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Der Prophet Micha
Ausgelegt von Andreas  Steinmeister
Vorwort

Vor vielen Jahren durfte ich einmal Vorträge über den Propheten Micha halten und bin durch das Studium dieses Wortes reich gesegnet worden. Ich erinnere mich daran, dass nach der Predigt über den Text in Micha 2,1.2 (in Verbindung mit Jesaja 30,1.2) einige junge Leute kamen, um mit mir ein Gespräch über verborgene Sünden in ihrem Leben zu führen, die keiner der Mitgläubigen bis dahin bemerkt hatte. Sie saßen Sonntag für Sonntag unter den Gläubigen, sangen Lieder mit und sprachen auch selbst Gebete, aber ihre Herzen waren schon weit vom Herrn entfernt. Doch sie empfanden Gottes Reden zu ihnen bei den oben genannten Versen. Nach dem Gespräch bekannten sie ihre Sünden vor Gott und vor den Mitgeschwistern. Die Sünde wurde vergeben, aber der Herr konnte ihnen die Folgen ihres Vergehens nicht ersparen.

Wie viele Gläubige leben ein Doppelleben, erweisen sich in den Zusammenkünften zur Auferbauung, zum Gottesdienst, zum Gebet vor den Mitmenschen als treue Christen, leben aber in Ehe, Familie, Beruf und in ihrem sonstigen Privatleben wie Menschen ohne Gott.

Sind wir nicht alle in Gefahr, solch ein Doppelleben zu führen? Haben wir uns nicht alle schon mehr oder weniger der Welt angepasst, den Denkweisen der Welt, der Mode, dem Auftreten, der Art und Weise, mit Geld und Eigentum umzugehen?

In den vergangenen Jahren habe ich mich immer wieder mit den verschiedenen Propheten befasst und empfand die Notwendigkeit, ihre Stimme genauer zu hören. Als ich dann während eines Sommers zu Hause blieb, erinnerte ich mich an die Vorträge über den Propheten Micha. Und so studierte ich diesen Propheten erneut. Diesmal – im Zeitalter des Computers – schrieb ich meine Gedanken auf. Oftmals war ich persönlich von den Worten getroffen und musste mich unter das Wort des Propheten demütigen. Ich merkte, wie die Worte dieses Mannes Gottes in mein Leben sprachen und mir zeigten, dass wir mehr vor dem Angesicht Gottes als vor den Augen der Menschen leben müssen.

Welch einen Einfluss haben Menschen doch in unserem Leben. Davon müssen wir befreit werden. Wahre Gemeinschaft mit Gott ist das höchste Gut, das wir auf Erden besitzen können, und diese Gemeinschaft ist die Quelle für bleibende Freude, für tiefen geistlichen Frieden und für ein Leben in Hingabe an den Herrn Jesus.

Wie viele Versuche werden unter Christen unternommen, um möglichst imposante, effektive christliche Aktionen durchzuführen, um die Anerkennung der Welt zu haben, Titel verleihen zu dürfen, aber wie wenig fragt man den, der auch heute noch unzweideutig durch sein Wort und durch seinen Geist redet.

Mein Wunsch und Gebet ist es, dass dieses Buch für jeden Leser Anlass zur tieferen Lektüre des Propheten Micha wird und dass eingefahrene falsche Wege korrigiert werden, damit der Herr bei seinem Kommen solche in dieser Welt vorfindet, die Ihm dienen, Ihn erwarten und die Ereignisse in dieser Zeit aus Gottes Sicht sehen.

Andreas Steinmeister

Einleitung

Der Prophet Micha – sein Name bedeutet: Wer ist wie Gott? – stammte aus dem kleinen Ort Moreschet-Gat (1,1.14), der etwa 35 km südwestlich von Jerusalem lag. Er weissagte während der Regierungszeit der Könige Jotham (757–742), Ahas (742–726) und Hiskia (726–697), also im 8. vorchristlichen Jahrhundert1 und trat in seiner Heimat und in Jerusalem (3,9ff.) auf. Seine Gerichtsworte sind deutlich, teilweise scharf, und wenden sich direkt an die Zuhörer (2,3ff.; 3,1ff.; 5,9ff.). Da der Titel „Prophet“ fehlt und auch sonst nur wenig über ihn bekannt ist, nehmen manche an, dass er ein einfacher Landwirt und Dorfältester war, der von Gott zum Propheten berufen wurde.

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Die Datierungen unterscheiden sich: Manche Ausleger datieren den prophetischen Dienst Michas auf die Zeit von 740–697, wobei sein zentrales Wirken auf die Zeit von 730–720 beschränkt wird.

Er war ein Zeitgenosse Jesajas, Hoseas und Amos’1 und schrieb über die kommende Vernichtung Samarias und über die Bedrohung Jerusalems und der Städte Judas.

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Jesaja weissagte zur Zeit der Könige von Juda, Ussija, Jotham, Ahas und Hiskia, also etwa von 767–697 und richtete sich vorwiegend an das Südreich Juda; Hosea weissagte ebenfalls in der Zeit dieser vier Könige (um 760–720), aber er fügte noch hinzu: „... und in den Tagen Jerobeams, des Sohnes Joas’, des Königs von Israel.“ Beide Reiche stehen im Blickfeld Hoseas. Amos prophezeite in den Tagen der Könige Ussija und Jerobeam (um 765–750), wendete sich aber vorwiegend an Samaria, die Hauptstadt des Nordreichs. Um 722 wurde dann das Nordreich nach Assyrien weggeführt. Gott tut also nichts, was er nicht seinen Propheten vorher offenbart hätte (Amos 3,7).

Ganz besonders richtet er sich an das allgemeine Volk, aber auch an die selbstsüchtigen und tyrannischen „Häupter und Fürsten“ (3,1.9), an die „Propheten“ (3,5) und schreibt auch über die „Priester“ (3,11). Er geißelt die habsüchtigen „Reichen“ (6,12), die ungerechten „Richter“ (7,3), die gespaltenen Familien (1,16; 2,9) und die betrügerischen Kaufleute. Sie alle haben Gottes gute Ordnungen beiseitegesetzt und sich selbst zum Maßstab aller Dinge gesetzt. Micha wendet sich gegen jegliche äußere geheuchelte Frömmigkeit (3,11). Er sucht „Wahrheit im Innern“ (Ps 51).

Martin Luther schreibt in seiner Vorrede zum Propheten Micha Folgendes: „Summa – Er schimpft, er weissagt, predigt usw. Aber endlich ist das seine Meinung: Wenn auch alles zertrümmert werden muss, Israel und Juda, so wird doch der Christus kommen, der alles gut machen wird. Gleichwie wir jetzt strafen müssen, schelten, trösten und predigen usw. und dazu sagen: Wenn auch alles verloren ist, so wird doch Christus am Jüngsten Tag kommen und uns aus allem Unglück helfen.“1

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Svmma / Er schilt / er weissaget / prediget / etc. Aber endlich ist das seine meinung / Wenn es gleich alles mus zu drümmern gehen / Jsrael vnd Juda / So wird doch der Christus komen / ders alles gut machen wird. Gleich wie wir jtzt müssen straffen / schelten /trösten / vnd predigen etc. / vnd dar auff sagen /Wenn es denn alles verloren ist / So wird doch Christus am Jüngsten tage komen / vnd vns von allem Vnglück helffen.

J. N. Darby (1800–1881) schrieb über den Propheten: „Warum will Er [Gott] nicht noch länger der Torheit der Nationen gegenüber seine Langmut erzeigen und sie fern von Ihm auf ihren eigenen Wegen wandeln lassen? Darum, weil sein eigenes Volk, das auf Erden von seinem Namen hätte Zeugnis ablegen sollen, von Ihm abgefallen ist, indem es sich dem Dienst anderer Götter und der Sünde hingegeben hat. Es gibt kein Zeugnis für Gott auf Erden mehr, denn das Einzige, was diesen Namen trägt, ist ein falsches Zeugnis; daher muss Gott sein eigener Zeuge sein. Nun kommen alle Sünden der Nationen ins Gedächtnis vor Ihn; sie liegen offen da vor Augen, die ihren Anblick nicht ertragen können. Sein Volk muss Er die Folgen seiner Sünde tragen lassen. Es wird daher in die Gewalt seiner Feinde gegeben, deren Hochmut um dieser Ursache willen zu solcher Höhe steigt, dass Gott mit seinem Gericht einschreiten muss. Er befreit den von Ihm geliebten Überrest und tritt als der gerechte Beherrscher aller Nationen auf.“1

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J. N. Darby, Betrachtungen über das Wort Gottes – Jesaja bis Maleachi, Neustadt (Ernst Paulus Verlag), 1972, S. 262–263.

Obwohl Micha wesentlich auf den Zustand Judas eingeht, äußert er sich aber auch über das Nordreich, über Samaria (Kap. 6), das schon bald von dem Assyrer erobert würde. 150 Jahre später würde das von anderen Propheten noch zu verkündigende Gericht über Jerusalem auch diese Stadt treffen. Micha erhält nun den Auftrag, die Wurzeln des Versagens aufzudecken und schonungslos in den Lichtkegel Gottes zu rücken.

Jesaja geht – ähnlich wie Micha – ebenfalls auf die religiösen und sozialen Missstände ein, aber geißelt auch die politischen und religiösen

werden zu ihm strömen; und viele Völker werden hingehen und sagen: Kommt und lasst uns hinaufziehen zum Berg des Herrn, zum Haus des Gottes Jakobs! Und er wird uns belehren aus seinen Wegen, und wir wollen wandeln auf seinen Pfaden. Denn von Zion wird das Gesetz ausgehen, und das Wort des Herrnvon Jerusalem; und er wird richten zwischen den Nationen und Recht sprechen vielen Völkern. Und sie werden ihre Schwerter zu Pflugmessern schmieden und ihre Speere zu Winzermessern; nicht wird Nation gegen Nation das Schwert erheben, und sie werden den Krieg nicht mehr lernen.“

Von Jesaja wird berichtet, dass er diesen Ausspruch „geschaut“ hat, während Micha diese Worte ohne weitere Kommentierung niederschreibt. Wurden Micha genau die gleichen Worte von Gott offenbart, oder wurde die Prophezeiung Jesajas von Micha übernommen? Wir wissen es nicht. Micha sagt es uns auch nicht. Der lebendige Gott könnte diese Weissagung wegen ihrer immensen Bedeutung beiden Propheten getrennt voneinander offenbart haben.

In Jesaja 8,23 wird gesagt: „Nicht bleibt Finsternis dem Land, das Bedrängnis hat“, und in Micha 7,8 heißt es: „... denn sitze ich in Finsternis, so ist der Herrmein Licht.“

M. F. Unger beschreibt den Unterschied zwischen Jesaja und Micha wie folgt: „Jesaja war ein Poet am Hof der Könige, Micha dagegen ein Bauer aus einem unbekannten Dorf. Jesaja war ein Staatsmann, Micha war ein Evangelist und Sozialreformer. Jesaja war eine Stimme Gottes an die Könige, Micha war ein Herold Gottes für das Volk; Jesaja stellt sich den Problemen der Politik, Micha fast ausschließlich solchen der persönlichen Frömmigkeit und sozialen Gerechtigkeit.“1

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M. F. Unger, Ungers großes Bibelhandbuch, Asslar (Verlag Schulte & Gerth) 1987, S. 325.

Erstaunlich ist auch, dass die Worte Michas 100 Jahre später offensichtlich bei den Ältesten des Landes noch gut bekannt waren, denn sie zitieren Micha 3,12 anlässlich der Verurteilung des Propheten Jeremia: „Und die Fürsten und das ganze Volk sprachen zu den Priestern und zu den Propheten: Diesem Mann gebührt nicht die Todesstrafe; denn er hat im Namen des Herrn, unseres Gottes, zu uns geredet. Und Männer von den Ältesten des Landes erhoben sich und sprachen zur ganzen Versammlung des Volkes und sagten: Micha, der Moraschtiter, hat in den Tagen Hiskias, des Königs von Juda, geweissagt und zum ganzen Volk von Juda gesprochen und gesagt: So spricht der Herrder Heerscharen: ,Zion wird als Feld gepflügt werden, und Jerusalem wird zu Trümmerhaufen und der Berg des Hauses zu Waldeshöhen werden‘“ (Jer 26,16–18). Die Worte Michas zur Zeit des Königs Hiskia haben eventuell dazu beigetragen, dass eine Erweckung in Juda begann, die durch den König Hiskia unterstützt wurde.

Micha prophezeite den kommenden Messias als den Richter, der auf den Backen geschlagen würde (4,14), den Geburtsort des kommenden Messias (5,1ff.) und seine künftige Herrschaft (5,3f.) und die Segnung seines Volkes Israel und der Nationen dadurch, dass sie teilhaben würden am Reich des Messias (4,1–8). Obwohl das Volk Israel und auch die Nationen manche schrecklichen Gerichte erleben werden, erzeigt sich der lebendige Gott doch am Ende als der Gott, „der die Ungerechtigkeit vergibt und die Übertretung des Überrestes seines Erbteils übersieht. Er behält seinen Zorn nicht auf ewig, denn er hat Gefallen an Güte. Er wird sich unser wieder erbarmen, wird unsere Ungerechtigkeiten niedertreten; und du wirst alle ihre Sünden in die Tiefen des Meeres werfen. Du wirst an Jakob Treue [o: Wahrheit], an Abraham Güte erweisen, die du von den Tagen der Vorzeit her unseren Vätern geschworen hast“ (7,18–20).

Herrvon dir, als Recht zu üben und Güte zu lieben und demütig zu wandeln mit deinem Gott?“ (6,7.8).

Anmerkungen zur Bibelkritik

Bibelkritiker wie Julius Wellhausen halten Micha 7,7–20 für exilisch und denken, dass Micha zeitgleich mit dem sogenannten Deutero-Jesaja1 geschrieben habe. Einige seiner Nachfolger wie Driver und andere hinterfragen diese Spätdatierung. Heinrich Ewald schreibt die Kapitel 6 und 7 einem unbekannten Verfasser zu. Alle Kritiker sind sich darin einig, dass die Prophezeiung in Kapitel 4,10, wo es heißt: „Kreiße und stöhne, Tochter Zion, wie eine Gebärende! Denn nun wirst du aus der Stadt hinausziehen und auf dem Feld wohnen und bis nach Babel kommen. – Dort wirst du errettet werden, dort wird der Herrdich aus der Hand deiner Feinde erlösen“, nicht von dem Propheten Micha im letzten Drittel des 8. Jahrhunderts geschrieben worden sein könne, da sie ja etwas prophezeie, was erst etwa 100 Jahre später und dann noch weitere 70 Jahre später geschehen würde.

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Der Verfasser lehnt die bibelkritische Haltung, dass das Buch Jesaja nicht insgesamt von dem Propheten Jesaja geschrieben sei, grundsätzlich ab (Mt 3,3; Lk 3,4 zit. Jes 40,3; Mt 12,17.18 zit. Jes 42,1-4; Joh 12,38 zit. Jes 53,1; Joh 12,40 zit. Jes 6,10; Röm 10,16 zit. Jes 53,1; Röm 10,20 zit. Jes 65,1). Der Herr Jesus und auch die Apostel zitieren Jesaja und zweifelten offensichtlich nicht an der Einheit des Propheten. Wenn Christus hier irrte, wer sagt uns dann, dass Er in anderen wichtigen Dingen die Wahrheit sagte, Er, der von sich sagte, dass Er die „Wahrheit“ sei (Joh 14,6)? Übrigens sagt Jesus Sirach (180 v. Chr.) in seinem Buch (Kap. 48,20–25), dass Jesaja Trostworte für die Trauernden in Zion „mit großer Geisteskraft“ vorhersagte. G. L. Archer schreibt nach einer intensiven Untersuchung der „Zerstückelungstheorie“: „Angesichts der oben angeführten Belege kann man mit Recht behaupten, dass ein weitaus größeres Maß an Leichtgläubigkeit erforderlich ist, um anzunehmen, dass Jesaja 40–66 nicht von dem historischen Jesaja des 8. Jahrhunderts verfasst wurde, als um das Umgekehrte zu postulieren“.

Die Ursache dieser Spätdatierung hat also nicht historische Gründe, sondern wurzelt in der Ablehnung der Tatsache, dass Gott zukünftige Ereignisse Menschen mitteilen kann. Jeder wahre Christ wird natürlich solch einen Einfluss des Unglaubens ablehnen.

Der Verfasser dieses Buches lehnt grundsätzlich den Ansatz der Bibelkritik, der historisch-kritischen Methode, ab und ist davon überzeugt, dass der Gott, der das Universum erschaffen hat, der in die Geschichte und Natur eingreifen kann, der auf wunderbare Weise sein Volk Israel durch die Jahrhunderte bewahrt und sich in seinem Sohn Jesus Christus offenbart hat, auch seinen Knechten prophetische Gedanken mitteilen kann.

Das Merkmal der Propheten war, dass sie in der Nähe Gottes lebten, seine Worte hörten und sie weitersagen durften. Oftmals verstanden sie gar nicht, was ihre Botschaft alles beinhaltete, und trotzdem weissagten sie (vgl. 1Pet 1,11). Der Prophet Amos schreibt: „Denn der Herr, Herr, tut nichts, es sei denn, dass er sein Geheimnis1 seinen Knechten, den Propheten, offenbart habe“ (Amos 3,7). Das hebräische Wort bedeutet, dass man – bildlich gesprochen – in einem vertrauten Kreis die Ratschläge und Pläne des Allmächtigen hört, um sie dann weiterzugeben. Jeremia weissagt: „Hätten sie aber in meinem Rat gestanden, so würden sie mein Volk meine Worte hören lassen und es abbringen von seinem bösen Weg und von der Bosheit seiner Handlungen“ (Jer 23,22). Auch der weise König David erklärt in einem Psalm, dass „das Geheimnis des Herrn“für die ist, die Ihn fürchten (Ps 25,14).

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Das hebr. Wort sohd hat die Bedeutung von „vertrautes Gespräch, gemeinsame Beratung, Plan, Kreis, Rat“.

Wenn Theologen in unserer Zeit alles Supranaturalistische (Wunder, Zeichen, prophetische Voraussagen) aus der Bibel entfernen wollen, dann verleugnen sie den Gott, der auch heute noch durch sein Wort spricht. Man muss sehr deutlich sagen, dass sie dann von einem anderen Gott reden. Insofern unterscheidet sich der Verfasser von der Bibelkritik nicht nur in hermeneutischen, exegetischen und dogmatischen Fragen, sondern vor allem im Gottesbild.

1. Das drohende Gericht über Samaria und Jerusalem (Kapitel 1,1–16)

Jothams, Ahas’ und Jehiskias, der Könige von Juda, das er schaute über Samaria und Jerusalem.

Gott ist ein persönlicher Gott. Er ist der eine allmächtige, aus sich selbst heraus existierende Gott. Er ist der Gott, der redet und der sich uns Menschen offenbart. Wollen wir sein Wort hören, wollen wir seine Stimme in unseren Herzen vernehmen, so brauchen wir Augenblicke der Ruhe, des stillen Hörens auf Ihn. Hast du Ihm heute schon das Ohr geliehen? Hast du sein Wort an diesem Tag schon als Gottes Wort aufgenommen?

Micha, der Prophet, hört das Wort Gottes und darf es niederschreiben. In Vers 1 weist Micha uns auf vier wichtige Aspekte hin.

1.              Der Prophet bezeugt, dass der Herrdurch sein Wort zu ihm geredet hat. Wir würden Micha gern fragen, wie er das erlebt hat. Er ist ja nicht der erste Prophet, an den das Wort des Herrnerging. Schon der Erzvater Abraham erlebte es zweimal, dass an ihn das Wort des Herrnerging: „Nach diesen Dingen erging das Wort des HERRN an Abram in einem Gesicht, und er sprach: Fürchte dich nicht, Abram; ich bin dir ein Schild, dein sehr großer Lohn“ (1Mo 15,1). Und etwas später redet Gott noch einmal deutlich zu ihm: „Und siehe, das Wort des HERRN erging an ihn, und er sprach: Nicht dieser [Elieser] wird dich beerben, sondern der aus deinem Leib hervorgehen wird, der wird dich beerben“ (1Mo 15,4).
In der Zeit des Hohenpriesters Eli war das Wort des H
ERRN selten, Gesichte waren nicht häufig. Doch dann lesen wir: „Und der Herrfuhr fort, in Silo zu erscheinen; denn der Herroffenbarte sich Samuel in Silo durch das Wort des HERRN“ (1Sam 3,21), und in Kapitel 15,10 heißt es: „Da erging das Wort des HERRN an Samuel.“ Auch die nicht-schreibenden Propheten Nathan (2Sam 7,4), Gad (2Sam 24,11) und Elia (1Kön 17,2.8; 18,1; 19,9; 21,17.28) erlebten, wie Gott zu ihnen redete. Die gleiche Erfahrung machte auch der König Salomo (1Kön 6,11). Wenn wir das Alte Testament durchgehen, werden wir von allen schreibenden Propheten lesen, dass das Wort des Herrnan sie erging. Sehr oft lesen wir es von Jeremia (1,2.4.11; 2,1; 13,3; 14,1 usw.) und Hesekiel (1,3; 6,1; 7,1; 27,1; 28,1; 28,11; 28,20; 29,1 usw.), aber auch von Hosea (1,1), Joel (1,1), Jona (1,1; 3,1), Zephanja (1,1) und Sacharja (1,1.7; 4,8; 6,9; 7,1.4.8; 8,1.18). Von Haggai lesen wir, dass das Wort des Herrn durch ihn erging (1,1.3; 2,1) und an ihn erging (2,20).
Aber was bedeutet es, wenn die Propheten sagten, dass das Wort Gottes an sie erging bzw. zu ihnen geschah? Das hebräische Wort hahjah bezeichnet etwas, das geschieht, passiert, das wird. So kann es sich auf das Eintreten von Naturerscheinungen wie Blitz oder Donner beziehen (Jona 1,4; 2Mo 19,16; Jer 3,3), auf das Eintreten von Jahreszeiten (1Mo 1,5; 2Mo 19,16; Jer 33,20) oder auf das Eintreten von etwas Unpersönlichem (1Mo 1,7; 41,13).
Wenn das Wort Gottes an jemanden ergeht, bedeutet das also, dass Gott bestimmte Worte an eine Person direkt übermittelt. Der betreffende Mensch kommt unter den Eindruck, dass der Schöpfer ihm Worte mitteilt, die in ihm etwas auslösen sollen. Das Hören des Wortes Gottes muss also den ganzen Menschen beeinflusst haben. Gott, der Heilige Geist, sprach unmissverständlich, konkret, absolut und in menschlicher Sprache – ein gewaltiges Wunder.
Es ist interessant, Nehemia 9 einmal zu lesen, denn dort wird die Gabe des Geistes ganz eng mit dem Reden der Propheten verbunden: „Und du gabst ihnen deinen guten Geist, um sie zu unterweisen... Und du hattest viele Jahre Geduld mit ihnen und zeugtest gegen sie durch deinen Geist, durch deine Propheten, aber sie gaben kein Gehör“ (Neh 9,20.30).
Gott gab also seinen Geist, um das Volk zu unterweisen. Aber dieser Geist redete durch die Propheten. Es ist also der prophetische Geist, der die Propheten befähigte, Gottes Wort in Kraft zu reden, ja, das Volk zu unterweisen (vgl. Heb 1,1).

2.               







1.              Juda, geweissagt und zum ganzen Volk von Juda gesprochen und gesagt: So spricht der Herrder Heerscharen: ‚Zion wird als Feld gepflügt werden, und Jerusalem wird zu Trümmerhaufen und der Berg des Hauses zu Waldeshöhen werden‘. Haben denn Hiskia, der König von Juda, und ganz Juda ihn getötet? Hat er [d. i. Hiskia] nicht den Herrngefürchtet und den Herrnangefleht, so dass der Herrsich des Übels gereuen ließ, das er über sie geredet hatte? Und wir wollen eine so große böse Tat gegen unsere Seelen begehen!“ (Jer 26,18.19).
Aus diesem Text wird deutlich, dass das Urteil der Führer über Micha lautete: „Dieser Mann ist gottesfürchtig und führt ein Gebetsleben, das ihn immer wieder zur Fürbitte für das Volk veranlasst.“ Welch ein wunderschönes Zeugnis. Gottesfurcht und Gebet sind Merkmale solcher Menschen, die mit dem Gott des Himmels in Verbindung stehen und die das Wort Gottes in Kraft predigen.

2.              Micha weissagte zur Zeit der Könige Jotham, Ahas und Hiskia, der Könige von Juda, die seit Rehabeam vom Nordreich getrennt waren. Etwas früher – zur Zeit Ussijas – begann Jesaja mit seiner Prophetie. Und etwas später – zur Zeit des Königs Josia – prophezeiten auch Jeremia, Zephanja und Habakuk. Es war offensichtlich eine außerordentlich unruhige Zeit.
Die Geschichte des Königs Ussija endet damit, dass er „stark wurde“ und sich den Priesterdienst anmaßt. Sein Sohn Jotham tut zwar, was recht ist in den Augen Gottes, aber das Volk handelt nicht nach den Geboten Gottes. So muss man sich nicht wundern, dass dann unter der Regentschaft des Königs Ahas der Götzendienst wieder eingeführt wird. Und obwohl unter Hiskia wieder Gottes Wirken deutlich zu sehen ist, scheint der innere Zustand des Volkes auch nicht grundlegend verändert worden zu sein.
Auch in unserer Zeit gibt es immer wieder Erweckungen. Einzelne kehren zurück zum Wort Gottes, verlangen mehr und mehr nach geistlicher Einsicht, wünschen ein Leben mit dem Herrn Jesus zu führen, aber in der Christenheit selbst – auch unter den sog. Evangelikalen – scheint es moralisch immer mehr bergab zu gehen. Es ist dann gut, wenn Männer Gottes aufstehen, die das Volk Gottes zu Gott und zu seinem Wort zurückrufen, die deutlich und verständlich sagen, welchen Weg das Volk Gottes zu gehen hat.
Wir denken in diesem Zusammenhang gerne an die Männer vom Stamm Issaschar zur Zeit des Königs David. Sie hatten „Einsicht in die Zeiten“, d. h. ein richtiges Urteil in der Erwägung der Zeitverhältnisse (1Chr 12,33).

3.              Micha schaut das Wort des Herrnüber Samaria und Jerusalem. Es waren die beiden Hauptstädte des geteilten Reiches. Samaria war die Hauptstadt des Nordreiches Israel und Jerusalem die des Südreiches Juda. Beide waren seit Rehabeam und Jerobeam I. voneinander getrennt. Um beide Reiche stand es nicht gut. Da Micha irgendwann in der Zeit von 750–686 v. Chr. geweissagt haben muss, stand offensichtlich die Invasion der Assyrer in Samaria bevor. 722 v. Chr. wurden dann die Israeliten des Nordreiches nach Assyrien weggeführt und sind insgesamt bis heute nicht zurückgekehrt. Obwohl das Volk Gottes geteilt war, soll Micha das Wort des Herrndem ganzen Volk Gottes mitteilen. Gottes Herz schlug für das ganze Volk. Und die Propheten mussten bereit sein – wenn Gott den Weg bahnte –, dem ganzen Volk seine Botschaft zu bringen.

1,2 – Hört, ihr Völker alle, höre zu, du Erde und ihre Fülle! Und der Herr, HERR, sei zum Zeugen gegen euch, der Herr aus seinem heiligen Palast!

Der lebendige Gott spricht aus seinem heiligen Palast. Das könnte sich nach Auffassung mancher Bibelausleger auf den Tempel in Jerusalem

Habakuk 2,20: „Aber der Herrist in seinem heiligen Palast: Schweige [o. Still]vor ihm, ganze Erde!“

Dieser himmlische Palast ist nicht den Veränderungen, die sich auf der Erde abspielen, unterworfen. Nein, Gott in seinem heiligen Palast ist derjenige, dessen Augen die ganze Erde durchlaufen (2Chr 16,9). Er ist der Unbestechliche, der gerechte Gott, der nicht nur sieht, was äußerlich ist, sondern dessen Augen tief in das Innere des Menschen schauen.

„Denn das Wort Gottes ist lebendig und wirksam und schärfer als jedes zweischneidige Schwert und durchdringend bis zur Scheidung von Seele und Geist, sowohl der Gelenke als auch des Markes, und ein Beurteiler [o. Richter] der Gedanken und Überlegungen [o. Gesinnungen] des Herzens; und kein Geschöpf ist vor ihm unsichtbar, sondern alles ist bloß und aufgedeckt vor den Augen dessen, mit dem wir es zu tun haben“ (Heb 4,12.13).

Er ruft die Völker auf, Ihm zuzuhören. Er, der gerechte Richter, spricht Recht aus seinem „Gerichtssaal“. Er ist der allgegenwärtige Zeuge, der wahre und treue Gott, der seinem Volk so wunderbare Rechte und Satzungen gegeben (vgl. 5Mo 4,6) und sich immer wieder um sein Volk bemüht hat. Aber das Volk wollte nicht hören. Wie deutlich reden die Propheten über den Zustand des Volkes Gottes: „Sie aber sind widerspenstig gewesen und haben seinen heiligen Geist betrübt; da wandelte er sich ihnen zum Feind; er selbst kämpfte gegen sie“ (Jes 63,10). „... denn gegen mich ist es widerspenstig gewesen, spricht der Herr“ (Jer 4,17). „Und es war widerspenstig gegen meine Rechte in Gottlosigkeit, mehr als die Nationen, und gegen meine Satzungen, mehr als die Länder, die rings um es her sind; denn meine Rechte haben sie verworfen, und in meinen Satzungen sind sie nicht gewandelt“ (Hes 5,6).

„Aber sie waren widerspenstig gegen mich und wollten nicht auf mich hören; keiner warf die Scheusale seiner Augen weg, und von den Götzen Ägyptens ließen sie nicht. Da gedachte ich meinen Grimm über sie auszugießen, meinen Zorn an ihnen zu vollenden mitten im Land Ägypten“ (Hes 20,8).

Die Völker mögen über das Handeln Gottes staunen, mögen es nicht verstehen, wenn sie gebraucht werden, um das Urteil über Gottes eigenes Volk auszuführen. Aber Gott benutzt sie als Zuchtrute, sowohl den Assyrer für das Nordreich als auch die Chaldäer für das Südreich.

„Wehe, Assur, Rute meines Zorns! Und der Stock in seiner Hand ist mein Grimm“ (Jes 10,5). „Es wird nicht ins Land Ägypten zurückkehren; sondern der Assyrer, der wird sein König sein, weil sie sich geweigert haben umzukehren“ (Hos 11,5).

„Seht unter den Nationen und schaut und erstaunt, staunt; denn ich wirke ein Werk in euren Tagen – ihr würdet es nicht glauben, wenn es erzählt würde. Denn siehe, ich erwecke die Chaldäer, das grimmige und ungestüme Volk, das die Breiten der Erde durchzieht, um Wohnungen in Besitz zu nehmen, die ihm nicht gehören ... Sie kommen allesamt zur Gewalttat; das Streben ihrer Angesichter ist vorwärts gerichtet, und Gefangene rafft es zusammen wie Sand. Und es verspottet Könige, und Fürsten sind ihm ein Gelächter; es lacht jeder Festung, und es schüttet Erde auf und nimmt sie ein. Dann fährt es daher wie der Wind und zieht weiter und macht sich schuldig: Diese seine Kraft ist sein Gott. Bist du nicht von alters her, Herr, mein Gott, mein Heiliger? Wir werden nicht sterben. Herr, zum Gericht hast du es gesetzt, und, o Fels, zur Züchtigung es bestellt“ (Hab 1,5ff.).

sieht einfach alles.

Manchmal denken wir vielleicht, dass Gott weit entfernt ist von dem Geschehen in dieser Welt. Man könnte den Eindruck bekommen, dass Gott politische Machenschaften in dieser Welt nicht zur Kenntnis nimmt, da doch kein sichtbares Eingreifen Gottes zu bemerken ist.

Aber ist das wirklich wahr? In der Tat leben wir nicht in der Zeit, wo Gott direkt das Böse straft und das Gute belohnt. Wir leben in einer Zeitepoche, wo Gott indirekt regiert, aber Er regiert dennoch. Vergessen wir es nicht: Keine Regierung kann herrschen ohne Gottes Willen. Er setzt Regierungen ein und Er setzt sie letztlich ab – auch wenn Er es mittels demokratischer Wahlen tut. Der Herr Jesus sagt zu Pilatus: „Du hättest keinerlei Gewalt gegen mich, wenn sie dir nicht von oben gegeben wäre“ (Joh 19,11), und in Römer 13,1 lesen wir: „... denn es gibt keine Obrigkeit, außer von Gott, diejenigen aber, die bestehen, sind von Gott eingesetzt. Wer sich daher der Obrigkeit widersetzt, widersteht der Anordnung Gottes; die aber widerstehen, werden ein Urteil über sich bringen.“ Dieser Text wurde in der Regierungszeit des Kaisers Nero geschrieben. In Sprüche 8,16 heißt es: „Durch mich regieren Könige, ... durch mich herrschen Herrscher und Edle“. In Daniel 2,21 sagt der weise Daniel: „Und er ändert Zeiten und Zeitpunkte, setzt Könige ab und setzt Könige ein“, und in Kapitel 4,29: „... bis du [Nebukadnezar] erkennst, dass der Höchste über das Königtum der Menschen herrscht und es verleiht, wem er will.“ Elihu (in Hiob 34,19–24) sagt über Regierende: „Denn sie alle sind das Werk seiner Hände. In einem Augenblick sterben sie; und in der Mitte der Nacht wird ein Volk erschüttert und vergeht, und Mächtige werden beseitigt ohne Menschenhand. Denn seine Augen sind auf die Wege des Menschen gerichtet, und er sieht alle seine Schritte. Da ist keine Finsternis und kein Todesschatten, dass sich darin verbergen könnten, die Frevel tun ... Er zerschmettert Gewaltige ohne Untersuchung und setzt andere an ihre Stelle.“

Vergessen wir es nicht: Gott sitzt auf seinem Thron. Er regiert – wenn auch jetzt nicht direkt, sondern indirekt. In 1. Petrus 3,22 heißt es, dass der Herr Jesus Christus zur Rechten Gottes ist, „indem Engel und Gewalten und Mächte ihm unterworfen sind“, aber wir lesen auch in Hebräer 2,8: „Denn indem er [Gott] ihm alles unterworfen hat, hat er nichts gelassen, was ihm nicht unterworfen wäre; jetzt aber sehen wir ihm noch nicht alles unterworfen.“

Dem Sohn Gottes ist schon alles unterworfen – nur, wir sehen es jetzt noch nicht. Erst im zukünftigen 1000-jährigen Reich werden wir und alle dann lebenden Menschen es sehen.

Sollte uns das nicht dahin bringen, Ihm entschiedener zu vertrauen und auszuharren, Geduld zu üben? Denn auch Er ist geduldig, wenn Er auch ab und zu sein gewaltiges Eingreifen in Naturkatastrophen (Tsunami, Erdbeben) oder politischen Veränderungen (der Fall des Kommunismus, aber auch das Zunehmen des Terrorismus) deutlich macht.

1,3.4 – Denn siehe, der HERR geht aus von seiner Stätte und kommt herab und schreitet einher auf den Höhen der Erde. Und die Berge zerschmelzen unter ihm, und die Täler spalten sich wie das Wachs vor dem Feuer, wie Wasser, ausgegossen am Abhang.

Der Herrwird hier als jemand gesehen, der nicht in der Ferne bleibt, sondern der seine Stätte verlässt. Er kommt uns Menschen ganz nahe. Er

Gedanke ist; der die Morgenröte und die Finsternis macht und einherschreitet auf den Höhen der Erde: Herr, Gott der Heerscharen, ist sein Name“ (Amos 4,12f.).

Wenn solche Aussagen gemacht werden, dann will Gott uns sagen, dass Er einerseits als Schöpfer unendlich erhaben ist und weit über uns Menschen steht, aber andererseits uns so nahekommen kann, dass Er Berge und Täler durchschreitet und von den Geschehnissen auf der Erde Kenntnis nimmt. „Denn ein großer Gott ist der Herr, und ein großer König über alle Götter; in dessen Hand die Tiefen der Erde, und dessen die Höhen der Berge sind“ (Ps 95,3).

Wenn die Berge unter Ihm zerschmelzen und die Täler sich wie Wachs vor dem Feuer spalten, dann zeigt das Gottes Gerichtshandeln. Wenn schon Berge und Täler nicht vor Ihm bestehen können, wie viel weniger der Mensch, der letztlich „wie Gras“ vergeht.

Immer wieder wird Gottes Wirken mit Feuer in Verbindung gebracht. Als Er am Sinai dem Mose das Gesetz gab, stieg Er herab im Feuer „und sein Rauch stieg auf wie der Rauch eines Schmelzofens, und der ganze Berg bebte sehr“ (2Mo 19,18). Der Herrhat auf dem Berg mit Mose von Angesicht zu Angesicht geredet, „mitten aus dem Feuer“ (5Mo 5,4.22–26).In anderen Textstellen lesen wir, dass Feuer, Schwefel und Glutwind auf die Gesetzlosen regnen werden (Ps 11,6), ja, von Gott wird gesagt: „Rauch stieg auf von seiner Nase, und Feuer fraß aus seinem Mund“ (Ps 18,9). Wieder an anderer Stelle heißt es: „Feuer frisst vor ihm her“ (Ps 50,3), und: „Feuer geht vor ihm her und entzündet seine Feinde ringsum“ (Ps 97,3).

Sehr bezeichnend ist auch das Wort in Jesaja 30,27: „Siehe, der Name des Herrnkommt von fern her. Sein Zorn brennt, und der aufsteigende Rauch ist gewaltig; seine Lippen sind voll Grimm, und seine Zunge ist wie ein verzehrendes Feuer“ (vgl. auch Jer 23,29; Nah 1,6; Zeph 3,8). Man kann gut verstehen, dass dann das Volk ruft: „Bis wann, Herr? Willst du immerfort zürnen, soll wie Feuer brennen dein Eifer?“ (Ps 79,5).

Wenn Gott in dieser Weise redet, erzittert dann nicht unser Herz? Wir lesen im Hebräerbrief: „Denn auch unser Gott ist ein verzehrendes Feuer“ (Heb 12,29; vgl. 5Mo 4,24). Auch als Christen, die wir Gottes Gnade und Barmherzigkeit unverdienterweise in so reichem Maß erfahren haben, sollten wir uns vor Gottes Gerichtshandeln fürchten.

Wenn Gottes Gerichtshandeln so ist „wie Wasser, ausgegossen am Abhang“, dann verstehen wir sehr gut, dass von uns Menschen nichts übrig bleibt. Gebe Gott, dass wir zurückkehren zu einer echten Gottesfurcht, die uns wieder sensibel macht für Gottes Stimme und seinen vollkommenen Willen.

Warum nennt sich Gott ein Zeuge gegenüber den Völkern und warum geht Er von seiner Stätte aus, kommt herab und schreitet auf den Höhen der Erde? Ja, warum zerschmelzen die Berge vor Ihm? Warum wird das Kommen des lebendigen Gottes in dieser Weise durch den Propheten beschrieben? Der folgende Vers gibt uns die Antwort.

1,5 – Das alles wegen der Übertretung [o. des Abfalls] Jakobs und wegen der Sünden des Hauses Israel. Von wem geht die Übertretung Jakobs aus? Ist es nicht Samaria? Und von wem die Höhen [eig. Wer ist die Übertretung Jakobs? ... Und wer die Höhen …] Judas? Ist es nicht Jerusalem?

Sünden des Hauses Israel, die Gottes Eingreifen erforderlich machen. Warum wird hier ein Unterschied zwischen „Jakob“ und „Haus Israel“ gemacht? Manche Ausleger denken, dass mit „Jakob“ das Nordreich angesprochen ist und dass „Haus Israel“ einfach die Anrede noch einmal unterstreicht. Wieder andere denken, dass mit beiden Begriffen das Volk Gottes insgesamt angesprochen wird. Es ist aber auch möglich, dass Micha mit „Jakob“ das Südreich Juda und mit „Haus Israel“ das Nordreich anreden will. Der folgende Satz macht ja auch den Unterschied zwischen beiden Reichen deutlich. Vielleicht sollten wir doch mit einer zu starken Differenzierung vorsichtig sein. Wenn der Prophet das ganze Volk im Blickfeld hat, obwohl er die Trennung der beiden Reiche mit ihren Hauptstädten nicht übersieht, dann sieht er das Volk Gottes sozusagen mit den Augen Gottes, der ja eigentlich ein Volk haben wollte und es schließlich auch haben wird. Überall dort, wo im Buch Micha Jakob erwähnt wird, kann es das ganze Volk Gottes bezeichnen.1

1

Siehe Micha 2,7.12; 3,1.8.9; 4,2; 5,6.7; 7,20; vgl. auch Amos 3,13.14; 9,7–9; Jesaja 2,5; 10,20; 14,1; Nahum 2,3. An manchen Stellen kann man den Eindruck haben, dass sich „Jakob“ doch mehr auf das Südreich und „Israel“ mehr auf das Nordreich bezieht. Andere Stellen wiederum lassen mehr den Gedanken zu, dass sich beide Begriffe als Synonyme auf das ganze Volk beziehen.

Wenn der Prophet von der „Übertretung“ bzw. von dem „Abfall“ Jakobs spricht, dann gebraucht er ein Wort, das er mehrmals in seiner Prophetie verwendet und das so viel wie „eine Grenze überschreiten“ oder „durchbrechen“ bedeutet.1 Es kann auch mit „Abtrünnigkeit“ (Jes 1,28) wiedergegeben werden.

1

Hebr. päsch ag: „Spanne die Renner an den Wagen, Bewohnerin von Lachis! Der Anfang der Sünde war es für die Tochter Zion; denn in dir sind die Übertretungen Israels gefunden worden“ (1,13). – „Ich hingegen, ich bin mit Kraft erfüllt durch den Geist des Herrnund mit Recht und Stärke, um Jakob seine Übertretung [o. seinen Abfall] kundzutun und Israel seine Sünde“ (3,8). – „Wird der HerrWohlgefallen haben an Tausenden von Widdern, an Zehntausenden von Strömen Öls? Soll ich meinen Erstgeborenen geben für meine Übertretung, die Frucht meines Leibes für die Sünde meiner Seele?“ (6,7). – „Wer ist ein Gott wie du, der die Ungerechtigkeit [o. Missetat, Schuld] vergibt, und die Übertretung des Überrestes seines Erbteils übersieht [eig. über … weggeht]? Er behält seinen Zorn nicht auf ewig, denn er hat Gefallen an Güte“ (7,18).

Wenn er aber von den Sünden des Hauses Israel redet, gebraucht er ein Wort, das „ein Ziel verfehlen“ oder „ein Ziel nicht erreichen“ bedeutet. Wir finden dieses Wort z. B. in dem Propheten Micha in genau den Texten, wo auch das Wort „Übertretung“ („Abfall“) gebraucht wird.1

1

Hebr. chahtat: vgl. Fußnote 9: Zitate aus Kap. 1,13; 3,8; 6,7, wo es parallel zu päschag gebraucht wird; das Wort wird auch in Micha 6,13 verwendet: „So will auch ich dich unheilbar schlagen, dich verwüsten um deiner Sünden willen“, und in Kap. 7,19: „Er wird sich unser wieder erbarmen, wird unsere Ungerechtigkeiten niedertreten; und du wirst alle ihre Sünden in die Tiefen des Meeres werfen“ (vgl. auch folgende Texte: 1Mo 4,7; 1Kön 8,34; Ps 32,5; 51,4.5.7; Spr 14,34).

Samaria wird hier als Wurzel für die Übertretung Jakobs und die Sünden des Hauses Israel angesehen. Wann wurde denn Samaria Hauptstadt des Nordreiches? Wenn wir die Geschichte des Nordreiches seit Jerobeam I. verfolgen, so lesen wir, dass Jerobeam zuerst in Sichem wohnt (1Kön 12,25). Von dort aus erdenkt er seinen Götzendienst in Bethel und Dan. Es heißt: „Und Jerobeam sprach in seinem Herzen: Nun wird das Königreich an das Haus Davids zurückkommen. Wenn dieses Volk hinaufziehen wird, um im Haus des Herrnin Jerusalem Schlachtopfer zu opfern, so wird das Herz dieses Volkes sich zu ihrem Herrn zurückwenden, zu Rehabeam, dem König von Juda; und sie werden mich töten und sich zu Rehabeam, dem König von Juda, zurückwenden. Da beriet sich der König und machte zwei goldene Kälber. Und er sprach zu dem Volk: Es ist zu viel für euch, nach Jerusalem hinaufzuziehen; siehe da, Israel, deine Götter, die dich aus dem Land Ägypten heraufgeführt haben. Und er stellte das eine in Bethel auf, und das andere brachte er nach Dan. Und diese Sache wurde zur Sünde, und das Volk ging vor das eine hin bis nach Dan ... Und Jerobeam machte ein Fest im achten Monat, am fünfzehnten Tag des Monats, wie das Fest, das in Juda stattfand [D. i. das Laubhüttenfest, das am fünfzehnten Tag des siebten Monats gefeiert wurde], und er opferte auf dem Altar. Ebenso tat er in Bethel, indem er den Kälbern opferte, die er gemacht hatte; und er stellte in Bethel die Priester der Höhen an, die er gemacht hatte. Und er opferte auf dem Altar, den er in Bethel gemacht hatte, am fünfzehnten Tag im achten Monat, in dem Monat, den er aus seinem Herzen erdacht hatte; und er machte den Kindern Israel ein Fest und opferte auf dem Altar und räucherte“ (1Kön 12,26–33).

Dan und Bethel wurden nun die Orte einer götzendienerischen Anbetung. Jerobeam I. hatte sie aus seinem Herzen erdacht, und sie wurden dem Volk zum Fallstrick. Nadab, sein Sohn, wurde nach seinem Tod König über das Nordreich, wurde aber schon nach zwei Jahren Opfer der Verschwörung Baesas, die von dem Propheten Achija vorausgesagt worden war. Der Text lautet: „Und Baesa tötete ihn im dritten Jahr Asas, des Königs von Juda, und wurde König an seiner statt. Und es geschah, sobald er König geworden war, erschlug er das ganze Haus Jerobeams; er ließ von Jerobeam nichts übrig, was Odem hatte, bis er ihn vertilgt hatte, nach dem Wort des Herrn, das er durch seinen Knecht Achija, den Siloniter, geredet hatte: wegen der Sünden Jerobeams, die er begangen hatte, und die er Israel zu begehen veranlasst

Aber auch von Baesa lesen wir, dass er auf den „Wegen Jerobeams“ wandelte. Sein Regierungssitz war die Stadt Tirza. Er kämpfte als Erster gegen sein Brudervolk Juda, das durch den König Asa regiert wurde, verlor aber den Krieg, weil Asa Ben Hadad, den König von Syrien, zu Hilfe gerufen hatte.

Nach einer vierundzwanzigjährigen Regentschaft Baesas übernahm Ela, der Sohn Baesas, in Tirza die Regierungsverantwortung. Dieser liebte offensichtlich nicht nur den Götzendienst, sondern auch den Alkoholrausch und wurde schon nach zwei Jahren ebenfalls Opfer einer Verschwörung, die Simri angezettelt hatte.

„So vertilgte Simri das ganze Haus Baesas nach dem Wort des Herrn, das er durch Jehu, den Propheten, gegen Baesa geredet hatte: wegen all der Sünden Baesas und der Sünden Elas, seines Sohnes, die sie begangen und die sie Israel zu begehen veranlasst hatten, so dass sie den Herrn, den Gott Israels, reizten durch ihre nichtigen Götzen“ (1Kön 16,12.13).

Simri regierte sieben Jahre in Tirza und flüchtete wegen einer Belagerung der Stadt Tirza in die Burg des Königshauses. Diese Belagerung war das Ergebnis einer Verschwörung des Generals (Heerobersten) Omri. Simri verbrannte das Königshaus und sich selbst. Das Wort Gottes fügt hinzu: „Und es geschah, als Simri sah, dass die Stadt eingenommen war, da ging er in die Burg des Königshauses und verbrannte das Königshaus über sich mit Feuer und starb: wegen seiner Sünden, die er begangen hatte, indem er tat, was böse war in den Augen des HERRN, indem er wandelte auf dem Weg Jerobeams und in seiner Sünde, die er getan, so dass er Israel veranlasst hatte zu sündigen“ (1Kön 16,18.19).

Nun gab es wieder eine Teilung des Volkes. Die eine Hälfte folgte Tibni, die andere Hälfte folgte Omri. Doch Omri und seine Nachfolger überwältigten Tibni, und er regierte sechs Jahre in Tirza. Für zwei Talente Silber kaufte er den Berg Schemer und baute dann eine Stadt, die er Samaria nannte, „nach dem Namen Schemers, des Herrn des Berges“ (1Kön 16,24).

Was lesen wir von dem König Omri und seinem Sohn Ahab? „Und Omri tat, was böse war in den Augen des HERRN; und er machte es schlimmer als alle, die vor ihm gewesen waren. Und er wandelte auf allen Wegen Jerobeams, des Sohnes Nebats, und in seinen Sünden, wodurch er Israel veranlasst hatte zu sündigen, so dass sie den Herrn, den Gott Israels, reizten durch ihre nichtigen Götzen ... Und Omri legte sich zu seinen Vätern, und er wurde in Samaria begraben. Und Ahab, sein Sohn, wurde König an seiner statt … Und Ahab, der Sohn Omris, tat, was böse war in den Augen des HERRN, mehr als alle, die vor ihm gewesen waren. Und es geschah – war es zu wenig, dass er in den Sünden Jerobeams, des Sohnes Nebats, wandelte? –, dass er Isebel, die Tochter Etbaals, des Königs der Sidonier, zur Frau nahm; und er ging hin und diente dem Baal und beugte sich vor ihm nieder. Und er errichtete dem Baal einen Altar im Haus des Baal, das er in Samaria gebaut hatte; auch machte Ahab die Aschera. Und Ahab tat mehr, um den Herrn,den Gott Israels, zu reizen, als alle Könige von Israel, die vor ihm gewesen waren“ (1Kön 16,25–33).

Omri hatte also Samaria erbaut. Aber er lebte in den Sünden und Wegen Jerobeams I. Und sein Sohn Ahab übertraf ihn darin. Er wurde sogar – dank des Einflusses seiner Frau Isebel – Baalsdiener.

Wenn wir uns die Nachkommen Ahabs etwas näher anschauen, dann lesen wir von Ahasja, dem Sohn Ahabs, dass er in seiner zweijährigen

seine Mutter; und er tat die Bildsäule des Baal weg, die sein Vater gemacht hatte. Doch hielt er fest an den Sünden Jerobeams, des Sohnes Nebats, wodurch er Israel veranlasst hatte zu sündigen; er wich nicht davon ab“ (2Kön 3,2ff.).

Jehu, den Gott schon Elia als Zuchtrute für das Haus Omris genannt hatte, tötete Joram, ließ auch dessen 70 Söhne in Samaria umbringen und ermordete Ahasja, den König von Juda, der in das Haus Omris eingeheiratet und so auch Juda zum Götzendienst verführt hatte. Weiter tötete Jehu auch die Brüder Ahasjas und alle Baalsdiener während seiner achtundzwanzigjährigen Regierungszeit. Aber auch von ihm lesen wir: „So vertilgte Jehu den Baal aus Israel. Nur von den Sünden Jerobeams, des Sohnes Nebats, die er Israel zu begehen veranlasst hatte, von denen wich Jehu nicht ab: von den goldenen Kälbern, die in Bethel und in Dan waren“ (2Kön10,28ff.).

Wenn wir uns dann die Nachkommen Jehus – Joahas, Joas, Jerobeam II. und Sekarja – ansehen, findet sich immer wieder dieselbe Überschrift über ihr unmoralisches Leben: „Und er tat, was böse war in den Augen des Herrn; und er wandelte den Sünden Jerobeams nach, des Sohnes Nebats, wodurch er Israel zu sündigen veranlasst hatte: Er wich nicht davon“ (2Kön 13,2.11; 14,24; 15,9).

Sallum, der Sohn des Jabes, machte eine Verschwörung gegen Sekarja und erschlug den König vor dem Volk. Nach einem Monat wurde Sallum von Menachem getötet. Auch von diesem lesen wir: „Und er tat, was böse war in den Augen des HERRN“ (2Kön 15,18).

Pekachja, sein Sohn, lebte auch in den Sünden Jerobeams I. und wurde von Pekach, dem Sohn Remaljas, dem General Pekachjas, umgebracht. Auch Pekach wich nicht von den Sünden Jerobeams. In der Folge machte Hosea, der Sohn Elas, eine Verschwörung gegen Pekach und wurde König an seiner statt.

Mit diesem König Hosea endet die Geschichte des Nordreichs, die Geschichte Samarias als Hauptstadt der Könige des Nordreichs. Im 2. Jahr Pekachs wurde Jotham König in Juda, und im 17. Jahr Pekachs wurde Ahas König, der Sohn Jothams. Genau in diese Zeit hinein weissagt der Prophet Micha. Während Israel, das Nordreich, von Verschwörungen, Königsmorden und dem Kälberdienst in Dan und Bethel, also einem schlimmen Götzendienst, geprägt ist, sieht es in Juda auch nicht viel besser aus.

Mit der Regierungszeit Asarjas (in Chronika Ussija genannt), des Königs von Juda, beginnt zunächst eine geistliche Reformation: „Und er tat, was recht war in den Augen des Herrn, nach allem, was sein Vater Amazja getan hatte. Und er suchte Gott in den Tagen Sekarjas, der kundig war in den Gesichten Gottes; und in den Tagen, als er den Herrnsuchte, gab Gott ihm Gelingen“ (2Chr 26,4ff.).

Aber am Ende seiner Regierungszeit wird von ihm gesagt: „Und als er stark geworden war, erhob sich sein Herz, bis er zu Fall kam; und er handelte treulos gegen den Herrn, seinen Gott, und trat in den Tempel des Herrn, um auf dem Räucheraltar zu räuchern“ (2Chr 26,16). Sein Sohn Jotham tut zwar, was recht ist in den Augen des Herrn, aber „das Volk handelte noch böse“ (2Chr 27,2). Dessen Sohn Ahas schließt sich in moralischer Hinsicht dem Volk an. „Zwanzig Jahre war Ahas alt, als er König wurde, und er regierte sechzehn Jahre in Jerusalem. Und er tat nicht, was recht war in den Augen des HERRN, wie sein Vater David; sondern er wandelte auf den Wegen der Könige von Israel, und auch machte er den Baalim gegossene Bilder; und er räucherte im Tal des Sohnes Hinnoms, und er verbrannte seine Söhne im Feuer, nach den Gräueln der Nationen, die der Herrvor den Kindern Israel vertrieben hatte; und er opferte und räucherte auf den Höhen und auf den Hügeln und unter jedem grünen Baum … Und Pekach, der Sohn Remaljas, erschlug in Juda an einem Tag 120 000 Mann, alles tapfere Leute,

Empfindungen müssen da im Herzen des Propheten gewesen sein. Das Nordreich lebt im Götzendienst, das Südreich Juda ebenfalls. Es wird von den „Höhen Judas“ gesprochen. Diese Höhen weichen nicht. So lesen wir, dass während der Regierungszeit des an sich recht gut stehenden Königs Josaphat die Höhen nicht wichen, „und das Volk hatte sein Herz noch nicht auf den Gott ihrer Väter gerichtet“ (2Chr 20,33). Wir wundern uns nicht darüber, dass Joram, sein Sohn, und sein Enkel Ahasja dann in den Sünden der Könige von Israel leben. Auch die folgenden Könige Joas und Amazja lassen nach anfänglich guten Reformen den Götzendienst wieder zu.

Die Höhen Judas stehen also letztlich für den Götzendienst Judas. Was hatte Gott eigentlich über die Höhen im Gesetz gesagt?

„... so sollt ihr alle Bewohner des Landes vor euch vertreiben und alle ihre Bildwerke zerstören; und alle ihre gegossenen Bilder sollt ihr zerstören, und alle ihre Höhen [d. h. Höhenaltäre, o. Höhentempel; siehe 1Kön 13,32] sollt ihr vertilgen“ (4Mo 33,52; vgl. 3Mo 26,30).

Tatsächlich war es der König Rehabeam – direkt nach der Trennung von dem Nordreich Israel –, der die Höhen einführte: „Und auch sie bauten sich Höhen und Bildsäulen [o. Gedenksteine] und Ascherim auf jedem hohen Hügel und unter jedem grünen Baum. Und es waren auch Geweihte [das sind Prostituierte, deren Dienst kanaanitischen Gottheiten geweiht war] im Land; sie taten nach allen Gräueln der Nationen, die der Herrvor den Kindern Israel ausgetrieben hatte“ (1Kön 14,23). Hatte er den Götzendienst vielleicht bei Salomo, seinem Vater, gesehen und war deshalb davon beeinflusst?

Wenn wir die Geschichte dieses Volkes überblicken, was denken wir dann? Wird Gott zu seinem Volk, das sich Christenheit nennt, sagen: Ihr seid viel besser? Wird Er uns schmeicheln, unseren Wohlstand, unsere prächtigen Kirchen- oder Gemeindebauten als besondere Leistung würdigen? Oder muss Er auch uns, dir und mir, sagen, dass Er sich aufmacht, um sein Volk, die Christenheit, zu richten? Wie sieht es inmitten der Christenheit aus? Müssen wir nicht aufrichtig und mit weinendem Herzen sagen: „Die Übertretung Jakobs und die Sünden des Hauses Israel sind auch bei uns vorhanden. Auch wir haben gesündigt und verderbt gehandelt“?

In 1. Petrus 4,17 heißt es: „Denn die Zeit ist gekommen, dass das Gericht anfange bei dem Haus Gottes; wenn aber zuerst bei uns, was wird das Ende derer sein, die dem Evangelium Gottes nicht gehorchen!“ Lasst uns beim Studium dieses Propheten auch immer wieder uns selbst im Licht Gottes sehen und auf die Knie fallen, indem wir unsere Sünden bekennen und umkehren von falschen Wegen.

Gott kündigt nun seinem Volk das Gericht an.

1,6.7 – So werde ich Samaria zu einem Steinhaufen des Feldes, zu Weinbergpflanzungen machen, und ich werde ihre Steine ins Tal hinabstürzen und ihre Grundfesten entblößen. Und alle ihre geschnitzten Bilder werden zerschlagen und alle ihre Hurengeschenke mit Feuer verbrannt werden, und ich werde alle ihre Götzenbilder zur Wüste machen; denn sie hat sie durch Hurenlohn gesammelt, und zum Hurenlohn sollen sie wieder werden.

Gott kündigt das kommende Verderben Samarias an. Diese von Omri so schön gebaute Stadt wird schon bald zerstört werden. Steine werden ins Tal hinabgestürzt. Die Stadt wird bis auf ihre Grundfesten entblößt. Alles, was der Götzendienst der Stadt gebracht hat, wird vernichtet. Samaria hat Hurengeschenke bekommen, die Ausdruck ihrer unheiligen Verbindungen zu umliegenden Völkern sind. Sie werden mit Feuer

hat, die sie jetzt verehrt.

Durch Hurenlohn hat sie diese gesammelt und so sollen sie zum Hurenlohn werden. Samaria stellt sich als Hure dar. Gott will ihr jetzt den Lohn geben. Alle Götzenbilder werden in Staub und Stein zerfallen, ja, sie werden zur Wüste gemacht. Wenn wir den sittlichen Zustand Samarias zusammenfassend darstellen wollen, könnten wir sagen: Götzendienst und Unzucht kennzeichnen das Nordreich, wobei hier neben der wirklichen Unzucht und der Tempelprostitution sicher auch an geistliche Hurerei gedacht ist, also an die Vermischung mit den religiösen Riten der Nationen. Der Prophet Hesekiel beschreibt diesen Zustand in Kapitel 16 und stellt das Volk schonungslos als Hure dar: „Du hurtest mit den Söhnen Ägyptens, deinen Nachbarn, die groß an Fleisch sind; und du mehrtest deine Hurerei, um mich zu reizen … Und du hurtest mit den Söhnen Assurs, weil du nie satt werden kannst; und du hurtest mit ihnen und wurdest auch nicht satt. Und du mehrtest deine Hurerei zum Händlerland Chaldäa hin; und auch davon wurdest du nicht satt.

Wie schmachtend ist dein Herz!, spricht der Herr, Herr, indem du dies alles tust, das Tun eines ausgelassenen Hurenweibes, indem du deine Gewölbe an jeder Wegecke baust und deine Höhen auf allen Straßen machst. Und du warst nicht einmal wie eine Hure, weil du den Lohn verschmähtest; die ehebrecherische Frau nimmt statt ihres Mannes [eig. unter ihrem Mann stehend; vgl. Kap. 23,5; 4Mo 5,19] Fremde an! Allen Huren gibt man Geschenke; du aber gabst deine Geschenke allen deinen Liebhabern, und du beschenktest sie, damit sie von ringsumher zu dir kämen, um Hurerei mit dir zu treiben. Und es war bei dir mit deinen Hurereien umgekehrt wie bei anderen Frauen, dass man nicht dir nachhurte; denn weil du Lohn gabst und dir kein Lohn gegeben wurde, war es bei dir umgekehrt.

Darum, Hure, höre das Wort des Herrn! So spricht der Herr, Herr: Weil deine Unreinheit ausgegossen und deine Blöße aufgedeckt worden ist in deinen Hurereien mit deinen Liebhabern, und wegen aller deiner gräuelhaften Götzen und wegen des Blutes deiner Kinder, die du ihnen gegeben hast, darum, siehe, werde ich alle deine Liebhaber sammeln, denen du gefielst, und alle, die du geliebt hast, samt allen, die du gehasst hast. Und ich werde sie von ringsumher gegen dich sammeln und deine Blöße vor ihnen aufdecken, so dass sie deine ganze Blöße sehen werden. Und ich werde dich richten nach den Rechten der Ehebrecherinnen und der Blutvergießerinnen und dich zum Blut des Grimmes und der Eifersucht machen“ (Hes 16,26ff.).

In Hesekiel 23 wird Samaria „Ohola“ genannt. Auch in diesem Kapitel macht Gott deutlich, in welch einem Zustand sich Samaria befindet: „Und Ohola hurte, als sie bei [w. unter; vgl. Kap. 16,3)] mir war. Und sie entbrannte zu ihren Liebhabern, zu den Assyrern, die nahe waren, gekleidet in Purpurblau, Statthalter und Vorsteher, allesamt anmutige Jünglinge, Reiter, auf Pferden reitend. Und sie richtete ihre Hurereien auf sie, die Auswahl der Söhne Assurs insgesamt; und mit allen, zu denen sie entbrannte, mit allen deren Götzen verunreinigte sie sich. Und auch ihre Hurereien von Ägypten her ließ sie nicht; denn sie hatten bei ihr gelegen in ihrer Jugend und hatten ihren jungfräulichen Busen betastet und ihre Hurerei über sie ausgegossen. Darum habe ich sie in die Hand ihrer Liebhaber gegeben, in die Hand der Söhne Assurs, zu denen sie entbrannt war. Sie deckten ihre Blöße auf, nahmen ihre Söhne und ihre Töchter weg, und sie selbst töteten sie mit dem Schwert; und so wurde sie berüchtigt unter den Frauen, und man übte Gerichte an ihr“ (Hes 23,5ff.).

Der Prophet Hosea weissagt ebenfalls in dieser vorexilischen Zeit, während der Regierungszeit von Ussija, Jotham, Ahas und Hiskia, und schreibt: „Sie treiben Hurerei, aber sie werden sich nicht ausbreiten; denn sie haben es aufgegeben, auf den Herrnzu achten. Hurerei, Wein

ihren Gott“ (Hos 4,10–12; vgl. Kap. 4,18; 5,3; 6,10).

Genau diese Sünden sind es, vor denen Gott auch uns Christen warnt, nämlich dass wir uns „enthalten von den Verunreinigungen der Götzen und von der Hurerei und vom Erstickten und vom Blut“ (Apg 15,20.29).

Wir werden streng aufgefordert: „Flieht die Hurerei! Jede Sünde, die ein Mensch begehen mag, ist außerhalb des Leibes; wer aber hurt, sündigt gegen seinen eigenen Leib“ (1Kor 6,18). „Darum, meine Geliebten, flieht den Götzendienst“ (1Kor 10,14). „Lasst uns auch nicht Hurerei treiben, wie einige von ihnen Hurerei trieben, und es fielen an einem Tag dreiundzwanzigtausend“ (1Kor 10,8). Hurerei aber und alle Unreinheit oder Habsucht [o. Gier] werde nicht einmal unter euch genannt, wie es Heiligen geziemt“ (Eph 5,3).

„Tötet nun eure Glieder, die auf der Erde sind: Hurerei, Unreinheit, Leidenschaft, böse Lust und Habsucht, die Götzendienst ist“ (Kol 3,5). „Denn dies ist Gottes Wille: eure Heiligkeit, dass ihr euch der Hurerei enthaltet“ (1Thes 4,3).

Auch in unserer sogenannten postmodernen, ja, postchristlichen Zeit werden die sogenannten christlichen Länder mit Unzucht, Ehebruch und Götzendienst überschwemmt. Vielleicht haben wir nicht goldene und silberne Götzen in unseren Häusern stehen, vor denen wir niederfallen, aber die Schrift sagt, dass Habsüchtige Götzendiener sind (Eph 5,5; vgl. Kol 3,5). Die Sucht, Gegenstände zu haben, die Gott uns nicht geben möchte, der Hang, reich zu werden, ist nichts anderes als Götzendienst. Gott sagte einst zu dem König Saul: „Denn wie Sünde der Wahrsagerei ist Widerspenstigkeit, und der Eigenwille wie Abgötterei und Götzendienst. Weil du das Wort des Herrnverworfen hast, so hat er dich verworfen, dass du nicht mehr König sein sollst“ (1Sam 15,23).

Wir wollen uns fragen, ob unser Herz wirklich auf den Willen Gottes gerichtet ist oder ob es etwas erstrebt, das Gott uns nicht geben will. Müssen wir als Christen mit den größten Autos protzen? Müssen wir als Christen in den herrlichsten Häusern der Umgebung wohnen? Müssen wir die teuersten Kleider und Anzüge tragen?

Ja, es gibt Reiche unter den Christen. Ihnen wird gesagt: „Den Reichen in dem gegenwärtigen Zeitlauf gebiete, nicht hochmütig zu sein noch auf die Ungewissheit des Reichtums Hoffnung zu setzen, sondern auf Gott, der uns alles reichlich darreicht zum Genuss; Gutes zu tun, reich zu sein an guten Werken, freigebig zu sein, mitteilsam, indem sie sich selbst eine gute Grundlage für die Zukunft sammeln, damit sie das wirkliche Leben ergreifen“ (1Tim 6,17ff.).

Solchen, die reich werden wollen, wird gesagt: „Die aber, die reich werden wollen, fallen in Versuchung und Fallstrick und in viele unvernünftige und schädliche Begierden, die die Menschen versenken in Verderben und Untergang. Denn die Geldliebe ist eine Wurzel alles Bösen, der nachstrebend einige von dem Glauben abgeirrt sind und sich selbst mit vielen Schmerzen durchbohrt haben. Du aber, o Mensch Gottes, fliehe diese Dinge; strebe aber nach Gerechtigkeit, Gottseligkeit, Glauben, Liebe, Ausharren, Sanftmut des Geistes. Kämpfe den guten Kampf des Glaubens; ergreife das ewige Leben, zu dem du berufen worden bist und bekannt hast das gute Bekenntnis vor vielen Zeugen“ (1Tim 6,9ff.).

Gerade dann, wenn wir nicht reich sind, sollten wir aufpassen, dass nicht in unserem Leben dieser Neid aufkommt, das Verlangen nach mehr Geld, nach mehr materiellen Dingen. Das Gebet Agurs sollte uns täglich kennzeichnen: „Zweierlei erbitte ich von dir; verweigere es mir nicht,

an dem Namen meines Gottes“ (Spr 30,7).

Wir erleben aber nicht nur Habsucht, materielles Wohlstandsbegehren, Anhäufung von Kapital, sondern auch einen erschreckenden Umgang mit der Sexualität. Sex vor der Ehe im Teenageralter ist inzwischen an der Tagesordnung, sexuell aufreizende Kleidung, die gerade das sexuelle Bedürfnis im Menschen stimuliert, ist auch unter Christen nichts Fremdes mehr. Wundern wir uns dann über immer mehr zerstörte Ehen und kaputte familiäre Beziehungen? Wenn gläubige Väter bis in die Nacht vor den Fernsehern sitzen und sich Pornofilme ansehen oder im Internet surfen und sich im Verborgenen Pornobilder anschauen, so wundert es uns nicht, dass die geistliche Kraft im Volk Gottes zurückgeht, dass die Energie des Glaubens schwindet, dass die Absonderung von der Welt nicht mehr gefunden wird. Lasst uns offen die Dinge ansprechen. Kennen wir diese Gefahren nicht in unserem Leben? Und wenn wir bewahrt werden, dann ist es Gnade – aber nicht nur Gnade. Wenn die visuellen Medien unsere Wohnungen zieren und ein familiäres Leben ohne Video- und DVD-Filme, Fernsehen und Internetsurfen nicht mehr denkbar ist, dann hat der Götzendienst, der Bilderdienst, bereits unsere Herzen erreicht. Dann sitzen wir vielleicht sonntags auf den Stühlen und Bänken, um das Wort Gottes zu hören – aber wo sind unsere Gedanken? Können wir wirklich noch Gott preisen aus ungeteiltem Herzen? Können wir Ihn noch anbeten in Geist und Wahrheit, wenn wir samstagabends nur mit Dreck befasst waren? Vor Gott können wir nichts verbergen, wohl vor Menschen. Gebe Gott, dass Er unsere Herzen anrühren kann und uns zur Buße führt.

Natürlich bedeutet das nicht, dass wir keinen Film ansehen dürfen oder keinen Computer in der Wohnung haben dürfen – das wäre einfach gesetzliches Denken. Nein, es geht nicht um ein „Du darfst nicht“, sondern es geht darum, zu erkennen, was Macht über mein Leben hat. Vielleicht brauchst du das Internet beruflich; es gibt auch gute Video- und DVD-Filme, aber denke daran, dass selbst das Gute zu schlechten Zwecken verwendet werden kann. Nimm dir Zeit für das Gebet und das Lesen des Wortes Gottes – und das Verlangen, einen guten Film zu sehen, wird zurückgehen.

Im Jahre 719 v. Chr. zog der assyrische König Salmaneser nach Samaria, belagerte die Stadt drei Jahre lang, nahm sie ein und führte Israel nach Assyrien weg. „Und dies geschah, weil die Kinder Israel gesündigt hatten gegen den Herrn, ihren Gott, der sie aus dem Land Ägypten heraufgeführt hatte, aus der Hand des Pharaos, des Königs von Ägypten, und weil sie andere Götter fürchteten und in den Satzungen der Nationen wandelten, die der Herrvor den Kindern Israel vertrieben hatte, und der Könige von Israel, die diese gemacht hatten. Und die Kinder Israel trieben gegen den Herrn, ihren Gott, heimlich Dinge, die nicht recht waren; und sie bauten sich Höhen in allen ihren Städten, von den Türmen der Wächter bis zu den festen Städten; und sie errichteten sich Bildsäulen und Ascherim auf jedem hohen Hügel und unter jedem grünen Baum, und sie räucherten dort auf allen Höhen, wie die Nationen, die der Herrvor ihnen weggeführt hatte; und sie taten böse Dinge, um den Herrnzu reizen; und sie dienten den Götzen, von denen der Herrihnen gesagt hatte: So etwas sollt ihr nicht tun! Und der Herrwarnte Israel und Juda durch alle Propheten, alle Seher, indem er sprach: Kehrt um von euren bösen Wegen und haltet meine Gebote, meine Satzungen, nach dem ganzen Gesetz, das ich euren Vätern geboten und das ich euch gesandt habe durch meine Knechte, die Propheten. Aber sie hörten nicht und verhärteten ihren Nacken, gleich dem Nacken ihrer Väter, die dem Herrn, ihrem Gott, nicht geglaubt hatten … Da erzürnte der Herrsehr über Israel und tat es vor seinem Angesicht weg; es blieb nichts übrig, nur der Stamm Juda allein“ (2Kön 17,7–18).

Und dann heißt es aber auch noch: „Auch Juda hielt nicht die Gebote des Herrn, seines Gottes; und sie wandelten in den Satzungen Israels, die jene gemacht hatten. Da verwarf der Herrallen Samen Israels und demütigte sie, und er gab sie in die Hand von Plünderern, bis er sie von seinem

Gott benutzt das politische Handeln der Nationen, um sein Volk zu züchtigen. Auch wir wollen es nicht vergessen, dass Gott durch das Handeln der Regierungen sein himmlisches Volk züchtigen kann. Neue Gesetze können schnell unsere Versammlungs- und Evangelisationsfreiheit einschränken. Wenn der Staat immer mehr Menschen überwachen wird, dann werden auch wir Christen irgendwann davon nicht mehr ausgenommen sein, denn auch wir sind unbequem für unsere Gesellschaft. Wenn wir wirklich Licht der Welt und Salz der Erde sind, dann werden wir irgendwann – vielleicht schon bald – die Konsequenzen für ein Gott hingegebenes Leben spüren, denn: „Alle aber auch, die gottselig leben wollen in Christus Jesus, werden verfolgt werden“ (2Tim 3,12).

Und der Herr Jesus hat gesagt: „Wenn die Welt euch hasst, so wisst, dass sie mich vor euch gehasst hat. Wenn ihr von der Welt wäret, würde die Welt das Ihre lieb haben; weil ihr aber nicht von der Welt seid, sondern ich euch aus der Welt auserwählt habe, darum hasst euch die Welt. Erinnert euch an das Wort, das ich euch gesagt habe: Ein Knecht ist nicht größer als sein Herr. Wenn sie mich verfolgt haben, werden sie auch euch verfolgen; wenn sie mein Wort gehalten haben, werden sie auch das eure halten. Aber dies alles werden sie euch tun um meines Namens willen, weil sie den nicht kennen, der mich gesandt hat“ (Joh 15,18ff.).

Was muss den Propheten Micha, als er diese Worte in Kapitel 1 als Wort Gottes niederschrieb, bewegt haben? Wie mag er sich wohl gefühlt haben?

1,8.9 – Darum will ich klagen und heulen, will entblößt [eig. beraubt, o. geplündert] und nackt [d. h. ohne Oberkleid] umhergehen; ich will eine Wehklage halten wie die Schakale und eine Trauer wie die Strauße. Denn ihre Schläge sind tödlich; denn es kommt bis Juda, es reicht bis an das Tor meines Volkes, bis an Jerusalem.

Micha will klagen, heulen, nackt umhergehen. Der Gebrauch dieser Ausdrücke drückt die tiefe Trauer des Propheten aus. Gott sagte einst dem Propheten Jesaja: „Geh und löse das Sacktuch von deinen Lenden und zieh deine Sandalen von deinen Füßen. Und er tat so, ging nackt [d. h. ohne Oberkleid] und barfuß“ (Jes 20,2; s. a. 22,12; 2Sam 15,30). In diesem Zustand der Beschämung und der Bestürzung befindet sich Micha. Wie Schakale und Strauße will er wehklagen. Hiob sagt in Kapitel 30,29: „Ich bin ein Bruder geworden den Schakalen [vgl. Ps 44,20; Jes 35,7; 43,20; Jer 9,10; 10,22; 49,33; 51,37] und ein Genosse den Straußen“, und in Jesaja 13,21 werden diese Tiere zu den Wüstentieren gerechnet. So einsam fühlt sich der Prophet.

Er liebt sein Volk. Ihm ist der Zustand des gesamten Volkes Gottes, also Samarias und Jerusalems, nicht egal. Die hier von dem Propheten gemachten Aussagen erinnern uns an den Herrn Jesus, der über Jerusalem weinte und klagte. Es war seine Stadt, die Stadt des großen Königs, die in den Händen der Römer war und von irreleitenden Hohenpriestern, Schriftgelehrten, Pharisäern und Sadduzäern beherrscht wurde. Micha sieht das Gericht mit den Augen des Glaubens, er sieht Gott, einherschreitend auf den Höhen der Berge. Er sieht Ihn nicht als gnädigen und barmherzigen Gott, sondern in seiner Richterherrlichkeit. Bald würde Samaria geschlagen werden. Tod und Elend, Leid und Trauer würden dann das Teil Samarias sein, aber auch Jerusalem würde nicht verschont bleiben. „Es kommt bis Juda, es reicht bis an das Tor meines Volkes, bis an Jerusalem“. Tatsächlich kamen die Assyrer in die Städte Judas und belagerten Jerusalem zur Zeit des Königs Hiskia.

Die folgenden Verse beschreiben die Invasion der Assyrer. Sie zeigen, in welche Not die Städte kommen.

1,10 – Berichtet es nicht in Gat, weint nur nicht! In Beth-Leaphra wälze ich mich im Staub.

Ussija hatte die Stadt Gat (= Weinkelter), die offensichtlich den Philistern gehört hatte, einst erobert. Er hatte die Hilfe Gottes erlebt, aber nun sollte diese Stadt nichts von dem bevorstehenden Ende Jerusalems hören. Sie sollte nicht weinen. So wünscht es Micha. Gat soll von dem Angriff auf Juda nichts erfahren. In dem nächsten Satz haben wir es mit einem Wortspiel zu tun: Zu Aschenhausen wälze ich mich (o. wälze dich) im Staub. Vielleicht bedeutet dies, dass Beth-Leaphra dem Staub gleichgemacht werden soll.

1,11 – Zieh hin, Bewohnerin von Schaphir, in schimpflicher Blöße; die Bewohnerin von Zaanan ist nicht ausgezogen; die Wehklage Beth-Ezels wird dessen Rastort von euch wegnehmen [d. h. es euch unmöglich machen, dort zu rasten. O. das Unglück wird nicht bei Beth-Ezel stehen bleiben].

Auch die Stadt „Schaphir“ (= schön, angenehm) würde ihre Schönheit mit einer „schimpflichen Blöße“ eintauschen. Zaanan (= Auszug) wird offensichtlich keine Fluchtversuche unternehmen, und Beth-Ezel (= Haus der Nähe, des Schutzes) wird wehklagen. Sie wird schlimm leiden müssen und kein Rast- oder Ruheort mehr sein können. Sie selbst wird der Ruhe bedürfen.

1,12 – Denn die Bewohnerin von Marot zittert wegen ihrer Habe; denn von Seiten des HERRN ist Unglück zum Tor Jerusalems herabgekommen.

In Marot – klingt wie Bitterkeit, von mara – zittern die Menschen um ihre Güter. Man sieht, dass die Assyrer gegen Jerusalem ziehen, und so weiß man in Marot, dass bei einem Ansturm der Assyrer alle Habe dieses Ortes weggebracht werden wird. Wie bitter ist das für diese Stadt.

1,13 – Spanne die Renner an den Wagen, Bewohnerin von Lachis! Der Anfang der Sünde war es [näml. Lachis] für die Tochter Zion; denn in dir sind die Übertretungen Israels gefunden worden.

Die Königsstadt Lachis wurde einst von Josua erobert und dem Stamm Juda zugeteilt. Sie wurde später von Rehabeam befestigt. Amazja wurde in dieser Stadt ermordet. Unser Vers sagt aus, dass diese Stadt offensichtlich durch Sünde gekennzeichnet war. Sie „war der Anfang der Sünde für die Tochter Zion.“ Wahrscheinlich konnten sich bestimmte Sünden in Lachis breit machen und hatten schließlich Einfluss auf Jerusalem. Manche Ausleger nehmen an, dass Lachis Jerusalem zum Götzendienst verführt hat. Lachis wird aufgefordert zu fliehen. Aus Jeremia 34,7 wissen wir, dass sie als feste Stadt Judas bekannt war. Und tatsächlich scheint es so, dass Lachis von den Assyrern nicht erobert wurde, sondern erst durch Nebukadnezar I.

1,14 – Darum wirst du Moreschet-Gat ein Entlassungsgeschenk geben [d. h. auf Moreschet-Gat verzichten müssen]. Die Häuser von Achsib werden zu einem trügerischen Bach für die Könige von Israel.

den Königen von Israel nicht mehr helfen. Gab es in diesen Häusern vielleicht falsche Berater für die Könige?

1,15 – Noch werde ich den Besitznehmer dir bringen, Bewohnerin von Marescha. Bis Adullam wird die Herrlichkeit Israels kommen.

Der Besitznehmer ist Sanherib, der assyrische König, der Marescha (= Besitz) einnehmen wird. Vor vielen Jahren war David nach Adullam geflohen, nun würden auch die hochgestellten Personen aus Israel dorthin fliehen.

1,16 – Mache dich kahl und schere dich um der Kinder deiner Wonne willen, mache deine Glatze breit wie die des Geiers; denn sie sind von dir weggeführt.

Noch einmal wird in herzzerreißenden Worten auf die Schrecklichkeit der Invasion der Assyrer hingewiesen. Das Abschneiden der Haare galt als Zeichen tiefer Bestürzung und Trauer. Eine Wegführung der Menschen dieser Städte würde erfolgen. Und das alles wegen der Untreue Israels.

Diese einst blühenden Städte sollten nun Leid und Elend erfahren. Städte hatten damals Mauern, die sie schützen sollten. Aber Gott hatte den moralischen Schmutz innerhalb dieser Mauern schon längst gesehen. Dürfen wir an dieser Stelle einmal eine Anwendung machen?

Städte können durchaus Sinnbilder für örtliche Versammlungen sein. So wie Städte verwaltet werden mussten, so müssen auch die Gemeinden Gottes verwaltet werden.

In 1. Korinther 4,1 lesen wir: „Dafür halte man uns: für Diener Christi und Verwalter der Geheimnisse Gottes.“ Und den Aufsehern der örtlichen Gemeinde wird in Titus 1,7 gesagt: „Denn der Aufseher muss untadelig sein als Gottes Verwalter, nicht eigenmächtig, nicht zornmütig, nicht dem Wein ergeben, nicht ein Schläger, nicht schändlichem Gewinn nachgehend.“ Ja, jedem Christen, der eine Gnadengabe empfangen hat, wird in 1. Petrus 4,10 ans Herz gelegt: „Je nachdem jeder eine Gnadengabe empfangen hat, dient einander damit als gute Verwalter der mancherlei Gnade Gottes.“

Die Gläubigen werden in 1. Timotheus 1,4 angewiesen, sich nicht „mit Fabeln und endlosen Geschlechtsregistern abzugeben, die mehr Streitfragen hervorbringen als die Verwaltung Gottes fördern, die im Glauben ist“.

Eigentlich sollten diese Städte Judas von Gottesfurcht und geistlicher Führung gekennzeichnet sein, aber das ist offensichtlich nicht mehr der Fall. Wenn wir von Lachis lesen, dass von hier aus ein böser Einfluss auf Jerusalem ausgeht, dann erschrecken wir. Ist Jerusalem denn nicht so stark, dass sie sich gegen die gefährlichen Strömungen aus Lachis wehren kann? Offensichtlich ist Juda so geschwächt, dass insgesamt keine Kraft mehr da ist. Und denken wir daran: In Jerusalem leben die Könige, auch solche, die Götzendienst treiben.

Was lernen wir daraus? Einzelne Gemeinden können auf andere gefährliche Einflüsse ausüben. Gerade in einer Zeit der Mobilität, der schnellen Kommunikation, der Digitaltechnik, können an sich gut stehende Gemeinden infiltriert und letzten Endes verdorben werden. Was nützen da die Mauern des Schutzes, der Absonderung, wenn Einflüsse von den Herzen ausgehen und langsam aber sicher das Denken verändern. So kann

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D. h. bezogen auf Gott.

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D. h. auf den Menschen bezogen.

werden. Aus theozentrischen1 Gemeinden sind anthropozentrische2 Gemeinden geworden, aus Gemeinden, wo man den Wunsch hatte, dass der Herr sich hier zu Hause fühlt, sind nun Wohlfühlgemeinden geworden, wo der Mensch sich zu Hause fühlt, aber für Gottes Willen kein Platz mehr ist. Gemeinden, wo man früher Gottes Wort in wirklich allen Fragen befragte, sind nun Gemeinden geworden, in denen man zuerst nach den Wünschen und Vorstellungen der Menschen fragt.

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D. h. bezogen auf Gott.

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D. h. auf den Menschen bezogen.

2. Das kommende Gericht über die Habsüchtigen und die falschen Propheten (Kapitel 2,1–11)

2,1 – Wehe denen, die Unheil ersinnen und Böses vorbereiten auf ihren Lagern! Beim Morgenlicht führen sie es aus, weil es in der Macht ihrer Hand steht.

Das prophetische „Wehe denen“ begegnet uns sehr oft in den prophetischen Schriften der Bibel. Schauen wir uns einige Bibelstellen an, die sich immer an unterschiedliche Personengruppen wenden: „Wehe denen, die Haus an Haus reihen, Feld an Feld rücken, bis gar kein Raum mehr ist und ihr allein sesshaft seid inmitten des Landes!“ (Jes 5,8). „Wehe denen, die sich frühmorgens aufmachen, um starkem Getränk nachzulaufen, bis spät am Abend bleiben – der Wein erhitzt sie!“ (Jes 5,11). „Wehe denen, die Helden sind, um Wein zu trinken, und tapfere Männer, um starkes Getränk zu mischen“ (Jes 5,22). „Wehe denen, die die Ungerechtigkeit herbeiziehen mit Stricken der Falschheit und die Sünde wie mit Wagenseilen!“ (Jes 5,18). „Wehe denen, die das Böse gut nennen und das Gute böse; die Finsternis zu Licht machen und Licht zu Finsternis; die Bitteres zu Süßem machen und Süßes zu Bitterem!“ (Jes 5,20). „Wehe denen, die in ihren Augen weise und bei sich selbst verständig sind!“ (Jes 5,21; vgl. auch Jes 10,1; 29,15; 31,1; Hes 13,18; Am 5,18).

Solche, die sich auf ihren Reichtum stützen, die Alkoholiker, die Falschen und die, die meinen, selbst klug zu sein, sie alle, die auf sich selbst und auf menschliche Kraft und Weisheit Vertrauenden, müssen das prophetische „Wehe“ hören.

Der Prophet hat durch Gottes Geist Einblick in die geheimen Verhaltensweisen des Volkes Gottes. Auf den Lagern schmiedet man Pläne, sinnt Unheil und vertraut darauf, dass man ja die nötigen Geldmittel und Fähigkeiten hat. Wie töricht ist doch das Ansinnen dieser Menschen.

Der Prophet Jesaja schreibt in Jesaja 30,1: „Wehe den widerspenstigen Kindern, spricht der Herr, die Pläne ausführen, aber nicht von mir aus, und Bündnisse schließen, aber nicht nach meinem Geist, um Sünde auf Sünde zu häufen“, und Jeremia warnt in Jeremia 23,1: „Wehe den Hirten, die die Schafe meiner Weide zugrunde richten und zerstreuen!, spricht der Herr.“ Auch Hesekiel sagt in Kapitel 13,3: „So spricht der Herr, Herr: Wehe den törichten Propheten, die ihrem eigenen Geist nachgehen und dem, was sie nicht gesehen haben!“

Wie spricht das auch zu unseren Herzen, wenn es heißt: „... weil es in der Macht ihrer Hand steht.“ Wie oft baut das Volk auf eigene Kraft, auf menschliche Methoden. Wie oft musste der Herr uns schon zeigen, dass alles eigene Tun, Planen und Sinnen letztlich nichts anderes als

Veränderung, sind aber den jüngeren Intellektuellen argumentativ nicht gewachsen – und dann kommt der Tag der großen Veränderung. Aus einer geistlich geführten Gemeinde wird schließlich ein Werk von Menschen – attraktiv, kreativ, nach Managementprinzipien organisiert, durch Seminare trainiert, durch psychologische Techniken gesteuert, „die eine Form der Gottseligkeit haben, deren Kraft aber verleugnen“ (2Tim 3,5). Das Fleisch vertreibt den Geist, die Methode das Gebet, die menschliche Anmaßung die Liebe und die insgeheim fließenden Tränen die Freude unter den Heiligen.

2,2 – Und sie begehren Felder und rauben sie, und Häuser und nehmen sie weg; und sie verüben Gewalttat an dem Mann und seinem Haus, an dem Menschen und seinem Erbteil.

Die Menschen damals zielten auf fremde Äcker und Häuser. Sie versklavten ihre Nachbarn, nahmen ihnen ihr Erbe weg, so dass diese mittellos dastanden. Ein herzloses und gottloses Verhalten. Gott sieht das als Raub an. Doch: „Der Herrwird ins Gericht gehen mit den Ältesten seines Volkes und dessen Fürsten. Und ihr habt den Weinberg abgeweidet, das dem Elenden Geraubte ist in euren Häusern“ (Jes 3,14).

2,3–5 – Darum, so spricht der HERR: Siehe, ich ersinne ein Unglück gegen [o. über] dieses Geschlecht, aus dem ihr eure Hälse nicht ziehen und unter dem ihr nicht aufrecht [w. hoch] gehen werdet; denn es ist eine böse Zeit. An jenem Tag wird man einen Spruch über euch anheben und ein Klagelied anstimmen. Es ist geschehen!, wird man sagen. Wir sind ganz und gar verwüstet: Das Erbteil meines Volkes vertauscht er; wie entzieht er es mir! Dem Abtrünnigen verteilt er unsere Felder. Darum wirst du niemand haben, der in der Versammlung des HERRN die Mess-Schnur wirft, um ein Los zu bestimmen.

Gott wird Unglück über das Volk bringen. Und die Übeltäter werden sich diesem nicht entziehen können. Niemals werden sie dann in der Lage sein, mit gerecktem Hals und mit stolzen Herzen einherzugehen. Es wird eine schlimme Zeit sein.

Ein Spruch und ein Klagelied wird erschallen: „Es ist geschehen. Wir sind ganz verwüstet. Mein Eigentum wird mir genommen.“ Dieses Unglück wird das Volk dahin führen, dass es anfängt nachzudenken. Hatten die Propheten es denn nicht vorhergesagt? Haben wir nicht die Stimme Gottes durch die Männer Gottes vernommen? Warum haben wir nicht gehört?

In der Versammlung des Herrnwird niemand mehr die Mess-Schnur (vgl. Jos 17,14; Jos 19,9) werfen, d. h. es wird keiner mehr da sein, der den einzelnen Familien das ihnen gehörende Erbe gerecht zuteilen kann. Geistliche Personen wird man suchen, aber nicht finden. Wie schrecklich muss es sein, wenn das Licht und die Wahrheit Gottes zurückgedrängt sind und Gott selbst keine Orientierung mehr gibt, wenn Er sozusagen sein geliebtes Volk in die Hände seiner Feinde geben muss, weil es nicht bereit ist zu gehorchen.

2,6 – Weissagt [eig. Träufelt Worte; so auch nachher] nicht“, weissagen sie [d. h. die falschen Propheten]. Weissagt man nicht jenen [d. h. den in den Versen 1 und 2 angeführten Gottlosen], so wird die Schmach nicht weichen.

Mit diesem 6. Vers wendet sich der Prophet Gottes an die falschen Propheten. Diese weissagen genauso wie die Propheten Gottes. Das Wort

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Das Wort nataph wird in dieser Bedeutung an folgenden Stellen gebraucht: Ri 5,4; Ps 68,9; Hld 5,5.13; Joel 4,18; Amos 9,13. Einige Verse, wo das Wort noch vorkommt, wollen wir hier nennen: „Denn Honigseim träufeln die Lippen der Fremden, und glatter als Öl ist ihr Gaumen“ (Spr 5,3), und wo Hiob sagt: „Nach meinem Wort sprachen sie nicht noch einmal, und auf sie träufelte meine Rede“ (Hiob 29,22). Hesekiel wird in Kapitel 21,2 von Gott aufgefordert: „Menschensohn, richte dein Angesicht nach Süden und rede [eig. träufle deine Worte] gegen Mittag hin und weissage über den Wald des Gebietes im Süden“; und in Kapitel 21,7: „Menschensohn, richte dein Angesicht gegen Jerusalem und rede [siehe V. 2] über die Heiligtümer und weissage über das Land Israel.“

sollst nicht reden [Eig. Worte träufeln] über das Haus Isaak. Darum, so spricht der Herr: Deine Frau wird zur Hure werden in der Stadt, und deine Söhne und deine Töchter werden durchs Schwert fallen, und dein Land wird verteilt werden mit der Mess-Schnur, und du selbst wirst in einem unreinen Land sterben; und Israel wird gewiss aus seinem Land weggeführt werden.“

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Das Wort nataph wird in dieser Bedeutung an folgenden Stellen gebraucht: Ri 5,4; Ps 68,9; Hld 5,5.13; Joel 4,18; Amos 9,13. Einige Verse, wo das Wort noch vorkommt, wollen wir hier nennen: „Denn Honigseim träufeln die Lippen der Fremden, und glatter als Öl ist ihr Gaumen“ (Spr 5,3), und wo Hiob sagt: „Nach meinem Wort sprachen sie nicht noch einmal, und auf sie träufelte meine Rede“ (Hiob 29,22). Hesekiel wird in Kapitel 21,2 von Gott aufgefordert: „Menschensohn, richte dein Angesicht nach Süden und rede [eig. träufle deine Worte] gegen Mittag hin und weissage über den Wald des Gebietes im Süden“; und in Kapitel 21,7: „Menschensohn, richte dein Angesicht gegen Jerusalem und rede [siehe V. 2] über die Heiligtümer und weissage über das Land Israel.“

Immer wieder war das Volk unwillig gegenüber dem Wort des Herrn. Man wollte nicht hören. Nun, dann musste man das Gericht Gottes erleben, das furchtbare Gericht des lebendigen Gottes, der die falschen Propheten zu nichts macht.

Der prophetische Dienst ist also von außerordentlich großer Bedeutung. Die Schmach würde von dem Volk nicht weichen, wenn die Propheten nicht reden würden. Immer wieder geschah es im Volk Gottes, dass man die Propheten zum Schweigen bringen wollte. Zur Zeit Jeremias wollte man Anklagen gegen Jeremia ersinnen. In Jeremia 18,18 heißt es: „Kommt und lasst uns Pläne gegen Jeremia ersinnen ... Kommt und lasst uns ihn mit der Zunge schlagen und nicht auf alle seine Worte hören!“

Nicht nur das Volk wandte sich gegen den prophetischen Dienst, den Gott in der Mitte des Volkes tun wollte, sondern auch die falschen Propheten standen auf, um gegen die wahren Propheten anzutreten. Wir werden im Lauf der Betrachtung noch einmal auf die falschen Propheten zurückkommen.

2,7 – Du, Haus Jakob genannt, ist der HERR ungeduldig [o. zornmütig; o. ist der Geist des HERRN beschränkt?]? Oder sind dies seine Taten? Sind meine Worte nicht gütig gegen den, der aufrichtig [rechtschaffen] wandelt?

Wie oft hat sich das Volk Gottes ein ganz falsches Bild von Gott gemacht. Gott ist ein Gott der Liebe. Er will nicht den Tod des Sünders; Er liebt sein Volk, und daher hat Er sich immer wieder aufgemacht, um gerade dieses widerspenstige Volk zu sich zurückzurufen. Dazu gebrauchte Er die Propheten: „Und der Herr, der Gott ihrer Väter, sandte zu ihnen durch seine Boten, früh sich aufmachend und sendend; denn er erbarmte sich seines Volkes und seiner Wohnung“ (2Chr 36,15; vgl. Jer 7,25; 25,4; 29,19; 32,33; 35,15; 44,4).

Nein, Gott hatte sehr viel Geduld, Er ist „langsam zum Zorn und groß an Güte“. So kannte Ihn Mose (2Mo 34,6; 4Mo 14,18), der erste große Führer des Volkes Gottes. Aber so erlebten Ihn auch Nehemia (9,17) und die Propheten Joel (2,13), Jona und Nahum (1,3). Auch in den Psalmen wird Gottes Güte und Erbarmen immer wieder hervorgehoben (Ps 86,15; 103,8; Ps 145,8).

Gott will lieber nicht das Gericht über sein Volk bringen. Das sind nicht seine eigentlichen Taten. Viel lieber würde Er es segnen, auf grünen Weiden lagern, durch Liebe zu sich ziehen. Aber Er kann eines nicht: das Böse dort dulden, wo Er gegenwärtig ist.

Daher stimmen die Worte vollkommen, wenn Gott sagt: „Sind meine Worte nicht gütig gegen den, der aufrichtig [rechtschaffen] wandelt?“ Ein aufrichtiger, rechtschaffener Wandel vor Gott zeigt sich dadurch, dass man auf Gottes Führung und Eingreifen in allen Umständen rechnet. Daher orientiert man sich auch nicht an Menschen und menschlichen Normen, sondern am Gesetz und Willen Gottes. Das Wort „aufrichtig“ oder „rechtschaffen“ bezeichnet eine Eigenschaft, die davon gekennzeichnet ist, dass man mit dem Recht Gottes rechnet. Ein aufrichtiger Mensch handelt gerecht.

das Zelt der Aufrichtigen wird aufblühen“ (Spr 14,11). Es ist einfach Wahrheit, dass der Pfad der Aufrichtigen gebahnt ist (Spr 15,19), dass das Gebet der Aufrichtigen sein Wohlgefallen ist (Spr 15,8). Daher sagt uns Gottes Weisheit auch: „Die Bahn der Aufrichtigen ist: vom Bösen weichen; wer seinen Weg bewahrt, behütet seine Seele“ (Spr 16,17).

Das erste Mal, wo das Wort „rechtschaffen“ oder „aufrichtig“ (im Hebräischen) in der Bibel vorkommt, ist 2. Mose 15,26. Dort, am Wasser Mara (Bitterkeit) erlebt das Volk Gottes – gerade befreit aus Ägypten – das Wunder des durch das Holz süß gewordenen Wassers.

Gott sagt: „Wenn du fleißig auf die Stimme des Herrn, deines Gottes, hören wirst und tun wirst, was recht [o. rechtschaffen, aufrichtig] ist in seinen Augen, und seinen Geboten gehorchen und alle seine Satzungen halten wirst, so werde ich keine der Krankheiten auf dich legen, die ich auf Ägypten gelegt habe; denn ich bin der Herr, der dich heilt.“ Ja, Gottes Angesicht „schaut den Aufrichtigen an“ (Ps 11,7), „es wird gesegnet werden das Geschlecht der Aufrichtigen“ (Ps 112,2), ihnen geht „Licht auf in der Finsternis“ (Ps 112,4), und sie werden vor dem Angesicht Gottes „wohnen“ (Ps 140,14).

Wir verstehen dann sehr gut, wenn es in Psalm 111,1 heißt: „Lobt den Herrn! Preisen will ich den Herrnvon ganzem Herzen im Kreis der Aufrichtigen und in der Gemeinde.“

Aufrichtige Menschen, die mit Gott leben, werden seine Worte immer als „gütig“ erleben. Sie begreifen, dass Gottes Handeln nicht immer ihrem menschlichen Gefühl entsprechen kann, sie verstehen, dass Gottes Gedanken und Wege höher als ihre sind, aber sie ruhen in seinem Willen, sie erfreuen sich an Ihm, der alles überblickt und dem nichts misslingt. Welch einen Gott haben wir im Himmel. Lasst uns Ihn anbeten. Lasst uns niederfallen vor dem König aller Könige und dem Herrn aller Herren.

2,8–11 – Aber noch unlängst lehnte sich mein Volk als Feind auf: Vom Oberkleid zieht ihr den Mantel denen ab, die sorglos vorübergehen, vom Kampf abgewandt sind; die Frauen meines Volkes vertreibt ihr aus dem Haus ihrer Wonne, von ihren Kindern nehmt ihr meinen Schmuck für immer. Macht euch auf und zieht hin! Denn dieses Land ist der Ruheort nicht, um der Verunreinigung willen, die Verderben bringt, und zwar gewaltiges Verderben. Wenn ein Mann da ist, der dem Wind nachgeht und betrügerisch lügt: „Ich will dir weissagen von Wein und von starkem Getränk“, der wird ein Prophet dieses Volkes sein.

In den ersten Versen werden drei Gruppen angesprochen, die unter dem Wirken der falschen Propheten leiden müssen: Sorglos vorübergehende Menschen, die vom Kampf abgewandt sind, müssen ihren Mantel den falschen Propheten geben; die Frauen werden von ihnen aus dem Haus ihrer Ehemänner vertrieben. Wahrscheinlich sollten die Häuser anderen gegeben werden; die Kinder der Frauen verlieren alles das, was sie lieben, das, was ihr eigentlicher Schmuck ist. Wahrscheinlich sind es hier die Mütter. Ihr lieben Mütter: Ihr seid der Schmuck eurer Kinder. Wenn Mütter von den Kindern weg vertrieben werden, dann kann das nur schlimme familiäre und letztlich auch gesellschaftliche Folgen haben.

Vielleicht handelt es sich bei den Versen 8 und 9 um Familien, die durch die falschen Propheten zerstört werden. Eine besondere Warnung an das Volk Gottes, die Gemeinde: Familienzerstörende Gesetze kommen immer von dem Geist falscher Propheten. Es ist eben nicht nach Gottes

„Ihr Kinder, gehorcht euren Eltern im Herrn, denn das ist recht. ,Ehre deinen Vater und deine Mutter‘, welches das erste Gebot mit Verheißung ist, ,damit es dir wohl ergehe und du lange lebest auf der Erde‘“ (Eph 6,1.2; vgl. 2Mo 20,12; 5Mo 5,16), und: „Du aber rede, was der gesunden Lehre geziemt: dass die alten Männer nüchtern seien, würdig, besonnen, gesund im Glauben, in der Liebe, im Ausharren; die alten Frauen ebenso in ihrem Betragen, wie es dem heiligen Stand [o. dem Heiligtum] geziemt, nicht verleumderisch, nicht Sklavinnen von vielem Wein, Lehrerinnen des Guten; damit sie die jungen Frauen unterweisen [o. anleiten], ihre Männer zu lieben, ihre Kinder zu lieben, besonnen, keusch, mit häuslichen Arbeiten beschäftigt, gütig, sich den eigenen Männern unterzuordnen, damit das Wort Gottes nicht verlästert werde“ (Tit 2,1).

Auch unsere Gesellschaft, die immer mehr darauf aus ist, dass Kinder von den Eltern getrennt werden, damit Vater und Mutter arbeiten können, wird die Ernte ihrer Saat über kurz oder lang erfahren. Gottes Wille ist, dass die Mütter bei den Kindern bleiben und ihnen Geborgenheit und ein Zuhause gewähren, wo sie den Geist echter Zuneigung erleben.

Der Prophet sagt dann: „Macht euch auf und zieht hin! Denn dieses Land ist der Ruheort nicht!“ Ihr Land ist verunreinigt. Daher wird Gott Verderben bringen. Es wird ein „gewaltiges Verderben“ kommen. Er muss das Land durch Gericht reinigen. Das Volk, das noch Ohren hat, die gehorchen können, wird nun aufgefordert zu fliehen. Die einstigen Ruheorte würden keine mehr sein, denn das ganze Land war verunreinigt. Spöttisch sagt nun der Prophet Micha, dass solche Männer, die dem Wind nachgehen und betrügerisch von alkoholischem Getränk weissagen, als Propheten des Volkes anerkannt werden. Erinnert uns das nicht an 2. Timotheus 4,3? „Denn es wird eine Zeit sein, da sie die gesunde Lehre nicht ertragen werden, sondern nach ihren eigenen Begierden sich selbst Lehrer aufhäufen werden, indem es ihnen in den Ohren kitzelt; und sie werden die Ohren von der Wahrheit abkehren, sich aber zu den Fabeln hinwenden.“

Wie liebte das moralisch zersetzte Volk Gottes doch immer solche Propheten, die ihm nach dem Mund redeten. Die Propheten sollten über alkoholische Getränke weissagen. Eventuell steht dieser Begriff für Wohlstand, Reichtum, Lust, emotionale Freude, Rausch. Das Volk wollte also weiter im Wohlstand schwelgen, wollte seine Feten und Partys weiterfeiern. Hatte es sich doch an die „Events“ bereits gewöhnt. Ausschweifende Gesellschaftsabende, der Wein, der reichlich floss, das Bier, das in Fässern herbeigeholt wurde, das war es, was das Volk Gottes liebte.

Liebte – oder ist es nicht auch unter vielen Christen üblich geworden, dass Wohlstand, berauschende Feiern, Alkoholkonsum zum normalen Leben dazugehören?

Lieber Bruder, liebe Schwester, wenn du wirklich ein solches Lustleben ein christliches Leben nennst, dann hast du von geistlichem Leben noch gar nichts geschmeckt.

Natürlich dürfen wir als Christen Wein trinken, aber bedenke sehr wohl, der Alkohol macht nicht weise: „Der Wein ist ein Spötter, starkes Getränk ein Lärmer; und jeder, der davon taumelt, wird nicht weise“ (Spr 20,1). Alkohol und Ausgelassenheit führen oft zu einem ausschweifenden Lebenswandel: „Um sich zu belustigen, hält man Mahlzeiten, und Wein erheitert das Leben, und das Geld gewährt alles“ (Pred 10,19). Eines der größten Probleme ist, dass durch den ständigen Genuss von Alkohol und ein häufiges Berauschen mit Alkohol das geistliche und das moralische

Verstand weg“ (Hos 4,11).

Sehr schlimm war es zur Zeit des Propheten Amos. Man versuchte mit allen Mitteln, solche von einem Leben mit Gott abzuhalten, die bereit waren, das Gelübde eines Nasiräers zu erfüllen, und außerdem gebot man den Propheten, Gottes Wort nicht zu reden. „Aber ihr habt den Nasiräern Wein zu trinken gegeben und den Propheten geboten und gesagt: Ihr sollt nicht weissagen!“ (Amos 2,12).

Wie viel Unheil hat der Alkohol schon angerichtet! Er gewährt nur scheinbare und vorübergehende irdische Freude, während die Freude im Herrn dies alles weit übersteigt. Daher wollen wir Epheser 5,17–20 beachten: „Darum seid nicht töricht, sondern verständig, was der Wille des Herrn sei. Und berauscht euch nicht mit Wein, in dem Ausschweifung ist, sondern werdet mit dem Geist erfüllt, redend zueinander in Psalmen und Lobliedern und geistlichen Liedern, singend und spielend dem Herrn in eurem Herzen, danksagend allezeit für alles dem Gott und Vater im Namen unseres Herrn Jesus Christus, einander untergeordnet in der Furcht Christi.“

Fassen wir den Abschnitt noch einmal kurz zusammen: Die falschen Propheten wollen die Weissagung der wahren Propheten nicht. Sie zerstören Familien, rufen das Volk Gottes nicht zur Buße, sondern reden von Wohlstand und Lustbefriedigung. Gott erinnert das Volk daran, dass Gottes Worte gütig gegen den Aufrichtigen sind. Aber Er mahnt die Glaubenden, indem Er sie zur Flucht auffordert, denn das Land ist nicht der Ruheort. Gott wird den Assyrer als Zuchtrute bringen.

3. Der kommende König und die anbrechende Segenszeit (Kapitel 2,12.13)

2,12.13 – Sammeln werde ich dich, Jakob, ganz sammeln; versammeln, ja, versammeln werde ich den Überrest Israels. Ich werde ihn zusammenbringen wie die Schafe von Bozra, wie eine Herde inmitten ihrer Weide; sie werden lärmen vor Menge der Menschen. Der Durchbrecher zieht herauf vor ihnen her; sie brechen durch und ziehen durchs Tor und gehen durch es hinaus; und ihr König zieht vor ihnen her und der HERR an ihrer Spitze.

In diesen zwei Versen redet Gott von dem, was Er tun will: Ich werde dich sammeln, ich werde den Überrest versammeln, ich werde ihn zusammenbringen. Dieses „Ich werde“ ist die prophetische Verheißungssprache Gottes. Wenn Er sagt „Ich werde“, dann wird es geschehen. So sprach Er einst: „Es werde Licht“ – und es wurde Licht. Sein „Es werde“ ist hier genauso perfekt wie seine Aussage „Es werde Licht“.

Hier werden nun drei Verben gebraucht, die mit der Sammlung des Überrestes zu tun haben:

1.              Gott wird den Überrest sammeln. Das Wort asaph,1 das hier gebraucht wird, bedeutet auch „ernten, einsammeln, versammeln von Gästen, aufnehmen, etwas sammeln, indem man es einzieht oder von etwas wegnimmt.“ – Gott wird dieses Volk einmal von der Erde

1

Vgl. 1Mo 30,23; 2Mo 3,16; 3Mo 25,3; Ruth 2,7; 1Sam 14,52; 2Kön 22,20; Neh 8,13.

2

Hebr. kahbatz= versammeln (Ri 12,4; 1Sam 28,1; 1Kön 22,6; 2Kön 10,18; 2Chr 18,5; Esra 7,28; Neh 7,5; Hab 2,5.

1.              Gott will Jakob „ganz sammeln.“ Hier wird noch einmal das gleiche Wort, verbunden mit dem Ausdruck „ganz“ gebraucht. Keine einzige Person braucht sich zu fürchten. Wenn Gott ganz sammelt, dann wird nichts fehlen.

2.              Er wird den Überrest versammeln2. Dieses Wort beinhaltet ein Zusammenfassen, ein Sammeln von Menschen zu einer Versammlung oder zum Kampf. Gott sagt: „Und er wird den Nationen ein Banner erheben und die Vertriebenen Israels zusammenbringen, und die Zerstreuten Judas wird er sammeln von den vier Enden der Erde“ (Jes 11,12). Der Ausdruck „versammeln“ wird sozusagen zu einem Terminus technicus für das Wirken Gottes unter seinem Volk in allen Ländern, wohin sie zerstreut waren und sind. Aber bedenken wir es gut: Gott wird sie zusammenbringen. Niemals wird das in eigener Kraft geschehen können. Nicht durch politisch kluges Handeln, durch militärische Stärke, durch weltliche Bündnisse werden die Menschen aus Israel gesammelt, sondern ausschließlich dadurch, dass Gott an ihnen wirkt. Der Prophet Jesaja tröstet das Volk ab Kapitel 40 mit dem Hinweis darauf, dass der Herrein „ewiger Schöpfer“ ist und nicht ermüdet und ermattet. Er vergisst sein Volk nicht. Er sieht seinen Überrest in allen Ländern und Er wird eingreifen. „Fürchte dich nicht, denn ich bin mit dir; vom Aufgang her werde ich deine Nachkommen bringen, und vom Niedergang her werde ich dich sammeln“ (Jes 43,5). „Einen kleinen Augenblick habe ich dich verlassen, aber mit großem Erbarmen will ich dich sammeln [o. aufnehmen]“ (Jes 54,7).

1

Vgl. 1Mo 30,23; 2Mo 3,16; 3Mo 25,3; Ruth 2,7; 1Sam 14,52; 2Kön 22,20; Neh 8,13.

2

Hebr. kahbatz= versammeln (Ri 12,4; 1Sam 28,1; 1Kön 22,6; 2Kön 10,18; 2Chr 18,5; Esra 7,28; Neh 7,5; Hab 2,5.

Ja, sie sind zwar in alle Länder zerstreut worden wegen ihres Ungehorsams, wegen ihrer Untreue und ihres Götzendienstes, aber Gott kennt seine Schafe auch in diesen Ländern. Er wird an ihren Herzen wirken und sich von ihnen finden lassen. Es ist der große und lebendige Gott, erhaben über alle Götter, über die Kraft Satans und seiner Dämonen, der das Volk an den ursprünglichen Ort zurückführen wird – nach Jerusalem und in das verheißene Land: „Und ich werde den Überrest meiner Schafe sammeln aus allen Ländern, wohin ich sie vertrieben habe; und ich werde sie auf ihre Weideplätze zurückbringen, dass sie fruchtbar seien und sich mehren“ (Jer 23,3; vgl. 29,14; 32,37).

Auch der Prophet Hesekiel, der inmitten der Weggeführten am Fluss Kebar saß und in Gesichten weit in die Zukunft schauen durfte, ja, sogar das Volk im Land sah, verbunden mit einem herrlichen Tempel und einem reinen Priestertum, schreibt:

„Darum sprich: So spricht der Herr, Herr: Ja, ich werde euch aus den Völkern sammeln und euch zusammenbringen aus den Ländern, in die ihr zerstreut worden seid, und werde euch das Land Israel geben“ (Hes 11,17; vgl. 20,34; 34,13; 36,24; 37,21).

Der Prophet Micha und der Prophet Zephanja sprechen von den Hinkenden, die gesammelt werden. Das deutet darauf hin, dass dieser Überrest sich in großer Not befindet und sich nach dem Eingreifen Gottes sehnt. Sie leiden unter ihren Bedrückern und möchten nun Gott an dem Ort anbeten, der ihr eigentliches Zuhause ist. Genauso redet auch der nachexilische Prophet Sacharja, der davon spricht, dass Gott sein Volk „herbeizischen“ will und auch die Bedrücker des Volkes richten wird. Das Volk Gottes wird unter den Völkern zum Lob sein und sich gewaltig mehren: „An jenem Tag, spricht der Herr, werde ich das Hinkende sammeln und das Vertriebene zusammenbringen und den, dem ich Übles getan habe“ (Mich 4,6ff.; vgl. Hos 8,10; Zeph 3,19.20; Sach 10,8.10).

Welch eine Segenszeit wird das sein. Aber der Prophet sieht das Volk, den Überrest, nicht einfach so ziehen, sondern er gebraucht dafür das Wort „durchbrechen“. Es wird also eine Kraftanstrengung nötig sein. Ja, hat der Überrest denn überhaupt Kraft? Nun, wir lesen weiter in Micha 2,13: „Der Durchbrecher zieht herauf vor ihnen her; ... und ihr König zieht vor ihnen her und der Herran ihrer Spitze.“

Tatsache, dass hier der lebendige Gott erwähnt wird, zeigt, dass hier nicht der Mensch Jesus vor dem Volk sichtbar hergeht, sondern dass Er diesen Überrest unsichtbar führt. Der Prophet sieht dieses Ereignis voraus in einem ihm von Gott offenbarten Gesicht.

Das Wort „Durchbrecher“ leitet sich von einem Verb (pahratz) ab, das unter anderem auch niederreißen (Neh 1,3; 2,13), aufbrechen (Spr 25,28), abbrechen (Pred 3,3), ausbreiten (1Mo 28,14; 1Chr 4,38) bedeutet. Der Durchbrecher reißt also alles nieder, was sich ihm und dem Volk in den Weg stellt. Für ihn gibt es kein Hindernis, das zu groß wäre. In Jesaja 54,3–5 kann es daher auch heißen: „Denn du wirst dich ausbreiten1 nach rechts und nach links; und deine Nachkommenschaft wird die Nationen in Besitz nehmen und die verödeten Städte bevölkern. Fürchte dich nicht, denn du wirst nicht beschämt werden, und schäme dich nicht, denn du wirst nicht zuschanden werden; sondern du wirst die Schmach deiner Jugend vergessen und dich an die Schande deiner Witwenschaft nicht mehr erinnern. Denn der dich gemacht hat, ist dein Mann –Herrder Heerscharen ist sein Name –, und der Heilige Israels ist dein Erlöser: Er wird der Gott der ganzen Erde genannt werden.“

1

Hebr. pahratz= du wirst „durchbrechen“.

Gott hat das Gebet des Überrestes gehört, das wir z. B. in Psalm 60,3–7.13.14 lesen: „Gott, du hast uns verworfen, hast uns zerstreut1 bist zornig gewesen; führe uns wieder zurück! Du hast das Land [o. die Erde] erschüttert, hast es zerrissen; heile seine Risse, denn es wankt! Du hast dein Volk Hartes sehen lassen, mit Taumelwein hast du uns getränkt. Denen, die dich fürchten, hast du ein Banner gegeben, dass es sich erhebe um der Wahrheit willen. – (Sela.) Damit deine Geliebten befreit werden, rette durch deine Rechte und erhöre uns! ... Schaffe uns Hilfe aus der Bedrängnis! Menschenrettung ist ja eitel. Mit Gott werden wir Mächtiges tun; und er wird unsere Bedränger zertreten.“

1

Hebr. pahratz= abgebrochen.

Der König, der nun „ihr König“ ist, zieht vor ihnen her. Sie werden Ihn schließlich sehen in seiner Schönheit, werden erkennen, dass ihr König, der Feldherr, der Herrgewesen ist. Vor seinem Zorn können Nationen nicht bestehen, aber sein Volk wird die wunderbare Rettung dieses Gottes erleben: „Siehe, ein König wird regieren in Gerechtigkeit; und die Fürsten, sie werden nach Recht herrschen“ (Jes 32,1). Dann werden die Augen des Volkes auf die einzigartige Person ihres Retters sehen: „Deine Augen werden den König schauen in seiner Schönheit, sehen werden sie ein weithin offenes Land“ (Jes 33,17), und sie werden ausrufen: „Denn der Herrist unser Richter, der Herrunser Feldherr [and. übers. Gesetzgeber], der Herrunser König; er wird uns retten“ (Jes 33,22; vgl. 44,6; Jer 10,10).

Wenn wir nun diese Verse 12 und 13 noch einmal auch für uns ganz praktisch sehen, dann denken wir daran, dass Gott zwar für sein irdisches Volk eine zukünftige Sammlung vorgesehen hat und dass es wegen seiner Untreue zerstreut worden ist, aber wir erkennen auch sehr klar, dass Gottes Wille die Einheit seines Volkes ist. So wie Israel einmal in der Zukunft ein Volk sein wird, so soll das Volk Gottes auch jetzt eins sein. Dafür hat der Herr Jesus gebetet, dafür hat Gott seinen Heiligen Geist gesandt. Aber damit diese Sammlung geschieht, bedarf es auch des Durchbrechers.

Schon der Hohepriester Kajaphas hat einst geweissagt, dass Jesus für die Nation sterben müsste mit dem Ziel, dass „er auch die zerstreuten Kinder Gottes in eins versammelte“ (Joh 11,52). Der Herr Jesus hat in Johannes 10,15.16 gesagt: „... wie der Vater mich kennt und ich den Vater kenne; und ich lasse mein Leben für die Schafe. Und ich habe andere Schafe, die nicht aus diesem Hof sind; auch diese muss ich bringen, und sie werden meine Stimme hören, und es wird eine Herde, ein Hirte sein“, und Er hat für diese zerstreuten Kinder Gottes, für diese Schafe, gebetet: „Und ich bin nicht mehr in der Welt, und diese sind in der Welt, und ich komme zu dir. Heiliger Vater! Bewahre sie in deinem Namen, den du mir gegeben hast, damit sie eins seien wie wir ...; damit sie alle eins seien, wie du, Vater, in mir und ich in dir, damit auch sie in uns

gesandt und sie geliebt hast, wie du mich geliebt hast“ (Joh 17,11.21–23).

Der Maßstab dieser Einheit zwischen den Kindern Gottes ist die Einheit des himmlischen Vaters mit seinem himmlischen Sohn. Wenn diese Einheit sichtbar ist, dann kann die Welt auch glauben, dass Jesus Christus der Gesandte Gottes ist. Sie wird einmal erkennen, dass diese Kinder Gottes, die leider jetzt auch noch in unterschiedlichste Gemeinderichtungen zerstreut sind, von Gott geliebt sind. Welch ein herrlicher Gedanke.

Aber Gott hat niemals die Zerstreuung der Kinder Gottes in der neutestamentlichen Gemeinde gewollt. In 1. Korinther 12,12ff. lesen wir: „Denn so wie der Leib einer ist und viele Glieder hat, alle Glieder des Leibes aber, obgleich viele, ein Leib sind: so auch der Christus. Denn auch in [d. h. in der Kraft des] einem Geist sind wir alle zu einem Leib getauft worden, es seien Juden oder Griechen, es seien Sklaven oder Freie, und sind alle mit einem Geist getränkt worden. Denn auch der Leib ist nicht ein Glied, sondern viele.“

Wenn wir heute nicht mehr die Gemeinde in ihrer Einheit und ihrer praktischen Gemeinschaft erblicken, dann ist es wegen unserer Untreue und unseres Versagens. Der Wille, durch menschliche Einheitsbestrebungen Gemeinschaft und Einheit zu bewirken, wird immer mit Kompromissen und menschlichem Versagen verbunden sein und daher auf Dauer scheitern. Allein das, was Gott durch seinen Geist bewirkt, wird Bestand haben. Daher muss die Ökumene scheitern und auch die Evangelische Allianz, weil sie zwar gut gemeinte Einheitsmotive haben, aber die geistlichen Prinzipien für eine von Gott gewollte Einheit ignorieren.

Es existiert eine Einheit, die Gott bewirkt hat – das ist der Leib Jesu Christi. Dieser eine Leib besteht. Zu ihm gehören alle wahren Gläubigen. Sie gehören nicht dazu, weil sie irgendeiner Gemeinderichtung angehören, sondern einfach deshalb, weil sie den Geist Gottes in sich wohnend haben und Glieder des Leibes sind. Wir brauchen nicht Mitglieder einer Gemeinde oder Kirche zu sein. Wir müssen aber Glieder des Leibes Christi sein. Glieder des Leibes Christi sind von ihren Sünden durch das Blut Jesu gewaschen. Ihr Herr ist Christus, kein Papst, kein Bischof, Pastor, Prediger oder irgendein Mensch – mag er noch so gebildet und begabt sein.

Diese Gläubigen möchten dem Durchbrecher folgen, dem Herrn, der sie vom Bösen absondert und vor ihnen herzieht. Er ist Gott, der Sohn, unser Heiland, mein Heiland.

Lasst uns daher alles von Menschen mit Kompromissen Erdachte abweisen und dem folgen, der uns erlöst hat, Ihm, unserem guten Hirten, dem Aufseher unserer Seelen.

4. Das kommende Gericht über die politischen und religiösen Führer (Kapitel 3,1–12)

3,1–4 – Und ich sprach: Hört doch, ihr Häupter Jakobs und ihr Fürsten des Hauses Israel: Ist es nicht an euch, das Recht zu kennen? – die ihr das Gute hasst und das Böse liebt; die ihr ihnen die Haut abzieht und das Fleisch von ihren Gebeinen; und die

wird sein Angesicht vor ihnen verbergen zu jener Zeit, ebenso wie sie ihre Handlungen böse gemacht haben.

In diesen Versen werden nun die Häupter und Fürsten des Volkes Gottes angesprochen. Sie waren – neben dem König – an dem moralischen Zustand des Volkes wesentlich beteiligt.

Wer waren denn nun eigentlich die „Häupter“ und die „Fürsten“ des Volkes? Nun, es waren die Leiter eines Stammes oder die Leiter von Familienverbänden. Wahrscheinlich sind hier die gleichen Personen gemeint. Fürsten sind die Häupter der Stämme Israels, so wie auch im Neuen Testament Aufseher immer auch Älteste sind. Ihre Verantwortung war es, das Recht zu kennen, die Gesetze Gottes dem Volk vorzustellen, die Familien darin zu unterweisen und sie anzuhalten, darin zu leben. So war es zur Zeit Esras und Nehemias, wo wir lesen, dass sich die Häupter der Väter des ganzen Volkes, die Priester und die Leviten, zu Esra, dem Schriftgelehrten, versammelten, und zwar um aufzumerken auf die Worte des Gesetzes (Neh 8,13). Aber so war es hier nicht. Diese Führer liebten das Böse und hassten das Gute, sie zogen dem Volk die Haut und das Fleisch vom Körper und fraßen das Fleisch. Eine sehr derbe Ausdrucksweise. Was will der Prophet damit sagen? Diese Führer beuteten das Volk durch ihren schrecklichen Egoismus aus. Sie ließen ihnen nichts außer ihren Knochen. Es scheint so, dass das einfache Volk weder Kleidung noch Nahrung hatte, weil sie alles den Führern geben mussten. Ja, sie „zerbrachen die Gebeine“, das bedeutet, sie scheuten auch nicht davor zurück, die Armen des Volkes dem Tod preiszugeben. Sie handelten wie Tiere, wilde Tiere, die ihre Beute zerreißen.

Aber es wird der Augenblick kommen, wo sie mit ihrer Selbstsucht am Ende sind. Dann werden sie sich an den lebendigen Gott erinnern und Ihn um Hilfe anrufen, aber Er wird nicht antworten.

Bedenken wir es wohl: Ein Leben des Egoismus, der Selbstsucht, das Leben auf Kosten anderer, wird nicht ewig währen. Es kommt der Augenblick des Erwachens. Dann wird der Traum des Wohlstands, des lust- und begierdevollen Lebens ausgeträumt sein. Aber Gott wird dann das Gebet nicht erhören können. Das heißt, Er gibt diese Menschen dahin. Jahre, ja, Jahrzehnte haben sie nur der Lust gefrönt, haben sich der Armen nicht erbarmt. Nun erbarmt sich Gott auch nicht über ihren erbärmlichen Zustand.

In Sprüche 1,24–31 finden wir eine Botschaft, die jeder Leser und auch der Schreiber bedenken sollten: „Weil ich gerufen habe und ihr euch geweigert habt, meine Hand ausgestreckt habe und niemand zugehört hat, und ihr all meinen Rat verworfen und meine Zucht nicht gewollt habt, so werde auch ich bei eurem Unglück lachen, werde spotten, wenn der Schrecken über euch kommt; wenn der Schrecken über euch kommt wie ein Unwetter, und euer Unglück hereinbricht wie ein Sturm, wenn Bedrängnis und Angst über euch kommen. Dann werden sie zu mir rufen, und ich werde nicht antworten; sie werden mich eifrig suchen und mich nicht finden, weil sie Erkenntnis gehasst und die Furcht des Herrnnicht erwählt, nicht eingewilligt haben in meinen Rat, verschmäht haben all meine Zucht. Und sie werden essen von der Frucht ihres Weges und von ihren Plänen sich sättigen.“

Diese Texte zeigen sehr deutlich, dass es nicht wahr ist, dass Gott Gebete immer beantwortet. Manchmal hüllt sich Gott in eine Wolke, so dass kein Gebet durchdringt (Klgl 3,44), und es kann dann sein, dass wir klagen: „Wenn ich auch schreie und rufe, so hemmt er mein Gebet“ (Klgl 3,8).

In Sprüche 28,9 lesen wir: „Wer sein Ohr abwendet vom Hören des Gesetzes: Sogar sein Gebet ist ein Gräuel“, und Jesaja muss weissagen:

voll Blut“ (Jes 1,15).

Gott wird sein Angesicht vor ihnen verbergen. In den Psalmen wird diese Situation an einigen Stellen beschrieben: „Warum verbirgst du dein Angesicht, vergisst unser Elend und unsere Bedrückung?“ (Ps 44,25; vgl. 88,15; 69,18; 102,3). Aber wenn man weiß, dass man Gottes Gesetz übertreten hat, dann ist das erschreckend. Der Prophet Jesaja spricht sehr deutlich über die Ursachen, warum Gottes Angesicht nicht leuchten kann: „... sondern eure Ungerechtigkeiten haben eine Scheidung gemacht zwischen euch und eurem Gott, und eure Sünden haben sein Angesicht vor euch verhüllt, dass er nicht hört“ (Jes 59,2). Und Hesekiel fügt hinzu: „Nach ihrer Unreinheit und nach ihren Übertretungen habe ich mit ihnen gehandelt und habe mein Angesicht vor ihnen verborgen“ (Hes 39,24).

Da möchte man mit dem Psalmisten rufen: „O Gott der Heerscharen, führe uns zurück und lass dein Angesicht leuchten, so werden wir gerettet werden“ (Ps 80,7; vgl. V. 20), aber „er wird sein Angesicht vor ihnen verbergen zu jener Zeit, ebenso wie sie ihre Handlungen böse gemacht haben“ (Mich 3,4).

3,5–7 – So spricht der HERR über die Propheten, die mein Volk irreführen, die mit ihren Zähnen beißen und Frieden rufen; und wer ihnen nichts ins Maul gibt, gegen den heiligen sie einen Krieg.1 Darum soll es Nacht für euch werden, ohne Gesicht, und Finsternis für euch, ohne Wahrsagung. Und die Sonne wird über den Propheten untergehen und der Tag über ihnen schwarz werden. Und die Seher werden beschämt und die Wahrsager zuschanden werden, und sie werden allesamt den Lippenbart verhüllen, weil keine Antwort Gottes da ist.

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Einen „Krieg heiligen“ bedeutet „einen Krieg weihen“ (vgl. Jer 12,3; 22,7; 51,27). Das bedeutet hier, wie Zunz übersetzt: „Wer ihnen nichts in den Mund gibt, gegen den richten sie Krieg.“

Der Prophet wendet sich jetzt ausdrücklich an die Propheten, die das Volk irreführen. Wie werden diese Volksverführer charakterisiert? Es ist fast nicht zu glauben, aber diese Propheten sind gewinnsüchtige Verdreher der Wahrheit. Sie reden dem Volk nach dem Mund. Wenn sie ihren Magen füllen können, dann predigen sie Frieden, Frieden für das Volk. Gott sei mit dem Tun des Volkes einverstanden. Solche, die sie aber nicht unterstützen, die vielleicht warnend ihre Stimme erheben oder ihnen ins Angesicht widerstehen, gegen solche heiligen sie einen Krieg, d. h. sie bedrohen diese letztlich mit dem Tod.

Hat nicht auch Jeremia schon mit scharfen Worten vor diesen Irrlehrern gewarnt? „Siehe, ich will an die, spricht der Herr, die Lügenträume weissagen und sie erzählen und mein Volk irreführen mit ihren Lügen und mit ihrer Prahlerei; da ich sie doch nicht gesandt und ihnen nichts geboten habe und sie diesem Volke gar nichts nützen, spricht der Herr“ (Jer 23,32). Auch Hesekiel warnt vor diesen Menschen: „Darum, ja, darum, weil sie mein Volk irreführen und sprechen: „Frieden!“, obwohl kein Frieden da ist; und baut es eine Wand, siehe, sie bestreichen sie mit Tünche [eig. mit Kalkbewurf]“(Hes 13,10).

Wahrscheinlich haben diese Propheten vorgegeben, „Gesichte“ von Gott zu bekommen, aber in Wirklichkeit handelte es sich um Wahrsagerei. Wenn Nacht und Finsternis über sie hereinbrechen werden, dann werden sie kein Gesicht haben, keine Wahrsagung, die Sonne wird über ihnen untergehen, d. h. sie werden dem Gericht Gottes verfallen sein. Weder werden sie in irgendeiner Weise durch Gott erleuchtet werden können, noch werden sie am Tag ihre falschen Botschaften weitergeben können, denn der Tag würde über ihnen „schwarz werden.“

befragt, aber nun haben sie keine Antwort mehr. Die Seher werden beschämt und die Wahrsager zuschanden werden.

Was sind eigentlich Seher? Wir entnehmen aus 1. Samuel 9,9, dass Seher Menschen waren, die Gottes Antwort in bestimmten Lebensumständen übermittelten. Als z. B. die Eselinnen Sauls verschwunden waren, ging dieser zu Samuel, dem Seher, und empfing die Antwort, dass die Eselinnen gefunden seien. Außerdem konnte Samuel dem Saul auch sagen, was in seinem Herzen war (1Sam 9,19). Auch Zadok, der Priester, wurde Seher genannt, weil er als Priester Gottes Gedanken mitteilte (2Sam 15,27). Als David das Volk gezählt hatte, offenbarte Gott dem Propheten, dem Seher Gad, sein Wort und sandte ihn zu David (1Chr 21,9). Auch als Asa bei der Auseinandersetzung mit Baesa, dem König Israels (des Nordreichs), sein Vertrauen auf den König von Syrien setzte, redete Gott durch den Seher Hanani, der folgende wichtige Botschaft überbrachte: „Weil du dich auf den König von Syrien gestützt hast und dich nicht auf den Herrn, deinen Gott, gestützt hast, darum ist das Heer des Königs von Syrien deiner Hand entronnen. Waren nicht die Kuschiter und die Libyer eine zahlreiche Heeresmacht, mit Wagen und Reitern in großer Menge? Aber weil du dich auf den Herrnstütztest, gab er sie in deine Hand. Denn die Augen des Herrndurchlaufen die ganze Erde, um sich mächtig zu erweisen an denen, deren Herz ungeteilt auf ihn gerichtet ist. Hierin hast du töricht gehandelt; denn von nun an wirst du Kriege haben“ (2Chr 16,7–9). Auch zur Zeit Josaphats sandte Gott einen Seher, Hanani, der ihm mitteilte: „Hilfst du dem Gesetzlosen, und liebst du, die den Herrnhassen? Und darum ist Zorn über dir von Seiten des Herrn“ (2Chr 19,2). Selbst zur Zeit des gottlosen und menschenverachtenden Königs Manasse redete Gott durch verschiedene Seher, um Manasse von seinem Tun abzubringen (2Chr 33,18).

Zur Zeit der Wegführung des Nordreichs nach Assyrien berichtet 2. Könige 17,13 darüber, warum Gott dieses Gericht über das Volk bringen musste: „Und der Herrwarnte Israel und Juda durch alle Propheten, alle Seher, indem er sprach: Kehrt um von euren bösen Wegen und haltet meine Gebote, meine Satzungen, nach dem ganzen Gesetz, das ich euren Vätern geboten und das ich euch gesandt habe durch meine Knechte, die Propheten“ (2Kön 17,13ff.).

Doch das Volk Gottes hat nicht gehört. Also musste Gott als Richter eingreifen und die Worte über sie bringen, die Er schon durch Mose im Gesetz verkündet hatte: „Es wird aber geschehen, wenn du der Stimme des Herrn, deines Gottes, nicht gehorchst, indem du darauf achtest, alle seine Gebote und seine Satzungen zu tun, die ich dir heute gebiete, so werden alle diese Flüche über dich kommen und dich treffen“ (5Mo 28,15), und weiter: „Der Herrwird dich und deinen König, den du über dich setzen wirst, zu einer Nation führen, die du nicht gekannt hast, weder du noch deine Väter; und du wirst dort anderen Göttern dienen, Holz und Stein. Und du wirst zum Entsetzen werden, zum Sprichwort und zum Gespött unter allen Völkern, wohin der Herrdich wegtreiben wird“ (5Mo 28,36.37).

Wie furchtbar musste der Zustand im Volk Gottes sein, wenn Gott zwar immer wieder Seher sandte, das Volk aber einfach nicht hören wollte. Manasse tat schließlich Buße über seine schrecklichen Sünden, und Gott hat ihm vergeben, aber es war schließlich so, dass die Stimme Gottes nicht mehr durchdrang. Das Herz des Volkes war dick geworden, verhärtet, und so musste der Prophet Jesaja schließlich weissagen: „Denn der Herrhat einen Geist tiefen Schlafes über euch ausgegossen und hat eure Augen geschlossen; die Propheten und eure Häupter, die Seher, hat er verhüllt“ (Jes 29,10).

Wenn Gott über die falschen Propheten das Gericht hereinbrechen lässt, wird man den Bart verhüllen. Der Bart war ein Kennzeichen des Propheten. Aber was nützt dieses äußere Merkmal, wenn in Wirklichkeit kein wahrer Prophetendienst stattfindet? Kein „Wort Gottes“ würde an

aber keine Antwort bekommst? Wie schlimm muss das sein! Diese Situation hat Saul auf dem Gebirge Gilboa einmal erlebt, als die Philister sich zum Krieg gegen Israel in Sunem versammelten. Sauls Herz zitterte, als er die Philister sah. Aber warum zitterte er? Tat er denn nicht etwas Gutes? Er befragte doch den Herrn. Aber dieser antwortete ihm nicht, weder durch die Urim noch durch Träume, noch durch die Propheten (1Sam 28,4–6). Der Himmel war für Saul verschlossen. Gott schwieg. Was tut Saul nun? Er sucht eine Frau mit einem Totenbeschwörergeist auf, verstellt sich und lässt durch diese Frau Samuel „heraufbringen“. Wie erschreckend, dass der König des Volkes Gottes bei einer wichtigen Entscheidung eine Wahrsagerin aufsucht.

Was wird Saul nun gesagt? „Und Samuel sprach: Warum doch fragst du mich, da der Herrvon dir gewichen und dein Feind geworden ist? Und der Herrhat für sich getan, so wie er durch mich geredet hat; und der Herrhat das Königtum aus deiner Hand gerissen und es deinem Nächsten, David, gegeben. Weil du der Stimme des Herrn nicht gehorcht und seine Zornglut nicht ausgeführt hast an Amalek, darum hat der Herrdir dies heute getan. Und der Herrwird auch Israel mit dir in die Hand der Philister geben; und morgen wirst du mit deinen Söhnen bei mir sein; auch das Heerlager Israels wird der Herrin die Hand der Philister geben. Da fiel Saul plötzlich seiner Länge nach zur Erde, und er fürchtete sich sehr vor den Worten Samuels; auch war keine Kraft in ihm, denn er hatte den ganzen Tag und die ganze Nacht nichts gegessen“ (1Sam 28,16–20).

Der Ungehorsam Gottes ausdrücklichen Geboten gegenüber war das Problem in seinem Leben. Gott hatte ihm ganz klare Anweisungen gegeben, aber er hat diese willentlich nicht befolgt. Als Saul starb, werden über sein Leben drei Dinge gesagt: Er war treulos, befolgte das Wort Gottes nicht und suchte eine Totenbeschwörerin auf (1Chr 10,13).

Die Gefahr in unserer Zeit ist sehr groß, dass wir durch unsere Treulosigkeit und unseren Ungehorsam zu falschen Mitteln greifen, um Gottes Willen zu erfragen. Die Schrift sagt in 1. Chronika 10,14 sehr deutlich, dass Saul den Herrnnicht befragte, obwohl wir in 1. Samuel 28,6 lesen, dass er den Herrnbefragte, aber der Herrihm nicht antwortete. Ist das ein Widerspruch? Nein, denn bei unserem Befragen des Willens Gottes sieht Gott, ob unser Herz wirklich an der Offenbarung seines Willens interessiert ist und ob wir auf Ihn und seine Zeit warten können. Saul konnte es nicht, er befragte sofort die Totenbeschwörerin. Der Herr will uns Mut machen, dass wir seinen Willen erkennen: „Werft nun eure Zuversicht nicht weg, die eine große Belohnung hat. Denn ihr habt Ausharren nötig, damit ihr, nachdem ihr den Willen Gottes getan habt, die Verheißung davontragt“ (Heb 10,35). Und: „Deshalb hören auch wir nicht auf, von dem Tag an, da wir es gehört haben, für euch zu beten und zu bitten, damit ihr erfüllt sein mögt mit der Erkenntnis seines Willens in aller Weisheit und geistlicher Einsicht, um würdig des Herrn zu wandeln zu allem Wohlgefallen, in jedem guten Werk Frucht bringend und wachsend durch die Erkenntnis Gottes, gekräftigt mit aller Kraft nach der Macht seiner Herrlichkeit, zu allem Ausharren und aller Langmut mit Freuden“ (Kol 1,9f.).

Man fragt sich auch, warum der Prophet Micha an dieser Stelle die Wahrsager erwähnt. Zunächst bekommt man den Eindruck, dass Wahrsagerei unter dem Volk Gottes inzwischen üblich geworden war. War Seher- und Prophetendienst inzwischen nichts anderes als Wahrsagerei?1 In 5. Mose 18,10 lesen wir: „Es soll niemand unter dir gefunden werden, der seinen Sohn oder seine Tochter durchs Feuer gehen lässt, niemand, der Wahrsagerei treibt, kein Zauberer oder Beschwörer oder Magier“. Wahrsager gab es in Ägypten und in Babylon (2Mo 7,11; Dan 2,2), aber im Volk Gottes sollten sie nicht gefunden werden. So heißt es in 2. Mose 22,17: „Eine Magierin [Zauberin, Wahrsagerin] sollst du nicht leben lassen.“

1

In den folgenden zitierten Stellen steht immer das hebräische Wort quaschaph bzw. quakaschaphim (Pl.). Manchmal wird es in der Elberfelder Bibel auch mit „Zauberei“ übersetzt.

aber keine Antwort bekommst? Wie schlimm muss das sein! Diese Situation hat Saul auf dem Gebirge Gilboa einmal erlebt, als die Philister sich zum Krieg gegen Israel in Sunem versammelten. Sauls Herz zitterte, als er die Philister sah. Aber warum zitterte er? Tat er denn nicht etwas Gutes? Er befragte doch den Herrn. Aber dieser antwortete ihm nicht, weder durch die Urim noch durch Träume, noch durch die Propheten (1Sam 28,4–6). Der Himmel war für Saul verschlossen. Gott schwieg. Was tut Saul nun? Er sucht eine Frau mit einem Totenbeschwörergeist auf, verstellt sich und lässt durch diese Frau Samuel „heraufbringen“. Wie erschreckend, dass der König des Volkes Gottes bei einer wichtigen Entscheidung eine Wahrsagerin aufsucht.

Was wird Saul nun gesagt? „Und Samuel sprach: Warum doch fragst du mich, da der Herrvon dir gewichen und dein Feind geworden ist? Und der Herrhat für sich getan, so wie er durch mich geredet hat; und der Herrhat das Königtum aus deiner Hand gerissen und es deinem Nächsten, David, gegeben. Weil du der Stimme des Herrn nicht gehorcht und seine Zornglut nicht ausgeführt hast an Amalek, darum hat der Herrdir dies heute getan. Und der Herrwird auch Israel mit dir in die Hand der Philister geben; und morgen wirst du mit deinen Söhnen bei mir sein; auch das Heerlager Israels wird der Herrin die Hand der Philister geben. Da fiel Saul plötzlich seiner Länge nach zur Erde, und er fürchtete sich sehr vor den Worten Samuels; auch war keine Kraft in ihm, denn er hatte den ganzen Tag und die ganze Nacht nichts gegessen“ (1Sam 28,16–20).

Der Ungehorsam Gottes ausdrücklichen Geboten gegenüber war das Problem in seinem Leben. Gott hatte ihm ganz klare Anweisungen gegeben, aber er hat diese willentlich nicht befolgt. Als Saul starb, werden über sein Leben drei Dinge gesagt: Er war treulos, befolgte das Wort Gottes nicht und suchte eine Totenbeschwörerin auf (1Chr 10,13).

Die Gefahr in unserer Zeit ist sehr groß, dass wir durch unsere Treulosigkeit und unseren Ungehorsam zu falschen Mitteln greifen, um Gottes Willen zu erfragen. Die Schrift sagt in 1. Chronika 10,14 sehr deutlich, dass Saul den Herrnnicht befragte, obwohl wir in 1. Samuel 28,6 lesen, dass er den Herrnbefragte, aber der Herrihm nicht antwortete. Ist das ein Widerspruch? Nein, denn bei unserem Befragen des Willens Gottes sieht Gott, ob unser Herz wirklich an der Offenbarung seines Willens interessiert ist und ob wir auf Ihn und seine Zeit warten können. Saul konnte es nicht, er befragte sofort die Totenbeschwörerin. Der Herr will uns Mut machen, dass wir seinen Willen erkennen: „Werft nun eure Zuversicht nicht weg, die eine große Belohnung hat. Denn ihr habt Ausharren nötig, damit ihr, nachdem ihr den Willen Gottes getan habt, die Verheißung davontragt“ (Heb 10,35). Und: „Deshalb hören auch wir nicht auf, von dem Tag an, da wir es gehört haben, für euch zu beten und zu bitten, damit ihr erfüllt sein mögt mit der Erkenntnis seines Willens in aller Weisheit und geistlicher Einsicht, um würdig des Herrn zu wandeln zu allem Wohlgefallen, in jedem guten Werk Frucht bringend und wachsend durch die Erkenntnis Gottes, gekräftigt mit aller Kraft nach der Macht seiner Herrlichkeit, zu allem Ausharren und aller Langmut mit Freuden“ (Kol 1,9f.).

Man fragt sich auch, warum der Prophet Micha an dieser Stelle die Wahrsager erwähnt. Zunächst bekommt man den Eindruck, dass Wahrsagerei unter dem Volk Gottes inzwischen üblich geworden war. War Seher- und Prophetendienst inzwischen nichts anderes als Wahrsagerei?1 In 5. Mose 18,10 lesen wir: „Es soll niemand unter dir gefunden werden, der seinen Sohn oder seine Tochter durchs Feuer gehen lässt, niemand, der Wahrsagerei treibt, kein Zauberer oder Beschwörer oder Magier“. Wahrsager gab es in Ägypten und in Babylon (2Mo 7,11; Dan 2,2), aber im Volk Gottes sollten sie nicht gefunden werden. So heißt es in 2. Mose 22,17: „Eine Magierin [Zauberin, Wahrsagerin] sollst du nicht leben lassen.“

1

In den folgenden zitierten Stellen steht immer das hebräische Wort quaschaph bzw. quakaschaphim (Pl.). Manchmal wird es in der Elberfelder Bibel auch mit „Zauberei“ übersetzt.

aber keine Antwort bekommst? Wie schlimm muss das sein! Diese Situation hat Saul auf dem Gebirge Gilboa einmal erlebt, als die Philister sich zum Krieg gegen Israel in Sunem versammelten. Sauls Herz zitterte, als er die Philister sah. Aber warum zitterte er? Tat er denn nicht etwas Gutes? Er befragte doch den Herrn. Aber dieser antwortete ihm nicht, weder durch die Urim noch durch Träume, noch durch die Propheten (1Sam 28,4–6). Der Himmel war für Saul verschlossen. Gott schwieg. Was tut Saul nun? Er sucht eine Frau mit einem Totenbeschwörergeist auf, verstellt sich und lässt durch diese Frau Samuel „heraufbringen“. Wie erschreckend, dass der König des Volkes Gottes bei einer wichtigen Entscheidung eine Wahrsagerin aufsucht.

Was wird Saul nun gesagt? „Und Samuel sprach: Warum doch fragst du mich, da der Herrvon dir gewichen und dein Feind geworden ist? Und der Herrhat für sich getan, so wie er durch mich geredet hat; und der Herrhat das Königtum aus deiner Hand gerissen und es deinem Nächsten, David, gegeben. Weil du der Stimme des Herrn nicht gehorcht und seine Zornglut nicht ausgeführt hast an Amalek, darum hat der Herrdir dies heute getan. Und der Herrwird auch Israel mit dir in die Hand der Philister geben; und morgen wirst du mit deinen Söhnen bei mir sein; auch das Heerlager Israels wird der Herrin die Hand der Philister geben. Da fiel Saul plötzlich seiner Länge nach zur Erde, und er fürchtete sich sehr vor den Worten Samuels; auch war keine Kraft in ihm, denn er hatte den ganzen Tag und die ganze Nacht nichts gegessen“ (1Sam 28,16–20).

Der Ungehorsam Gottes ausdrücklichen Geboten gegenüber war das Problem in seinem Leben. Gott hatte ihm ganz klare Anweisungen gegeben, aber er hat diese willentlich nicht befolgt. Als Saul starb, werden über sein Leben drei Dinge gesagt: Er war treulos, befolgte das Wort Gottes nicht und suchte eine Totenbeschwörerin auf (1Chr 10,13).

Die Gefahr in unserer Zeit ist sehr groß, dass wir durch unsere Treulosigkeit und unseren Ungehorsam zu falschen Mitteln greifen, um Gottes Willen zu erfragen. Die Schrift sagt in 1. Chronika 10,14 sehr deutlich, dass Saul den Herrnnicht befragte, obwohl wir in 1. Samuel 28,6 lesen, dass er den Herrnbefragte, aber der Herrihm nicht antwortete. Ist das ein Widerspruch? Nein, denn bei unserem Befragen des Willens Gottes sieht Gott, ob unser Herz wirklich an der Offenbarung seines Willens interessiert ist und ob wir auf Ihn und seine Zeit warten können. Saul konnte es nicht, er befragte sofort die Totenbeschwörerin. Der Herr will uns Mut machen, dass wir seinen Willen erkennen: „Werft nun eure Zuversicht nicht weg, die eine große Belohnung hat. Denn ihr habt Ausharren nötig, damit ihr, nachdem ihr den Willen Gottes getan habt, die Verheißung davontragt“ (Heb 10,35). Und: „Deshalb hören auch wir nicht auf, von dem Tag an, da wir es gehört haben, für euch zu beten und zu bitten, damit ihr erfüllt sein mögt mit der Erkenntnis seines Willens in aller Weisheit und geistlicher Einsicht, um würdig des Herrn zu wandeln zu allem Wohlgefallen, in jedem guten Werk Frucht bringend und wachsend durch die Erkenntnis Gottes, gekräftigt mit aller Kraft nach der Macht seiner Herrlichkeit, zu allem Ausharren und aller Langmut mit Freuden“ (Kol 1,9f.).

Man fragt sich auch, warum der Prophet Micha an dieser Stelle die Wahrsager erwähnt. Zunächst bekommt man den Eindruck, dass Wahrsagerei unter dem Volk Gottes inzwischen üblich geworden war. War Seher- und Prophetendienst inzwischen nichts anderes als Wahrsagerei?1 In 5. Mose 18,10 lesen wir: „Es soll niemand unter dir gefunden werden, der seinen Sohn oder seine Tochter durchs Feuer gehen lässt, niemand, der Wahrsagerei treibt, kein Zauberer oder Beschwörer oder Magier“. Wahrsager gab es in Ägypten und in Babylon (2Mo 7,11; Dan 2,2), aber im Volk Gottes sollten sie nicht gefunden werden. So heißt es in 2. Mose 22,17: „Eine Magierin [Zauberin, Wahrsagerin] sollst du nicht leben lassen.“

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In den folgenden zitierten Stellen steht immer das hebräische Wort quaschaph bzw. quakaschaphim (Pl.). Manchmal wird es in der Elberfelder Bibel auch mit „Zauberei“ übersetzt.

aber keine Antwort bekommst? Wie schlimm muss das sein! Diese Situation hat Saul auf dem Gebirge Gilboa einmal erlebt, als die Philister sich zum Krieg gegen Israel in Sunem versammelten. Sauls Herz zitterte, als er die Philister sah. Aber warum zitterte er? Tat er denn nicht etwas Gutes? Er befragte doch den Herrn. Aber dieser antwortete ihm nicht, weder durch die Urim noch durch Träume, noch durch die Propheten (1Sam 28,4–6). Der Himmel war für Saul verschlossen. Gott schwieg. Was tut Saul nun? Er sucht eine Frau mit einem Totenbeschwörergeist auf, verstellt sich und lässt durch diese Frau Samuel „heraufbringen“. Wie erschreckend, dass der König des Volkes Gottes bei einer wichtigen Entscheidung eine Wahrsagerin aufsucht.

Was wird Saul nun gesagt? „Und Samuel sprach: Warum doch fragst du mich, da der Herrvon dir gewichen und dein Feind geworden ist? Und der Herrhat für sich getan, so wie er durch mich geredet hat; und der Herrhat das Königtum aus deiner Hand gerissen und es deinem Nächsten, David, gegeben. Weil du der Stimme des Herrn nicht gehorcht und seine Zornglut nicht ausgeführt hast an Amalek, darum hat der Herrdir dies heute getan. Und der Herrwird auch Israel mit dir in die Hand der Philister geben; und morgen wirst du mit deinen Söhnen bei mir sein; auch das Heerlager Israels wird der Herrin die Hand der Philister geben. Da fiel Saul plötzlich seiner Länge nach zur Erde, und er fürchtete sich sehr vor den Worten Samuels; auch war keine Kraft in ihm, denn er hatte den ganzen Tag und die ganze Nacht nichts gegessen“ (1Sam 28,16–20).

Der Ungehorsam Gottes ausdrücklichen Geboten gegenüber war das Problem in seinem Leben. Gott hatte ihm ganz klare Anweisungen gegeben, aber er hat diese willentlich nicht befolgt. Als Saul starb, werden über sein Leben drei Dinge gesagt: Er war treulos, befolgte das Wort Gottes nicht und suchte eine Totenbeschwörerin auf (1Chr 10,13).

Die Gefahr in unserer Zeit ist sehr groß, dass wir durch unsere Treulosigkeit und unseren Ungehorsam zu falschen Mitteln greifen, um Gottes Willen zu erfragen. Die Schrift sagt in 1. Chronika 10,14 sehr deutlich, dass Saul den Herrnnicht befragte, obwohl wir in 1. Samuel 28,6 lesen, dass er den Herrnbefragte, aber der Herrihm nicht antwortete. Ist das ein Widerspruch? Nein, denn bei unserem Befragen des Willens Gottes sieht Gott, ob unser Herz wirklich an der Offenbarung seines Willens interessiert ist und ob wir auf Ihn und seine Zeit warten können. Saul konnte es nicht, er befragte sofort die Totenbeschwörerin. Der Herr will uns Mut machen, dass wir seinen Willen erkennen: „Werft nun eure Zuversicht nicht weg, die eine große Belohnung hat. Denn ihr habt Ausharren nötig, damit ihr, nachdem ihr den Willen Gottes getan habt, die Verheißung davontragt“ (Heb 10,35). Und: „Deshalb hören auch wir nicht auf, von dem Tag an, da wir es gehört haben, für euch zu beten und zu bitten, damit ihr erfüllt sein mögt mit der Erkenntnis seines Willens in aller Weisheit und geistlicher Einsicht, um würdig des Herrn zu wandeln zu allem Wohlgefallen, in jedem guten Werk Frucht bringend und wachsend durch die Erkenntnis Gottes, gekräftigt mit aller Kraft nach der Macht seiner Herrlichkeit, zu allem Ausharren und aller Langmut mit Freuden“ (Kol 1,9f.).

Man fragt sich auch, warum der Prophet Micha an dieser Stelle die Wahrsager erwähnt. Zunächst bekommt man den Eindruck, dass Wahrsagerei unter dem Volk Gottes inzwischen üblich geworden war. War Seher- und Prophetendienst inzwischen nichts anderes als Wahrsagerei?1 In 5. Mose 18,10 lesen wir: „Es soll niemand unter dir gefunden werden, der seinen Sohn oder seine Tochter durchs Feuer gehen lässt, niemand, der Wahrsagerei treibt, kein Zauberer oder Beschwörer oder Magier“. Wahrsager gab es in Ägypten und in Babylon (2Mo 7,11; Dan 2,2), aber im Volk Gottes sollten sie nicht gefunden werden. So heißt es in 2. Mose 22,17: „Eine Magierin [Zauberin, Wahrsagerin] sollst du nicht leben lassen.“

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In den folgenden zitierten Stellen steht immer das hebräische Wort quaschaph bzw. quakaschaphim (Pl.). Manchmal wird es in der Elberfelder Bibel auch mit „Zauberei“ übersetzt.

aber keine Antwort bekommst? Wie schlimm muss das sein! Diese Situation hat Saul auf dem Gebirge Gilboa einmal erlebt, als die Philister sich zum Krieg gegen Israel in Sunem versammelten. Sauls Herz zitterte, als er die Philister sah. Aber warum zitterte er? Tat er denn nicht etwas Gutes? Er befragte doch den Herrn. Aber dieser antwortete ihm nicht, weder durch die Urim noch durch Träume, noch durch die Propheten (1Sam 28,4–6). Der Himmel war für Saul verschlossen. Gott schwieg. Was tut Saul nun? Er sucht eine Frau mit einem Totenbeschwörergeist auf, verstellt sich und lässt durch diese Frau Samuel „heraufbringen“. Wie erschreckend, dass der König des Volkes Gottes bei einer wichtigen Entscheidung eine Wahrsagerin aufsucht.

Was wird Saul nun gesagt? „Und Samuel sprach: Warum doch fragst du mich, da der Herrvon dir gewichen und dein Feind geworden ist? Und der Herrhat für sich getan, so wie er durch mich geredet hat; und der Herrhat das Königtum aus deiner Hand gerissen und es deinem Nächsten, David, gegeben. Weil du der Stimme des Herrn nicht gehorcht und seine Zornglut nicht ausgeführt hast an Amalek, darum hat der Herrdir dies heute getan. Und der Herrwird auch Israel mit dir in die Hand der Philister geben; und morgen wirst du mit deinen Söhnen bei mir sein; auch das Heerlager Israels wird der Herrin die Hand der Philister geben. Da fiel Saul plötzlich seiner Länge nach zur Erde, und er fürchtete sich sehr vor den Worten Samuels; auch war keine Kraft in ihm, denn er hatte den ganzen Tag und die ganze Nacht nichts gegessen“ (1Sam 28,16–20).

Der Ungehorsam Gottes ausdrücklichen Geboten gegenüber war das Problem in seinem Leben. Gott hatte ihm ganz klare Anweisungen gegeben, aber er hat diese willentlich nicht befolgt. Als Saul starb, werden über sein Leben drei Dinge gesagt: Er war treulos, befolgte das Wort Gottes nicht und suchte eine Totenbeschwörerin auf (1Chr 10,13).

Die Gefahr in unserer Zeit ist sehr groß, dass wir durch unsere Treulosigkeit und unseren Ungehorsam zu falschen Mitteln greifen, um Gottes Willen zu erfragen. Die Schrift sagt in 1. Chronika 10,14 sehr deutlich, dass Saul den Herrnnicht befragte, obwohl wir in 1. Samuel 28,6 lesen, dass er den Herrnbefragte, aber der Herrihm nicht antwortete. Ist das ein Widerspruch? Nein, denn bei unserem Befragen des Willens Gottes sieht Gott, ob unser Herz wirklich an der Offenbarung seines Willens interessiert ist und ob wir auf Ihn und seine Zeit warten können. Saul konnte es nicht, er befragte sofort die Totenbeschwörerin. Der Herr will uns Mut machen, dass wir seinen Willen erkennen: „Werft nun eure Zuversicht nicht weg, die eine große Belohnung hat. Denn ihr habt Ausharren nötig, damit ihr, nachdem ihr den Willen Gottes getan habt, die Verheißung davontragt“ (Heb 10,35). Und: „Deshalb hören auch wir nicht auf, von dem Tag an, da wir es gehört haben, für euch zu beten und zu bitten, damit ihr erfüllt sein mögt mit der Erkenntnis seines Willens in aller Weisheit und geistlicher Einsicht, um würdig des Herrn zu wandeln zu allem Wohlgefallen, in jedem guten Werk Frucht bringend und wachsend durch die Erkenntnis Gottes, gekräftigt mit aller Kraft nach der Macht seiner Herrlichkeit, zu allem Ausharren und aller Langmut mit Freuden“ (Kol 1,9f.).

Man fragt sich auch, warum der Prophet Micha an dieser Stelle die Wahrsager erwähnt. Zunächst bekommt man den Eindruck, dass Wahrsagerei unter dem Volk Gottes inzwischen üblich geworden war. War Seher- und Prophetendienst inzwischen nichts anderes als Wahrsagerei?1 In 5. Mose 18,10 lesen wir: „Es soll niemand unter dir gefunden werden, der seinen Sohn oder seine Tochter durchs Feuer gehen lässt, niemand, der Wahrsagerei treibt, kein Zauberer oder Beschwörer oder Magier“. Wahrsager gab es in Ägypten und in Babylon (2Mo 7,11; Dan 2,2), aber im Volk Gottes sollten sie nicht gefunden werden. So heißt es in 2. Mose 22,17: „Eine Magierin [Zauberin, Wahrsagerin] sollst du nicht leben lassen.“

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In den folgenden zitierten Stellen steht immer das hebräische Wort quaschaph bzw. quakaschaphim (Pl.). Manchmal wird es in der Elberfelder Bibel auch mit „Zauberei“ übersetzt.

aber keine Antwort bekommst? Wie schlimm muss das sein! Diese Situation hat Saul auf dem Gebirge Gilboa einmal erlebt, als die Philister sich zum Krieg gegen Israel in Sunem versammelten. Sauls Herz zitterte, als er die Philister sah. Aber warum zitterte er? Tat er denn nicht etwas Gutes? Er befragte doch den Herrn. Aber dieser antwortete ihm nicht, weder durch die Urim noch durch Träume, noch durch die Propheten (1Sam 28,4–6). Der Himmel war für Saul verschlossen. Gott schwieg. Was tut Saul nun? Er sucht eine Frau mit einem Totenbeschwörergeist auf, verstellt sich und lässt durch diese Frau Samuel „heraufbringen“. Wie erschreckend, dass der König des Volkes Gottes bei einer wichtigen Entscheidung eine Wahrsagerin aufsucht.

Was wird Saul nun gesagt? „Und Samuel sprach: Warum doch fragst du mich, da der Herrvon dir gewichen und dein Feind geworden ist? Und der Herrhat für sich getan, so wie er durch mich geredet hat; und der Herrhat das Königtum aus deiner Hand gerissen und es deinem Nächsten, David, gegeben. Weil du der Stimme des Herrn nicht gehorcht und seine Zornglut nicht ausgeführt hast an Amalek, darum hat der Herrdir dies heute getan. Und der Herrwird auch Israel mit dir in die Hand der Philister geben; und morgen wirst du mit deinen Söhnen bei mir sein; auch das Heerlager Israels wird der Herrin die Hand der Philister geben. Da fiel Saul plötzlich seiner Länge nach zur Erde, und er fürchtete sich sehr vor den Worten Samuels; auch war keine Kraft in ihm, denn er hatte den ganzen Tag und die ganze Nacht nichts gegessen“ (1Sam 28,16–20).

Der Ungehorsam Gottes ausdrücklichen Geboten gegenüber war das Problem in seinem Leben. Gott hatte ihm ganz klare Anweisungen gegeben, aber er hat diese willentlich nicht befolgt. Als Saul starb, werden über sein Leben drei Dinge gesagt: Er war treulos, befolgte das Wort Gottes nicht und suchte eine Totenbeschwörerin auf (1Chr 10,13).

Die Gefahr in unserer Zeit ist sehr groß, dass wir durch unsere Treulosigkeit und unseren Ungehorsam zu falschen Mitteln greifen, um Gottes Willen zu erfragen. Die Schrift sagt in 1. Chronika 10,14 sehr deutlich, dass Saul den Herrnnicht befragte, obwohl wir in 1. Samuel 28,6 lesen, dass er den Herrnbefragte, aber der Herrihm nicht antwortete. Ist das ein Widerspruch? Nein, denn bei unserem Befragen des Willens Gottes sieht Gott, ob unser Herz wirklich an der Offenbarung seines Willens interessiert ist und ob wir auf Ihn und seine Zeit warten können. Saul konnte es nicht, er befragte sofort die Totenbeschwörerin. Der Herr will uns Mut machen, dass wir seinen Willen erkennen: „Werft nun eure Zuversicht nicht weg, die eine große Belohnung hat. Denn ihr habt Ausharren nötig, damit ihr, nachdem ihr den Willen Gottes getan habt, die Verheißung davontragt“ (Heb 10,35). Und: „Deshalb hören auch wir nicht auf, von dem Tag an, da wir es gehört haben, für euch zu beten und zu bitten, damit ihr erfüllt sein mögt mit der Erkenntnis seines Willens in aller Weisheit und geistlicher Einsicht, um würdig des Herrn zu wandeln zu allem Wohlgefallen, in jedem guten Werk Frucht bringend und wachsend durch die Erkenntnis Gottes, gekräftigt mit aller Kraft nach der Macht seiner Herrlichkeit, zu allem Ausharren und aller Langmut mit Freuden“ (Kol 1,9f.).

Man fragt sich auch, warum der Prophet Micha an dieser Stelle die Wahrsager erwähnt. Zunächst bekommt man den Eindruck, dass Wahrsagerei unter dem Volk Gottes inzwischen üblich geworden war. War Seher- und Prophetendienst inzwischen nichts anderes als Wahrsagerei?1 In 5. Mose 18,10 lesen wir: „Es soll niemand unter dir gefunden werden, der seinen Sohn oder seine Tochter durchs Feuer gehen lässt, niemand, der Wahrsagerei treibt, kein Zauberer oder Beschwörer oder Magier“. Wahrsager gab es in Ägypten und in Babylon (2Mo 7,11; Dan 2,2), aber im Volk Gottes sollten sie nicht gefunden werden. So heißt es in 2. Mose 22,17: „Eine Magierin [Zauberin, Wahrsagerin] sollst du nicht leben lassen.“

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In den folgenden zitierten Stellen steht immer das hebräische Wort quaschaph bzw. quakaschaphim (Pl.). Manchmal wird es in der Elberfelder Bibel auch mit „Zauberei“ übersetzt.


 

 

4. Das kommende Gericht über die politischen und religiösen Führer (Kapitel 3,1–12)

3,1–4 – Und ich sprach: Hört doch, ihr Häupter Jakobs und ihr Fürsten des Hauses Israel: Ist es nicht an euch, das Recht zu kennen? – die ihr das Gute hasst und das Böse liebt; die ihr ihnen die Haut abzieht und das Fleisch von ihren Gebeinen; und die ihr das Fleisch meines Volkes fresst und ihre Haut von ihnen abstreift und ihre Gebeine zerbrecht und zerstückelt wie in einem Topf und wie Fleisch inmitten des Kessels. Dann werden sie zu dem HERRN schreien, und er wird ihnen nicht antworten; und er wird sein Angesicht vor ihnen verbergen zu jener Zeit, ebenso wie sie ihre Handlungen böse gemacht haben.

In diesen Versen werden nun die Häupter und Fürsten des Volkes Gottes angesprochen. Sie waren – neben dem König – an dem moralischen Zustand des Volkes wesentlich beteiligt.

Wer waren denn nun eigentlich die „Häupter“ und die „Fürsten“ des Volkes? Nun, es waren die Leiter eines Stammes oder die Leiter von Familienverbänden.

Wahrscheinlich sind hier die gleichen Personen gemeint. Fürsten sind die Häupter der Stämme Israels, so wie auch im Neuen Testament Aufseher immer auch Älteste sind. Ihre Verantwortung war es, das Recht zu kennen, die Gesetze Gottes dem Volk vorzustellen, die Familien darin zu unterweisen und sie anzuhalten, darin zu leben. So war es zur Zeit Esras und Nehemias, wo wir lesen, dass sich die Häupter der Väter des ganzen Volkes, die Priester und die Leviten, zu Esra, dem Schriftgelehrten, versammelten, und zwar um aufzumerken auf die Worte des Gesetzes (Neh 8,13). Aber so war es hier nicht. Diese Führer liebten das Böse und hassten das Gute, sie zogen dem Volk die Haut und das Fleisch vom Körper und fraßen das Fleisch. Eine sehr derbe Ausdrucksweise. Was will der Prophet damit sagen? Diese Führer beuteten das Volk durch ihren schrecklichen Egoismus aus. Sie ließen ihnen nichts außer ihren Knochen. Es scheint so, dass das einfache Volk weder Kleidung noch Nahrung hatte, weil sie alles den Führern geben mussten. Ja, sie „zerbrachen die Gebeine“, das bedeutet, sie scheuten auch nicht davor zurück, die Armen des Volkes dem Tod preiszugeben. Sie handelten wie Tiere, wilde Tiere, die ihre Beute zerreißen.
Aber es wird der Augenblick kommen, wo sie mit ihrer Selbstsucht am Ende sind. Dann werden sie sich an den lebendigen Gott erinnern und Ihn um Hilfe anrufen, aber Er wird nicht antworten.

Bedenken wir es wohl: Ein Leben des Egoismus, der Selbstsucht, das Leben auf Kosten anderer, wird nicht ewig währen. Es kommt der Augenblick des Erwachens. Dann wird der Traum des Wohlstands, des lust- und begierdevollen Lebens ausgeträumt sein. Aber Gott wird dann das Gebet nicht erhören können. Das heißt, Er gibt diese Menschen dahin. Jahre, ja, Jahrzehnte haben sie nur der Lust gefrönt, haben sich der Armen nicht erbarmt. Nun erbarmt sich Gott auch nicht über ihren erbärmlichen Zustand.
In Sprüche 1,24–31 finden wir eine Botschaft, die jeder Leser und auch der Schreiber bedenken sollten: „Weil ich gerufen habe und ihr euch geweigert habt, meine Hand ausgestreckt habe und niemand zugehört hat, und ihr all meinen Rat verworfen und meine Zucht nicht gewollt habt, so werde auch ich bei eurem Unglück lachen, werde spotten, wenn der Schrecken über euch kommt; wenn der Schrecken über euch kommt wie ein Unwetter, und euer Unglück hereinbricht wie ein Sturm, wenn Bedrängnis und Angst über euch kommen. Dann werden sie zu mir rufen, und ich werde nicht antworten; sie werden mich eifrig suchen und mich nicht finden, weil sie Erkenntnis gehasst und die Furcht des Herrnnicht erwählt, nicht eingewilligt haben in meinen Rat, verschmäht haben all meine Zucht. Und sie werden essen von der Frucht ihres Weges und von ihren Plänen sich sättigen.“

Diese Texte zeigen sehr deutlich, dass es nicht wahr ist, dass Gott Gebete immer beantwortet. Manchmal hüllt sich Gott in eine Wolke, so dass kein Gebet durchdringt (Klgl 3,44), und es kann dann sein, dass wir klagen: „Wenn ich auch schreie und rufe, so hemmt er mein Gebet“ (Klgl 3,8).

In Sprüche 28,9 lesen wir: „Wer sein Ohr abwendet vom Hören des Gesetzes: Sogar sein Gebet ist ein Gräuel“, und Jesaja muss weissagen: „Und wenn ihr eure Hände ausbreitet, verhülle ich meine Augen vor euch; selbst wenn ihr das Gebet vermehrt, höre ich nicht: Eure Hände sind voll Blut“ (Jes 1,15).

Gott wird sein Angesicht vor ihnen verbergen. In den Psalmen wird diese Situation an einigen Stellen beschrieben: „Warum verbirgst du dein Angesicht, vergisst unser Elend und unsere Bedrückung?“ (Ps 44,25; vgl. 88,15; 69,18; 102,3). Aber wenn man weiß, dass man Gottes Gesetz übertreten hat, dann ist das erschreckend. Der Prophet Jesaja spricht sehr deutlich über die Ursachen, warum Gottes Angesicht nicht leuchten kann: „... sondern eure Ungerechtigkeiten haben eine Scheidung gemacht zwischen euch und eurem Gott, und eure Sünden haben sein Angesicht vor euch verhüllt, dass er nicht hört“ (Jes 59,2). Und Hesekiel fügt hinzu: „Nach ihrer Unreinheit und nach ihren Übertretungen habe ich mit ihnen gehandelt und habe mein Angesicht vor ihnen verborgen“ (Hes 39,24).

Da möchte man mit dem Psalmisten rufen: „O Gott der Heerscharen, führe uns zurück und lass dein Angesicht leuchten, so werden wir gerettet werden“ (Ps 80,7; vgl. V. 20), aber „er wird sein Angesicht vor ihnen verbergen zu jener Zeit, ebenso wie sie ihre Handlungen böse gemacht haben“ (Mich 3,4).

3,5–7 – So spricht der HERR über die Propheten, die mein Volk irreführen, die mit ihren Zähnen beißen und Frieden rufen; und wer ihnen nichts ins Maul gibt, gegen den heiligen sie einen Krieg.1 Darum soll es Nacht für euch werden, ohne Gesicht, und Finsternis für euch, ohne Wahrsagung. Und die Sonne wird über den Propheten untergehen und der Tag über ihnen schwarz werden. Und die Seher werden beschämt und die Wahrsager zuschanden werden, und sie werden allesamt den Lippenbart verhüllen, weil keine Antwort Gottes da ist.

1

Einen „Krieg heiligen“ bedeutet „einen Krieg weihen“ (vgl. Jer 12,3; 22,7; 51,27). Das bedeutet hier, wie Zunz übersetzt: „Wer ihnen nichts in den Mund gibt, gegen den richten sie Krieg.“

Der Prophet wendet sich jetzt ausdrücklich an die Propheten, die das Volk irreführen. Wie werden diese Volksverführer charakterisiert? Es ist fast nicht zu glauben, aber diese Propheten sind gewinnsüchtige Verdreher der Wahrheit. Sie reden dem Volk nach dem Mund. Wenn sie ihren Magen füllen können, dann predigen sie Frieden, Frieden für das Volk. Gott sei mit dem Tun des Volkes einverstanden. Solche, die sie aber nicht unterstützen, die vielleicht warnend ihre Stimme erheben oder ihnen ins Angesicht widerstehen, gegen solche heiligen sie einen Krieg, d. h. sie bedrohen diese letztlich mit dem Tod.

Hat nicht auch Jeremia schon mit scharfen Worten vor diesen Irrlehrern gewarnt? „Siehe, ich will an die, spricht der Herr, die Lügenträume weissagen und sie erzählen und mein Volk irreführen mit ihren Lügen und mit ihrer Prahlerei; da ich sie doch nicht gesandt und ihnen nichts geboten habe und sie diesem Volke gar nichts nützen, spricht der Herr“ (Jer 23,32). Auch Hesekiel warnt vor diesen Menschen: „Darum, ja, darum, weil sie mein Volk irreführen und sprechen: „Frieden!“, obwohl kein Frieden da ist; und baut es eine Wand, siehe, sie bestreichen sie mit Tünche [eig. mit Kalkbewurf]“(Hes 13,10).


Wahrscheinlich haben diese Propheten vorgegeben, „Gesichte“ von Gott zu bekommen, aber in Wirklichkeit handelte es sich um Wahrsagerei. Wenn Nacht und Finsternis über sie hereinbrechen werden, dann werden sie kein Gesicht haben, keine Wahrsagung, die Sonne wird über ihnen untergehen, d. h. sie werden dem Gericht Gottes verfallen sein. Weder werden sie in irgendeiner Weise durch Gott erleuchtet werden können, noch werden sie am Tag ihre falschen Botschaften weitergeben können, denn der Tag würde über ihnen „schwarz werden.“

Alle diese Ausdrücke wie „Nacht, Finsternis, Sonne untergehen“ drücken aus, dass diese falschen Propheten das furchtbare Gericht Gottes über ihr Lügengebäude erleben werden. Wie oft haben sie dem Volk Lügenträume erzählt, Gesichte des Truges verbreitet, wie oft wurden sie befragt, aber nun haben sie keine Antwort mehr. Die Seher werden beschämt und die Wahrsager zuschanden werden.

Was sind eigentlich Seher? Wir entnehmen aus 1. Samuel 9,9, dass Seher Menschen waren, die Gottes Antwort in bestimmten Lebensumständen übermittelten. Als z. B. die Eselinnen Sauls verschwunden waren, ging dieser zu Samuel, dem Seher, und empfing die Antwort, dass die Eselinnen gefunden seien. Außerdem konnte Samuel dem Saul auch sagen, was in seinem Herzen war (1Sam 9,19). Auch Zadok, der Priester, wurde Seher genannt, weil er als Priester Gottes Gedanken mitteilte (2Sam 15,27). Als David das Volk gezählt hatte, offenbarte Gott dem Propheten, dem Seher Gad, sein Wort und sandte ihn zu David (1Chr 21,9). Auch als Asa bei der Auseinandersetzung mit Baesa, dem König Israels (des Nordreichs), sein Vertrauen auf den König von Syrien setzte, redete Gott durch den Seher Hanani, der folgende wichtige Botschaft überbrachte: „Weil du dich auf den König von Syrien gestützt hast und dich nicht auf den Herrn, deinen Gott, gestützt hast, darum ist das Heer des Königs von Syrien deiner Hand entronnen. Waren nicht die Kuschiter und die Libyer eine zahlreiche Heeresmacht, mit Wagen und Reitern in großer Menge? Aber weil du dich auf den Herrnstütztest, gab er sie in deine Hand. Denn die Augen des Herrndurchlaufen die ganze Erde, um sich mächtig zu erweisen an denen, deren Herz ungeteilt auf ihn gerichtet ist. Hierin hast du töricht gehandelt; denn von nun an wirst du Kriege haben“ (2Chr 16,7–9). Auch zur Zeit Josaphats sandte Gott einen Seher, Hanani, der ihm mitteilte: „Hilfst du dem Gesetzlosen, und liebst du, die den Herrnhassen? Und darum ist Zorn über dir von Seiten des Herrn“ (2Chr 19,2). Selbst zur Zeit des gottlosen und menschenverachtenden Königs Manasse redete Gott durch verschiedene Seher, um Manasse von seinem Tun abzubringen (2Chr 33,18).


Zur Zeit der Wegführung des Nordreichs nach Assyrien berichtet 2. Könige 17,13 darüber, warum Gott dieses Gericht über das Volk bringen musste: „Und der Herrwarnte Israel und Juda durch alle Propheten, alle Seher, indem er sprach: Kehrt um von euren bösen Wegen und haltet meine Gebote, meine Satzungen, nach dem ganzen Gesetz, das ich euren Vätern geboten und das ich euch gesandt habe durch meine Knechte, die Propheten“ (2Kön 17,13ff.).

Doch das Volk Gottes hat nicht gehört. Also musste Gott als Richter eingreifen und die Worte über sie bringen, die Er schon durch Mose im Gesetz verkündet hatte: „Es wird aber geschehen, wenn du der Stimme des Herrn, deines Gottes, nicht gehorchst, indem du darauf achtest, alle seine Gebote und seine Satzungen zu tun, die ich dir heute gebiete, so werden alle diese Flüche über dich kommen und dich treffen“ (5Mo 28,15), und weiter: „Der Herrwird dich und deinen König, den du über dich setzen wirst, zu einer Nation führen, die du nicht gekannt hast, weder du noch deine Väter; und du wirst dort anderen Göttern dienen, Holz und Stein. Und du wirst zum Entsetzen werden, zum Sprichwort und zum Gespött unter allen Völkern, wohin der Herrdich wegtreiben wird“ (5Mo 28,36.37).

Wie furchtbar musste der Zustand im Volk Gottes sein, wenn Gott zwar immer wieder Seher sandte, das Volk aber einfach nicht hören wollte. Manasse tat schließlich Buße über seine schrecklichen Sünden, und Gott hat ihm vergeben, aber es war schließlich so, dass die Stimme Gottes nicht mehr durchdrang. Das Herz des Volkes war dick geworden, verhärtet, und so musste der Prophet Jesaja schließlich weissagen: „Denn der Herrhat einen Geist tiefen Schlafes über euch ausgegossen und hat eure Augen geschlossen; die Propheten und eure Häupter, die Seher, hat er verhüllt“ (Jes 29,10).
Wenn Gott über die falschen Propheten das Gericht hereinbrechen lässt, wird man den Bart verhüllen. Der Bart war ein Kennzeichen des Propheten. Aber was nützt dieses äußere Merkmal, wenn in Wirklichkeit kein wahrer Prophetendienst stattfindet? Kein „Wort Gottes“ würde an sie ergehen. Der Himmel wird verschlossen sein. Gott wird nicht mehr reden. Er wird handeln.
Versetzen wir uns in die Lage des Volkes: Kannst du dir vorstellen, dass Gott deine Gebete nicht mehr erhört, dass du Gottes Willen befragst, aber keine Antwort bekommst? Wie schlimm muss das sein! Diese Situation hat Saul auf dem Gebirge Gilboa einmal erlebt, als die Philister sich zum Krieg gegen Israel in Sunem versammelten. Sauls Herz zitterte, als er die Philister sah. Aber warum zitterte er? Tat er denn nicht etwas Gutes? Er befragte doch den Herrn. Aber dieser antwortete ihm nicht, weder durch die Urim noch durch Träume, noch durch die Propheten (1Sam 28,4–6). Der Himmel war für Saul verschlossen. Gott schwieg. Was tut Saul nun? Er sucht eine Frau mit einem Totenbeschwörergeist auf, verstellt sich und lässt durch diese Frau Samuel „heraufbringen“. Wie erschreckend, dass der König des Volkes Gottes bei einer wichtigen Entscheidung eine Wahrsagerin aufsucht.

Was wird Saul nun gesagt? „Und Samuel sprach: Warum doch fragst du mich, da der Herrvon dir gewichen und dein Feind geworden ist? Und der Herrhat für sich getan, so wie er durch mich geredet hat; und der Herrhat das Königtum aus deiner Hand gerissen und es deinem Nächsten, David, gegeben. Weil du der Stimme des Herrn nicht gehorcht und seine Zornglut nicht ausgeführt hast an Amalek, darum hat der Herrdir dies heute getan. Und der Herrwird auch Israel mit dir in die Hand der Philister geben; und morgen wirst du mit deinen Söhnen bei mir sein; auch das Heerlager Israels wird der Herrin die Hand der Philister geben. Da fiel Saul plötzlich seiner Länge nach zur Erde, und er fürchtete sich sehr vor den Worten Samuels; auch war keine Kraft in ihm, denn er hatte den ganzen Tag und die ganze Nacht nichts gegessen“ (1Sam 28,16–20).

Der Ungehorsam Gottes ausdrücklichen Geboten gegenüber war das Problem in seinem Leben. Gott hatte ihm ganz klare Anweisungen gegeben, aber er hat diese willentlich nicht befolgt. Als Saul starb, werden über sein Leben drei Dinge gesagt: Er war treulos, befolgte das Wort Gottes nicht und suchte eine Totenbeschwörerin auf (1Chr 10,13).

Die Gefahr in unserer Zeit ist sehr groß, dass wir durch unsere Treulosigkeit und unseren Ungehorsam zu falschen Mitteln greifen, um Gottes Willen zu erfragen. Die Schrift sagt in 1. Chronika 10,14 sehr deutlich, dass Saul den Herrnnicht befragte, obwohl wir in 1. Samuel 28,6 lesen, dass er den Herrnbefragte, aber der Herrihm nicht antwortete. Ist das ein Widerspruch? Nein, denn bei unserem Befragen des Willens Gottes sieht Gott, ob unser Herz wirklich an der Offenbarung seines Willens interessiert ist und ob wir auf Ihn und seine Zeit warten können. Saul konnte es nicht, er befragte sofort die Totenbeschwörerin. Der Herr will uns Mut machen, dass wir seinen Willen erkennen: „Werft nun eure Zuversicht nicht weg, die eine große Belohnung hat. Denn ihr habt Ausharren nötig, damit ihr, nachdem ihr den Willen Gottes getan habt, die Verheißung davontragt“ (Heb 10,35). Und: „Deshalb hören auch wir nicht auf, von dem Tag an, da wir es gehört haben, für euch zu beten und zu bitten, damit ihr erfüllt sein mögt mit der Erkenntnis seines Willens in aller Weisheit und geistlicher Einsicht, um würdig des Herrn zu wandeln zu allem Wohlgefallen, in jedem guten Werk Frucht bringend und wachsend durch die Erkenntnis Gottes, gekräftigt mit aller Kraft nach der Macht seiner Herrlichkeit, zu allem Ausharren und aller Langmut mit Freuden“ (Kol 1,9f.).

Man fragt sich auch, warum der Prophet Micha an dieser Stelle die Wahrsager erwähnt. Zunächst bekommt man den Eindruck, dass Wahrsagerei unter dem Volk Gottes inzwischen üblich geworden war. War Seher- und Prophetendienst inzwischen nichts anderes als Wahrsagerei? In 5. Mose 18,10 lesen wir: „Es soll niemand unter dir gefunden werden, der seinen Sohn oder seine Tochter durchs Feuer gehen lässt, niemand, der Wahrsagerei treibt, kein Zauberer oder Beschwörer oder Magier“. Wahrsager gab es in Ägypten und in Babylon (2Mo 7,11; Dan 2,2), aber im Volk Gottes sollten sie nicht gefunden werden. So heißt es in 2. Mose 22,17: „Eine Magierin [Zauberin, Wahrsagerin] sollst du nicht leben lassen.“

Aber diese Gebote Gottes übertrat das Volk. Die Folge war, dass sie den Göttern dienten, und damit verbunden war dann auch Zauberei und Wahrsagerei. Denken wir nur an König Joram aus dem Haus Ahabs, zu dem Jehu sagte: „Was, Frieden, während der vielen Hurereien Isebels, deiner Mutter, und ihrer vielen Zaubereien [Magie]!“ (2Kön 9,22). Und der Prophet Jesaja ruft dem Volk ironisch zu: „Tritt doch auf mit deinen Bannsprüchen und mit der Menge deiner Zaubereien, womit du dich abgemüht hast von deiner Jugend an! Vielleicht kannst du dir Nutzen schaffen, vielleicht wirst du Schrecken einflößen“ (Jes 47,12).
Wenn man sich von dem lebendigen Gott und seinem Wort abwendet, wenn man seinen Verstand und seine Gefühle, seine seelischen Erfahrungen über das Wort Gottes stellt, dann braucht man sich nicht zu wundern, wenn Götzendienst, Wahrsagerei und Zauberei in den Geist des Volkes Gottes einfließen. In 2. Korinther 11,3ff. heißt es: „Ich fürchte aber, dass etwa, wie die Schlange Eva durch ihre List verführte, so euer Sinn verdorben und abgewandt werde von der Einfalt gegenüber dem Christus. Denn wenn der, der kommt, einen anderen Jesus predigt, den wir nicht gepredigt haben, oder ihr einen anderen Geist empfangt, den ihr nicht empfangen habt, oder ein anderes Evangelium, das ihr nicht angenommen habt, so ertragt ihr es gut.“
Wie kann es möglich sein, dass Gläubige einen anderen Geist empfangen und sie es gut ertragen? Nun, das Fleisch in uns ist ein Bundesgenosse Satans, und über das Fleisch kann er uns irreführen, uns berauschen, ja, begeistern. So können auch Christen unter den Einfluss von Dämonen kommen. Hüten wir uns also vor dem Missachten des Willens Gottes, dem Eingehen auf Träume von Menschen und vor Visionen von solchen, die sich ihren sinnlichen Eingebungen hingeben.

„Ich habe gehört, was die Propheten sagen, die in meinem Namen Lüge weissagen und sprechen: Einen Traum, einen Traum habe ich gehabt!“ (Jer 23,25). Wer in der Wahrheit Gottes leben will, wird sich nicht jedem Träumer, der meint, von Gott Träume empfangen zu haben, hingeben. Nein, und nochmals nein. Gott sagt durch Jeremia: „Der Prophet, der einen Traum hat, erzähle den Traum; und wer mein Wort hat, rede mein Wort in Wahrheit! Was hat das Stroh mit dem Korn gemeinsam?, spricht der Herr“ (Jer 23, 28; vgl. Jer 27,9f.; 29,8.9).

Ähnelt diese Zeit nicht in gewisser Hinsicht unserer Zeit? Lesen wir 2. Timotheus 4,3: „Denn es wird eine Zeit sein, da sie die gesunde Lehre nicht ertragen werden, sondern nach ihren eigenen Begierden sich selbst Lehrer aufhäufen werden, indem es ihnen in den Ohren kitzelt; und sie werden die Ohren von der Wahrheit abkehren, sich aber zu den Fabeln hinwenden.“ Und was sagt 2. Petrus 2,1ff.? „Es waren aber auch falsche Propheten unter dem Volk, wie auch unter euch falsche Lehrer sein werden, die Verderben bringende Sekten [Parteiungen] nebeneinführen werden und den Gebieter verleugnen, der sie erkauft hat, und sich selbst schnelles Verderben zuziehen. Und viele werden ihren Ausschweifungen nachfolgen, derentwegen der Weg der Wahrheit verlästert werden wird. Und durch Habsucht werden sie euch ausbeuten mit erdichteten [oder: betrügerischen] Worten; denen das Gericht von alters her nicht zögert, und ihr Verderben schlummert nicht.“

Wenn man diese beiden Texte gut untersucht, dann werden wir daraus folgende zehn Aspekte erkennen können:

1.                    Man wird die gesunde Lehre nicht ertragen können. Wenn Christen anfangen, die gesunde Lehre der Schrift nicht mehr hören zu wollen, wenn ihnen das Aufschlagen der Bibel, das betende Erforschen des Wortes nicht mehr ein Anliegen ist, dann ist „der Tod im Topf“. Wenn die christlichen Familien zunehmend mehr christliche Konzerte, Musicals, Theateraufführungen etc. lieber besuchen als die wöchentliche Bibelstunde, die man dann mehr und mehr als langweilig empfindet – glaube mir –, dann wird der Säkularismus, die Weltförmigkeit und das pragmatische Denken bald in die Gemeinde einziehen. Aktivismus sowie medien- und methodengesteuerte Evangelisation mögen dann noch verbleiben, aber wirklicher Gottesdienst – so wie die Schrift ihn lehrt – wird bald ganz ausbleiben.

Lassen wir uns nicht täuschen von der Masse, von manchen Erfolgsquoten. Verführung kommt schleichend, unmerklich für die meisten Gläubigen. Darum: „Was ich aber euch sage, sage ich allen: Wacht!“ (Mk 13,37), und: „Darum wacht und denkt daran, dass ich drei Jahre lang Nacht und Tag nicht aufgehört habe, einen jeden mit Tränen zu ermahnen“ (Apg 20,31), und: „Wacht, steht fest im Glauben; seid mannhaft, seid stark!“ (1Kor 16,13), und: „Verharrt im Gebet und wacht darin mit Danksagung“ (Kol 4,2).

2.                     

 

 

3.                    Nach eigener Lust und Begierde wird man sich Lehrer aufhäufen, die das sagen werden, was einem passt, was man hören möchte. Wenn man die gesunde Lehre nicht mehr liebt und dann auch nicht mehr ertragen wird, muss man sich solche suchen, die nach dem Munde reden. Genau solche „falschen Propheten“ hatte man zur Zeit Michas. Sie dienten den Menschen, nicht Gott. Die Quelle für dieses Herbeiholen ist a) das Lustprinzip in uns, das fleischliche, seelische Begehren, und b) der Egoismus, das Ausleben des Ich-Prinzips. Daher wird betont, dass sie sich selbst Lehrer aufhäufen werden. Es werden keine gottgegebenen Lehrer des Wortes Gottes sein, sondern Lehrer, deren Worte wohlklingend und beruhigend sein werden. Vielleicht werden sie witzig sein und motivierend für das eigene Ich. Aber die Botschaften sind anthropozentrisch und stimulieren das Fleisch. Endlich werden Menschen die Bibel, das Wort Gottes, so hinbiegen, dass für jeden etwas dabei ist. Homosexuelle werden in ihren Begierden bestärkt, Abtreibungsbefürworter werden beruhigt, und ihre Sünde

 

 

4.                    wird relativiert, Feministinnen kommen endlich zu ihrem Recht und können die Schöpfungsordnung infolge einer neuen feministischen Bibelauslegungsmethode zugunsten einer androgynen (zwittrigen) Ordnung umbiegen. Gottesdienste werden Wohlfühlversammlungen mit anthropozentrischem Charakter, anstatt theozentrisch zu sein. Ein neues Zeitalter des Friedens wird anbrechen – wirklich? Oder geben sich diese Lehrer einer schlimmen Illusion hin? Denken wir daran, dass 2. Petrus 2,1 uns mitteilt, dass die falschen Propheten in unserer Zeit „die falschen Lehrer“ sind. Was sagt Gott?
„Und seine Propheten bestreichen ihnen [d. h. den Priestern und den Fürsten] alles mit Tünche, da sie Eitles schauen und ihnen Lügen wahrsagen und sprechen: ,So spricht der Herr, Herr!‘ – und doch hat der Herrnicht geredet“ (Hes 22,28; vgl. Zeph 3,4; Sach 13,2.4).

5.                    Schließlich werden diese Menschen mit ihren selbsterwählten Lehrern die Ohren von der Wahrheit abwenden. Nachdem man sich jahrelang einem selbstsüchtigen Gottesdienst hingegeben hat, immer das gehört hat, was dem Mund des Predigers angenehm war und was in den Ohren kitzelte, wird man sich schließlich von Gottes Wahrheit abwenden. Erleben wir das nicht in den christlichen Gemeinschaften in beängstigender Weise? Was jahrhundertelang als Gottes Wahrheit anerkannt war, wird nun kurzerhand über Bord geworfen. Die Kirche Christi hat immer an der biblischen Wahrheit festgehalten, dass es schriftgemäß ist, dass Frauen keinen Ältestendienst ausüben sollen und dass vorehelicher Geschlechtsverkehr Sünde ist. Aber das gilt nun in vielen evangelikalen Kreisen nicht mehr. Auch an die Verdrehung von 1. Korinther 11 haben sich viele Christen gewöhnt: Man akzeptiert die kurzen Haare bei Frauen und die langen Haare bei Männern. Auch ist es bei vielen Gläubigen kein Problem mehr, dass die Frauen arbeiten gehen und die Männer als Hausmänner die Kinder hüten, obwohl Titus 2,5 anders lehrt.

 

 

6.                   
Man hat sich auch daran gewöhnt, bestimmte falsche Lehren in den Gemeinden zu dulden. So hat die Evangelische Allianz kein Problem mehr damit, Katholiken bei ProChrist offiziell mitarbeiten zu lassen. Was noch vor einigen Jahren undenkbar war, ist nun problemlos möglich. Ist das alles ein Beweis für den guten, geistlichen Weg der Christenheit? Wer das behauptet, gibt sich gerade den Täuschungen hin, die falsche Lehrer in die Welt setzen.

7.                     



8.                    Sie werden sich zu den Fabeln (Mythen) hinwenden. Es wundert uns dann natürlich auch nicht, wenn bekennende Christen sich vermehrt den Fabeln zuwenden. Sie glauben dann allem, was irgendwie spirituell klingt. Und so können ostasiatische (buddhistische und hinduistische) Gedanken und Methoden in das Leben der Christen hineingenommen werden. So kann man getrost Yoga-, Meditations- und Hypnosetechniken im christlichen Gewand anbieten. An psychotherapeutische Methoden haben sich schon so viele gewöhnt, dass man kaum noch etwas dazu sagen darf, aber wirkliche biblische Seelsorge ist rar geworden.
Ein gewaltiger Mythos ist der Wissenschaftsglaube, der Glaube an die Fähigkeit der menschlichen Vernunft, alles erforschen und begründen zu können. Lasst uns nicht Mythen folgen, sondern dem lebendigen Gott, der uns zum Denken befähigt und dem wir alles rechte Denken verdanken.

9.                    Die falschen Lehrer werden verderbliche Sekten einführen und Gott und seinen Sohn als Gebieter [despotäs] verleugnen. Diese falschen Lehrer werden die Gemeinde Gottes spalten. Sie werden Menschen hinter sich herziehen und durch ihr Leben deutlich machen, dass sie letztlich den Herrn Jesus nicht als Gebieter akzeptieren, sondern nur ihrem Willen und ihrer Kraft vertrauen.

10.          




11.         Ihr ganzes Denken wird von Habsucht und Egoismus geprägt sein. Geldliebe und Eigenliebe charakterisieren diese Menschen. Sie suchen nur Wohlstand, blicken auf das Geld, auf Gewinn, auf Gewinnmaximierung und scheuen sich nicht, für Geld die Seelen von Menschen in die Irre zu führen.

12.         Viele werden diesen Irrlehrern mit ihren Ausschweifungen, ihren Partynächten, folgen.

13.         Gottes Weg der Wahrheit wird verlästert. Können wir dann nicht auch begreifen, dass immer mehr Menschen fragen: „Aber was ist denn nun eigentlich der Weg Gottes, der Wille Gottes?“ Ungläubige werden lästern und sagen: „Schau dir die Christen an, sie leben wie wir, reden von Gott und Heiligkeit, aber ihr wahres Zuhause ist in dieser Welt. Sie unterscheiden sich in nichts von uns. Im Gegenteil: Sie treiben es teilweise schlimmer als wir.“

14.         Sie arbeiten mit betrügerischen Worten. Lüge wird sie kennzeichnen. Sie dienen dem Teufel, dem Vater der Lüge (Joh 8,44).

15.         Das Ende ist schreckliches Verderben. Ein ewiges Verderben ist das Teil derer, die sich von Gott abwenden und ihren Begierden nachgehen.

Wir leben in einer Gesellschaft, in der Spaß, Erlebnis und Erfolgsorientierung Maßstäbe des eigenen Wohlbefindens sind. Christliche „Events“ mit ansprechender Musik, in der die Bandleader bewundert werden, sind mehr und mehr an der Tagesordnung. Ich erinnere mich an ein christliches Konzert mit Evangelisation, wo es der Prediger fertig brachte, die anwesenden Personen stehend zum Schaukeln zu bringen. Die Musik dröhnte in den Lautsprechern, aber man merkte überhaupt nicht, wie viele falsche Lehren schließlich durch den Prediger vermittelt wurden. Als ich anschließend zu ihm hinging, um ihn darauf anzusprechen, ließ er mich kurzerhand stehen und meinte, dass es heute um „Jesus, den Superstar“ ging. Bei einem anschließenden Gespräch mit Besuchern stellte sich heraus, dass man überhaupt nichts Tadelnswertes an dem fand, was da so vor den Ohren und Augen der Besucher abgelaufen war.

In einer anderen christlichen Großveranstaltung wurden handfeste Irrlehren verkündigt, aber keiner regte sich auf. Erst in einer Zeitschrift wurde später zu der Veranstaltung nüchtern und sachlich Stellung genommen. In der Tat: Christliche „Events“ können begeistern, berauschen, können die Emotionen zu überschwänglichen Freudenergüssen provozieren, aber was ist daran wirklich geistlich, biblisch, gottgemäß?

Wie oft werden wir in der Schrift daran erinnert, nüchtern zu sein: „Also lasst uns nun nicht schlafen wie die Übrigen, sondern wachen und nüchtern sein“ (1Thes 5,6; 2Tim 2,26; 4,5; 1Pet 4,7; 5,8). In 1. Timotheus 3,2 wird den Ältesten ausdrücklich gesagt, dass sie nüchtern sein sollen; und in Titus 2,2 werden die alten Männer angesprochen. Es geht also nicht um junge Leute, sondern gerade um solche, die auch Aufseherdienste ausüben, die gerade durch ihr Alter, ihre Erfahrung und ihre Weisheit sowie ihr Vorbild von Nüchternheit und Besonnenheit gekennzeichnet sein sollen.1

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An dieser Stelle sollten auch die Texte über Besonnenheit sehr gut gelesen werden: „Denn Gott hat uns nicht einen Geist der Furchtsamkeit gegeben, sondern der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit [o. des gesunden Sinnes. And. üb.: der Zurechtweisung, Zucht]“ (2Tim 1,7; vgl. auch Röm 12,3; 1Tim 3,2; Tit 1,8; 2,2.6.12).

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An dieser Stelle sollten auch die Texte über Besonnenheit sehr gut gelesen werden: „Denn Gott hat uns nicht einen Geist der Furchtsamkeit gegeben, sondern der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit [o. des gesunden Sinnes. And. üb.: der Zurechtweisung, Zucht]“ (2Tim 1,7; vgl. auch Röm 12,3; 1Tim 3,2; Tit 1,8; 2,2.6.12).

In einer solch wirren Zeit lebte Micha. Man könnte meinen, dass er ein einsamer Prophet war. Aber besser einsam mit Gott sein, als in der Masse Gottes Willen verachten. So lesen wir nun:

3,8 – Ich hingegen, ich bin mit Kraft erfüllt durch den Geist des HERRN und mit Recht und Stärke, um Jakob seine Übertretung [o. seinen Abfall] kundzutun und Israel seine Sünde.

Vorhin lasen wir von Saul, dass keine Kraft mehr in ihm war, hier lesen wir von einem Propheten, der durch Gottes Geist mit Kraft erfüllt war. Aber Kraft ist nicht in sich selbst wichtig, sondern sie muss mit etwas verbunden sein. Hier lesen wir, dass Micha mit Recht und Stärke erfüllt war, um Gottes Volk seine Übertretung vorzustellen.

Propheten, die im Namen Gottes reden und nicht von Menschen abhängig sind, erleben in ganz besonderer Weise die Kraft Gottes und haben daher Mut. Sie lassen sich nicht von der Masse beeindrucken, lehnen einschmeichelnde Worte ab, lassen sich nicht von ihren Augen und seelischen Gefühlen leiten, sondern reden vor Gott, aus Gott und mit Gott.

Jakob und Israel werden hier unterschieden. Vielleicht werden beide Ausdrücke synonym gebraucht. Das Volk Gottes ist von Gott abgefallen, es lebt in der Sünde, und der Prophet muss diese Sünde mit Namen nennen. Das hier mit „Übertretung“ wiedergegebene Wort bedeutet auch, dass das Volk von Gott abgefallen ist.1

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Hebr. pahschag (1Kön 12,19; 2Kön 1,1; Jes 59,13 u. v. m.).

In diesem revoltierenden, rebellierenden Zustand befand sich das Volk Gottes. Erinnert uns das nicht an eine messianische Prophezeiung in Jesaja 53,12: „Darum werde ich ihm Anteil geben an den Vielen [o. den Großen], und mit Gewaltigen wird er die Beute teilen: dafür, dass er seine Seele ausgeschüttet hat in den Tod und den Übertretern beigezählt worden ist; er aber hat die Sünde vieler getragen und für die Übertreter Fürbitte getan“?

Das ist unser wahrer Zustand. Von Natur aus sind wir Abtrünnige, und gerade für diese Menschen starb der Herr Jesus. Er ist wie ein Abtrünniger, wie ein Übertreter, am Kreuz gestorben, damit wir Leben bekommen könnten. Er ist so von Gott behandelt worden, wie wir hätten behandelt werden müssen. Gott hat Ihn zur Sünde gemacht (2Kor 5,21). Er hat unsere Sünden an seinem Leib auf dem Holz getragen (1Pet 2,24). Welche Liebe unseres Heilandes, der sich an unseren Platz gestellt hat. Ich hätte dort hängen müssen, aber Er hing dort am Kreuz, der „Mann der Schmerzen und mit Leiden vertraut“ (Jes 53,3). Empfinden wir dann nicht Hass auf die Sünde? Kann es dann sein, dass wir leichtfertig mit der Sünde spielen oder gegen Gottes offenbarten Willen rebellieren? Als Erlöste sind wir doch in die Gemeinschaft des Herrn Jesus berufen worden (1Kor 1,9). Sollten wir dann nicht auch unser Leben Ihm und seiner Autorität unterstellen und erleben, wie der Heilige Geist uns erfüllt?

„Und berauscht euch nicht mit Wein, in dem Ausschweifung ist, sondern werdet mit dem Geist erfüllt, redend zueinander in Psalmen und Lobliedern und geistlichen Liedern, singend und spielend dem Herrn in eurem Herzen, danksagend allezeit für alles dem Gott und Vater im Namen unseres Herrn Jesus Christus“ (Eph 5,18–20).

Micha war mit Kraft durch den Geist erfüllt und hat dem Volk Gottes seine Sünde mitgeteilt; wir sollten mit dem Geist Gottes erfüllt sein und Christus verherrlichen.

3,9–11 – Hört doch dies, ihr Häupter des Hauses Jakob und ihr Fürsten des Hauses Israel, die ihr das Recht verabscheut und alles Gerade krümmt; die ihr Zion mit Blut baut und Jerusalem mit Unrecht. Seine Häupter richten für Geschenke und seine Priester lehren für Lohn, und seine Propheten wahrsagen für Geld; und sie stützen sich auf den HERRN und sagen: Ist nicht der HERR in unserer Mitte? Kein Unglück wird über uns kommen!

Jetzt werden die religiösen Führer angesprochen. Wieder wird von den Häuptern des Hauses Jakob und den Fürsten des Hauses Israel sowie von den Priestern und Propheten geredet. Sie waren verantwortlich dafür, dass Gottes Volk in den Satzungen und Ordnungen Gottes wandelte. Sie waren verpflichtet, Gottes Rechte zu verkündigen und sie zu wahren. Aber was tun sie nun?

16.         Sie verabscheuen das Recht : Das Gesetz enthält sehr deutliche Anweisungen im Blick auf die Frage, wie man zu den Mitmenschen sein soll: „Du sollst der Menge nicht folgen, um Böses zu tun; und du sollst bei einem Rechtsstreit nicht antworten, indem du dich nach der Menge neigst, das Recht zu beugen“(2Mo 23,2; vgl. 2Mo 23,6; 5Mo 16,19; 24,17; 27,19).
Wenn hier nun steht, dass die Führer das Recht verabscheuen, dann muss das bedeuten, dass den Priestern einerseits das Recht Gottes gleichgültig ist, aber dass sie andererseits auch ganz und gar aus egoistischen Motiven ihre Mitmenschen falsch führen, um sich letztlich an ihnen zu bereichern.

17.         Sie verabscheuen das Recht : Das Gesetz enthält sehr deutliche Anweisungen im Blick auf die Frage, wie man zu den Mitmenschen sein soll: „Du sollst der Menge nicht folgen, um Böses zu tun; und du sollst bei einem Rechtsstreit nicht antworten, indem du dich nach der Menge neigst, das Recht zu beugen“(2Mo 23,2; vgl. 2Mo 23,6; 5Mo 16,19; 24,17; 27,19).
Wenn hier nun steht, dass die Führer das Recht verabscheuen, dann muss das bedeuten, dass den Priestern einerseits das Recht Gottes gleichgültig ist, aber dass sie andererseits auch ganz und gar aus egoistischen Motiven ihre Mitmenschen falsch führen, um sich letztlich an ihnen zu bereichern.

 

Sie krümmen alles Gerade: Waren es die Dialektiker jener Tage? In Sprüche 28,18 heißt es: „... wer aber verkehrt [d. h. falsch, o. heuchlerisch] auf zwei Wegen geht, wird auf einmal fallen“, und in Sprüche 10,9 lesen wir: „... wer aber seine Wege krümmt, wird bekannt werden.“ Es traf auf diese Führer zu, was der Prophet Jesaja sagt: „Den Weg des Friedens kennen sie nicht, und kein Recht ist in ihren Spuren. Ihre Pfade machen sie krumm – wer irgend sie betritt, kennt keinen Frieden“ (Jes 59,8).

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Diese Führer veränderten den Weg der göttlichen Wahrheit. Sie sprachen von Gott, sicher auch von seinem Willen, aber handelten nach ihrem eigenen Sinn. Kennen wir das nicht auch in unserer Zeit? Wie verbiegen auch heute sogenannte Theologen das Recht Gottes! Wie versuchen sie, gleiche Begriffe zu gebrauchen, aber sie verstehen etwas ganz anderes darunter. Und wie traurig, dass Vieles, was jahrhundertelang für viele Christen feststand, heute nicht mehr gilt.

 

1.                    Sie bauen Zion mit Blut und Jerusalem mit Unrecht: Denken wir nur an die Zeit des Königs Ahas, der seine Söhne im Feuer verbrannte, nach den Gräueln der Nationen. „Ahas beraubte das Haus des Herrnund das Haus des Königs und der Obersten und gab das Geraubte dem König von Assyrien“, denn er erwartete von den Assyrern Hilfe. „In der Zeit seiner Bedrängnis, da handelte er noch treuloser gegen den Herrn …Und er opferte den Göttern von Damaskus, die ihn geschlagen hatten.“ Er meinte, dass die Götter der Könige von Syrien auch ihm helfen würden, wenn er ihnen nur opfern würde. Er „brachte die Geräte des Hauses Gottes zusammen und zerschlug die Geräte des Hauses Gottes; und er schloss die Türen des Hauses des Herrnund machte sich Altäre an allen Ecken in Jerusalem. Und in jeder einzelnen Stadt von Juda machte er Höhen, um anderen Göttern zu räuchern. Und er reizte den Herrn, den Gott seiner Väter“ (2Chr 28,21ff.).
Alle diese götzendienerischen Handlungen wurden von den Fürsten und Häuptern unterstützt. Offensichtlich floss in Jerusalem Blut. Vielleicht gab es einige in dieser Stadt des großen Königs, die mit dem Treiben des Königs und seiner Obersten nicht einverstanden waren. Aber sehr schnell entledigte man sich dieser „Miesmacher“, dieser Fundamentalisten. Und so floss unschuldiges Blut.

2.                    Die Häupter richten für Geschenke: Kannten diese denn nicht das Gesetz? „Und kein Geschenk sollst du annehmen; denn das Geschenk blendet die Sehenden und verkehrt die Worte der Gerechten“ (2Mo 23,8, vgl. 5Mo 16,19; 27,25). Wie ganz anders ist der lebendige Gott: „Denn der Herr, euer Gott, er ist der Gott der Götter und der Herr der Herren, der große, mächtige und furchtbare Gott, der keine Person ansieht und kein Geschenk annimmt“ (5Mo 10,17; vgl. 2Chr 19,7). Aber ist das nicht auch eine Gefahr für jeden Gläubigen? Wie schnell wird man von Menschen abhängig, die uns Gutes tun, die vielleicht im Verborgenen den Dienern Gottes Geld zustecken, Autos schenken. Wie schnell können gut gemeinte Zuwendungen die Kraft eines geistlichen Urteils schmälern. Ein Rechtsurteil in einer Sache muss in Übereinstimmung mit dem Recht Gottes sein, muss unabhängig von Einflüssen von Menschen sein. Es heißt: „Richter und Vorsteher sollst du dir einsetzen, nach deinen Stämmen, in allen deinen Toren, die der Herr, dein Gott, dir gibt, damit sie das Volk richten mit gerechtem Gericht“ (5Mo 16,18).



1.                    Die Priester lehren für Lohn: Hatten die Priester kein Auskommen mehr? Waren sie nicht mehr in der Lage, mit dem, was ihnen gehörte, zufrieden zu sein? Die Priester lebten ja von den Gaben, die das Volk Israel dem Herrndarbrachte (4Mo 18,8.19). Auch musste jeweils der Zehnte von den Zehnten, die das Volk den Leviten gab, als Hebopfer an die Priester weitergegeben werden (4Mo 18,25–32). Auch die Gebrechlichen unter den Nachkommen Aarons, die den Priesterdienst nicht ausüben durften, hatten dennoch Teil an dem Einkommen (3Mo 21,21–23). Die Aufgaben der Priester waren folgende: Sie mussten das Volk vor Gott vertreten und im Heiligen der Stiftshütte bzw. des Tempels dienen. Sie sollten aber auch das Volk im Gesetz unterweisen, auf die kultische Reinheit des Volkes achten und zudem besondere Rechtsstreitigkeiten nach Gottes Maßstäben klären. Welch einen bedeutsamen Dienst hatten die Priester! Doch in Michas Zeit lehrten sie für Lohn. Offensichtlich waren sie damit auch abhängig von dem Willen und den Forderungen ihrer Geldgeber. Wie gefährlich. Und doch: Sind wir von Natur aus besser? Gerade in unserer Zeit müssen diejenigen, die ganz und gar auf das Geld von einzelnen Gläubigen oder Missionswerken oder örtlichen Versammlungen/Gemeinden angewiesen sind, sehr auf der Hut sein, dass sie dennoch innerlich frei bleiben, ein gutes Gewissen vor Gott und Menschen bewahren und wirklich „aus Glauben leben“. Zur Ermutigung hier einige Worte Gottes: „So seid nun nicht besorgt, indem ihr sagt: Was sollen wir essen?, oder: Was sollen wir trinken?, oder: Was sollen wir anziehen? Denn nach all diesem trachten die Nationen; denn euer himmlischer Vater weiß, dass ihr dies alles nötig habt. Trachtet aber zuerst nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit, und dies alles wird euch hinzugefügt werden. So seid nun nicht besorgt für den morgigen Tag, denn der morgige Tag wird für sich selbst sorgen. Jeder Tag hat an seinem Übel genug“ (Mt 6,31–34), und: „Nicht dass ich dies des Mangels wegen sage, denn ich habe gelernt, worin ich bin, mich zu begnügen. Ich weiß sowohl erniedrigt zu sein, als ich weiß Überfluss zu haben; in jedem und in allem bin ich unterwiesen, sowohl satt zu sein als zu hungern, sowohl Überfluss zu haben als Mangel zu leiden. Alles vermag ich in dem, der mich kräftigt ... Mein Gott aber wird euch alles Nötige geben nach seinem Reichtum in Herrlichkeit in Christus Jesus“ (Phil 4,11ff.).

2.                    Die Propheten wahrsagen für Geld: Das Erschütternde hier ist, dass Gott durch den Propheten ganz klar sagt, dass die Propheten nicht weissagen, also prophezeien, sondern sie wahrsagen. Wir hatten das auch schon in Kapitel 3,6 gelesen. Zur Zeit der Wegführung des Nordreiches, also zur Zeit des Königs Hosea und des Königs Asa im Südreich Juda, waren Wahrsagerei und Beschwörung offensichtlich an der Tagesordnung (2Kön 17,17). Der Prophet Jesaja muss sagen: „Denn siehe, der Herr, der Herrder Heerscharen, nimmt von Jerusalem und von Juda Stütze und Unterstützung weg, jede Stütze des Brotes und jede Stütze des Wassers; Held und Kriegsmann, Richter und Prophet und Wahrsager und Ältesten; den Obersten über Fünfzig und den Angesehenen und den Ratgeber und den geschickten Künstler und den Zauberkundigen. Und ich werde Jünglinge zu ihren Fürsten machen, und kleine Kinder sollen über sie herrschen. Und das Volk wird sich gegenseitig bedrücken, der eine den anderen und jeder seinen Nächsten; der Knabe wird frech auftreten gegen den Greis und der Verachtete gegen den Geehrten“ (Jes 3,1–5; vgl. Hes 13,3ff.).
Daher lasst uns auf der Hut sein: Nicht alles, was als Weissagung ausgegeben wird, ist wirklich gott- und geistgewirkt. Sehr schnell kann sich auch ein böser Geist in eine Zusammenkunft von Menschen einschleichen, und es wird plötzlich gewahrsagt, aber nicht geweissagt. Der untrügliche Maßstab des Wortes Gottes ist hier auch anzuwenden. Insbesondere bei Veranstaltungen, wo Menschen aufstehen und sagen: „So spricht der Herr“, und von Träumen oder Gesichten reden, sollten wir äußerst kritisch sein. Wir sollen uns durch Gottes Geist und Wort leiten lassen und nicht durch Träume oder Visionen, die über das geschriebene Wort hinausgehen. Immer dann, wenn der Herr Jesus nicht im Mittelpunkt steht, müssen wir grundsätzlich Fragezeichen setzen.

Sie stellen unbewiesene Behauptungen auf: „Ist nicht der Herrin unserer Mitte? Kein Unglück wird über uns kommen!“
Eine erschreckende Selbstgefälligkeit. Ihnen geht es wesentlich um das Geld. Sie krümmen das Recht, es finden Wahrsagungen statt, aber sie sind dennoch überzeugt, dass der Herrin ihrer Mitte ist und dass kein Unglück kommen würde. Welch eine Verblendung. Das erinnert uns auch an die Worte des Propheten Jeremia: „Und verlasst euch nicht auf Worte der Lüge, indem man spricht: Der Tempel des Herrn, der Tempel des Herrn, der Tempel des Herrnist dies! Sondern wenn ihr eure Wege und eure Handlungen wirklich gut macht, wenn ihr wirklich Recht übt zwischen dem einen und dem anderen, den Fremden, die Waise und die Witwe nicht bedrückt und unschuldiges Blut an diesem Orte nicht vergießt und anderen Göttern nicht nachwandelt euch zum Unglück, so will ich euch an diesem Ort, in dem Land, das ich euren Vätern gegeben habe, wohnen lassen von Ewigkeit zu Ewigkeit. Siehe, ihr verlasst euch auf Worte der Lüge, die nichts nützen. Wie? Stehlen, morden und Ehebruch treiben und falsch schwören und dem Baal räuchern und anderen Göttern nachwandeln, die ihr nicht kennt! Und dann kommt ihr und tretet vor mein Angesicht in diesem Haus, das nach meinem Namen genannt ist, und sprecht: ,Wir sind errettet!‘, damit ihr alle diese Gräuel verübt! Ist denn dieses Haus, das nach meinem Namen genannt ist, eine Räuberhöhle geworden in euren Augen? Ich selbst, siehe, ich habe es gesehen, spricht der Herr... Und ich werde euch wegwerfen von meinem Angesicht, so wie ich alle eure Brüder, die ganze Nachkommenschaft Ephraims, weggeworfen habe. Du aber, bitte nicht für dieses Volk und erhebe weder Flehen noch Gebet für sie, und dringe nicht in mich; denn ich werde nicht auf dich hören“ (Jer 7,4–11.15.16).
Auch diese Zeit wiederholt sich, denn es heißt in 2. Timotheus 3,1: „Dies aber wisse, dass in den letzten Tagen schwere [o. gefahrvolle] Zeiten eintreten werden; denn die Menschen werden selbstsüchtig sein, geldliebend, prahlerisch, hochmütig, Lästerer, den Eltern ungehorsam, undankbar, unheilig, ohne natürliche Liebe, unversöhnlich [o. wortbrüchig, o. treulos], Verleumder, unenthaltsam, grausam, das Gute nicht liebend, Verräter, verwegen, aufgeblasen, mehr das Vergnügen liebend als Gott, die eine Form der Gottseligkeit haben, deren Kraft aber verleugnen; und von diesen wende dich weg... Böse Menschen aber und Betrüger werden zu Schlimmerem fortschreiten, indem sie verführen und verführt werden“ (2Tim 3,1–5.13). Wir haben weiter vorne schon an die falschen Lehrer erinnert, die inmitten des christlichen Zeugnisses auftreten und viele verführen werden. Hier noch einmal einige Verse aus 2. Petrus 2: „… so weiß der Herr die Gottseligen aus der Versuchung zu retten, die Ungerechten aber aufzubewahren auf den Tag des Gerichts, damit sie bestraft werden; besonders aber die, die in der Begierde der Befleckung dem Fleisch nachwandeln und die Herrschaft verachten, Verwegene, Eigenmächtige; sie erzittern nicht, Herrlichkeiten [o. Würden, o. Gewalten] zu lästern, ... indem sie den Lohn der Ungerechtigkeit empfangen; die die Schwelgerei bei Tage für Vergnügen halten – Flecken und Schandflecke, die in ihren eigenen Betrügereien schwelgen und Festessen mit euch halten; die Augen voll Ehebruch haben und von der Sünde nicht ablassen, wobei sie unbefestigte Seelen anlocken; die ein Herz haben, in Habsucht geübt, Kinder des Fluches, die, da sie den geraden Weg verlassen haben, abgeirrt sind, indem sie dem Weg Bileams nachfolgten, des Sohnes Bosors, der den Lohn der Ungerechtigkeit liebte“ (V. 9.10.13–15).

Für einen Christen, der Christus nachfolgt, ist es nicht schwer, solche inmitten der Christenheit auszumachen. Formen mögen eingehalten werden. Äußerlich mag alles stimmen, aber es fehlt die „Kraft der Gottseligkeit“, das ist die Kraft, in der man das Böse verurteilt, die falschen Lehren entlarvt, dem Mammon entsagt und unbefestigte Seelen nicht hinter sich herzieht, sondern in der man Menschen zu Christus führt, das Wort Gottes ernst nimmt und alles tut, damit Seelen sich diesem Wort zuwenden und es erforschen, um es zu tun.

Es geht nicht um Rufe wie: „Der Herr ist in unserer Mitte“, oder: „Hier ist der Tempel des Herrn, das Haus Gottes“, sondern es geht darum, dass wir Christus verherrlichen, Gott lieben von ganzem Herzen und seinen Willen tun.

3,12 – Darum wird euretwegen Zion als Feld gepflügt werden, und Jerusalem wird zu Trümmerhaufen und der Berg des Hauses zu Waldeshöhen werden [vgl. Jer 26,18].

Diese Botschaft ist nun die Gerichtsbotschaft, an die die Ältesten des Landes zur Zeit Jojakims erinnern (Jer 26,18), als man Jeremia zum Tode verurteilen wollte. Während ein anderer Botschafter – Urija, der Sohn Schemajas – sterben musste, konnte Jeremia durch Achikam, den Sohn Schaphans, gerettet werden.

Bald würde Jerusalem zerstört werden. Diese Stadt würde in Trümmern liegen. Micha prophezeit es, Jeremia wird sich dieser Prophezeiung anschließen und ebenso andere Propheten. Auch Zephanja weissagt: „Und ich werde meine Hand ausstrecken gegen Juda und gegen alle Bewohner von Jerusalem. Und ich werde aus diesem Ort den Überrest des Baal, den Namen der Götzenpriester samt den Priestern ausrotten ... Und es wird geschehen zu jener Zeit, da werde ich Jerusalem mit Leuchten durchsuchen; und ich werde die Männer heimsuchen, die auf ihren Hefen liegen, die in ihrem Herzen sprechen: Der Herrtut nichts Gutes und tut nichts Böses“ (Zeph 1,4.12). Unser Vers sagt aus, dass nur noch Trümmer und Gestrüpp übrig bleiben.

Jeremia klagt später in seinen Klageliedern: „In den Tagen ihres Elends und ihres Umherirrens erinnert Jerusalem sich an alle ihre Kostbarkeiten, die seit den Tagen der Vorzeit waren, da nun ihr Volk durch die Hand des Bedrängers gefallen ist und sie keinen Helfer hat; die Bedränger sehen sie an, spotten über ihren Untergang. Jerusalem hat schwer gesündigt, darum ist sie wie eine Unreine geworden; alle, die sie ehrten, verachten sie, weil sie ihre Blöße gesehen haben; auch sie selbst seufzt und wendet sich ab!“ (Klgl 1,7.8; vgl. 1,17; 2,13–15).

Wenn Jeremia so klagt, was muss erst der lebendige Gott denken über die Stadt, die eigentlich seinem Sohn gehört? Es ist doch die Stadt des großen Königs! Doch es wird der Tag kommen, wo Jerusalem nicht mehr weinen wird: „Denn ein Volk wird in Zion wohnen, in Jerusalem. Du wirst nie mehr weinen; er wird dir gewiss Gnade erweisen auf die Stimme deines Schreiens. Sobald er hört, wird er dir antworten“ (Jes 30,19). „Und die Befreiten [eig. die Losgekauften] des Herrnwerden zurückkehren und nach Zion kommen mit Jubel, und ewige Freude wird über ihrem Haupt sein; sie werden Wonne und Freude erlangen, und Kummer und Seufzen werden entfliehen“ (Jes 35,10; 51,11).

5. Jerusalem – Sitz des Messias, Anziehungspunkt für die Völker (Kapitel 4,1–8)

4,1.2 – Und es wird geschehen am Ende der Tage1 da wird der Berg des Hauses des HERRN feststehen auf dem Gipfel der Berge und erhaben sein über die Hügel. Und Völker werden zu ihm strömen; und viele Nationen werden hingehen und sagen: Kommt und lasst uns hinaufziehen zum Berg des HERRN und zum Haus des Gottes Jakobs! Und er wird uns belehren aus seinen Wegen, und wir wollen wandeln auf seinen Pfaden. Denn von Zion wird das Gesetz ausgehen, und das Wort des HERRN von Jerusalem.

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Der Ausdruck b’atarith hajamim kommt noch vor in 1Mo 49,1; 4Mo 24,14; 5Mo 4,30; 31,29; Jes 2,2; Jer 23,20; 48,47; 49,39; Hes 38,16; Dan 2,28; 4,31; 10,14; 12,13; Hos 3,5.

Micha wendet sich jetzt weg von den falschen Führern, den Lügenpropheten und den Geld liebenden Priestern und schaut in eine ferne Zukunft. Schon Jakob prophezeite in 1. Mose 49,1 eine herrliche Zeit: „Und Jakob rief seine Söhne und sprach: Versammelt euch, und ich will euch verkünden, was euch begegnen wird in künftigen Tagen [o. am Ende der Tage].“ Auch Bileam weissagte in 4. Mose 24,14 von künftigen Tagen: „Und nun siehe, ich gehe zu meinem Volk. Komm, ich will dir kundtun, was dieses Volk deinem Volk tun wird am Ende der Tage.“ Wann würde denn das Ende der Tage sein?

Nun, in 5. Mose 4,30 sagt Gott: „In deiner Bedrängnis, und wenn alle diese Dinge dich treffen werden am Ende der Tage, wirst du umkehren zu dem Herrn, deinem Gott, und seiner Stimme gehorchen“, und in 5. Mose 31,29 spricht auch Mose warnend von dem Ende der Tage: „Denn ich weiß, dass ihr euch nach meinem Tod ganz und gar verderben und von dem Weg abweichen werdet, den ich euch geboten habe; und es wird euch das Unglück begegnen am Ende der Tage, weil ihr tun werdet, was böse ist in den Augen des Herrn, ihn zu reizen durch das Werk eurer Hände.“ Das heißt also, dass es ein Ende der Tage gibt, eine Zeitepoche, die von Bedrängnis und Not gekennzeichnet ist. In diese Richtung weissagen auch die Propheten Jeremia und Hesekiel: „Nicht wenden wird sich der Zorn des Herrn, bis er getan und bis er ausgeführt hat die Gedanken seines Herzens. Am Ende der Tage werdet ihr es ganz verstehen“ (Jer 23,20; vgl. 30,24). Der Prophet Hesekiel prophezeit einen schrecklichen Krieg im Land, und er spricht von Gog, der gegen Israel ziehen wird (Hes 38,16). Auch der Prophet Hosea spricht von der Umkehr des Volkes Israel und sagt, dass sich dieses zitternd zu seinem Gott und zu dessen Güte wenden wird.

Der Prophet Daniel schreibt in Daniel 10,14, dass ein Engel ihm über das Ende der Tage Auskunft geben will, und in Kapitel 12,13 wird ihm selbst mitgeteilt, dass er einmal am Ende der Tage auferstehen werde.

Der „Berg des Herrn“1 ist der Berg Zion. Der Berg, auf dem Abraham seinen Sohn Isaak opfern wollte, wird in 1. Mose 22,14 ebenfalls „Berg des Herrn“ genannt, und Abraham fügte hinzu: „Der Herrwird ersehen“ (Jahwe Jireh). Auch in Jesaja 2,3 und Micha 4,2 ist der Berg, auf dem die Stadt Jerusalem gebaut worden ist, der Berg des Herrn.

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In 4. Mose 10,33 wird der Berg Sinai ebenfalls „Berg des Herrn“ genannt.

In Psalm 24,3 fragt der Psalmist: „Wer wird auf den Berg des Herrnsteigen, und wer wird an seiner heiligen Stätte stehen?“ Die Antwort ist: „Der unschuldiger Hände und reinen Herzens ist, der nicht zur Falschheit seine Seele erhebt und nicht schwört zum Trug. Er wird Segen empfangen von dem Herrn, und Gerechtigkeit von dem Gott seines Heils.“ In Jesaja 30,29 wird der Berg des Herrnder „Felsen Israels“ genannt und in Sacharja 8,3 „der heilige Berg“. Es ist der Berg, auf dem der Tempel stand, und es wird ebenfalls der Berg sein, auf dem einmal in der Zukunft der Tempel im 1000-jährigen Reich stehen wird.

Der Prophet Jesaja hat schon das Gleiche geweissagt wie Micha: „Und es wird geschehen am Ende der Tage, da wird der Berg des Hauses des Herrnfeststehen auf dem Gipfel der Berge [d. h. hoch über allen Bergen] und erhaben sein über die Hügel. Und alle Nationen werden zu ihm strömen“ (Jes 2,2).

Aus allen diesen Texten wird sehr deutlich, dass dieses Volk noch eine Zukunft hat. Es wird in der Zukunft eine Wiederbelebung des Volkes Israel geben. Jerusalem wird eine besondere Rolle spielen und Gott selbst wird als König regieren.

Michas Prophetie weist nun auf folgende Ereignisse hin: „… Da wird der Berg des Hauses des Herrn feststehen auf dem Gipfel der Berge und erhaben sein über die Hügel.“ Das ist der Berg Zion, den Gott sich erwählt und den Er geliebt hat (Ps 78,68). In Psalm 48,3 wird gesagt: „Schön ragt empor, eine Freude der ganzen Erde, der Berg Zion, an der Nordseite, die Stadt des großen Königs.“ Dieser Berg Zion, die zukünftige Stadt Jerusalem, wird erhaben sein über alle Hügel. Das kann bedeuten, dass diese Stadt allen umliegenden Städten nicht vergleichbar ist. Sie überragt alle Städte an Schönheit.

Der Ruf dieser Stadt wird so stark sein, dass Völker dorthin strömen werden. Sie werden zu diesem Berg reisen. Man wird unter den Nationen sagen: „Kommt und lasst uns hinaufziehen zum Berg des Herrnund zum Haus des Gottes Jakobs! Und er wird uns belehren aus seinen Wegen, und wir wollen wandeln auf seinen Pfaden.“ Es wird den Nationen klar sein, dass in dieser Stadt der Messias zu sehen ist. Hier, von dieser Stadt, wird das Gesetz, das Wort Gottes, ausgehen. Das muss eine außerordentlich herrliche Zeit sein. Die Propheten reden in vielfältiger Weise davon: „Siehe, ein König wird regieren in Gerechtigkeit; und die Fürsten, sie werden nach Recht herrschen“ (Jes 32,1).

„Und das Recht wird sich niederlassen in der Wüste und die Gerechtigkeit im Baumgarten wohnen; und das Werk der Gerechtigkeit wird Frieden sein und der Ertrag der Gerechtigkeit Ruhe und Sicherheit in Ewigkeit. Und mein Volk wird wohnen an einer Wohnstätte des Friedens und in sicheren Wohnungen und an stillen Ruhestätten“ (Jes 32,16–18; vgl. Sach 8,20–23; 14,16–18).

Die Erhabenheit dieser Stadt ist gegründet auf die Gegenwart des Königs, dessen Name Spross ist: „An jenem Tag wird der Spross des Herrnzur Zierde und zur Herrlichkeit sein und die Frucht der Erde zum Stolz und zum Schmuck für die Entronnenen Israels“ (Jes 4,2); und: „Siehe, Tage kommen, spricht der Herr, da ich David einen gerechten Spross erwecken werde; und er wird als König regieren und verständig handeln und Recht und Gerechtigkeit üben im Land“ (Jer 23,5); und: „In jenen Tagen und zu jener Zeit werde ich David einen Spross der Gerechtigkeit hervorsprossen lassen, und er wird Recht und Gerechtigkeit üben im Land“ (Jer 33,15); und: „Höre doch, Josua, du Hoherpriester, du und deine Gefährten, die vor dir sitzen – denn Männer des Wunders [zugl. des Wahrzeichens; o. des Vorbilds] sind sie; denn siehe, ich will meinen Knecht, Spross genannt, kommen lassen“ (Sach 3,8); und: „... und sprich zu ihm und sage: So spricht der Herrder Heerscharen und sagt: Siehe, ein Mann, sein Name ist Spross; und er wird von seiner Stelle aufsprossen und den Tempel des Herrnbauen“ (Sach 6,11.12). Hier finden wir den Spross viermal, nämlich als den Spross der Herrlichkeit (Johannesevangelium), als König-Spross (Matthäusevangelium), als den Spross der Gerechtigkeit (Lukasevangelium) und als den Knecht, Spross genannt (Markusevangelium). Nur an diesen Textstellen wird das hebräische Wort zämach gebraucht. Erinnert uns das nicht sehr deutlich an unseren Herrn Jesus Christus?

Aber die Stadt selbst wird auch neue Namen empfangen, die wir im Folgenden kurz auflisten wollen:

  • Jahwe-Schammah = Der Herr ist hier(Hes 48,35) – „Und der Name der Stadt soll von nun an heißen: Der Herr ist hier.“
  • Qirjath Melek Rar = Stadt des großen Königs (Ps 48,3) – „Schön ragt empor, eine Freude der ganzen Erde, der Berg Zion, an der Nordseite, die Stadt des großen Königs.“
  • Chäfzi-Bar = Mein Gefallen an ihr (Jes 62,4) – „Nicht mehr wird man dich ,Verlassene‘ nennen, und dein Land nicht mehr ,Wüste‘ nennen; sondern man wird dich nennen: ,Mein Gefallen an ihr‘, und dein Land ,Vermählte‘; denn der Herrwird Gefallen an dir haben, und dein Land wird vermählt werden.“
  • Gir-HaÄmeth = Stadt der Wahrheit (Sach 8,3) – „So spricht der Herr: Ich kehre nach Zion zurück und will inmitten Jerusalems wohnen; und Jerusalem wird ,Stadt der Wahrheit‘ genannt werden und der Berg des Herrnder Heerscharen ,der heilige Berg‘.“
  • D’Roscha = die gesuchte, die, nach der man fragt (Jes 62,12) – „Und man wird sie nennen: ,Das heilige Volk, die Erlösten des Herrn‘; und dich wird man nennen: ,Die Gesuchte [Eig. die, nach der man fragt; vgl. Jer 30,17], Stadt, die nicht mehr verlassen wird‘.“
  • Ir-Jahwe Zion Quadosch Israel = Stadt des HERRN , Zion des Heiligen Israels (Jes 60,14) – „Und gebeugt werden zu dir kommen die Kinder deiner Bedrücker, und alle deine Schmäher werden niederfallen zu deinen Fußsohlen; und sie werden dich nennen: Stadt des Herrn, Zion des Heiligen Israels.“
  • Kisseh Jahwe = Thron des HERRN (Jer 3,17) – „In jener Zeit wird man Jerusalem den Thron des Herrnnennen, und alle Nationen werden sich zu ihr versammeln wegen des Namens des Herrnin Jerusalem; und sie werden nicht mehr dem Starrsinn ihres bösen Herzens nachwandeln.“

In unserer Zeit geht es nicht um eine Stadt, aber wir sehnen uns nach dem himmlischen Jerusalem. Schon jetzt dürfen wir einen Vorgeschmack von dieser zukünftigen Herrlichkeit haben, wenn wir uns um den versammeln, der gesagt hat: „Wahrlich, wiederum sage ich euch: Wenn zwei von euch auf der Erde übereinkommen werden über irgendeine Sache, welche sie auch erbitten mögen, so wird sie ihnen zuteilwerden von meinem Vater, der in den Himmeln ist. Denn wo zwei oder drei versammelt sind in meinem Namen [w. zu meinem Namen hin], da bin ich in ihrer Mitte“ (Mt 18,19.20). Er ist hier! So wie der Herrzukünftig in Jerusalem im neuen Tempel sein wird als der Jahwe Schamma, so will der Herr Jesus jetzt da sein, wo man zu IHM hin versammelt ist.1 Sind wir uns dessen bewusst? Wir möchten uns als das Haus Gottes versammeln, als Pfeiler und Grundfeste der Wahrheit, denn so lesen wir es in 1. Timotheus 3,15: „... wenn ich aber zögere, damit du weißt, wie man sich verhalten soll im Haus Gottes, das die Versammlung des lebendigen Gottes ist, der Pfeiler und die Grundfeste [o. Stütze] der Wahrheit.“ Daher soll die Versammlung/Gemeinde Gottes sozusagen eine „Stadt der Wahrheit“ sein, wo Gottes Wahrheit gelehrt und gelebt wird. Dort steht in gewisser Hinsicht der „Thron des Herrn“, denn hier wird geurteilt nach göttlichen Maßstäben (vgl. Mt 18,17.18; 1Kor 5). Haben wir noch ein Interesse daran, dass die Gemeinde nicht ein Ort ist, wo wir uns wohlfühlen müssen, wo wir Spaß haben, wo gefeiert wird, wo es eben um uns geht, sondern wo es um Gottes Wahrheit geht, um göttliche Liebe, um einen Ort, der von Heiligkeit, aber auch von Barmherzigkeit und Milde geprägt ist, ja, wo es ausschließlich um Christus geht?

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Man beachte die grammatische Form in Matthäus 18,20: synegmenoieis to emon onoma bedeutet „versammelt sein zu meinem Namen“. synegmenoi ist das Perfekt Partizip Passiv von synago: vgl. die gleiche grammatische Form im Part. Perf. Pass. in Joh 20,19; Apg 4,31; 20,7.8; das Wort synago wird in Verbindung mit dem Zusammenkommen der gläubigen Christen an folgenden Stellen verwendet: Apg 4,5; 11,26; 15,6.30; 1Kor 5,4.


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Man beachte die grammatische Form in Matthäus 18,20: synegmenoieis to emon onoma bedeutet „versammelt sein zu meinem Namen“. synegmenoi ist das Perfekt Partizip Passiv von synago: vgl. die gleiche grammatische Form im Part. Perf. Pass. in Joh 20,19; Apg 4,31; 20,7.8; das Wort synago wird in Verbindung mit dem Zusammenkommen der gläubigen Christen an folgenden Stellen verwendet: Apg 4,5; 11,26; 15,6.30; 1Kor 5,4.

Aber wo steht die Versammlung Gottes in unserer Zeit? Sie ist zerrissen, gespalten, in viele Gruppen und Gemeinschaften zerstreut. Einheit ist nicht mehr zu sehen. Und selbst da, wo man gern auf der Grundlage des einen Leibes zusammenkommen will, wo man die Rechte des Herrn beachten will, wo es doch um Ihn allein gehen soll, ist so viel Schutt, ist Weltförmigkeit, Gesetzlichkeit und häufig auch einfach Oberflächlichkeit und Gleichgültigkeit. Oh, lasst uns demütig bekennen: Wir haben versagt. Aber dann lasst uns nicht dabei stehen bleiben, sondern sagen: „Wir wollen wandeln auf seinen Pfaden!“

4,3–5 – und er wird richten zwischen vielen Völkern und Recht sprechen mächtigen Nationen bis in die Ferne. Und sie werden ihre Schwerter zu Pflugscharen schmieden und ihre Speere zu Winzermessern; nicht wird Nation gegen Nation das Schwert erheben, und sie werden den Krieg nicht mehr lernen [vgl. Jes 2,2–4]. Und sie werden sitzen, jeder unter seinem Weinstock und unter seinem Feigenbaum, und niemand wird sie aufschrecken. Denn der Mund des HERRN der Heerscharen hat geredet. Denn alle Völker werden wandeln, jedes im Namen seines Gottes; wir aber werden wandeln im Namen des HERRN , unseres Gottes, immer und ewig.

Wenn der Herr Jesus der wahre Mittelpunkt und der König in Jerusalem sein wird, dann wird Er der letzte Beurteiler jeder Sache sein. Er wird Recht sprechen. Und dieses Recht wird auf den Inseln bekannt werden. Es gibt dann keine demokratische Staatsform mehr, auch wird kein ungerechter Diktator mehr die Welt beherrschen können, kein Monarch wird mehr mit Prunk und Stolz auf einem Prachtwagen daherfahren, nein, der König aller Könige und Herr aller Herren, Jesus, wird regieren. Waffen werden zu positiven Werkzeugen verändert. Krieg wird es nicht mehr geben, ja, man wird keine Militärakademien mehr haben, um neue Strategien für Kriege zu erlernen. Die Menschen werden unter ihren Fruchtbäumen sitzen, es wird wunderschöne Kommunikationen geben. Gewalttäter können die ruhig sich zusammenfindenden Familien nicht aufschrecken.

Die Völker werden wandeln im Namen ihres Gottes, aber das Volk Gottes wandelt im Namen des Herrn, seines Gottes. Diese Aussage erscheint auf den ersten Blick recht schwierig. Gott hat doch für die Zukunft verheißen, dass die Völker nach Jerusalem strömen werden und dort von Gott belehrt werden. Wie kann es dann sein, dass ein jeder im Namen seines Gottes wandelt? Das hebräische Wort jaleku (von jahlak vgl. Kap. 1,8; 2,3; 4,2; 6,16) macht auch die folgende Übersetzung des Satzes möglich: „Mögen die Nationen im Namen ihres Gottes wandeln, wir wollen im Namen des Herrn, unseres Gottes, wandeln“ (Zunz). Es kann also gut sein, dass die Zeitform hier die gegenwärtige Situation Michas meint. Mögen die Nationen ihre Götter haben, so wie es zur Zeit des Niedergangs im Nordreich war: „Und sie machten sich, Nation für Nation, ihre Götter, und stellten sie in die Höhenhäuser, die die Samariter gemacht hatten, Nation für Nation in ihren Städten, in denen sie wohnten ... Sie fürchteten den Herrn, und sie dienten ihren Göttern nach der Weise der Nationen, aus denen man sie weggeführt hatte. Bis auf diesen Tag tun sie nach den früheren Weisen: Sie fürchten den Herrnnicht, und sie tun nicht nach ihren Satzungen und nach ihren Rechten und auch nicht nach dem Gesetz und nach dem Gebot, das der Herrden Söhnen Jakobs geboten hatte, dem er den Namen Israel gab“ (2Kön 17,29.33.34), aber er und das wahre Volk Gottes wollten im Namen des Herrn leben.
Sollten wir dieses „Wir aber“ nicht auch für unsere Zeit auf unsere Herzen schreiben lassen? Wie nötig haben wir als Christen das „Wir aber“ oder das „Du aber“. Christen sind Nonkonformisten, sie denken antithetisch, schwimmen gegen den Strom, ja, sie dienen dem lebendigen Gott, ihrem Vater im Himmel. Daher bedenken wir das göttliche „Du aber“, wie immer wieder Einzelnen zugerufen wird: „Du aber gürte deine Lenden und mach dich auf und rede zu ihnen alles, was ich dir gebieten werde. Verzage nicht vor ihnen, damit ich dich nicht vor ihnen verzagt mache“ (Jer 1,17; 7,16; 11,14; 46,27).

 

Du aber, wenn du Wohltätigkeit übst, so lass deine Linke nicht wissen, was deine Rechte tut“ (Mt 6,3); und: „Du aber, wenn du betest, so geh in deine Kammer, und nachdem du deine Tür geschlossen hast, bete zu deinem Vater, der im Verborgenen ist, und dein Vater, der im Verborgenen sieht, wird es dir vergelten“ (Mt 6,6); und: „[Jesus] aber sprach zu ihm: Lass die Toten ihre Toten begraben, du aber geh hin und verkündige das Reich Gottes“ (Lk 9,60); und: „Du aber, o Mensch Gottes, fliehe diese Dinge; strebe aber nach Gerechtigkeit, Gottseligkeit, Glauben, Liebe, Ausharren, Sanftmut des Geistes“ (1Tim 6,11); und: „Du aber hast genau erkannt meine [o. bist genau gefolgt meiner ….; wie 1Tim 4,6] Lehre, mein Betragen, meinen Vorsatz, meinen Glauben, meine Langmut, meine Liebe, mein Ausharren“ (2Tim 3,10); und: „Du aber bleibe in dem, was du gelernt hast und wovon du völlig überzeugt bist, da du weißt, von wem du gelernt hast“ (2Tim 3,14); und: „Du aber sei nüchtern in allem, leide Trübsal, tu das Werk eines Evangelisten, vollführe deinen Dienst“ (2Tim 4,5); und: „Du aber rede, was der gesunden Lehre geziemt“ (Tit 2,1).

Genauso wichtig ist aber auch das „Wir aber“, das wir nicht in eigener Kraft aussprechen dürfen, sondern im Glaubensgehorsam gegenüber Gott, der uns durch den Heiligen Geist kräftigen will: „Wir aber – der Herrist unser Gott, und wir haben ihn nicht verlassen; und Priester, Söhne Aarons, dienen dem Herrn, und die Leviten tun ihre Arbeit“ (2Chr 13,10); und: „Diese denken an Wagen und jene an Rosse, wir aber erinnern uns an den Namen des Herrn, unseres Gottes“ (Ps 20,8); und: „Jene krümmen sich und fallen, wir aber stehen und halten uns aufrecht“ (Ps 20,9); und: „Wir aber, wir werden den Herrnpreisen von nun an bis in Ewigkeit. Lobt den Herrn!“ (Ps 115,18). „Wir aber, die Starken, sind schuldig, die Schwachheiten der Schwachen zu tragen und nicht uns selbst zu gefallen“ (Röm 15,1; vgl. 1Kor 1,23; 2,12.16; 9,25; 1Thes 5,8; Heb 10,39).

4,6–8 – An jenem Tag, spricht der HERR , werde ich das Hinkende sammeln und das Vertriebene zusammenbringen und den, dem ich Übles getan habe. Und ich werde das Hinkende zu einem Überrest und das weit Entfernte zu einer gewaltigen Nation machen; und der HERR wird König über sie sein auf dem Berg Zion, von nun an bis in Ewigkeit. Und du, Herdenturm, du Hügel der Tochter Zion, zu dir wird gelangen und zu dir wird kommen die frühere Herrschaft, das Königtum der Tochter Jerusalem.

In diesen beiden Versen wird eine wunderschöne Ermutigung ausgesprochen: Der Herrwird das Hinkende sammeln und das Vertriebene zusammenbringen. Das Hinkende soll zu einem Überrest werden und das weit Entfernte zu einer gewaltigen Nation. Und der, der sammeln wird, wird zugleich König sein. Der Herrsammelt, und Er wird König sein.

Das Hinkende wird der Herrsammeln. Warum wird hier dieses Wort „hinken“1 gebraucht? Vielleicht deswegen, weil Jakob, der Urvater dieses Volkes, in Pniel erlebte, wie er von dem Engel angerührt wurde und hinkte. Seine eigene Kraft wurde gebrochen, und so konnte ihm – geistlich gesprochen – die „Sonne aufgehen“. Er sagte: „Denn ich habe Gott von Angesicht zu Angesicht gesehen, und meine Seele ist gerettet worden“ (1Mo 32,31f.).

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Hebr. tzahlag= hinken (1Mo 32,32; Mich 4,6.7; Zeph 3,19). Das sind die einzigen Texte im AT, wo dieses Wort gebraucht wird.

In Zephanja 3,19 sagt Gott: „Siehe, ich werde zu jener Zeit mit allen deinen Bedrückern abrechnen und die Hinkenden retten und die Vertriebenen sammeln; und ich werde sie zum Lob und zum Namen machen in allen Ländern ihrer Schmach.“

Der Ausdruck „sammeln“1 deutet an, dass Gott in die politischen Gegebenheiten eingreifen wird und kein Volk sein Handeln und Wirken unterbinden kann. „Wenn deine Vertriebenen am Ende des Himmels wären, so wird der Herr, dein Gott, dich von dort sammeln und dich von dort holen“ (5Mo 30,4); und: „...er wird den Nationen ein Banner erheben und die Vertriebenen Israels zusammenbringen, und die Zerstreuten Judas wird er sammeln von den vier Enden der Erde“ (Jes 11,12; vgl. Jes 43,5; 54,7; Jer 23,3; 29,14; 31,10; Hes 11,17; 20,34; 28,25; 34,13; 36,24; 37,21; Zeph 3,19.20; Sach 10,8).

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Hebr. asaph= ein terminus technicus u. a. für das Sammeln des Volkes Gottes am Ende der Tage (Mich 2,12).

Diese Verheißungen sind noch nicht erfüllt worden. Augenblicklich wandern wohl Juden aus verschiedenen Ländern aus, um nach Israel zu ziehen, aber die in diesen Versen angedeutete Sammlung geht von Gott selbst aus und steht in Verbindung mit der Gegenwart des Messias in Jerusalem.

Aber wir finden noch einen weiteren wichtigen Hinweis. Das Volk war ja vertrieben (hebr. nahdach) worden. Gott selbst hat es getan. Er hatte es schon in 5. Mose 30,1 angedroht, aber Er hat auch hinzugefügt, dass Er sie wieder zurückbringen würde. Im 5. Buch Mose hat Gott es prophezeit: „Und es wird geschehen, wenn alle diese Worte über dich kommen, der Segen und der Fluch, die ich dir vorgelegt habe, und du es zu Herzen nimmst unter all den Nationen, wohin der Herr, dein Gott, dich vertrieben hat, und umkehrst zu dem Herrn, deinem Gott, und seiner Stimme gehorchst nach allem, was ich dir heute gebiete, du und deine Kinder, mit deinem ganzen Herzen und mit deiner ganzen Seele – so wird der Herr, dein Gott, deine Gefangenschaft wenden und sich deiner erbarmen; und er wird dich wieder sammeln aus all den Völkern, wohin der Herr, dein Gott, dich zerstreut hat. Wenn deine Vertriebenen am Ende des Himmels wären, so wird der Herr, dein Gott, dich von dort sammeln und dich von dort holen; und der Herr, dein Gott, wird dich in das Land bringen, das deine Väter besessen haben, und du wirst es besitzen; und er wird dir Gutes tun und dich mehren über deine Väter hinaus“ (5Mo 30,1–5).


Und auch Jeremia weissagt über diese Zeit: „,So wahr der Herrlebt, der die Kinder Israel heraufgeführt hat aus dem Land des Nordens und aus allen Ländern, wohin er sie vertrieben hatte!‘ Und ich werde sie in ihr Land zurückbringen, das ich ihren Vätern gegeben habe“ (Jer 16,15; vgl. 46,28; Dan 9,7).

Denken wir auch an das Gebet des Propheten Daniel, der betete: „Dein, o Herr, ist die Gerechtigkeit, unser aber die Beschämung des Angesichts, wie es an diesem Tag ist: der Männer von Juda und der Bewohner von Jerusalem, und des ganzen Israel, der Nahen und der Fernen, in allen Ländern, wohin du sie vertrieben hast wegen ihrer Treulosigkeit, die sie gegen dich begangen haben“ (Dan 9,7).

Vergessen wir es nie: Gott hat das Volk vertrieben, indem Er die Assyrer und die Babylonier als Werkzeuge gebrauchte. Es war ein Gericht Gottes wegen der Untreue und der Sünden seines Volkes. Aber Er hat Juda auch gesammelt, als Er den Geist des Königs Kores erweckte, der den Erlass herausgab, dass die Juden aus Babel nach Jerusalem zurückkehren konnten.

Welch eine Gnade: Gott greift in seiner richterlichen Autorität ein, aber Er ist auch der treue Hirte seines Volkes und sammelt die zerstreute Herde. Das will Er auch heute tun. Er sammelt, Satan und der Mensch zerstreuen. Er will zu sich ziehen, der Mensch will zum Menschen ziehen. Wenn sein Geist sammelt, dann ist Christus der Mittelpunkt, wenn der Mensch sammelt, dann wirkt das Fleisch, dann geht es nicht ohne Kompromisse, dann werden Verträge gemacht, Satzungen entworfen, Ausschüsse gebildet. Wenn Gott selbst handelt, dann liegen die Gläubigen auf den Knien, dann wirkt Gottes Geist durch Gottes Wort, und Er bewirkt Glaubensgehorsam in den Herzen der Kinder Gottes.

Das Vertriebene soll zusammengebracht1 werden. Während wir beim Sammeln (asaph) mehr an das Einsammeln des Volkes denken, wird in dem Wort kahbatz mehr an ein „Zusammenfassen“ mit einem bestimmten Ziel gedacht. „Und er wird den Nationen ein Banner erheben und die Vertriebenen Israels zusammenbringen, und die Zerstreuten Judas wird er sammeln von den vier Enden der Erde“ (Jes 11,12; vgl. Hes 11,17; Ps 107,3; Hes 38,8).

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Hebr. kahbatz= zusammenbringen, sammeln (5Mo 30,3; Ps 107,3; Jer 29,14; Mich 2,12).

 

Das Sammeln und Zusammenbringen des Volkes steht in Verbindung mit der Herrschaft des Messias, des Christus, der einmal alle seine Feinde unter seine Füße treten wird. Er wird als Menschensohn die Herrschaft für 1000 Jahre auf dieser Erde übernehmen.

Auch hier wollen wir das Wort Gottes selbst sprechen lassen. So lesen wir Botschaften über den König in den Psalmen. Der König ist der Herr, obwohl Er auch zugleich der gesalbte König auf dem Berg Zion ist: „Habe ich doch meinen König eingesetzt [viell. gesalbt] auf Zion, meinem heiligen Berg!“ (Ps 2,6). „Erhebt, ihr Tore, eure Häupter, und erhebt euch, ewige Pforten, damit der König der Herrlichkeit einziehe! Wer ist dieser König der Herrlichkeit? Der Herr, stark und mächtig! Der Herr, mächtig im Kampf!“ (Ps 24,7.8) „Gott ist ja mein König von alters her, der Rettungen verschafft inmitten des Landes“ (Ps 74,12).

Auch der Prophet Jesaja betont, dass der Herrder König ist, obschon auch ein Mensch: Er wird „regieren in Gerechtigkeit“ (Jes 32,1), man wird seine Schönheit sehen und ein weithin offenes Land (Jes 33,17). Er ist „Richter“, „der Herrunser Feldherr“, er wird retten, Er, „der Heilige“, der „Schöpfer Israels“ (Jes 43,15), der König und „Erlöser“, „der Erste und der Letzte“ (Jes 44,6).

Der Prophet Jeremia betont die gleiche Tatsache. Der König ist ein Nachkomme Davids, aber Er ist zugleich der lebendige Gott und ein ewiger König: „Aber der Herrist Gott in Wahrheit; er ist der lebendige Gott und ein ewiger König. Vor seinem Grimm erbebt die Erde, und seinen Zorn können die Nationen nicht ertragen“ (Jer 10,10).

Der Prophet Hesekiel redet von dem zukünftigen Knecht David, dass dieser ein Hirte ist: „Und mein Knecht David wird König über sie sein, und sie werden allesamt einen Hirten haben; und sie werden in meinen Rechten wandeln und meine Satzungen bewahren und sie tun“ (Hes 37,24).

Und Sacharja redet überdeutlich von diesem König, der auf einem Esel reiten wird, also ein Mensch ist. Aber der König ist auch der Herr, zu dem Jahr für Jahr Menschen aus den Nationen ziehen werden, um Ihn anzubeten und das Laubhüttenfest zu feiern. Ja, diejenigen, die das verweigern werden, müssen mit einer Trockenheit rechnen, die letztlich dazu führen wird, dass sie keine Nahrung mehr haben. Er, das Brot des Lebens, ist Herrscher über alle Naturgewalten. Er gibt Regen und Sonnenschein, Er segnet und verflucht. Er ist der ewige Schöpfer, der ewige König, dem allein Anbetung gebührt.

„Frohlocke laut, Tochter Zion; jauchze, Tochter Jerusalem! Siehe, dein König wird zu dir kommen: Gerecht und ein Retter [eig. ein mit Rettung (o. Heil) Begabter] ist er, demütig und auf einem Esel reitend, und zwar auf einem Fohlen, einem Jungen der Eselin“ (Sach 9,9).

Und der Herrwird König sein über die ganze Erde; an jenem Tag wird der Herreiner sein und sein Name einer“ (Sach 14,9).

„Und es wird geschehen, dass alle Übriggebliebenen von allen Nationen, die gegen Jerusalem gekommen sind, Jahr für Jahr hinaufziehen werden, um den König, den Herrnder Heerscharen, anzubeten und das Laubhüttenfest zu feiern. Und es wird geschehen, wenn eines von den Geschlechtern der Erde nicht nach Jerusalem hinaufziehen wird, um den König, den Herrn der Heerscharen, anzubeten: über dieses wird kein Regen kommen“ (Sach 14,16.17).

Es wird ganz konkret gesagt, dass der König zum Herdenturm, zum Hügel der Tochter Zion, kommen wird. Früher überwachte der Hirte seine Herde oft von einem Turm aus, aber wenn die Herde zerstreut ist, nützt auch ein solcher Turm nichts mehr. Doch nun wird prophezeit, dass die frühere Herrschaft wiederkehren wird. Jerusalem wird wieder das Königtum bekommen; es wird eine Königsstadt sein, die Stadt des großen Königs.

Der König wird zugleich der eine Hirte sein, der seine Schafe gesammelt hat. Er wird sie bewachen, denn Er wird Herrscher über die ganze Erde sein.

 

 

Sie krümmen alles Gerade: Waren es die Dialektiker jener Tage? In Sprüche 28,18 heißt es: „... wer aber verkehrt [d. h. falsch, o. heuchlerisch] auf zwei Wegen geht, wird auf einmal fallen“, und in Sprüche 10,9 lesen wir: „... wer aber seine Wege krümmt, wird bekannt werden.“ Es traf auf diese Führer zu, was der Prophet Jesaja sagt: „Den Weg des Friedens kennen sie nicht, und kein Recht ist in ihren Spuren. Ihre Pfade machen sie krumm – wer irgend sie betritt, kennt keinen Frieden“ (Jes 59,8).


Kennen wir auch diesen wunderbaren Ort, wo wir als Kinder Gottes zusammenkommen, uns versammeln, um Gott, den Vater, und seinen Sohn Jesus Christus, den großen Hirten der Schafe, anzubeten in Geist und Wahrheit (vgl. Joh 4,24)? Ist es nicht ein unermessliches Vorrecht, „auf dem neuen und lebendigen Weg, den er uns eingeweiht hat durch den Vorhang hin, das ist sein Fleisch“ (Heb 10,20), in das Heiligtum einzutreten? Ein Heiligtum, nicht aus Holz und Stein, nicht aus Gold und Silber, sondern ein geistliches Heiligtum? Wir dürfen in die direkte Gegenwart Gottes mit Freimütigkeit treten, dürfen hinzutreten zu dem „Thron der Gnade“ (Heb 4,16), dürfen den „großen Priester über das Haus Gottes“ kennen (Heb 10,21).

„Durch ihn nun lasst uns Gott stets ein Opfer des Lobes darbringen, das ist die Frucht der Lippen, die seinen Namen bekennen [o. segnen, o. preisen]“ (Heb 13,15). Der Apostel Petrus schreibt: „Zu welchem kommend, als zu einem lebendigen Stein, von Menschen zwar verworfen, bei Gott aber auserwählt, kostbar, werdet auch ihr selbst als lebendige Steine aufgebaut, ein geistliches Haus, zu einer heiligen Priesterschaft, um darzubringen geistliche Schlachtopfer, Gott wohlangenehm durch Jesus Christus“ (1Pet 2,4.5).

Wenn wir so vor Gott hintreten, dann ist das nichts für das Fleisch, nichts menschlich Attraktives. Nein, unser Gottesdienst ist geistlich, geschieht durch den Heiligen Geist: „Denn wir sind die Beschneidung, die wir durch den Geist Gottes dienen1 und uns Christi Jesu rühmen und nicht auf Fleisch vertrauen“ (Phil 3,3); und: „... wie viel mehr wird das Blut des Christus, der durch den ewigen Geist sich selbst ohne Flecken Gott geopfert hat, euer Gewissen reinigen von toten Werken, um dem lebendigen Gott zu dienen!“ (Heb 9,14). „Deshalb, da wir ein unerschütterliches Reich empfangen, lasst uns Gnade haben, durch die wir Gott wohlgefällig dienen mögen mit Frömmigkeit [o. Ehrfurcht] und Furcht“ (Heb 12,28).

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In allen folgenden Bibelstellen steht immer das Wort latreuo, was so viel wie „Gottesdienst darbringen“ bedeutet.

Wir verstehen dann auch, dass wahrer Gottesdienst nichts mit Zeremonien und Ritualen zu tun hat, sondern einfach mit unserem Leben. Unser ganzes Leben soll ein Gottesdienst sein: „Ich ermahne euch nun, Brüder, durch die Erbarmungen Gottes, eure Leiber darzustellen als ein lebendiges, heiliges, Gott wohlgefälliges Schlachtopfer, was euer vernünftiger Dienst [o. vernünftiger Gottesdienst]1 ist“ (Röm 12,1).

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Hier steht das Hauptwort latreia.

 

Wahrer Gottesdienst ist also ein gottgeweihtes Leben, das darin besteht, dass wir Gottes Ehre suchen, seine Herrlichkeit bewundern, Ihm huldigen und Ihn verehren durch unsere Worte, Taten und Wege. Gottesdienst ist kein Aktionismus, keine Gefühlsduselei, kein „Event“, wo man mit Instrumenten, Solos und Duos die Gefühle aufpeitscht und künstlerisches Geschick zeigt und so emotionale Regungen bewirkt. Nein, Gottesdienst zeigt sich im Leben der Christen und in ihren Zusammenkünften, wenn der Heilige Geist Christus groß machen kann, wenn die Gläubigen durch Gottes Wort erbaut werden, wenn Christen ein Empfinden für die Gegenwart Gottes erleben und sich vor Ihm demütigen.

Wenn Gläubige das Mahl des Herrn einnehmen, dann denken sie an Ihn, bringen Ihm Lob und Dank dar, dann bewundern sie seine Tat von Golgatha, verkünden seinen Tod, gedenken an Ihn und fallen geistlich (vielleicht auch körperlich) vor Ihm nieder. Man wird nicht durcheinander reden und beten, sondern nacheinander; man wird aufeinander warten, weil die Liebe immer den anderen zuerst sucht und nicht sich selbst. Christus ist der Heiligende und der, der das Lob inmitten der Versammlung anstimmt.

„Denn sowohl der, der heiligt, als auch die, die geheiligt werden, sind alle von einem; um welcher Ursache willen er sich nicht schämt, sie Brüder zu nennen, indem er spricht: ‚Ich will deinen Namen meinen Brüdern kundtun; inmitten der Versammlung will ich dir lobsingen‘“ (Heb 2,11.12).

Wenn das Leben der einzelnen Gläubigen echter Gottesdienst ist, dann wird auch das Zusammenkommen der Gläubigen ein wirklicher Gottesdienst, ein Vorgeschmack des Himmels, sein.

Lasst uns noch einmal festhalten, was wir in diesen acht Versen gelernt haben: Erstens wird Jerusalem die Stadt des Messias sein, und von dort aus wird das Recht ausgehen. Zweitens werden Völker zum Haus des Herrn strömen und den Herrn anbeten. Drittens werden die Menschen in Ruhe und Sicherheit leben. Es wird kein Krieg mehr gelernt werden. Viertens werden die Menschen erleben, wie die Erde Frucht hervorbringt. Fünftens werden die Gläubigen im Namen des Herrn wandeln, sie werden den Herrnauf dieser Erde groß machen. Sechstens: Christus, der Messias, wird Richter sein, ein unbestechlicher Richter. Noch einmal: Wahrer Gottesdienst macht Gott groß und den Menschen klein. Falscher Gottesdienst erhebt den Menschen und verdunkelt dadurch die Herrlichkeit und Majestät Gottes.

6. Die bevorstehende babylonische Gefangenschaft (Kapitel 4,9–14)

4,9–11 – Nun, warum erhebst du ein Geschrei? Ist kein König in dir? Oder ist dein Ratgeber umgekommen, dass dich Wehen ergriffen haben wie eine Gebärende? Kreiße und stöhne, Tochter Zion, wie eine Gebärende! Denn nun wirst du aus der Stadt hinausziehen und auf dem Feld wohnen und bis nach Babel kommen. – Dort wirst du errettet werden, dort wird der HERR dich aus der Hand deiner Feinde erlösen. Und nun haben sich viele Nationen gegen dich versammelt, die sprechen: Sie werde entweiht, und unsere Augen mögen mit Genugtuung auf Zion sehen!

In Vers 9 befinden wir uns wieder deutlich in der historischen Situation, die Micha so hautnah erlebt hat. Micha hört im Geist das Geschrei, ja, auch Gott hört es. Der König war offensichtlich nicht mehr der Führer des Volkes, Ratgeber waren aus der Stadt verschwunden. Die Tochter Zion, das Volk von Jerusalem, schrie wie eine Gebärende. Der Schmerz muss furchtbar gewesen sein. Das Volk wird nach Babel weggeführt. Man übernachtete auf dem Feld. Man war dem Feind schutzlos ausgeliefert. Alle Hoffnung war entschwunden. Die Babylonier nahmen Jerusalem ein, schändeten den Tempel und zerstörten ihn, Menschen mussten sterben, und viele wurden in die Gefangenschaft geführt. Wenn wir die Empfindungen des Überrestes in Jerusalem ein wenig nachempfinden wollen, müssen wir uns den Klageliedern Jeremias zuwenden: „Wie sitzt einsam die volkreiche Stadt, ist einer Witwe gleich geworden die Große unter den Nationen! Die Fürstin unter den Landschaften ist fronpflichtig geworden! Bitterlich weint sie bei Nacht, und ihre Tränen sind auf ihren Wangen; sie hat keinen Tröster unter allen, die sie liebten; alle ihre Freunde haben treulos an ihr gehandelt, sind ihr zu Feinden geworden“ (Klgl 1,1.2). „Die Wege Zions trauern, weil niemand zum Fest kommt; alle ihre Tore sind öde; ihre Priester seufzen; ihre Jungfrauen sind betrübt, und ihr selbst ist es bitter“ (Klgl 1,4). „In den Tagen ihres Elends und ihres Umherirrens erinnert Jerusalem sich an alle ihre Kostbarkeiten, die seit den Tagen der Vorzeit waren, da nun ihr Volk durch die Hand des Bedrängers gefallen ist und sie keinen Helfer hat; die Bedränger sehen sie an, spotten über ihren Untergang. Jerusalem hat schwer gesündigt, darum ist sie wie eine Unreine geworden; alle, die sie ehrten, verachten sie, weil sie ihre Blöße gesehen haben; auch sie selbst seufzt und wendet sich ab. Ihre Unreinheit ist an ihren Säumen, sie hat ihr Ende nicht bedacht und ist erstaunlich gefallen: Da ist niemand, der sie tröstet. Sieh, Herr, mein Elend, denn der Feind hat großgetan!“ (Klgl 1,7–9). „Mach dich auf, klage in der Nacht beim Beginn der Nachtwachen, schütte dein Herz aus wie Wasser vor dem Angesicht des Herrn; hebe deine Hände zu ihm empor für die Seele deiner Kinder, die vor Hunger verschmachten an allen Straßenecken! Sieh, Herr, und schau, wem du so getan hast! Sollen Frauen ihre Leibesfrucht essen, die Kinder, die sie auf den Händen tragen? Sollen Priester und Prophet im Heiligtum des Herrn ermordet werden? Knaben und Greise liegen am Boden auf den Gassen; meine Jungfrauen und meine Jünglinge sind durchs Schwert gefallen; hingemordet hast du am Tag deines Zorns, geschlachtet ohne Schonung“ (Klgl 2,19–21).

Jesaja hatte schon während der Regierungsperiode des Königs Hiskia von dieser Zeit prophezeit: „Siehe, es kommen Tage, da alles, was in deinem Haus ist und was deine Väter aufgehäuft haben bis auf diesen Tag, nach Babel weggebracht werden wird; es wird nichts übrig bleiben, spricht der Herr. Und von deinen Söhnen, die aus dir hervorkommen werden, die du zeugen wirst, wird man nehmen, und sie werden Hofbeamte im Palast des Königs von Babel sein“ (Jes 39,6.7).

Wie Gott es durch viele Propheten vorausgesagt hatte, so ist es geschehen. Habakuk hatte es prophezeit: „Denn siehe, ich erwecke die Chaldäer, das grimmige und ungestüme Volk, das die Breiten der Erde durchzieht, um Wohnungen in Besitz zu nehmen, die ihm nicht gehören. Es ist schrecklich und furchtbar; sein Recht und seine Hoheit gehen von ihm aus. Und schneller als Leoparden sind seine Pferde und rascher als Abendwölfe; und seine Reiter sprengen daher, und seine Reiter kommen von fern, fliegen herbei wie ein Adler, der zum Fraß eilt. Sie kommen allesamt zur Gewalttat; das Streben ihrer Angesichter ist vorwärts gerichtet, und Gefangene rafft es zusammen wie Sand. Und es verspottet Könige, und Fürsten sind ihm ein Gelächter; es lacht jeder Festung, und es schüttet Erde auf und nimmt sie ein. Dann fährt es daher wie der Wind und zieht weiter und macht sich schuldig: Diese seine Kraft ist sein Gott [hebr. Eloah]!“ (Hab 1,6–11).

Zephanja weissagte über die Folgen des Kommens der Babylonier, obwohl er diesen Feind nicht mit Namen nennt1 : „Und ich werde meine Hand ausstrecken gegen Juda und gegen alle Bewohner von Jerusalem. Und ich werde aus diesem Ort den Überrest des Baal, den Namen der Götzenpriester samt den Priestern ausrotten; und die, die auf den Dächern das Heer des Himmels anbeten, und die Anbetenden, die dem Herrnschwören und bei ihrem König2 schwören; und die, die von dem Herrnzurückweichen und die den Herrnnicht suchen noch nach ihm fragen“ (Zeph 1,4–6).

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Zephanja prophezeite in den Tagen Josias (Zeph 1,1).

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Hebr. malkam; wahrscheinlich eine Anspielung auf Milkom (o. Molech).

„Und es wird geschehen an dem Tag des Schlachtopfers des Herrn, da werde ich die Fürsten und die Königssöhne heimsuchen und alle, die sich mit fremdländischer Kleidung bekleiden. Und an jenem Tag werde ich jeden heimsuchen, der über die Schwelle springt [d. h. gewaltsam in die Häuser eindringt], alle, die das Haus ihres Herrn mit Gewalttat und Betrug erfüllen. Und an jenem Tag, spricht der Herr, wird ein Geschrei vom Fischtor her erschallen und ein Geheul von der Unterstadt [eig. vom zweiten Stadtteil] und lautes Jammern von den Hügeln her“ (Zeph 1,8–10). „Und es wird geschehen zu jener Zeit, da werde ich Jerusalem mit Leuchten durchsuchen; und ich werde die Männer heimsuchen, die auf ihren Hefen liegen, die in ihrem Herzen sprechen: Der Herrtut nichts Gutes und tut nichts Böses. Und ihr Vermögen wird zum Raub, und ihre Häuser werden zur Wüste werden; und sie werden Häuser bauen und sie nicht bewohnen, und Weinberge pflanzen und deren Wein nicht trinken“ (Zeph 1,12.13). „Und ich werde die Menschen ängstigen, und sie werden umhergehen wie die Blinden, weil sie gegen den Herrngesündigt haben; und ihr Blut wird verschüttet werden wie Staub, und ihr Fleisch wie Kot; auch ihr Silber, auch ihr Gold wird sie nicht retten können am Tag des Grimmes des Herrn; und durch das Feuer seines Eifers wird das ganze Land verzehrt werden. Denn ein Ende, ja, ein plötzliches Ende wird er mit allen Bewohnern des Landes machen“ (Zeph 1,17.18).

Aber es fehlt auch hier nicht der Trost, denn Micha betont ausdrücklich, dass der hier angesprochene Teil des Volkes Israel errettet und erlöst werden wird aus der Hand seiner Feinde. Wenn Gott Gericht und Züchtigung über sein Volk bringen muss, so wird der Treue, der sein Ohr dem Wort Gottes leiht und die Stimme des guten Hirten kennt, doch auch immer Verheißungen hören. Doch zunächst muss Jerusalem erleben, dass viele Nationen sich gegen die Stadt versammelt haben. Man hört die Worte des Feindes: „Sie werde entweiht, und unsere Augen mögen mit Genugtuung auf Zion sehen!“

4,12–14 – Aber sie kennen die Gedanken des HERRN nicht und verstehen seinen Ratschluss nicht; denn er hat sie gesammelt, wie man Garben auf die Tenne sammelt. Mach dich auf und drisch, Tochter Zion! Denn ich werde dein Horn zu Eisen und deine Hufe zu Erz machen, und du wirst viele Völker zermalmen; und ich werde ihren Raub [eig. ihren unrechtmäßigen Gewinn] dem HERRN verbannen [d. h. weihen; vgl. 3. Mose 27,21 usw.] und ihr Vermögen dem Herrn der ganzen Erde. Nun dränge dich zusammen, Tochter des Gedränges: Man hat eine Belagerung gegen uns gerichtet; mit dem Stab schlagen sie den Richter Israels auf die Wange.1

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O. „… werden sie den Richter Israels auf die Wange schlagen.“

 

Das ist genau das Problem vieler Völker dieser Erde. Sie kennen nicht die Gedanken Gottes. Wie viele politische Ratgeber, Könige, Präsidenten haben ihre strategischen Pläne ohne Gott gemacht und wussten nicht, dass sie sehr oft bei ihren Siegen einfach Werkzeuge in Gottes Hand waren. Auch die Babylonier waren nur das Werkzeug Gottes. Und auch dieses Volk musste schließlich erfahren, dass sich Gottes Gedanken auch gegen Babel wendeten. Der Prophet Jeremia weissagte: „Da erbebt und erzittert die Erde; denn die Gedanken des Herrnerfüllen sich gegen Babel, um das Land Babel zu einer Wüste zu machen, ohne Bewohner“ (Jer 51,29). Das hätten Nebukadnezar und die nachfolgenden Könige nicht gedacht. Könige säen Leid, aber sie ernten es auch. „Wie du getan hast, wird dir getan werden; dein Tun wird auf deinen Kopf zurückkommen“ (Obad 15). Auch das Volk Gottes kennt oft die Gedanken Gottes nicht. Es handelt nach Gutdünken, nach eigenen Überlegungen, Vorstellungen und Idealen, aber eben ohne Gott, ohne Ihn zu befragen. Ist das nicht auch häufig unser Problem? Erbitten, ja, erflehen wir noch persönlich und auch als örtliche Gemeinde die Erkenntnis des Willens Gottes? Möchten wir Gottes Gedanken nicht gerne kennenlernen? Dazu bedarf es eines intensiven Gebetslebens und eines intensiven Studiums der Aussagen Gottes in seinem Wort. Nehmen wir uns Zeit dafür?

 

Sie verstehen Gottes Ratschluss1 nicht. Auch in Jeremia 50,45 lesen wir von diesem Ratschluss im Blick auf den Untergang Babels: „Darum hört den Ratschluss des Herrn, den er über Babel beschlossen hat, und seine Gedanken, die er über das Land der Chaldäer denkt: Ja, man wird sie fortschleppen, die Geringen der Herde; ja, der Weideplatz wird sich über sie entsetzen!“2

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Hebr. getzah= Ratschluss, Plan, Rat, auch Ratgeber (Jes 40,13; Ps 119,24), Entschluss. So kann man im Rat der Gottlosen wandeln (Ps 1,1) oder aber durch Gottes Rat geleitet werden (Ps 73,24) und seinen Rat tun (Esra 10,3). Manchmal wartet man nicht auf Gottes Rat (Ps 106,13) und ist sogar gegen Ihn widerspenstig mit seinen eigenen Plänen (Ps 106,43). Das ist sehr ernst, denn solchen ruft Sprüche 1,24–31 zu: „Weil ich gerufen habe und ihr euch geweigert habt, meine Hand ausgestreckt habe und niemand zugehört hat, und ihr all meinen Rat verworfen und meine Zucht nicht gewollt habt, so werde auch ich bei eurem Unglück lachen, werde spotten, wenn der Schrecken über euch kommt; wenn der Schrecken über euch kommt wie ein Unwetter, und euer Unglück hereinbricht wie ein Sturm, wenn Bedrängnis und Angst über euch kommen. Dann werden sie zu mir rufen, und ich werde nicht antworten; sie werden mich eifrig suchen und mich nicht finden, weil sie Erkenntnis gehasst und die Furcht des Herrnnicht erwählt, nicht eingewilligt haben in meinen Rat, verschmäht haben all meine Zucht. Und sie werden essen von der Frucht ihres Weges und von ihren Plänen sich sättigen“ (vgl. das Wort auch noch in Spr 8,14; 12,15; 19,20.21; 20,5.18; 21,30; 27,9).

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Ähnlich hat Gott seinen Ratschluss über den Untergang Assyriens (Jes 14,26) und Edoms (Jer 49,20) verkündigt.

Wie haben die Könige Babels ihr Land gerühmt, wie haben sie sich selbst dargestellt. Irgendwann wird der Hochmut eines Menschen gerichtet, denn „Gott widersteht den Hochmütigen, den Demütigen aber gibt er Gnade“ (Jak 4,6; 1Pet 5,5).

Aber lasst uns uns selbst auch in das Licht Gottes stellen. Sind nicht auch in uns oft viele Gedanken? Schließen wir Gott nicht oft aus unseren Plänen aus? Wenn der Herrden Ratschluss der Nationen zunichtemacht und die Gedanken der Völker vereitelt (Ps 33,10), müssen wir uns dann wundern, dass Er auch bei uns, seinen Kindern, ähnlich handelt? Denn: „Viele Gedanken sind im Herzen eines Mannes; aber der Ratschluss des Herrn, er kommt zustande“ (Spr 19,21).

Unsere Pläne sind nicht immer seine Pläne, unsere Gedanken sind nicht seine Gedanken. Doch eines steht fest: „Der Ratschluss des Herrnbesteht ewig, die Gedanken seines Herzens von Geschlecht zu Geschlecht“ (Ps 33,11).

Wollen wir uns nicht gegenseitig ermutigen, seine Pläne kennenzulernen, seine Ratschlüsse zu lieben und ihnen vorbehaltlos zu vertrauen?

Aber dann heißt es: „... denn er [Gott] hat sie gesammelt, wie man Garben auf die Tenne sammelt. Mach dich auf und drisch, Tochter Zion! Denn ich werde dein Horn zu Eisen und deine Hufe zu Erz machen, und du wirst viele Völker zermalmen“. Das Volk Gottes könnte vor dieser Ansammlung von Völkern Angst haben, könnte mutlos werden. Jegliche Hoffnung, den Feind zu überwinden, scheint dahin zu sein, aber dann heißt es: „Gott hat sie gesammelt“, und Zion soll nun stark sein und sie wie Weizen auf der Tenne dreschen. Das „Horn“ Zions und seine „Hufe“ – Ausdrücke für die Kraft des Volkes Gottes und die Geschwindigkeit, mit der das Volk siegen wird – sollen zu Erz werden, sollen unüberwindbar sein. Zion, das ist Jerusalem, ist zwar von Feinden umgeben, aber es soll im Glauben, im Vertrauen auf Gott, den Sieg proklamieren. Im Gehorsam dem Wort Gottes gegenüber sollen sie kämpfen – und sie werden siegen.

Wann ist das geschehen bzw. wann wird dies geschehen? Aus der biblischen Geschichte Israels ist keine Begebenheit bekannt, wo sich Völker gegen Jerusalem zusammengerottet haben und Jerusalem sie besiegt hätte. Also muss hier an eine zukünftige Schlacht gedacht werden. Genau dasselbe finden wir auch in Sacharja 14,3.4.12–15: „Und der Herrwird ausziehen und gegen jene Nationen kämpfen, wie an dem Tag, da er kämpft, an dem Tag der Schlacht. Und seine Füße werden an jenem Tag auf dem Ölberg stehen, der vor Jerusalem im Osten liegt; und der Ölberg wird sich in der Mitte spalten nach Osten und nach Westen hin, zu einem sehr großen Tal, und die Hälfte des Berges wird nach Norden und seine andere Hälfte nach Süden weichen … Und dies wird die Plage sein, womit der Herralle Völker plagen wird, die gegen Jerusalem Krieg geführt haben: Er wird eines jeden Fleisch verwesen lassen, während er auf seinen Füßen steht, und seine Augen werden verwesen in ihren Höhlen, und seine Zunge wird in seinem Mund verwesen. Und es wird geschehen an jenem Tag, da wird eine große Verwirrung von dem Herrnunter ihnen entstehen; und sie werden einer die Hand des anderen ergreifen, und eines jeden Hand wird sich gegen die Hand seines Nächsten erheben. Und auch Juda wird in Jerusalem kämpfen; und der Reichtum aller Nationen ringsum wird gesammelt werden: Gold und Silber und Kleider in großer Menge. Und ebenso wie diese Plage wird die Plage der Pferde, der Maultiere, der Kamele und der Esel und alles Viehs sein, das in jenen Heerlagern sein wird.“
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Vgl. auch weitere prophetische Texte, die darauf hinweisen, dass Nationen sich gegen Jerusalem versammeln (Jes 17,12–14; 29,8; 30,27–33; Joel 4,1ff.; Obad 15.16; Mich 5,14; Zeph 3,8; Sach 12,2–9).

Prophetisch ist hier sicher an die zukünftige Macht gedacht, an den König des Nordens, wie er in Daniel 11,40 genannt wird und der mit dem Assyrer verbunden ist. Manche Ausleger weisen darauf hin, dass der Assyrer zuerst aus dem Norden angreifen (vgl. Jes 28,14–19; Joel 2,9–11; Zeph 1; Sach 14,1.2) und Jerusalem belagern, ja, auch einnehmen und bedrücken wird. Doch dann zieht er weiter nach Ägypten, um anschließend Jerusalem zum zweiten Mal zu belagern, von Israel bekämpft und schließlich von dem kommenden Herrnbesiegt zu werden (vgl. Jes 29,3–5; Joel 2,17; Sach 12,3.4.12–15). Der Überrest Israels, der so viel Leid durchstehen wird, soll dann erleben, wie der Herrselbst dieses bedrängte Volk durch sein göttliches Eingreifen befreien wird.

Das Eigentum des Feindes soll dem Herrngeweiht werden, ja, das ganze Vermögen soll dem Herrn der ganzen Erde1 gehören. Was wird das für ein gewaltiger Augenblick sein, wenn schließlich die Füße des Herrn auf dem Ölberg stehen werden und Er beweisen wird, dass seine Herrschaft die ganze Erde umfasst, letztlich das ganze Weltall.

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Hebr. laadon kal haaretz= der Herr der ganzen Erde (vgl. Jos 3,11.13; Ps 97,5; Sach 4,14; 6,5).

Noch einmal folgt eine Aufforderung: „Nun dränge dich zusammen, Tochter des Gedränges: Man hat eine Belagerung gegen uns gerichtet; mit dem Stab schlagen sie den Richter Israels auf die Wange.“

Ein Zusammendrängen setzt Einmütigkeit voraus. Das Volk soll seinen wahren Feind erkennen, soll einen Blick für die Belagerung bekommen. Dieses Volk, das so zerstreut war, soll eins sein, soll den Blick auf den kommenden Herrn richten und dem Wort Gottes gehorsam sein, dann werden sie den Sieg erringen. Die Übermacht des Feindes ist zwar eine Herausforderung, aber der Glaube sieht nicht den Feind, sondern Gottes Macht. Hat das einst nicht auch der Knecht Elisas erlebt? „Aber er sprach: Fürchte dich nicht! Denn mehr sind die, die bei uns, als die bei ihnen sind. Und Elisa betete und sprach: Herr, tu doch seine Augen auf, dass er sehe! Da tat der Herrdie Augen des Knaben auf; und er sah: Und siehe, der Berg war voll feuriger Pferde und Wagen, rings um Elisa her. Und sie kamen zu ihm herab; und Elisa betete zu dem Herrnund sprach: Schlage doch dieses Volk mit Blindheit! Und er schlug sie mit Blindheit nach dem Wort Elisas“ (2Kön 6,16).

Doch dann steht dort in Micha unvermittelt: „Mit dem Stab
1 schlagen2 sie den Richter Israels auf die Wange.“ Wer ist der Richter, der auf die Wange geschlagen wird? Da der Satz auch in der Zeitform des Futurs wiedergegeben werden kann, kann es sich hier um einen zukünftigen Richter handeln.3 Man hat an Hiskia oder auch an Zedekia gedacht. Aber dafür gibt es weder in den Geschichtsbüchern Könige und Chronika noch in den prophetischen Schriften deutliche Hinweise.

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Hebr. schebäth= Zepter (1Mo 49,10; Ps 45,7; Hes 19,11; Amos 1,5); Rute (Spr 13,24; 22,15; 23,13.14; 29,15; Jes 11,4); Stamm (1Mo 49,16.28; 4Mo 4,18; 5Mo 1,13; Hos 5,9 u. v. a. St.).

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Das Verb nahchah bedeutet „schlagen“ und wird prophetisch in Jesaja 50,6 auf den Messias bezogen: „Ich bot meinen Rücken den Schlagenden“, aber dann in Jesaja 11,4: „Und er wird die Erde schlagen mit der Rute seines Mundes.“

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Das hebr. Wort schaphat wird hier als Partizip gebraucht. In Micha 3,11; 7,3 wird es mit „richten“ bzw. „Richter“ wiedergegeben, manchmal auf Gott als Richter bezogen (1Mo 18,25; Hiob 9,15; 23,7; Ps 7,12; 9,5; 68,6; 75,8; 94,2; Jes 33,22).

Viele nehmen an, dass sich dieser Text auf den Messias bezieht. Es ist wahr, dass man den Herrn mit dem Stab geschlagen hat, allerdings steht nirgends, dass Er mit dem Stab auf die Wange geschlagen wurde. Er bot seine Wangen1 den Raufenden.

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Hebr. l’chij= Wange (Jes 50,6; vgl. Hld 1,10; 5,13; Klgl 3,30).

Nun muss man den Zusammenhang des Textes gut bedenken. Zunächst wird deutlich gemacht, dass in Jerusalem kein Ratgeber mehr gefunden wird (4,9), dann wird darauf hingewiesen, dass Zion nach Babel verschleppt wird (4,10a); von dort aus wird der Herrsie wieder erlösen (4,10b). Doch dann wird eine erneute Belagerung Jerusalems erwähnt. Viele Nationen versammeln sich gegen die Stadt und wollen sie entweihen. Aber dann redet Gott durch den Propheten und weist auf die Unwissenheit dieser Völker hin, denn Er hat sie gesammelt (4,12a). Er fordert zum Kampf auf.

Vers 14 führt nun zu einem neuen Abschnitt: Für die Aufforderung, sich zusammenzudrängen, werden zwei Begründungen gegeben:

1. Die Belagerung durch die Feinde. Nun, wenn wir uns einmal die Kämpfe um und mit Jerusalem anschauen, dann gab es verschiedene Kriege: Um 925 v.Chr. wurde Jerusalem von dem ägyptischen König Sisak erobert, um 843 v. Chr. von den Arabern und Philistern, um 800 v. Chr. bedrohte Hasael von Syrien die Stadt; um 792 v.Chr. riss Joas von Israel die Mauer der Stadt ein, die damals von Amazja regiert wurde. Um 701 – zur Zeit des 14. Jahres der Regentschaft des Königs Hiskia (2Kön 18,17; 2Chr 32,9.10) – belagerte Sanherib die Stadt, wurde aber durch einen Engel des Herrn geschlagen. Nach 648 v. Chr. führten die Assyrer den König Manasse gefangen weg nach Babel. Da Manasse Buße tat, durfte er später nach Jerusalem zurückkehren. Um 609 v.Chr. besetzte Pharao Neko die Stadt. Schließlich belagerte der neubabylonische König Nebukadnezar um 605 und 597 die Stadt und nahm sie schließlich nach 2½-jähriger Belagerung im Jahre 586 v. Chr. ein. Obwohl sie zur Zeit Esras und Nehemias (von 538 v. Chr. an) wieder aufgebaut wurde, wurde sie von Alexander dem Großen im Jahre 332 v. Chr. bezwungen und wechselte in der Zeit seiner Nachfolger und in der Zeit der Makkabäer wiederholt den Besitzer. Im Jahre 63 v. Chr. eroberte Pompejus Jerusalem, und 40 v. Chr. fiel die Stadt den Parthern in die Hände. Erst 37 v.Chr. eroberte Herodes, der Idumäer, sie zurück. Im sog. „Jüdischen Krieg“ (70 n. Chr.) wurde Jerusalem von den Römern vollständig zerstört. Kaiser Hadrian baute in den Jahren 132–135 n. Chr. auf den Trümmern eine heidnische Stadt, Colonia Aelia Capitolina, mit einem Jupitertempel auf dem Tempelplatz. Um 638 eroberten die Araber diese Stadt und errichteten den Felsendom der Moslems. Erst nach 1948, als die Juden in ihr Land zurückkehren durften, begann man an den Wiederaufbau dieser Stadt zu denken.

Wie viel Leid hat diese Stadt erfahren, wie viele Belagerungen erlebt. Am Ende der Zeit wird es noch eine schlimme Belagerung durch den kommenden König des Nordens geben, den Assyrer. Aber die dann folgende Schlacht wird durch den Mann entschieden, den man einst auf die Wange schlug.

2. Damit sind wir bei der zweiten Begründung: Der Richter Israels ist der Messias, der einst geschlagen wurde, den man verhöhnt hat, dem man völlig vertrauen kann, der einst seinen Rücken den Schlagenden bot und der sein Angesicht nicht vor Schmach und Speichel verbarg; der dann sagte: „Aber der Herr, Herr, hilft mir; darum bin ich nicht zuschanden geworden, darum machte ich mein Angesicht wie einen Kieselstein und wusste, dass ich nicht würde beschämt werden. Nahe ist, der mich rechtfertigt: Wer will mit mir rechten? Lasst uns zusammen hintreten! Wer hat eine Rechtssache gegen mich? Er trete her zu mir! Siehe, der Herr, Herr, wird mir helfen: Wer ist es, der mich für schuldig erklären könnte? Siehe, allesamt werden sie zerfallen wie ein Kleid, die Motte wird sie fressen“ (Jes 50,7–9).

Es ist nicht von ungefähr, dass wir in Vers 12 gelesen haben, dass die Völker den Ratschluss Gottes nicht verstehen, denn im Neuen Testament lesen wir, dass dieser Richter Israels nach dem bestimmten Ratschluss und nach Vorkenntnis Gottes durch die Hand von Gesetzlosen ans Kreuz geschlagen und umgebracht worden ist (Apg 2,23f.), und Petrus sagt dem Volk Israel noch einmal: „Die Könige der Erde traten auf, und die Obersten versammelten sich miteinander gegen den Herrn und gegen seinen Christus. Denn in dieser Stadt versammelten sich in Wahrheit gegen deinen heiligen Knecht Jesus, den du gesalbt hast, sowohl Herodes als auch Pontius Pilatus mit den Nationen und den Völkern Israels, um alles zu tun, was deine Hand und dein Ratschluss zuvor bestimmt hat, dass es geschehen sollte“ (Apg 4,26–28).

Dieser Richter ist zugleich der König der Könige und der Herr der Herren, der Fürst der Könige der Erde (vgl. Off 17,14; 1,5).

Er, der wahre und gerechte Richter, ließ sich einst von ungerechten Richtern verurteilen und töten. Er musste klagen: „Denn Hunde haben mich umgeben, eine Rotte von Übeltätern hat mich umzingelt. Sie haben meine Hände und meine Füße durchgraben. Alle meine Gebeine könnte ich zählen. Sie schauen und sehen mich an; sie teilen meine Kleider unter sich, und über mein Gewand werfen sie das Los. Du aber, Herr, sei nicht fern! Meine Stärke, eile mir zu Hilfe! Errette vom Schwert meine Seele, meine einzige [o. meine einsame; o. meine verlassene] von der Gewalt des Hundes; rette mich aus dem Rachen des Löwen!“(Ps 22,17–22). Aber es kam auch das Wort über seine Lippen: „Ja, du hast mich erhört von den Hörnern der Büffel“ (Ps 22,22).

Aber das geschah, weil es Gottes Plan war, sein unwandelbarer Ratschluss. Es musste geschehen, damit du und ich für ewig gerettet werden konnten. Ewig sei dieser wunderbare Herr gelobt und gepriesen. Ihm sei Lob und Dank.

7. Geburt und Herrschaft des Messias (Kapitel 5,1–14)

5,1 – Und du, Bethlehem-Ephrata, zu klein, um unter den Tausenden von Juda zu sein, aus dir wird mir hervorkommen, der Herrscher über Israel sein soll; und seine Ursprünge [w. Ausgänge] sind von der Urzeit, von den Tagen der Ewigkeit her.

Dieser Vers zeigt uns nun, wer denn der Richter wirklich ist. Die unscheinbare Stadt Bethlehem-Ephrata (Haus des Brotes- Fruchtbarkeit) hat eine interessante Geschichte. Hier starb Rahel, die Frau Jakobs (Israels), und hier wurde Benjamin (Sohn meiner Rechten) geboren. Aus dieser Stadt stammt David, denn sein Urgroßvater Boas und sein Vater Isai kamen aus ihr. Sie heißt daher auch „Stadt Davids“ (1Sam 20,6; Lk 2,4). Aus dieser kleinen und scheinbar unbedeutenden Stadt sollte der Herrscher über Israel hervorkommen. Lasst uns zusammen die Merkmale dieser Person näher besehen:

1. Er wird hervorkommen1 : Der Messias wird dieser Stadt entstammen. Hier starb Rahel (ein Sinnbild des Volkes Israel) und brachte Benjamin hervor (den „Sohn meiner Rechten“). So wie Rahel durch den Tod von Jakob getrennt wurde, so wurde das Volk Israel beiseite gesetzt und brachte den Messias hervor, der schließlich nach seinen Leiden zur Rechten Gottes erhöht wurde. Er kam einst als Mensch aus dem Stamm Juda hervor, aus dem Mutterleib der Maria, aber Er wird wieder hervorkommen als der kommende Herrscher.

1

Hebr. jahtzah= herauskommen, hervorkommen (1Mo 1,12.24; 8,19; 2Mo 3,11; 2Mo 13,3; Jes 2,3; das, was hervorgebracht wird, steht in engster Verbindung mit dem Hervorbringenden.

2. Er ist der Herrscher1 über Israel: Wir lesen von der Weisheit Gottes hinsichtlich aller Regierenden: „Durch mich herrschen Herrscher und Edle, alle Richter der Erde“ (Spr 8,16). Von dem Herrnlesen wir: „Und er wird herrschen von Meer zu Meer und vom Strom bis an die Enden der Erde“ (Ps 72,8). Und in der Zukunft wird jemand Bauherr des Tempels, Regent, Priester und Ratgeber zum Frieden sein. Wer anders als der Messias, unser Herr Jesus Christus, kann hier gemeint sein? „Ja, er wird den Tempel des Herrnbauen; und er wird Herrlichkeit tragen; und er wird auf seinem Thron sitzen und herrschen, und er wird Priester sein auf seinem Thron; und der Rat des Friedens wird zwischen ihnen beiden sein“ (Sach 6,13).

1

Partizip von maschal= herrschen, regieren (1Mo 1,18; 3,16; 2Mo 21,8 u. v. a. St.).

Wie viele Jahrhunderte fehlte in Israel ein Herrscher, der wirklich in Gerechtigkeit regierte! Elend über Elend hat dieses Volk gesehen, auf dem bis heute die Decke liegt, so dass sie nicht zu ihrem Herrscher umgekehrt sind. In Lukas 1,33 heißt es: „... und er wird über das Haus Jakobs herrschen in Ewigkeit, und sein Reich wird kein Ende haben.“ Aber Er wird nicht nur über das Volk Israel herrschen, sondern auch über die Nationen: „Es wird sein die Wurzel Isais und der aufsteht, um über die Nationen zu herrschen – auf ihn werden die Nationen hoffen“ (Röm 15,12; vgl. Jes 11,10). „Denn er muss herrschen, bis er alle Feinde unter seine Füße gelegt hat“ (1Kor 15,25). Wenn der siebte Engel posaunen wird, dann werden Stimmen im Himmel laut, und man hört den Ruf: „Das Reich der Welt unseres Herrn und seines Christus ist gekommen, und er wird herrschen von Ewigkeit zu Ewigkeit“ (Off 11,15).

Soll Er nicht auch jetzt schon über uns herrschen? Wünschen wir nicht seine Herrschaft in unserem Leben? Ersehnen wir es nicht, dass Er die Führung in unserem Leben hat? Wie herrlich muss es sein, wenn wir immer mehr erfassen, was es bedeutet, dass jetzt die Gnade herrscht „durch Gerechtigkeit zu ewigem Leben“ (Röm 5,21). Seine Herrschaft ist von göttlicher Liebe durchdrungen, von Weisheit und Gerechtigkeit. Lasst uns niederfallen vor Ihm und bitten: Herr Jesus, herrsche Du in meinem Leben, fülle mich mit deinem Geist, damit das Reich Gottes sich jetzt schon geistlich auf dieser Erde manifestieren kann, indem hier Menschen leben, die sich deiner Autorität unterwerfen: „Denn das Reich Gottes ist nicht Essen und Trinken, sondern Gerechtigkeit und Friede und Freude im Heiligen Geist“ (Röm 14,17); und: „... denn das Reich Gottes besteht nicht im Wort, sondern in Kraft“ (1Kor 4,20).

3. Seine Ursprünge sind von der Urzeit1 von den Tagen der Ewigkeit her: Gott wird „der Gott der Urzeit“ genannt (5Mo 33,27), d. h. der Gott, der schon immer da war, auch bei den vergangenen Geschlechtern, der, dessen Arme mächtig sind, die uns tragen können. In Sprüche 8,22.23 heißt es: „Der Herrbesaß mich im [o. als] Anfang seines Weges, vor [kähdem] seinen Werken von jeher. Ich war eingesetzt von Ewigkeit her, von Anbeginn, vor den Uranfängen [kähdem] der Erde.“

1

Hebr. kähdäm= ostwärts, alt, Vorzeit, Urzeit, früher, etwas, das lange zurückliegt, weit weg ist, wie der Osten vom Westen (1Mo 2,8; 3,24; 11,2; 2Kön 19,25; Hiob 29,2; Ps 74,12; 143,5; Jes 46,10.

Hier geht es um einen Herrscher, dessen Ursprünge nicht nur schon sehr lange zurückliegen, sondern von den Tagen der Ewigkeit1 her. Das haben wir soeben gelesen: „Ich war eingesetzt von Ewigkeit her, von Anbeginn, vor den Uranfängen der Erde.“ Drücken diese beiden Verse nicht sehr deutlich aus, dass Christus als die Weisheit und Christus als der Herrscher nicht Gottes Geschöpf ist, sondern ewige Existenz hat?

1

Hebr. mijmej golam

Wir erinnern uns auch an Texte, die uns sagen, dass Er der Sohn Gottes ist: „Vom Beschluss will ich erzählen: Der Herrhat zu mir gesprochen: Du bist mein Sohn, heute habe ich dich gezeugt“ (Ps 2,7; vgl. Apg 13,33; Heb 1,5; 5,5). Hier redet Gott über seinen Sohn, und im Neuen Testament wird dieser Vers deutlich auf den Herrn Jesus bezogen; oder: „Küsst den Sohn, damit er nicht zürnt und ihr umkommt auf dem Weg, wenn nur ein wenig entbrennt sein Zorn. Glückselig alle, die zu ihm Zuflucht nehmen!“ (Ps 2,12); und erfreuen wir uns nicht auch an den Worten Agurs, der sagt: „Wer ist hinaufgestiegen zum Himmel und herabgekommen? Wer hat den Wind in seine Fäuste gesammelt, wer die Wasser in ein Tuch gebunden? Wer hat alle Enden der Erde aufgerichtet? Was ist sein Name, und was der Name seines Sohnes, wenn du es weißt?“ (Spr 30,4).

Der Herr Jesus, geboren in Bethlehem, ist das Brot des Lebens, Er ist der Fruchttragende (Ephrata), der Sohn Gottes, das Wort, das bei Gott und zugleich Gott ist, der Sohn des Vaters, der geliebte Sohn. Er ist ohne Anfang und ohne Ende. Er ist der ewige Gott, der Sohn, der ewig bei dem Vater gewesen ist und sein wird (Mt 3,17; 16,16; 17,5; Joh 1,1–3; Joh 6,40; 2Joh 3; 1Joh 2,23;). Wir können vor Ihm nur niederfallen und den anbeten, der da lebt von Ewigkeit zu Ewigkeit.

5,2.3 – Darum wird er sie hingeben bis zur Zeit, da eine Gebärende geboren hat; und der Rest seiner Brüder wird zurückkehren zu den Kindern Israel. Und er wird dastehen und seine Herde weiden in der Kraft des HERRN , in der Hoheit des Namens des HERRN , seines Gottes. Und sie werden wohnen; denn nun wird er groß sein bis an die Enden der Erde.

In diesen Versen wird uns mitgeteilt, dass Israel hingegeben wird; es wird eine Zeit sein, wo dieses Volk ohne Tempel und ohne echten Gottesdienst sein wird. Diese Zeit wird mit einer Zeit des Gebärens verglichen. Die Geburt steht nahe bevor. Wehen sind bei diesem Volk sicher schon zu spüren. Aber die Gebärende ist der Überrest aus Juda, der zuerst im Land sein wird und der in der großen Drangsal schreckliche Verfolgungen erleben wird. Viele werden aus anderen Ländern nach Israel kommen, und dieses Volk wird zu einer Herde werden, die den wahren Hirten erleben wird. Der Hirte ist ihr Messias, ist der Herrscher, der dastehen wird und seine Herde in der Kraft Gottes weiden wird. Einst war die Herde zerstreut über die ganze Erde hinweg, dann wird sie gesammelt werden. Ungestört werden sie im Land sein, in ihrem Land, dem verheißenen Land Kanaan. Und der Hirte wird groß sein bis an die Enden der Erde. Hier haben wir das Ende der großen Drangsal und den Beginn des sog. 1000-jährigen Reiches, in dem Christus als König regieren wird.

Dann wird es wahr werden, was Hesekiel sagt: „So wahr ich lebe, spricht der Herr, Herr: Weil meine Schafe zur Beute und meine Schafe allen Tieren des Feldes zum Fraß geworden sind, weil kein Hirte da ist und meine Hirten nicht nach meinen Schafen fragen und die Hirten sich selbst weiden, aber nicht meine Schafe weiden, darum, ihr Hirten, hört das Wort des Herrn! ... Denn so spricht der Herr, Herr: Siehe, ich bin da, und ich will nach meinen Schafen fragen und mich ihrer annehmen ... Und ich werde sie herausführen aus den Völkern und sie aus den Ländern sammeln und sie in ihr Land bringen; und ich werde sie weiden auf den Bergen Israels, in den Tälern und an allen Wohnplätzen des Landes. Auf guter Weide werde ich sie weiden, und auf den hohen Bergen Israels wird ihr Weideplatz sein; dort, auf den Bergen Israels, werden sie auf gutem Weideplatz lagern und fette Weide beweiden. Ich will meine Schafe weiden, und ich will sie lagern, spricht der Herr, Herr ... Und ihr, meine Herde, so spricht der Herr, Herr: Siehe, ich werde richten zwischen Schaf und Schaf, den Widdern und den Böcken ... Darum, so spricht der Herr, Herr, zu ihnen: Siehe, ich bin da, und ich werde richten zwischen fettem Schaf und magerem Schaf ... Und ich werde einen Hirten über sie erwecken, und er wird sie weiden – meinen Knecht David: Der wird sie weiden, und der wird ihr Hirte sein“ (Hes 34,8ff.).

Auch Psalm 80,2 zeigt uns, wie das Rufen des Überrests sein wird: „Hirte Israels, nimm zu Ohren, der du Joseph leitest wie eine Herde, der du thronst zwischen den Cherubim, strahle hervor!“ Dann wird es wahr werden, was Psalm 23,1 sagt: „Der Herrist mein Hirte, mir wird nichts mangeln.“

In diesem messianischen Friedensreich werden sie wohnen
1 d. h. sie werden in Sicherheit leben. Man wird Häuser bauen und Weinberge pflanzen (Hes 28,26). Es wird ein Land der offenen Städte sein, ohne Mauern, Riegel und Tore (Hes 38,11). Gott wird einen Bund für das Volk schließen mit den Tieren des Feldes und mit den Vögeln des Himmels und mit den kriechenden Tieren der Erde; und Er wird Bogen und Schwert und den Krieg aus dem Land zerbrechen und wird sein Volk in Sicherheit wohnen lassen (Hos 2,20). Es wird nicht ein vorübergehendes Wohnen sein, sondern „sie werden darin wohnen, sie und ihre Kinder und ihre Kindeskinder, bis in Ewigkeit; und mein Knecht David wird ihr Fürst sein in Ewigkeit“ (Hes 37,25). Gott sagt ausdrücklich, dass dann Jerusalem der Ort seines Thrones und der Ort seiner Fußsohlen ist, wo Er „in Ewigkeit inmitten der Kinder Israel wohnen“ wird (Hes 43,7)2. Diese Stadt wird dann genannt werden „Stadt der Wahrheit“ (Sach 8,3), und „Jahwe Schamma“, das ist „der Herrist hier“ (Hes 48,35). „Und man wird darin wohnen, und kein Bann wird mehr darin sein; und Jerusalem wird in Sicherheit wohnen“ (Sach 14,11).

1

Hebr. jahschav= wohnen, sitzen (vgl. Mich 4,4); das Wort beinhaltet einen Zustand der Ruhe und des Friedens (1Mo 13,12; 5Mo 12,10).

2

Vgl. Sach 2,14.15; 8,3: „Ich werde in deiner Mitte [inmitten Jerusalems] wohnen.“

Christus wird dann groß sein. Von Jerusalem wird das Gesetz ausgehen. Er wird diese Erde nach seinen göttlichen Grundsätzen regieren. Die folgenden Verse werden dann in Erfüllung gehen: „Und er wird herrschen von Meer zu Meer und vom Strom bis an die Enden der Erde“ (Ps 72,8; Ps 98,3; Jes 11,12).

Dann wird man staunen über das, was man in Jerusalem sehen wird. Über viele Jahrhunderte hat man Lügen über diese Stadt erzählt, hat man Göttern und Götzen vertraut, aber nun werden Menschen sagen: Nicht die Hälfte hat man uns gesagt. „Herr, meine Stärke und meine Schutzwehr und meine Zuflucht am Tag der Bedrängnis! Zu dir werden Nationen kommen von den Enden der Erde und sprechen: Nur Lüge haben unsere Väter geerbt, nichtige Götter; und unter ihnen ist keiner, der etwas nützt“ (Jer 16,19).

„Und ich werde die Streitwagen aus Ephraim und die Pferde aus Jerusalem ausrotten, und der Kriegsbogen wird ausgerottet werden. Und er wird Frieden reden zu den Nationen; und seine Herrschaft wird sein von Meer zu Meer und vom Strom bis an die Enden der Erde“ (Sach 9,10).

Wenn es nicht im Wort Gottes stehen würde, könnte man es nicht glauben. Was wird die Zukunft doch wunderbar sein für solche, die ihr Vertrauen auf den lebendigen Gott setzen!

5,4.5 – Und dieser wird Friede sein. Wenn Assyrien in unser Land kommen und wenn es in unsere Paläste treten wird, so werden wir sieben Hirten und acht Menschenfürsten [w. Eingesetzte, die Menschen sind] dagegen aufstellen. Und sie werden das Land Assyrien mit dem Schwert weiden und das Land Nimrods in seinen Toren; und er wird uns von Assyrien erretten, wenn es in unser Land kommen und wenn es in unsere Grenzen treten wird.

In den vorherigen Versen wurde uns gesagt, dass aus Bethlehem-Juda ein Herrscher kommen würde, dessen Ursprünge „von den Tagen der Ewigkeit her“ sind. Dieser Herrscher wird ein Hirte genannt; Er wird ein großer Hirte und ein großer Herrscher sein. Er wird die Herde in der Kraft Gottes weiden. Sein Name wird auf der ganzen Erde bekannt sein, aber Er wird auch „Friede sein“, d. h. Er wird für Frieden sorgen, denn Er hat die Autorität dazu. Viele Politiker dieser Welt haben den aufrichtigen Wunsch gehabt, bleibenden Frieden in dieser Welt zu bewirken. Denken wir nur an die Friedensbemühungen der Griechen. In Griechenland entwickelte sich der Friedensbegriff nach dem Peloponnesischen Krieg, und in der ersten Hälfte des 4. Jahrhunderts v. Chr. entstand eine dauerhafte Friedensordnung, die auf dem Prinzip der Gleichberechtigung aller Staaten beruhte, die „koine eirene“, der Allgemeine Friede. Bei den Römern wurde Friede geschlossen, indem man Verträge abschloss. Man nannte diesen Frieden „Pax Romana“ bzw. „Pax Augusta“.

Hugo Grotius entwickelte den Gedanken eines Völkerrechts 1625, und 1648 kam es dann nach dem 30-jährigen Krieg zum „Westfälischen Frieden“. So könnten wir nun mit den Friedensbemühungen von Thomas Hobbes in seinem Leviathan oder Immanuel Kants Zum ewigen Frieden fortfahren. Auch der Völkerbund, die UNO und viele andere Organisationen haben sich den Frieden auf die Fahne geschrieben. Die Schrift sagt aber: „Wenn sie sagen: Friede und Sicherheit!, dann kommt ein plötzliches Verderben über sie, wie die Geburtswehen über die Schwangere; und sie werden nicht entfliehen“ (1Thes 5,3).

Alle Friedensbewegungen unserer Zeit beruhen sehr oft auf religiösen Quellen. Sie rufen laut: „Schwerter zu Pflugscharen!“, aber sie lesen den Text nicht, der mit diesen Worten verbunden ist. In Wirklichkeit verbergen sich hinter diesen pazifistischen Bewegungen ökologisch und philosophisch motivierte Ungläubige, die weder dem Gott der Bibel vertrauen noch echten Frieden bewirken werden.

Das kann nur dieser EINE, Jesus, der Christus, der Messias. Im Alten Testament wird Er als der „Friedefürst“ prophezeit. Und es wird hinzugefügt: „Die Mehrung der Herrschaft und der Frieden werden kein Ende haben auf dem Thron Davids und über sein Königreich, um es zu befestigen und zu stützen durch Gericht und durch Gerechtigkeit, von nun an bis in Ewigkeit. Der Eifer des Herrnder Heerscharen wird dies tun“(Jes 9,6).

Im Neuen Testament lesen wir von Christus, dass Er „Frieden gemacht hat durch das Blut seines Kreuzes“ (Kol 1,20). Dieser wunderbare Herr hat gesagt: „Frieden lasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch; nicht wie die Welt gibt, gebe ich euch. Euer Herz werde nicht bestürzt, sei auch nicht furchtsam“ (Joh 14,27), und: „Dies habe ich zu euch geredet, damit ihr in mir Frieden habt. In der Welt habt ihr Bedrängnis; aber seid guten Mutes, ich habe die Welt überwunden“ (Joh 16,33). Doch bedenken wir auch, dass der gleiche Herr gesagt hat: „Denkt nicht, dass ich gekommen sei, Frieden auf die Erde zu bringen; ich bin nicht gekommen, Frieden zu bringen, sondern das Schwert“ (Mt 10,34). „Meint ihr, dass ich gekommen sei, Frieden auf der Erde zu geben? Nein, sage ich euch, sondern vielmehr Entzweiung“ (Lk 12,51).

Ohne Christus wird es keinen wahren, bleibenden und ewigen Frieden geben – weder im Herzen des einzelnen Menschen noch in den Familien, noch in der Welt. Alle Friedensapostel älterer oder jüngerer Zeit werden sich als falsche Propheten erweisen, die zwar rufen „Friede, Friede!“ – aber da ist kein Friede.

Der Prophet Jesaja sagt: „Kein Friede den Gottlosen!, spricht der Herr“ (Jes 48,22). Und Jeremia ruft aus: „... und sie heilen die Wunde der Tochter meines Volkes leichthin und sprechen: ,Frieden, Frieden!‘, und da ist doch kein Frieden“ (Jer 6,14; 8,11). Auch Hesekiel muss weissagen: „Darum, ja, darum, weil sie mein Volk irreführen und sprechen: ,Frieden!‘, obwohl kein Frieden da ist; und baut es eine Wand, siehe, sie bestreichen sie mit Tünche“ (Hes 13,10); und etwas später: „... die Propheten Israels, die über Jerusalem weissagen und für es Gesichte des Friedens schauen, obwohl kein Frieden da ist, spricht der Herr, Herr“ (Hes 13,16).

Darf ich an dieser Stelle einmal den Leser persönlich fragen: Kennst du den Herrn Jesus als den Herrn, der dir seinen Frieden gegeben hat? Hast du Frieden mit Gott durch den Herrn Jesus Christus? Kannst du sagen: „Christus ist mein Friede, und der Friede des Christus regiert (oder: entscheidet) in meinem Herzen?“ (vgl. Röm 5,1; Eph 2,14; Kol 3,15).

Du wirst keinen Frieden bekommen, wenn du nicht rückhaltlos dein Leben Christus anvertraust. Er ist der Sohn Gottes, des Gottes, der der „Gott des Friedens“ genannt wird (vgl. Röm 15,33; 16,20; 1Kor 14,33; 2Kor 13,11; Phil 4,9; 1Thes 5,23; 2Thes 3,16; Heb 13,20).

Es heißt in unserem Text weiter: „Wenn Assyrien in unser Land kommen und wenn es in unsere Paläste treten wird, so werden wir sieben Hirten und acht Menschenfürsten dagegen aufstellen.“

Hier spricht der Prophet von einem kommenden Krieg, der zum Ziel hat, dass Israel von den Assyrern erobert wird. Doch das wird nicht geschehen, denn das Volk wird im Auftrag des Messias acht machtvolle Menschen aufstellen und sieben Hirten.

Was werden diese tun? Sie werden das Land Assyrien mit dem Schwert weiden, d. h. sie sind in der Lage, Assyrien mit ungeheurer Kraft zurückzuschlagen. Ganz bewusst nennt Micha diesen Feind „Land Nimrods“. Denn mit Nimrod fing nach der Flut das Elend aggressiver Weltpolitik an. Nimrod zog aus nach Assur und baute Ninive (1Mo 10,11).

Doch dann heißt es ganz unvermittelt: „... und er wird uns von Assyrien erretten, wenn es in unser Land kommen und wenn es in unsere Grenzen treten wird.“ Er – das ist der Messias; unser Land – das ist Israel; und wir – das ist der Überrest, der auf den Messias warten wird.

Unmöglich kann sich diese Prophetie auf die Vergangenheit beziehen, denn die hier beschriebenen Ereignisse sind in der Geschichte Israels noch nicht vorgekommen.

In welchem Zustand wird Israel sein, wenn die hier geweissagten Ereignisse geschehen? Nun, zunächst ist es klar, dass das Volk im Land ist. Zum anderen ist es deutlich, dass der Assyrer ins Land kommen wird. Der Assyrer selbst ist aber eine Zuchtrute. Das wird deutlich aus der Tatsache, dass Gott dieses Volk benutzt hat, um die 10 Stämme im Jahr 722 v. Chr. in die assyrische Gefangenschaft zu führen. Aber die Stadt Jerusalem hat der Assyrer nie erobert. Er hat die Stadt wohl zur Zeit Hiskias belagert (Jes 36–37).

Schauen wir uns zunächst einige Charakterzüge des Assyrers an, des Volkes, das Gott als Zuchtrute für sein Volk gebraucht:

„Und es wird geschehen, wenn der Herr sein ganzes Werk am Berg Zion und an Jerusalem vollbracht hat, so werde ich die Frucht der Überhebung des Herzens des Königs von Assyrien und den Stolz der Überheblichkeit seiner Augen heimsuchen. Denn er hat gesagt: Durch die Kraft meiner Hand und durch meine Weisheit habe ich es getan, denn ich bin verständig; und ich verrückte die Grenzen der Völker und plünderte ihre Schätze und stieß, wie ein Gewaltiger, Thronende hinab. Und meine Hand hat den Reichtum der Völker erreicht wie ein Nest, und wie man verlassene Eier zusammenrafft, so habe ich die ganze Erde zusammengerafft; da war keiner, der den Flügel regte oder den Schnabel aufsperrte und zirpte. Darf die Axt sich gegen den rühmen, der damit haut, oder die Säge sich gegen den brüsten, der sie zieht? – als schwänge ein Stock die, die ihn emporheben, als höbe ein Stab den empor, der kein Holz ist!“ (Jes 10,12–15).

Der Assyrer ist die Axt, die Säge, der Stock in Gottes Hand. Aber so sieht sich der Assyrer nicht, sondern er handelt nach eigenem Gutdünken. In Jesaja 10,5 heißt es: „Wehe, Assur, Rute meines Zorns! Und der Stock in seiner Hand ist mein Grimm.“ Sein Geist ist erfüllt mit sich selbst. Er rühmt sich seiner Kraft, seines Verstandes und seiner Weisheit. Doch „Gott widersteht den Hochmütigen“ (Spr 3,34; Jak 4,6; 1Pet 5,5).

Lasst uns noch ein wenig bei dem Assyrer bleiben. Historisch gesehen entstand das Assyrerreich aus der Stadt Assur. Diese Stadt wurde nach einer Person genannt, die bekanntlich ein Nachkomme Sems war (1Mo 10,22; 1Chr 1,17). Wahrscheinlich ist die Stadt eine der größten und ältesten Städte des Assyrerreiches, das sich am Westufer des Tigris befand.

In dieser Stadt stand das Hauptheiligtum des Gottes Assur. Daneben soll es noch 34 Heiligtümer gegeben haben, die irgendwelchen Göttern geweiht waren. Die weitere Geschichte Assyriens ist uns teilweise aus der Archäologie bekannt. Assyrien war zur Zeit des Babyloniers Hammurabi abhängig von Babylon, später ging es auf in dem Reich Mitanni. Im 14. Jh. v. Chr. erhält Assyrien seine Unabhängigkeit wieder, unterwirft Babylon. Doch ab 1200 v. Chr. beginnt der Niedergang Assyriens, der nur kurz durch Tiglat-Pileser I. (1112–1074) unterbrochen wird. Assyrien und auch Babylon werden immer weiter geschwächt. In dieser Zeit entsteht unter Saul, David und Salomo das Königtum in Israel. Aramäer bedrängen Assyrien.

Erst unter Assurnasirpal II. (883–859) gewinnt Assyrien seine frühere Bedeutung zurück. Dieser König bekämpft mit äußerst gemeinen Mitteln die aramäischen Kleinfürsten und stellt das Reich in der Größe von Tiglat-Pileser I. wieder her. Er organisiert das Reich ganz neu und schafft eine straffe Verwaltungshierarchie. Seine Hauptstadt ist Kalah (Nimrud). Salmanassar III. besiegt schließlich eine syrische Koalition und Hasael, den König von Syrien. Nach dem Tod des Königs kommt es zu immer mehr äußeren und inneren Unruhen. Kämpfe gegen das aufstrebende Reich Urartu und Auseinandersetzungen im Innern des Reiches schwächen Assyrien erneut.

Doch dann erstarkt es wieder unter der Führung des Königs Pul, der 745 als Tiglat-Pileser III. den Thron besteigt. Der israelitische König des Nordreiches – Menachem – unterwirft sich Tiglat-Pileser freiwillig (2Kön 15,19ff.), während der König Judas – Ahas – ihn um Hilfe anruft, als Israel und Syrien Juda angreifen wollen. Syrien und Israel werden vernichtend geschlagen. Ahas wird tributpflichtig. Pekach, der König Israels, wird abgesetzt, und Hosea wird als König über die wenigen Einwohner von Samaria eingesetzt (2Kön 16).

Salmanassar V. (727–722) hat Mühe, die immer wieder aufquellenden Unruhen in Syrien und Israel im Zaum zu halten. Drei Jahre belagert er Samaria. Im Jahr seines Todes, als Sargon II. (722–705) sich auf den Thron Assyriens setzt, wird die Stadt eingenommen. Sargon II. führt 27.290 Israeliten in die Gefangenschaft. Er weitet seinen Herrschaftsbereich aus, indem er das Königreich Urartu unterwirft, die Meder besiegt und die syrischen Kleinstaaten sowie Merodak-Baladan von Babylon unterwirft.

Sein Sohn Sanherib (705–681) erobert erneut Babylon und die meisten phönizischen und palästinensischen Städte. Er belagert auch Jerusalem, versucht durch seinen Rabsake das Volk zur Aufgabe zu überreden, indem er Folgendes sagen lässt: „Und der Rabsake sprach zu ihnen: Sagt doch zu Hiskia: So spricht der große König, der König von Assyrien: Was ist das für ein Vertrauen, womit du vertraust? Du sagst – doch nur ein Wort der Lippen ist es –: Da ist Rat und Macht zum Kampf. Nun, auf wen vertraust du, dass du dich gegen mich empört hast? Nun, siehe, du vertraust auf jenen geknickten Rohrstab, auf Ägypten, der, wenn jemand sich auf ihn stützt, ihm in die Hand fährt und sie durchbohrt. So ist der Pharao, der König von Ägypten, für alle, die auf ihn vertrauen. Und wenn ihr zu mir sprecht: Auf den Herrn, unseren Gott, vertrauen wir! – ist er es nicht, dessen Höhen und dessen Altäre Hiskia weggetan hat, als er zu Juda und zu Jerusalem gesagt hat: Vor diesem Altar sollt ihr anbeten in Jerusalem? Und nun, lass dich doch ein mit meinem Herrn, dem König von Assyrien: Ich will dir 2000 Pferde geben, wenn du dir Reiter darauf setzen kannst. Und wie willst du einen einzigen Befehlshaber von den geringsten Knechten meines Herrn zurücktreiben? Aber du vertraust auf Ägypten wegen der Wagen und Reiter. Nun, bin ich etwa ohne den HERRN gegen diesen Ort heraufgezogen, um ihn zu verheeren? Der HERR hat zu mir gesagt: Zieh hinauf gegen dieses Land und verheere es! Und Eljakim, der Sohn Hilkijas, und Schebna und Joach sprachen zum Rabsake: Rede doch aramäisch zu deinen Knechten, denn wir verstehen es; und rede nicht jüdisch mit uns vor den Ohren des Volkes, das auf der Mauer ist. Und der Rabsake sprach zu ihnen: Hat mein Herr mich zu deinem Herrn und zu dir gesandt, um diese Worte zu reden? Nicht zu den Männern, die auf der Mauer sitzen, um mit euch ihren Kot zu essen und ihren Harn zu trinken? Und der Rabsake trat hin und rief mit lauter Stimme auf Jüdisch und sprach: Hört das Wort des großen Königs, des Königs von Assyrien! So spricht der König: Dass Hiskia euch nicht täusche; denn er wird euch nicht von seiner Hand erretten können. Und dass Hiskia euch nicht auf den HERRN vertröste, indem er spricht: Der HERR wird uns gewiss erretten, und diese Stadt wird nicht in die Hand des Königs von Assyrien gegeben werden! Hört nicht auf Hiskia! Denn so spricht der König von Assyrien: Macht Frieden mit mir und kommt zu mir heraus, so sollt ihr jeder von seinem Weinstock und jeder von seinem Feigenbaum essen, und jeder das Wasser seiner Zisterne trinken, bis ich komme und euch in ein Land hole wie euer Land, ein Land von Korn und Most, ein Land von Brot und Weinbergen, ein Land von Olivenbäumen und Honig, dass ihr lebt und nicht sterbt. Aber hört nicht auf Hiskia! Denn er verführt euch, indem er spricht: Der HERR wird uns erretten! Haben die Götter der Nationen ein jeder sein Land aus der Hand des Königs von Assyrien errettet? Wo sind die Götter von Hamat und Arpad? Wo die Götter von Sepharwaim, von Hena und Iwa? Haben sie [d. h. die Götter von Samaria] etwa Samaria aus meiner Hand errettet? Welche sind es unter allen Göttern der Länder, die ihr Land aus meiner Hand errettet haben, dass der HerrJerusalem aus meiner Hand erretten sollte? Und das Volk schwieg still und antwortete ihm kein Wort; denn es war das Gebot des Königs, der gesagt hatte: Ihr sollt ihm nicht antworten!“ (2Kön 18,19–36).

Diese Rede kann das Volk sicher verzagt machen, denn Assyrien ist inzwischen eine starke, machtvolle Nation geworden. Der König lässt Hiskia mittels eines Boten einen Brief überbringen, der ihn ängstigen soll. Doch Hiskia tut das einzig Richtige. Er zerreißt seine Kleider und beugt sich vor Gott nieder, breitet den Brief vor Gott aus und betet: „Und Hiskia betete vor dem Herrnund sprach: Herr, Gott Israels, der du zwischen den Cherubim thronst, du allein bist es, der der Gott ist von allen Königreichen der Erde; du hast den Himmel und die Erde gemacht. Herr, neige dein Ohr und höre! Herr, tu deine Augen auf und sieh! Ja, höre die Worte Sanheribs, die er gesandt hat, um den lebendigen Gott zu verhöhnen. Wahrlich, Herr, die Könige von Assyrien haben die Nationen und ihr Land verwüstet, und sie haben ihre Götter ins Feuer geworfen; denn sie waren keine Götter, sondern ein Werk von Menschenhänden, Holz und Stein, und sie haben sie zerstört. Und nun, Herr, unser Gott, rette uns doch aus seiner Hand, damit alle Königreiche der Erde erkennen, dass du, Herr, allein Gott bist!

Da sandte Jesaja, der Sohn Amoz’, zu Hiskia und ließ ihm sagen: So spricht der Herr, der Gott Israels: Was du wegen Sanheribs, des Königs von Assyrien, zu mir gebetet hast, habe ich gehört. Dies ist das Wort, das der Herrüber ihn geredet hat: Es verachtet dich, es verspottet dich die Jungfrau, die Tochter Zion; die Tochter Jerusalem schüttelt das Haupt hinter dir her ... Und ich will diese Stadt beschirmen, um sie zu retten, um meinet- und um meines Knechtes David willen. Und es geschah in jener Nacht, da ging der Engel des Herrnaus und schlug im Lager der Assyrer 185.000 Mann. Und als man frühmorgens aufstand, siehe, da waren sie allesamt Leichname“ (2Kön 19,15–21.34.35).

Welch ein wunderschönes Beispiel für das Eingreifen Gottes in ausweglosen Situationen. Handeln wir auch so wie Hiskia? Bringen wir die Sorgen unseres Lebens auch vor das Angesicht Gottes, unseres Vaters, und überlassen Ihm alles Weitere? Gott kennt Zeit und Stunde, wo Er gemäß seiner Weisheit eingreift. Lasst uns Ihm in allen Dingen vertrauen.

Die weitere Geschichte Assyriens ist von Kämpfen durchsetzt. Asar-Haddon (680–669 v. Chr) baut Babylon wieder auf und besiegt die Kimmerier und Skythen. Im Jahre 671 unterwirft er schließlich auch die Ägypter. Assurbanipal (669–631?) unterwirft Aufstände in Ägypten, ist mit kriegerischen Auseinandersetzungen mit Elamitern und Babyloniern befasst, wodurch Psammetychos I. von Ägypten die Unabhängigkeit Ägyptens zurückgewinnen kann. Assurbanipal errichtet eine riesige Bibliothek in Ninive, der Hauptstadt des Assyrerreiches. Schließlich geht das Assyrerreich unter. Meder und Chaldäer teilen es unter sich auf.

Wenn wir die Geschichte Assyriens kurz gestreift haben, so fällt uns auf, dass es keine Eroberung oder Besetzung Jerusalems durch die Assyrer gegeben hat. Aber die Schrift spricht sehr deutlich von der Einnahme Jerusalems durch den Assyrer und spricht auch davon, dass Israel, Assyrien und Ägypten „ein Segen inmitten der Erde“ sein werden (Jes 19,24).

Nun, die Schrift spricht deutlich von einer zukünftigen Belagerung und Einnahme Jerusalems durch die Assyrer: In Micha 5,4 lesen wir: „Wenn Assyrien in unser Land kommen und wenn es in unsere Paläste treten wird, so werden wir sieben Hirten und acht Menschenfürsten dagegen aufstellen.“ In Jesaja 28,15ff. heißt es: „Denn ihr sprecht: Wir haben einen Bund mit dem Tod geschlossen und einen Vertrag mit dem Scheol gemacht: Wenn die überflutende Geißel1 hindurchfährt, wird sie an uns nicht kommen; denn wir haben die Lüge zu unserer Zuflucht gemacht und in der Falschheit uns geborgen ... Und der Hagel wird die Zuflucht der Lüge wegraffen, und die Wasser werden den Bergungsort wegschwemmen. Und euer Bund mit dem Tod wird zunichtewerden, und euer Vertrag mit dem Scheol nicht bestehen: Wenn die überflutende Geißel hindurchfährt, so werdet ihr von ihr zertreten werden. Sooft sie hindurchfährt, wird sie euch wegraffen; denn jeden Morgen wird sie hindurchfahren, bei Tag und bei Nacht. Und es wird nichts als Schrecken sein, die Botschaft zu vernehmen. Denn das Bett ist zu kurz, um sich auszustrecken, und die Decke zu schmal, um sich einzuhüllen. Denn der Herrwird sich aufmachen wie bei dem Berg Perazim, wie im Tal bei Gibeon wird er zürnen: um sein Werk zu tun – befremdend ist sein Werk! – und um seine Arbeit zu verrichten – außergewöhnlich [eig. fremdartig] ist seine Arbeit!“

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Wenn von dem Assyrer gesprochen wird, dann werden Begriffe wie „Strom“, „überfluten“, „Überschwemmung“ häufiger verwendet. In Jesaja 8,7 wird von dem Assyrer, dem König von Assyrien und all seiner Herrlichkeit, als „die Wasser des Stromes, die mächtigen und großen“ gesprochen. Er wird „in Juda eindringen, überschwemmen und überfluten“. In Jesaja 28,15.19 ist von ihm als einer „überflutenden Geißel“ die Rede (vgl. Jes 28,2; 59,19). In Daniel 11,40.41 heißt es vom König des Nordens, dass er zur Zeit des Endes mit dem König des Südens zusammenstoßen wird: „... und der König des Nordens wird gegen ihn anstürmen mit Wagen und mit Reitern und mit vielen Schiffen; und er wird in die Länder eindringen und wird sie überschwemmen und überfluten.“

Was ist denn eigentlich dieser „Bund mit dem Tod und der Vertrag mit dem Scheol“? Nun, es ist das Bündnis des römischen Tieres mit dem falschen Propheten. Davon lesen wir auch in Daniel 9,27, wo von dem „kommenden Fürsten“ geschrieben steht, dass er „einen festen Bund mit den Vielen [d. h. mit der Masse des jüdischen Volkes] schließen [wird] für eine Woche [das sind 7 Jahre].“ Wegen dieses Bündnisses und der damit in Verbindung stehenden Gräuel wird ein „Verwüster“ kommen.

Auch Joel spricht von einem „großen und mächtigen Volk“ (Kap. 1,6ff.; 2,2ff.) und beschreibt es so: „Was der Nager [d. i. eine Heuschreckenart] übrig gelassen hatte, fraß die Heuschrecke [gewöhnliche hebr. Bezeichnung der Heuschrecke]; und was die Heuschrecke übrig gelassen hatte, fraß der Abfresser [d. i. eine Heuschreckenart]; und was der Abfresser übrig gelassen hatte, fraß der Vertilger [d. i. eine Heuschreckenart]. Wacht auf, ihr Trunkenen, und weint! Und heult, alle ihr Weinsäufer, über den Most, weil er weggenommen ist von eurem Mund! Denn eine Nation ist über mein Land heraufgezogen, mächtig und ohne Zahl; ihre Zähne sind Löwenzähne, und sie hat das Gebiss einer Löwin. Sie hat meinen Weinstock zu einer Wüste gemacht und meinen Feigenbaum zerknickt; sie hat ihn vollständig abgeschält und hingeworfen, seine Ranken sind weiß geworden“ (Joel 1,4–7).

„Stoßt in die Posaune auf Zion, und blast Lärm auf meinem heiligen Berg! Beben sollen alle Bewohner des Landes; denn es kommt der Tag des Herrn, denn er ist nahe: ein Tag der Finsternis und der Dunkelheit, ein Tag des Gewölks und der Wolkennacht. Wie die Morgendämmerung ist es ausgebreitet über die Berge, ein großes und mächtiges Volk, wie seinesgleichen von Ewigkeit her nicht gewesen ist und nach ihm nicht mehr sein wird bis in die Jahre der Geschlechter und Geschlechter. Vor ihm her verzehrt das Feuer, und hinter ihm lodert die Flamme; vor ihm ist das Land wie der Garten Eden, und hinter ihm eine öde Wüste, und auch keine Entronnenen lässt es übrig. Sein Aussehen ist wie das Aussehen von Pferden; und wie Reitpferde, so rennen sie. Wie Wagengerassel hüpfen sie auf den Gipfeln der Berge, wie das Prasseln der Feuerflamme, die Stoppeln verzehrt; sie sind wie ein mächtiges Volk, zum Kampf gerüstet. Vor ihm zittern die Völker, alle Angesichter erblassen. Sie rennen wie Helden, wie Kriegsleute ersteigen sie die Mauer; und sie ziehen jeder auf seinem Weg, und ihre Pfade wechseln sie nicht ... Sie laufen in der Stadt umher, rennen auf die Mauer, steigen in die Häuser; durch die Fenster dringen sie ein wie der Dieb. Vor ihnen erbebt die Erde, erzittert der Himmel; Sonne und Mond verfinstern sich, und die Sterne verhalten ihren Glanz. Und der HERR lässt vor seiner Heeresmacht her seine Stimme erschallen, denn sein Heerlager ist sehr groß, denn der Vollstrecker seines Wortes ist mächtig; denn groß ist der Tag des HERRN und sehr furchtbar, und wer kann ihn ertragen? Aber auch jetzt noch, spricht der Herr, kehrt um zu mir mit eurem ganzen Herzen und mit Fasten und mit Weinen und mit Klagen. Und zerreißt euer Herz und nicht eure Kleider, und kehrt um zu dem Herrn, eurem Gott; denn er ist gnädig und barmherzig, langsam zum Zorn und groß an Güte und lässt sich des Übels gereuen. Wer weiß? Er könnte umkehren und es sich gereuen lassen, und er könnte Segen hinter sich zurücklassen: Speisopfer und Trankopfer für den Herrn, euren Gott. Stoßt in die Posaune auf Zion, heiligt ein Fasten, ruft eine Festversammlung aus! … Und ich werde den von Norden Kommenden von euch entfernen und ihn in ein dürres und wüstes Land vertreiben, seinen Vortrab in das vordere Meer und seinen Nachtrab in das hintere Meer [d. h. in das Tote Meer und in das Mittelmeer]; und sein Gestank wird aufsteigen, und aufsteigen sein übler Geruch, weil er Großes getan hat“ (Joel 2,1–7.9–15.20).

Hier wird von einem mächtigen Feind aus dem Norden gesprochen. Es gibt noch andere Feinde aus dem Norden, die wir hier kurz nennen wollen: Da ist der König des Nordens, der aus dem griechischen Reich hervorgeht, der König von Syrien. Von ihm lesen wir in Daniel 11,40: „Und zur Zeit des Endes wird der König des Südens mit ihm [dem König Israels; vgl. 11,36–39] zusammenstoßen, und der König des Nordens wird gegen ihn anstürmen mit Wagen und mit Reitern und mit vielen Schiffen; und er wird in die Länder eindringen und wird sie überschwemmen und überfluten.“

Und da ist Gog mit seinen Verbündeten aus dem äußersten Norden, von dem wir in Hesekiel 38,14–18 lesen: „Darum weissage, Menschensohn, und sprich zu Gog: So spricht der Herr, Herr: Wirst du es an jenem Tag nicht wissen, wenn mein Volk Israel in Sicherheit wohnt? Und du wirst von deinem Ort kommen, vom äußersten Norden her, du und viele Völker mit dir, auf Pferden reitend allesamt, eine große Schar und ein zahlreiches Heer. Und du wirst gegen mein Volk Israel heraufziehen wie eine Wolke, um das Land zu bedecken. Am Ende der Tage wird es geschehen, dass ich dich heranbringen werde gegen mein Land, damit die Nationen mich kennen, wenn ich mich an dir, Gog, vor ihren Augen heilige. So spricht der Herr, Herr: Bist du der, von dem ich in vergangenen Tagen geredet habe durch meine Knechte, die Propheten Israels, die in jenen Tagen jahrelang weissagten, dass ich dich gegen sie heranbringen würde? Und es wird geschehen an jenem Tag, an dem Tag, wenn Gog in das Land Israel kommt, spricht der Herr, Herr, da wird mein Grimm in meiner Nase aufsteigen.“

Man fragt sich, wer das ist, von dem die Propheten in vergangenen Tagen redeten und der als Zuchtrute über Israel herfallen würde. Nun, das kann nur der Assyrer sein. Somit scheint es so, dass der Assyrer und Gog und der König des Nordens in enger Verbindung miteinander sein werden. Sicher sind es nicht die gleichen Völker, aber sie arbeiten zusammen – eine mächtige politisch-militärische Koalition. Zudem werden sie mit vielen Völkern kommen. Unter anderem wird auch Edom mit diesen Völkern verbunden sein. Es wird ein gewaltiger und schrecklicher Krieg sein. Sacharja 14,1.2 bezieht sich darauf: „Siehe, ein Tag kommt für den Herrn, da wird deine Beute in deiner Mitte verteilt werden. Und ich werde alle Nationen nach Jerusalem zum Krieg versammeln; und die Stadt wird eingenommen und die Häuser werden geplündert und die Frauen vergewaltigt werden; und die Hälfte der Stadt wird in die Gefangenschaft ausziehen, aber das übrige Volk wird nicht aus der Stadt ausgerottet werden.“

Allerdings werden wir in Jesaja 30,1–6 und 31,1–3 darüber belehrt, dass die gottlosen Juden bei den Ägyptern Hilfe suchen. Und so wird nach der Einnahme Jerusalems der Assyrer weiterziehen, um Ägypten einzunehmen. In Daniel 11,42.43 wird uns mitgeteilt: „Und zur Zeit des Endes wird der König des Südens mit ihm zusammenstoßen, und der König des Nordens wird gegen ihn anstürmen mit Wagen und mit Reitern und mit vielen Schiffen; und er wird in die Länder eindringen und wird sie überschwemmen und überfluten. Und er wird in das Land der Zierde eindringen, und viele Länder werden zu Fall kommen; diese aber werden seiner Hand entrinnen: Edom und Moab und die Vornehmsten der Kinder Ammon. Und er wird seine Hand an die Länder legen, und das Land Ägypten wird nicht entkommen; und er wird die Schätze an Gold und Silber und alle Kostbarkeiten Ägyptens in seine Gewalt bringen, und Libyer und Äthiopier werden in seinem Gefolge sein. Aber Gerüchte von Osten und von Norden her werden ihn erschrecken; und er wird ausziehen in großem Grimm, um viele zu vernichten und zu vertilgen. Und er wird seine Palastzelte aufschlagen zwischen dem Meer [d. i. das Mittelmeer] und dem Berg der heiligen Zierde. Und er wird zu seinem Ende kommen, und niemand wird ihm helfen.“

Weiter heißt es dann: „Und in jener Zeit wird Michael aufstehen, der große Fürst, der für die Kinder deines Volkes steht; und es wird eine Zeit der Drangsal sein, wie sie nicht gewesen ist, seitdem eine Nation besteht bis zu jener Zeit. Und in jener Zeit wird dein Volk errettet werden, jeder, der im Buch geschrieben gefunden wird“ (Dan 12,1).

Noch einmal wollen wir die Ereignisse kurz zusammenfassen: Juda wird mit dem kommenden Haupt des Römischen Reiches ein Bündnis schließen. Das nennt Gott „Bund mit dem Tod, Vertrag mit dem Scheol.“ In Jerusalem wird es einen schrecklichen Götzendienst geben. Gottlose Juden werden die Stadt beherrschen. Viele treue Juden, der Überrest, werden aus der Stadt fliehen, aber es wird auch noch einen ganz kleinen Überrest in der Stadt geben. Gott wird dann die Zuchtrute aus dem Norden senden. Das ist der Assyrer, der in das Land Israel einfallen und Jerusalem belagern und einnehmen wird. Assyrien zerstört vieles in Jerusalem, zieht dann aber weiter nach Ägypten. Durch unangenehme Nachrichten zieht Assyrien dann noch einmal nach Israel, um Jerusalem anzugreifen. Das ist der Augenblick, wo der Herrerscheint und diesen Feind Israels vernichtet.

Kommen wir nun zurück zu Micha 5,4. Wer sind nun die sieben Hirten und die acht Menschenfürsten, die gegen die Assyrer aufgestellt werden?

Wir haben schon gesehen, dass die Assyrer weitergezogen sind, nachdem sie Jerusalem eingenommen hatten. Doch blieb sicher noch eine Besatzungsmacht zurück. Sehr wahrscheinlich wird das den Überrest ermutigen, sich gegen die Besatzer aufzulehnen. In Kapitel 4,13 wurde die Tochter Zion aufgefordert zu dreschen. Gott würde das Horn des Überrestes zu Eisen und seine Hufe zu Erz machen. Auch der geflohene Überrest kommt zurück und verbindet sich mit dem Überrest in der Stadt. Die Hirten und Menschenfürsten sind offensichtlich intelligente und einsichtsvolle, strategisch geschulte Führer, die mit wenigen Juden die Assyrer in die Flucht schlagen werden, wobei sicher Gott eingreifen wird. Diese Führer werden die Assyrer bis vor ihre eigenen Tore zurückschlagen. In Sacharja 12,2–5 lesen wir von dieser Zeit: „Siehe, ich mache Jerusalem zu einer Taumelschale für alle Völker ringsum; und auch über Juda wird es [nämlich das, was Jerusalem treffen wird] kommen bei der Belagerung von Jerusalem. Und es wird geschehen an jenem Tag, da werde ich Jerusalem zu einem Laststein für alle Völker machen: Alle, die ihn aufladen wollen, werden sich gewiss daran verwunden. Und alle Nationen der Erde werden sich gegen es versammeln. An jenem Tag, spricht der Herr, werde ich alle Pferde mit Scheuwerden und ihre Reiter mit Wahnsinn schlagen; und über das Haus Juda werde ich meine Augen offen halten und alle Pferde der Völker mit Blindheit schlagen. Und die Fürsten von Juda werden in ihrem Herzen sprechen: Eine Stärke sind mir die Bewohner von Jerusalem in dem Herrnder Heerscharen, ihrem Gott.“

erusalem als Taumelschale. Was wird dort für Blut fließen. Doch schließlich wird der Herreingreifen. In Sacharja 14,4–7 heißt es: „Und seine Füße werden an jenem Tag auf dem Ölberg stehen, der vor Jerusalem gegen Osten liegt; und der Ölberg wird sich in der Mitte spalten nach Osten und nach Westen hin, zu einem sehr großen Tal, und die Hälfte des Berges wird nach Norden und seine andere Hälfte nach Süden weichen. Und ihr werdet in das Tal meiner Berge fliehen, und das Tal der Berge wird bis Azel reichen; und ihr werdet fliehen, wie ihr vor dem Erdbeben geflohen seid in den Tagen Ussijas, des Königs von Juda. Und kommen wird der Herr, mein Gott, und alle Heiligen mit dir. Und es wird geschehen an jenem Tag, da wird kein Licht sein; die Gestirne werden sich verfinstern [eig. gerinnen, o. sich zusammenziehen]. Und es wird ein Tag [d. h. einzig in seiner Art] sein (er ist dem Herrnbekannt), nicht Tag und nicht Nacht; und es wird geschehen zur Zeit des Abends, da wird es Licht sein. Und es wird geschehen an jenem Tag, da werden lebendige Wasser aus Jerusalem fließen, zur Hälfte zum östlichen Meer und zur Hälfte zum hinteren Meer; im Sommer und im Winter wird es geschehen. Und der Herrwird König sein über die ganze Erde; an jenem Tag wird der Herreiner sein und sein Name einer.“

Der Herr selbst wird kommen und diese endgültige Schlacht gewinnen. Erst dann kann sein Reich auf dieser Erde gegründet werden.

„Der Herrder Heerscharen hat geschworen und gesprochen: Ja, wie ich es zuvor bedacht habe, so geschieht es; und wie ich es beschlossen habe, so wird es zustande kommen: dass ich Assyrien in meinem Land zerschmettern und es auf meinen Bergen zertreten werde. Und so wird sein Joch von ihnen weichen, und seine Last wird weichen von ihrer Schulter. Das ist der Ratschluss, der beschlossen ist über die ganze Erde; und das ist die Hand, die ausgestreckt ist über alle Nationen. Denn der Herrder Heerscharen hat es beschlossen, und wer wird es vereiteln? Und seine ausgestreckte Hand – wer könnte sie abwenden?“ (Jes 14,24–27).

5,6–8 – Und der Überrest Jakobs wird inmitten vieler Völker sein wie ein Tau von dem HERRN , wie Regenschauer auf das Kraut, der nicht auf Menschen wartet und nicht auf Menschenkinder harrt. Und der Überrest Jakobs wird unter den Nationen, inmitten vieler Völker, sein wie ein Löwe unter den Tieren des Waldes, wie ein junger Löwe unter den Schafherden, der, wenn er hindurchgeht, zertritt und zerreißt, und niemand errettet. – Hoch erhoben sei deine Hand über deine Bedränger, und alle deine Feinde mögen ausgerottet werden!



Der so schrecklich bedrängte Überrest, der gegen die Völkermassen keine Chance hatte, der so geworfelt wurde, dessen Hoffnung allein das Kommen des Messias gewesen ist, dieser Überrest wird nun ein Segen inmitten der Völker sein. Dieser Überrest hat nicht auf menschliche Rettung gewartet, hat nicht vergänglichen Menschen sein Vertrauen gegeben, sondern allein auf Gott vertraut. Gebe Gott, dass wir von diesen Menschen lernen.

Dieser Überrest wird Autorität haben, er gleicht einem Löwen, einem jungen Löwen unter den Schafherden. Man wird ihm mit Respekt begegnen.

Wie herrlich liest sich Jesaja 10,20ff.: „Und es wird geschehen an jenem Tag, da wird der Überrest Israels und das Entronnene des Hauses Jakob sich nicht mehr stützen auf den, der es schlägt; sondern es wird sich stützen auf den Herrn, den Heiligen Israels, in Wahrheit. Der Überrest wird umkehren, der Überrest Jakobs zu dem starken Gott. Denn wenn auch dein Volk, Israel, wie der Sand des Meeres wäre, nur ein Überrest davon wird umkehren. Vertilgung ist fest beschlossen, sie bringt einherflutend Gerechtigkeit. Denn der Herr, der Herrder Heerscharen, vollführt Vernichtung und Festbeschlossenes inmitten der ganzen Erde. Darum, so spricht der Herr, der Herrder Heerscharen: Fürchte dich nicht, mein Volk, das in Zion wohnt, vor Assur, wenn er dich mit dem Stock schlagen und seinen Stab gegen dich erheben wird nach der Weise Ägyptens! Denn noch eine ganz kurze Zeit, so wird der Grimm zu Ende sein und mein Zorn sich wenden zu ihrer Vernichtung.“

Gott wird am Ende der Drangsalszeit deutlich machen, dass Er das letzte Wort in allen kriegerischen Auseinandersetzungen hat. Jerusalem wird der Mittelpunkt dieser Auseinandersetzungen sein. Westliche Staaten (Europa und Amerika?) werden mit den gottlosen Juden eine starke Koalition bilden. Sie erheben sich gegen den wahren Gott. Die nördlichen Staaten (Russland, Syrien, Irak) und die muslimischen Nachbarstaaten werden sich als Feinde des Volkes erweisen und gleichzeitig als Zuchtrute von Gott benutzt werden. Die Masse des ungläubigen Volkes wird sicher furchtbar geschlagen werden, aber der treue Überrest wird auf wunderbare Weise außerhalb von Jerusalem und in Jerusalem bewahrt werden.

Im 1000-jährigen Reich wird dieses Volk, dieser Überrest, ein gewaltiger Segen inmitten der Völker sein. Der Zustand des gesamten Volkes Israel wird gottlos sein. Die folgenden Verse zeigen, auf welche Weise Gott das Volk reinigen wird.

5,9–14 – Und es wird geschehen an jenem Tag, spricht der HERR , da werde ich deine Pferde aus deiner Mitte ausrotten und deine Wagen vernichten. Und ich werde die Städte deines Landes ausrotten und alle deine Festungen niederreißen. Und ich werde die Wahrsagereien aus deiner Hand ausrotten, und du wirst keine Zauberer mehr haben. Und ich werde deine geschnitzten Bilder und deine Bildsäulen aus deiner Mitte ausrotten, und du wirst dich nicht mehr niederwerfen vor dem Werk deiner Hände. Und ich werde deine Ascherim aus deiner Mitte herausreißen und deine Städte vertilgen. Und ich werde in Zorn und in Grimm Rache üben an den Nationen, die nicht gehört haben.

Pferde werden ausgerottet – sie stehen für das Selbstvertrauen des gottlosen Volkes. Jesaja 2,5–8 sagt: „Kommt, Haus Jakob, und lasst uns wandeln im Licht des Herrn! Denn du hast dein Volk, das Haus Jakob, verstoßen; denn sie sind voll von dem, was vom Osten kommt, und sind Zauberer wie die Philister und schlagen ein mit den Kindern der Fremden. Und sein Land ist voller Silber und Gold, und seiner Schätze ist kein Ende; und sein Land ist voller Pferde, und seiner Wagen ist kein Ende. Und sein Land ist voller Götzen; sie werfen sich nieder vor dem Werk ihrer Hände, vor dem, was ihre Finger gemacht haben.“

In Jesaja 31,1 sagt der Prophet. „Wehe denen, die nach Ägypten hinabziehen um Hilfe, die sich auf Pferde stützen und ihr Vertrauen auf Wagen setzen, weil es viele sind, und auf Reiter, weil sie zahlreich sind; und die nicht auf den Heiligen Israels schauen und nicht nach dem Herrnfragen!“ Daher muss Gott diese Pferde aus Jerusalem ausrotten: „Und ich werde die Streitwagen aus Ephraim und die Pferde aus Jerusalem ausrotten, und der Kriegsbogen wird ausgerottet werden. Und er wird Frieden reden zu den Nationen; und seine Herrschaft wird sein von Meer zu Meer und vom Strom [d. i. der Euphrat] bis an die Enden der Erde“ (Sach 9,10).

Ohne diese Züchtigung Gottes wird es keinen endgültigen Frieden in Israel geben. Festungen und Städte werden ausgerottet werden. Aber auch alle okkulten Mittel, wodurch falsche Propheten das Volk verführt haben, werden zerstört und die Götzenbilder abgeschafft werden. Ist es nicht erschreckend, wie weit dieses Volk gekommen sein wird? Kann man dann nicht verstehen, dass Gott Gericht über sein Volk bringen muss? Niemals mehr wird man sich vor den eigenen technischen Errungenschaften niederwerfen, vor dem Werk eigener Hände. Man wird dem ewigen Gott dienen und Ihm gehorchen. Aber auch die Nationen werden die Rache Gottes erleben. Heute ist Israel ein Volk, das auf sich selbst und seine machtvollen politischen Unterstützer vertraut. Aber dieses Vertrauen muss erschüttert werden.

Wie macht Gott das ? Wie kann Er das Herz, das Gewissen des Volkes erreichen? Kapitel 6 zeigt uns das. In den folgenden Versen findet ein Gespräch zwischen Gott und dem Überrest statt, das von dem Propheten unterbrochen wird.

8. Gottes Forderungen an den Überrest seines Volkes (Kapitel 6,1–8)

6,1.2 – Hört doch, was der HERR sagt: Mach dich auf, rechte vor den Bergen und lass die Hügel deine Stimme hören! Hört, ihr Berge, den Rechtsstreit des HERRN , und ihr Unwandelbaren, ihr Grundfesten der Erde! Denn der HERR hat einen Rechtsstreit mit seinem Volk, und mit Israel wird er rechten.

Der Prophet wendet sich an das Volk und sogar an die leblose Schöpfung, an die Berge und die Hügel. Alle sollen die Stimme hören. Es geht ja um einen Rechtsstreit mit seinem Volk Israel, der getrost öffentlich – vor allen – ausgeführt werden soll. In diesem Rechtsstreit würde Gott Recht behalten.

Auch der Prophet Hosea spricht über solch einen Rechtsstreit, den der Herrmit Israel und Juda hat: „Hört das Wort des Herrn, ihr Kinder Israel! Denn der Herrhat einen Rechtsstreit mit den Bewohnern des Landes; denn es ist keine Wahrheit und keine Güte und keine Erkenntnis Gottes im Land“ (Hos 4,1).

„Auch mit Juda hat der Herreinen Rechtsstreit; und er wird Jakob heimsuchen nach seinen Wegen, nach seinen Handlungen ihm vergelten“ (Hos 12,3). Wenn Wahrheit, Güte und Gotteserkenntnis nicht mehr das Volk regieren, dann kann es nur zu falschen und bösen Handlungsweisen kommen. So ist es im Nordreich, aber auch im Südreich gewesen. Und so wird es auch in Zukunft mit Israel sein. Parallelen sehen wir auch in der Christenheit. Göttliche Wahrheit wird relativiert, göttliche Güte wird nicht mehr gekannt. Wundert es uns dann, dass echte Gotteserkenntnis nicht mehr vorhanden ist?

Woher soll denn Gotteserkenntnis kommen, wenn die Bibel als Gottes Wort nicht mehr verbindlich ist, wenn Gottes Wort mit Mitteln der begrenzten Vernunft seziert wird und man nur noch auf den eigenen Verstand und die jämmerliche menschliche Logik allein vertrauen soll?

6,3.4 – Mein Volk, was habe ich dir getan, und womit habe ich dich ermüdet? Lege Zeugnis gegen mich ab! Denn ich habe dich aus dem Land Ägypten heraufgeführt und dich aus dem Sklavenhaus erlöst; und ich habe Mose, Aaron und Mirjam vor dir hergesandt. Mein Volk, erinnere dich doch daran, was Balak, der König von Moab, beratschlagt, und was Bileam, der Sohn Beors, ihm geantwortet hat, daran, was von Sittim bis Gilgal geschehen ist; damit du die gerechten Taten des HERRN erkennst.

Der Herr gibt seinem Volk nun etwas Geschichtsunterricht. Er fragt das Volk zunächst danach, was Er denn eigentlich dem Volk Schlechtes getan habe. Er fordert es auf, Zeugnis abzulegen. Welch ein Gott, der sich so auf die Stufe seiner Geschöpfe herablässt. Er beginnt sozusagen eine Diskussion mit dem Volk. Aber sogleich erwähnt Er drei historische Begebenheiten, in denen Er dem Volk geholfen hat:

  1. Er hat das Volk mit starker Hand aus Ägypten, aus dem Haus der Knechtschaft, herausgeführt.
  2. Er hat Mose als Führer, Aaron als Hohenpriester und Mirjam als Sängerin vor dem Volk hergesandt. Hat Er nicht wunderbare Dinge durch diese drei Geschwister getan?

Balak wollte gern, dass Bileam das Volk Israel verfluchte, aber Gott hat ihn daran gehindert.

So ist unser Gott! Muss Er nicht auch dich und mich häufiger daran erinnern, wie wunderbar Er uns in unserem Leben geholfen hat? Wie viele Bewahrungen und wunderbare Fügungen durften wir erleben. Sind wir dankbar dafür? Oder haben wir alle Segnungen Gottes schon vergessen? Sind wir mit manchen Umständen unzufrieden, bäumen wir uns gegen Gottes Wege auf, hadern wir gar? Gibt es einen wirklichen Grund, warum wir uns von Gott abwenden sollten? In einem Lied heißt es:

„Wenn wir uns von ihm abwenden,
wird es finster um uns her;
unser Gang ist nicht mehr sicher
und das Herz ist freudenleer.“

Gott hat das Herz des Überrestes getroffen.

6,6.7 – Womit soll ich vor den HERRN treten, mich beugen vor dem Gott der Höhe? Soll ich vor ihn treten mit Brandopfern, mit einjährigen Kälbern? Wird der HERR Wohlgefallen haben an Tausenden von Widdern, an Zehntausenden von Strömen Öls? Soll ich meinen Erstgeborenen geben für meine Übertretung, die Frucht meines Leibes für die Sünde meiner Seele?

Der Überrest erkennt sehr deutlich, dass jede fromme Form absoluter Unsinn ist. Gott will keine Form der Gottseligkeit, sondern deren Kraft (vgl. 2Tim 3,5). Weder Brandopfer noch Ströme von Öl oder gar die Opferung des Erstgeborenen würden etwas nützen. Die Sünde kann durch diese Handlungen nicht ausgetilgt werden. Das erkennt der Überrest jetzt ganz klar.

Man hat den Eindruck, dass dieser Überrest die Stimme anderer Propheten gehört hat, die im Namen des lebendigen Gottes geweissagt haben: „Hört das Wort des Herrn, Vorsteher von Sodom; horcht auf das Gesetz unseres Gottes, Volk von Gomorra! Wozu soll mir die Menge eurer Schlachtopfer?, spricht der Herr:Ich habe die Brandopfer von Widdern und das Fett der Mastkälber satt, und am Blut von Stieren und Lämmern und jungen Böcken habe ich kein Gefallen. Wenn ihr kommt, um vor meinem Angesicht zu erscheinen: Wer hat dies von eurer Hand gefordert, meine Vorhöfe zu zertreten? Bringt keine wertlose [o. falsche, o. lügenhafte] Opfergabe mehr! Räucherwerk ist mir ein Gräuel. Neumond und Sabbat, das Berufen von Versammlungen: Frevel und Festversammlung kann ich nicht ertragen. Eure Neumonde und eure Festzeiten hasst meine Seele; sie sind mir zur Last geworden, ich bin des Tragens müde. Und wenn ihr eure Hände ausbreitet, verhülle ich meine Augen vor euch; selbst wenn ihr das Gebet vermehrt, höre ich nicht: Eure Hände sind voll Blut. Wascht euch, reinigt euch; schafft mir die Schlechtigkeit eurer Handlungen aus den Augen, hört auf, Böses zu tun! Lernt, Gutes zu tun, trachtet nach Recht, leitet den Bedrückten; schafft Recht der Waise, führt die Rechtssache der Witwe! Kommt denn und lasst uns miteinander rechten, spricht der Herr. Wenn eure Sünden wie Scharlach sind, wie Schnee sollen sie weiß werden; wenn sie rot sind wie Karmesin, wie Wolle sollen sie werden. Wenn ihr willig seid und hört, so sollt ihr das Gute des Landes essen“ (Jes 1,10–19).

„Wenn sie fasten, werde ich nicht auf ihr Flehen hören; und wenn sie Brandopfer und Speisopfer opfern, werde ich kein Wohlgefallen an ihnen haben; sondern ich werde sie durch Schwert und durch Hunger und durch Pest vernichten“ (Jer 14,12).

„Als Schlachtopfer meiner Opfergaben opfern sie Fleisch und essen es; der Herrhat kein Wohlgefallen daran. Nun wird er sich an ihre Ungerechtigkeit erinnern und ihre Sünden heimsuchen“ (Hos 8,13).

„Denn wenn ihr mir Brandopfer und eure Speisopfer opfert, habe ich kein Wohlgefallen daran; und das Friedensopfer von eurem Mastvieh mag ich nicht ansehen“ (Amos 5,22).

Der weise Salomo sagte schon: „Das Opfer der Gottlosen ist dem Herrnein Gräuel, aber das Gebet der Aufrichtigen sein Wohlgefallen“ (Spr 15,8), und: „Gerechtigkeit und Recht üben ist dem Herrnangenehmer als Opfer“ (Spr 21,3), und: „Das Opfer der Gottlosen ist ein Gräuel; wie viel mehr, wenn er es in böser Absicht bringt“ (Spr 21,27).

Wie schnell täuschen äußere religiöse Formen über den inneren Herzenszustand weg. Genau diese Situation zeigt sich auch in der Christenheit. Lesen wir dazu einige Texte: „Dies aber wisse, dass in den letzten Tagen schwere [o. gefahrvolle] Zeiten eintreten werden; denn die Menschen werden selbstsüchtig sein, geldliebend, prahlerisch, hochmütig, Lästerer, den Eltern ungehorsam, undankbar, unheilig, ohne natürliche Liebe, unversöhnlich [o. wortbrüchig, o. treulos], Verleumder, unenthaltsam, grausam, das Gute nicht liebend, Verräter, verwegen, aufgeblasen, mehr das Vergnügen liebend als Gott, die eine Form der Gottseligkeit haben, deren Kraft aber verleugnen; und von diesen wende dich weg“ (2Tim 3,1–5).

Damit einher geht ein Abwenden von der gesunden Lehre: „Denn es wird eine Zeit sein, da sie die gesunde Lehre nicht ertragen werden, sondern nach ihren eigenen Begierden sich selbst Lehrer aufhäufen werden, indem es ihnen in den Ohren kitzelt; und sie werden die Ohren von der Wahrheit abkehren, sich aber zu den Fabeln hinwenden“ (2Tim 4,3.4).

Ein moralischer Verfall kann also durch äußere Formen eines frommen Lebens verdeckt werden. Man lebt nach seinen eigenen Lüsten und sehnt sich nach kitzelnden Ohren. Das sind Ohren, die schmeichelhafte Worte hören wollen, die nur das hören wollen, was der eigene Verstand und das eigene Herz sowieso schon ausgedacht haben.

Wir leben auch heute in einer solchen Zeit. Prediger reden immer mehr davon, dass die christlichen Veranstaltungen für Menschen unserer Zeit attraktiv sein müssen. Man muss schon durch Theaterstücke, Musicals, Anspiele oder beamerorientierte Vorträge Menschen zu erreichen suchen. Man kommt – wie man sagt – sonst nicht an. Und natürlich dürfen musikalische Darbietungen nicht fehlen, denn sie laden die Atmosphäre emotional auf und bewirken dadurch positive Voraussetzungen für die Aufnahme der „Message“. Es geht nicht darum, diese Dinge als böse zu verwerfen, aber durch diese Methoden kommt kein Mensch zum Glauben an den Herrn Jesus Christus. Es ist eine außerordentlich bedauernswerte Entwicklung, wenn Prediger mehr über Methoden und Organisationsmechanismen nachdenken als auf den Knien zu liegen und zu beten und das Wort Gottes in geistlicher Kraft zu verkündigen. Glauben wir wirklich, dass der vielerorts hoch gepriesene Methodenwahn Menschen zum Heiland führt oder Gläubige wirklich verändert? Es bleibt weiterhin wahr, was Römer 10,17 sagt: „Also ist der Glaube aus der Verkündigung, die Verkündigung aber durch Gottes Wort.“ Und 1. Petrus 1,23 belehrt uns darüber, dass „ihr nicht wiedergeboren seid aus verweslichem Samen, sondern aus unverweslichem, durch das lebendige und bleibende Wort Gottes“. Jakobus 1,18 sagt: „Nach seinem eigenen Willen hat er uns durch das Wort der Wahrheit gezeugt, damit wir eine gewisse Erstlingsfrucht seiner Geschöpfe seien“, und in Apostelgeschichte 10,42–44 lesen wir: „Und er hat uns befohlen, dem Volk zu predigen und ernstlich zu bezeugen, dass dieser der von Gott bestimmte Richter der Lebendigen und der Toten ist. Diesem geben alle Propheten Zeugnis, dass jeder, der an ihn glaubt, Vergebung der Sünden empfängt durch seinen Namen. Während Petrus noch diese Worte redete, fiel der Heilige Geist auf alle, die das Wort hörten.“

Der Herr Jesus selbst sagte in Johannes 3,5.6: „Wahrlich, wahrlich, ich sage dir: Wenn jemand nicht aus Wasser und Geist geboren wird, so kann er nicht in das Reich Gottes eingehen. Was aus dem Fleisch geboren ist, ist Fleisch, und was aus dem Geist geboren ist, ist Geist“, und in Johannes 15,3 betont Er: „Ihr seid schon rein um des Wortes willen, das ich zu euch geredet habe.“ In Johannes 6,63–69 äußert der Herr: „Der Geist ist es, der lebendig macht; das Fleisch nützt nichts. Die Worte, die ich zu euch geredet habe, sind Geist und sind Leben ... Da sprach Jesus zu den Zwölfen: Wollt ihr etwa auch weggehen? Simon Petrus antwortete ihm: Herr, zu wem sollen wir gehen? Du hast Worte ewigen Lebens; und wir haben geglaubt und erkannt, dass du der Heilige Gottes bist.“

Wer besucht schon noch nüchterne Vorträge, wo gottesfürchtige Evangelisten, Lehrer oder Hirten allein mittels des Wortes Gottes die Herzen erreichen wollen? Kann man sich eigentlich noch Evangelisationen ohne Chor, ohne Musikdarbietungen, ohne Band vorstellen? Gibt es noch Jugendtage, wo allein Gottes Wort, der Herr Jesus Christus und ein wortbezogener Gesang im Mittelpunkt stehen? Werden bei den großen christlichen „Events“ wirklich Herzen in das Licht Gottes gebracht?

Oder muss uns der Prophet Amos sagen: „Ich hasse, ich verschmähe eure Feste, und eure Festversammlungen mag ich nicht riechen: Denn wenn ihr mir Brandopfer und eure Speisopfer opfert, habe ich kein Wohlgefallen daran; und das Friedensopfer von eurem Mastvieh mag ich nicht ansehen. Tu den Lärm deiner Lieder von mir weg, und das Spiel deiner Harfen mag ich nicht hören. Aber das Recht wälze sich einher wie Wasser, und die Gerechtigkeit wie ein immer fließender Bach!“ (Amos 5,21–24).

Wenn wir das Neue Testament untersuchen, um die Prinzipien kennenzulernen, nach denen Menschen aus der Finsternis ins Licht kamen, dann halten wir das fest, was der Apostel Paulus an Timotheus und an Titus schrieb: „Wenn du dies den Brüdern vorstellst, so wirst du ein guter Diener Christi Jesu sein, auferzogen [o. genährt] durch die Worte des Glaubens und der guten Lehre, der du genau gefolgt bist [o. die du genau erkannt hast (vgl. 2Tim 3,10)].Die ungöttlichen und altweibischen Fabeln aber weise ab, übe dich aber zur Gottseligkeit“ (1Tim 4,6.7).

„Niemand verachte deine Jugend, sondern sei ein Vorbild der Gläubigen in Wort, in Wandel, in Liebe, in Glauben, in Keuschheit. Bis ich komme, halte an mit dem Vorlesen, mit dem Ermahnen, mit dem Lehren“ (1Tim 4,11–13). „Du aber rede, was der gesunden Lehre geziemt“ (Tit 2,1). „Predige das Wort, halte darauf zu gelegener und ungelegener Zeit; überführe, weise ernstlich zurecht, ermahne mit aller Langmut und Lehre“ (2Tim 4,2).

Wenn wir als Christen echte geistliche Erweckung erleben wollen, geht das nur über den Weg der Buße, des Zerbruchs der eigenen frommen, traditionellen oder modernen Ideen. Dringend müssen wir umkehren zum Wort Gottes, zur Lehre der Schrift, zu einem Leben aus und mit dem Wort Gottes, zu einem authentischen christlichen Leben, das erfüllt ist mit Gottes Heiligem Geist, dem Geist der Wahrheit. Gibt es in den Gemeinden noch regelmäßige wöchentliche Gebetszusammenkünfte, wo man zusammen auf den Knien liegt, um zu beten? Gibt es noch Belehrungsstunden an den Wochenabenden, wo Gottes Wort gemeinsam erforscht wird? Wissen wir noch, was wirklich Anbetung in Geist und Wahrheit ist? Wie viel Formalismus gibt es unter den Gläubigen, wie viel auswendig gelernte Gebete! Und selbst da, wo man bekennt, Gott in Geist und Wahrheit anzubeten, ist sehr oft alles nur Wiederholung. Die gleichen Lieder, die gleichen Gebetsformulierungen, die gleichen Bibeltexte – jahraus, jahrein. Wir benötigen dringend Anbetungszusammenkünfte in Abhängigkeit vom Geist Gottes, in gottgemäßer Ordnung, aber in Frische, in Lebendigkeit. Sollten wir nicht die Gegenwart unseres hochgelobten Herrn in unserer Mitte erleben? Dafür ist es nötig, dass Sünde bekannt wird und starre Formen durchbrochen werden.

6,8 – Er hat dir kundgetan, o Mensch, was gut ist; und was fordert der HERR von dir, als Recht zu üben und Güte zu lieben und demütig zu wandeln mit deinem Gott?1

1

Dieser Vers in etwas veränderter Übersetzung war übrigens das Motto des Ev. Kirchentages im Jahr 1995: „Es ist dir gesagt, Mensch, was gut ist und was der Herrvon dir fordert, nämlich Gottes Wort halten und Liebe üben und demütig sein vor deinem Gott.“ Hier darf die Frage gestellt werden: Sind diese drei wichtigen Punkte wirklich Motto gewesen? Wenn man sich die moralische und die geistliche Entwicklung der ev. Kirche ansieht, die sich nicht scheut, den Dalai Lama zum Kirchentag einzuladen, bleibt nur völliges Unverständnis.

„O Mensch“1 – das ist hier die Anrede. Gott fordert die Gläubigen auf, drei Aspekte des geistlichen Lebens – eines Lebens mit Gott – zu verwirklichen: Recht2 üben – das ist die praktische Anwendung des Wortes Gottes auf alle Bereiche unseres Lebens. Recht üben in der Ehe, in der Familie, im Berufsleben und unter dem Volk Gottes. „Recht üben“ beinhaltet ein Bewusstsein von der Notwendigkeit eines täglichen Umgangs mit Gott. Das bedeutet ein intensives Lesen und Erforschen des Wortes Gottes und ein reges Gebetsleben. Nur so können wir nach der Weise unseres Herrn leben. Um Recht üben zu können, müssen wir mit der Quelle des Rechts – mit Gott – praktisch leben.

1

Hebr. adam= Mensch.

2

Hebr. mischpath= Recht (vgl. Mich 3,1.8.9; 6,8; 7,9; siehe auch 1Mo 18,19.25; 40,13; 2Mo 15,25; 21,1.9.31; 23,6; 24,3; der Ausdruck bedeutet: nach einer rechtmäßigen, d. h. festgelegten Weise tun. In Jeremia 9,23 sagt der Herr: „... sondern wer sich rühmt, rühme sich dessen: Einsicht zu haben und mich zu erkennen, dass ich der Herrbin, der Güte, Recht und Gerechtigkeit übt auf der Erde; denn daran habe ich Gefallen, spricht der Herr“ (Ps 17,2; 25,9; Amos 5,15.24; Hab 1,4).

„Güte1 lieben“ – immer wieder lesen wir in der Schrift von der Güte Gottes. Diese Güte (chäsäd) ist der Inbegriff der Liebe und Barmherzigkeit Gottes. Güte ist die Abwesenheit von Härte, von Eigendünkel, von Überheblichkeit dem Mitmenschen gegenüber. Wer Güte liebt, sucht nicht sich selbst, sondern sucht das Wohl des anderen. Wer Güte liebt, wandelt in Liebe, lebt in der Gemeinschaft mit Gott, denn „Gott ist Liebe“. Niemals kann Güte von Wahrheit getrennt werden. Aus diesem Grund werden beide Begriffe auch immer wieder zusammen gebraucht.2 Somit ist deutlich, dass Güte nicht ein weiches Übersehen des Bösen ist, sondern gerade ein Feststellen des Bösen und ein Ertragen des Menschen und ein geduldiges Abwarten auf eine Umkehr und gegebenfalls auch Trennung bzw. Wegwenden vom Bösen (2Tim 2,21ff.; Röm 16,17). Im Neuen Testament ist es gerade die Güte Gottes, die „zur Buße leitet“ (Röm 2,4). War es nicht die „Güte und die Menschenliebe unseres Heiland-Gottes“, die uns errettet hat (Tit 3,4)? In den kommenden Zeitaltern wird Gott den „überragenden Reichtum seiner Gnade in Güte“ an uns erweisen in Christus Jesus (Eph 2,7). Aber bedenken wir auch: Diese Güte kann auch in Strenge umschlagen. „Sieh nun die Güte und die Strenge Gottes: gegen die, die gefallen sind, Strenge; gegen dich aber Güte Gottes, wenn du an der Güte bleibst; sonst wirst auch du ausgeschnitten werden“ (Röm 11,22). Wenn Gott gegenüber den Undankbaren gütig ist, wie viel mehr sollten wir Güte gegenüber unserem Nächsten offenbaren.

1

Hebr. chäsäd= Güte (siehe auch Mich 7,18.20; vgl. weiter 2Mo 20,6; 34,7; 5Mo 7,9; Ps 32,10; 33,18.22; 36,6.8.11; 40,11; 107,1.8.15.21.31; insbesondere Psalm 136 – in diesem Lied wird in jedem Vers die Güte Gottes besungen –; Hos 4,1; 12,7; Joel 2,13).

2

2Mo 34,6; 2Sam 15,20; Ps 25,10; 61,8; 85,11; 86,15; 89,15; Spr 3,3; 14,22; 16,6; 20,28.

„Doch liebt eure Feinde, und tut Gutes, und leiht, ohne etwas zurückzuerhoffen, und euer Lohn wird groß sein, und ihr werdet Söhne des Höchsten sein; denn er ist gütig gegen die Undankbaren und Bösen“ (Lk 6,35). Wenn die Liebe langmütig und gütig ist (1Kor 13,4) – und diese Liebe ist in unsere Herzen ausgegossen durch den Heiligen Geist (Röm 5,5) –,dann begreifen wir die Ermahnungen gut, die in Kolosser 3,12 ausgerufen werden: „Zieht nun an, als Auserwählte Gottes, als Heilige und Geliebte: herzliches Erbarmen, Güte, Demut, Sanftmut, Langmut“, und in Epheser 4,32: „Seid aber zueinander gütig, mitleidig, einander vergebend [o. Gnade erweisend], wie auch Gott in Christus euch vergeben [o. Gnade erwiesen] hat.“

Demütig wandeln mit deinem Gott“ – Beachten wir, dass es hier um die persönliche Beziehung zu Gott geht. Wir sollen mit unserem Gott wandeln, ich soll mit meinem Gott wandeln. Wie kann ich mit meinem Gott demütig wandeln? Demut ist eine niedrige Gesinnung, ein selbstloses Denken. Man ist nicht demütig, wenn man anderen sagt, wie demütig man ist, sondern man ist demütig, wenn man gar nicht auf sich schaut.

In Sprüche 15,33 und 18,12 heißt es, dass der Ehre Demut vorausgeht. Zephanja ruft das Volk auf: „Sucht den Herrn..., die ihr sein Recht gewirkt habt; sucht Gerechtigkeit, sucht Demut; vielleicht werdet ihr am Tag des Zorns des Herrngeborgen“ (Zeph 2,3). In Sprüche 3,34 lesen wir: „... den Demütigen aber gibt er Gnade.“ Immer wieder werden wir zur Demut aufgefordert: „Ich ermahne euch nun, ich, der Gefangene im Herrn, dass ihr würdig wandelt der Berufung, mit der ihr berufen worden seid, mit aller Demut und Sanftmut, mit Langmut, einander ertragend in Liebe“ (Eph 4,1.2), oder: „... nichts aus Streitsucht oder eitlem Ruhm tuend, sondern in der Demut einer den anderen höher achtend als sich selbst“ (Phil 2,3). Ob Jüngere oder Ältere, wir alle werden ermutigt mit den Worten: „Ebenso ihr Jüngeren, ordnet euch den Älteren unter. Alle aber seid gegeneinander mit Demut fest umhüllt; denn ,Gott widersteht den Hochmütigen, den Demütigen aber gibt er Gnade‘“ (1Pet 5,5).

Das beste Vorbild, das wir als Christen haben, ist unser Lehrer, Meister und Herr. Er hat uns das Wort hinterlassen: „Nehmt auf euch mein Joch und lernt von mir, denn ich bin sanftmütig und von Herzen demütig, und ihr werdet Ruhe finden für eure Seelen“ (Mt 11,29).

Lasst uns nicht groß über Demut reden, sondern demütig sein! Wir wandeln dann demütig mit unserem Gott, wenn wir in der Gesinnung Christi leben.

9. Gottes warnende Stimme (Kapitel 6,9–16)

6,9 – Die Stimme des HERRN ruft der Stadt, und dein Name hat Weisheit im Auge: Hört auf die Rute und auf den, der sie bestellt!

Wie immer man diesen Satz nun genau übersetzt, eines ist sicher: Das Merkmal von Weisheit ist, auf die Stimme des Herrnzu hören, seine Rute1 anzunehmen. Wenn Gott züchtigt, dann ist es gut, stillzuhalten, „... denn wen der Herr liebt, den züchtigt er; er geißelt aber jeden Sohn, den er aufnimmt“ (Heb 12,6); und: „Alle Züchtigung aber scheint für die Gegenwart nicht ein Gegenstand der Freude, sondern der Traurigkeit zu sein; danach aber gibt sie die friedsame Frucht der Gerechtigkeit denen, die durch sie geübt worden sind“ (Heb 12,11).

1

Hebr. mattäh= Stab (1Mo 38,18.25; 2Mo 4,2.4.17.20; 7,9ff.; 8,1.12.13; 17,5.9; Ps 110,2; Jes 10,5.15.24.26), Stamm (2Mo 31,2.6; 35,30.34; 38,22.23; 4Mo 1,4ff.).

„Sobald sie hingehen, werde ich mein Netz über sie ausbreiten, wie die Vögel des Himmels werde ich sie herabziehen. Ich werde sie züchtigen gemäß dem, was ihrer Gemeinde verkündigt worden ist“ (Hos 7,12). Gott hatte schon in 3. Mose 26 und 5. Mose 28,15ff. deutlich auf die Folgen des Ungehorsams hingewiesen. Die Gemeinde Israels konnte diese Stellen im Gesetz nachlesen. Aber man wollte nicht hören. Schon Jeremia musste dem Volk Gottes sagen: „Herr, sind deine Augen nicht auf die Treue gerichtet? Du hast sie geschlagen, aber es hat sie nicht geschmerzt; du hast sie vernichtet – sie haben sich geweigert, Zucht anzunehmen; sie haben ihre Angesichter härter gemacht als Fels, sie haben sich geweigert umzukehren“ (Jer 5,3; vgl. auch 2,30; 7,28; 17,23; 32,33; 35,13).

Leben wir nicht auch in einer Zeit des Wissens? Wie viele Kommentare zur Bibel gibt es, wie viele gute Mahnschriften, Erbauungsbücher. Gibt es nicht über jedes Thema heute Bücher? Viele reden eine deutliche Sprache und warnen vor der zunehmenden Verweltlichung des Volkes Gottes. Manchmal greift Gott auch züchtigend in Gemeinden/Versammlungen ein. Können wir noch hören auf Gottes Stab, seine Rute?

6,10–12 – Sind noch im Haus des Gottlosen Schätze der Gottlosigkeit und das knappe, verfluchte Epha? „Sollte ich rein sein bei der Waage der Gottlosigkeit und bei einem Beutel mit betrügerischen Gewichtssteinen?“ Ihre Reichen sind voll Gewalttat, und ihre Bewohner reden Lügen, und ihre Zunge ist Trug in ihrem Mund!

In diesen drei Versen fragt Gott nach den Schätzen der Gottlosigkeit. Das waren Gegenstände, die auf böse, unrechtmäßige Weise angeschafft worden waren. Offensichtlich war es normal geworden, unehrliche Geschäfte zu machen, um so Reichtümer aufzuhäufen. Zudem war das knappe, verfluchte Epha im Haus. Dieses etwa 36 Liter fassende Trockenhohlmaß war zu klein. Vielleicht fasste es nur 30 Liter, aber man gab es für ein 36-Liter-Maß aus. Keiner wagte gegen diese unrechtmäßigen Handlungsweisen aufzustehen, keiner wagte gegen dieses Unrecht anzukämpfen. Warum nicht? Nun, die Reichen waren gewaltbereit, und die Bewohner, die wohl unter ihrem Einfluss standen, belogen die übrigen Menschen. Gewalttat und Betrug sind die Mittel, durch die eine Art Terrorherrschaft auf dem Handelsmarkt ausgeübt werden kann.

Was bedeutet nun der Satz: „Sollte ich rein sein bei der Waage der Gottlosigkeit und bei einem Beutel mit betrügerischen Gewichtssteinen?“ Das ist eine rhetorische Frage. Jeder wird sie mit Nein beantworten. Wenn man von dieser Ungerechtigkeit weiß und dazu schweigt, ist man unrein. Hier finden wir den wichtigen Grundsatz: „Neutralität gegenüber dem Bösen macht unrein!“

Es ist gut, dass wir uns dieses Prinzip gründlich einprägen. „Wer nun weiß, Gutes zu tun, und tut es nicht, dem ist es Sünde“ (Jak 4,17). „Lasst euch nicht verführen: Böser Verkehr verdirbt gute Sitten“ (1Kor 15,33).

6,13–15 – So will auch ich dich unheilbar schlagen, dich verwüsten um deiner Sünden willen. Du wirst essen, aber nicht satt werden; und dein Inneres wird leer bleiben. Und du wirst fortschaffen und nicht retten; und was du rettest, werde ich dem Schwert hingeben. Du wirst säen, aber nicht ernten; du wirst Oliven keltern, aber dich nicht mit Öl salben, und Most, aber keinen Wein trinken.

Gott sagt sehr klar, wie Er auf diese Ungerechtigkeit reagieren wird. Er wird das Volk unheilbar schlagen. Dazu benutzt Er seine Zuchtrute. Er nennt fünf Reaktionsweisen:

Zunächst will Er das Volk

  1. verwüsten, sodann wird Er ihnen
  2. die Speise entziehen; Er wird dasjenige, was man vor dem Feind retten möchte,
  3. dem Tod preisgeben;
  4. eine Ernte wird es nicht geben, und
  5. obwohl Öl und Most vorhanden sind, wird man sich doch nicht salben und genüsslich Wein trinken können. Wenn Gott Gericht über das Volk bringt, wird man für den Genuss dieser Luxusgüter keine Zeit haben.

„Denn was nützt es einem Menschen, wenn er die ganze Welt gewinnt, sich selbst aber verliert oder einbüßt?“ (Lk 9,25).

Wie ganz anders verläuft das Leben, wenn man sich auf die Worte des Herrn stützt, der gesagt hat: „Deshalb sage ich euch: Seid nicht besorgt für das Leben, was ihr essen, noch für den Leib, was ihr anziehen sollt, denn das Leben ist mehr als die Nahrung und der Leib mehr als die Kleidung. Betrachtet die Raben, dass sie nicht säen noch ernten, die weder Vorratskammer noch Scheune haben, und Gott ernährt sie; um wie viel vorzüglicher seid ihr als die Vögel! Wer aber unter euch vermag mit Sorgen seiner Größe eine Elle zuzufügen? Wenn ihr nun auch das Geringste nicht vermögt, warum seid ihr um das Übrige besorgt? Betrachtet die Lilien, wie sie wachsen; sie mühen sich nicht und spinnen auch nicht. Ich sage euch aber: Selbst nicht Salomo in all seiner Herrlichkeit war bekleidet wie eine von diesen. Wenn aber Gott das Gras, das heute auf dem Feld ist und morgen in den Ofen geworfen wird, so kleidet, wie viel mehr euch, ihr Kleingläubigen! Und ihr, trachtet nicht danach, was ihr essen oder was ihr trinken sollt, und seid nicht in Unruhe; denn nach all diesem trachten die Nationen der Welt; euer Vater aber weiß, dass ihr dies nötig habt. Trachtet jedoch nach seinem Reich, und dies wird euch hinzugefügt werden. Fürchte dich nicht, du kleine Herde, denn es hat eurem Vater wohlgefallen, euch das Reich zu geben. Verkauft eure Habe und gebt Almosen; macht euch Geldbeutel, die nicht veralten, einen Schatz, unvergänglich, in den Himmeln, wo kein Dieb sich nähert und keine Motte verdirbt. Denn wo euer Schatz ist, da wird auch euer Herz sein“ (Lk 12,22–34).

6,16 – Und man beachtet eifrig die Satzungen Omris und alles Tun des Hauses Ahabs, und ihr wandelt in ihren Plänen, damit ich dich zum Entsetzen mache und ihre [d. h. der Stadt; V. 9.12] Bewohner zum Gezisch; und ihr werdet die Schmach meines Volkes tragen.

Das Haus Omris und das Haus Ahabs haben einen schlimmen Einfluss auf Juda ausgeübt. An dieser Stelle wird sehr deutlich, dass das Nordreich auf das Südreich Juda negativ ausgestrahlt hat. Und wieder lernen wir, dass Einflüsse nicht ohne Wirkung bleiben. Sage mir, mit wem du umgehst, und ich sage dir, wie du bald denken und handeln wirst.

Was waren die Satzungen Omris?

Die Dynastie Jerobeams I. hielt nur bis zu seinem Sohn Nadab. Beide taten das, was böse in den Augen des Herrnwar. Sie dienten den Götzen. Baesa, der Sohn Achijas, machte eine Verschwörung gegen Nadab und erschlug ihn bei Gibbeton. In dieser Zeit regierte Asa in Juda. Baesa handelte ebenfalls böse, er regierte trotzdem 24 Jahre in der neuen Hauptstadt Tirza. Ihm folgte sein Sohn Ela für 2 Jahre auf dem Thron. Während eines Saufgelages erschien plötzlich sein Knecht Simri und tötete ihn. Letztlich tat er das, was Gott schon viele Jahre vorher durch Jehu, den Propheten, geweissagt hatte (1Kön 16,12). Er musste zwar als Zuchtrute Gottes das tun, was Gott wollte, konnte sich aber nur sieben Tage in der Hauptstadt Tirza halten, denn die Nachricht von der Verschwörung und dem Mord an Ela wurde schnell verbreitet. Das Volk wollte einen solchen König nicht, und so machte man Omri, den Heerobersten, zum König. Omri zog mit einem großen Heer gegen die Hauptstadt Tirza und belagerte sie. Simri sah keinen Ausweg mehr auf Rettung und verbrannte das ganze Königshaus und starb. Der Selbstmord Simris war das traurige Ende ständiger Verschwörungen. Doch auch Omri kam nicht zu einer ruhigen Regierungszeit. Es folgte eine Teilung. Die eine Hälfte folgte Tibni und die andere Hälfte Omri nach. Omris Heere überwältigten schließlich die Heere Tibnis, und so wurde Omri Alleinherrscher über das Nordreich. Er regierte 6 Jahre in Tirza, kaufte den Berg Samaria von Schemer für 2 Talente Silber und machte Samaria zur Hauptstadt des Reiches. Die Schrift umreißt das Leben Omris wie folgt: „Und Omri tat, was böse war in den Augen des Herrn; und er machte es schlimmer als alle, die vor ihm gewesen waren“ (1Kön 16,25).

Im 38. Regierungsjahr Asas, des Königs von Juda, wurde Ahab, der Sohn Omris, König über das Nordreich.

Das Leben Ahabs unter dem Einfluss seiner Frau Isebel war ebenso schrecklich wie das seines Vaters. Wenn nun in unserem obigen Vers von den Satzungen Omris und den Plänen Omris und Ahabs geschrieben steht, dann beinhalten diese Aussagen einfach, dass man Gott bewusst verlassen wollte, um sich dem Götzendienst und dem Okkultismus hinzugeben. Leider verschwägerte sich der Sohn Asas, Josaphat, mit dem Haus Ahabs. Josaphat hat viel Gutes getan, aber hierin ging er deutlich einen falschen Weg. Er musste erleben, wie ein böser Geist die Propheten Ahabs erfüllte, und wäre fast als Kampfgenosse Ahabs gestorben, wenn Gott ihn nicht wunderbar bewahrt hätte.

Könnte es sein, dass durch diese Verbindung sehr viel Böses aus dem Haus Omris und Ahabs nach Juda kam?

Eine Warnung für uns. Es gibt Weichenstellungen in unserem Leben, die eine ganze Entwicklung beeinflussen. Josaphat hätte sich nicht mit Ahab verschwägern dürfen. Dann wäre er wahrscheinlich auch nicht in die Lage gekommen, durch Ahab verleitet zu werden, mit ihm zusammen nach Ramot-Gilead zu ziehen. „Und Ahab, der König von Israel, sprach zu Josaphat, dem König von Juda: Willst du mit mir nach Ramot-Gilead ziehen? Und er sprach zu ihm: Ich will sein wie du, und mein Volk wie dein Volk, und will mit dir in den Kampf ziehen“ (2Chr 18,3). Sind wir nicht erschrocken über die Worte Josaphats?

Es gab in dieser Zeit auch noch Propheten Gottes, die sich sehr zurückhielten – es waren 7000, die ihre Knie nicht vor dem Baal gebeugt haben. Aber es gab auch einen Propheten, den Josaphat kennen lernte – Micha, den Sohn Jimlas. Dieser Prophet weissagte gegen Ahab. Später, nachdem Josaphat in Frieden wieder zu Hause angekommen war, ging der Seher Jehu, der Sohn Hananis, auf ihn zu und sagte: „Hilfst du dem Gottlosen, und liebst du, die den Herrnhassen? Und darum ist Zorn über dir von Seiten des Herrn. Jedoch ist Gutes an dir gefunden worden, weil du die Ascherot aus dem Land weggeschafft und dein Herz darauf gerichtet hast, Gott zu suchen“ (2Chr 19,2.3).

Wenn man sich so mit der Geschichte befasst, muss man feststellen, dass der Abfall im Volk Gottes oft in einer ganz bestimmten Zeit, unter ganz besonderen Umständen und oft durch treue Leute entsteht, die auf einmal versagen. Eine falsche eheliche Verbindung hat schon zu schlimmen Schäden im Volk Gottes geführt, eine gemeinsame Arbeit mit Menschen, die bekennen, gläubig zu sein, aber eindeutig falsche Lehren vertreten, hat immer Konsequenzen, die oft sehr weitreichend sind. Denken wir an die Geschichte der Ökumene, aber denken wir auch an die Geschichte der Evangelikalen – wo wird sie enden?

J. McArthur schreibt: „Die evangelikale Bewegung scheint von einer ganzen Armee fleischlicher Image-Berater in Beschlag genommen zu sein, die um jeden Preis die Welt überzeugen wollen, dass das Christentum ebenso tolerant, pluralistisch und freigeistig sein kann wie der politisch korrekteste Weltmensch. Das Streben nach Anerkennung von der Welt ist nichts Geringeres als geistliche Hurerei.“1

1

John MacArthur, Alles gleich gültig? – Jesu Wahrheitsanspruch in postmoderner Zeit, Oerlinghausen (Betanien Verlag) 2004, S. 11.

10. Sünde vernichtet echte Gemeinschaft (Kapitel 7,1–6)

7,1 – Wehe mir! Denn mir ergeht es wie bei der Obstlese, wie bei der Nachlese der Weinernte: keine Traube zu essen! Keine Frühfeige, die meine Seele begehrt!

Mit diesen Worten „Wehe mir“ will der Prophet ausdrücken, wie ihm psychisch zumute ist. Schon Jesaja rief angesichts der Gegenwart Gottes aus: „Wehe mir! Denn ich bin verloren; denn ich bin ein Mann von unreinen Lippen, und inmitten eines Volkes mit unreinen Lippen wohne ich; denn meine Augen haben den König, den Herrnder Heerscharen, gesehen“ (Jes 6,5). So kann es einem Mann Gottes ergehen, wenn er die Gegenwart Gottes erlebt. Jeremia ruft ebenfalls dieses „Wehe mir“ aus, weil er als Prophet unter dem Zustand des Volkes leidet: „Wehe mir wegen meiner Wunde! Schmerzhaft ist mein Schlag. Doch ich spreche: Ja, das ist mein Leiden, und ich will es tragen“ (Jer 10,19); und: „Wehe mir, meine Mutter, dass du mich geboren hast, einen Mann des Streites und einen Mann des Zankes für das ganze Land! Ich habe nicht ausgeliehen, und man hat mir nicht geliehen; alle fluchen mir“ (Jer 15,10); oder: „Wehe mir, denn der Herrhat Kummer zu meinem Schmerz hinzugefügt! Ich bin müde von meinem Seufzen, und Ruhe finde ich nicht“ (Jer 45,3).

Wenn ein Prophet das „Wehe mir“ ausruft, dann tut er das, weil er um Gottes Macht und Gerichtshandeln weiß. Er erlebt die Gegenwart Gottes, wenn Gott zu ihm redet. Und so empfindet er tiefes Mitleid mit seinem Volk, denn er fühlt sich ja eins mit diesem Volk – er ist ja Teil des Volkes Gottes. Neben dem „Wehe mir“ kann ein Prophet auch das „Wehe“ über das Volk Gottes ausrufen. Ein besonders eindrückliches Beispiel haben wir in der Prophetie Jesajas. Nachdem er mehrmals das „Wehe“ über das Volk ausgerufen hat, kommt er in Jesaja 6 dazu, „Wehe mir“ auszurufen (Jes 1,4; 3,9.11; 5,8.11.18.20–22; vgl. damit auch Mich 2,1). Wenn wir uns dem Neuen Testament zuwenden, finden wir ein „Wehe“ an folgende Personengruppen gerichtet:

  • Schriftgelehrte und Pharisäer (Mt 23,13.15.16.23.25.27.29; Lk 11,42–52)
  • an Menschen in den Städten, die die Wunder und Zeichen des Herrn Jesus erlebt haben und sie letztlich verachtet haben (Mt 11,21; Lk 10,13)
  • an die Reichen (Lk 6,24)
  • an solche, durch die Ärgernisse entstehen (Mt 18,7; Lk 17,1)
  • an Judas Iskariot (Mt 26,24; Mk 14,21; Lk 22,22)
  • an die „Vollen“, die Satten, die Lachenden, die nichts benötigen als ihren Überfluss (Lk 6,25)
  • an die Schwangeren und Säugenden in Zeiten großer Drangsal (Mt 24,19; Mk 13,17; Lk 21,23)
  • an solche, die darauf aus sind, dass man immer nur gut von ihnen redet, die Schmeichler, die auf nichts anderes sinnen als auf die Anerkennung der Menschen (Lk 6,26)
  • an solche, die den Weg Kains gegangen sind, sich für Lohn dem Irrtum Bileams überliefert haben und in dem Widerspruch Korahs umgekommen sind (Jud 11)
  • an solche, die in der Zeit zukünftiger großer Drangsal „auf der Erde wohnen“ und über die Satan Gewalt hat (Off 8,13; 9,12; 11,14; 12,12)
  • an Babylon (Off 18,10.16.19)

In 1. Korinther 9,16 schreibt der Apostel Paulus – wenn er die Verlorenheit der Menschen sieht und voller Mitgefühl ist – über sich selbst: „Denn wenn ich das Evangelium verkündige, so habe ich keinen Ruhm, denn eine Notwendigkeit liegt mir auf; denn wehe mir, wenn ich das Evangelium nicht verkündigte!“

Kennen wir auch dieses „Wehe mir“ in unserem Leben? Sind wir auch schon auf die Knie gefallen angesichts der Gegenwart Gottes?

Warum ruft nun Micha „Wehe mir“ aus? Er empfindet es wie bei der Obstlese, bei der Nachlese der Weinernte. Es gibt keine saftigen Trauben mehr. Alles ist abgepflückt. Er muss sich mit dem zufriedengeben, was übrig ist. Auch die Frühfeigen begehrt er nicht. Was heißt das nun? Die Nachlese war dem Armen, dem Fremdling, der Witwe und der Waise vorbehalten (3Mo 23,22; 5Mo 24,21).

Offensichtlich war keinerlei Frucht mehr zu sehen. Der Wein spricht von der Freude und die Feigen von der Süßigkeit, die dem Volk Gottes eigentlich durch Gott zugesprochen waren. Das Volk selbst wurde ja mit einem Feigenbaum und einem Weinstock verglichen. Aber es gab keine Frucht mehr.

Was war das Merkmal des Volkes Gottes? Die folgenden Verse drücken den moralischen Zustand treffend aus:

7,2–4 – Der Gütige [o. Fromme] ist aus dem Land verschwunden, und da ist kein Rechtschaffener unter den Menschen; allesamt lauern sie auf Blut, sie jagen jeder seinen Bruder mit dem Netz. Nach dem Bösen sind beide Hände gerichtet, um es gut auszuführen. Der Fürst fordert, und der Richter richtet gegen Entgelt, und der Große spricht die Gier seiner Seele aus [o. redet das Verderben, das er begehrt], und sie flechten es ineinander. Der Beste unter ihnen ist wie ein Dornstrauch, der Rechtschaffenste schlimmer als eine Dornenhecke. – Der Tag deiner Wächter, deine Heimsuchung, ist gekommen; dann wird ihre Verwirrung da sein.

Zwei Grundtugenden werden vermisst: Güte und Rechtschaffenheit. Güte und Gerechtigkeit sind Attribute Gottes, die solche kennzeichnen sollten, die sich zu seinem Volk bekennen. Güte ohne Gerechtigkeit ist Schwäche, sie wird sich allem Bösen öffnen; Gerechtigkeit ohne Güte wird hartherzig, lieblos, selbstgerecht.

In den Psalmen wird gerade dieses Thema behandelt:

  • „Er liebt Gerechtigkeit und Recht; die Erde ist voll der Güte des Herrn“ (Ps 33,5)
  • „Lass deine Güte fortdauern denen, die dich kennen, und deine Gerechtigkeit den von Herzen Aufrichtigen!“ (Ps 36,11)
  • „Deine Gerechtigkeit habe ich nicht im Innern meines Herzens verborgen; deine Treue und deine Rettung habe ich ausgesprochen, deine Güte und deine Wahrheit nicht vor der großen Versammlung verhehlt“ (Ps 40,11)
  • Güte und Wahrheit sind sich begegnet, Gerechtigkeit und Frieden haben sich geküsst“ (Ps 85,11)
  • Gerechtigkeit und Gericht [o. Recht] sind die Grundfeste deines Thrones; Güte und Wahrheit gehen vor deinem Angesicht her“ (Ps 89,15)
  • „Die Güte des Herrnaber ist von Ewigkeit zu Ewigkeit über denen, die ihn fürchten, und seine Gerechtigkeit auf Kindeskinder hin“ (Ps 103,17)
  • „Das Gedächtnis deiner großen Güte werden sie hervorströmen lassen und deine Gerechtigkeit jubelnd preisen“ (Ps 145,7)

Auch der Prophet Jeremia redet von diesen Attributen Gottes: „... sondern wer sich rühmt, rühme sich dessen: Einsicht zu haben und mich zu erkennen, dass ich der Herrbin, der Güte, Recht und Gerechtigkeit übt auf der Erde; denn daran habe ich Gefallen, spricht der Herr“ (Jer 9,23).

Jesaja prophezeit, dass in der Zukunft der Thron Davids durch Güte aufgerichtet werden wird, und auf ihm wird einer sitzen, der nach Recht trachtet und der der Gerechtigkeit kundig ist (Jes 16,5).

Somit kann man auch verstehen, dass Hosea von dem zukünftigen Überrest Israels sagt: „Und ich will dich mir verloben in Ewigkeit, und ich will dich mir verloben in Gerechtigkeit und in Gericht und in Güte und in Barmherzigkeit“ (Hos 2,21).

Es ist dann auch nicht schwer zu begreifen, dass für die Treuen im Land gesagt wird: „Wer der Gerechtigkeit und der Güte nachjagt, wird Leben, Gerechtigkeit und Ehre finden“ (Spr 21,21); und: „Sät euch zur Gerechtigkeit, erntet der Güte entsprechend: Pflügt euch einen Neubruch, denn es ist Zeit, den Herrnzu suchen, bis er kommt und euch Gerechtigkeit regnen lässt“ (Hos 10,12).

Diese Botschaft gilt nicht nur dem treuen Überrest, sondern auch uns Christen, die wir in einer Zeit des Verfalls – oder sollten wir besser sagen, des Abfalls von Gott – leben. Lasst uns die folgenden Worte in Epheser 5,8–12 beherzigen: „Denn einst wart ihr Finsternis, jetzt aber seid ihr Licht in dem Herrn; wandelt als Kinder des Lichts (denn die Frucht des Lichts besteht in aller Gütigkeit und Gerechtigkeit und Wahrheit), indem ihr prüft, was dem Herrn wohlgefällig ist. Und habt nicht Gemeinschaft mit den unfruchtbaren Werken der Finsternis, vielmehr aber straft sie auch [o. stellt sie auch bloß]; denn das, was heimlich von ihnen geschieht, ist schändlich auch nur zu sagen.“

Wenn Güte und Gerechtigkeit nicht mehr gefunden werden, mangelt es natürlich auch konsequenterweise an Ordnungen. Und so kann man gut nachvollziehen, dass die Menschen zu bösen Handlungen bewegt werden. Das Herz ist nun einmal böse, und wenn äußere Grenzen fallen, wird man versuchen, dem anderen aufzulauern, um ihn möglichst zu übervorteilen, um sich an dem Gut des anderen zu bereichern. Man wird nicht mehr die ausgelegten Netze sehen, die einem zum Fallstrick werden, die Netze falscher Lehrer, die Netze sittlicher Bosheit, die Netze, die oft so attraktiv aussehen, die wohl gestrickt sind, aber dennoch von den Attributen Gottes wegführen.

Der Fürst fordert – was fordert er? Nun, sie zogen dem Volk die Haut ab und das Fleisch von den Gebeinen (3,2). Sie bereicherten sich durch unrechtmäßigen Gewinn. Sie waren extreme Egozentriker, die entsprechend ihren Bedürfnissen lebten. Keine Nächstenliebe, kein gerechtes Urteil, nein, sie forderten nur und gaben nichts. Welch ein erbärmlicher Zustand. Nicht besser waren die Richter. Sie richteten gegen Entgelt. Genau das sollten sie nicht tun.

So sollte es sein: „Und du sollst ... zu dem Richter [kommen], der in jenen Tagen da sein wird, und dich erkundigen; und sie werden dir den Rechtsspruch verkünden“ (5Mo 17,9); und: „Der Mann aber, der mit Vermessenheit handelt, dass er auf den Priester, der dasteht, um den Dienst des Herrn, deines Gottes, dort zu verrichten, oder auf den Richter nicht hört: Dieser Mann soll sterben. Und du sollst das Böse aus Israel hinwegschaffen“ (5Mo 17,12); und: „Die Richter sollen genau nachforschen; und siehe, ist der Zeuge ein falscher Zeuge, hat er Falsches gegen seinen Bruder bezeugt, so sollt ihr ihm tun, wie er seinem Bruder zu tun beabsichtigte“ (5Mo 19,18).

Die Aufgabe der Richter war es, Rechtssprüche nach dem Gesetz Gottes zu verkündigen. Ihre Autorität war ihnen von Gott gegeben, daher sollte man unbedingt auf sie hören. Sie sollten genau nachforschen, objektiv urteilen, Fakten im Licht der Ordnungen Gottes besehen und sich nicht bestechen lassen. So sollte es sein. Jetzt war alles anders. Bezahlte Richter richteten nach menschlichem Ermessen, sie waren käuflich und damit keine Diener Gottes mehr. Sie alle waren schlimmer als eine Dornenhecke. Selbst die Besten und der Rechtschaffenste, die man bisher so ansah, waren verdorben. Ist das nicht erschreckend? In welch einem elenden Zustand befand sich das Volk, das nach dem Namen des Herrnbenannt war.

Schließlich wird noch von dem „Tag deiner Wächter“ gesprochen. „Wächter“ waren eigentlich solche, die auf den Türmen der Stadt waren, um nach Feinden Ausschau zu halten (2Sam 18,24–27; 2Kön 9,17.18; Ps 127,1; Hld 5,7; Jes 21,6.11.12; 62,6). Wenn sie solche sahen, schlugen sie Alarm, und die Stadt machte sich für den Kampf bereit; die Tore wurden geschlossen.

Im übertragenen Sinn hat Gott Propheten zu Wächtern bestellt. So wird Hesekiel gesagt: „Menschensohn, ich habe dich dem Haus Israel zum Wächter gesetzt; und du sollst das Wort aus meinem Mund hören und sie in meinem Namen warnen“ (Hes 3,17). „Wenn aber der Wächter das Schwert kommen sieht, und er stößt nicht in die Posaune, und das Volk wird nicht gewarnt, so dass das Schwert kommt und von ihnen eine Seele wegrafft, so wird dieser wegen seiner Ungerechtigkeit weggerafft; aber sein Blut werde ich von der Hand des Wächters fordern. Du nun, Menschensohn, ich habe dich dem Haus Israel zum Wächter gesetzt: Du sollst das Wort aus meinem Mund hören und sie in meinem Namen warnen“ (Hes 33,6.7).

Es ist der Tag des Gerichts, den die Wächter vorausgesagt haben. Leider gab es nur wenige wirkliche Wächter. Gott sagt zu Jeremia in Kapitel 6,17: „Und ich habe Wächter über euch bestellt, die sagen: Achtet auf den Schall der Posaune! Aber sie sprechen: Wir wollen nicht darauf achten“ (Jer 6,17).

Der „Tag deiner Heimsuchung“ ist der „Tag der Wächter“, ist der Tag des von dem Herrnangekündigten Gerichts. Beim Lesen des Propheten Jeremia begegnen wir immer wieder einer Formulierung, die deutlich macht, dass Gott sich frühzeitig aufgemacht hat, um das Volk zu warnen. Jeremia sagt in Kapitel 25,3: „Vom dreizehnten Jahr Josias, des Sohnes Amons, des Königs von Juda, bis auf diesen Tag, diese 23 Jahre, ist das Wort des Herrnan mich ergangen; und ich habe zu euch geredet, früh mich aufmachend und redend, aber ihr habt nicht gehört.“ Aber nicht nur er, sondern verschiedene Propheten haben diesen Tag der Heimsuchung prophezeit: „Und ich habe alle meine Knechte, die Propheten, zu euch gesandt, früh mich aufmachend und sendend, und habe gesprochen: Kehrt doch um, jeder von seinem bösen Weg, und macht eure Handlungen gut, und wandelt nicht anderen Göttern nach, um ihnen zu dienen, so sollt ihr in dem Land wohnen, das ich euch und euren Vätern gegeben habe; aber ihr habt euer Ohr nicht geneigt und nicht auf mich gehört“ (Jer 35,15; vgl. 7,13.25; 25,4; 26,5; 29,19; 44,4).

Gottes Geduld ist zu Ende. Jahrzehntelang hat Er durch seine Werkzeuge weissagen lassen. Immer wieder bewirkte Er Reformen, die zum Gehorsam dem Wort Gottes gegenüber führten. Aber selbst die letzte große Erweckung unter Josia führte letztlich nicht zu einer echten Herzensveränderung im Volk. Ein Studium von Jeremia 3 zeigt uns das überdeutlich: „Und der Herrsprach zu mir in den Tagen des Königs Josia: Hast du gesehen, was die abtrünnige Israel getan hat? Sie ging auf jeden hohen Berg und unter jeden grünen Baum und hurte dort.

Und ich sprach: Nachdem sie dies alles getan hat, wird sie zu mir zurückkehren. Aber sie kehrte nicht zurück. Und ihre treulose Schwester Juda sah es; und ich sah, dass trotz all dem, dass ich die abtrünnige Israel, weil sie die Ehe gebrochen, entlassen und ihr einen Scheidebrief gegeben hatte, doch die treulose Juda, ihre Schwester, sich nicht fürchtete, sondern hinging und selbst auch hurte. Und es geschah, wegen des Lärms ihrer Hurerei entweihte sie das Land; und sie trieb Ehebruch mit Stein und mit Holz. Und selbst bei all dem ist ihre treulose Schwester Juda nicht zu mir zurückgekehrt mit ihrem ganzen Herzen, sondern nur mit Falschheit, spricht der Herr. Und der Herrsprach zu mir: Die abtrünnige Israel hat sich gerechter erwiesen als die treulose Juda“ (Jer 3,6–11).

Israel war treulos und wurde nach Assyrien weggeführt, aber „ihre treulose Schwester Juda“ war keineswegs besser, sondern verfiel auch dem Götzendienst und wurde schließlich nach Babylon weggeführt.

Wir können verstehen, dass Micha dann noch hinzufügt: „Dann wird ihre Verwirrung da sein.“ Immer wieder hat das Volk seinen Nacken verhärtet. Das prophetische Wort war ihnen eine einzige Qual, so dass sie sich häufiger zu der Aussage verleiten ließen: „Wir wollen nicht darauf wandeln“ (Jer 6,16), oder: „Wir wollen nicht darauf achten“ (Jer 6,17). Gott musste später zu Hesekiel im Voraus sagen: „Aber das Haus Israel wird nicht auf dich hören wollen, denn sie wollen nicht auf mich hören. Denn das ganze Haus Israel hat eine harte Stirn und ein verstocktes Herz“ (Hes 3,7).

Inwiefern wird ihre Verwirrung da sein? Nun, sie werden sich nach der Hilfe Gottes sehnen, aber Er wird nicht helfen; sie werden zu Ihm rufen, aber Er wird nicht antworten. Sie glauben an einen allmächtigen Gott, aber wenn Er das ist, warum greift Er nicht ein? Er hat doch vollkommenes Wissen und ist absolut weise; Er ist doch langsam zum Zorn und groß an Güte; Er ist doch ein Gott, der mit ewiger Liebe liebt. Warum hört Er nicht? Das prophetische Wort ist fest. Gott hatte durch Mose und durch die Propheten geredet. Jetzt würde Er auch sein Wort halten. Er musste das schreckliche Gericht über sein geliebtes Volk bringen: 3. Mose 26,15–18: „... und wenn ihr meine Satzungen verachtet und eure Seele meine Rechte verabscheut, so dass ihr nicht alle meine Gebote tut und dass ihr meinen Bund brecht, so werde auch ich euch dies tun: Ich werde Schrecken über euch bestellen, Schwindsucht und Fieberglut, die bewirken werden, dass die Augen erlöschen und die Seele verschmachtet; und ihr werdet vergeblich eure Saat aussäen, denn eure Feinde werden sie verzehren; und ich werde mein Angesicht gegen euch richten, dass ihr vor euren Feinden geschlagen werdet; und eure Hasser werden über euch herrschen, und ihr werdet fliehen, obwohl niemand euch jagt. Und wenn ihr mir daraufhin nicht gehorcht, so werde ich euch siebenmal mehr züchtigen wegen eurer Sünden.“

Jeremia 25,5–10: „Und er sprach: Kehrt doch um, jeder von seinem bösen Weg und von der Bosheit eurer Handlungen, so sollt ihr in dem Land, das der Herreuch und euren Vätern gegeben hat, wohnen von Ewigkeit zu Ewigkeit. Und wandelt nicht anderen Göttern nach, um ihnen zu dienen und euch vor ihnen niederzubeugen; und reizt mich nicht durch das Werk eurer Hände, dass ich euch nicht Böses tue. Aber ihr habt nicht auf mich gehört, spricht der Herr, um mich durch das Werk eurer Hände zu reizen, euch zum Unglück. Darum, so spricht der Herrder Heerscharen: Weil ihr auf meine Worte nicht gehört habt, siehe, so sende ich hin und hole alle Völkerschaften [Eig. Familien, o. Geschlechter] des Nordens, spricht der Herr, und sende zu Nebukadrezar, dem König von Babel, meinem Knecht, und bringe sie über dieses Land und über seine Bewohner und über alle diese Nationen ringsum; und ich will sie verbannen und sie zum Entsetzen machen und zum Gezisch und zu ewigen Einöden. Und ich will unter ihnen aufhören lassen die Stimme der Wonne und die Stimme der Freude, die Stimme des Bräutigams und die Stimme der Braut, das Geräusch der Mühlen und das Licht der Lampe.“

Gott steht zu seinem Wort.

Diese Verse finden wir in Offenbarung 18,21ff. wieder, wo wir lesen, dass ein starker Engel einen Stein aufnimmt wie einen großen Mühlstein und ihn ins Meer wirft und spricht: „So wird Babylon, die große Stadt, mit Gewalt niedergeworfen und nie mehr gefunden werden.“ Diese Stadt Babylon ist die durch Satan verführte Endzeitkirche. Interessant ist, dass offensichtlich die Musik eine große Rolle in diesem System spielen wird, denn es heißt: „Und die Stimme der Harfensänger und Musiker und Flötenspieler und Trompeter wird nie mehr in dir gehört werden, und nie mehr wird ein Künstler irgendwelcher Kunst in dir gefunden werden, und das Geräusch der Mühle wird nie mehr in dir gehört werden, und das Licht einer Lampe wird nie mehr in dir scheinen, und die Stimme des Bräutigams und der Braut wird nie mehr in dir gehört werden; denn deine Kaufleute waren die Großen der Erde; denn durch deine Zauberei sind alle Nationen verführt worden. Und in ihr wurde das Blut von Propheten und Heiligen gefunden und von all denen, die auf der Erde geschlachtet worden sind.“

Musik, Kunst, echtes Licht und Liebesbeziehungen wird es nicht mehr geben. Diese Endzeitkirche ist durch materiellen Reichtum gekennzeichnet und durch okkulte Machenschaften (Zauberei). Diese Endzeitkirche verfolgte Gottes Knechte und tötete sie. Das Blut dieser treuen Gläubigen schreit zu Gott.

7,5.6 – Traut nicht dem Genossen, verlasst euch nicht auf den Vertrauten; verwahre die Pforten deines Mundes vor der, die in deinem Schoß liegt. Denn der Sohn verachtet den Vater, die Tochter lehnt sich auf gegen ihre Mutter, die Schwiegertochter gegen ihre Schwiegermutter; des Mannes Feinde sind seine Hausgenossen.

Der Zustand im Volk war derart schlecht, dass man keinem wirklich vertrauen konnte. Genossen und Vertraute, solche also, mit denen man sich täglich vertrauensvoll über alles austauschte, waren nicht mehr verlässlich. Angst vor Spionage, vor Wortverdrehungen, vor boshaften Unterstellungen prägten das alltägliche Miteinander. Selbst da, wo man von Liebe redete, wo sich die Frau auf den Schoß des Mannes legte, sollte man vorsichtig sein. Es konnte ja sein, dass die eigene Frau oder Geliebte nichts Besseres zu tun hatte, als vertrauensvolle Mitteilungen auszuplaudern – aus welchen Gründen auch immer. Auch in der Familie gab es keine gottgemäßen Ordnungen mehr: Der Sohn verachtete den Vater, anstatt ihn zu ehren; die Tochter rebellierte gegen die eigene Mutter, anstatt ihr für ihre Erziehung zu danken und ihr zu gehorchen. Und die Schwiegertochter verfuhr nicht anders mit der Schwiegermutter. Die Liebe war erkaltet, Güte gab es nicht mehr, Rechtschaffenheit war aus dem Land verschwunden. Solche Freunde, die regelmäßig im Haus waren, die Gastfreundschaft genossen, vielleicht sogar zum Hausgesinde gehörten, entpuppten sich als Feinde. Es gab keine göttliche Ordnung und keinen echten Frieden mehr. Wahre geistliche und soziale Gemeinschaft waren zerstört. Die Liebe in den Vielen erkaltete, die Bitterkeit der Herzen war prägendes Merkmal aller sozialer Beziehungen.

Der Prophet Jesaja, dessen Prophetendienst sich mindestens über 58 Jahre erstreckte (etwa von 739, als Ussija starb, bis 681, als Sanherib starb), schreibt in der gleichen Zeitepoche über Juda: „Der Ausdruck ihres Angesichts zeugt gegen sie; und von ihrer Sünde sprechen sie offen wie Sodom, sie verhehlen sie nicht. Wehe ihrer Seele, denn sie bereiten sich selbst Böses ... Mein Volk – seine Bedrücker sind kleine Kinder, und Frauen herrschen über es. Mein Volk, deine Leiter führen irre, und den Weg deiner Pfade haben sie zunichte gemacht“ (Jes 3,9–12).

Wie reagiert in einer solchen Zeit ein Mann, eine Frau Gottes? Die Botschaft Michas ist eindeutig. Er will sich dem schlimmen, gottlosen Trend nicht anschließen. Schon in Kapitel 3,8 redete er davon, dass er mit Kraft und dem Geist des Herrnerfüllt und bereit war, Jakob seine Übertretung kundzutun, jetzt äußert er sich genauso deutlich.

11. Du aber vertraue auf Gott – seine Hilfe kommt (Kapitel 7,7–17)

7,7–10 – Ich aber will ausschauen nach dem HERRN , will harren auf den Gott meines Heils; mein Gott wird mich erhören. Freue dich nicht über mich, meine Feindin! Denn bin ich gefallen, so stehe ich wieder auf; denn sitze ich in Finsternis, so ist der HERR mein Licht. Den Grimm des HERRN will ich tragen – denn ich habe gegen ihn gesündigt –, bis er meinen Rechtsstreit führen und mir Recht verschaffen wird. Er wird mich herausführen ins Licht, ich werde seine Gerechtigkeit anschauen. Und meine Feindin soll es sehen, und Scham soll sie bedecken, die zu mir sprach: Wo ist der HERR , dein Gott? Meine Augen werden mit Genugtuung auf sie sehen: Nun wird sie wie Straßenkot zertreten werden.

Wie herzerfrischend ist in schweren Zeiten das entschiedene „Ich aber“. Kennen wir das? Nicht mit der Masse schwimmen, kein Wendehals sein. Dem Herrn Jesus folgen, auch wenn es gegen die eigenen Gefühle geht. Unerschrockenheit, ja, praktischer Glaube, ein tiefes, im Herzen angesiedeltes Vertrauen auf den lebendigen Gott. Diese Verse lehren uns etwas über Michas Gesinnung:

1. Micha stellt sich gegen die Masse des Volkes

„Ich aber will ausschauen nach dem Herrn, will harren auf den Gott meines Heils; mein Gott wird mich erhören.“ Dieses „Ich aber“ konnte Josua sagen, als er dem Volk die Entscheidung vorgelegt hatte, ob sie Gott oder den Göttern dienen wollten. Er sagte: „Ich aber und mein Haus, wir wollen dem Herrndienen!“ (Jos 24,15). Auch David äußerte sich beim Kampf gegen Goliath mit den Worten: „Du kommst zu mir mit Schwert und mit Speer und mit Wurfspieß; ich aber komme zu dir im Namen des Herrnder Heerscharen, des Gottes der Schlachtreihen Israels, den du verhöhnt hast“ (1Sam 17,45). Auch Nehemia, der manche ungerechte Handlungsweisen im Volk sah, äußerte sich mit den Worten: „Aber die früheren Statthalter, die vor mir gewesen waren, hatten das Volk beschwert und Brot und Wein von ihnen genommen, dazu vierzig Sekel Silber; auch ihre Diener herrschten willkürlich über das Volk. Ich aber tat nicht so, aus Furcht vor Gott“ (Neh 5,15).

Und in den Psalmen zeigen die Schreiber immer wieder auf, dass sie im Gegensatz zu anderen auf Gott harren, auf Ihn vertrauen wollen: „Ich aber, ich werde in der Größe deiner Güte eingehen in dein Haus, ich werde anbeten in deiner Furcht gegen deinen heiligen Tempel“ (Ps 5,8; vgl. Ps 13,6; 31,15; 52,10; 55,17.24; 69,14).

Werfen wir auch noch einen Blick auf den Propheten Habakuk, der zwar sein prophetisches Buch mit Fragen beginnt, aber dann mit den Worten endet: „Ich aber, ich will in dem Herrnfrohlocken, will jubeln in dem Gott meines Heils“ (Hab 3,18).

Micha will nach dem Herrnausschauen1. Dieses Ausschauen beinhaltet eine feste Beziehung zu dem, auf den das Herz vertraut. Das wird durch die Anrede „mein Gott“ und „der Gott meines Heils“ deutlich. So wie die Geliebte den Geliebten erwartet, nach ihm ausschaut, nach ihm „späht“, so erwartet Micha das Handeln Gottes. Er fühlt sich geborgen in Gottes Hand, ist mit seinen Wegen einverstanden; er kennt den souveränen Gott, der ihn niemals im Stich lassen würde. Das tat auch David, wenn er in Psalm 5,4 schreibt: „Früh [w. am Morgen] wirst du, Herr, meine Stimme hören, früh werde ich dir mein Anliegen vorstellen und harren [eig. ausschauen].“

1

Das Verb zaphah bedeutet so viel wie „spähen wie ein Wächter“ (vgl. Hab 2,1); daher wird es auch in der Partizipialform so übersetzt (Jes 52,8; 56,10; Jer 6,17; Hes 33,2.6.7)

Habakuk lebte in etwa der gleichen Zeit wie Micha, und er fragte Gott, warum der Gottlose den Gerechten umzingele. Schließlich – nachdem Gott ihm einige Antworten gegeben hat – antwortet Habakuk mit den Worten: „Auf meine Warte will ich treten und auf den Turm mich stellen und will spähen, um zu sehen, was er mit mir reden wird und was ich erwidern soll auf meine Klage“ (Hab 2,1).

Immer wieder begegnen wir in den Heiligen Schriften Menschen, die auf Gott schauten, auf sein Handeln achteten und nicht umherspähten, um Hilfe von Menschen zu erwarten. Bei Habakuk kam denn auch die Antwort: „Der Gerechte aber wird durch seinen Glauben leben“ (Hab 2,4). Genauso reagiert Micha. Er will auf den Gott seines Heils, seiner Rettung harren, Er würde ihn erhören. Man bekommt den Eindruck, dass Micha inmitten aller Umstände wie ein Bollwerk stehen bleibt und seinen Blick scharf nach oben richtet. Gott wird antworten. Er ist der souveräne Gott, dem nichts unmöglich ist. Kennen wir diese Gewissheit auch aus unserem Leben? In Psalm 86,7 lesen wir: „Am Tag meiner Bedrängnis werde ich dich anrufen, denn du wirst mich erhören.“

In Verbindung mit diesen Worten sollten wir auch noch Sprüche 1,28–33 bedenken, denn diese Verse beschreiben den Zustand der Masse des Volkes: „Dann werden sie zu mir rufen, und ich werde nicht antworten; sie werden mich eifrig suchen und mich nicht finden, weil sie Erkenntnis gehasst und die Furcht des Herrnnicht erwählt, nicht eingewilligt haben in meinen Rat, verschmäht haben alle meine Zucht. Und sie werden essen von der Frucht ihres Weges und von ihren Plänen sich sättigen. Denn die Abtrünnigkeit der Einfältigen wird sie töten, und die Sorglosigkeit der Toren wird sie umbringen; wer aber auf mich hört, wird sicher wohnen und wird ruhig sein vor des Unglücks Schrecken.“

Gebe Gott, dass wir im Glauben, d. h. erhörlich, beten: „Geliebte, wenn unser Herz uns nicht verurteilt, so haben wir Freimütigkeit zu Gott, und was irgend wir erbitten, empfangen wir von ihm, weil wir seine Gebote halten und das vor ihm Wohlgefällige tun“ (1Joh 3,21.22). „Und dies ist die Zuversicht, die wir zu ihm haben, dass, wenn wir etwas nach seinem Willen bitten, er uns hört. Und wenn wir wissen, dass er uns hört, um was irgend wir bitten, so wissen wir, dass wir die Bitten haben, die wir von ihm erbeten haben“ (1Joh 5,14.15).

2. Micha macht sich mit dem Volk eins

„Freue dich nicht über mich, meine Feindin! Denn bin ich gefallen, so stehe ich wieder auf; denn sitze ich in Finsternis, so ist der Herrmein Licht. Den Grimm des Herrnwill ich tragen – denn ich habe gegen ihn gesündigt –, bis er meinen Rechtsstreit führen und mir Recht verschaffen wird.“

Schreibt hier Micha über sich, oder vertritt er hier die Herzenseinstellung des bußfertigen Überrestes? Die Schadenfreude der umliegenden Nationen nimmt Micha wahr, er nimmt auch das Volk wahr, aber wenn Glaube in den niederdrückenden Umständen wächst, wenn das schlichte Vertrauen auf Gott stärker wird, dann sollen die Menschen wissen: In der Tat, Gott züchtigt, Gott schmettert nieder; Er übt Gericht auch an seinem Volk, aber – welch eine gewaltige Tatsache – der von Gott Gezüchtigte steht wieder auf, er erlebt den Herrnals sein Licht. Der Überrest ist sich nun sicher, dass Gott selbst den Rechtsstreit des Volkes übernehmen wird. Man spürt in Micha eine geistliche Kraftentfaltung, die typisch für den Überrest Israels in den künftigen Tagen ist. Wir denken an Psalm 37,3–7: „Vertraue auf den Herrnund tu Gutes; wohne im Land und weide dich an Treue und ergötze dich an dem Herrn: So wird er dir geben die Bitten deines Herzens. Befiehl dem [w. Wälze auf den] Herrndeinen Weg und vertraue auf ihn, und er wird handeln! Und er wird deine Gerechtigkeit hervorkommen lassen wie das Licht, und dein Recht wie den Mittag. Vertraue still dem Herrnund harre auf ihn! Erzürne dich nicht über den, dessen Weg gelingt, über den Mann, der böse Anschläge ausführt!“

Vielleicht ist das auch eine Botschaft für dich und mich? Vertraue auf den Herrn, Gott kennt deine besonderen Umstände. Meinst du nicht, dass Er weit besser dein Problem lösen kann, als du es lösen könntest? Er wird handeln. Beneide nicht die Übeltäter, beneide niemals die Gottlosen. Gehe hinein in die Heiligtümer Gottes und bedenke, was deren Ende ist.1

1

Vgl. Psalm 73,16.17: „Da dachte ich nach, um dies zu begreifen: Eine mühevolle Arbeit war es in meinen Augen, bis ich hineinging in die Heiligtümer Gottes und jener Ende gewahrte.“



Micha will den Grimm Gottes tragen. Er bekennt seine Sünde – oder ist es die Sünde des Überrests, die er hier zu seiner eigenen macht? Isst er hier sozusagen das Sündopfer?

Lasst auch uns in dieser Gesinnung leben. Der Zustand des Volkes Gottes in unserer Zeit sollte auch uns, auch mich demütigen. Und wir sollten priesterlich das Böse vor Gott bekennen als unsere Schuld und gleichzeitig den Herrn als unser Licht betrachten. Er wird uns über den rechten Weg erleuchten und dafür sorgen, dass letztlich Gottes Recht siegt – zu seiner Zeit und auf seine Weise. Wunderbarer Herr – wie einzigartig bist Du!

3. Micha vertraut auf die Verheißungen Gottes und kann daher in geistgewirkter Gewissheit leben

So sagt Micha: „Er wird mich herausführen ins Licht.“ Wenn man den Zustand im Volk Gottes zur Zeit Michas betrachtet, gibt es keinen Grund zu großer Hoffnung – und doch: Micha lebt zwar wie im Tunnel, aber er weiß auch um den Ausgang des Tunnels. Es mögen noch manche Kurven sein, aber dann kommt das Licht am Ende des Tunnels. Er wird die Sonne wieder sehen. Dann fügt er auch hinzu: „Ich werde seine Gerechtigkeit anschauen.“

Umgeben von lauter Ungerechtigkeit, ersehnt er Gerechtigkeit. Er erwartet sie von Gott, nicht von Menschen. Dann wird auch die Feindin des Volkes Gottes, die zugleich Michas Feindin ist, mit Scham bedeckt werden. In aller Not hat diese Feindin von oben herab gesagt: „Wo ist der Herr, dein Gott, Volk Gottes?“ Alles wird sich wenden. Gott greift ein. Und nun wird der Überrest sehen, wie Gott mit dem Feind des Volkes Gottes handelt. Ja, der Überrest wird dann sagen: „Meine Augen werden mit Genugtuung auf sie sehen: Nun wird sie wie Straßenkot zertreten werden.“

Wie oft haben die Treuen im Volk Gottes vor ihrem Herrn auf den Knien gelegen und über den Zustand des Volkes Gottes getrauert. Vielleicht haben sie ihr Herz ausgeschüttet und so lange vor dem Herrn geseufzt, bis Er ihnen antworten konnte. Ihr Herz wurde dann ruhig, die aufwallenden Gefühle beruhigten sich, und plötzlich kamen Gewissheiten in das Bewusstsein. Man stand von den Knien auf und konnte sagen: Das und jenes wird geschehen, als ob es überhaupt keine andere Möglichkeit gäbe.

7,11.12 – Ein Tag kommt, an dem deine Mauern1 aufgebaut werden sollen. An jenem Tag wird die Schranke2 entfernt werden; an jenem Tag, da wird man zu dir kommen von Assyrien und den Städten Mazors [poetischer Name Ägyptens] und von Mazor bis zum Strom und von Meer zu Meer und von Gebirge zu Gebirge.

1

Hebr. gader= Mauer in Weinbergen, ein ummauerter Ort (vgl. 4Mo 22,24; Esra 9,9; Ps 62,4; 80,13; Jes 5,5; Hes 13,5; 22,30; 42,7; Hos 2,8). Hier geht es nicht um eine Stadtmauer, sondern mehr um einen eingezäunten Bereich.

2

Hebr. chok= Schranke; in den meisten Schrifttexten des AT wird dieses Wort mit „Satzung“ übersetzt (vgl. 5Mo 4,1; 5,1; 26,16; Ps 119,5ff. u. a. m.), sodann mit „Beschluss“ (Ps 2,7; Zeph 2,2), aber eben auch mit „Schranke“(Spr 8,29; Jer 5,22), etwas, was auf jemand zugeschnitten ist (Spr 30,8; 31,15), etwas Festgesetztes (Jer 32,11).

Hier redet der Prophet von einem künftigen Tag, an dem die Mauern Israels aufgebaut werden und die Schranke entfernt wird. Was ist das für ein Tag?

Es ist der Tag, an dem Menschen aus den Nationen kommen und den Herrnin Jerusalem verehren werden. Die Mauern dienen zur Umzäunung der Weinberge oder anderer Bereiche. Die nicht mehr vorhandene Schranke ist die Schranke des Hasses, der Feindschaft. Von Assyrien wird man kommen. Auch aus den Städten Mazors (anderer Name für Unterägypten) wird man kommen. Ja, über das Meer werden Menschen kommen, um Gott in Jerusalem zu huldigen. Es ist unbegreiflich, was Gott tun wird. Die Feinde werden plötzlich den Segen Gottes erleben: „An jenem Tage wird eine Straße sein von Ägypten nach Assyrien; und die Assyrer werden nach Ägypten und die Ägypter nach Assyrien kommen, und die Ägypter werden mit den Assyrern dem Herrndienen. An jenem Tage wird Israel das Dritte sein mit Ägypten und mit Assyrien, ein Segen inmitten der Erde; denn der Herrder Heerscharen segnet es und spricht: Gesegnet sei mein Volk Ägypten, und Assyrien, meiner Hände Werk, und Israel, mein Erbteil!“ (Jes 19,23–25).

„Und ich werde sie zurückführen aus dem Land Ägypten und sie sammeln aus Assyrien und sie ins Land Gilead und auf den Libanon bringen; und es wird nicht Raum genug für sie gefunden werden“ (Sach 10,10).

Der Psalm 72 kann uns deutlich machen, wodurch dieser Segen entsteht. Obwohl er von oder für Salomo geschrieben wurde, erkennt man doch, dass es sich hier um einen prophetischen Psalm handelt. Der König ist der Messias, unser Herr Jesus Christus.

„Für [o. Von] Salomo. O Gott, gib dem König deine Gerichte, und deine Gerechtigkeit dem Sohn des Königs! Er wird dein Volk richten in Gerechtigkeit, und deine Elenden nach Recht. Die Berge und die Hügel werden dem Volk Frieden tragen durch Gerechtigkeit. Er wird den Elenden des Volkes Recht verschaffen; er wird die Kinder des Armen retten, und den Bedrücker wird er zertreten. Man wird dich fürchten von Geschlecht zu Geschlecht, solange Sonne und Mond bestehen. Er wird herabkommen wie ein Regen auf die gemähte Flur, wie Regenschauer, Regengüsse auf das Land. In seinen Tagen wird der Gerechte blühen, und Fülle von Frieden wird sein, bis der Mond nicht mehr ist. Und er wird herrschen von Meer zu Meer und vom Strom bis an die Enden der Erde. Vor ihm werden sich beugen die Bewohner der Wüste, und seine Feinde werden den Staub lecken; die Könige von Tarsis und von den Inseln werden Geschenke entrichten, die Könige von Scheba und Seba werden Abgaben darbringen. Und alle Könige werden vor ihm niederfallen, alle Nationen ihm dienen. Denn erretten wird er den Armen, der um Hilfe ruft, und den Elenden, der keinen Helfer hat; er wird sich des Geringen und des Armen erbarmen, und die Seelen der Armen wird er retten. Von Bedrückung und Gewalttat wird er ihre Seele erlösen, und ihr Blut wird teuer sein in seinen Augen. Und er wird leben, und vom Gold Schebas wird man ihm geben; und man wird beständig für ihn beten, den ganzen Tag ihn segnen. Es wird Überfluss an Getreide sein im Land, auf dem Gipfel der Berge; seine Frucht wird rauschen wie der Libanon; und Menschen werden aus den Städten wie das Kraut der Erde hervorblühen. Sein Name wird ewig sein. Solange die Sonne besteht, wird sein Name sprossen; und in ihm wird man sich segnen; alle Nationen werden ihn glücklich preisen. – Gepriesen sei der Herr, Gott, der Gott Israels, der Wunder tut, er allein! Und gepriesen sei sein herrlicher Name in Ewigkeit! Und die ganze Erde werde erfüllt mit seiner Herrlichkeit! Amen, ja, Amen. Die Gebete Davids, des Sohnes Isais, sind zu Ende.“

7,13 – Und das Land wird zur Wüste werden wegen seiner Bewohner, wegen der Frucht ihrer Handlungen.

Dieser kurze Vers weist noch einmal darauf hin, dass Gott aber richten muss. Vor dieser Segenszeit wird eine schreckliche Drangsalszeit kommen, die als reinigende Kraft Israel und die Nationen durchschütteln muss.

7,14 – Weide dein Volk mit deinem Stab, die Herde deines Erbteils, die abgesondert wohnt im Wald, inmitten des Karmel; lass sie weiden in Basan und Gilead1 wie in den Tagen der Vorzeit.

1

Basan und Gilead stehen für das fruchtbare Land östlich des Jordan (vgl. 5Mo 3,10.13; 4,43; Jos 12,5; 13,11.31; 17,1.5; 20,8).

Es ist anzunehmen, dass hier Micha sich an den Herrnwendet. Er hat die Bitte, dass der Herrselbst als Hirte eingreift. Er sieht die Herde Gottes als ein abgesondertes, elendes Volk inmitten des Karmel. Offensichtlich erleidet das Volk dort Not, und der Prophet bittet Gott darum, dass Er sie wieder dort weiden lässt, wo fruchtbares Land ist – wie in der Vorzeit. In Jeremia 50,19 verheißt Gott: „Und ich will Israel zu seinem Weideplatz zurückbringen, dass es den Karmel und Basan beweide und seine Seele sich sättige auf dem Gebirge Ephraim und in Gilead.“

Die Bitte Michas wird also in Erfüllung gehen. Wie oft erinnern sich die Propheten an die Vorzeit. Aber was bedeutet eigentlich dieser Ausdruck „Vorzeit“? Nun, er heißt einfach: die frühere Zeit, die sehr weit zurückliegen kann oder auch noch nicht so weit. In unserem Vers bezieht sich die Vorzeit auf die Zeit, in der die verschiedenen Stämme im Land und östlich des Jordan ruhig wohnten und die Frucht des Landes genossen. Schon Mose erinnert in den Worten seines Liedes an die frühere Zeit: „Gedenke der Tage der Vorzeit, merkt auf die Jahre von Geschlecht zu Geschlecht; frage deinen Vater, und er wird es dir kundtun, deine Ältesten, und sie werden es dir sagen“ (5Mo 32,7). Auch David redet davon: „Ich gedenke der Tage der Vorzeit, überlege all dein Tun; ich sinne über das Werk deiner Hände“ (Ps 143,5). Und Jeremia ruft aus: „So spricht der Herr: Tretet auf die Wege und seht und fragt nach den Pfaden der Vorzeit, welches der Weg des Guten sei, und wandelt darauf; so werdet ihr Ruhe finden für eure Seelen“ (Jer 6,16).

Es ist also für den Gläubigen immer wieder gut, dass er sich mit der Vergangenheit befasst. Wie hat Gott in der Vergangenheit gehandelt? Was haben treue Männer und Frauen Gottes auf den Wegen Gottes erlebt? Wir können auch in unseren Gebeten Gott daran erinnern, was Er in der Vergangenheit getan hat. Sollte Er heute nicht ebenso eingreifen können?

7,15–17 – Wie in den Tagen, als du aus dem Land Ägypten zogst, werde ich es Wunder sehen lassen. Die Nationen werden es sehen und beschämt werden über all ihre Macht: Sie werden die Hand auf den Mund legen, ihre Ohren werden taub werden; sie werden Staub lecken wie die Schlange, wie die kriechenden Tiere der Erde; sie werden hervorzittern aus ihren Schlössern; sie werden sich bebend wenden zu dem HERRN , unserem Gott, und vor dir sich fürchten.

Gott wird wieder zugunsten seines Volkes eingreifen. Er erinnert daran, dass Er einst, als das Volk Israel aus Ägypten zog, Wunder getan hat. Dieses Volk wird wieder Wunder1 sehen.

1

Hebr. pahlah= Wunder (2Mo 3,20).

„Ist für den Herrneine Sache zu wunderbar?“(1Mo 18,14; vgl. Jer 32,17.27). Der Gott, der dem Volk Gottes eine so wunderbare Befreiung aus der Sklaverei Ägyptens gab, der kann auch den Überrest auf einzigartige Weise bewahren. Lasst es uns nie vergessen: Gott tat und tut Wunder. Der Name unseres Herrn ist ja „Wunderbarer“.1

1

Hebr. pehleh (Jes 9,5).

Wenn der Herr unsere Gebete nicht immer erhören kann, so wie wir es uns wünschen, dann ist das seine Weisheit. Als David die Lade Gottes nach Jerusalem gebracht hatte, dichtete er einen Psalm, den wir in 1. Chronika 16,8ff. und Psalm 105,1–15 finden. In diesem Psalm sagt er: „Singt ihm, singt ihm Psalmen; sinnt über alle seine Wunderwerke! ... Erinnert euch an seine Wunderwerke, die er getan hat, an seine Wunderzeichen und an die Gerichte seines Mundes! ... Erzählt unter den Nationen seine Herrlichkeit, unter allen Völkern seine Wundertaten!“ (1Chr 16,9.12.24).

Das ist die Aufforderung, die David uns allen gibt: Sinnt über Gottes Wundertun nach, erinnert euch an das, was Gott in der Vergangenheit getan hat, und erzählt seine Wundertaten. Aber erst dann, wenn wir wirklich Gottes Wundertun überdenken, weil wir es erlebt haben, dann können wir es erzählen. Manchmal lesen wir Biographien über Männer und Frauen Gottes, die in den vergangenen Jahrhunderten Gottes Wunder erlebt haben, und staunen über ihren Glauben. Aber was erlebst du, was erlebe ich mit dem lebendigen Gott? Ist Er denn nicht immer noch der lebendige Gott, der auch dein und mein Leben wunderbar leiten will? Glauben wir das? Erfahren wir das?

Der Text sagt uns, dass die Nationen die Macht Gottes erkennen werden. Sie werden sehen, beschämt werden, die Hand auf den Mund legen, taub werden – Ausdrücke des höchsten Erstaunens. Was haben doch Menschen dieser Welt schon Gott gelästert, haben Gott verspottet und seine Existenz geleugnet. Sie hatten sich in dieser Welt wohnlich eingerichtet, lebten in Schlössern, in festen Häusern, in Villen, die von keinem Bettler betreten werden konnten. Sie hatten kein Auge für das Volk Gottes, für den Elenden; Barmherzigkeit galt als Schwäche. Das wird dann vorbei sein. Ihr Verhalten gleicht dann dem der kriechenden Tiere. Sie werden Staub lecken. Die Schlange sollte, nachdem sie den Menschen zum Ungehorsam verführt hatte, alle Tage ihres Lebens Staub lecken (1Mo 3,14), während der Mensch zum Staub des Erdbodens zurückkehren sollte.1 Wie tief müssen die Nationen doch gedemütigt werden, damit sie endlich Gott anerkennen und sich vor Ihm fürchten.

1

Hebr. gahphahr (1Mo 3,19; Ps 104,29; Pred 3,20; 12,7).

Was für eine wunderbare Zeit wird das sein. Sehnen sich nicht letztlich alle Völker nach einem solchen Friedensreich? Auch in Jesaja 49,22.23 heißt es: „So spricht der Herr, Herr: Siehe, ich werde meine Hand zu den Nationen hin erheben und zu den Völkern hin mein Banner aufrichten; und sie werden deine Söhne in ihrem Schoß bringen, und deine Töchter werden auf der Schulter getragen werden. Und Könige werden deine Wärter sein, und ihre Fürstinnen deine Ammen; sie werden sich vor dir niederwerfen mit dem Gesicht zur Erde und den Staub deiner Füße lecken. Und du wirst erkennen, dass ich der Herrbin: Die auf mich harren, werden nicht beschämt werden.“

Nicht die Nationen werden das letzte Wort auf dieser Erde haben. Kein noch so machtvoller Monarch, kein noch so brutaler Diktator, kein noch so diplomatisch versierter Kanzler oder Präsident ist dann in der Lage, gegen den Herrn der Herren, den Fürsten der Könige der Erde, etwas zu sagen, nein, Christus wird dann als wahrer König herrschen. Ihm wird dann alles untertan sein, Ihm, dem Sohn des Menschen.

12. Wer ist wie Gott? – Gepriesen sei der Herr (Kapitel 7,18–20)

7,18.19 – Wer ist ein Gott wie du, der die Ungerechtigkeit vergibt und die Übertretung des Überrestes seines Erbteils übersieht [eig. über … weggeht]? Er behält seinen Zorn nicht auf ewig, denn er hat Gefallen an Güte. Er wird sich unser wieder erbarmen, wird unsere Ungerechtigkeiten niedertreten; und du wirst alle ihre Sünden in die Tiefen des Meeres werfen.

Dieses Reich des Friedens, der Gerechtigkeit und Freude kommt aber erst, nachdem das Volk Gottes, der Überrest in Israel, eine schlimme Zeit der Leiden durchgemacht hat – die große Drangsal, die „Drangsal Jakobs.“

In verschiedenen Texten des Alten Testaments wird davon sehr deutlich gesprochen. Wir wollen sie uns kurz ansehen: In Jeremia 30,7 wird von einer „Zeit der Drangsal für Jakob“ gesprochen, in Daniel 12,1 von einer Zeit der „Drangsal, wie sie nicht gewesen ist, seitdem eine Nation besteht bis zu jener Zeit.“ Weiter lesen wir auch in den Psalmen von einer solchen Drangsal oder Bedrängnis (Ps 20,2; 37,39; 50,15) sowie in Jesaja (Jes 33,2; 37,3), Jeremia (Jer 15,11; 16,19), Obadja (12.14), Nahum (Nah 1,7), Habakuk (Hab 3,16) und Zephanja (Zeph 1,15). Auch im Neuen Testament wird von dieser kommenden Drangsal berichtet. Der Herr Jesus spricht in Matthäus 24,20–22 (vgl. Mk 13,19) davon: „Betet aber, dass eure Flucht nicht im Winter stattfinde noch am Sabbat; denn dann wird große Drangsal sein, wie sie seit Anfang der Welt bis jetzt nicht gewesen ist und auch nicht wieder sein wird. Und wenn jene Tage nicht verkürzt würden, so würde kein Fleisch errettet werden; aber um der Auserwählten willen werden jene Tage verkürzt werden.“ Auch in Offenbarung 7,13 heißt es: „Und einer von den Ältesten hob an und sprach zu mir: Diese, die mit den weißen Gewändern bekleidet sind, wer sind sie, und woher sind sie gekommen? Und ich sprach zu ihm: Mein Herr, du weißt es. Und er sprach zu mir: Dies sind die, die aus der großen Drangsal kommen, und sie haben ihre Gewänder gewaschen und haben sie weiß gemacht in dem Blut des Lammes.“ Schließlich lesen wir in Offenbarung 3,10 auch noch von einer „Stunde der Versuchung, die über den ganzen Erdkreis kommen wird“. Diese Stunde der Versuchung ist nicht genau identisch mit der großen Drangsal, aber alle die genannten Texte machen deutlich, dass auf diese Erde, auf das Volk Israel und auch auf die Nationen, schwere Zeiten zukommen werden.

Diese Zeit wird eine Zeit der Läuterung sein. Israel wird dann erkennen, dass es seinen Messias gekreuzigt hat.

7,20 – Du wirst an Jakob Treue [o. Wahrheit], an Abraham Güte erweisen, die du von den Tagen der Vorzeit her unseren Vätern geschworen hast.

Mit diesem Vers endet die Prophetie Michas. Zwei Namen werden genannt: Abraham und Jakob. An Jakob will Gott Treue (o. Wahrheit) erweisen und an Abraham Güte.

Wieso wird Jakob mit Treue in Verbindung gebracht? Nun, Jakob, dessen Name „Fersenhalter“ bzw. „Überlister“ bedeutet, ist der Mann, der in seinem frühen Leben immer wieder durch raffinierte Mittel zum Ziel kommen wollte. Er überlistete seinen Vater, hinterging seinen Bruder und trickste Laban aus. Er musste durch bittere Erfahrungen lernen, dass Gott ein Gott der Wahrheit ist. So steht Jakob für das Volk Israel, das durch die erlebte Drangsal hindurch lernen muss, dass vor Gott Sünden nicht bestehen können. Israel wird das „Haus Jakob“ genannt, und Gott redet zu diesem Haus.

Wenn die Propheten den Namen „Abraham“ erwähnen, dann denken sie an den Gott Abrahams, den Gott, „der Abraham erlöst hat“ (Jes 29,22), und den Vater des Volkes Israel, den Gott rief, „den Einen“, von dem Gott sagte: „… ich segnete ihn und mehrte ihn“ (Jes 51,2). Dieser Abraham war es, der Gott glaubte, und es wurde ihm zur Gerechtigkeit gerechnet (1Mo 15,6). Ihm und seinen Nachkommen wurden schon im 1. Buch Mose Verheißungen gegeben: In 1. Mose 12,2: „Und ich will dich zu einer großen Nation machen und dich segnen, und ich will deinen Namen groß machen; und du sollst ein Segen sein!“ In Kapitel 13,16: „Und ich will deine Nachkommenschaft machen wie den Staub der Erde, so dass, wenn jemand den Staub der Erde zu zählen vermag, auch deine Nachkommenschaft gezählt werden wird“, sowie in Kapitel 17,5–7: „Und fortan soll dein Name nicht Abram heißen, sondern Abraham soll dein Name sein; denn zum Vater einer Menge Nationen habe ich dich gemacht. Und ich werde dich sehr, sehr fruchtbar machen, und ich werde dich zu Nationen machen, und Könige sollen aus dir hervorkommen. Und ich werde meinen Bund errichten zwischen mir und dir und deinen Nachkommen nach dir, nach ihren Generationen, zu einem ewigen Bund, um dein Gott zu sein und deinen Nachkommen nach dir“, und in Kapitel 18,18: „Wird doch Abraham gewiss zu einer großen und mächtigen Nation werden, und sollen doch in ihm gesegnet werden alle Nationen der Erde!“ Schließlich lesen wir in Kapitel 22,16–18 von dem Engel des Herrn, der sprach: „Ich schwöre bei mir selbst, spricht der Herr, dass, weil du dies getan und deinen Sohn, deinen einzigen, mir nicht vorenthalten hast, ich dich reichlich segnen und deine Nachkommen sehr mehren werde, wie die Sterne des Himmels und wie [den] Sand, der am Ufer des Meeres ist; und deine Nachkommen werden das Tor ihrer Feinde besitzen; und in deinem Nachkommen werden sich segnen alle Nationen der Erde: weil du meiner Stimme gehorcht hast.“

Gott bleibt seinen Versprechungen treu. Wie oft lesen wir in der Schrift, dass Gott seines Bundes mit Abraham, aber auch mit Isaak und Jakob gedenkt (siehe 2Mo 2,24; 3Mo 26,42; Ps 105,42).

Gott ist der treue Gott. Seine Verheißungen sind Ja und Amen. Anbetend wollen wir uns in Ehrfurcht vor Ihm verneigen. Dieser große und lebendige Gott wird seinen Sohn, der einst auf dieser Erde auf dem Hügel Golgatha am Kreuz für uns starb, als König einsetzen. Er wird den Thron Davids erben und von dort aus regieren, denn Er ist der Nachkomme Abrahams, der Sohn Davids und der Sohn Gottes. Jeder Mund wird einmal bekennen müssen, dass Er Herr und König ist.

Lasst uns mit dem Jünger Thomas sagen: „Mein HERR und mein Gott“, und Ihm dienen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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