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 Vorwort Hohelied Synopis   JND

Das Lied der Lieder (Hohelied] betrachtet den Juden, oder richtiger den treuen Überrest, von einem ganz ande­ren Gesichtspunkt aus, als die beiden vorhergehenden Bücher es tun. Es redet von den Zuneigungen, die der König in den Herzen der Gläubigen aus Israel am Ende der Tage hervorbringen kann und durch welche Er sie zu Sich zieht. So stark diese Zuneigungen sein mögen, werden sie doch nicht der Stellung entsprechend dar­gestellt, in welcher sich die eigentlich christlichen Zuneigungen bilden. Sie unterscheiden sich in dieser Hinsicht wesentlich von den letzteren. Sie besitzen nicht die tiefe Ruhe und Süßigkeit einer Liebe, die aus einem bestehenden, gekannten und völlig geschätzten Ver­hältnis hervorgehen, dessen Bande gebildet sind und gekannt werden, einer Liebe, die auf die völlige und beständige Anerkennung dieses Verhältnisses rechnet und die ein jeder der beiden Teile genießt als etwas Sicheres im Herzen des anderen. Das Verlangen einer Liebenden, welche die Zuneigung der geliebten Person zu erlangen sucht, ist nicht die süße, völlige und ge­gründete Liebe einer Frau, die durch die Ehe in eine unauflösliche Vereinigung eingeführt ist. Im ersten Falle besteht die Beziehung nur in dem Verlangen als Folge des Herzenszustandes; im zweiten ist der Herzenszu­stand die Folge der Beziehung. Obwohl nun die Hoch­zeit des Lammes noch nicht gekommen ist, kennzeichnet nichtsdestoweniger dieser letzte Charakter der Zunei­gung die Versammlung oder Gemeinde, und zwar auf­grund der uns gemachten Offenbarungen und der Voll­endung des Erlösungswerkes. Wir sind errettet; Preis und Ehre sei Gott dafür! Wir wissen, wem wir geglaubt haben. Die Stärke und Kraft des V e r l a n g e n s bleibt jedoch noch bestehen, weil die Herrlich­keit und die Hochzeit des Lammes noch zukünftig sind. Welch eine Stellung hat doch die Versammlung! Das völlige Vertrauen der Beziehung auf der einen Seite, die sehnlichste Erwartung des Herrn seitens der Braut auf der anderen, und zwar eines Herrn, dessen Liebe gut gekannt ist. Zudem steht diese Erwartung in Verbin­dung mit der Herrlichkeit, in welcher Er kommen wird. um die Braut zu Sich zu holen, damit sie für immer bei Ihm sei.

 

Das ist nicht die Stellung des gläubigen Juden. Der Punkt, um den es sich bei ihm handelt, ist zu wissen, daß sein Geliebter sein ist. Das ist für ihn die wichtige Frage. Daß dabei ein bei beiden (Juden und Christen) ge­meinsamer Grundsatz in Frage kommt, ist wahr. Chri­stus liebt Seine Versammlung, und Er liebt Sein irdisches Volk; Er liebt die Seele, die Er zu Sich zieht. Wir können daher im Hohenliede Anwendungen auf uns selbst machen, die sehr kostbar sind. Dennoch ist es wichtig, klar zu unterscheiden und nicht etwas auf die Versammlung anzuwenden, was sich auf Israel bezieht. Anders wird unsere Liebe nicht den rechten Charakter haben, und wir werden hinter dem, was Christo zu­kommt, zurückbleiben.

 

Das Hohelied zeigt uns also die Wiederanknüpfung der Beziehungen zwischen Christo und dem Überrest, damit dieser durch Herzensübungen - die seiner Stellung wegen notwendig sind - bestärkt werde in der Gewiß­heit der Liebe Christi, sowie in der Erkenntnis, daß alles aus Gnade ist, und zwar aus einer Gnade, die nie fehlen kann. In jener Zeit wird der Herr völlig von dem Überrest in Seinem salomonischen Charakter ge­kannt werden. Sein Herz wird gleichsam der Pracht­wagen Seines willigen Volkes (Kap. 6, 12) sein, der Ihn hinwegführt.

 

Der erste Vers des achten Kapitels kann uns wohl in besonderer Weise helfen, die Eigenart des in diesem Buche behandelten Herzenszustandes zu erkennen. Wir lesen dort: „O wärest du mir gleich einem Bruder! Fände ich dich draußen, ich wollte dich küssen!" Nichtsdestoweniger sehen wir, da der Geist Gottes das Herz des Überrestes von des Heilands Liebe zu überzeugen wünscht, daß das Verlangen des Herzens, seinen Ge­liebten zu besitzen, nicht aufhört, bis es den Gegenstand seiner Liebe erreicht hat. Das Herz gibt sich selbst die Versicherung aufgrund der Wirksamkeit des Geistes der Prophezeiung; denn tatsächlich ist Christus für den Überrest da, und der Überrest für Ihn. Hierauf ist das Ganze gegründet. Indes bedarf das Herz immer wieder der Beruhigung und Versicherung, wie wir dies auch in ähnlichem Falle an anderen Stellen wahrnehmen.

 

Soweit der allgemeine Inhalt des Buches. Wir wollen jetzt einige einzelne Züge hervorheben, die im Verlauf desselben zur Entfaltung kommen und eine innere, sitt­liche Bedeutung von großem Interesse für uns selbst besitzen.