zweck heiligt die Mittel.“
Finney wurde
von seinen Zeitgenossen heftig kritisiert. Seine Evangelisations-methoden
stiessen auf erbitterten Widerstand – nicht von Ungläubigen, sondern von
solchen Menschen, von denen ich sagen würde: die mir geistliche Lehrer geworden
sind. Ganze Kirchen, ganze Scharen von Gläubigen wandten sich gegen Finney und
machten deutlich: Wir wollen nicht eine solche Verkündigung des Evangeliums.
Besonders deutlich wird es vielleicht an einem Wort einer metho-distischen
Versammlung in Wales. Sie brachte als Antwort auf Finneys Bücher ein warnendes
Wort an ihre Gemeinden heraus, in dem sie erklärte: „Es besteht keine
Notwendigkeit, neue Methoden auszuprobieren, ausser denen, die göttlich
angeordnet worden sind.“ 17)
Die
geistlichen Führer dieser Gemeinden waren über diese neuen Methoden besorgt und
sagten: „Warum sollen wir etwas Neues ausprobieren neben dem, was der Herr
selber für uns angeordnet hat?“ Mit anderen Worten: neben dem, was bis dahin
allgemein als Evangelisationsmethode akzeptiert war. Und es war nicht viel: Die
Gemeinde betete, und sie vertraute darauf, dass der Herr durch Sein Wort wirken
würde.
Warum war die
Reaktion der Gläubigen so ablehnend? Hätten sie nicht sagen können: „Geben wir
dem Ganzen eine Chance. Ist es nicht wichtig, vielleicht diesen Mann auch stehen
zu lassen? Richten wir ihn nicht vor der Zeit?“
Doch viele
Gläubige konnten nicht schweigen angesichts dessen, was sie sahen. Denn Finneys
Evangelisationsmethoden waren der Grund dafür, dass sich viele gute Gemeinden
spalteten. Finney versuchte ohne Rücksicht auf Verluste seine Lehren und
Methoden populär zu machen, und er hat dadurch viele Gemein-den an den Rand des
Zusammenbruchs geführt. Er hat eine Spaltung nach der andern provoziert. Es gibt
ganze Gemeinden und Gemeindeverbände, die sich jahrelang nicht von dem erholt
haben, was er angerichtet hatte – einfach durch die Art und Weise, wie er
aufgetreten ist.
Aber auch aus
einem anderen Grund erhoben namhafte Prediger des Evange-liums ihre Stimme gegen
Charles Finney. Als ich Finneys Bücher las, war ich so fasziniert zu sehen, wie
Erweckung um Erweckung entstand, wie Hunderte von Menschen zum Glauben kamen.
Auf der Rückseite der deutschen Übersetzung seiner Autobiographie schreiben die
Herausgeber, dass durch Finney 500.000 Menschen zum Glauben gekommen sind.
Doch als ich
seine Erweckungen genauer studierte, wurde ich sehr traurig. Denn was für
Erweckungen waren es? Es gab eigentlich nur wenige wirkliche Bekehrungen. Er
musste später selber angesichts dieser sogenannten ‚Bekehrten‘ eingestehen: „Die
meisten von ihnen sind eine Schande für den Glauben.“ 18)
Viele
Gemeinden haben sich von diesen ‚Erweckungen’ nie wieder erholt. Warum nicht?
Nun: Wenn ich davon überzeugt bin, dass ich jemanden nur dazu bringen muss, dass
er sich entscheidet, und ich setze zu diesem Zweck jede Tech-nik ein, die ich
zur Verfügung habe, dann bedeutet das praktisch folgendes: Ich führe jemanden
dazu, dass er ‚Ja‘ sagt. Aber was nützt es, wenn es keine wirkliche
Bekehrung ist? Wenn ich nur eine gefühlsmässige Entscheidung hervorgerufen habe,
dann sieht das Ergebnis folgendermassen aus: Die Schrift sagt: Ein Mensch ohne
Christus ist geistlich tot. Man hat vielleicht 100 Menschen soweit gebracht,
dass sie äusserlich ‚Ja‘ gesagt haben. Nun halten sie sich für Christen und
schliessen sich einer Gemeinde an. In Wahrheit sind aber 100 ‚Tote’
hinzugekommen. Wie wirkt sich das aus auf eine Gemeinde, die vielleicht vorher
aus 50 lebendigen Christen bestand? Da hat sich mit einem Schlag die gesamte
Atmosphäre geändert und diese wird eine Gemeinde lähmen und in Schwierigkeiten
stürzen.
Finney musste
es selber eingestehen, dass die Menschen nach ihren soge-nannten Bekehrungen
nicht das waren, was man von der Schrift her nach einer Bekehrung eigentlich
erwartet. In der Schrift wird klar gesagt: Wenn der Herr den Menschen das Herz
aufgetan hat, wenn sie Busse getan haben, wenn sie sich be-kehrt haben, dann
haben sie sich abgewendet von den Götzen hin zu dem lebendigen Gott. Da ist
Veränderung geschehen; da ist mit einem Mal ein Hunger nach Gottes Wort
entstanden, nach geistlichen Dingen und nach geistlicher Gemeinschaft. – Aber
hier hat man nun Menschen rein emotional zu einer Entscheidung geführt, und sie
quälen sich jetzt da durch, und eigentlich wissen sie z.T. gar nicht, dass sie
sich nur durchquälen, weil sie geistlich nicht lebendig sind.
Aber noch ein
anderer Punkt missfiel vielen Gläubigen an Finney. Finney förderte durch seine
Evangelisationsmethoden die Vorstellung, dass Lehre zweit-rangig sei. Seinen
Kritikern warf er vor, sie würden nur tote Lehre betonen, die mit dem
eigentlichen Leben nichts zu tun habe. Er förderte damit eine ganz fatale
Entwicklung.
Die
Reformatoren hatten noch gesagt: „Die Gemeinde Jesu, eine rechte Kirche,
definiert sich dadurch, dass das Evangelium in rechter Weise verkündigt wird.
Voraussetzung für eine gute Gemeinde, für alle gute Arbeit im Reiche Gottes, ist
die rechte Verkündigung des Evangeliums. Rechte Lehre ist Voraussetzung für
rechte Verkündigung, für rechte Evangelisation.“ Doch Finney betonte: „Rechte
Lehre ist zweitrangig für rechte Verkündigung; sie ist nicht so wichtig; es geht
ja nur darum, eine Entscheidung hervorzurufen; da machen doch so viele ‚theolo-gische
Spekulationen’ gar keinen Sinn.“ Lehren werden nach hinten verschoben, werden
als ‚zweitrangig’ abgetan.
Dieses Denken
hat heute in fast allen christlichen Kreisen tiefe Wurzeln ge-schlagen. Als ich
bei einer Evangelisation in einer Gemeinde darauf hinwies, dass das, was der
Evangelist verkündigte, falsch sei, da bekam ich zur Antwort: „Ja, Karsten, das
musst du verstehen. Dieser Mann ist Evangelist und kein Theologe.“ Denken wir
doch einmal über solch eine Aussage nach. Was wird damit zum Ausdruck gebracht?
„Wenn ich evangelisiere“, so denken viele Christen in Deutschland, „dann lehre
ich nicht. Lehre, ja das ist erst später wichtig. Für die Weitergabe der Lehre
sind die Theologen zuständig, aber nicht ein Evangelist.“ Aber wie will ich denn
das Evangelium verkündigen, wenn ich nicht einmal richtig weiss, was ich
verkündigen soll? Wenn ich nicht in rechter Weise begriffen habe und nicht in
rechter Weise beschreiben kann, was das Evangelium ist –, was will ich dann
weitersagen? Lehre des Evangeliums, Verkündigung des Evangeliums ist heute in
der Gemeinde Jesu bitter nötig! Die Gemeinde Jesu beschäftigt sich heute nicht
viel mit Lehre. Und gerade das ist es, was nötig wäre! Die Gemeinde Jesu sollte
zu den Wurzeln zurückgehen und sich ganz neu mit der Lehre vom Heil
beschäftigen!
Vor 200
Jahren konnten viele ganz einfache Christen die Lehre vom Heil in Jesus Christus
besser beschreiben, als heute viele evangelikale Prediger! Wir haben uns daran
gewöhnt zu sagen: „Hier ist das Leben, und da ist die Lehre, und die Lehre ist
doch eigentlich schädlich für das Leben.“ Vergleichen wir doch einmal diese
Einstellung mit der von C. H. Spurgeon. Spurgeon glaubte, dass gute und gesunde
Lehre die Basis und Voraussetzung für alle echte Verkündigung des Evangeliums
ist. Mangel an Lehre führt letztlich dazu, dass wir nachher nicht mal mehr
wissen, was wir zu verkündigen haben. Doch wir müssen wissen, was wir
verkündigen sollen; wir müssen eine klare Vorstellung haben von dem, was wir
weitergeben sollen!
3. Dwight L.
Moody
Finneys
Gedankengut wurde durch Dwight Lyman Moody (1837–1899) populär gemacht.
Moody wirkte nach seiner Bekehrung zunächst in den Slums von Chicago, wo er
Tausende für seine Bibel-Klassen (‚Bible Classes‘) gewann. Bekannt wurde er
dadurch, dass er mit dem Musiker Ira D. Sankey zahlreiche ‚Feldzüge‘ (‚Crusades‘)
in Amerika, England und Schottland durchführte, um die Massen für Jesus Christus
zu gewinnen. Daneben förderte er die Ausbreitung des CVJM. Ohne Frage ist sehr
viel Segen von ihm ausgegangen.
Doch durch
Moody fanden Finneys Lehre von der Geistestaufe und Finneys
Evangelisationsmethoden Eingang in viele christliche Kreise. Da er seine
Vor-stellung viel feiner und vorsichtiger als Finney vortrug, fand er selbst bei
Predi-gern Unterstützung, die Finney ablehnten.
Für die
weitere Entwicklung in der Gemeinde Jesu sind vor allem drei Dinge bedeutsam:
1. Moody
schuf, von Finney ausgehend, den Typ von Evangelisation, wie er ab Mitte des 20.
Jahrhunderts vorherrschend wurde: In Evangelisationen wird eine Atmosphäre
geschaffen, die bewirkt, dass die Menschen zuhören wollen, so dass sie
empfänglich gemacht werden, ‚Ja‘ zu sagen. Zeugnisse, Chöre und Lieder
werden so eingesetzt, dass sie die Seelen in eine bestimmte Richtung bewegen.
Sicherlich
ist es richtig, dass man darauf achtet, dass Menschen in einer ruhigen
Atmosphäre zuhören können. Doch selbst wenn wir alles getan haben, was wir
menschlich gesehen tun konnten, so müssen wir doch manchmal erkennen: „Nach
unserem menschlichen Ermessen hätte doch jetzt etwas passieren müssen – und es
passiert nichts.“ Doch an anderen Orten, wo wir es gar nicht erwarten, da
passiert etwas – warum? Nun, wir sehen in der Apostelgeschichte, wie der Herr
Türen auftut, wie der Herr wirkt, – und Er wirkt, wie es Ihm gefällt. Der Geist
weht, wo Er will.
Die grosse
Gefahr der Art von Evangelisation, die Moody förderte, liegt in der Meinung,
Evangelisation sei etwas Machbares. Ich wende bestimmte Prinzipien an und kann
dann davon ausgehen, dass ich automatisch die Früchte meiner Arbeit ernte. Dabei
wird häufig übersehen, dass ein Wirken des Geistes keineswegs schon deswegen
gegeben ist, dass ich durch mein ‚Evangelisationsprogramm‘ bestimmte Gefühle bei
den Zuhörern hervorrufen konnte.
Einer der
Werbeberater eines der grössten Evangelisten unseres Jahrhunderts sagte: „Es ist
vollkommen egal, was du nun machst –, ob du einen Parteitag vorbereitest oder
eine Evangelisation, – es sind immer die gleichen Grundprin-zipien.“ Moody
führte diese Denkweise ein.
Doch ich
halte diese Anschauung für falsch. Denn es sind eben nicht die gleichen
Grundprinzipien, die man auf einer Evangelisation oder auf einem Partei-tag
anwenden muss. Wir arbeiten nicht nach den Prinzipien, nach denen man eine
Wahlveranstaltung plant. Wir halten Versammlungen, bei denen wir der
Überzeu-gung sind, dass der Herr wirkt und wirken kann. Und die Gemeinde Jesu
hat es nötig, wieder zu sehen, dass nur da etwas geschehen kann, wo der Herr
wirkt und wirken kann. Und wir erleben manchmal, dass Er auch da wirkt, wo wir
es nicht erwartet hätten.
1630 hielt
John Livingston in Schottland eine Predigt. Die Gottesdienst-besucher gingen
nach Hause, ohne dass man bei ihnen irgendein Zeichen der Rührung wahrnehmen
konnte. Doch durch diese Predigt bekehrten sich 500 Menschen!19) Und es gab
keine äusserlichen Emotionen; es war scheinbar nichts da. John Livingston hielt
eine Predigt und stellte später fest, wie sehr der Herr dadurch gewirkt hat.
Zeigen uns
nicht auch die unzähligen Predigten von Wesley, Whitefield und anderen
Methodisten des 18. Jahrhunderts, dass der Herr, wenn er am Wirken ist,
Herzenstüren öffnet? Lest doch einmal die Apostelgeschichte durch. Dort heisst
es immer wieder: Und das Wort des Herrn lief, das Wort des Herrn breitete sich
aus. Gott war am Wirken; das war nicht von Menschen gesteuert, das war nicht
‚gemacht’, indem man einfach Menschen gefühlsmässig steuerte.
2. Durch
Moody wurde es üblich, dass Menschen, die sich für Jesus ent-schieden, dies
dadurch zum Ausdruck brachten, dass sie am Ende einer Versamm-lung nach vorne
gingen. Bevor ich mich mit der Kirchengeschichte beschäftigte, war dies für mich
das ganz Normale. Ja, wie anders sollte man denn gläubig werden, wenn man nicht
am Ende einer Versammlung nach vorne ging und sich öffentlich für Jesus
entschied und sein Leben in einem Übergabegebet dem Herrn auslieferte?
Doch was ist
dagegen einzuwenden? Ist es wirklich etwas Schlechtes? Nun, den besten Einwand
habe ich bei Spurgeon gefunden: „Wenn du in einer Predigt einem Menschen
Christus nahegebracht hast, und wenn der Geist am Wirken ist, dann hast du
diesen Menschen aufzufordern, sofort direkt zum Herrn zu gehen.“ Das ist es, was
wir den Leuten sagen sollen: „Wende dich direkt an den Herrn, schau auf Ihn!“ In
Seinem Licht wird er Frieden finden und neues Leben bekommen. Spurgeon begründet
auch seine Vorbehalte gegenüber dieser Art der Evangelisation: Es besteht die
Gefahr, dass Menschen nicht auf Jesus blicken, sondern dass sie sich auf einen
ganz bestimmten Ritus, auf eine ganz bestimmte Handlung verlassen, so dass sie
später sagen: „Ich habe dies und jenes ge-macht“ –, anstatt schlicht zu
bezeugen: „Ich bin dem Herrn begegnet; ich habe den Herrn Jesus als meinen Herrn
und Erlöser erkannt und begriffen und aufgenommen.“
3.
Schliesslich ist die sogenannte Nacharbeit von Bedeutung. Auch vor Moody
wurden Menschen, die gläubig wurden, in besonderer Weise betreut. Nacharbeit ist
wichtig, keine Frage! Allerdings hat die Nacharbeit, wie sie seit Mitte des 19.
Jahrhunderts aufkam, eine andere Qualität bekommen. Wir betreiben heute viel
Nacharbeit an Menschen, die sich ‚entschieden’ haben und dann nichts mehr wissen
wollen vom Glauben. Oder es werden Menschen geistlich betreut, die gar nicht
wissen, wo, wie und warum sie sich überhaupt entschieden haben, und die sich
dann geistlich nur durchquälen, indem sie eben äusserlich alles mitmachen.
Ist dies
nicht die Misere in vielen Gemeinden: Viele, die zur Gemeinde ge-hören, haben
sich für Jesus entschieden, ohne recht zu wissen, was es heisst, sein Leben
Jesus anzuvertrauen. Und wir machen dann in vielen Bereichen eine Nach-arbeit,
bei der wir uns krampfhaft bemühen, etwas am Leben zu erhalten, was eigentlich
erst Leben bräuchte!
Ein bekannter
englischer Prediger des 20. Jahrhunderts machte die Erfahrung, dass viele der
Menschen, die sich unter seiner Verkündigung bekehrten, Menschen waren, die aus
evangelikalen Gemeinden kamen. Aus beruflichen oder sonstigen Gründen waren sie
nach London gezogen. Sie hatten nie daran gedacht, wie gross ihre geistliche Not
eigentlich ist. Erst unter der Verkündigung dieses Mannes kamen sie zu der
Erkenntnis: Wir sind verloren! Wir sind ungläubig! Wir brau-chen neues Leben.
C.
Deutschland (17.–19. Jahrhundert)
Auch in
Deutschland entwickelten sich nach der Reformation zwei Strömungen unter den
Gläubigen: Eine, die das Erbe der Reformation pflegte, und eine andere, die –
stark geprägt durch die angelsächsischen Länder – sich von der Reformation
entfernte. Um diese Entwicklung zu verstehen, müssen wir uns die Entstehung und
Entwicklung des Pietismus etwas genauer anschauen. Ich
möchte dabei den älteren von dem neueren Pietismus unterscheiden. In der
Literatur spricht man von Alt- und Neupietismus.
1. Der alte
Pietismus
Was versteht
man unter dem alten Pietismus? Nun, im 17. Jahrhundert brachte Philipp
Jacob Spener eine Schrift unter dem Namen Pia desideria (fromme
Wünsche) heraus. Er begann diese Schrift mit einer Klage Jeremias: „Ach, dass
wir Wasser genug hätten in unseren Häuptern und unsere Augen Tränenquellen
wären, dass wir Tag und Nacht beweinen möchten den Jammer unseres Volkes.
(Jer 9,1)20) Es war die grosse Sorge und der tiefe Kummer, die ihn trieben, den
Schaden der lutherischen Kirche in Deutschland aufzudecken. Tote Orthodoxie
einerseits und offenbarer Abfall andererseits bedrohten die Grundfesten der
Reformation. Zudem triumphierte die katholische Kirche an verschiedenen Orten
und setzte die Gegenreformation durch.
Doch was war
zu tun in einer Zeit, in der der Unglaube immer frecher sein Haupt erhob, in der
die evangelischen Theologen ihre Zeit mit Haarspaltereien verbrachten, anstatt
dem Volk das Evangelium zu bringen? Was musste getan werden, um der inneren und
äusseren Bedrohung des Christentums zu begegnen? Spener gab eine verblüffend
einfache Antwort: Wir müssen Gottes Wort unter uns reichlicher bringen.
In der ‚Pia desideria‘ schlägt er vor: „Dass man darauf bedacht wäre, das Wort
Gottes reichlicher unter uns zu bringen. Wir wissen, dass wir von Natur nichts
Gutes an uns haben, sondern soll etwas an uns sein, so muss es von Gott in uns
gewirkt werden. Dazu ist das Wort das kräftige Mittel, denn der Glaube muss aus
dem Evangelium entzündet werden. Das Gesetz aber, die Regel, gibt die guten
Werke und viel herrlicheren Antrieb, denselben nach-zujagen. Je reichlicher also
das Wort Gottes unter uns wohnen wird, je mehr werden wir des Glaubens Früchte
zuwege bringen.“ 21)
Mit diesem
Vorschlag zeigte Spener, wie scharf er die geistlichen Probleme seiner Kirche
analysierte, denn er brachte damit zum Ausdruck, dass das Kernproblem der
Kirche, der er angehörte, ein Herzensproblem sei: Die Missstände und
Schwierigkeiten, der Schaden, den er sah, das waren für ihn nur die Symptome.
Das gottlose und verdorbene Herz des Menschen, das war das wirkliche Problem.
Und hier gibt es nur eine Hilfe, nämlich die Hilfe Gottes. Dabei war ihm
besonders aus dem Römerbrief klar geworden, dass Gott nicht auf beliebige Art
und Weise uns Menschen hilft, sondern durch sein Wort.
Wie mächtig
Gottes Wort durch die Predigt wirkte, mag das Leben August Hermann
Franckes (1663–1727) veranschaulichen. 1692 wurde Francke Stadt-pfarrer
in Glaucha bei Halle an der Saale. Der zweitausend Einwohner zählende Ort war
zum Amüsierort der Hallenser geworden. „In zahllosen Kneipen und Spelunken wird
bis in die Nacht hinein gezecht, getanzt, gespielt und gerauft. Sogar an Sonn-
und Feiertagen sieht man in allen Gassen Betrunkene wanken. Auf einem grünen
Hügel, ganz in der Nähe der Befestigungen des Rannischen Tores, werden zügellose
Tänze und Lustbarkeiten aufgeführt.“ 22) Franckes Vor-gänger war vor allem
dadurch bekannt, dass er in allen Wirtsstuben zuhause war. Es gelang Francke,
durch die Verkündigung des Wortes und seinen treuen Hirten-dienst die ganze
Stadt zu verändern. Es entstand ein Hunger nach Gottes Wort und nach geistlicher
Gemeinschaft. Francke öffnete das Pfarrhaus, damit seine Gemeindeglieder am
täglichen Morgen- und Abendgebet teilnehmen konnten. Anfangs kamen zwanzig. Als
sich die Zahl auf 250 steigerte, musste man die Gebetsstunde in das Gotteshaus
verlegen.
Was mich beim
frühen (alten) Pietismus so beeindruckt hat, kommt wohl am besten in einem Satz
von dem Kirchengeschichtler Erich Beyreuther zum Aus-druck: „Der deutsche
Pietismus hat sich als Predigtbewegung durchgesetzt.“ 23) Wir können es uns
heute kaum noch vorstellen: Menschen wurden von Gott durch sein Wort erfasst und
brachten sein Wort unter das Volk. August Hermann Francke las vor seiner
Bekehrung sechsmal die Bibel durch. Er hatte einen Hunger nach Gottes Wort, er
wollte Gottes Wort erfassen. „Als Predigtbewegung, durch die Predigten auf
vielen Kanzeln, durch die gedruckten Predigten, die wie Flug-schriften von Hand
zu Hand weitergegeben wurden, durch Mundpropaganda breitete sich die
pietistische Bewegung aus.“ 24)
Oh, wie gut
wäre es, wenn mehr Gläubige in unseren Tagen Speners und Franckes Schriften
studieren würden! Lest die ‚Theologischen Bedenken’, lest die Auslegung des
Galater- und des Römerbriefes! Lest diese Schriften! Sie sind Gold wert!
Doch wenn wir
den heutigen Pietismus mit dem Pietismus in seinen Anfängen vergleichen, so
zeigen sich grosse Unterschiede. Woher kommen sie? Nun, dieser ‚alte Pietismus’
wurde im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts durch einen ‚neuen Pietismus’
überlagert.
2. Der neuere
Pietismus
Der
Neupietismus nahm in starkem Masse Finneys und Moodys Methoden und Lehren auf.
Und das hatte ganz fatale Folgen:
1. Anders als
der ältere Pietismus war der Neupietismus vergleichsweise gleichgültig gegenüber
Lehre und Theologie. Zwar wurde und wird auch dem frühen Pietismus vorgeworfen,
eine Gleichgültigkeit in der Lehre gefördert zu haben. Dies ist zum Teil
sicherlich auch der Fall. Doch Spener und Francke wollten alles andere, nur
nicht die Orthodoxie, die rechte Lehre, beseitigen. Im Gegenteil: sie wollten
sie fördern. Doch waren sie der Überzeugung, dass die rechte Lehre nur dort
vorhanden ist, wo auch rechtes Leben blüht. Fehlt das rechte Leben, nützt auch
auch die rechte Lehre nichts. Aber sie waren nicht der Meinung, dass rechtes
geistliches Leben gedeihen könne ohne rechte Lehre. Spener erklärte: „Es ist
nicht genug, dass wir nur die wahre Lehre haben, sondern es muss auch das Leben
da sein. Also reicht keine blosse Erkenntnis, die das Herz nicht verändert, um
uns gegen die Verführungen zu bewahren, sondern es muss der wahre lebendige
Glaube vorhanden sein.“
Doch im
Neupietismus setzte sich Finneys Haltung durch. Lehre und Leben wurden
gegeneinander ausgespielt, wobei das geistliche Leben einen höheren Stellenwert
bekam: „Hier ist das Leben, das geistliche Leben, das wir brauchen; dort ist
die Lehre, die doch dem Leben nichts nützt.“ Dabei ist doch Lehre und Leben
nicht zu trennen! Echte biblische Theologie ist Lebensbrot! Nahrung für unsere
Seelen!
Diese
Einstellung wurde noch durch eine andere Tatsache verstärkt und geför-dert. Wenn
ein Pietist zu den deutschen theologischen Fakultäten hinschaute, dann musste er
sagen: „Was dort gelehrt wird, das ist Gift!“ Und er hatte nicht unrecht. Man
sah, wie Menschen mit einem fröhlichen Glauben an die Universi-täten strömten,
um Theologie zu studieren, in der Erwartung, eines Tages dem Herrn zu dienen.
Und man sah, wie diese Menschen zurückkamen: Sie hatten ihren kindlichen Glauben
über Bord geworfen, spotteten nun über das, was ihnen einst als heilig und
unantastbar galt. So fragten sich nicht wenige: „Was bringt schon Theologie
hervor?“ „Es bringt Gift hervor, es tötet das geistliche Leben ab!“ sagten sich
viele. So verstärkte sich der Eindruck: ‚Theologie‘ ist lebens-fremd; sie ist so
weit weg vom Eigentlichen. Viele der Fragen, die dort abgehan-delt werden, sind
nur akademische Fragen, die für das Leben keine Bedeutung haben.
So haben wir
heute eine beispiellose Gleichgültigkeit bezüglich Lehrfragen. Dies wird an ganz
einfachen Dingen sichtbar, z.B. an der Frage, ob ein Gläubiger überhaupt noch
weiss, was die Kirche, der er angehört, lehrt. Wir sind heute im Schwarzwald.
Württemberg ist lutherisch. Was für eine Antwort würden wir bekommen, wenn wir
heute einen Pietisten fragen würden: „Ihr haltet euch zu einer Landeskirchlichen
Gemeinschaft und seid Mitglied der lutherischen Kirche Württembergs. Was wird
eigentlich in dieser Landeskirche gelehrt?“
Ich habe mit
vielen Lutheranern gesprochen; sie wissen nicht mehr, was Luther gelehrt hat,
noch, wie ihre Bekenntnisse lauten. Es scheint ohne Be-deutung zu sein. Selbst
unter pietistischen Theologen findet sich ein erstaunlicher Mangel an Interesse
für systematische Theologie. Als ich einen Theologen fragte, was er denn an
seiner (evangelikalen) theologischen Ausbildungsstätte an Dogmatik studiert
habe, da sagte er: „Ich habe mich nicht so sehr dafür interessiert! Ich bin
nicht so sehr geisteswissenschaftlich und an philosophischen bzw.
intellektuellen Fragen interessiert.“ Ich sagte daraufhin: „Das kann ich nicht
verstehen; wenn du Theologie studierst – wenn du später Menschen das Evangelium
bringen willst –, dann muss es dich doch interessieren, was die Schrift lehrt –
über Taufe, über Wiedergeburt, über Rechtfertigung, über Busse. Du musst dir
doch ein klares Bild über die Grundlehren der Schrift machen!“
Nun, dieser
junge Mann war der Überzeugung, Dogmatik habe mit dem Leben nichts zu tun. Dies
ist Gleichgültigkeit gegenüber der Lehre. Im Hohenpriester-lichen Gebet sagt
unser HERR: „Heilige sie in der Wahrheit; dein Wort ist die Wahrheit!“
Die Wahrheit ist es, die uns frei macht, die Wahrheit des Wortes Gottes! Wie
soll die Wahrheit des Wortes Gottes uns überhaupt frei machen können, wenn wir
die Schrift nicht begreifen, ja, wenn es uns gleichgültig ist, was die Schrift
sagt?
Du kannst ja
darüber nachdenken, wo du auch persönlich geistlich stehst. Kannst du klar
definieren, was ‚Wiedergeburt‘ ist? – Die Schrift redet von ‚Berufung‘,
‚berufene Heilige‘. Was meint sie damit? ‚Busse‘, ‚Bekehrung‘,
‚Nachfolge‘, – kannst du mit diesen Begriffen umgehen, sie richtig einordnen und
sie von der Schrift her erklären? Dies ist systematische Lehre! Dies gehörte
früher zum ABC der Gläubigen!
Aber heute
sind wir so gleichgültig und sagen: „Was hat das mit dem Leben zu tun?“ Wahrheit
macht frei, Wahrheit führt weiter! Und wenn wir das nicht wieder begreifen – und
wenn auch der Pietismus nicht wieder zurückkehrt zu dem, wo er eigentlich
begonnen hat –, dann bedeutet dies den geistlichen Niedergang Deutschlands!
2. Das
Zweite, was den Neupietismus kennzeichnet, ist ein Hang, Äusser-lichkeiten
überzubewerten. Ansätze dafür gab es auch schon im älteren Pietismus. Ich möchte
hier sehr vorsichtig sein, damit mich keiner falsch versteht.
Was ist unser
Grundproblem bzw. worauf sollten wir Wert legen? Die Schrift sagt: Das
Grundproblem ist unser verdorbenes Herz. Aus dieser Quelle speist sich dann
alles, was äusserlich sichtbar wird. Nun sagen aber manche: Unser Haupt-problem
sind die Dinge, die wir äusserlich sehen. Dieses und jenes, das ist falsch!
Dadurch wird man jedoch nur allzuschnell verleitet zu glauben: Wir müssen die
Menschen nur dazu bewegen, dieses oder jenes nicht mehr zu tun, und dann sind
sie geistlich ‚okay‘. Man glaubt, es sei alles in Ordnung, nur weil äusserlich
alles stimmt.
Diese
Vorstellung wurde sicherlich von Finney stark gefördert. Äusserliche Dinge sind
vom Willen her zu regeln; dann muss ich den Menschen eben nur sagen: „Dies und
jenes ist falsch.“ Hat jemand einen starken Willen und setzt dies auch um, so
wird er denken: „Ach, was bin ich für ein guter Christ.“ Wenn ich aber die
Schrift anschaue, dann erkenne ich: Ich bin der grösste Sünder (vgl. 1.Tim
1,15).
Ein Mensch,
der ein geheiligtes Leben geführt hat wie keiner von uns, sagt am Ende seines
Lebens: Ich bin der grösste Sünder. Warum? Er brauchte nur in sein Herz
zu schauen, und so wusste er: „In mir, das ist in meinem Fleische, wohnt nichts
Gutes. Und wenn ich nicht wüsste, dass der Herr mich neu gemacht hat, wenn ich
nicht wüsste, dass der Herr mir etwas Neues geschenkt hat, ja dann wär es zum
Verzweifeln. Aber ich danke meinem Herrn, der sich meiner erbarmt hat.“
Dabei wird
meistens da, wo der freie Wille gelehrt wird, auch eine Tendenz vorhanden sein,
Äusserlichkeiten überzubewerten. Denn wer sagt, ein Mensch brauche nur zu wollen
– und Wollen ist für ihn kein Problem –, der erklärt damit, dass alle
geistlichen Probleme recht einfach zu lösen seien. Um zu zeigen, dass dies so
ist, hält man sich an ein paar gelösten Problemen auf, eben an Äusserlichkeiten,
die man unter Kontrolle hat.
Aber das
eigentliche Problem ist nicht gelöst. Sobald ich in mein Herz hineinschaue und
ehrlich bin, ist es eben nicht gelöst. Was nützt es, sagen zu können: Ich habe
fünf Dinge gehalten, – und dann erhebt sich in meinem Herzen schon wieder der
Hochmut und sagt: „Schaut, was ich für ein guter Christ gegen-über dem andern
bin!“ Dann ist doch schon meine ganze Heiligkeit wieder dahin.
Äusserlichkeiten, dieses und jenes, – es ist für mich da gar nicht die Frage, ob
dieses und jenes richtig oder falsch ist, sondern dass wir diesen
Äusserlichkeiten einen Stellenwert geben, der ihnen nicht zusteht, – dass wir
meinen, wenn wir dies und jenes geregelt hätten, dann hätten wir alles. Man legt
sich dann auf drei bis vier Punkte fest und sagt : „Ist das in Ordnung, dann
bist du geistlich.“ Oder, wenn jemand sich nicht daran hält: „Du bist
ungeistlich!“ Wie schnell stecken wir Gläubige in die eine oder andere
Schublade, doch häufig gründet sich unser Urteil nur auf solche Äusserlichkeiten.
3. Das
Dritte, was den Neupietismus kennzeichnet, ist die Übernahme der Art der
Evangelisation, wie sie Finney und Moody betrieben haben. Es wurden damit nicht
nur neue Methoden eingeführt, sondern auch klare Lehren, wie sie früher
vorhanden waren, sehr weit zurückgedrängt. Viele haben sich auf Evangelisationen
entschieden, doch wieviele haben eine wirkliche Wiedergeburt erlebt? Menschen
sind stolz darauf, dass sie sich für Jesus entschieden haben und sie ihr Herz
ihm übergeben haben. Doch wie viele haben begriffen, dass sie elende Sünder
sind, dass sie vor Gott Bettler sind? „Aber mir ist Barmherzigkeit
widerfahren!“ (1.Tim 1,13), so beschreibt Paulus dem Timotheus seine
Bekehrung. Auch nach so vielen Jahren war es für ihn immer noch etwas
Unfassbares, wie eine so elende und verdorbene Kreatur Gottes Barmherzigkeit
erfahren durfte! Wo gewinnt man heute in Zeugnissen diesen Eindruck: „Gott hat
sich meiner erbarmt!“? Wir sind so oberflächlich geworden!
Es geht mir
nicht darum – nur dass mich keiner missversteht! –, gegen den Pietismus zu Felde
zu ziehen. Doch möchte ich einfach aufzeigen, wo wir heute stehen und warum
unsere Gemeinden und Gemeinschaften so sind, wie sie sind.
D. Das 20.
Jahrhundert
Vom
Neupietismus möchte ich den Bogen schlagen zu unserem Jahrhundert. Finneys
Anschauungen über Evangelisation hatten durch Moody weite Ver-breitung gefunden.
Nicht zuletzt deswegen, weil Moodys Auftreten weniger aggressiv war. Bis weit
über die Mitte unseres Jahrhunderts hinaus prägte ihr Evangelisationsverständnis
viele evangelikale Gruppierungen.
Aber seit den
70er Jahren hat sich dieses Evangelisationsverständnis, das – man könnte fast
sagen – noch traumhaft war gegenüber dem, was wir heute teilweise erleben,
erneut grundlegend gewandelt. Man ging einen Schritt weiter, und zwar aus einem
einfachen Grund.
Bis Mitte der
60er Jahre hatten wir Erfolg mit der Art der Evangelisation, wie sie Moody
betrieben hatte. Billy Graham zog in den 50er und 60er Jahren grosse Scharen an.
In Amerika, Asien, Afrika und Europa kamen Zehntausende in die Stadien.
Doch ab den
70er Jahren setzte in unserer Gesellschaft eine Individualisierung ein. Damit
ging auch Stück für Stück das Interesse an Massenevangelisationen zurück. So
ergab sich eine neue Frage: „Wenn die Art, mit der wir bisher evange-lisiert
haben, nicht mehr ankommt, wie evangelisieren wir dann?“ Und so ent-wickelte man
einen Evangelisationsstil, der durch zwei englische Schlagworte charakterisiert
wird: ‚Creative-Evangelism‘ (‚kreative Evangelisation‘) und ‚Entertainment-Evangelism‘
(‚Unterhaltungs-Evangelisation‘).
Damit stand
man vor der gleichen Grundfrage, die auch Finney bewegte: Ich möchte Menschen
dazu bringen, dass sie sich für Jesus entscheiden. Sie können das, sie müssen
nur wollen. Nun will der moderne Mensch aber nicht. Warum will er nicht? Weil
die Botschaft nicht ankommt; sie ist ihm langweilig. Wie bringe ich ihn dazu,
dass er sich auf einer Evangelisation nicht langweilt?
Aus dieser
Fragestellung entwickelte sich die kreative oder Unterhaltungs-Evangelisation.
Der Mensch will nicht, es ist ihm langweilig; er könnte aber wollen. Nun muss
ich ihn dazu bringen, dass er will. Wie bringe ich ihn aber dazu, dass er will?
Nun, indem ich ihm zunächst das biete, was er will. Gab es auf den
Evangelisationen in den 60er Jahren noch ein auf wenige Elemente begrenztes
festgefügtes Schema, so wird nun eine Vielzahl von Dingen eingeführt, um bei
Menschen ein Interesse am Evangelium zu erzeugen.
Die Vielfalt
wurde deswegen nötig, weil sich das Bild unserer Gesellschaft so grundlegend
gewandelt hat. Unsere Gesellschaft ist immer egoistischer geworden. Jeder zieht
sich auf sich und seine Wünsche und Vorstellungen zurück. Der eine mag dies, der
andere das. Dieser Entwicklung trägt die neue Art von Evangeli-sation Rechnung.
Sie ist gleichsam ein Abklatsch dessen, was wir in unserer Gesellschaft erleben.
Der eine mag Sport, der nächste Theater, der dritte mag Musik. Jedem dieser
Interessen wird Rechnung getragen und so ist eine un-endliche Bandbreite an
Evangelisations-Techniken entstanden. Hintergrund war wieder nur diese eine
Frage: Wie bringe ich Menschen dazu, dass sie wollen?
Da aber nun
Unterhaltungs- und Showelemente in den Vordergrund rückten, geschah es gleichsam
zwangsläufig, dass die Verkündigung des Wortes Gottes immer weiter
zurückgedrängt wurde. Was wir bei Moody oder auch noch bis in den 60er Jahren
bei Billy Graham an Positivem hatten, war zumindest, dass die Predigt noch im
Mittelpunkt stand. Doch was wir heute traurigerweise erleben, ist, dass selbst
die Botschaft immer mehr an den Rand gedrückt wird, weil die Menschen sie
letztlich immer weniger hören wollen. Und doch wollen wir es uns bei den
Evangelisationen in unserem Land einfach nicht eingestehen, dass wir eine
Botschaft bringen, die die Menschen ablehnen. – Wir sind der Überzeugung: Wenn
der Herr nicht das Wollen schenkt, wird es auch nicht zu einer Veränderung
kommen. – Nun aber evangelisiere ich, und ich möchte doch Erfolge vorweisen. Nun
habe ich Menschen vor mir, die nicht wollen. Da muss ich folgendes machen – so
denken wir heute: Ich muss ihnen halt das geben, was sie wollen, auf Kosten
dessen, was ich verkündigen sollte. So ist eigentlich das, was wir als ‚kreative
Evangelisation’ erleben, ein sehr trauriger Vorgang, weil es letztlich dazu
führt, dass wir mit den Menschen nichts anderes machen, als sie in ihrem
Egoismus zu bestärken.
Wir sagen
ihnen nicht mehr wie früher: „Es ist egal, wer du bist, – du magst
Theologieprofessor oder du magst Bauer sein, – ihr seid beide Sünder und habt
beide Busse nötig, ja ihr habt beide eine totale Umkehr nötig. Und dir hilft in
deiner Stellung vor Gott die Bildung nichts, und dir hilft dein Bauernhof
nichts.“ Doch heute wird jeder Mensch in den Mittelpunkt gerückt, aufs Podest
gehoben. Es wird ihm gesagt, wie wunderbar, wie toll und wie wertvoll er ist.
Haben Men-schen in unserer Gesellschaft etwas erreicht, so werden sie besonders
umworben.
Was für ein
Bild haben wir eigentlich von der Gemeinde Jesu? Wir wollen nicht mehr Menschen
sein, die im Angesicht Gottes gedemütigt wurden, niedergefallen sind und gesagt
haben: „Ja, Herr, ich weiss, dass ich nichts anderes als den Tod verdient hätte;
aber Du hast mich aus Schmutz und Elend heraus-gezogen.“ Nein, sondern wir
bekommen durch diese Art der Evangelisation Menschen, die vor Selbstbewusstsein
des Ichs nur noch strotzen. Und das ist etwas, das uns sehr traurig machen
sollte.
Lest einfach
mal die Briefe des Neuen Testaments durch, was für eine Demut dort bei den
Gläubigen doch vorhanden war, mit welchem Respekt gegenüber dem Herrn sie
aufgetreten sind! Wieviel Niedergang haben wir heute in unseren Gemeinden im
Vergleich damit vor Augen! Wenn wir die Bekehrung des Apostels Paulus anschauen:
welches Ergebnis zeigte sie? Wir sehen, wie er seine Bekehrung in 1.Tim 1,12–17
beschreibt. Wie endet diese Beschreibung?
„Aber Gott,
dem ewigen König, dem Unvergänglichen und Unsichtbaren und allein Weisen, der
allein Gott ist, sei Ehre und Preis in Ewigkeit! Amen.“
Er kann nicht
anders von seiner Bekehrung reden, als dass sie zu einem Ziel führt, das die
Herrlichkeit und Ehre Gottes in den Mittelpunkt rückt.
Wohin die
heutige Art der Evangelisation führt, zeigt Bill Hybels. Sein
Evan-gelisationskonzept ist letztlich die letzte Konsequenz dessen, was vor über
200 Jahren begonnen hat. Die letzte Konsequenz! Und es ist die Konsequenz
dessen, was geschieht, wenn ich den Menschen und nicht Gott in den Mittelpunkt
rücke.
In einem
seiner Bücher führt Bill Hybels eine Kosten-Nutzen-Analyse durch um zu zeigen,
warum Christsein ansteckend sein sollte. Er beendet die Analyse des Nutzens, der
durch ein ansteckendes Christsein entsteht, mit folgenden Worten:
„Sind das
genug persönliche Vorteile, um Ihr Interesse zu wecken? Dabei haben wir
überhaupt noch nicht alle Vorteile erwähnt, welche die Empfänger unserer
Bemühungen ernten werden. Sie wissen schon: Kleinigkeiten wie die Tatsache, dass
sie der ewigen Verdammnis in der Hölle entrinnen, um sich dafür auf den Himmel
freuen zu können, ganz zu schweigen von einem Leben hier auf der Erde voller
Abenteuer, Sinn und Ziel, Erfülltheit, Wachstum, Glaubens-gewissheit,
krisenfester Investitionen und Ehre, zu Botschaftern des Gottes ge-macht zu
werden, der das Universum erschaffen hat!
Obendrein
erntet auch Gott Vorteile. Ihm kommt der Gewinn zugute, seine Kinder dabei zu
beobachten, wie sie seiner Liebe zu verlorenen Menschen nacheifern, eine Freude,
die jeder Vater und jede Mutter nachempfinden kann. Jesus sagt (Joh 15,8): ‚Mein
Vater wird dadurch verherrlicht, dass ihr reiche Frucht bringt…’. Und denken Sie
an das, was er über die Freude sagte, die im Himmel herrscht, wenn es uns
gelingt, jemanden zum Glauben zu führen (Lk 15,10): ‚Ebenso herrscht auch bei
den Engeln Gottes Freude über einen einzigen Sünder, der umkehrt.’
Wenn wir also
anfangen zu versuchen, aktiv und zielorientiert Menschen für Jesus zu erreichen,
wenn wir ansteckender in unserer Lebensführung werden und unseren Glauben zum
Ausdruck bringen, dann machen wir die Entdeckung, dass wir daraus Vorteile
ziehen, dass andere Vorteile ziehen und dass selbst Gott Vorteile daraus zieht.“
25)
Mich machen
solche Worte nicht nur zornig, sondern vor allem traurig. Was ist das für eine
Einstellung, dass man davon redet, es sei eine Kleinigkeit, dass jemand
der Hölle entrinnt? Ist es wirklich nur wegen des Vorteils, dass man
evangelisiert? Und vor allen Dingen: Hat es Gott nötig, Vorteile aus unseren
Methoden zu ziehen? Hat es Gott nötig? Hat Er irgendeinen Vorteil, wenn wir
etwas für ihn tun? Sollten wir nicht die Einstellung haben, die der Herr Jesus
folgendermassen beschreibt:
„Also auch
ihr; wenn ihr alles getan habt, was euch befohlen ist, so sprechet: Wir sind
unnütze Knechte; wir haben getan, was wir zu tun schuldig waren.“
(Luk 17,10)
Gott hat doch
keinen Vorteil davon, wenn er uns berufen hat! Hier wird Gott als jemand
dargestellt, der dankbar sein müsste, dass ich für ihn mitarbeite. Gott ist in
keinster Weise auf uns angewiesen. Wohl ruft uns Gott in seinen Dienst und gibt
uns Kraft und Gaben, um ihm zu dienen. Aber wir sind und bleiben unnütze
Knechte!
IV. Schlussfolgerungen
Was können
wir aus dem Ganzen lernen?
1. Um das
Evangelium recht zu verkündigen, müssen wir es zunächst recht verstehen. Denn
was wir säen, das werden wir auch ernten. Haben wir das Evangelium kaum oder nur
teilweise erfasst, können wir auch nur ein bruchstückhaftes Evangelium
weitergeben. Doch wie können wir zu einem klaren Verständnis kommen? Neben einem
eifrigen Studium der Heiligen Schrift kann uns hierzu sicherlich Literatur
weiterhelfen, die auf dem Boden der Reformation steht. Neben den Schriften der
Reformatoren wie Luther und Calvin, sollten wir die Schriften der älteren
Pietisten, wie Spener, Francke u. dgl. oder die der Puritaner, wie z.B. John
Bunyan aufmerksam studieren. Von grossem Wert ist hier sicherlich auch Spurgeon.
Aus unserem Jahrhundert möchte ich vor allem D. Martyn Lloyd-Jones nennen.
2. Wir müssen
ganz neu begreifen und darauf vertrauen, dass Gott Menschen durch die Torheit
der Predigt errettet. Gott hat uns nicht nur aufgetragen, sein Evangelium zu
verkündigen, er hat uns auch gesagt, wie wir es tun sollen. Dabei sollten wir
nicht aufhören, den Herrn der Ernte darum anzuflehen, dass er Arbeiter in seine
Ernte schicken möge.
3. Wer heute
bestimmte Evangelisationsmethoden ablehnt, wird meist be-zichtigt, grundsätzlich
gegen Mission und Evangelisation zu sein. Und in der Tat kann leicht der
Eindruck erweckt werden, man sei nur gegen etwas. Es ist daher wichtig, dass
alle (notwendige) Kritik an bestimmten Entwicklungen in der Gemeinde Jesu immer
nur einen kleinen Teil unseres Denkens und Handelns bestimmt. Die positive
Darstellung des Evangeliums, das Studium dessen, wie Gott in vergangenen
Jahrhunderten Menschen zur Gemeinde hinzugefügt hat, sollte im Mittelpunkt
stehen. Unser Herz sollte von jener Einstellung erfüllt sein, die der
Alttestamentler Heinrich Andreas Christoph Hävernick 1832 zum Ausdruck brachte,
als er im Vorwort seines Daniel-Kommentars schrieb: „O dass unsre Hände nimmer
erlahmten, dass wir niemals rückwärts schaueten und des Zieles nimmer vergässen
– der Herr aber sey mit uns und unserm Thun, dass immer Sein Name erkannt, Seine
Freundlichkeit geschmeckt, und Seine Herrlichkeit auf Erden offenbar werde!“
4.
Schliesslich erscheint mir eines noch ganz wichtig für die Gemeinde Jesu in
Deutschland. Wir müssen neu begreifen, dass Lehre, dass Theologie nicht etwas
ist, was das geistliche Leben behindert oder gar tötet, sondern die Grundlage
allen geistlichen Lebens ist. Wir werden durch das Wort wiedergeboren und wir
werden durch das Wort geheiligt. Das Wort Gottes rüstet uns zu jedem guten Werk
zu. Dazu gehört aber auch, dass wir uns dem Wort unterordnen und nicht unsere
Gefühle und Erfahrungen zum Massstab machen.
V. Quellenangaben
1. Zitiert nach Die Bekenntnisschriften der Evangelisch-lutherischen Kirche,
9. Aufl., Göttingen (Vandenhoeck & Ruprecht) 1982, S. 511f.
2. Baum, Friedrich; Geyer, Christian: Kirchengeschichte für das evangelische
Haus, 3. aufs neue umgearb. Aufl., München 1902, S. 653.
3. Mauerhofer, Erich: Zum 300. Jahrestag der Aufhebung des Ediktes von
Nantes: 1685 * 1985 in: Fundamentum, Heft 1/1986, S. 39.
4. Broadbent, zitiert in: Mauerhofer, E.: Zum 300. Jahrestag der Aufhebung
des Ediktes von Nantes: 1685 * 1985 in: Fundamentum, Heft 1/1986, S.
56.
5.
Wesley, John: Das Tagebuch, Frankfurt a. M. (Herold) o. J. S. 91
6. »You plainly
make salvation depend, not on God’s free grace, but on man’s free
will.«
George Whitefield an John Wesley v. 24. Dezember 1740 abgedruckt
in: Gillies, John: Memoirs of Rev. George Whitefield, Middletown (Hunt &
Noyes) 1837, Nachdruck: (Reprint Company) 1972, S. 641
7. Zu Wesleys Perfektionismus siehe Smith, Timothy L.: Whitefield and Wesley
on the New Birth, Grand Rapids, Michigan (Zondervan) 1986, S. 16ff
und Lindström, Harald: Wesley und die Heiligung (Beiträge zur Geschichte
des Methodismus 6), Frankfurt a. M. (Anker-Verlag) 1961, S. 17ff,86
8. »The work of
God is carried on here (and that in a most glorious manner) by doctrines quite
opposite to those you hold.«
George Whitefield an John Wesley v. 24. Mai 1740 abgedruckt in:
Whitefield, George: Letters of George Whitefield, Edinburgh (Banner of
Truth) 1976, S. 181f
9. »Dear sir,
for Jesus Christ's sake, consider how you dishonour God by denying election.«
George Whitefield an John Wesley v. 24.
Dezember 1740 abgedruckt in: Gillies, Whitefield, S. 641.
10. Riecker, Otto: Ruf an alle.
George Whitefield,
2. Aufl., Wuppertal (R. Brockhaus) 1984, S. 84
11. »I am sure I
love you in the bowels of Jesus Christ, and think I could lay down my life for
your sake; but yet, dear sir, I cannot help strenously opposing your errors upon
this important subject, because I think you warmly, though not designedly,
oppose the truth as it is in Jesus.«
George Whitefield an John Wesley v. 24.
Dezember 1740 abgedruckt in: Gillies, Whitefield, S. 633.
12. Finney, Charles G.: Finney’s Systematic Theology, hrsg. von J. H.
Fair-Child, o. O. 1846, Nachdruck: Minneapolis, Minnesota (Bethany House) 1976,
S. 329, s. a. S. 338
13. »The greatest
and most abominable and ruinous of falsehoods. It is to mock his intelligence.«
Finney, Systematic Theology, S. 226, vgl. S. 236.
14. »We have said
that regeneration is synonymous, in the Bible, with a new heart. But sinners are
required to make to themselves a new heart, which they could not do, if they
were not active in this change.«
Finney, Systematic Theology, S. 220.
15. Finney, Systematic Theology, S. 224f.
16. Finney, Systematic Theology, S. 232; 224. Finney schreibt:
»That he
[d.h. Gott]
exerts any other than a moral influence, or the influence of divine teaching and
illumi-nation, is sheer assumption.«
S. 235.
17. »There is no
need to try any measures other than those of divine appointment.«
Zitiert in: Ernst, Karsten: Auferstehungsmorgen. Erweckung zwischen
Reformation, Reaktion und Revolution, [u.a.] (Brunnen) 1997, S. 58f
18. »The great
body of them are a disgrace to religion«.
Zitiert in: Warfield, Benjamin B.: The men and the beginnings, in: ders.:
Perfectionism, 2. Aufl., Phillipsburg, New Jersey (Presbyterian and Reformed)
1980, S. 23
19. Munro, James: Encouragements from the History of the Church, in:
The Revival of Religion. Addresses by Scottish Evangelical Leaders
delivered in Glasgow in 1840, Glasgow (William Collins & Co) 1840, Nachdruck:
Edinburgh (Banner of Truth), 1984, S. 298
20. Spener, Philipp Jacob: Umkehr in die Zukunft, hrsg. u. bearb. von
Erich Beyreuther, 2. bearb. Aufl., Giessen [u. a.]1975, S.21
21. Spener, Pia Desideria, S. 55.
22. Beyreuther, Erich: August Hermann Francke, 2. Aufl., Marburg 1969, S.
111
23. Beyreuther, Erich: Geschichte des Pietismus, Stuttgart 1978, S. 80
24. Beyreuther, Pietismus, S. 81
25. Hybels, Bill: Bekehre nicht – lebe! So wird Ihr Christsein ansteckend (Willow Creek Edition Kirche für Distanzierte), 1. Aufl., Wiesbaden (Projektion J) 1995, S. 41